So einfach und friedlich, wie von vielen rund um Robert Habeck erhofft, wird es bei den Grünen mit der Neuaufstellung nicht laufen. Nicht für den Vizekanzler und damit auch nicht für die von ihm angestrebte inhaltliche Ausrichtung. Sah es in den ersten Tagen nach dem Rücktritt von Ricarda Lang und Omid Nouripour noch so aus, als unterstütze eine stabile Mehrheit der Partei einen Wahlkampf mit weitreichenden Freiheiten für den aktuellen Vizekanzler, so hat sich das Bild spätestens übers Wochenende deutlich verändert. Die Unruhe ist groß, Widerstand formiert sich, vor allem der linke Flügel mobilisiert.
Ein aktueller Schlachtruf bündelt das am stärksten: Wir wollen kein BRH. Gemeint ist ein „Bündnis Robert Habeck“, in Anlehnung an Sahra Wagenknechts Bewegung. Wer weiß, wie kritisch Wagenknecht auch bei den Grünen gesehen wird, ahnt, wie vergiftend dieser Kampfbegriff wirken soll. Nach dem Motto: Wir müssen einen Durchmarsch von Habeck verhindern. Es entsteht der Eindruck, dass die Partei, gebeutelt von Wahlniederlagen, noch immer ziemlich unsortiert ist. Ihre Nervosität war auf dem Kongress „Mut macht Zukunft“ der Fraktion am Montag deutlich zu spüren. Er fand im DDR-Kino Kosmos in Friedrichshain statt, ausgerechnet dort, wo das BSW seinen Gründungsparteitag hatte.
Erster Angriffspunkt der Linken ist Franziska Brantner. Sie gilt als enge, wenn nicht engste Vertraute von Habeck, gilt als wirtschaftsnah. Sie will Parteichefin werden. Doch wissend um die nötige Balance in der Parteiführung tritt Brantner im Duo mit dem linken Grünen Felix Banaszak an – und beide wollen den ebenfalls zum linken Flügel gehörenden Andreas Audretsch zum Wahlkampfmanager machen.
Dem linken Flügel aber reicht das mitnichten. Jedenfalls jenen rund 180 linken Grünen nicht, die sich am Samstag trafen. Schon in den Tagen zuvor entstand in ihren Reihen die Idee, Sven Giegold, Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, für den Posten des politischen Geschäftsführers der Partei ins Rennen zu schicken. Giegold äußerte am Samstag nach Angaben von Teilnehmern die Bereitschaft, „Verantwortung zu übernehmen“. Mit Habeck, immerhin sein Chef im Bundeswirtschaftsministerium, war dieser Schritt nicht abgesprochen. Auch Banaszak und Audretsch sollen von alledem überrascht worden sein.
Giegold ist aus Sicht vieler Realos nicht der richtige. Der einstige Mitbegründer von Attac in Deutschland und Wortführer unter den Kritikern von TTIP und Ceta passt inhaltlich und im Habitus nicht zu den Wahlkampfplänen im Team Habeck. Dass Giegold sich ohne Absprache mit dem künftigen Kanzlerkandidaten in Stellung bringt, wird unter Realos als große Illoyalität gewertet. Bei ihnen heißt es nun, dass Giegold seine Felle davonschwimmen sah: „Er hatte keine Chance, also nutzt er sie“, heißt es. Der Kampf um Personen und Inhalte – er hat erst begonnen.
Hinzu kommen Quoten und sonstige Instrumente der Machtteilung. Sie können weitere Probleme aufwerfen. Dazu gehört, dass nach Satzung nur ein Drittel des Vorstands, also zwei von sechs Mitgliedern, Abgeordnete sein dürfen. Diese zwei wären mit Brantner und Banaszak schon vertreten. Audretsch müsste sein Mandat aufgeben, wenn auch er offiziell in den Vorstand wollte. Genau diese Frage aber stellt sich jetzt für ihn. Würde Giegold gewählt, hätte Audretsch es schwer, noch Wahlkampfmanager zu werden. Der Grund: Mit Banaszak und Giegold wären es schon zwei Linke und zwei Männer. Noch ein Linker und Mann wäre kaum mehr vermittelbar. Entsprechend dürfte Audretsch Giegolds überraschende Kandidatur als Angriff auf sich selbst lesen. Jetzt muss sich der Stuttgarter mit Berliner Wahlkreis entscheiden, ob er gegen Giegold antritt – oder alles versucht, damit die Linken diesen Konflikt auf andere Weise befrieden.