Analyse
Erscheinungsdatum: 27. Juni 2024

Bundestag: Neues Lobbyregister schafft weniger Transparenz

Am 30. Juni wird das neue Lobbyregistergesetz des Bundestages scharf gestellt. Transparenz wird zurückgedreht. Interessenvertreter klagen darüber, dass ein neues Bürokratiemonster geschaffen wurde.

Deutliche Kritik am neuen Lobbyregistergesetz der Ampel, das seit März gilt und am 30. Juni scharf gestellt wird, kommt von der Allianz für Lobbytransparenz. „Das neue Lobbyregister des Bundestages hat viele Lücken. So gibt es weiterhin pauschale Ausnahmen für große Interessensgruppen wie etwa Gewerkschaften, Kirchen, Arbeitgeberverbände, Vertretungen von Bundesländern und andere mehr“, bemängelt Norbert Theihs vom Verband der Chemischen Industrie (VCI).

Organisationen wie diese müssten nach wie vor keine Eintragungen im Lobbyregister des Bundestages vornehmen. Der VCI hat vor fünf Jahren zusammen mit Transparency International und vier weiteren Organisationen (BDI, VZBV, Die Familienunternehmer und dem Naturschutzbund) die Allianz für Lobbytransparenz gegründet. Inzwischen haben sich weitere Organisationen der Initiative angeschlossen.

Alexandra Herzog, Vorsitzende von Transparency International Deutschland, bemängelt den nicht zufriedenstellenden „Fußabdruck“ beim neuen Lobbyregister: „Die Minimallösung beim (exekutiven) Fußabdruck enttäuscht, der Gesetzgeber hätte für eine weitgehendere Offenlegung der Einflussnahme sorgen müssen.“

Das neue Lobbyregistergesetz schaffe weniger Transparenz als das bisherige. Dies betrifft insbesondere Organisationen, die finanziell stark von Spenden abhängig sind. Bislang mussten Spender, die mehr als 20.000 Euro gegeben haben, namentlich ausgewiesen werden. Allerdings hatten die Organisationen die Möglichkeit, die Angabe zu verweigern. Im neuen Eintrag, der bis 30. Juni erscheinen muss, müssen nur noch Geldgeber benannt werden, wenn ihre Zuwendungen mehr als zehn Prozent der gesamten Spendeneinnahmen des Interessenvertreters ausmachen und oberhalb von 10.000 Euro liegen. Damit werde die Hürde massiv abgesenkt. Man rechnet damit, dass künftig 99 Prozent der Spender von den Lobbyorganisationen nicht mehr genannt werden müssen.

Theihs kritisiert: „Maßgeblich spendenfinanzierte Organisationen wie etwa einige Umwelt-NGOs hatten im Gesetzgebungsverfahren massiv gegen eine weitgehende Offenlegung ihrer Geldgeber lobbyiert.“ Sie haben sich durchgesetzt. „Darunter leidet aber die Transparenz. Die Öffentlichkeit hat einen Anspruch darauf zu erfahren, wer die Geldgeber der weitgehend spendenfinanzierten Organisationen sind und wessen Interessen vertreten werden.“ Organisationen wie etwa die Umwelthilfe hatten argumentiert, dass ihre Geldgeber vielfach Privatleute seien und dass eine Offenlegungspflicht den Rückgang der Spendenbereitschaft bedeuten würde. Privatleute wollten nicht, dass die Öffentlichkeit über die Angabe Rückschlüsse auf ihr Vermögen ziehen könnte.

Herzog teilt die Kritik des VCI: „Größere Zuwendungen bleiben verdeckt. Vor dem Hintergrund, dass auch zivilgesellschaftliche Organisationen zur illegitimen Einflussnahme genutzt werden können, ist dies ein gravierender Schwachpunkt.“ Die Organisation Lobbycontrol sieht es ähnlich: „Lobbycontrol teilt die Kritik, dass die Schwelle von 10.000 Euro und zehn Prozent der Gesamteinnahmen durch Spenden oder Mitgliedsbeiträge zu hoch ist.“

Der Nabu war Gründungsmitglied, und der WWF war zwischenzeitlich als Partner der Allianz für Lobbytransparenz beigetreten. 2023 verließen beide Umwelt-NGO aber die Allianz wieder. Sie waren nicht bereit, ein Eckpunktepapier mitzutragen, wonach zumindest der Spendername einer Summe über 50.000 Euro genannt werden müsste. Die genaue Summe hätte nicht genannt werden müssen.

Der VCI bezeichnet das Lobbyregistergesetz der Ampel als „Bürokratiemonster“. Theihs: „Es werden wahnsinnig viele Daten abgefragt und erhoben.“ Dadurch schaffe der Gesetzgeber nicht mehr Transparenz. „Das ist Scheintransparenz. Die im Übrigen bereits massiv in diesem Bereich aufgestockte Bundestagsverwaltung ist völlig überfordert mit der Überwachung der Einträge.“ Der Gesetzgeber habe zudem den Fehler gemacht, die Pflicht zur Dokumentation an die Interessenvertreter auszulagern. Sie müssten selbst ihre Stellungnahmen zu „Regelungsvorhaben“ dokumentieren. Der VCI etwa müsse bei jedem Mailkontakt mit einem Bundesministerium überprüfen, ob die Nachricht dokumentiert werden müsse.

Der Gesetzgeber habe den bürokratischen Aufwand bereits beim ersten Lobbyregistergesetz massiv unterschätzt. Damals sei man pauschal von bürokratischem Aufwand in Höhe von 120.000 Euro ausgegangen. Nach einer Umfrage unter Interessenvertretern hat die Allianz für Lobbytransparenz zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Politikberatung den Aufwand für die Ersteintragung von 6.500 Organisationen auf 65 Millionen Euro geschätzt. Mit dem neuen Lobbyregister gebe es noch mehr Dokumentationspflichten. Der Aufwand werde nach Schätzungen mit dem zweiten Lobbyregistergesetz um den Faktor zehn steigen. Theihs warnt: „Wir müssen damit rechnen, dass der Bürokratieaufwand mit dem neuen Lobbyregister auf 650 Millionen Euro steigt.“ Klar sei: „Mit steigendem unnötigem Aufwand sinkt die Akzeptanz bei den Interessenvertretern.“

Herzog: „Es wäre besser gewesen, wenn der Gesetzgeber auf das Online-Konsultationsverfahren gesetzt hätte, wie es etwa von der EU-Kommission benutzt wird.“ Schon im Vorfeld von Gesetzgebungsvorschlägen der Kommission können sich Interessenvertreter im Rahmen von öffentlichen Konsultationsverfahren beteiligen. Über Plattformen können sie, für die Öffentlichkeit ersichtlich, ihre Stellungnahmen hochladen. Herzog: „So wird durch wenige Klicks nicht nur transparent gemacht, wer Einfluss genommen hat, sondern auch welcher inhaltliche Impuls gegeben wurde.“

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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