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Erscheinungsdatum: 31. Mai 2024

Kurswechsel: Ukraine darf deutsche Waffen gegen Ziele in Russland einsetzen

Nach den USA erlaubt auch Deutschland der Ukraine, westliche Waffen gegen Ziele auf russisches Grenzgebiet einzusetzen. In einer ersten Reaktion droht Russland erneut mit Atomwaffen und asymmetrischen Krieg.

Die US-Regierung hat der Ukraine die Erlaubnis erteilt, amerikanische Waffen in begrenztem Umfang gegen Ziele auf russischem Gebiet einzusetzen. Dies gelte ausschließlich für Gegenschläge zur Verteidigung der ostukrainischen Großstadt Charkiw, teilte ein US-Regierungsvertreter in Washington mit. Das ukrainische Militär solle in die Lage versetzt werden, gegen russische Streitkräfte vorzugehen, „die sie angreifen oder sich vorbereiten, sie anzugreifen“.

Nach den USA hat auch Deutschland der Ukraine erlaubt, vom Westen gelieferte Waffen gegen Ziele auf russischem Staatsgebiet einzusetzen. Verteidigungsminister Boris Pistorius bezeichnete die Entscheidung der Bundesregierung als „strategische Anpassung an sich verändernde Lagebilder“ begründet. „Diese Entscheidung ist richtig. Sie ist das, was wir seit Beginn des Krieges, den Putin gegen die Ukraine führt, immer gemacht haben. Wir haben an die Lage angepasst, jeweils unsere Strategie angepasst“, sagte der SPD-Politiker. Demnach dürfen zur Erwiderung russischer Angriffe aus dem Grenzraum die gelieferten Systeme Panzerhaubitze 2000 sowie der Mehrfachraketenwerfer MARS II eingesetzt werden.

Die Debatte um eine Lieferung von weitreichenden deutschen Marschflugkörpern vom Typ Taurus werde die Bundesregierung nach der aktuellen Entscheidung nicht wieder aufmachen, sagte Pistorius. Eine Taurus-Debatte würde sich´ja wieder um Langstreckenwaffen drehen, die mehrere hundert Kilometer weit reichten, sagte der Minister. „Und da ist die Grenze nach wie vor die gleiche, auch nach den Einlassungen unserer Partner und uns selbst.“

Die Bekanntgaben der Partner und auch der Bundesregierung zum Einsatz westlicher Waffen auf russischem Territorium seien sehr eindeutig, sagte Pistorius. Sie bezögen sich „insbesondere auf den Abwehrkampf um Charkiw herum, weil dort die Grenznähe besonders offensichtlich ist“. Die von Deutschland gelieferten Waffensysteme könnten bei entsprechenden Einsätzen der Ukrainer eine Rolle spielen, das «gilt aber für die anderen Länder auch, dort eine Rolle spielen können». Die aktuelle Entscheidung sei nach dem Völkerrecht ohnehin erlaubt und entspreche dem, was sein ukrainischer Kollege Rustem Umjerow beim Treffen am Vortag in der südukrainischen Hafenstadt Odessa über die Notwendigkeiten in der Region geschildert habe.

In einer ersten Reaktion hat Russland erneut mit dem Einsatz von Atomwaffen gedroht. Russland bluffe nicht, warnte am Freitag Ex-Präsident Dmitri Medwedew mit Blick auf taktische Atomwaffen, die im Gegensatz zu strategischen Atomwaffen für den Einsatz auf dem Gefechtsfeld gedacht sind und den Gegner nicht vollständig vernichten sollen. Der Konflikt könne sich zu einem totalen Krieg ausweiten, warnte der Vertraute von Präsident Wladimir Putin. Ein führender russischer Parlamentarier drohte dem Westen zudem mit einem asymmetrischen Krieg.

Russland sei überzeugt, dass alle von der Ukraine eingesetzten Langstreckenwaffen unter der Kontrolle von Nato-Soldaten stehen würden, sagte Medwedew. „Das ist keine militärische Unterstützung, das ist die Teilnahme an einem Krieg gegen uns.“ Die Feuerkraft der eingesetzten Nato-Waffen werde ständig gesteigert. „Deshalb kann heute niemand ausschließen, dass der Konflikt in sein Endstadium übergeht“, erklärte er mit Blick auf Atomwaffen.

Das russische Außenministerium erhob Vorwürfe, der Westen habe von Anfang an den Einsatz seiner Waffen gegen Ziele in Russland gewollt. Dies zeige sich in Äußerungen von Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg, sagte Sprecherin Maria Sacharowa. Stoltenberg hatte am Donnerstag gefordert, die Restriktionen beim Einsatz vom Westen gelieferter Waffen müssten überdacht werden.

Auch aus dem russischen Parlament wurde mit Konsequenzen bei Angriffen auf russisches Territorium gedroht. Dann werde Russland mit asymmetrischen Angriffen reagieren, drohte der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses Andrei Kartapolow nach einem Bericht der Nachrichtenagentur RIA. Dabei handelt es sich um Attacken, bei denen andere Mittel eingesetzt und andere Ziele ausgesucht werden, als es die Gegenseite macht.

Unterdessen meldete das russische Militär weitere Erfolge bei der Offensive auf Charkiw. Die ukrainischen Streitkräfte hätten sich in wichtigen Gebieten acht bis neun Kilometer zurückgezogen, erklärte Verteidigungsminister Andrej Beloussow. Im Mai hätten die russischen Streitkräfte mehr als 28 Ortschaften unter ihre Kontrolle gebracht, zitiert die staatliche Nachrichtenagentur Interfax den Minister. In diesem Jahr hätten sie insgesamt eine Fläche von 880 Quadratkilometern erobert. dpa/rtr/mw

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025

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