Für den raschen Aufwuchs der Reserve im Ernstfall braucht es viele beorderte – also konkret eingeplante – und regelmäßig übende Reservisten. Die Übungswirklichkeit allerdings macht selbst die Reservedienstleistung „mal eben übers Wochenende“ zum bürokratischen Spießrutenlauf.
Reservisten und deren Arbeitgeber sind vor und nach einer Kurzübung mit einem Wust an Formularen, Anträgen, Meldungen sowie Einverständniserklärungen konfrontiert. Nur ein kurzer Auszug aus dem Rattenschwanz an Bürokratie: Der Arbeitgeber muss den Reservisten für die Dauer der Übung von der Kranken- und Sozialversicherung ab- und danach wieder anmelden. Freiwillig und privat Versicherte müssen diese Meldung selbst vornehmen. Reservisten, die Mitglied einer berufsständischen Versorgungseinrichtung sind, müssen einen Befreiungsantrag über das Versorgungswerk unter Beteiligung der Deutschen Rentenversicherung Bund stellen.
Der Reservist selbst hat einen Antrag auf Geldleistungen zu stellen; der Arbeitgeber muss hierzu das Nettogehalt für den jeweiligen Zeitraum ausrechnen. Daneben benötigt die Bundeswehr detaillierte Angaben zum Arbeitnehmer, soweit der Arbeitgeber die Erstattung von Rentenversicherungsbeiträgen verlangt. Dazu muss der Arbeitgeber die monatliche Lohnabrechnung, Steuern und Urlaubsansprüche neu kalkulieren.
Die einschlägigen Rechtsgrundlagen sind noch dazu im Gesetz verstreut und der größte Teil der Vorschriften hat immer noch die Lage der früheren Wehrpflicht aus den 1980er-Jahren im Blick. Dieses Flickwerk wird mühsam zum aktuellen Reservedienst hingebogen, ohne zu Ende gedacht zu sein.
Die Bundeswehr selbst ist zwar bemüht, ausführlich und umfassend zu informieren. Wenn allerdings die Rechtsgrundlagen selbst für Juristen nicht beim ersten Lesen klar verständlich sind, wie ergeht es dann wohl erst juristischen Laien, die in ihrer Freizeit etwas für ihr Land tun wollen? Ganz klar: Diese Bürokratiewut führt dazu, dass Reservisten lieber Gleitzeit oder ihren Erholungsurlaub nutzen, um diesen Aufwand zu vermeiden.
Die aktuellen Rechtsgrundlagen passen also nicht für den freiwilligen Reservedienst beorderter Reservisten. Eine Neuregelung des Reservistengesetzes, die die Interessen der Arbeitgeber und -nehmer und der Bundeswehr berücksichtigt, bietet sich dafür an. Bundeseinheitliche Regeln verhindern einen föderalen Flickenteppich und legen gleiche Bedingungen für alle Arbeitgeber und zivilen Behörden fest.
Freistellung für beorderte Reservisten: Das Prinzip der Freiwilligkeit der Freigabe von Beschäftigen sollte grundlegend modifiziert werden. Dazu wäre eine gesetzliche Definition der Beorderung zu begrüßen. Eine gesetzlich festgelegte Abstellung von beorderten Reservisten während des Arbeits- bzw. Dienstverhältnisses sollte festgelegt werden. Für beorderte Reservisten könnte ein Anspruch auf beispielsweise zehn bis 14 Tage pro Kalenderjahr eingeführt werden. Für kleinere Arbeitgeber könnte der gesetzliche Anspruch auf Freistellung eingeschränkt werden, um den reibungslosen Betrieb nicht zu gefährden. Ein Widerspruchsrecht könnte unbillige Härten vermeiden, da es dem Arbeitgeber ermöglicht, eine Freistellung bei Bedarf zu versagen.
Entbürokratisierung für Arbeitgeber: Das komplizierte und langwierige Verfahren muss für alle Beteiligten vereinfacht werden. Die umständlichen, sozialversicherungsrechtlichen Meldeverfahren für kürzere Übungszeiträume sind abzuschaffen, indem der sozialversicherungsrechtliche Status eines Reservisten für diese Zeit unberührt bleibt. Der Aufwand für die Arbeitgeber wird so gleichzeitig reduziert.
Es bedarf eines einfachen und unbürokratischeren Verfahrens für die Erstattung von Löhnen und Lohnnebenkosten. Dazu könnten Arbeitgeber entweder eine Aufstellung an die Bundeswehr übersenden, da die Bundeswehr ohnehin schon über den Nachweis des Dienstes verfügt, oder die Aufwendungen steuerlich geltend machen. Ein solches einfach zu handhabendes Verfahren würde die Akzeptanz von Arbeitgebern erhöhen, auch in Zeiten des Fachkräftemangels ihre Arbeitnehmer für den Reservedienst zu entbehren.
Alexander Dombrowsky ist Syndikusrechtsanwalt in Stuttgart. Regierungsdirektor Christian Frick ist Beamter innerhalb der Bundeswehrverwaltung. Beide sind als Reservisten in der Heimatschutzkompanie Oberrhein beordert. Sie geben nicht die Meinung der Bundeswehr oder ihrer Arbeitgeber wieder.