Der Ukraine-Krieg wurde für die Ampel vom ersten Tag an zur alles überragenden Herausforderung. Und der Umgang mit seinen Folgen könnte über das endgültige Schicksal dieser Krisenkoalition entscheiden. Obwohl Ostern ein Fest des Friedens sein soll (was der Papst in seinem Urbi et Orbi auf ganz eigene Weise noch einmal betonte), ist am Osterwochenende deutlich geworden, wie sehr sich der Kanzler, der Vizekanzler und der Finanzminister auf Konflikt, klare Kante und Wahlkampf einstellen. Man kann auch sagen: Obwohl alle Beobachter die Fronten innerhalb des Bündnisses schon länger kennen, sind die Bruchlinien noch nie so offen zutage getreten.
Olaf Scholz präsentiert sich betont selbstbewusst. Was für ihn vor allem heißt: seht alle her, ich werde das noch einmal gewinnen. In seinem kurzen Kanzler-kompakt-Video hat er bewusst wiederholt, was er zur Ukraine-Unterstützung (so lange wie nötig), zur Lieferung von Taurus (mit mir nicht) und zum Schutze des Sozialstaats (mit mir auf ewig) schon immer gesagt hat. Vor allem aber hat er demonstrativ gezeigt, dass er für diese Inhalte zu kämpfen bereit ist. Unmissverständlich. Als Kanzler. Bei jeder Wahl, die kommt. Unterfüttert wird das durch die Berichterstattung in einer großen Sonntagszeitung, die dieses Bild vom fröhlichen Kanzler bestätigt. Ganz zu Scholzens Zufriedenheit, kann man sagen.
Robert Habeck demonstriert seinen Machtwillen. In einem neuen Youtube-Auftritt zeigt er Verständnis für die Sorgenvollen und Friedenssehnsüchtigen – und begründet dann, warum er Europa bedroht sieht und der Ukraine deshalb auch aus bitternötigem Selbstschutz mehr und weitere Waffen liefern würde. Begründungsreicher und zugewandter als Scholz wiederholt er sich nicht nur, sondern spricht über eine historische Bedrohungslage – und begründet im FAS-Interview, warum diese nicht nur von außen, sondern auch im Innern groß ist. Habeck klingt noch nicht wie Churchill, aber er ist auf dem Weg dorthin. Und er demonstriert nebenbei, dass er schon jetzt für den Wahlkampf bereit ist, als Anführer der Grünen. „All in” nennt man das wohl.
Und Christian Lindner zieht unmissverständliche Grenzen. Keine Schuldenaufnahme und keine Ausgaben ohne Gegenfinanzierung im Haushalt, nicht für Wirtschaftsimpulse, nicht für Panzer, Bundeswehr, Ukraine. Das ist Lindners Botschaft, verbunden mit der Zusage von Steuerentlastungen für die Mittelschicht. Noch heißt es, dass Lindner mit Habeck über Wege zur Stimulation der Wirtschaft nachdenke. Und doch hat er sich so sehr festgelegt, dass er damit zwar wahlkämpfen kann, aber die drei kaum mehr einen Weg zueinander finden werden.
Der Krieg, die Welt und Deutschland – das wird zum Streitfall. Um die Verteidigung, um die Finanzierung, auch um die gemeinsame Außenpolitik. Etwa im Umgang mit dem globalen Süden. Dazu braucht es (auch) Geld. Geld allerdings, das der Finanzminister gerade radikal zusammengestrichen hat. Für BMZ-Chefin Svenja Schulze (SPD) ist die Schmerzgrenze bereits überschritten. Ihr Argument: Nicht in Entwicklungspolitik zu investieren, werde für ein Exportland wie Deutschland auf Dauer viel teurer.
Vorwahlen à la Deutschland? Das Gefühl kann man bekommen. Die Spitzen der Ampel grenzen sich so sehr voneinander ab, als wollten sie die Europawahl im Juni und die Landtagswahlen im September schon ein Jahr vor der Bundestagswahl zum Schauplatz der ganz großen Auseinandersetzung machen. Dabei geschieht, was eigentlich alle irritieren müsste: Es entsteht wieder eine scharfe und immer schärfere Abgrenzung in Lager. Und das, obwohl weder Rot-Grün noch Schwarz-Gelb auch nur annähernd die Chance auf eine Mehrheit hätten.