Der Umgang der Bundesbehörden mit Anträgen auf Informationszugang nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) wird zunehmend zum Politikum. Denn nur zu oft können die Ministerialen in ihren Datenbänken angeblich nur wenige Dokumente ausfindig machen. Das Bundeskanzleramt erklärte etwa auf eine IFG-Anfrage zur Entscheidung über die „Zeitenwende“, verknüpft mit der Einrichtung eines Sondervermögens von 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, es seien lediglich vier Dokumente vorhanden. „Je gewichtiger die Entscheidung, desto spärlicher ihre Dokumentation in der Behörde“, sagt Rechtsanwältin Hannah Vos von der Initiative „FragDenStaat“.
Die Unterlagen etwa, die das Bundesgesundheitsministerium einem Journalisten nach einem IFG-Antrag übersandte, hätten zunächst überhaupt keine Informationen zur Auswahl des Logistikunternehmens enthalten. Tatsächlich sei es um die Vergabe eines Auftrags über Hunderte von Millionen Euro für die Beschaffung von Corona-Masken gegangen. Erst nach Androhung rechtlicher Schritte habe das Ministerium einen Vermerk übermittelt. Später stellte sich heraus, dass der Vermerk rückdatiert worden war.
Weshalb deutsche Behörden so unkoordiniert sind, lässt sich auch mit der aktuellen Fördermittel-Affäre im Bundesforschungsministerium erklären. Ein erheblicher Teil der Kommunikation leitender Verantwortlicher um Ministerin Bettina Stark-Watzinger läuft über den Nachrichtendienst „Wire“. In den Akten der Ministerien taucht diese Messenger-Kommunikation aber regelmäßig nicht auf. „Das ist aus Sicht der Beamten auch völlig in Ordnung, denn die ,Veraktung‘ dieser modernen Formen der Behördenkommunikation ist bislang nicht ausdrücklich vorgeschrieben“, sagt Vos.
Im Sinne der Transparenz sei diese Art der Aktenführung allerdings dringend zu aktualisieren. Die geltenden Regelungen seien derart kontur- und sanktionslos, dass es zwingender Reformen bedarf, um den disparaten und desolaten Zustand der Akten in deutschen Behörden zu beenden, sagt Stefan Brink, ehemaliger Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit aus Baden-Württemberg.
Das grundsätzliche Gebot zum Führen von Akten ergebe sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG). Auch ohne ausdrückliche gesetzliche Regelung folge hieraus die verfassungsmäßige Pflicht der Behörden zur objektiven Dokumentation des bisherigen wesentlichen sachbezogenen Geschehensablaufes.
An SMS oder Kommunikation per Messenger mittels IFG-Antrag heranzukommen, sei bisher kaum gelungen. FragDenStaat habe dies in Gerichtsverfahren gegen verschiedene Bundesministerien versucht – bisher mit sehr mäßigem Erfolg. Das Verwaltungsgericht Berlin wies etwa den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Sicherung von SMS der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel zurück. Argument: Dies sei nicht nötig, da davon auszugehen sei, dass sogenannte veraktungswürdige Inhalte von SMS auf dem Mobiltelefon der Kanzlerin ohnehin in die Akten eingegangen seien. Ähnlich argumentierte ein Gericht, als FragDenStaat Zugang zu den Kurznachrichten des früheren Außenministers Heiko Maas beantragt hatte, in denen es um den Abzug deutscher Soldaten aus Afghanistan ging. Details zum Einsatz von Chats im Forschungsministerium lesen Sie im Research.Table.