Analyse
Erscheinungsdatum: 12. März 2024

Die AfD und das Münster-Verfahren: Zorn und Zögerlichkeit

Sollte der Prozess in Münster mit einer Niederlage für die AfD ausgehen, steht sie vor einem herausfordernden Status Quo, vor allem im Umgang mit der Jungen Alternativen. Die Parteiführung gab am Dienstag einen Vorgeschmack auf ihre Argumentationslinie.

Der viel beachtete Prozessauftakt der AfD gegen die Bundesrepublik Deutschland brachte an Tag eins kaum Ergebnisse. Wie erwartet, versuchten die Rechtsnationalen zunächst, das Verfahren mit Anträgen zu verzögern. Aus AfD-Kreisen war zu hören, dass Verzögerung mit Blick auf die Wahlen eine bewusst gewählte Strategie ist. Nicht wenige in der Partei gehen ohnehin davon aus, dass die Klage scheitern wird. Sollte es dazu kommen, bleiben nach dem Oberverwaltungsgericht von Münster noch das Bundesverwaltungs- und das Bundesverfassungsgericht als Berufungsinstanzen. Aufschiebende Wirkung hat deren Anrufung nicht. Die Hochstufung der Gesamtpartei vom Verdachtsfall zur gesichert rechtsextremen Partei wäre jederzeit möglich.

Für die Partei wäre auch der Status Quo eine Herausforderung. Denn viele Gruppen, insbesondere auf dem rechten Flügel, halten wenig von Zurückhaltung. Die meisten Mitglieder der Nachwuchsorganisation Junge Alternative etwa denken gar nicht daran, sich zu mäßigen. Daran änderte auch ihre unlängst erfolgte Einstufung als gesichert rechtsextrem durch den Verfassungsschutz und die Bestätigung dessen durch das Verwaltungsgericht in Köln nichts.

Eher moderaten Mitgliedern der Fraktion stößt zunehmend auf, wie forsch der Nachwuchs Parteiposten beansprucht. Viele Jung-Rechte würden am liebsten direkt in den Bundestag einziehen und auf den Weg über Kommunal-, Kreis- oder Landesparlamente verzichten. Manches Mitglied sieht schon den eigenen Vorwurf gegen Leute wie Ricarda Lang oder Kevin Kühnert unterminiert, sie hätten nie einen Beruf erlernt, sondern seien Polit-Karrieristen. Um mehr Kontrolle zu erlangen, würde die Fraktion sie nun gern enger an sich binden. Die imageschädigende Wirkung von rechtsextremen Ausschreitungen bei der Jugendorganisation sehen inzwischen selbst viele ihrer Sympathisanten.

Die jahrelangen Häutungsprozesse der AfD – erst sprangen Bernd Lucke und Gefolgschaft ab, dann Frauke Petry, dann Jörg Meuthen – mögen zu einer gewissen Angleichung geführt haben; als homogener Block steht die AfD inzwischen aber keineswegs da. Die Richtungskämpfe innerhalb der Partei toben ständig und auf allen Ebenen, bis hinauf in den Bundestag.

Durch den Ausleseprozess sind neue Netzwerke entstanden. Es gibt nicht mehr nur die vergleichsweise Gemäßigten, die über Aussagen früherer Flügel-Sympathisanten nur staunen; die mit einem Maximilian Krah oder einem Petr Bystron genauso wenig anfangen können wie mit einem Björn Höcke oder einem Hans-Thomas Tillschneider. Auf der anderen Seite gibt es mehr denn je die Radikalen, eng vernetzt mit Organisationen, die auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD stehen. Aber es gibt auch die Opportunisten, die verstanden haben, dass sich an den Radikalen vorbei keine Politik machen lässt, sie aber die erste Gruppe brauchen, um weiter in die Mitte hineinzumobilisieren.

Und die Parteiführung? Gerade erst am Dienstag belegte sie wieder, wie sie mit Kritik umgeht. Auf eine Recherche des Bayerischen Rundfunks, nach der mindestens 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der AfD-Bundestagsfraktion behördlich als rechtsextrem eingestuft sind, reagierte die Parteispitze mit einem Frontalangriff. Als „schützenswert“ und „unbescholtene Bürger“ bezeichnete Co-Parteichef Tino Chrupalla die Mitarbeiter, Alice Weidel beschimpfte die versammelte Presse als „GEZ-abhängig“ und regierungshörig: „Die Steuerzahler werden geschröpft, damit Sie hier den ganzen Tag diese Grütze schreiben können.”

Die Ausfälle lassen erahnen, wie die AfD im Falle einer Niederlage in Münster argumentieren wird. Fachleute rechnen nicht damit, dass das Verfahren am Mittwoch abgeschlossen wird.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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