die Folgen des schrecklichen Kriegs Russlands gegen die Ukraine sind auch in der deutschen Forschungslandschaft deutlich zu spüren. Internationale Großprojekte, die schon viele Jahre Vorbereitungszeit und Millionen Euro gekostet haben, laufen teilweise nicht weiter, Büros deutscher Forschungsgemeinschaften in Moskau sind geschlossen. Was bedeutet der Stopp für Forscherinnen und Forscher, die etwa an FAIR, XFEL oder Icarus beteiligt sind? Wie geht es weiter in der Arktis? Alisa Sonntag hat die Informationen.
Wie schnell sich Grundsätze verändern können, zeigt sich in der Diskussion um die Zivilklauseln an deutschen Hochschulen. Können und sollen Hochschulen diese noch aufrechterhalten? Die Zivilklausel sollte im Sinne einer friedenssichernden Forschung kritisch überarbeitet werden, erklärt etwa acatech-Präsident Jan Wörner. Aus dem Verteidigungsministerium kommt ganz aktuell die Aufforderung, in Sachen Zivilklausel umzudenken: “Die Angehörigen der Bundeswehr dienen dem Frieden und unserem Schutz. Sie haben ein Anrecht auf die bestmögliche Ausrüstung und somit auch auf universitäre Forschung und Entwicklung in unserem Land”, sagt uns eine Sprecherin.
Wir haben in Hochschulen und der Wissenschaftspolitik recherchiert, wie es um die Zivilklausel bestellt ist. Am Ende erfuhren wir vor allem eins: Besonders aktiv eingesetzt wird die Zivilklausel nicht, Projekte werden weich begutachtet und geprüft, eine Debatte innerhalb der Hochschulen findet nicht statt.
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“Frieden braucht moderne Verteidigung. Deshalb müssen die bestehenden Zivilklauseln im Sinne einer friedenssichernden Forschung kritisch überarbeitet werden.” Dies sagte Acatech-Präsident Jan Wörner gegenüber Table.Media. Und die EFI bemängelt die mangelnden Synergien zwischen militärischer und ziviler Forschung. Ihr Vorsitzender Uwe Cantner fordert eine Lockerung der Klauseln.
Aus dem Verteidigungsministerium kommt die Aufforderung eines Umdenkens in Sachen Zivilklausel. “Die Angehörigen der Bundeswehr dienen dem Frieden und unserem Schutz. Sie haben ein Anrecht auf die bestmögliche Ausrüstung und somit auch auf universitäre Forschung und Entwicklung in unserem Land”, erklärt eine Sprecherin. “Zivilklauseln sind aus dieser Sicht eine Einschränkung der Freiheit von Lehre und Forschung.”
In Anbetracht eines gewandelten sicherheitspolitischen Umfeldes infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und der von Olaf Scholz proklamierten “Zeitenwende” gelte es auch, ein Umdenken in der sicherheitspolitischen Forschungslandschaft zu begleiten sowie die wehrwissenschaftliche Forschung an deutschen Hochschulen zu unterstützen, heißt es im Ministerium. “Eine Verknüpfung zwischen ziviler und wehrwissenschaftlicher Forschung an Hochschulen kann mittel- und langfristig einen Beitrag zur Sicherheit, Modernisierung und Innovation des Landes leisten.”
Das Thema Innere und Äußere Sicherheit gelte es ebenso vor dem Hintergrund hybrider Bedrohungen und staatlicher Gefahrenabwehr mit den bisherigen Ansätzen und Strukturen kritisch zu überprüfen – auch hierbei ergeben sich neue Ansätze für die Forschung und Lehre.
Doch aus den Hochschulen hört man – dröhnendes Schweigen. “Keinen großen intellektuellen Beitrag der deutschen Universitäten zur Frage von Krieg und Frieden”, nahm vor zehn Jahren bereits der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière wahr. Da ging es um den Afghanistan-Einsatz. Heute ist Krieg mitten in Europa, doch eine Debatte über die Rolle der Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Bezug auf die deutsche und europäische Außen- und Sicherheitspolitik gibt es in den Einrichtungen selbst kaum.
Viele Hochschulen haben Zivilklauseln in ihren Grundordnungen oder Leitbildern festgeschrieben oder in einem Senatsbeschluss verankert. Die TU Berlin war in den Fünfzigerjahren Vorreiter, in den friedensbewegten Achtzigern und mit dem ersten Golfkrieg folgten weitere. Die meisten der derzeit bestehenden rund 75 Zivilklauseln entstanden in der den frühen 2010er Jahren. Anlass der Diskussionen war die Fusion des ehemaligen Kernforschungszentrums in Karlsruhe mit der Universität zum KIT und die Frage, ob die Zivilklausel des Kernforschungszentrums für die neue Organisation zu übernehmen sei.
Table.Media hat mit Vertretern verschiedener Hochschulen gesprochen, die Kritik an der Zivilklausel-Lösung ist vielfältig:
Vor dem Hintergrund des Krieges gegen die Ukraine und der vielfältigen Diskussionen über Waffenlieferungen und sonstige Unterstützung gibt es, abgesehen von einzelnen Statements, keine Diskussionen in den Hochschulen, wie man sich positionieren soll.
Und so wundert es nicht, dass Joachim Krause vom Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel auf unsere Anfrage schreibt: “Ich weiß nicht, was Herrn Wörner dazu gebracht hat, das Überdenken der Zivilklauseln zu fordern. Eigentlich ist das Thema ,Zivilklausel’ mausetot.”
Eine gute Leitplanke liefern die “Empfehlungen zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung” von Leopoldina und DFG. Diese sollte jeder Forschende, der mit kritischen Bereichen konfrontiert ist, einmal gelesen haben, sagt Götz Neuneck, Co-Vorsitzender der Vereinigung deutscher Wissenschaftler. Er betont, dass sowohl Institutionen als auch einzelne Wissenschaftler ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft nachkommen müssen. Dazu gehöre es, über die Folgen des eigenen Handelns zu reflektieren. Die Zivilklauseln, aber auch Dokumente wie die Empfehlungen von DFG und Leopoldina könnten dafür Orientierung geben. Aber: Leider seien diese aktuell bei zu wenigen Forschern und auch Entscheidungsträgern bekannt.
An dieser Stelle setzt auch Peter-André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), an. Es brauche eine Reflexion über das eigene Handeln. “Ob diese nun durch Zivilklauseln oder andere Instrumente in Gang kommt, ist weniger relevant.” Letztlich müsse die Diskussion aber verstärkt geführt werden, da die Bewertung militärisch nutzbarer Forschung in den Hochschulen sehr unterschiedlich ausfalle. Die HRK nehme hier aktuell aber keine aktive Rolle ein – es gehe eher darum, eine Plattform für die Diskussion zu bieten.
Noch ist unklar, wohin die Diskussion gehen wird. Was wird aus dem “die Zivilklauseln sollten gelockert werden”? Jan Wörner hat mittlerweile ausführlicher erklärt, was hinter seiner Aussage steckt. Er regt an, dass jede Hochschule sich selbst die Frage beantwortet, wie sie mit dem Thema umgehen will. “Eine pauschale Festlegung über alle Hochschulen hinweg halte ich für verkehrt, hier sind Autonomie und Verantwortung gefragt.” Diese seien von den Hochschulleitungen zu moderieren und von den Hochschulen auch konsequent umzusetzen. Er empfiehlt, alles Gewicht auf die Gewährleistung des Friedens und der Freiheit zu legen und dies als Maßstab auch in der Hochschulkultur zu verankern. “Ein gemeinsames Verständnis ist mehr wert als der Versuch, es in nie überzeugenden Detailregeln zu verankern.”
Welche Ziele eine solche Lockerung erreichen soll, ist noch unklar. Hier braucht es Transparenz über die Motive, die hinter diesen Forderungen stecken. Welche Rolle der Hochschulen in der Außen- und Sicherheitspolitik wird damit verbunden? Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen rund um eine nationale Sicherheitsstrategie sollten diese Punkte schnell klar werden, um eine offene und öffentliche Diskussion zu ermöglichen. Nicola Kuhrt / Markus Weisskopf
Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) am 25. Februar 2022 entschieden, dass Forschungsprojekte und Programme mit staatlicher Beteiligung aus Russland und Belarus unter Wahrung rechtlicher Rahmenbedingungen gestoppt werden.
Selbst internationale Großprojekte und institutionelle Zusammenarbeit, die schon viele Jahre Vorbereitungszeit und viele Millionen Euro gekostet haben, laufen teilweise nicht weiter. Unsere Analyse zeigt, welche großen Forschungsprojekte betroffen sind und wie es dort weitergeht.
Um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, sagen Prognosen bis 2050 einen Bedarf von 80 bis 240 GW Leistung aus der Elektrolyse von grünem Wasserstoff voraus – allein in Deutschland. Zum Vergleich: Im Jahr 2020 haben alle deutschen Atomkraftwerke zusammen eine Leistung von 8 GW produziert. Ein guter Teil des grünen Wasserstoffs – etwa die Hälfte – soll in Anlagen mittels PEM-Elektrolyse produziert werden, die auf das seltene Metall Iridium angewiesen sind.
Die PEM-Elektrolyse gilt als innovatives und ideales Instrument zur Wasseraufspaltung und Produktion von Wasserstoff. Gerade bei wechselndem Aufkommen von erneuerbarer Energie – wie in Deutschland – ist sie prädestiniert, überschüssigen Strom aus Wind- und Solarkraftwerken zu speichern. Iridium bringt dafür besondere Fähigkeiten, die für die Trennung von Sauerstoff und Wasserstoff in der Elektrolyse vonnöten sind.
Das Problem: Nur bis zu zehn Tonnen Iridium können nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) derzeit weltweit jährlich gefördert werden. Vor allem als Beiprodukt des Platinabbaus in Südafrika. “Die derzeitigen Abbauraten von Iridium und Platin reichen voraussichtlich nur, um die PEM-Elektrolyse-Kapazitäten jährlich um drei bis siebeneinhalb GW zu erhöhen” schätzt die Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP) in einer aktuellen Analyse. Es wird aber erwartet, dass der Bedarf schon bis 2030 massiv steigt.
Und die Wasserstoff-Industrie ist nicht der einzige Iridium-Verbraucher. Auch in der Luftfahrt, dem Autobau und der Medizintechnik wird Iridium verwendet. “Die Verfügbarkeit von Iridium ist derzeit limitiert”, heißt es aus dem BMWK. Wenn der Einsatz der PEM-Elektrolyse-Variante verstärkt würde, sei es notwendig, “den Iridium-Einsatz zu ersetzen, zu minimieren und das Recyclingpotenzial zu heben.”
Ersatz von Iridium: Die Forschung sucht händeringend nach alternativen Edelmetallen, die in der PEM-Elektrolyse eingesetzt werden können. Aussichtsreicher Kandidat ist dabei Ruthenium. “Jedoch konnte bisher für Ruthenium noch keine ausreichende Langzeitstabilität im Betrieb demonstriert werden”, sagt ein Sprecher des Bundesforschungsministeriums (BMBF). Wann dieses Problem gelöst werden kann, ist nicht absehbar.
Reduzierung von Iridium: Die Menge an Iridium muss reduziert werden, während die Effizienz der Elektrolyse gleich bleibt. Forschung in dem Bereich unterstützt das BMBF vor allem mit dem Kopernikus-Projekt P2X und dem Wasserstoff-Leitprojekt H2Giga. An letzterem ist auch die Firma Heraeus Precious Metals beteiligt. Das Hanauer Unternehmen ist führend bei der Produktion von Katalysatoren für die Elektrolyse.
“Eine Tonne Iridium pro Gigawatt Leistung galt vor drei Jahren”, erläutert Philipp Walter, Manager bei Heraeus. “Aktuell werden oft Katalyse-Systeme mit 0,3 bis 0,5 Tonnen verbaut” und auch diese Zahl reduziere sich durch Systemoptimierung noch weiter. “Unser innovativstes System benötigt nur 0,1 Tonnen”, sagt Walter. Die nächste, bereits erforschte Generation werde mit noch weniger auskommen. Der Trick: Das rare Metall wird nicht mehr pur auf die Membran aufgebracht, sondern als Nanopartikel in ein Trägermaterial integriert.
Recycling von Iridium: Die erwartete Lebensdauer von Iridium bei der Produktion von grünem Wasserstoff liegt derzeit bei zehn bis 15 Jahren. Ein Recycling danach ist möglich, bisher aber nicht sehr effizient. Auch hier setzen Experten an, um immer größere Mengen des Metalls wiederverwenden und damit einsparen zu können. “Da sind wir aktuell bei etwa 20 Prozent des Primärmaterials, das ins Recycling geht, es können aber perspektivisch auch 30 bis 50 Prozent oder sogar mehr werden”, sagt Walter.
Er sieht als Problem hier weniger die Iridium-Mengen, die zukünftig aus der PEM-Elektrolyse anfallen. Diese könnten dort wahrscheinlich komplett zurückgewonnen werden. Problematisch sei es eher, das Iridium aus den vielen kleinteiligen Anwendungen in Medizintechnik oder Autobau zurückzugewinnen.
Viele Forscher und Institute arbeiten vor allem im BMBF-Projekt “H2Giga” daran, für Iridium einen Kreislauf zu etablieren. “Die Förderinstrumente sind gut und es gibt etablierte Netze von Leuten, die sich mit der Elektrochemie der Elektrolyse auskennen”, sagt Tom Smolinka, Abteilungsleiter für Chemical Energy Storage beim Fraunhofer-Institut ISE. Europa sei in diesem Bereich mit den USA auf Augenhöhe, und Deutschland gebe auch in Europa den Ton an bei Forschung und Entwicklung.
Trotz der Fortschritte sind Walter und Smolinka bei idealistischen Szenarien, wie “Net Zero by 2050”, einer Roadmap der IEA, skeptisch. Die IEA fordert hier schon weltweite Produktionskapazitäten von 850 GW grünem Wasserstoff bis 2030. Angesichts der Ressourcenknappheit “ist die Verfügbarkeit von Iridium vor allem ein Thema der nächsten zehn Jahre”, sagt Philipp Walter. Wenn der Bedarf allerdings bis 2030 schon “durch die Decke geht, dann wird es eng”, betont Walter.
Für einen erfolgreichen deutschen Wasserstoff-Hochlauf muss sich die heimische Industrie gerade in den nächsten Jahren ausreichend Iridium aus der weltweiten Förderung sichern. Die Versorgungslage sei allerdings “mit deutlich erhöhten Preis- und Lieferrisiken behaftet”, heißt es in einer Publikation der Deutschen Rohstoffagentur DERA, die im Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) angesiedelt ist.
Nach der Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik werden über 90 Prozent der Platingruppenmetalle – zu denen Iridium gehört – in Südafrika gefördert. Die Studie warnt vor schwierigen “sozialen und ökonomischen Voraussetzungen” in dem Land. Vor rund zehn Jahren war es dort schon einmal zu Protesten von Bergleuten in der Platinförderung gekommen, die blutig niedergeschlagen wurden.
Zu den sozio-ökonomischen Problemen stehe man mit der Industrie im Austausch, sagt ein Sprecher des BMWK. Anfang Januar hat das Ministerium in einem Eckpunktepapier (“Wege zu einer nachhaltigen und resilienten Rohstoffversorgung”) seine Strategie skizziert. Es setzt dabei auf “Kreislaufwirtschaft”, die “Diversifizierung von Rohstofflieferketten” und die “Sicherstellung eines fairen und nachhaltigen Marktrahmens”.
Während mehr Recycling und fairere Bedingungen sicher Schritte in die richtige Richtung sind, ist eine Diversifizierung von Lieferketten beim Iridium, laut SWP, “unmöglich”. Der einzige weitere bedeutende Lieferant von Platingruppenmetallen ist ausgerechnet Russland. Raimund Witkop / Tim Gabel
Eigentlich befinde sich die Charité seit 2020 in einem dauernden Ausnahmezustand, sagt Heyo Kroemer. In der Corona-Krise habe man die ganze Zeit über unmittelbar Auswirkungen auf Forschung und Lehre gespürt – nicht nur auf die Krankenversorgung. Es gab viele Einschränkungen, etwa durch Schutzmaßnahmen und Lockdown. Was digital gemacht werden konnte, wurde gemacht.
Doch es gab auch Entwicklungen, die Hoffnung machten. So habe die Charité durch die Bundesregierung die Möglichkeit erhalten, das “Netzwerk Universitätsmedizin” aufzubauen, in dem sich dann alle deutschen Universitätskliniken zusammengeschlossen haben. Intensiv konnte man sich mit Forschungsdaten zu Covid beschäftigen und auf dieser Datenbasis die Öffentlichkeit informieren sowie die Politik beraten. Zugleich habe die Wissenschaft nicht nur hinsichtlich ihrer Erkenntnisse, sondern hinsichtlich der Wissensvermittlung an die Bevölkerung einen einmaligen Stellenwert bekommen. “Welche Rolle Kollegen von uns wie Christian Drosten oder Leif Sander gespielt haben, das ist etwas, dass ohne diese außergewöhnliche Situation nicht denkbar gewesen wäre.”
Aktuell sei die große Problematik der Krankenhäuser, dass man nicht wieder auf das 2019er Leistungsniveau komme, sagt der langjährige Vorstandsvorsitzende der Charité. Man habe eine komplette Kostenstruktur, aber eine deutlich reduzierte Einnahmestruktur, weshalb praktisch alle Krankenhäuser in der Bundesrepublik im Moment nicht unerhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten haben. Hauptgrund sei der Personalmangel, der einerseits durch einen sehr hohen Krankenstand unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entstehe, “aber ich fürchte andererseits, dass dieses Problem auch ein langfristiges ist, weil uns perspektivisch durch den demografischen Wandel Fachkräfte fehlen“.
Mittelfristig und vor allem langfristig sei eine Vielzahl von Maßnahmen erforderlich, um dem demografischen Wandel zu begegnen, brauche es strukturelle Veränderungen im System.
Einer der größten Unterschiede des deutschen Gesundheitssystems zu den umgebenden Ländern sei die wenig ausgeprägte Digitalisierung im Gesundheitssystem. “Das halte ich für eine der größten Schwierigkeiten, die man auf dem schnellsten Wege beheben muss, wenn wir wettbewerbsfähig sein wollen oder wieder werden wollen.” Deutschland müsse endlich das nachholen, was praktisch jedes Land um uns herum in den letzten Jahren erfolgreich gemacht hat, nämlich das Gesundheitssystem zu digitalisieren.
Generell wünscht sich Kroemer, dass man in Deutschland nicht versucht, öffentliche Probleme dadurch zu lösen, dass man kontinuierlich die Augen zumacht: “Die Dinge, die jetzt da sind und die kommen werden, das wird etwa der Umgang mit dem demografischen Wandel sein. Das ist etwas, das wir seit vielen Jahren wussten, dennoch ist zu wenig passiert. Gleiches gilt auch für die absehbare Problematik mit der Digitalisierung.” Man habe es sich ein bisschen angewöhnt in Deutschland, die Augen zuzumachen vor Problemen und zu hoffen, dass sie durch diesen Akt weggehen würden, was aber nicht der Fall ist. “Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wäre es, diese Vorgehensweise zu ändern.”
Das ganze Interview lesen Sie in “Was jetzt, Forschung?”. Die Publikation enthält Impulse aus den Gesprächen u. a. mit Jan Wörner (Acatech), Martina Brockmeier (Leibniz-Gemeinschaft), Rafael Laguna de la Vera (Sprind), Volker Meyer-Guckel (Stifterverband), Georg Schütte (VolkswagenStiftung), Otmar D. Wiestler (Helmholtz-Gemeinschaft) und Walter Rosenthal (Uni Jena). Den kostenlosen Reader erhalten Sie hier.
23. Februar 2023, 13:00-17:00 Uhr, Online
Öffentliche Anhörung Deutscher Ethikrat: Gerechtigkeit und Verantwortung angesichts des Klimawandels Mehr
26. Februar 2023, München
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Anfang des Jahres vermeldete Biontech, sein Forschungs- und Entwicklungszentrum zu mRNA-Krebsimmuntherapien in Großbritannien ansiedeln zu wollen. Biontech-CEO Uğur Şahin lobte die sehr guten Rahmenbedingungen rund um London. In Deutschland sah er diese offensichtlich nicht. Wie die “Unterstützung neuer Formen der mRNA-Immuntherapien und Impfstoffe in Deutschland” durch die Bundesregierung aussieht, wollte daraufhin die Unionsfraktion in einer Kleinen Anfrage (KA) erfahren.
Nach interner Abstimmung zwischen Bundesgesundheitsministerium (BMG), dem Bundesforschungsministerium (BMBF) und dem Bundeskanzleramt, wurde die Kleine Anfrage in dieser Woche beantwortet.
Die Union wollte wissen, ob es zwischen der Bundesregierung und Biontech Gespräche über ähnliche Kooperationen in Deutschland gegeben habe. Die Bundesregierung verwies hier lediglich auf einen virtuellen Austausch zwischen dem Staatssekretär Jörg Kukies aus dem Bundeskanzleramt und Sean Marett, dem CCO von Biontech. Das Gespräch fand allerdings erst am 24. Januar statt – also nachdem Biontech sich bereits für London entschieden hatte.
Grundsätzlich erfordere die personalisierte Medizin “zwingend die Nutzung von Gesundheitsdaten, insbesondere auch Genom-Daten”, schreibt die Bundesregierung. Ebenso stellt sie fest, dass dazu neben “Daten aus klinischen Studien auch Routinedaten aus der Versorgung erforderlich” seien. Auf die Frage nach Maßnahmen, um die Forschung und Entwicklung von personalisierten mRNA-Immuntherapien und Impfstoffen voranzutreiben, antwortet die Bundesregierung, dass zum 1. Januar 2023 beispielsweise das “Modellvorhaben Genomsequenzierung” starte.
Wie diese Daten genutzt und ob sie mit Patientendaten verknüpft werden sollen, wird aber in der Antwort nicht deutlich. Um Forschung und Entwicklung von personalisierten mRNA-Immuntherapien und Impfstoffen voranzutreiben, werden außerdem die Einrichtung des Helmholtz-Instituts für Translationale Onkologie (HI-TRON) oder die Förderung des Translationszentrums für Gen- und Zelltherapie am Berlin Institute of Health (BIH) benannt sowie einige einzelne Förderrichtlinien des BMBF.
Eine zusammenfassende Strategie für verbesserte Rahmenbedingungen wird dabei nicht erkennbar. Einer der Verfasser der Kleinen Anfrage, Thomas Jarzombek (CDU), bemängelt, dass zu diesem Punkt der europäische Gesundheitsdatenraum keine Erwähnung findet, auch werde auf das geplante Gesundheitsdatennutzungsgesetz kein Bezug genommen.
Der Aufbau eines R&D-Hubs zum Thema mRNA-Immuntherapien und Impfstoffe in Deutschland sei “derzeit nicht” geplant, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort. Sie verweist stattdessen auf die Stärke und Breite der deutschen Forschungslandschaft mit ihren Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen.
Der Co-Autor der Kleinen Anfrage Stephan Albani (CDU) zeigt sich enttäuscht von der Antwort und bemängelt, dass die Bundesregierung augenscheinlich “keinen systematischen Austausch mit Biotechnologie-Unternehmen in Deutschland pflegt”. In einem solchen Dialog müsste man seiner Meinung nach über bessere Standortbedingungen für Biotechnologie, Krebsforschung und klinische Studien sprechen. mw
Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gilt seit diesem Jahr ein Gesetz, das eine Verbindung zwischen Universitäts- und Großforschungsbereich ermöglicht. Dank bundesweit einmaliger Regelungen können Studierende und Wissenschaftler in Großforschungs- und Universitätsbereichen in Karlsruhe flexibler forschen. “Sie forschen hier an den wichtigen Grundlagen, die wir brauchen – aber zugleich forschen Sie an der Praxis”, sagte Stark-Watzinger (FDP) bei einem Besuch in Karlsruhe.
Das 2. KIT-Weiterentwicklungsgesetz hatte der Landtag Baden-Württemberg verabschiedet. Es benötigte dafür auch eine Verwaltungsvereinbarung mit dem Bund. Durch das Gesetz bekommen etwa Studierende Zugang zu großen Laboren und können sich besser mit den dort arbeitenden Wissenschaftlern austauschen. Bürokratische Hürden wurden abgebaut, damit Wissenschaftler zwischen Forschung und Lehre hin und her wechseln können. Die Exzellenzuniversität mit etwa 9800 Beschäftigten und mehr als 22 000 Studierenden ist bundesweit die erste Institution, die die Grenzen zwischen universitären und außeruniversitären Einrichtungen auflöste. (dpa)
30 Millionen Euro erhält die Universität Potsdam vom Bund, um vier geplante digitale Didaktikzentren des Bundes miteinander zu verknüpfen. Seit Februar bildet die Uni das Dach von vier geplanten Kompetenzzentren für digitalen Unterricht. Eines davon, das MINT-Kompetenzzentrum, startet am 1. April. Die Ausschreibungen für die drei weiteren Zentren laufen noch. Vom BMBF vorangetrieben, entsteht so ein bundesweites Mega-Cluster für digitale Bildung.
Die Vernetzungsstelle in Potsdam muss eine Vielzahl an Akteuren zusammenbringen. Denn: Jedes der vier Kompetenzzentren besteht aus mehreren Verbünden, Verbünde wiederum aus mehreren Teilprojekten. Für diese gewaltige Aufgabe stellt sich die Verbindungsstelle breit auf. Allein in der Potsdamer Vernetzungsstelle entstehen 28 neue Stellen (12,6 Mio. Euro). Von Potsdam aus koordiniert, besteht die Transferstelle aus einem Dutzend namhafter Institutionen.
Die Dachorganisation will sich an Multiplikatoren, Bildungsverwaltung und -politik richten, weniger an die Lehrkräfte. Dafür seien die Kompetenzzentren zuständig, indem sie vorbildliche Praxisbeispiele entwickeln. In Potsdam sollen die Fäden zusammenlaufen werden. Ziel: Möglichst viele der didaktischen Erkenntnisse, die in den vier fachspezifischen Zentren entstehen, sollen in Deutschland Schulen landen.
Mit der Entscheidung für Potsdam siedelt sich ein weiteres BMBF-Großprojekt der digitalen Bildung in Brandenburgs Landeshauptstadt an. Am dortigen Hasso-Plattner-Institut entwickeln sie die Nationale Schulcloud. Das technische Rückgrat der Nationalen Bildungsplattform (BIRD) entsteht auch an der Universität Potsdam. np
In dieser Woche hat Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger eine Absichtserklärung zwischen Deutschland und mehreren afrikanischen Staaten zum Aufbau einer strategischen Wasserstoff-Partnerschaft unterzeichnet. Sie soll grünen Wasserstoff und erneuerbare Energie als neuen Schwerpunkt der Arbeit von zwei gemeinsamen Kompetenzzentren etablieren. Anlass war die Festveranstaltung zum zehnjährigen Bestehen der beiden Klimakompetenzzentren SASSCAL (Southern African Science Service Centre for Climate Change and Adaptive Land Management) und WASCAL (West African Science Service Centre for Climate Change and Adapted Land Use) in Berlin.
Die Kompetenzzentren organisieren regionale Forschung bezüglich der dringlichsten Herausforderungen des Klimawandels sowie für Forschung zu erneuerbaren Energien und grünem Wasserstoff im südlichen und westlichen Afrika. Der gemeinsamen Absichtserklärung nach werden SASSCAL und WASCAL “eine Forschungs- und Entwicklungsstrategie für grünen Wasserstoff sowie Pilot- und industrielle Demonstrationsprojekte” entwickeln und umsetzen.
Deutschland will damit seinen Einfluss in der Region ausweiten. Partnerschaften und Kooperationen sind für die Bundesrepublik wichtig, weil für die Energiewende große Mengen von grünem Wasserstoff importiert werden müssen. SASSCAL und WASCAL werden, laut Bundesforschungsministerium (BMBF), “zunehmend als Plattformen für eine strategische deutsch-afrikanische Energiepartnerschaft zu ‘Grünem Wasserstoff’ genutzt”. Anstoß hierfür war der vom BMBF unterstützte und in Zusammenarbeit mit den Klimakompetenzzentren erstellte Potenzialatlas “Grüner Wasserstoff Afrika”. tg
Seit 2006 wird Spitzenforschung an deutschen Universitäten im Rahmen der Exzellenzinitiative in den Förderlinien Exzellenzcluster, Graduiertenschulen und Zukunftskonzepte gefördert. Bastian Krieger vom ZEW Mannheim hat untersucht, ob auch die Innovationskraft privater Unternehmen von der Exzellenzinitiative profitiert. Es zeigte sich, dass von den drei genannten Förderlinien allein Exzellenzcluster die Innovationstätigkeit von regionalen Unternehmen bisher beeinflusst haben – und dies auch nur unter bestimmten Bedingungen.
So erhöht die Förderung eines zusätzlichen Exzellenzclusters an einer deutschen Universität die Wahrscheinlichkeit, dass ein in derselben Arbeitsmarktregion ansässiges Unternehmen Innovationen einführt, um bis zu 0,9 Prozentpunkte. “Allerdings ist dieser positive Effekt ausschließlich auf Arbeitsmarktregionen zurückzuführen, in denen mehr als insgesamt drei Exzellenzcluster an Universitäten gefördert werden”, sagt Krieger.
Die Förderung von weniger Clustern hat hingegen keine statistisch signifikanten Auswirkungen auf die Innovationstätigkeit regionaler Unternehmen, ebenso wie die Förderung von Graduiertenschulen oder Zukunftskonzepten. Die Ergebnisse der ZEW-Studie zeigen somit, dass ein Teil der Universitätsförderung durch die Exzellenzinitiative positive Effekte auf die Innovationsfähigkeit in der Region ansässiger Unternehmen hat. Sie legen aber auch nahe, dass ein erhebliches Maß an Förderung notwendig ist, um über diesen Weg regionale Unternehmensinnovationen anzuregen.
Der Fokus der Exzellenzinitiative lag auf der Förderung deutscher Universitäten und ihrer wissenschaftlichen Leistungen. Daher ist der positive Einfluss einer ihrer Förderlinien auf die Innovationsfähigkeit regionaler Unternehmen ein willkommener Nebeneffekt. “Umso besser also, dass die in 2016 beschlossene Exzellenzstrategie als Nachfolger der Exzellenzinitiative einen verstärkten Fokus auf die Förderung von Exzellenzclustern legt”, betont Bastian Krieger. Die Wirkung der beiden anderen Förderlinien sollte hingegen nochmals auf ihre überregionalen Effekte und ihre längerfristigen Einflüsse auf die Privatwirtschaft untersucht werden, da diese Zusammenhänge nicht durch die Studie des ZEWs abgebildet werden.
Die ZEW-Studie beruht auf Daten des Mannheimer Innovationspanels (MIP), einer jährlichen, repräsentativen Umfrage zum Innovationsverhalten der deutschen Wirtschaft und wurden ergänzt durch die Datenbank GEPRIS. nik
Bildung.Table. Vergleichbares Abitur: Das Abitur in Deutschland soll vergleichbarer werden. Dazu will die Kultusministerkonferenz eine neue “Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe und der Abiturprüfung” verabschieden. Der Entwurf des Schulausschusses liegt Table.Media exklusiv vor. Mehr
Climate.Table. Kampf um den Klima-Kurs der Weltbank: Nach der überraschenden Rücktrittsankündigung von Weltbankchef David Malpass beginnt das Tauziehen um die zukünftige Ausrichtung der Bank. Die Rufe nach mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit in der Weltbankgruppe werden lauter. Aber ein solcher Kurswechsel ist auch umstritten. Mehr
Europe.Table. EU-Experten warnten vor Überkapazitäten: Die EU-Kommission informierte die Bundesregierung schon früh darüber, dass Deutschland nach Ansicht der Brüsseler Behörde nur wenige Terminals für Flüssiggas (LNG) benötigt. Das geht aus einem internen Sitzungsprotokoll hervor, das Table.Media vorliegt. Berlin verfolgte dennoch andere Pläne. Mehr
Die Zeit – Zwingen die Unis zum Gendern?: Die FAZ, Friedrich Merz und Markus Söder sehen “Diskursgespenster”, das ergibt eine Recherche der Zeit. Grundlage war die Behauptung der Genannten, an deutschen Hochschulen würden systematisch schlechtere Noten gegeben, wenn Studierende in ihren Arbeiten nicht gendern. Bei Tageslicht betrachtet bleibt vom Spuk wohl wenig Handfestes übrig, schreibt Anant Agarwala. Wenn sanktioniert wurde, dann in absoluten Ausnahmefällen und auf Anlass einzelner Lehrbeauftragter. Anschließend wurden Punktabzüge oft wieder rückgängig gemacht. Und nur drei von 145 befragten Hochschulen erwarten offiziell geschlechtergerechte Sprache in schriftlichen Ausarbeitungen. Mehr
The Stanford Daily – Internal review found ,falsified data’ in Stanford President’s Alzheimer’s research, colleagues allege: An der renommierten Stanford University zeichnet sich ein Forschungsskandal ab. Dem Präsidenten Marc Tessier-Lavigne werden wissenschaftliches Fehlverhalten und Fälschungen in Forschungsarbeiten vorgeworfen. Brisant: Die Vorwürfe gehen auf eine investigative Recherche des The Stanford Daily zurück, eine unabhängige Zeitung, die von Studierenden der Uni betrieben wird. Grundlage sind Aussagen von ehemaligen Mitarbeitern von Tessier-Lavigne. Diese behaupten, dass er in seiner Zeit als Top-Manager der Firma Genentech leitender Autor einer Alzheimer-Studie war, in der Daten gefälscht wurden. Tessier-Lavigne weist die Vorwürfe zurück. Mehr
FAZ – Zitier ich dich, zitierst du mich: Für eine erfolgreiche wissenschaftliche Karriere ist ein hoher Zitationsindex förderlich – keine Neuigkeit. Vor allem Zitate in internationalen Fachzeitschriften sind wertvoll – ebenfalls bekannt. Die Kritik ist zeitlos: Nicht der wissenschaftliche Wert von Studien werde so berücksichtigt, sondern die Häufigkeit der Zitate. Forscher, die in einem kleinen Fach und in einer kleinen Sprache arbeiten und dazu noch eine Außenseitermeinung haben, würden in der Community kaum noch berücksichtigt. Das Neue: Die unschöne Entwicklung wird durch Twitter und andere soziale Netzwerke befeuert. Hier entstehen geschlossene Gruppen und Zitierzirkel. Mehr
Frankfurter Rundschau – Atomkraft und Gentechnik “Eine kritische gesellschaftliche Stimmung ist erstmal etwas Gutes”: Dass Gentechnik in der Gesellschaft so breit abgelehnt wird, hängt mit der deutschen Umweltbewegung infolge der Atomkraftnutzung zusammen, sagt der Historiker Frank Uekötter im Interview. Weil bei der Kernenergie alles viel riskanter, komplizierter und teurer als gedacht, sei ein Framing entstanden, das in die Gentechnik-Debatte gewandert ist. Mehr
Nature – Rebuilding Ukrainian science can’t wait – here’s how to start: In einem Editorial fordert das Magazin die internationale Forschungsgemeinschaft auf, ein Jahr nach dem Einmarsch Russlands nicht nur einzelne Forscher und ihre Teams, sondern auch das gesamte Wissenschaftssystem der Ukraine zu unterstützen. Es bedürfe eines besser koordinierten Ansatzes, der nicht nur die wissenschaftliche Tätigkeit, sondern auch deren Organisation und Verwaltung unterstützt. Die Planung für den wissenschaftlichen Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg müsse bereits jetzt beginnen. Mehr
Zwei Monate ist Robert Schlögl nun in seinem neuen Amt als Präsident der Humboldt-Stiftung tätig und nein, der renommierte Chemiker hätte niemals damit gerechnet, dass er den Posten bekommt. Der Grund: Schlögl hatte ein kontroverses Gespräch mit der Findungskommission, die den Stiftungspräsidenten vorgeschlagen hat.
“Unsere Meinungen gingen durchaus auch auseinander”, sagt Schlögl. So wehrte er sich unter anderem gegen den Vorschlag der Kommission, die Reisetätigkeit in der Stiftung zu reduzieren. “Das ist doch sinnlos für eine Organisation, die ein globales Netzwerk als Hauptaufgabe hat”, sagt der 68-Jährige.
Doch vielleicht waren gerade Schlögls starkes Plädoyer für den persönlichen Austausch der Forschenden, für die internationalen Perspektiven und seine Leidenschaft für die Wissenschaft, der entscheidende Grund, der die Kommission schlussendlich überzeugte.
Der internationale Austausch ist auch das vorrangige Ziel der Humboldt-Stiftung: Sie ermöglicht Forscherinnen und Forschern aus aller Welt einen wissenschaftlichen Aufenthalt in Deutschland und pflegt ein globales Netzwerk von mehr als 30.000 Alumni. Schlögl ist selbst international vernetzt. Bis 2022 war der Experte für Energiesysteme der Zukunft Gründungs- bzw. geschäftsführender Direktor am Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion in Mühlheim an der Ruhr und ist auch weiterhin Direktor am Fritz-Haber-Institut in Berlin.
Er war selbst Gastgeber vieler Stipendiaten und Forschungspreisträger der Humboldt-Stiftung und weiß nur zu gut, wie wichtig die globale Vernetzung ist. “Die Wissenschaft ist ein Brückenbauer zwischen den Nationen, sie verbindet”, sagt Schlögl.
Doch schon in den ersten Wochen seiner Amtszeit wurde dem Stiftungspräsidenten bewusst: Er muss für seine Organisation kämpfen, denn der Stiftung drohen Mittelkürzungen. “Um den Status quo hochqualitativ zu erhalten, brauchen wir eigentlich mehr Geld. Doch das Gegenteil soll passieren”, sagt er. Die Folgen seien fatal. Die Stipendiensätze wurden bereits seit 2012 nicht erhöht.
Wenn die Mittel weiter gekürzt werden, würde es gerade die Wissenschaftler im Globalen Süden treffen. Erst vor kurzem hat die Humboldt-Stiftung in verschiedenen afrikanischen Ländern ein Wissenschaftsprogramm gestartet, unter anderem in Nigeria und in der Republik Kongo. Denn Wissenschaft hat dort vielerorts noch nicht den Stellenwert, den sie haben müsste. “Das wollen wir ändern, ohne dass wir den Wissenschaftlern vor Ort etwas vorschreiben, ihnen unsere Erkenntnisse aufdrängen wollen”, sagt Schlögl.
In den sogenannten Forschungshubs wird afrikanischen Humboldt-Alumni die Möglichkeit gegeben, mit lokalen Mitarbeitern an Themen vor Ort zu arbeiten. In diesem Fall zu Zoonosen und Pandemien. “So entwickeln sich kleine Zentren des Wissens zu Themen, die dazu führen, dass der Stellenwert der Wissenschaft vor Ort größer wird”, sagt Schlögl.
Es liege oft an den Bedingungen, dass die wissenschaftliche Exzellenz nicht überall gleich ausgereift sei. Doch wissenschaftliche Expertise sollte keine Frage der Geografie sein, sagt Schlögl. Mit den Mittelkürzungen könnten keine weiteren Projekte im Globalen Süden geplant werden. Die Bedeutung dieser Maßnahmen, der Wissenschaft, werde nicht von der Politik gesehen.
Dabei könnten gerade Themen wie Pandemien, aber auch die Klimakrise nur international gelöst werden. “Die Wissenschaft liefert die Grundlage für Entscheidungen und die Werkzeuge zur Bekämpfung dieser Probleme”, sagt Schlögl. Es ist seiner Meinung nach bedenklich, wenn Deutschland anfängt, gerade bei der Wissenschaft zu sparen.
“Mein wichtigster Wunsch ist Stabilität, sonst können wir nicht arbeiten”, sagt er. “Wenn man permanent um die Stabilität kämpfen muss, dann kann man nicht kreativ sein.” Sein Vorschlag: Die Humboldt-Stiftung soll einen kontinuierlichen Budgetzuwachs erhalten. Nur so könnten stabile Verhältnisse geschaffen werden, nur so könnte die Stiftung weiter ein verlässlicher Partner sein, nur so könnten Wissenschaftler global gestärkt werden. “Was man am schnellsten verspielt, ist der gute Ruf”, sagt Schlögl. “Wir müssen ihn erhalten, das ist meine erste Priorität.” Elena Matera
Peter-André Alt (62) und Marion Müller übernehmen die Geschäftsführung der neuen Wübben Wissenschaftsstiftung, die ab April eigenen Angaben zufolge “Wissenschaft auf internationalem Spitzenniveau mit einem jährlichen Budget von bis zu 20 Millionen Euro” unterstützen wird. Alt war von 2010 bis 2018 Präsident der Freien Universität Berlin und noch bis Ende März Präsident der Hochschulrektorenkonferenz. Müller ist seit 2011 Geschäftsführerin der Einstein Stiftung Berlin.
Gerald Joyce (66) wird neuer Präsident des Salk Institute im kalifornischen La Jolla, in dem er bisher das Amt des Vizepräsidenten bekleidet und die wissenschaftliche Leitung innehat. Der Biochemiker folgt auf den Neurobiologen Fred “Rusty” Gage (72), der sich wieder seiner Forschung widmen wird.
Thomas Kaiser (53) übernimmt Anfang April die Leitung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in Köln. Der Mediziner war seit Gründung des IQWiG im Jahr 2004 einer der beiden Leiter des Ressorts Arzneimittelbewertung. Der langjährige Chef des Instituts, Jürgen Windeler (66), geht in den Ruhestand.
Gérard Krause (57) wechselt zum 1. März zur WHO nach Genf. Der Epidemiologe wird dort eine neu eingerichtete Abteilung für “Surveillance Systems” übernehmen. Krause hat zwölf Jahre lang die Abteilung für Epidemiologie des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung geleitet.
Robert Nissen (49) wird neuer Kanzler der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Der Jurist übernimmt die Leitung der Verwaltung zum 15. März. Zuletzt hat er an der Technischen Universität Berlin den Bereich Studierendenservice geleitet.
Dame Angela McLean (61) wird zum 1. April wissenschaftliche Chefberaterin der britischen Regierung und damit die erste Frau in dieser Funktion. McLean ist bisher wissenschaftliche Chefberaterin des Verteidigungsministeriums. Die theoretische Biologin ist Professorin für mathematische Biologie in der Abteilung für Zoologie an der Oxford University und Fellow des All Souls Colleges.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie uns gerne einen Hinweis für diese Rubrik an research@table.media!
Der neue Bericht der Experten-Kommission Forschung & Innovation bedarf dringend eines Nachrufs. Zuerst selektiv die diesjährigen, erfreulichen Themen:
Nun aber zu dem ungenießbaren Thema des diesjährigen Berichtes:
Selten habe ich einen so blauäugigen wie unausgegorenen Vorschlag gehört wie den, einen ständigen Zukunftsausschuss beim Bundeskanzleramt einzurichten, der die unterschiedlichen Strategien der Ministerien wie etwa die “Zukunftsstrategie Forschung & und Innovation”, die “Digitalstrategie” und die “Start-up-Strategie” kontrolliert. Ich war lange genug in Konzernen und im Bundestag, um zu wissen, dass man Ressort-Egoismen nicht durch Zentralisierung und Ausschüsse verhindert. Hier schimmert das ewige Prinzip Hoffnung auf Minister und ministerielle Verwaltung durch, welche den ‘homo rationalis’ als dominantes Modell politischen Handelns sehen. Auweia!
Vielleicht sollte die EFI-Kommission einmal ein zweiwöchiges Schnupper-Shadowing bei einem der Staatsminister im Bundeskanzleramt absolvieren. Dann wüsste sie, dass nicht Organisationslösungen, sondern nur politische Leadership und autoritativer Durchgriff eine Lösung gegen Mikropolitik, Machtkämpfe und Egoismen sind. Dieses müssten sie im heutigen Kanzleramt aber wie eine Stecknadel suchen.
Und wenn man schon in Strukturen denkt und die Macht-Logik hintanstellt, dann wundert es schon, dass die Kommission nicht Optionen vorstellt und die ihrer Sicht nach beste transparent priorisiert.
Innovating Innovation: Beispielsweise gibt es im Weißen Haus ein kleines, hochkarätig besetztes Experten-Team als Beratungsgremium für den US-Präsidenten. Kein Forschungsministerium, dafür aber die Zuordnung von Forschungsbudgets im Energieministerium, im Verteidigungsministerium und im Gesundheitsministerium. Bewusste Horizontalisierung statt Dezentralisierung! Denkbar wäre auch der Vorschlag des früheren Vorsitzenden der EFI-Kommission Dietmar Harhoff, mehr und mehr Teile des Forschungs- und Innovationsetats in unabhängigere Agenturen zu verlagern. Zu diesen Vorschlägen hat sich die Kommission bisher vornehm gar nicht geäußert. Lieber ex cathedra. Vielleicht wäre es auch für sie Zeit, in Alternativen zu denken.
die Folgen des schrecklichen Kriegs Russlands gegen die Ukraine sind auch in der deutschen Forschungslandschaft deutlich zu spüren. Internationale Großprojekte, die schon viele Jahre Vorbereitungszeit und Millionen Euro gekostet haben, laufen teilweise nicht weiter, Büros deutscher Forschungsgemeinschaften in Moskau sind geschlossen. Was bedeutet der Stopp für Forscherinnen und Forscher, die etwa an FAIR, XFEL oder Icarus beteiligt sind? Wie geht es weiter in der Arktis? Alisa Sonntag hat die Informationen.
Wie schnell sich Grundsätze verändern können, zeigt sich in der Diskussion um die Zivilklauseln an deutschen Hochschulen. Können und sollen Hochschulen diese noch aufrechterhalten? Die Zivilklausel sollte im Sinne einer friedenssichernden Forschung kritisch überarbeitet werden, erklärt etwa acatech-Präsident Jan Wörner. Aus dem Verteidigungsministerium kommt ganz aktuell die Aufforderung, in Sachen Zivilklausel umzudenken: “Die Angehörigen der Bundeswehr dienen dem Frieden und unserem Schutz. Sie haben ein Anrecht auf die bestmögliche Ausrüstung und somit auch auf universitäre Forschung und Entwicklung in unserem Land”, sagt uns eine Sprecherin.
Wir haben in Hochschulen und der Wissenschaftspolitik recherchiert, wie es um die Zivilklausel bestellt ist. Am Ende erfuhren wir vor allem eins: Besonders aktiv eingesetzt wird die Zivilklausel nicht, Projekte werden weich begutachtet und geprüft, eine Debatte innerhalb der Hochschulen findet nicht statt.
Wir wünschen Ihnen eine aufschlussreiche Lektüre!
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“Frieden braucht moderne Verteidigung. Deshalb müssen die bestehenden Zivilklauseln im Sinne einer friedenssichernden Forschung kritisch überarbeitet werden.” Dies sagte Acatech-Präsident Jan Wörner gegenüber Table.Media. Und die EFI bemängelt die mangelnden Synergien zwischen militärischer und ziviler Forschung. Ihr Vorsitzender Uwe Cantner fordert eine Lockerung der Klauseln.
Aus dem Verteidigungsministerium kommt die Aufforderung eines Umdenkens in Sachen Zivilklausel. “Die Angehörigen der Bundeswehr dienen dem Frieden und unserem Schutz. Sie haben ein Anrecht auf die bestmögliche Ausrüstung und somit auch auf universitäre Forschung und Entwicklung in unserem Land”, erklärt eine Sprecherin. “Zivilklauseln sind aus dieser Sicht eine Einschränkung der Freiheit von Lehre und Forschung.”
In Anbetracht eines gewandelten sicherheitspolitischen Umfeldes infolge des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine und der von Olaf Scholz proklamierten “Zeitenwende” gelte es auch, ein Umdenken in der sicherheitspolitischen Forschungslandschaft zu begleiten sowie die wehrwissenschaftliche Forschung an deutschen Hochschulen zu unterstützen, heißt es im Ministerium. “Eine Verknüpfung zwischen ziviler und wehrwissenschaftlicher Forschung an Hochschulen kann mittel- und langfristig einen Beitrag zur Sicherheit, Modernisierung und Innovation des Landes leisten.”
Das Thema Innere und Äußere Sicherheit gelte es ebenso vor dem Hintergrund hybrider Bedrohungen und staatlicher Gefahrenabwehr mit den bisherigen Ansätzen und Strukturen kritisch zu überprüfen – auch hierbei ergeben sich neue Ansätze für die Forschung und Lehre.
Doch aus den Hochschulen hört man – dröhnendes Schweigen. “Keinen großen intellektuellen Beitrag der deutschen Universitäten zur Frage von Krieg und Frieden”, nahm vor zehn Jahren bereits der damalige Verteidigungsminister Thomas de Maizière wahr. Da ging es um den Afghanistan-Einsatz. Heute ist Krieg mitten in Europa, doch eine Debatte über die Rolle der Hochschulen und Forschungseinrichtungen in Bezug auf die deutsche und europäische Außen- und Sicherheitspolitik gibt es in den Einrichtungen selbst kaum.
Viele Hochschulen haben Zivilklauseln in ihren Grundordnungen oder Leitbildern festgeschrieben oder in einem Senatsbeschluss verankert. Die TU Berlin war in den Fünfzigerjahren Vorreiter, in den friedensbewegten Achtzigern und mit dem ersten Golfkrieg folgten weitere. Die meisten der derzeit bestehenden rund 75 Zivilklauseln entstanden in der den frühen 2010er Jahren. Anlass der Diskussionen war die Fusion des ehemaligen Kernforschungszentrums in Karlsruhe mit der Universität zum KIT und die Frage, ob die Zivilklausel des Kernforschungszentrums für die neue Organisation zu übernehmen sei.
Table.Media hat mit Vertretern verschiedener Hochschulen gesprochen, die Kritik an der Zivilklausel-Lösung ist vielfältig:
Vor dem Hintergrund des Krieges gegen die Ukraine und der vielfältigen Diskussionen über Waffenlieferungen und sonstige Unterstützung gibt es, abgesehen von einzelnen Statements, keine Diskussionen in den Hochschulen, wie man sich positionieren soll.
Und so wundert es nicht, dass Joachim Krause vom Institut für Sicherheitspolitik an der Universität Kiel auf unsere Anfrage schreibt: “Ich weiß nicht, was Herrn Wörner dazu gebracht hat, das Überdenken der Zivilklauseln zu fordern. Eigentlich ist das Thema ,Zivilklausel’ mausetot.”
Eine gute Leitplanke liefern die “Empfehlungen zum Umgang mit sicherheitsrelevanter Forschung” von Leopoldina und DFG. Diese sollte jeder Forschende, der mit kritischen Bereichen konfrontiert ist, einmal gelesen haben, sagt Götz Neuneck, Co-Vorsitzender der Vereinigung deutscher Wissenschaftler. Er betont, dass sowohl Institutionen als auch einzelne Wissenschaftler ihrer Verantwortung gegenüber der Gesellschaft nachkommen müssen. Dazu gehöre es, über die Folgen des eigenen Handelns zu reflektieren. Die Zivilklauseln, aber auch Dokumente wie die Empfehlungen von DFG und Leopoldina könnten dafür Orientierung geben. Aber: Leider seien diese aktuell bei zu wenigen Forschern und auch Entscheidungsträgern bekannt.
An dieser Stelle setzt auch Peter-André Alt, Präsident der Hochschulrektorenkonferenz (HRK), an. Es brauche eine Reflexion über das eigene Handeln. “Ob diese nun durch Zivilklauseln oder andere Instrumente in Gang kommt, ist weniger relevant.” Letztlich müsse die Diskussion aber verstärkt geführt werden, da die Bewertung militärisch nutzbarer Forschung in den Hochschulen sehr unterschiedlich ausfalle. Die HRK nehme hier aktuell aber keine aktive Rolle ein – es gehe eher darum, eine Plattform für die Diskussion zu bieten.
Noch ist unklar, wohin die Diskussion gehen wird. Was wird aus dem “die Zivilklauseln sollten gelockert werden”? Jan Wörner hat mittlerweile ausführlicher erklärt, was hinter seiner Aussage steckt. Er regt an, dass jede Hochschule sich selbst die Frage beantwortet, wie sie mit dem Thema umgehen will. “Eine pauschale Festlegung über alle Hochschulen hinweg halte ich für verkehrt, hier sind Autonomie und Verantwortung gefragt.” Diese seien von den Hochschulleitungen zu moderieren und von den Hochschulen auch konsequent umzusetzen. Er empfiehlt, alles Gewicht auf die Gewährleistung des Friedens und der Freiheit zu legen und dies als Maßstab auch in der Hochschulkultur zu verankern. “Ein gemeinsames Verständnis ist mehr wert als der Versuch, es in nie überzeugenden Detailregeln zu verankern.”
Welche Ziele eine solche Lockerung erreichen soll, ist noch unklar. Hier braucht es Transparenz über die Motive, die hinter diesen Forderungen stecken. Welche Rolle der Hochschulen in der Außen- und Sicherheitspolitik wird damit verbunden? Gerade vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussionen rund um eine nationale Sicherheitsstrategie sollten diese Punkte schnell klar werden, um eine offene und öffentliche Diskussion zu ermöglichen. Nicola Kuhrt / Markus Weisskopf
Nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine hat das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) am 25. Februar 2022 entschieden, dass Forschungsprojekte und Programme mit staatlicher Beteiligung aus Russland und Belarus unter Wahrung rechtlicher Rahmenbedingungen gestoppt werden.
Selbst internationale Großprojekte und institutionelle Zusammenarbeit, die schon viele Jahre Vorbereitungszeit und viele Millionen Euro gekostet haben, laufen teilweise nicht weiter. Unsere Analyse zeigt, welche großen Forschungsprojekte betroffen sind und wie es dort weitergeht.
Um das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, sagen Prognosen bis 2050 einen Bedarf von 80 bis 240 GW Leistung aus der Elektrolyse von grünem Wasserstoff voraus – allein in Deutschland. Zum Vergleich: Im Jahr 2020 haben alle deutschen Atomkraftwerke zusammen eine Leistung von 8 GW produziert. Ein guter Teil des grünen Wasserstoffs – etwa die Hälfte – soll in Anlagen mittels PEM-Elektrolyse produziert werden, die auf das seltene Metall Iridium angewiesen sind.
Die PEM-Elektrolyse gilt als innovatives und ideales Instrument zur Wasseraufspaltung und Produktion von Wasserstoff. Gerade bei wechselndem Aufkommen von erneuerbarer Energie – wie in Deutschland – ist sie prädestiniert, überschüssigen Strom aus Wind- und Solarkraftwerken zu speichern. Iridium bringt dafür besondere Fähigkeiten, die für die Trennung von Sauerstoff und Wasserstoff in der Elektrolyse vonnöten sind.
Das Problem: Nur bis zu zehn Tonnen Iridium können nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) derzeit weltweit jährlich gefördert werden. Vor allem als Beiprodukt des Platinabbaus in Südafrika. “Die derzeitigen Abbauraten von Iridium und Platin reichen voraussichtlich nur, um die PEM-Elektrolyse-Kapazitäten jährlich um drei bis siebeneinhalb GW zu erhöhen” schätzt die Stiftung für Wissenschaft und Politik (SWP) in einer aktuellen Analyse. Es wird aber erwartet, dass der Bedarf schon bis 2030 massiv steigt.
Und die Wasserstoff-Industrie ist nicht der einzige Iridium-Verbraucher. Auch in der Luftfahrt, dem Autobau und der Medizintechnik wird Iridium verwendet. “Die Verfügbarkeit von Iridium ist derzeit limitiert”, heißt es aus dem BMWK. Wenn der Einsatz der PEM-Elektrolyse-Variante verstärkt würde, sei es notwendig, “den Iridium-Einsatz zu ersetzen, zu minimieren und das Recyclingpotenzial zu heben.”
Ersatz von Iridium: Die Forschung sucht händeringend nach alternativen Edelmetallen, die in der PEM-Elektrolyse eingesetzt werden können. Aussichtsreicher Kandidat ist dabei Ruthenium. “Jedoch konnte bisher für Ruthenium noch keine ausreichende Langzeitstabilität im Betrieb demonstriert werden”, sagt ein Sprecher des Bundesforschungsministeriums (BMBF). Wann dieses Problem gelöst werden kann, ist nicht absehbar.
Reduzierung von Iridium: Die Menge an Iridium muss reduziert werden, während die Effizienz der Elektrolyse gleich bleibt. Forschung in dem Bereich unterstützt das BMBF vor allem mit dem Kopernikus-Projekt P2X und dem Wasserstoff-Leitprojekt H2Giga. An letzterem ist auch die Firma Heraeus Precious Metals beteiligt. Das Hanauer Unternehmen ist führend bei der Produktion von Katalysatoren für die Elektrolyse.
“Eine Tonne Iridium pro Gigawatt Leistung galt vor drei Jahren”, erläutert Philipp Walter, Manager bei Heraeus. “Aktuell werden oft Katalyse-Systeme mit 0,3 bis 0,5 Tonnen verbaut” und auch diese Zahl reduziere sich durch Systemoptimierung noch weiter. “Unser innovativstes System benötigt nur 0,1 Tonnen”, sagt Walter. Die nächste, bereits erforschte Generation werde mit noch weniger auskommen. Der Trick: Das rare Metall wird nicht mehr pur auf die Membran aufgebracht, sondern als Nanopartikel in ein Trägermaterial integriert.
Recycling von Iridium: Die erwartete Lebensdauer von Iridium bei der Produktion von grünem Wasserstoff liegt derzeit bei zehn bis 15 Jahren. Ein Recycling danach ist möglich, bisher aber nicht sehr effizient. Auch hier setzen Experten an, um immer größere Mengen des Metalls wiederverwenden und damit einsparen zu können. “Da sind wir aktuell bei etwa 20 Prozent des Primärmaterials, das ins Recycling geht, es können aber perspektivisch auch 30 bis 50 Prozent oder sogar mehr werden”, sagt Walter.
Er sieht als Problem hier weniger die Iridium-Mengen, die zukünftig aus der PEM-Elektrolyse anfallen. Diese könnten dort wahrscheinlich komplett zurückgewonnen werden. Problematisch sei es eher, das Iridium aus den vielen kleinteiligen Anwendungen in Medizintechnik oder Autobau zurückzugewinnen.
Viele Forscher und Institute arbeiten vor allem im BMBF-Projekt “H2Giga” daran, für Iridium einen Kreislauf zu etablieren. “Die Förderinstrumente sind gut und es gibt etablierte Netze von Leuten, die sich mit der Elektrochemie der Elektrolyse auskennen”, sagt Tom Smolinka, Abteilungsleiter für Chemical Energy Storage beim Fraunhofer-Institut ISE. Europa sei in diesem Bereich mit den USA auf Augenhöhe, und Deutschland gebe auch in Europa den Ton an bei Forschung und Entwicklung.
Trotz der Fortschritte sind Walter und Smolinka bei idealistischen Szenarien, wie “Net Zero by 2050”, einer Roadmap der IEA, skeptisch. Die IEA fordert hier schon weltweite Produktionskapazitäten von 850 GW grünem Wasserstoff bis 2030. Angesichts der Ressourcenknappheit “ist die Verfügbarkeit von Iridium vor allem ein Thema der nächsten zehn Jahre”, sagt Philipp Walter. Wenn der Bedarf allerdings bis 2030 schon “durch die Decke geht, dann wird es eng”, betont Walter.
Für einen erfolgreichen deutschen Wasserstoff-Hochlauf muss sich die heimische Industrie gerade in den nächsten Jahren ausreichend Iridium aus der weltweiten Förderung sichern. Die Versorgungslage sei allerdings “mit deutlich erhöhten Preis- und Lieferrisiken behaftet”, heißt es in einer Publikation der Deutschen Rohstoffagentur DERA, die im Geschäftsbereich des Bundeswirtschaftsministeriums (BMWK) angesiedelt ist.
Nach der Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik werden über 90 Prozent der Platingruppenmetalle – zu denen Iridium gehört – in Südafrika gefördert. Die Studie warnt vor schwierigen “sozialen und ökonomischen Voraussetzungen” in dem Land. Vor rund zehn Jahren war es dort schon einmal zu Protesten von Bergleuten in der Platinförderung gekommen, die blutig niedergeschlagen wurden.
Zu den sozio-ökonomischen Problemen stehe man mit der Industrie im Austausch, sagt ein Sprecher des BMWK. Anfang Januar hat das Ministerium in einem Eckpunktepapier (“Wege zu einer nachhaltigen und resilienten Rohstoffversorgung”) seine Strategie skizziert. Es setzt dabei auf “Kreislaufwirtschaft”, die “Diversifizierung von Rohstofflieferketten” und die “Sicherstellung eines fairen und nachhaltigen Marktrahmens”.
Während mehr Recycling und fairere Bedingungen sicher Schritte in die richtige Richtung sind, ist eine Diversifizierung von Lieferketten beim Iridium, laut SWP, “unmöglich”. Der einzige weitere bedeutende Lieferant von Platingruppenmetallen ist ausgerechnet Russland. Raimund Witkop / Tim Gabel
Eigentlich befinde sich die Charité seit 2020 in einem dauernden Ausnahmezustand, sagt Heyo Kroemer. In der Corona-Krise habe man die ganze Zeit über unmittelbar Auswirkungen auf Forschung und Lehre gespürt – nicht nur auf die Krankenversorgung. Es gab viele Einschränkungen, etwa durch Schutzmaßnahmen und Lockdown. Was digital gemacht werden konnte, wurde gemacht.
Doch es gab auch Entwicklungen, die Hoffnung machten. So habe die Charité durch die Bundesregierung die Möglichkeit erhalten, das “Netzwerk Universitätsmedizin” aufzubauen, in dem sich dann alle deutschen Universitätskliniken zusammengeschlossen haben. Intensiv konnte man sich mit Forschungsdaten zu Covid beschäftigen und auf dieser Datenbasis die Öffentlichkeit informieren sowie die Politik beraten. Zugleich habe die Wissenschaft nicht nur hinsichtlich ihrer Erkenntnisse, sondern hinsichtlich der Wissensvermittlung an die Bevölkerung einen einmaligen Stellenwert bekommen. “Welche Rolle Kollegen von uns wie Christian Drosten oder Leif Sander gespielt haben, das ist etwas, dass ohne diese außergewöhnliche Situation nicht denkbar gewesen wäre.”
Aktuell sei die große Problematik der Krankenhäuser, dass man nicht wieder auf das 2019er Leistungsniveau komme, sagt der langjährige Vorstandsvorsitzende der Charité. Man habe eine komplette Kostenstruktur, aber eine deutlich reduzierte Einnahmestruktur, weshalb praktisch alle Krankenhäuser in der Bundesrepublik im Moment nicht unerhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten haben. Hauptgrund sei der Personalmangel, der einerseits durch einen sehr hohen Krankenstand unter den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern entstehe, “aber ich fürchte andererseits, dass dieses Problem auch ein langfristiges ist, weil uns perspektivisch durch den demografischen Wandel Fachkräfte fehlen“.
Mittelfristig und vor allem langfristig sei eine Vielzahl von Maßnahmen erforderlich, um dem demografischen Wandel zu begegnen, brauche es strukturelle Veränderungen im System.
Einer der größten Unterschiede des deutschen Gesundheitssystems zu den umgebenden Ländern sei die wenig ausgeprägte Digitalisierung im Gesundheitssystem. “Das halte ich für eine der größten Schwierigkeiten, die man auf dem schnellsten Wege beheben muss, wenn wir wettbewerbsfähig sein wollen oder wieder werden wollen.” Deutschland müsse endlich das nachholen, was praktisch jedes Land um uns herum in den letzten Jahren erfolgreich gemacht hat, nämlich das Gesundheitssystem zu digitalisieren.
Generell wünscht sich Kroemer, dass man in Deutschland nicht versucht, öffentliche Probleme dadurch zu lösen, dass man kontinuierlich die Augen zumacht: “Die Dinge, die jetzt da sind und die kommen werden, das wird etwa der Umgang mit dem demografischen Wandel sein. Das ist etwas, das wir seit vielen Jahren wussten, dennoch ist zu wenig passiert. Gleiches gilt auch für die absehbare Problematik mit der Digitalisierung.” Man habe es sich ein bisschen angewöhnt in Deutschland, die Augen zuzumachen vor Problemen und zu hoffen, dass sie durch diesen Akt weggehen würden, was aber nicht der Fall ist. “Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, dann wäre es, diese Vorgehensweise zu ändern.”
Das ganze Interview lesen Sie in “Was jetzt, Forschung?”. Die Publikation enthält Impulse aus den Gesprächen u. a. mit Jan Wörner (Acatech), Martina Brockmeier (Leibniz-Gemeinschaft), Rafael Laguna de la Vera (Sprind), Volker Meyer-Guckel (Stifterverband), Georg Schütte (VolkswagenStiftung), Otmar D. Wiestler (Helmholtz-Gemeinschaft) und Walter Rosenthal (Uni Jena). Den kostenlosen Reader erhalten Sie hier.
23. Februar 2023, 13:00-17:00 Uhr, Online
Öffentliche Anhörung Deutscher Ethikrat: Gerechtigkeit und Verantwortung angesichts des Klimawandels Mehr
26. Februar 2023, München
Festakt 75 Jahre Max-Planck-Gesellschaft im Deutschen Museum in München (Teilnahme nur mit persönlicher Einladung) Mehr
2. März 2023, 19:00 Uhr, Futurium Berlin und online via YouTube
Diskussion ChatGPT – Einblicke in die Zukunft der KI. Mit Ranga Yogeshwar und Doris Weßels Mehr
2.-5. März 2023, Washington D.C./Online
AAAS – Annual Meeting “Science for Humanity”, Jahrestagung der American Association for the Advancement of Science Mehr
15. März 2023, Berlin
Preisverleihung Verleihung der Gottfried Wilhelm Leibniz-Preise 2023 der DFG Mehr
28. März 2023, Berlin und online
Forschungsgipfel 2023 Blockaden lösen, Chancen nutzen – Ein Innovationssystem für die Transformation Mehr
Anfang des Jahres vermeldete Biontech, sein Forschungs- und Entwicklungszentrum zu mRNA-Krebsimmuntherapien in Großbritannien ansiedeln zu wollen. Biontech-CEO Uğur Şahin lobte die sehr guten Rahmenbedingungen rund um London. In Deutschland sah er diese offensichtlich nicht. Wie die “Unterstützung neuer Formen der mRNA-Immuntherapien und Impfstoffe in Deutschland” durch die Bundesregierung aussieht, wollte daraufhin die Unionsfraktion in einer Kleinen Anfrage (KA) erfahren.
Nach interner Abstimmung zwischen Bundesgesundheitsministerium (BMG), dem Bundesforschungsministerium (BMBF) und dem Bundeskanzleramt, wurde die Kleine Anfrage in dieser Woche beantwortet.
Die Union wollte wissen, ob es zwischen der Bundesregierung und Biontech Gespräche über ähnliche Kooperationen in Deutschland gegeben habe. Die Bundesregierung verwies hier lediglich auf einen virtuellen Austausch zwischen dem Staatssekretär Jörg Kukies aus dem Bundeskanzleramt und Sean Marett, dem CCO von Biontech. Das Gespräch fand allerdings erst am 24. Januar statt – also nachdem Biontech sich bereits für London entschieden hatte.
Grundsätzlich erfordere die personalisierte Medizin “zwingend die Nutzung von Gesundheitsdaten, insbesondere auch Genom-Daten”, schreibt die Bundesregierung. Ebenso stellt sie fest, dass dazu neben “Daten aus klinischen Studien auch Routinedaten aus der Versorgung erforderlich” seien. Auf die Frage nach Maßnahmen, um die Forschung und Entwicklung von personalisierten mRNA-Immuntherapien und Impfstoffen voranzutreiben, antwortet die Bundesregierung, dass zum 1. Januar 2023 beispielsweise das “Modellvorhaben Genomsequenzierung” starte.
Wie diese Daten genutzt und ob sie mit Patientendaten verknüpft werden sollen, wird aber in der Antwort nicht deutlich. Um Forschung und Entwicklung von personalisierten mRNA-Immuntherapien und Impfstoffen voranzutreiben, werden außerdem die Einrichtung des Helmholtz-Instituts für Translationale Onkologie (HI-TRON) oder die Förderung des Translationszentrums für Gen- und Zelltherapie am Berlin Institute of Health (BIH) benannt sowie einige einzelne Förderrichtlinien des BMBF.
Eine zusammenfassende Strategie für verbesserte Rahmenbedingungen wird dabei nicht erkennbar. Einer der Verfasser der Kleinen Anfrage, Thomas Jarzombek (CDU), bemängelt, dass zu diesem Punkt der europäische Gesundheitsdatenraum keine Erwähnung findet, auch werde auf das geplante Gesundheitsdatennutzungsgesetz kein Bezug genommen.
Der Aufbau eines R&D-Hubs zum Thema mRNA-Immuntherapien und Impfstoffe in Deutschland sei “derzeit nicht” geplant, schreibt die Bundesregierung in ihrer Antwort. Sie verweist stattdessen auf die Stärke und Breite der deutschen Forschungslandschaft mit ihren Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen.
Der Co-Autor der Kleinen Anfrage Stephan Albani (CDU) zeigt sich enttäuscht von der Antwort und bemängelt, dass die Bundesregierung augenscheinlich “keinen systematischen Austausch mit Biotechnologie-Unternehmen in Deutschland pflegt”. In einem solchen Dialog müsste man seiner Meinung nach über bessere Standortbedingungen für Biotechnologie, Krebsforschung und klinische Studien sprechen. mw
Am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) gilt seit diesem Jahr ein Gesetz, das eine Verbindung zwischen Universitäts- und Großforschungsbereich ermöglicht. Dank bundesweit einmaliger Regelungen können Studierende und Wissenschaftler in Großforschungs- und Universitätsbereichen in Karlsruhe flexibler forschen. “Sie forschen hier an den wichtigen Grundlagen, die wir brauchen – aber zugleich forschen Sie an der Praxis”, sagte Stark-Watzinger (FDP) bei einem Besuch in Karlsruhe.
Das 2. KIT-Weiterentwicklungsgesetz hatte der Landtag Baden-Württemberg verabschiedet. Es benötigte dafür auch eine Verwaltungsvereinbarung mit dem Bund. Durch das Gesetz bekommen etwa Studierende Zugang zu großen Laboren und können sich besser mit den dort arbeitenden Wissenschaftlern austauschen. Bürokratische Hürden wurden abgebaut, damit Wissenschaftler zwischen Forschung und Lehre hin und her wechseln können. Die Exzellenzuniversität mit etwa 9800 Beschäftigten und mehr als 22 000 Studierenden ist bundesweit die erste Institution, die die Grenzen zwischen universitären und außeruniversitären Einrichtungen auflöste. (dpa)
30 Millionen Euro erhält die Universität Potsdam vom Bund, um vier geplante digitale Didaktikzentren des Bundes miteinander zu verknüpfen. Seit Februar bildet die Uni das Dach von vier geplanten Kompetenzzentren für digitalen Unterricht. Eines davon, das MINT-Kompetenzzentrum, startet am 1. April. Die Ausschreibungen für die drei weiteren Zentren laufen noch. Vom BMBF vorangetrieben, entsteht so ein bundesweites Mega-Cluster für digitale Bildung.
Die Vernetzungsstelle in Potsdam muss eine Vielzahl an Akteuren zusammenbringen. Denn: Jedes der vier Kompetenzzentren besteht aus mehreren Verbünden, Verbünde wiederum aus mehreren Teilprojekten. Für diese gewaltige Aufgabe stellt sich die Verbindungsstelle breit auf. Allein in der Potsdamer Vernetzungsstelle entstehen 28 neue Stellen (12,6 Mio. Euro). Von Potsdam aus koordiniert, besteht die Transferstelle aus einem Dutzend namhafter Institutionen.
Die Dachorganisation will sich an Multiplikatoren, Bildungsverwaltung und -politik richten, weniger an die Lehrkräfte. Dafür seien die Kompetenzzentren zuständig, indem sie vorbildliche Praxisbeispiele entwickeln. In Potsdam sollen die Fäden zusammenlaufen werden. Ziel: Möglichst viele der didaktischen Erkenntnisse, die in den vier fachspezifischen Zentren entstehen, sollen in Deutschland Schulen landen.
Mit der Entscheidung für Potsdam siedelt sich ein weiteres BMBF-Großprojekt der digitalen Bildung in Brandenburgs Landeshauptstadt an. Am dortigen Hasso-Plattner-Institut entwickeln sie die Nationale Schulcloud. Das technische Rückgrat der Nationalen Bildungsplattform (BIRD) entsteht auch an der Universität Potsdam. np
In dieser Woche hat Bundesforschungsministerin Bettina Stark-Watzinger eine Absichtserklärung zwischen Deutschland und mehreren afrikanischen Staaten zum Aufbau einer strategischen Wasserstoff-Partnerschaft unterzeichnet. Sie soll grünen Wasserstoff und erneuerbare Energie als neuen Schwerpunkt der Arbeit von zwei gemeinsamen Kompetenzzentren etablieren. Anlass war die Festveranstaltung zum zehnjährigen Bestehen der beiden Klimakompetenzzentren SASSCAL (Southern African Science Service Centre for Climate Change and Adaptive Land Management) und WASCAL (West African Science Service Centre for Climate Change and Adapted Land Use) in Berlin.
Die Kompetenzzentren organisieren regionale Forschung bezüglich der dringlichsten Herausforderungen des Klimawandels sowie für Forschung zu erneuerbaren Energien und grünem Wasserstoff im südlichen und westlichen Afrika. Der gemeinsamen Absichtserklärung nach werden SASSCAL und WASCAL “eine Forschungs- und Entwicklungsstrategie für grünen Wasserstoff sowie Pilot- und industrielle Demonstrationsprojekte” entwickeln und umsetzen.
Deutschland will damit seinen Einfluss in der Region ausweiten. Partnerschaften und Kooperationen sind für die Bundesrepublik wichtig, weil für die Energiewende große Mengen von grünem Wasserstoff importiert werden müssen. SASSCAL und WASCAL werden, laut Bundesforschungsministerium (BMBF), “zunehmend als Plattformen für eine strategische deutsch-afrikanische Energiepartnerschaft zu ‘Grünem Wasserstoff’ genutzt”. Anstoß hierfür war der vom BMBF unterstützte und in Zusammenarbeit mit den Klimakompetenzzentren erstellte Potenzialatlas “Grüner Wasserstoff Afrika”. tg
Seit 2006 wird Spitzenforschung an deutschen Universitäten im Rahmen der Exzellenzinitiative in den Förderlinien Exzellenzcluster, Graduiertenschulen und Zukunftskonzepte gefördert. Bastian Krieger vom ZEW Mannheim hat untersucht, ob auch die Innovationskraft privater Unternehmen von der Exzellenzinitiative profitiert. Es zeigte sich, dass von den drei genannten Förderlinien allein Exzellenzcluster die Innovationstätigkeit von regionalen Unternehmen bisher beeinflusst haben – und dies auch nur unter bestimmten Bedingungen.
So erhöht die Förderung eines zusätzlichen Exzellenzclusters an einer deutschen Universität die Wahrscheinlichkeit, dass ein in derselben Arbeitsmarktregion ansässiges Unternehmen Innovationen einführt, um bis zu 0,9 Prozentpunkte. “Allerdings ist dieser positive Effekt ausschließlich auf Arbeitsmarktregionen zurückzuführen, in denen mehr als insgesamt drei Exzellenzcluster an Universitäten gefördert werden”, sagt Krieger.
Die Förderung von weniger Clustern hat hingegen keine statistisch signifikanten Auswirkungen auf die Innovationstätigkeit regionaler Unternehmen, ebenso wie die Förderung von Graduiertenschulen oder Zukunftskonzepten. Die Ergebnisse der ZEW-Studie zeigen somit, dass ein Teil der Universitätsförderung durch die Exzellenzinitiative positive Effekte auf die Innovationsfähigkeit in der Region ansässiger Unternehmen hat. Sie legen aber auch nahe, dass ein erhebliches Maß an Förderung notwendig ist, um über diesen Weg regionale Unternehmensinnovationen anzuregen.
Der Fokus der Exzellenzinitiative lag auf der Förderung deutscher Universitäten und ihrer wissenschaftlichen Leistungen. Daher ist der positive Einfluss einer ihrer Förderlinien auf die Innovationsfähigkeit regionaler Unternehmen ein willkommener Nebeneffekt. “Umso besser also, dass die in 2016 beschlossene Exzellenzstrategie als Nachfolger der Exzellenzinitiative einen verstärkten Fokus auf die Förderung von Exzellenzclustern legt”, betont Bastian Krieger. Die Wirkung der beiden anderen Förderlinien sollte hingegen nochmals auf ihre überregionalen Effekte und ihre längerfristigen Einflüsse auf die Privatwirtschaft untersucht werden, da diese Zusammenhänge nicht durch die Studie des ZEWs abgebildet werden.
Die ZEW-Studie beruht auf Daten des Mannheimer Innovationspanels (MIP), einer jährlichen, repräsentativen Umfrage zum Innovationsverhalten der deutschen Wirtschaft und wurden ergänzt durch die Datenbank GEPRIS. nik
Bildung.Table. Vergleichbares Abitur: Das Abitur in Deutschland soll vergleichbarer werden. Dazu will die Kultusministerkonferenz eine neue “Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe und der Abiturprüfung” verabschieden. Der Entwurf des Schulausschusses liegt Table.Media exklusiv vor. Mehr
Climate.Table. Kampf um den Klima-Kurs der Weltbank: Nach der überraschenden Rücktrittsankündigung von Weltbankchef David Malpass beginnt das Tauziehen um die zukünftige Ausrichtung der Bank. Die Rufe nach mehr Klimaschutz und Nachhaltigkeit in der Weltbankgruppe werden lauter. Aber ein solcher Kurswechsel ist auch umstritten. Mehr
Europe.Table. EU-Experten warnten vor Überkapazitäten: Die EU-Kommission informierte die Bundesregierung schon früh darüber, dass Deutschland nach Ansicht der Brüsseler Behörde nur wenige Terminals für Flüssiggas (LNG) benötigt. Das geht aus einem internen Sitzungsprotokoll hervor, das Table.Media vorliegt. Berlin verfolgte dennoch andere Pläne. Mehr
Die Zeit – Zwingen die Unis zum Gendern?: Die FAZ, Friedrich Merz und Markus Söder sehen “Diskursgespenster”, das ergibt eine Recherche der Zeit. Grundlage war die Behauptung der Genannten, an deutschen Hochschulen würden systematisch schlechtere Noten gegeben, wenn Studierende in ihren Arbeiten nicht gendern. Bei Tageslicht betrachtet bleibt vom Spuk wohl wenig Handfestes übrig, schreibt Anant Agarwala. Wenn sanktioniert wurde, dann in absoluten Ausnahmefällen und auf Anlass einzelner Lehrbeauftragter. Anschließend wurden Punktabzüge oft wieder rückgängig gemacht. Und nur drei von 145 befragten Hochschulen erwarten offiziell geschlechtergerechte Sprache in schriftlichen Ausarbeitungen. Mehr
The Stanford Daily – Internal review found ,falsified data’ in Stanford President’s Alzheimer’s research, colleagues allege: An der renommierten Stanford University zeichnet sich ein Forschungsskandal ab. Dem Präsidenten Marc Tessier-Lavigne werden wissenschaftliches Fehlverhalten und Fälschungen in Forschungsarbeiten vorgeworfen. Brisant: Die Vorwürfe gehen auf eine investigative Recherche des The Stanford Daily zurück, eine unabhängige Zeitung, die von Studierenden der Uni betrieben wird. Grundlage sind Aussagen von ehemaligen Mitarbeitern von Tessier-Lavigne. Diese behaupten, dass er in seiner Zeit als Top-Manager der Firma Genentech leitender Autor einer Alzheimer-Studie war, in der Daten gefälscht wurden. Tessier-Lavigne weist die Vorwürfe zurück. Mehr
FAZ – Zitier ich dich, zitierst du mich: Für eine erfolgreiche wissenschaftliche Karriere ist ein hoher Zitationsindex förderlich – keine Neuigkeit. Vor allem Zitate in internationalen Fachzeitschriften sind wertvoll – ebenfalls bekannt. Die Kritik ist zeitlos: Nicht der wissenschaftliche Wert von Studien werde so berücksichtigt, sondern die Häufigkeit der Zitate. Forscher, die in einem kleinen Fach und in einer kleinen Sprache arbeiten und dazu noch eine Außenseitermeinung haben, würden in der Community kaum noch berücksichtigt. Das Neue: Die unschöne Entwicklung wird durch Twitter und andere soziale Netzwerke befeuert. Hier entstehen geschlossene Gruppen und Zitierzirkel. Mehr
Frankfurter Rundschau – Atomkraft und Gentechnik “Eine kritische gesellschaftliche Stimmung ist erstmal etwas Gutes”: Dass Gentechnik in der Gesellschaft so breit abgelehnt wird, hängt mit der deutschen Umweltbewegung infolge der Atomkraftnutzung zusammen, sagt der Historiker Frank Uekötter im Interview. Weil bei der Kernenergie alles viel riskanter, komplizierter und teurer als gedacht, sei ein Framing entstanden, das in die Gentechnik-Debatte gewandert ist. Mehr
Nature – Rebuilding Ukrainian science can’t wait – here’s how to start: In einem Editorial fordert das Magazin die internationale Forschungsgemeinschaft auf, ein Jahr nach dem Einmarsch Russlands nicht nur einzelne Forscher und ihre Teams, sondern auch das gesamte Wissenschaftssystem der Ukraine zu unterstützen. Es bedürfe eines besser koordinierten Ansatzes, der nicht nur die wissenschaftliche Tätigkeit, sondern auch deren Organisation und Verwaltung unterstützt. Die Planung für den wissenschaftlichen Wiederaufbau der Ukraine nach dem Krieg müsse bereits jetzt beginnen. Mehr
Zwei Monate ist Robert Schlögl nun in seinem neuen Amt als Präsident der Humboldt-Stiftung tätig und nein, der renommierte Chemiker hätte niemals damit gerechnet, dass er den Posten bekommt. Der Grund: Schlögl hatte ein kontroverses Gespräch mit der Findungskommission, die den Stiftungspräsidenten vorgeschlagen hat.
“Unsere Meinungen gingen durchaus auch auseinander”, sagt Schlögl. So wehrte er sich unter anderem gegen den Vorschlag der Kommission, die Reisetätigkeit in der Stiftung zu reduzieren. “Das ist doch sinnlos für eine Organisation, die ein globales Netzwerk als Hauptaufgabe hat”, sagt der 68-Jährige.
Doch vielleicht waren gerade Schlögls starkes Plädoyer für den persönlichen Austausch der Forschenden, für die internationalen Perspektiven und seine Leidenschaft für die Wissenschaft, der entscheidende Grund, der die Kommission schlussendlich überzeugte.
Der internationale Austausch ist auch das vorrangige Ziel der Humboldt-Stiftung: Sie ermöglicht Forscherinnen und Forschern aus aller Welt einen wissenschaftlichen Aufenthalt in Deutschland und pflegt ein globales Netzwerk von mehr als 30.000 Alumni. Schlögl ist selbst international vernetzt. Bis 2022 war der Experte für Energiesysteme der Zukunft Gründungs- bzw. geschäftsführender Direktor am Max-Planck-Institut für Chemische Energiekonversion in Mühlheim an der Ruhr und ist auch weiterhin Direktor am Fritz-Haber-Institut in Berlin.
Er war selbst Gastgeber vieler Stipendiaten und Forschungspreisträger der Humboldt-Stiftung und weiß nur zu gut, wie wichtig die globale Vernetzung ist. “Die Wissenschaft ist ein Brückenbauer zwischen den Nationen, sie verbindet”, sagt Schlögl.
Doch schon in den ersten Wochen seiner Amtszeit wurde dem Stiftungspräsidenten bewusst: Er muss für seine Organisation kämpfen, denn der Stiftung drohen Mittelkürzungen. “Um den Status quo hochqualitativ zu erhalten, brauchen wir eigentlich mehr Geld. Doch das Gegenteil soll passieren”, sagt er. Die Folgen seien fatal. Die Stipendiensätze wurden bereits seit 2012 nicht erhöht.
Wenn die Mittel weiter gekürzt werden, würde es gerade die Wissenschaftler im Globalen Süden treffen. Erst vor kurzem hat die Humboldt-Stiftung in verschiedenen afrikanischen Ländern ein Wissenschaftsprogramm gestartet, unter anderem in Nigeria und in der Republik Kongo. Denn Wissenschaft hat dort vielerorts noch nicht den Stellenwert, den sie haben müsste. “Das wollen wir ändern, ohne dass wir den Wissenschaftlern vor Ort etwas vorschreiben, ihnen unsere Erkenntnisse aufdrängen wollen”, sagt Schlögl.
In den sogenannten Forschungshubs wird afrikanischen Humboldt-Alumni die Möglichkeit gegeben, mit lokalen Mitarbeitern an Themen vor Ort zu arbeiten. In diesem Fall zu Zoonosen und Pandemien. “So entwickeln sich kleine Zentren des Wissens zu Themen, die dazu führen, dass der Stellenwert der Wissenschaft vor Ort größer wird”, sagt Schlögl.
Es liege oft an den Bedingungen, dass die wissenschaftliche Exzellenz nicht überall gleich ausgereift sei. Doch wissenschaftliche Expertise sollte keine Frage der Geografie sein, sagt Schlögl. Mit den Mittelkürzungen könnten keine weiteren Projekte im Globalen Süden geplant werden. Die Bedeutung dieser Maßnahmen, der Wissenschaft, werde nicht von der Politik gesehen.
Dabei könnten gerade Themen wie Pandemien, aber auch die Klimakrise nur international gelöst werden. “Die Wissenschaft liefert die Grundlage für Entscheidungen und die Werkzeuge zur Bekämpfung dieser Probleme”, sagt Schlögl. Es ist seiner Meinung nach bedenklich, wenn Deutschland anfängt, gerade bei der Wissenschaft zu sparen.
“Mein wichtigster Wunsch ist Stabilität, sonst können wir nicht arbeiten”, sagt er. “Wenn man permanent um die Stabilität kämpfen muss, dann kann man nicht kreativ sein.” Sein Vorschlag: Die Humboldt-Stiftung soll einen kontinuierlichen Budgetzuwachs erhalten. Nur so könnten stabile Verhältnisse geschaffen werden, nur so könnte die Stiftung weiter ein verlässlicher Partner sein, nur so könnten Wissenschaftler global gestärkt werden. “Was man am schnellsten verspielt, ist der gute Ruf”, sagt Schlögl. “Wir müssen ihn erhalten, das ist meine erste Priorität.” Elena Matera
Peter-André Alt (62) und Marion Müller übernehmen die Geschäftsführung der neuen Wübben Wissenschaftsstiftung, die ab April eigenen Angaben zufolge “Wissenschaft auf internationalem Spitzenniveau mit einem jährlichen Budget von bis zu 20 Millionen Euro” unterstützen wird. Alt war von 2010 bis 2018 Präsident der Freien Universität Berlin und noch bis Ende März Präsident der Hochschulrektorenkonferenz. Müller ist seit 2011 Geschäftsführerin der Einstein Stiftung Berlin.
Gerald Joyce (66) wird neuer Präsident des Salk Institute im kalifornischen La Jolla, in dem er bisher das Amt des Vizepräsidenten bekleidet und die wissenschaftliche Leitung innehat. Der Biochemiker folgt auf den Neurobiologen Fred “Rusty” Gage (72), der sich wieder seiner Forschung widmen wird.
Thomas Kaiser (53) übernimmt Anfang April die Leitung des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) in Köln. Der Mediziner war seit Gründung des IQWiG im Jahr 2004 einer der beiden Leiter des Ressorts Arzneimittelbewertung. Der langjährige Chef des Instituts, Jürgen Windeler (66), geht in den Ruhestand.
Gérard Krause (57) wechselt zum 1. März zur WHO nach Genf. Der Epidemiologe wird dort eine neu eingerichtete Abteilung für “Surveillance Systems” übernehmen. Krause hat zwölf Jahre lang die Abteilung für Epidemiologie des Braunschweiger Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung geleitet.
Robert Nissen (49) wird neuer Kanzler der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder). Der Jurist übernimmt die Leitung der Verwaltung zum 15. März. Zuletzt hat er an der Technischen Universität Berlin den Bereich Studierendenservice geleitet.
Dame Angela McLean (61) wird zum 1. April wissenschaftliche Chefberaterin der britischen Regierung und damit die erste Frau in dieser Funktion. McLean ist bisher wissenschaftliche Chefberaterin des Verteidigungsministeriums. Die theoretische Biologin ist Professorin für mathematische Biologie in der Abteilung für Zoologie an der Oxford University und Fellow des All Souls Colleges.
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Der neue Bericht der Experten-Kommission Forschung & Innovation bedarf dringend eines Nachrufs. Zuerst selektiv die diesjährigen, erfreulichen Themen:
Nun aber zu dem ungenießbaren Thema des diesjährigen Berichtes:
Selten habe ich einen so blauäugigen wie unausgegorenen Vorschlag gehört wie den, einen ständigen Zukunftsausschuss beim Bundeskanzleramt einzurichten, der die unterschiedlichen Strategien der Ministerien wie etwa die “Zukunftsstrategie Forschung & und Innovation”, die “Digitalstrategie” und die “Start-up-Strategie” kontrolliert. Ich war lange genug in Konzernen und im Bundestag, um zu wissen, dass man Ressort-Egoismen nicht durch Zentralisierung und Ausschüsse verhindert. Hier schimmert das ewige Prinzip Hoffnung auf Minister und ministerielle Verwaltung durch, welche den ‘homo rationalis’ als dominantes Modell politischen Handelns sehen. Auweia!
Vielleicht sollte die EFI-Kommission einmal ein zweiwöchiges Schnupper-Shadowing bei einem der Staatsminister im Bundeskanzleramt absolvieren. Dann wüsste sie, dass nicht Organisationslösungen, sondern nur politische Leadership und autoritativer Durchgriff eine Lösung gegen Mikropolitik, Machtkämpfe und Egoismen sind. Dieses müssten sie im heutigen Kanzleramt aber wie eine Stecknadel suchen.
Und wenn man schon in Strukturen denkt und die Macht-Logik hintanstellt, dann wundert es schon, dass die Kommission nicht Optionen vorstellt und die ihrer Sicht nach beste transparent priorisiert.
Innovating Innovation: Beispielsweise gibt es im Weißen Haus ein kleines, hochkarätig besetztes Experten-Team als Beratungsgremium für den US-Präsidenten. Kein Forschungsministerium, dafür aber die Zuordnung von Forschungsbudgets im Energieministerium, im Verteidigungsministerium und im Gesundheitsministerium. Bewusste Horizontalisierung statt Dezentralisierung! Denkbar wäre auch der Vorschlag des früheren Vorsitzenden der EFI-Kommission Dietmar Harhoff, mehr und mehr Teile des Forschungs- und Innovationsetats in unabhängigere Agenturen zu verlagern. Zu diesen Vorschlägen hat sich die Kommission bisher vornehm gar nicht geäußert. Lieber ex cathedra. Vielleicht wäre es auch für sie Zeit, in Alternativen zu denken.