Von diesem Bild sollte eine Botschaft ausgehen: Friedrich Merz steht zwischen dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron, dem polnischen Ministerpräsidenten Donald Tusk und dem britischen Premier Kier Starmer. Dabei erklärt der Bundeskanzler: „Wir sind uns einig darüber, dass die russische Seite eine gute Gelegenheit gehabt hätte, erste Gespräche über ein Friedensabkommen mit einem vorangegangenen Waffenstillstandsabkommen zu führen. Wir sind sehr enttäuscht, dass dies nicht stattgefunden hat. Es lag der Ball ausschließlich bei Russland.“
Ein Präsident, drei Regierungschefs und dazu eine Botschaft: Wir stehen geschlossen. Das wollten und wollen die vier Großen aus Europa beweisen. Bis dahin hatten sie gehofft, dass bei den Verhandlungen in Istanbul mehr rauskommen würde; seither möchten sie noch klarer zeigen, dass sie sich auch von Rückschlägen nicht werden abschrecken lassen. Das Vierer-Format aus Deutschland, Frankreich, Polen und Großbritannien, das vergangene Woche bereits gemeinsam in die Ukraine gereist war, verständigte sich nach den ukrainisch-russischen Gesprächen auf eine Überschrift, die sich alle merken sollen: „Wir stehen zusammen, Europa ist wieder da.“
Diese Botschaft richtet sich nicht nur an Wladimir Putin, sondern auch an den Mann, den Europa nach wie vor braucht: Donald Trump. Auch wenn am Dienstag beim Außenministertreffen in Brüssel wohl das 17. EU-Sanktionspaket unterzeichnet wird und man bereits über ein 18. Paket verhandelt, ist allen eines klar: Ohne die Amerikaner wird es am Ende kaum Wirkung entfalten. Bislang liegen die großen Hebel gegen den russischen Kriegspräsidenten im Energie- und Finanzbereich. Nur hat sich mittlerweile gezeigt, dass diese Hebel Russland nicht ausreichend wehtun, um den Kreml in Friedensgespräche zu zwingen.
Als Zeichen dieser Erkenntnis hatte das Quartett nur wenige Minuten vor seinem Pressestatement gehandelt. Merz, Macron, Tusk und Starmer riefen gemeinsam mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj bei Trump an. Merz erklärte später, man informiere den amerikanischen Präsidenten laufend. Dabei, so der Kanzler, sei klar, dass man auf dieser Seite des Atlantiks zusammenstehe. „Das ist die Europäische Union. Das ist die Koalition der Willigen. Und wir sind fest entschlossen, der Ukraine weiterzuhelfen, damit dieser schreckliche Krieg zu einem Ende kommt.“ Mit alledem verbindet sich die Hoffnung, dass Trump Schritt für Schritt merken und lernen möge, dass sich die EU nicht mehr spalten lasse – und es sich lohne, mit ihr zusammenzuarbeiten. Nicht drohen, nicht beleidigt sein, sondern sich als entschlossener und attraktiver Partner präsentieren – so lautet die Devise.
So gut das klingen mag, selbst in der Bundesregierung laufen noch nicht alle in die gleiche Richtung. Außenminister Johann Wadephul fährt eine etwas andere Strategie. Beim Nato-Außenministertreffen in Antalya erklärte er, dass er seinem amerikanischen Amtskollegen Marco Rubio eine deutsche „Führungsrolle in Europa“ zugesagt habe. Außerdem werde er beim Thema Verteidigungsausgaben auch „andere auffordern, uns zu folgen“. Damit bringt er vor allem Deutschland als Partner ins Spiel. Da klingt ein bisschen die Hoffnung mit, den Geist von der „partnership in leadership“ neu aufleben zu lassen, den einst US-Präsident George Bush Senior nach der Wiedervereinigung entworfen hatte. Dabei schwingt weniger ein geeintes Europa mit; es geht mehr um ein neues, entschlossenes Deutschland.
Das Ziel freilich dürfte das Gleiche sein: Trump für eine gemeinsame Politik zu gewinnen. Bei den Verteidigungsausgaben unterstützte Wadephul zwar den Kompromissvorschlag von Nato-Generalsekretär Mark Rutte, der sich für 3,5 Prozent harte Verteidigungsausgaben und 1,5 Prozent Investitionen in die militärische Infrastruktur bis 2032 ausgesprochen hatte. Die wichtigere Botschaft Wadephuls aber lautete, dass das „im Ergebnis“ genau das ist, was Trump einst vorgeschlagen hat: fünf Prozent der Wirtschaftskraft. Dass Wadephul damit für viel Wirbel beim Koalitionspartner gesorgt hat, scheint er zumindest in Kauf genommen zu haben. Wichtiger als der Koalitionspartner ist für Wadephul Washington. Auch seine Analyse lautet: Ohne die Trump-Administration geht es nicht. Denn: Europäische Sanktionspakete sind gut. Aber wirklich weh tun würde dem Kreml das Sanktionspaket im amerikanischen Senat, das derzeit vorbereitet wird.