Analyse
Erscheinungsdatum: 07. Juli 2024

Einigung zum Haushalt: Was die Bundesregierung in der Arbeits- und Sozialpolitik plant

Im Zentrum stehen drastische Verschärfungen beim Bürgergeld. Aber auch in vielen anderen Bereichen sind Änderungen vorgesehen.

Die Ampel-Koalition dreht beim Bürgergeld in mehreren Punkten 2023 eingeführte Verbesserungen zurück oder verschärft entsprechende Vorgaben:

  • Die Karenzzeit beim Schonvermögen soll auf sechs Monate halbiert werden: In diesem Zeitraum wird Vermögen eines Leistungsempfängers nur dann angerechnet, wenn es 40.000 Euro übersteigt. Für die Altersvorsorge vorgesehene Versicherungsbeiträge werden weiterhin nicht herangezogen.br>

  • Wird jemand bei Schwarzarbeit erwischt, sollen ihm drei Monate lang 30 Prozent des Regelsatzes gekürzt werden. Diese Kürzungsdauer und -höhe soll künftig auch einheitlich bei Verstößen gegen Mitwirkungspflichten gelten ­– bisher gibt es hier eine Abstufung. br>

  • Erscheint jemand nicht zu einem Jobcenter-Termin, soll die Kürzung nur für einen Monat gelten. Bei „positiver Mitwirkung“ oder einem „Signal der Mitwirkungsbereitschaft“ kann eine Sanktion vorzeitig aufgehoben werden.br>

  • Ein längerer Pendelweg zur Arbeit als bisher soll als zumutbar gelten: Bei einer Arbeitszeit von bis zu sechs Stunden gilt eine tägliche Pendelzeit von zweieinhalb Stunden als okay, bei einer Arbeitszeit von mehr als sechs Stunden entsprechend eine Hin- und Rückfahrt von drei Stunden.br>

  • Personen, die „kurzfristig dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen“, müssen sich einmal im Monat persönlich beim Jobcenter melden. Das gilt für alle, die beispielsweise nicht Kinder erziehen müssen oder gerade an einer Fortbildung teilnehmen.

Diese und mehr Änderungen beim Bürgergeld sind nachzulesen in einem Papier zur Haushaltseinigung. Dort sind auch Details zu weiteren Vorhaben der Bundesregierung zu finden, die zum Teil schon lange angekündigt, aber noch nicht umgesetzt sind. Eine Auswahl:

  • Tariftreuegesetz: Öffentliche Aufträge des Bundes ab einem bestimmten Schwellenwert gehen nur an Unternehmen, die einen für ihre Branche repräsentativen Tarifvertrag einhalten – das ist die Grundidee. In verschiedenen Fällen soll diese Schwelle jetzt aber deutlich höher liegen: etwa für Start-ups und bei bestimmten Vergaben, die nicht öffentlich ausgeschrieben werden.br>

  • Arbeitszeit I: Unternehmen sollen für eine befristete Zeit eine „begrenzte Möglichkeit“ erhalten, von den geltenden Regeln zur Tageshöchstarbeitszeit (10 Stunden) abzuweichen. Und zwar dann, wenn Tarifverträge oder darauf basierende Betriebsvereinbarungen eine solche Option vorsehen. Diese Regelung soll nach einer bestimmten Zeit evaluiert werden.br>

  • Arbeitszeit II: Teilzeitbeschäftigte sollen einen Anreiz erhalten, um mehr zu arbeiten. Wenn Arbeitgeber eine entsprechende Prämie zahlen, will die Bundesregierung diese steuerlich begünstigen.br>

  • Erwerbsanreize I: In bestimmten Einkommensbereichen bleibt arbeitenden Empfänger von Sozialleistungen kaum etwas oder nichts vom zusätzlich verdienten Geld, wenn sie ihre Arbeitszeit ausweiten. Hier sollen „Glättungen“ geprüft werden – möglichst ohne zusätzliche Belastungen für den Bundeshaushalt.br>

  • Erwerbsanreize II: Für Erwerbstätige, die zu wenig verdienen und daher Anspruch auf aufstockende Leistungen haben, soll ein Wahlrecht geprüft werden: Sie könnten sich dann zwischen Bürgergeld und Wohngeld/Kinderzuschlag entscheiden – je nachdem, auf welchem Wege ihnen mehr Geld bleibt.br>

  • Erwerbsanreize III: Ehemals Langzeitarbeitslose sollen im ersten Arbeitsjahr mehr von ihrem Lohn behalten dürfen, ohne dass er mit anderen Sozialleistungen wie dem Wohngeld verrechnet wird.

Auch im Bereich Gesundheit und Alter sind neben einer Stärkung der Betriebsrente mehrere Änderungen vorgesehen:

  • Die Weiterbeschäftigung Älterer soll erleichtert werden. Zudem sollen Beschäftigte eine abgabefreie Einmalzahlung als Prämie sowie monatliche Zuschläge auf die künftige Rente erhalten, wenn sie ihren Renteneintritt aufschieben.br>

  • Es soll ein privates Altersvorsorgedepot eingeführt werden, das in Fonds oder Anlagearten ohne „Beitragserhaltungsgarantie“ investiert werden kann, sodass höhere Renditen möglich sind.br>

  • Bezieher von Hinterbliebenenrente sollen monatlich 545 Euro mehr behalten dürfen, wenn sie arbeiten gehen. Bisher machen Vorgaben für die Verrechnungen beider Einkommen eine Erwerbstätigkeit aus Sicht der Koalition „vergleichsweise unattraktiv“.br>

  • Die im Zuge der Corona-Pandemie eingeführte Möglichkeit, sich telefonisch krankschreiben zu lassen, soll überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Denn ein „immenses Potenzial des Arbeitsmarktes“ sei zuletzt auch wegen des hohen Krankenstands ungenutzt geblieben.

Verbesserungen geben soll es außerdem für ausländische Fachkräfte und Geflüchtete :

  • In den ersten drei Jahren sollen ausländische Fachkräfte auf 30, 20 beziehungsweise 10 Prozent ihres Bruttolohns keine Steuern zahlen müssen. Für den entsprechenden Lohn ist eine Unter- und Obergrenze vorgesehen, nach fünf Jahren soll die Maßnahme evaluiert werden.br>

  • Geflüchtete sollen arbeiten dürfen, wenn die jeweilige Ausländerbehörde nach entsprechender Beteiligung der Bundesagentur für Arbeit innerhalb von zwei Wochen nichts Abweichendes entscheidet.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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