Analyse
Erscheinungsdatum: 27. Juni 2023

Annalena Baerbock in Südafrika: Deutsche Zugewandtheit trifft auf klare Worte

Annalena Baerbock Buendnis 90/Die Gruenen, Bundesaussenministerin, trifft die Aussenministerin von Suedafrika, Grace Naledi Pandor, in Pretoria. Hier gemeinsame Pressekonferenz. Pretoria Suedafrika *** Annalena Baerbock Buendnis 90 Die Gruenen , German Foreign Minister, meets the Foreign Minister of South Africa, Grace Naledi Pandor, in Pretoria Here joint press conference Pretoria South Africa Copyright: xThomasxKoehlerx

Eigentlich könnte alles gut sein mit Südafrika. Klimapartnerschaft, Sicherheitskooperation, Impfstoff-Zusammenarbeit – das klingt richtig und wichtig. Aber Corona und der Ukraine-Krieg haben vieles erschwert. Obwohl Annalena Baerbock sich einer sanften Wiederannäherung verschrieben hat, zeigt ihre südafrikanische Kollegin, wie entschlossen neutral das Land bleiben möchte. Zum Trost steht am Ende ein Treffen mit dem Staatspräsidenten.

Zur Begrüßung gibt es jede Menge Schmeicheleien. Südafrikas Außenministerin Naledi Mandisa Pandor heißt Annalena Baerbock „sehr herzlich willkommen“; sie lobt die „sehr wichtigen Beziehungen“ mit Deutschland. Und sie schwärmt regelrecht über die „strategische Partnerschaft“ zum großen Nutzen beider Staaten. Mit offenen Armen möchte Pandor die Besucherin aus Deutschland empfangen. Also macht sie erst mal, was man so tut, um den Boden für eine gute Begegnung zu bereiten.

Dann jedoch wechselt Pandor leicht die Tonlage und erinnert daran, dass es ziemlich lange gedauert habe mit der Terminfindung. Sie beklagt, dass Baerbock nicht genügend Zeit mitbringe, jedenfalls für Gespräche übers gemeinsame Ziel „einer feministischen Außenpolitik“. Und sie erklärt unverblümt, dass man sich schon geärgert habe über Europas Umgang mit Corona und seinen Impfstoffen. Es sind zwei Botschaften, die Baerbock zur Begrüßung auf den Tisch gelegt werden. Nummer eins: Ich freue mich über deinen Besuch. Nummer zwei: Aber ich sage dir auch, was ich denke.

Gut möglich, dass die deutsche Außenministerin anderswo diplomatischer empfangen wird. Hier erlebt sie früh, dass das Selbstbewusstsein der Gastgeberin ziemlich groß ist. Und diese Art des Empfangs passt zwar nicht zur jeweiligen wirtschaftlichen Stärke. Aber sie passt sehr zum politischen Stand der Dinge zwischen Berlin und Pretoria.

Gekommen ist Baerbock, um über die ganz großen Themen zu sprechen. Den Krieg und seine Folgen; das Klima und seine Rettung; das globale Miteinander und seine Voraussetzungen. Das klang nach dringend nötigen Gemeinsamkeiten. Doch das Miteinander ist zuletzt mühsam geworden. Zum einen hat Corona Südafrika in der Tat schwer getroffen; deshalb hat der europäische Egoismus hier auch besonders eingeschlagen.

Zum anderen sind da die Auswirkungen des Kriegs in der Ukraine. Sie legen noch viel gravierendere Unterschiede offen. Kaum hatte der russische Angriff Ende Februar 2022 begonnen, stellten Europa und die USA dieses Thema in den Mittelpunkt aller Gespräche, verbunden mit der Forderung an alle anderen, die Ukraine und die Sanktionen gegen Russland doch bitte zu unterstützen. In Südafrika aber wuchs nicht die Loyalität mit dem Westen, sondern das Gefühl, dass sich der nur um sich selbst kreist.

Dabei treffen der Krieg, die Sanktionen und ihre Folgen vor allem Staaten wie Südafrika schwer, mit Inflation und Lieferengpässen. In Berlin, Brüssel und Washington wurde das zunächst kaum thematisiert, stattdessen wurden Indien, Brasilien und eben auch Südafrika aufgefordert, sich an die Seite des Westens zu stellen. Bei alldem war dort aus dem Blick geraten, dass sich die Sicht der drei großen Staaten des Globalen Südens auf die Welt längst gewandelt hat. Westliche Aggressionen in der Vergangenheit wie der Irak-Krieg haben Spuren hinterlassen; außerdem sind China und Russland schon lange und sehr intensiv bemüht, das Brics-Bündnis mit Indien, Brasilien und Südafrika zu einem Bündnis mit eigenständigem Blick auf die Welt zu erweitern.

In Berlin ist das inzwischen angekommen. Deshalb versucht Baerbock in Pretoria erst gar nicht, ihre Kollegin Pandor noch einmal offen von einem anderen Ukraine-Kurs zu überzeugen. Stattdessen gibt es von ihr viele freundliche Botschaften, mit denen sie das Verbindende hervorzuheben versucht. Baerbock lobt den stolzen Freiheitskampf des Landes von Nelson Mandela, erinnert an die historischen Fehler der alten Bundesrepublik, die das Apartheid-Regime nicht bekämpft, sondern gestützt hatte. Baerbock freut sich noch einmal über die Kooperation beim Bestreben, Frauen in der Außenpolitik zu stärken, gerade auch in Konfliktregionen. Und sie bezeichnet Südafrika in Gleichstellungsfragen als „leuchtendes Vorbild für die ganze Welt“. Das alles zeigt, wie zugewandt sich Baerbock im Land am Kap präsentierte möchte. Partner soll Partner bleiben, auch in schwierigen Zeiten.

Und um das auch mit ein paar Zahlen zu untermauern, wird passend zum Besuch bekannt, dass Deutschland und Frankreich jeweils 300 Millionen Euro an Krediten gewähren. Es ist die erste Tranche eines milliardenschweren Programms namens Just Energy Transformation Program (JETP), mit dem die USA, die EU, Großbritannien, Frankreich und Deutschland dem Land am Kap beim Umbau seines Energiesystems helfen möchten. Das Geld stockte zuletzt, weil der Schrecken über Korruption und Misswirtschaft im Land groß ist. Zugleich aber ist die Energiekrise mit täglich stundenlangen Stromabschaltungen derart problematisch geworden, dass sich Paris und Berlin zu einer ersten Zahlung durchgerungen haben.

Nur in aller Vorsicht spricht Baerbock den Krieg in der Ukraine überhaupt noch einmal an. Und das auf eine Art, die man als sehr diplomatisch bezeichnen könnte. Das letzte Jahr habe gezeigt, wie wichtig internationale Zusammenarbeit sei. Eng damit verbunden „haben wir für uns reflektiert“, dass Deutschland nicht immer präsent und wachsam genug gewesen sei, wenn irgendwo auf der Welt Krisen mehr Aufmerksamkeit verlangt hätten.

Man kann das Einsicht nennen oder Klugheit. Jedenfalls ist es das Bemühen, eine Brücke zu schlagen. Zumal Baerbock auch bei den Südafrikanern kleine Gesten ausgemacht hat, die in die gleiche Richtung wirken könnten. Mit stiller Genugtuung hatte sie schon vor dem Besuch festgestellt, dass Südafrika nicht mehr dem russischen Diktum von einer „Spezialoperation“ folgt, sondern den Angriff inzwischen Krieg nennt. Außerdem hat sie wahrgenommen, dass sich Südafrikas Präsident Cyril Ramaphosa auf seiner Friedensmission in der Ukraine mit Butscha und Irpin auch die Orte schlimmster Gräueltaten hat zeigen lassen. Baerbock verbindet damit die immerhin kleine Hoffnung, dass die Bilder die Sinne beim Blick auf Opfer und Täter weiter schärfen. Am Abend, beim überraschend doch noch möglichen Treffen mit dem Staatspräsidenten, will Baerbock dieser Frage noch einmal vertiefter nachgehen.

Eines aber kann sie nicht verhindern: Pandors Abschiedsbotschaft. Als die Außenministerin zum Schluss nochmal zum Krieg gefragt wird, antwortet sie, wie sie begonnen hat: sehr selbstbewusst. Nein, nichts werde sich ändern an Südafrikas Positionen. Ja, man sei bei der Abstimmung im Sicherheitsrat kritisiert worden. Trotzdem sei es richtig gewesen, sich zu enthalten. Man sei nicht mal gefragt worden. „ Take it or leave it“ – das sei die Alternative gewesen, sagt Pandor, durchaus mit einem kritischen Seitenblick auf Baerbock. Im Übrigen zeige sich jetzt, wie richtig die Neutralität sei. „ Wir haben den Vorteil, dass wir in der Lage sind, zu Selenskyj und zu Putin zu fahren.“ Die Initiative der fünf Afrikaner könne gelingen, sie könne scheitern. Am wichtigsten aber sei, „dass wir es versucht haben “.

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Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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