Analyse
Erscheinungsdatum: 26. November 2024

Angela Merkels Memoiren: Wie die Ex-Kanzlerin auf die Welt schaut  

Mit Freunden und Prominenten hat Angela Merkel, Bundeskanzlerin a.D., in Berlin ihre Memoiren vorgestellt. Moderatorin Anne Will führt durch das Gespräch, in dem die großen Fragen der Ära Merkel noch einmal Thema sind.

Es passt zu dieser unerwarteten Kanzlerin, dass sie sich in der Zeit, in der sich viele von ihr abwenden, entscheidet, ein Buch über ihr Leben zu schreiben. September 2015. Die Flüchtlingskrise. Eine „Zäsur“, wie Angela Merkel in ihrem Buch schreibt. Und für sie deshalb der Anlass, fortan aufzuschreiben, was sie bewegt, wie sie Politik macht und warum. Entstanden ist so ein 700-Seiten-Werk mit dem Titel „Freiheit”, das Merkel am Dienstagabend auf der Bühne des Deutschen Theaters in Berlin im Gespräch mit der Journalistin Anne Will vorstellt. Die Interpretation ihrer eigenen Geschichte könne „sie ja nicht nur den anderen überlassen“, sagt sie.

600 Gäste sind in das Festspielhaus gekommen, nach wenigen Minuten waren die Tickets bereits ausverkauft. Merkels Mann Joachim Sauer ist da; persönliche Freunde wie der Schauspieler Ulrich Matthes, und viele politische Weggefährten wie der damalige Fraktionschef Volker Kauder oder ihr früherer Sprecher Ulrich Wilhelm. Sie alle erleben, wie Merkel erklärt, wie sie es schaffte, als Physikerin aus dem Osten bis hinauf ins Kanzleramt. Eine ungewöhnliche politische Versuchsanordnung.

In dem Gespräch mit Will wird schnell klar, welche Zutaten dabei halfen. Detailtiefe. Schlagfertigkeit und eine gedankliche Klarheit, die Freunde begeisterte und Gegner zermürbte. Das Bild Merkels wird an diesem Abend nicht neu gezeichnet, aber doch geschliffen. Das Hineinlassen der Flüchtlinge 2015 nach Deutschland verteidigt sie als humanitäre Notwendigkeit. Auch, wenn sie zugibt, dass die „illegale Migration“ den Aufstieg der AfD befördert habe. Man müsse diese illegale Migration „bekämpfen“, notfalls mit Grenzkontrollen, wie Merkel überraschend einräumt. Dies hatte sie damals noch abgelehnt.

Die Kanzlerin a.D. scheint mit sich im Reinen. In der Russland-Frage betont sie, wie sehr die Wirtschaft und alle Parteien ein enges Verhältnis zu Russland wollten. Und es sei die SPD gewesen, die eine Aufrüstung der Bundeswehr und das Erreichen des Zwei-Prozent-Ziels stets abgelehnt habe. Man könne nur umsetzen, was man umsetzen könne.

Angela Merkel nutzt das Konditionalitätsprinzip, wenn sie auf die vermeintlichen Fehler ihrer Amtszeit angesprochen wird. Wenn die Bereitschaft aller Parteien da gewesen wäre, hätte man mehr für den Klimaschutz machen können. Wenn die staatlichen Ebenen besser miteinander arbeiten würden, wäre mehr bei der Digitalisierung herumgekommen. Und Selbstkritik? Sie habe doch nie gesagt, dass sie mit ihrem Abschied aus dem Amt „das ideale Deutschland“ hinterlasse. Und wenn es hilft, dass nun alle den Reformbedarf sehen, dann solle man eben sagen: „Die Merkel war’s.“

Ihren eigenen Aufstieg gegen jede CDU-interne Logik und die vielen Männer, die sie verhindern wollten und verächtlich machten, genießt sie rückblickend mit sanftem Lächeln, aber ohne Häme.„Ich habe mich auf den Bemitleidungsstatus nie eingelassen.“ Sie erinnert daran, dass sie in der CDU-Spendenaffäre als Einzige den Mut gezeigt habe, unbequeme Wahrheiten auszusprechen und sich gegen das Establishment zu stellen. „Das war mal ein Punkt, da wusste ich nicht, wie endet das.“

Welche besonderen Momente aus ihrem Leben Merkel in ihrem Buch beschreibt und wie sie sich an Gerhard Schröder, Wladimir Putin und George W. Bush erinnert, hat Stefan Braun hier analysiert.

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
Teilen
Kopiert!