In der ansonsten innovationsarmen Förderlandschaft der Republik scheinen nur zwei Lichtblicke übrig geblieben zu sein: Zum einen die BMBF-gesteuerte Deutsche Agentur für Transfer und Innovation (Dati), der ich an dieser Stelle schon das Sterbeglöckchen geläutet habe, und zum anderen die BMWK-gesteuerten Startup-Factories, ursprünglich circa zehn, inzwischen wegen der Haushaltslage eher noch fünf bis zehn. Ich selbst habe auf drei in dem letzten Jahr dieser Legislatur (2025) gewettet.
Beides sind Vorhaben, die zentral wären für die Revitalisierung unserer Innovationsökosysteme. Aber ob die Ampel-Regierung hier wirklich noch Zeichen setzen will und kann, bezweifle ich. Die Dati ist zur Unkenntlichkeit verstümmelt, die Startup-Factories laufen Gefahr, in einem Einheitsbrei vermanscht zu werden.
Eine nach der Bundestagswahl neu gewählte Regierung wird hier wohl handeln müssen, bevor diese schüchternen Ansätze vollends den Bach runtergehen. Vor den Ideen grüner Politiker und Politikerinnen aus dem BMWK sei aber gewarnt.
Diese, allen voran Anna Christmann, Startup-Beauftragte des BMWK, wollen ohne Beachtung spezifischer Ursprünge anderswo Vorhandenes nach Deutschland importieren. So wie sie für die Dati nur die schwedische Innovationsagentur Vinnova kopieren wollen, so wollen sie die UnternehmerTUM an der TU München einfältig vervielfältigen. Deshalb ist es mir ein Bedürfnis – so wie bei der Dati – auch bei Startup-Factories sowohl Konzeption wie Umsetzung zu analysieren und Empfehlungen abzugeben.
The Financial Times, Statista und Sifted veröffentlichten jüngst ein Ranking von Europas Top 125 Inkubatoren und Accelerators. Unter den Nationen ist nicht überraschend Großbritannien Spitzenreiter mit 24 gelisteten Hubs, gefolgt von Deutschland (16) und Spanien (15).
Interessant für meine Betrachtung sind die Spitzenreiter unter den Hubs, da sie alle drei jeweils eine unterschiedliche Historie, Organisationsdesigns und Stakeholder-Konstrukte besitzen. Sicher ein Beleg dafür, nicht einfach irgendein Vorzeigemodell zu replizieren, sondern jeweils eine Vielzahl, eine Varietät an Designs zu ermöglichen. Wir werden Startup-Factories scheitern oder mit mittelmäßiger Performance sehen. Da wäre es tödlich, wenn alle das gleiche Muster hätten.
Die Nummer 1, die UnternehmerTUM, 2002 als gemeinnützige GmbH unter Regie der Unternehmerin und BMW-Erbin Susanne Kladden in enger Zusammenarbeit mit der TU München gegründet, ist heute ein An-Institut der TUM in fester personeller Verflechtung von CEO des Hubs und Vice President der TUM. Die meisten europäischen Startup-Hubs sind auf diese oder ähnliche Art und Weise mit ihren Mutterhochschulen verzahnt, falls sie nicht schon institutioneller Bestandteil der Hochschule sind.
Diese Konstellation ist häufig verbunden mit der Kritik, dass die Vertragsverhandlungen zu Ausgründungen viel zu langwierig und zu machtassymetrisch zulasten der Spin Offs sind,der IP-Transfer sei zu komplex und der geforderte Equity-Anteil der Hochschulen viel zu hoch.
Das zweitplatzierte französische-belgische Hub Hexa betrachtet sich als universtäts-unabhängiges Startup-Studio, welches kein Allrounder ist, sondern sich auf vier Verticals spezialisiert hat. Es kreiert oft sogar die Geschäftsmodelle, stellt kompletten operationellen Support für zwölf bis 18 Monate sicher – von der Übernahme aller Kosten über die Vergütung der Gründer bis zur Sicherstellung der ersten Wagniskapital-Runde. Quasi ein Rundum-Service, den sich Hexa mit hohen 30%-Equity vergüten lässt.
Das drittplatzierte Hub SETsquared (Southern England Technology Triangle) ist ein ungewöhnliches, kollaboratives Joint Venture von sechs nicht zu weit voneinander entfernten britischen Forschungsuniversitäten, die seit der Gründung im Jahr 2002 mehr als 5.000 Unternehmer/-innen unterstützt haben, welche anschließend mehr als 4,4 Milliarden Pfund an Fundraising erzielt haben .
In Summe also drei ganz unterschiedliche Modelle. Viele Wege führen nach Rom. Deswegen sind Kopien des Silicon Valley in Europa so schwer tauglich, wie die UnternehmerTUM aus München für andere deutsche Universitäten als Prototyp schwer tauglich ist.
Best Practice führt oft zu strategischer Isomorphie, zu Gleichförmigkeit. Michael Porter von der Harvard Business School , ein weltweit anerkannter Experte für Strategie und Wettbewerbsfähigkeit, formuliert schlicht: „Eine Strategie, die zu einem klaren Wettbewerbsvorteil führt, besteht darin, anders zu sein“. Übersetzt auf die Innovationsintensität von Startup-Ökosystemen heißt das: „Lasst viele Blumen blühen“.
Daher meine Empfehlung für ein ‚Innovating Innovation’ : Radikale Varietät bei Gutachtern wie bei Konzepten:
Unabhängige externe Akteure wie beispielsweise Profis der US-amerikanischen National Science Foundation oder Persönlichkeiten wie der Unternehmer Xavier Niel, Gründer der Station F, sind in die Gestaltung von Rahmenbedingungen für Startup-Factories , deren Strategie oder Policies einzubeziehen. An dieser Stelle denke ich auch an Roxanna Varza, heutige Chefin der Station F in Paris (selbst der Incubateur der französischen Spitzenuniverstät HEC ist eingebetteter Teil dieses weltweit größten Startup-Campus) oder Ökosystem-Experten des Yaba Districts in Lagos (Nigeria) mit dem Spitznamen ‘Silicon Lagoon’. Sie alle sind nicht durch deutsche Strukturen und Sichtweisen geprägt oder eingeengt.
Schon der Begriff Factory erinnert gefährlich an die isomorphen Strukturen der deutscher Industriefabriken.
Dass ich Copy Cats ablehne, hat zudem damit zu tun, dass sich in meinen Gesprächen mit etlichen Meinungsmultiplikatoren der 26 Bündnisse, die sich in einer ersten Auswahlphase für den Wettbewerb beworben hatten (darunter auch etliche der 15, die jetzt in die engere Wahl gekommen sind), Unmut über die prägende Rolle der UnternehmerTUM breitgemacht hat. Wie so oft im deutschen Wissenschafts- und Innovationssystem, wird das aber nur hinter vorgehaltener Hand geäußert.
Wie divers die ausgewählten 15 Universitäten beziehungsweise Bündnisse jetzt schon sind, steht in den Sternen. Wenn dann im ersten Quartal 2025 die Gewinner gekürt werden, wird man zudem sehen, ob meine Empfehlung einer diversen Jury und entsprechender variantenreicher Konzepte umgesetzt wurde. Ich sorge mich sehr, dass auch die Startup-Factories ähnlich wie die Deutsche Agentur für Transfer und Innovation inhaltlich-strategisch, strukturell und von den Ressourcen her Rohrkrepierer werden könnten.