Table.Briefing: Research

Kritik an BMBF-Beauftragten + Verzögerung beim WissZeitVG + Israel: Forschungsfreiheit in Gefahr

Liebe Leserin, lieber Leser,

beunruhigende Entwicklungen werden aus Israel berichtet: Führende Vertreter der Wissenschafts-Community befürchten eine zunehmende Kontrolle wissenschaftlicher Einrichtungen durch die Regierung. Forscherinnen und Forscher fühlten sich an die Entwicklungen in Ungarn erinnert, da neben der Wissenschaft auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk angegangen wird. Mehr von Markus Weisskopf.

Was haben die Sozialunternehmerin Zarah Bruhn, der FDP-Bundestagsabgeordnete Till Mansmann und der Parlamentarische Staatssekretär Mario Brandenburg gemeinsam? Alle drei wurden vom BMBF zu Beauftragten ernannt, für: Soziale Innovationen, Wasserstoff und Ausgründungen aus der Wissenschaft. In der Liste der 42 Regierungsbeauftragten tauchen sie nicht auf. Was unterscheidet die Beauftragen? Warum wurden sie eingesetzt? Anne Brüning kennt die Hintergründe.   

Als die GEW-Aktionskonferenz “Her mit den Dauerstellen!” geplant wurde, gingen die Veranstalter davon aus, dass ein Eckpunktepapier zur Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) bis Ende des Winters fertig ist und diskutiert werden kann. Nun dauern die Gespräche länger. Die Ampelparteien haben Vertraulichkeit vereinbart. Die entscheidenden Knackpunkte und Differenzen mit Blick auf die WissZeitVG-Novelle wurden aber im Laufe der Diskussion sehr deutlich, berichtet Tim Gabel.

Die Sitzung des Forschungsausschusses zur Fraunhofer-Affäre am gestrigen Mittwoch war nicht-öffentlich. Eigentlich unnötig, fanden nicht wenige Teilnehmer – viel Neues wurde nicht berichtet, erfuhr Table.Media. Was dann doch bekannt wurde, lesen Sie in den News. 

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Ihre
Nicola Kuhrt
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Analyse

Die Beauftragten des Forschungsministeriums sind Sonderfälle

Die Sozialunternehmerin Zarah Bruhn, der FDP-Bundestagsabgeordnete Till Mansmann und der Parlamentarische Staatssekretär Mario Brandenburg wurden vom BMBF zu Beauftragten für ein bestimmtes Thema ernannt. Im Organigramm des Ministeriums sind sie damit weit oben angesiedelt. Ihre Posten haben eine weitere Gemeinsamkeit: Anders als bei Beauftragten der Regierung hat ihre Ernennung keine Entschließung der Bundesregierung als Rechtsgrundlage, sondern war ein ministeriumsinterner Vorgang. Das ist nicht verwerflich, macht aber skeptisch. Noch dazu sind derartige Konstruktionen offenbar auch juristisch bedenkenswert.  

Um diese drei Posten geht es:

  • Die Beauftragte für Soziale Innovationen Zarah Bruhn wurde am 1. April 2022 ernannt. Sie soll das BMBF dabei unterstützen, “Räume und Vernetzung zu schaffen und die Umsetzung Sozialer Innovationen voranzutreiben”. Bruhn ist Sozialunternehmerin und Mitgründerin des Unternehmens Social-Bee, das sich der nachhaltigen Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt verschrieben hat. Die Position im BMBF wurde neu geschaffen, Bruhn hat ein freies Auftragsverhältnis und erhält eine pauschale monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 3.500 Euro.
  • Der Innovationsbeauftragte Grüner Wasserstoff Till Mansmann (FDP) wurde am 10. August 2022 ernannt. Er übernahm von Stefan Kaufmann (CDU), der 2020 das Amt als erster innehatte, als es im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie geschaffen wurde. Mansmann ist laut BMBF-Website ständiger Gast des Staatssekretärsausschusses für Wasserstoff und des Nationalen Wasserstoffrates und “verantwortet die Ausrichtung der einschlägigen Forschungs-, Entwicklungs- und Transferaktivitäten des BMBF”. Er erhält eine pauschale monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 2.000 Euro. Seit 2017 hat er überdies ein Bundestagsmandat.
  • Der Beauftragte für Transfer und Ausgründungen aus der Wissenschaft Mario Brandenburg (FDP) ist im BMBF zugleich Parlamentarischer Staatssekretär. Er arbeitet unter anderem an der Errichtung der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (Dati) mit und ist aktiv in die Entwicklung einer Start-up-Strategie eingebunden. Sein Vorgänger war Thomas Sattelberger (FDP), der ebenfalls Beauftragter und Parlamentarischer Staatssekretär in Personalunion war. Zusätzliche Bezüge sind mit dem Posten nicht verbunden.

“Bei den BMBF-Beauftragten handelt es sich um Spezialfälle, die in dieser Häufung in anderen Ministerien nicht zu finden sind”, sagt die Verfassungsrechtlerin Karoline Haake, die sich im Rahmen ihrer Promotion am Lehrstuhl für öffentliches Recht, Völker- und Europarecht der Universität Hannover mit der Rechtsfigur der Beauftragten der Bundesregierung befasst.

Beauftragte der Regierung basieren häufig auf einem Kabinettsbeschluss

Beauftragte der Regierung werden entweder auf Basis eines Gesetzes installiert (Beispiele sind die Beauftragte für Migration und der Datenschutz-Beauftragte) oder aufgrund eines Kabinettsbeschlusses beziehungsweise Organisationserlasses. Zurzeit gibt es 42 derart Beauftragte, die zugehörige Liste führt das Innenministerium, so sieht es Paragraf 21 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien vor.

Die drei BMBF-Posten sind dort nicht aufgeführt. “Sie gehören zu einer anderen Kategorie von Beauftragten. Es sind Beauftragte des Ministeriums, nicht der Regierung. Ihre Ernennung war ein rein intraministerieller Akt, so wie auch die Start-up-Beauftragte Anna Christmann nur Beauftragte des Bundeswirtschaftsministeriums ist”, sagt Thomas Sattelberger, der bis Juni 2022 im BMBF tätig war. Er findet diese Art von Beauftragung nicht problematisch, solange transparent mit dem Unterschied zwischen Regierungs- und Ministeriumsbeauftragten umgegangen wird. “Darauf müssen sowohl die Beauftragten achten als auch Medien und Zivilgesellschaft.”

Ohne Kabinettsbeschluss geht es schneller

Sattelberger betrachtet die Beauftragten-Posten als einen “klugen Weg, bestimmte Themen zu treiben”. Eine Beauftragte für Soziale Innovationen zu installieren, sei sein Vorschlag gewesen. “Die intraministerielle Ernennung haben wir gewählt, damit es schnell geht. Erst einen Beschluss des Kabinetts zu erwirken, hätte viel zu lange gedauert.”

“Bei Themen, die nur ein Ressort betreffen, ist die Ernennung von Beauftragten eine kluge Ad-hoc-Antwort auf zu starre Rahmenbedingungen für Verwaltungsbürokratie und Personalstruktur”, sagt Matthias Graf von Kielmansegg, Geschäftsführer bei der Vodafone-Stiftung in Berlin und ehemaliger Leiter der Abteilung Grundsatzfragen und Strategien im BMBF.

Grundsätzlich gelte jedoch: “Am besten ist es, wenn ein Ministerium Beauftragte hat, deren Installation aufgrund eines Kabinettsbeschlusses erfolgt.” Das erleichtere in der Folge auch die Kooperation zwischen den Ministerien, sagt von Kielmansegg. “Im Gefüge von Regierungskoalitionen sind diese Kabinettsbeschlüsse aber manchmal schwierig oder langwierig.” Ein Ausweg sei dann, dass ein Ministerium eigenständig einen Beauftragten beruft. “Zugegebenermaßen ist das oft ein Anzeichen für Konflikte zwischen den Ressorts oder den Koalitionspartnern”, sagt von Kielmansegg.

Die Gefahr der Interessenverquickung

Mit der Sozialunternehmerin Zarah Bruhn wurde eine Außenstehende ins Ministerium geholt, ohne dass das Kabinett involviert war. “Das ist unüblich, zumal offensichtlich auch kein Arbeitsvertrag geschlossen wurde, sondern nur ein freies Auftragsverhältnis besteht”, sagt Haake. Eine derart lockere Struktur passt aus ihrer Sicht auch nicht zum Demokratiegedanken. “Normalerweise muss alles, was ein Ministerium macht, parlamentarisch kontrollierbar sein. Das scheint mir in diesem Fall nicht gegeben.”

Sattelberger findet es wichtig, Expertise aus der Wirtschaft in ein Ministerium zu holen. Es werfe auch keine Probleme auf, wenn das Amt mit Compliance-Schulungen kombiniert wird und Auflagen erteilt werden, die eigene Firma und das politische Amt klar auseinanderzuhalten. Dies sei im Fall Bruhn noch viel deutlicher erfolgt als er es aus der Wirtschaft kenne.

“Den Beauftragten werden besondere Verschwiegenheitspflichten im Hinblick auf die im Rahmen der Beauftragten-Tätigkeit erlangten Informationen auferlegt, über die sie auch nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses Stillschweigen zu bewahren haben”, teilt das BMBF dazu auf Anfrage mit. “Ebenso sind Compliance-Vorgaben einzuhalten, was durch Aufklärungsgespräche und Schulungen begleitet wird.”

Immer mehr Parlamentarier im Ministerium

Aus juristischer Sicht interessanter findet Karoline Haake die Rolle des Wasserstoffbeauftragten Till Mansmann: “Mit ihm wurde ein Bundestagsabgeordneter ins Ministerium geholt, ohne ihn zum Parlamentarischen Staatssekretär zu machen. Bei anderen Beauftragten geschieht das zwar auch, aber dann entscheidet wenigstens die gesamte Regierung darüber.”

Problematisch sei daran zweierlei. Zum einen verschwimme in der öffentlichen Wahrnehmung und in der Berichterstattung offenbar der Unterschied zwischen Regierungs- und Ministeriumsbeauftragung. Eine Google-Suche zeigt zumindest, dass Mansmann häufig als Regierungsbeauftragter bezeichnet wird.

Zum anderen widerspreche es der Idee der parlamentarischen Kontrolle der Regierung, denn es verändert die Balance zwischen Legislative und Exekutive, wenn Parlamentarier zunehmend auch in Ministerien tätig sind. “Zwar sind auch die meisten Minister und Parlamentarischen Staatssekretäre Mitglieder des Bundestags. Aber irgendwo muss eine Grenze sein, sonst wird die Gewaltenteilung ausgehöhlt. Auch wenn es faktisch so ist, dass die Linie der Gewaltenteilung eher zwischen Regierung und Opposition verläuft”, sagt Haake.

Unbedenklich findet sie die Position des Beauftragten für Transfer und Ausgründungen aus der Wissenschaft von Mario Brandenburg,. zumal offensichtlich keine zusätzlichen Bezüge damit verbunden sind.

Was zu verbessern wäre

Für so wichtige Themen wie die Wasserstoffstrategie wäre es gewiss besser, das Amt des Wasserstoffbeauftragten regierungsübergreifend zu gestalten und zum Beispiel beim Kanzleramt anzusiedeln. Das findet auch der frühere Wasserstoffbeauftragte Stefan Kaufmann: “Wenn der Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft mit all ihren Facetten gelingen soll, brauchen wir die maximale Schlagkraft. Die entfaltet sich an zentraler, übergreifender Stelle wirkungsvoller.”

Vor allem von juristischer Seite besteht zudem der Wunsch nach mehr Transparenz und rechtsstaatlicher Absicherung. “Das Beauftragtenwesen ist generell sehr undurchsichtig. Wünschenswert wäre ein Gesetz, das zum einen regelt, wie die Amtsträger installiert werden und zum anderen grundlegende Vorgaben an ihre öffentliche Kommunikation richtet. Denn Amtsträger sind nicht durch Grundrechte geschützt, sondern im Gegenteil an die Grundrechte gebunden”, sagt der Rechtswissenschaftler Tobias Mast, Senior Researcher am Leibniz-Institut für Medienforschung, Hans-Bredow-Institut, in Hamburg. “Wünschenswert wäre auch, die Posten mit einem Auslaufdatum zu versehen, damit sich die Ämter nicht verselbstständigen.”

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Wissenschaftsfreiheit in Israel in Gefahr

Das neue Gebäude der Nationalbibliothek in Jerusalem ist fast bezugsfertig. Währenddessen ist die Unabhängigkeit der Institution gefährdet.

Die seitens der Regierung Netanjahu geplante Justizreform soll die Kontrollmöglichkeiten des Obersten Gerichts einschränken und die Macht des Parlaments und der Regierung stärken. Richter könnten dann allein von der Regierung eingesetzt werden, anstatt von mehreren Gruppen gemeinsam. Daneben gibt es erste Versuche, wissenschaftliche Einrichtungen zu beeinflussen. Vertreter der wissenschaftlichen Community in Israel fühlen sich an die Entwicklungen in Ungarn erinnert, zumal neben der Wissenschaft ebenfalls der öffentlich-rechtliche Rundfunk angegangen wird. Auch in Ungarn waren Wissenschaft und Medien unter den ersten Leidtragenden der autoritären Regierung Viktor Orbans. 

Die Wissenschaft ist unter Druck 

An welchen Punkten sind die wissenschaftlichen Einrichtungen, aber auch einzelne Wissenschaftler besonders betroffen?  

  • Die individuelle Wissenschaftsfreiheit in Israel wurde bislang als relativ robust angesehen – garantiert durch das Oberste Gericht. Doch es gab bereits in der Vergangenheit Versuche, Professoren ruhig zu stellen, die beispielsweise die Besetzung des Westjordanlandes kritisierten. Es wird nun befürchtet, dass derartige Angriffe zunehmen könnten, vor allem wenn die Unterstützung durch das Oberste Gericht schwindet
  • Die Unabhängigkeit der Institutionen scheint in Gefahr. In letzter Minute konnte der Versuch des Bildungsministers Yoav Kisch abgewendet werden, die Kontrolle über die Nationalbibliothek zu erlangen. Diese wurde erst vor etwa 15 Jahren, untermauert durch ein eigenes Gesetz, aus der Hebräischen Universität ausgegründet und damit unabhängig. Aber auch an anderen Stellen gibt es Befürchtungen: Yuval Shany, Professor für Völkerrecht an der Hebräischen Universität in Jerusalem und Senior Fellow am Israel Democracy Institute, berichtet von Bestrebungen, das Council for Higher Education stärker zu kontrollieren. Das Gremium entscheidet unter anderem über die Budgets der Hochschulen. 
  • David Harel, Präsident der israelischen Akademie der Wissenschaften fürchtet einen negativen Einfluss auf internationale Forschungskooperationen: “Wissenschaftler im Ausland werden es sich zweimal überlegen, ob sie mit israelischen Wissenschaftlern zusammenarbeiten, da die Situation hier chaotisch und undemokratisch sein wird”, sagte er der Times Higher Education
  • Nicht zuletzt gibt es große Sorgen über einen Braindrain. Viele israelische Wissenschaftler haben gute Verbindungen ins Ausland. Sie haben dort ihren PhD gemacht oder ihre Postdoc-Phase absolviert. Die meisten zieht es dann zurück nach Israel, in ein bisher liberales und pulsierendes Land. Doch nun haben einige bereits angekündigt, das Land zu verlassen. Auch der Historiker Yuval Noah Harari soll diesen Schritt überlegen. 

Die Scientific Community wehrt sich 

Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt, sieht die Wissenschaftscommunity als ein Herzstück des Widerstands. Es gebe an den Universitäten viele Proteste, die durch die Leitungen unterstützt werden. Mendel betont, dass alle Universitäten einen offenen Brief unterschrieben haben, der sich gegen die geplante Reform wendet – auch die religiös orientierte Bar-Ilan Universität und die in den besetzten Gebieten liegende Ariel Universität.   

Doch Yuval Shany beobachtet, dass es natürlich auch in der Wissenschaft Gruppen gibt, die die Justizreform unterstützen. Daher sei es zum Beispiel noch nicht zu einer offenen institutionellen Beteiligung an Streiks oder Ähnlichem gekommen. Bei den Protesten werde eine Teilnahme und damit Abwesenheit der Studierenden aktiv geduldet, aber es gebe keinen offiziellen Aufruf zum Protest durch die Institutionen. 

Netanjahu bei Scholz und Steinmeier 

Eine Gelegenheit, von deutscher Seite aus Bedenken gegenüber der Justizreform und bezüglich der Wissenschaftsfreiheit zu äußern, haben Bundeskanzler Scholz und Bundespräsident Steinmeier am heutigen Donnerstag. Premier Benjamin Netanjahu wird dann in Berlin erwartet. Am vergangenen Freitag hatte sich Steinmeier bei einem Empfang zum 50. Geburtstag der Universität Haifa besorgt über den “geplanten Umbau des Rechtsstaats” gezeigt. 

Wie eine internationale Unterstützung aussehen kann

Für Meron Mendel gibt es in dieser Frage keine neutrale Position. Die deutsche Regierung müsse klar Haltung beziehen. Sanfter Druck auf die eigene Politik sollte seitens der Wissenschaft kommen. Schließlich seien potenziell viele der deutsch-israelischen Forschungskooperationen betroffen. Er selbst hat einen offenen Brief aufgesetzt, den bereits viele deutsche Wissenschaftler unterschrieben haben.  

Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität Berlin, gibt zu bedenken, dass es auch sinnvoll sein könnte, sich international abzustimmen und nicht nur national zu agieren. Yuval Shany jedenfalls wünscht sich internationale Solidaritätsbekundungen, aber auch Appelle, wie die von Wirtschaftswissenschaftlern, die auf die große Bedeutung von Forschung und Entwicklung für die israelische Wirtschaft hinweisen. Der Regierung müsse klar werden, dass “sie damit die Gans bedrohe, die die goldenen Eier legt”.   


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WissZeitVG: Dauerbaustelle statt Dauerstellen

Auf der GEW-Aktionskonferenz “Her mit den Dauerstellen!” zu Arbeitnehmerrechten im Wissenschaftsbetrieb haben die Ampelparteien am Mittwoch Eckpunkte zur Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) diskutiert und dabei auch offen über noch vorhandene Differenzen der Regierungsparteien gesprochen. Die geladenen Oppositionspolitiker wurden zu Nebendarstellern. Ursprünglich war die Konferenz als Plattform für den Austausch über den fertigen Referentenentwurf des BMBF gedacht.

“Als wir die Veranstaltung geplant haben, hieß es, dass bis Ende des Winters ein Eckpunktepapier und ein BMBF-Referentenentwurf fertig sein sollen. Wir sind davon ausgegangen, dass die Verhandlungen abgeschlossen sind und wir mit allen Beteiligten die Reformvorschläge diskutieren können”, sagt Andreas Keller, Leiter des Vorstandsbereichs Hochschule und Forschung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gegenüber Table.Media. Die GEW hatte dementsprechend auch ihre Einladung verfasst.

Gesetzesentwurf vor der Sommerpause unwahrscheinlich

Schon im Vorfeld der Veranstaltung hatte es Anzeichen gegeben, dass sich die Reformvorschläge der Regierung verzögern. Auf der Konferenz selbst bestätigten am Mittwoch der Parlamentarische Staatssekretär Jens Brandenburg und die Berichterstatter der Ampelparteien, dass die Gespräche noch andauern und nach übereinstimmenden Informationen möglichst im Laufe des heutigen Donnerstages zu einem Abschluss kommen sollen.

Ein Eckpunktepapier wird in den kommenden Tagen erwartet, ein Referentenentwurf des BMBF soll kurze Zeit später folgen, sagte Jens Brandenburg. Dass die Koalition wie ursprünglich geplant einen Gesetzesentwurf noch vor der Sommerpause ins Parlament einbringt, gilt dagegen inzwischen als unwahrscheinlich. “Wir bereiten uns eher auf einen heißen Herbst vor”, sagte Andreas Keller auf der Veranstaltung.

FDP: Andere Ministerien sind weniger offen für Argumente

“Das BMBF hat unseren Koalitionspartnern viel Offenheit für ihre Argumente entgegengebracht. Das finde ich löblich und unterscheidet sich von der Handhabung anderer Ministerien”, sagte der FDP-Berichterstatter Stephan Seiter auf Anfrage. Auf der Veranstaltung selbst, an der auch Seiter teilnahm, sprachen die Vertreter der Ampelparteien dann auch von konstruktiven und an der Sache orientierten Gesprächen. Die Veranstaltung komme trotzdem zum richtigen Zeitpunkt, weil das verhindere, dass das Thema WissZeitVG noch wochen- oder monatelang verschleppt wird, meinte Gastgeber Andreas Keller.

Einigkeit bei Grünen und SPD, abweichende Positionen bei FDP

Im Laufe der Diskussion wurden die entscheidenden Knackpunkte und Differenzen mit Bezug auf die WissZeitVG-Novelle aber auch ohne das Eckpunktepapier sehr deutlich. Und das, obwohl Jens Brandenburg am Vormittag noch von einer “Vertraulichkeitsvereinbarung” gesprochen hatte. Während Grüne und SPD sich in vielen Punkten weitgehend einig sind, vertritt die FDP bei manchen Sachverhalten noch weitgehend andere Positionen. Das sind die zentralen Punkte des WissZeitVG und die Positionen der Parteien:

  • Mindestvertragslaufzeiten: Bei der Frage nach den Vertragslaufzeiten von Doktoranden liegen die Positionen der Ampelparteien relativ eng zusammen. Alle Ampelparteien sprachen sich für neue Mindestvertragslaufzeiten aus. Während die FDP drei Jahre Mindestvertragslaufzeit für Doktoranden vorsieht, treten SPD und Grüne für vier Jahre ein – entsprechend der Position der GEW. Laura Kraft (Grüne) und Carolin Wagner (SPD) zeigten sich allerdings kompromissbereit, sollten dafür andere Rahmenbedingungen stimmen: “Wir hätten gerne vier Jahre. Das Wichtige in der Promotionsphase ist aber letzten Endes, dass ich mindestens 50 Prozent der Zeit auch wirklich für die Promotion aufwenden kann“, sagte die SPD-Politikerin. Dann würde sich auch die Zeit, die aktuell im Durchschnitt für eine Promotion gebraucht wird (derzeit im Schnitt 4,7 Jahre) verkürzen. Die Linke vertreten durch Petra Sitte fordert sechs Jahre Mindestvertragslaufzeit für Doktoranden. Lars Rohwer von der Union konnte sich “mit der Range der Ampelparteien” anfreunden.

Knackpunkt ist der Qualifizierungsbegriff

  • Definition des Qualifizierungsbegriffs: An dieser Stelle gibt es den vielleicht deutlichsten Gesprächsbedarf zwischen den Ampelparteien. Die FDP möchte den Qualifizierungsbegriff im WissZeitVG “nicht zu eng” fassen, um – nach Aussage von Stephan Seiter – neben den Hochschulen auch anderen Institutionen Rechnung zu tragen. Dagegen wollen SPD und Grüne möglichst eine klare Definition des Qualifizierungsbegriffs. Nur die Promotion wäre laut Carolin Wagner und Laura Kraft ein adäquates Qualifizierungsziel. Lediglich für einige künstlerische Fachdisziplinen müsste dies gesondert geregelt werden.

Post-Doc: Frühere Zusage zu unbefristeten Stellen

  • Höchstbefristungsdauer in der Post-Doc-Phase: Mit einer reinen Verkürzung der Höchstbefristungen in der Post-Doc-Phase von derzeit sechs auf zum Beispiel vier Jahre, wie es etwa die Hochschulrektorenkonferenz vorgeschlagen hatte, sind Grüne und SPD nicht einverstanden. “Es muss eine verlässliche Entfristungsperspektive geben”, sagte Laura Kraft. Bei der Post-Doc-Phase sei der Casus knacksus, dass man hier früher als jetzt die Zusage bekommen muss, “dass es nach einer überschaubaren Zeit eine langfristige Stelle gibt”, so Wagner. Sonst werde es auch schwierig mit anderen Jobs und der Familienplanung. Die Post-Doc-Phase solle nur der Orientierung dienen und anschließend in unbefristete Karrierepfade wie ein Tenure-Track-Verfahren oder eine Daueranstellung neben der Professur übergehen. Aus Sicht von Stephan Seiter (FDP) ist aber auch “die Post-Doc-Phase noch eine Qualifizierungsphase”. Die FDP könnte demnach wohl mit dem Vorschlag der HRK leben.

Brandenburg: Auch Länder mit in die Verantwortung nehmen

  • Tenure-Track-Verfahren: Grundlegende Einigkeit bestand bei den Ampelparteien darüber, dass Tenure-Track ein probates Mittel ist, um dem wissenschaftlichen Nachwuchs eine verlässliche berufliche Perspektive zu bieten. Der Bund hatte gemeinsam mit den Ländern 2016 ein Nachwuchsprogramm mit 1.000 Tenure-Track-Professuren gestartet. Tenure-Track könnte Verhandlungsmasse für einen Kompromiss sein. Konkrete Vorgaben des Bundes müssten die Länder umsetzen. Staatssekretär Jens Brandenburg wies darauf am Vormittag hin: “Insgesamt können wir mit dem WissZeitVG einen Beitrag für mehr Verlässlichkeit im Wissenschaftssystem leisten, aber wir können als Bund damit auch nicht alle Probleme lösen.”.

Weitere Themen wie die Aufhebung der Tarifsperre, der Nachteilsausgleich und die Situationen von studentischen Beschäftigten wurden in der Diskussion gestreift. In den Details sind die Regierungsparteien auch dort noch nicht in allen Punkten auf einer Linie. Als Gastgeber gab GEW-Vize Andreas Keller den Ampelparteien mit auf den Weg, dass sie die Geduld der Beschäftigten im Wissenschaftssystem mit einer “radikalen Novelle” belohnen sollten, die einen “Systemschock” auslöst: “Zu Ostern wollen wir eine Reform im Körbchen finden und kein Reförmchen.”

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Thomas F. Hofmann: “Proaktive Förderkultur muss gelebt werden”

Thomas F. Hoffmann, Präsident der TUM
TUM-Präsident Thomas F. Hofmann.

Die Bundesregierung erntet aktuell viel Kritik für ihre Zukunftsstrategie, die EFI moniert die Pläne für die Dati und die immer noch nicht entfesselte Agentur für Sprunginnovationen. Alle wollen mehr und schnelleren Transfer. Die Vorstellungen darüber, was es braucht, um Deutschland endlich deutlich innovativer zu machen, gehen weit auseinander. An der Technischen Universität München (TUM), seit Jahren die erfolgreiche deutsche Ausnahme- und Vorzeigeuniversität, bleibt man entspannt. “Ich würde nicht ganz so schwarzsehen”, sagt TUM-Präsident Thomas F. Hofmann. Man sei in Deutschland im Bereich der Grundlagenforschung gut aufgestellt und brauche sich nicht hinter den Akteuren in den USA oder Asien zu verstecken.

Proaktive Start-up-Förderung

“Aber wir sind einfach zu langsam, wenn es darum geht, die neuen Erkenntnisse und Technologien, die wir in den Labors und Werkstätten entwickeln, dann auch wirklich in marktorientierte Innovationsprozesse und die wirtschaftliche Nutzung einzuspeisen”, sagt Hofmann. Hier fehle es in der deutschen Wissenschaft noch zu häufig an der richtigen Geisteshaltung, dass es neben exzellenter Forschung und Lehre eben auch auf den Transfer in Wirtschaft und Gesellschaft entscheidend ankommt.

“Die aktuelle Krisensituation muss uns ein Weckruf sein, alte Zöpfe abzuschneiden und über bisherige Denkgrenzen hinweg zu handeln”, findet der Uni-Präsident. Viele Universitäten hätten das Thema Ausgründungen noch nicht im Fokus. Die proaktive Förderung einer Start-up-Gründungskultur müsse von der Hochschulleitung gewollt und in der Universität vorgelebt werden.

In den USA wird proaktiver und früher investiert

Ein weiterer Hemmschuh in der deutschen Gründerlandschaft sei die nach wie vor sehr zurückhaltende, ja risikoscheue Investorenkultur. “Da unterscheiden wir uns immer noch dimensional von den USA – dort wird viel frühzeitiger in potenzialreiche Ideen investiert, ohne zu wissen, ob diese am Ende wirklich zünden.” Deutschland sei zögerlicher, größere Investments kämen erst in einer wesentlich späteren Entwicklungsphase. Dies gepaart mit einer vergleichsweise fragmentierten Marktstruktur in Europa mache die deutsche Wissenschaft leider langsam.

Statt Dati: International ausgerichtete Innovationszentren

Es brauche zwei weitere Dinge, um Start-ups zu befeuern, sagt Hofmann. Das eine sei Geschwindigkeit, das andere eine Kräftebündelung und der Aufbau von innovationsfördernden Ökosystemen – und eben nicht die Verteilung per Gießkannenprinzip. “So braucht es keine Agenturen, die in gesonderter Weise Hochschulen für angewandte Wissenschaften und kleinere Universitäten bei der Start-up-Förderung unterstützen sollen”, argumentiert der TUM-Chef entgegen den Plänen für die Dati. Es brauche wenige, aber wirklich kraftvolle, international ausgerichtete Innovationszentren, die aber Anschlussfähigkeit für Hochschulen für angewandte Wissenschaften bieten. Dazu bräuchte man vor allen Dingen Steuervergünstigungen für Privatpersonen, die in Start-ups investieren. In den USA gebe es das.

Die größte Hürde in Deutschland ist, dass viele noch nicht begriffen haben, dass jetzt wirklich eine Veränderung notwendig ist”, sagt Hofmann. “Viele meinen, es geht ohnehin immer so weiter, Deutschland ging es ja immer gut und der Wohlstand, den wir heute haben, wird automatisch in die Zukunft vererbt. Das ist ein Irrglaube!” Die Schaffung zukunftsfähiger Innovation setze vor allem erst einmal eine geistige Transformation voraus. Deutschland brauche keine Besitzstandswahrer, sondern Mitarbeitende, die mit Mut, einem gesunden Risikobewusstsein und Verantwortungsgefühl dem Neuen eine Chance geben.

Der Wunsch Hofmanns wird zum Appell, alle miteinander müssten gedankliche Hürden überwinden. “Ich glaube, unsere größten Herausforderungen sind nicht fehlende wissenschaftliche Stärke oder ein Mangel an Nachwuchstalenten, sondern dass wir den Mut und die Risikobereitschaft aufbringen, jenseits unserer Komfortzone neue Wege zu gehen. Und dass wir es wirklich schaffen, das Korsett der Überregulierung abzustreifen, um uns neue Beweglichkeit zu geben. Wir selbst haben es in der Hand.”

Das ganze Interview lesen Sie in “Was jetzt, Forschung?”. Die Publikation enthält Impulse aus den Gesprächen u. a. mit Jan Wörner (Acatech), Martina Brockmeier (Leibniz-Gemeinschaft), Rafael Laguna de la Vera (Sprind), Volker Meyer-Guckel (Stifterverband), Georg Schütte (VolkswagenStiftung), Otmar D. Wiestler (Helmholtz-Gemeinschaft) und Walter Rosenthal (Uni Jena). Den kostenlosen Reader erhalten Sie hier.    

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Termine

22. März, 18:00 Uhr, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin/online
Forum Bioethik “Patientenorientierte Datennutzung” Mehr

28. März 2023, Berlin und online
Forschungsgipfel 2023 Blockaden lösen, Chancen nutzen – Ein Innovationssystem für die Transformation Mehr

4. April 2023, 9:30 Uhr, Hotel Hilton, Berlin
Vortrags- und Diskussionsveranstaltung sowie Delegiertenversammlung 73. DHV-Tag “Wissenschaft und Politik: Zu viel Nähe, zu wenig Distanz – oder umgekehrt?” Mehr

5. April 2023, 18:30 Uhr, online
Live-Talk Futures Lounge der Initiative D2030: Die “Zukunftsstrategie” der Bundesregierung: Melange oder Transformationspfad? Zwei Sichtweisen Mehr

3. Mai 2023, 10:00-18:30 Uhr, Alte Münze, Berlin
Festival InnoNation Festival des Bundesverbands der Deutschen Industrie Mehr

News

Von der Leyen will F&E-Ausgaben erhöhen

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellt Unternehmen weniger Bürokratie in Aussicht. “Wir werden bis zum Herbst konkrete Vorschläge vorlegen, um Berichtspflichten zu vereinfachen und um 25 Prozent zu reduzieren“, sagte sie vor dem Europaparlament. Insbesondere Mittelständler litten meist nicht unter einzelnen Nachweispflichten, sondern unter der “Riesensumme des Ganzen”.

Die Generaldirektionen der Kommission sind bereits angewiesen, in ihren Themenbereichen nach entbehrlichen Vorgaben auf EU-Ebene zu suchen. Das angegebene Ziel zu erreichen, werde nicht einfach, so von der Leyen, “aber dieser Anstrengung müssen wir uns unterziehen”.

Die Initiative ist Teil der Wettbewerbsfähigkeitsstrategie, die die Kommission heute vorlegen will. Von der Leyen kündigte an, gemeinsam mit der schwedischen Ratspräsidentschaft den Staats- und Regierungschefs vorzuschlagen, das europäische Ziel für die Ausgaben für Forschung und Entwicklung zu erhöhen. Um wie viel lässt die Kommission noch offen.

Die EU hatte bereits 2002 ausgegeben, drei Prozent der Wirtschaftsleistung für F&E auszugeben. Die Fortschritte dorthin seien aber “sehr sehr langsam”, räumte von der Leyen ein. Der Anteil Europas an den F&E-Ausgaben weltweit sei in den vergangenen 20 Jahren überdies von 41 auf 31 Prozent gesunken. Daher müsse man analysieren, wie Europa besser werden könne.

Die Kommission legt heute eine Reihe von Vorschlägen vor, darunter den Net-Zero Industrial Act und den Critical Raw Materials Act. Teil des Pakets ist auch eine Mitteilung zur Weiterentwicklung des Binnenmarktes, die Table.Media bereits vorliegt. Das Papier enthält aber kaum neue Ansätze. “Wie so oft besteht die Mitteilung der Kommission aus warmen Worten und wenigen konkreten Lösungsvorschlägen”, kritisierte Markus Ferber, der Koordinator der EVP-Fraktion im Wirtschaftsausschuss des Europaparlaments. tho

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Exzellenzcluster in Österreich bekannt gegeben

Im Jahr 2021 startete Österreichs Exzellenzinitiative “excellent=austria”. Mit der Bekanntgabe der Förderung von fünf Exzellenzclustern wurde am Montag ein erster Meilenstein erreicht. Seitens des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) sowie der beteiligten Forschungsstätten steht ein Investitionsvolumen von 135 Millionen Euro zur Verfügung, um die Cluster für die ersten fünf Jahre der geplanten zehnjährigen Laufzeit zu finanzieren. Ziel sei unter anderem, “die Sichtbarkeit unserer Spitzenforschung international weiter zu stärken”, sagte der österreichische Wissenschaftsminister Martin Polaschek

Gefördert werden Projekte zur Energiespeicherung, Quantentechnologien, globaler Gesundheit, Zukunft des Wissens sowie zum kulturellen Erbe Eurasiens. Kriterien für die Förderung waren neben der Qualität der Forschung auch die Nachwuchsförderung oder der Transfer in Wirtschaft und Gesellschaft. Ausgewählt wurden die fünf Exzellenzcluster durch das wissenschaftliche Kuratorium des FWF auf Empfehlung einer internationalen Jury. Diese beurteilte das Innovationspotenzial und die wissenschaftliche Exzellenz auf der Basis weltweiter Peer-Reviews. FWF-Präsident Christof Gattringer zeigte sich beeindruckt von der “Qualität und dem Pioniercharakter aller Einreichungen”. 

Weitere Elemente der österreichischen Exzellenzinitiative sind die “Emerging Fields”, eine Förderschiene, die Grundlagenforschung in Forschungsfeldern mit besonders hohem Zukunftspotenzial intensiviert. Mit einem dritten Element, den “Austria Chairs of Excellence”, sollen international führende Forschende nach Österreich geholt werden. mw 

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Förderung der Endometriose-Forschung lässt auf sich warten

In einem Maßgabebeschluss des Haushaltsausschusses vom Oktober 2022 wird das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) aufgefordert, für die nächsten fünf Jahre eine neue Förderlinie zum Thema Frauengesundheit und insbesondere zur Erforschung der Erkrankung Endometriose aufzulegen. Für 2023 sollen dafür fünf Millionen Euro fließen und ab 2024 mindestens fünf Millionen Euro. Bisher passierte – nichts. Ein Sprecher des BMBF teilte gegenüber Table.Media jedoch mit, dass eine Förderrichtlinie noch in diesem Jahr kommen solle.  

Aus der Forschungscommunity wurden anscheinend Personen für ein erstes Treffen angefragt. Auf diesem soll zunächst über die Ausschreibung der Förderrichtlinie beraten werden. Akteure wie die Selbsthilfeorganisation “Endometriose-Vereinigung” sind nicht in diesen Prozess eingebunden.  

Heidi Reichinnek, frauenpolitische Sprecherin der Linken, bemängelt die Tatenlosigkeit des BMBF., Man habe deshalb einen Antrag eingebracht, der unter anderem fordert, dass schnellstmöglich eine Strategie aufgelegt wird, wie das Geld verwendet werden soll, um die Ursachen und Therapiemöglichkeiten zu erforschen. Auch die Union drängt darauf, es nicht nur bei einer einzelnen Förderrichtlinie zu belassen. In ihrem Antrag fordert sie die Formulierung einer Strategie gegen Endometriose, die Stärkung der bestehenden Forschungszentren und eine Kommunikationsoffensive zu dieser noch relativ unbekannten Krankheit, die aber wohl jede zehnte Frau betrifft. Am 29. März ist dazu eine öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss angesetzt. mw

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Fraunhofer: BMBF unterstreicht Aufklärungswillen

Im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung des Forschungsausschusses hat das BMBF seinen Aufklärungswillen in der Fraunhofer-Affäre wiederholt erklärt. Table.Media wurde zudem berichtet, dass es bislang kein persönliches Gespräch zwischen Ministerin Stark-Watzinger und dem in der Kritik stehenden Fraunhofer-Präsidenten Reimund Neugebauer gegeben habe. Seit zwei Wochen drängt das Ministerium auf einen Personalwechsel an der Spitze der Fraunhofer-Gesellschaft, der bislang aber ausblieb.

Ein kritischer Prüfbericht des Bundesrechnungshofs (BRH), der mit einem deutlichen Maßnahmenbescheid aus dem Haushaltsausschuss in Richtung Forschungsministerium beendet wurde, hatte die Diskussionen um die Fraunhofer-Spitze zusätzlich befeuert. Deutliche Worte der Ministerin hatten bisher bei Fraunhofer aber keine Konsequenzen. “Die Vorwürfe wiegen schwer”, hatte Bettina Stark-Watzinger in Bezug auf Anschuldigungen der Steuergeldverschwendung gegen die Fraunhofer-Gesellschaft und deren Vorstand noch Anfang März erklärt.

Neben dem schnellstmöglichen personellen Neustart im Vorstand müsse es jetzt darum gehen, dass sich die Verstöße nicht wiederholen und die Fraunhofer-Gesellschaft schnell zu einer modernen Governance und tragfähigen Compliance-Standards komme. “Sonst besteht die Gefahr, dass das Vertrauen in und das Ansehen der deutschen Forschung insgesamt beschädigt wird.” Zur Ausarbeitung konkreter Vorschläge werde sich das Bundesforschungsministerium auch extern beraten lassen und sich darüber mit dem Senat der FhG und den Ländern austauschen. Diese Aussage hat die Forschungsministerin am Mittwoch wiederholt. Seit Mittwoch ist auch der Prüfbericht des Rechnungshofs öffentlich und kann auf der BRH-Seite heruntergeladen werden. nik

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Presseschau

The Guardian – Keep scientists in the research room and out of politics. In den Lockdown-Files finden sich abfällige Kommentare des britischen Gesundheitsministers Matt Hancock und seiner Sonderberater gegenüber wissenschaftlichen Beratern in der Pandemie. In ihrem Gastbeitrag erklärt die Direktorin des britischen Science Media Center, Fiona Fox, weshalb Wissenschaft und Politik aus ihrer Sicht getrennt bleiben sollten. Der Wunsch der Politik, mit einer klaren und kohärenten Botschaft nach außen zu treten, kollidiere mit einer Wissenschaft, die messy, unsicher und unfertig ist. Mehr

FAZ – Machtmissbrauch an Unis. Die MeToo-Debatte hat die deutsche Wissenschaft erreicht. Die Aufklärung von Fällen ist zäh, weil Abhängigkeiten systemimmanent sind. In der Welt der Wissenschaft gibt es instituts- und universitätsübergreifend langjährige Arbeitsbeziehungen und Schweigekartelle von Professoren aus derselben Fachrichtung. Ombudsleute hätten zu wenig Macht und der Hochschulleitung sei der Ruf oft wichtiger als die Aufklärung. Mehr

Science – Gene-editing summit touts sickle cell success, while questions on embryo editing linger. Auf dem Gene-editing summit in London standen Licht und Schatten des Geneditors Crispr im Fokus. Star war eine Patientin, deren Sichelzellanämie erfolgreich therapiert wurde. Die Methode ist erfolgreich getestet und könnte schon 2023 in den USA zugelassen werden. Doch der Schatten ist nicht weit: Die meisten Patienten leben in Nigeria, der Demokratischen Republik Kongo und Indien. Diese können sich die Therapie – im Schnitt eine Million Dollar pro Person – nicht leisten. Mehr

Heads

Johan Rockström – Erklärer und Warner zu “planetaren Grenzen”

Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Professor an der Universität Potsdam und Stockholm University: Johan Rockström.

Johan Rockström glaubt, dass Klimafrustration auch positiv sein kann: Das zögerliche Vorgehen von Politikerinnen und Politikern könne deren Kritiker zu Aktionen motivieren, sagt er. Ein Beispiel dafür ist für ihn die Fridays for Future-Bewegung, die für den 3. März wieder einmal zum globalen Klimastreik aufgerufen hatte.

Von Beginn an ist “Listen to the Science” – hört auf die Wissenschaft – einer der zentralen FFF-Schlachtrufe. Und Rockström ist eine der wichtigsten Stimmen der Klimawissenschaft. Er liefert Analysen und Daten; er hat das Modell zu den planetaren Grenzen entwickelt und den Klimawandel und andere Bedrohungen damit fassbar gemacht. Um seine Erkenntnisse in die Welt zu tragen, spricht er mit Schülerinnen und Schülern genauso wie mit CEOs und Ministerinnen.

Rockström ist ein ruhiger Mensch. Und wenn er am Weltwirtschaftsforum in Davos teilnimmt, hat er immer seine Langlaufski dabei. Vor dem Start der zahlreichen Treffen und Veranstaltungen genieße er früh am Morgen die “kleinen ruhigen Momente in der Natur”, sagt er. Auch ihretwegen ist er gerne in dem Ort in der Schweiz.

Der schwedische Wissenschaftler ist seit 2018 einer der beiden Direktoren des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Zuvor gründete er das Stockholm Resilience Center und war Executive Director am Stockholm Environment Institute. Sein wissenschaftliches Portfolio reicht von Land- und Wassermanagement bis hin zu globaler Nachhaltigkeit. Neben seiner Forschung unterrichtet er an der Universität Potsdam und der Universität Stockholm. Obwohl er bereits über 200 wissenschaftliche Berichte und Studien veröffentlicht hat, freut er sich jedes Mal über eine neue Publikation, sagt Rockström. “Ich bin ein Wissenschafts-Nerd und mir macht es Spaß, ein Akademiker zu sein.” Das sei ein wichtiger Antrieb für seine Arbeit.

Exzellenter Klima-Kommunikator

Rockströms zweiter Hauptantrieb erwächst aus seinem Verantwortungsbewusstsein und dem Gefühl, privilegiert zu sein. Aufgrund seiner Expertise spricht er regelmäßig mit Entscheidern aus der ganzen Welt. Vor der COP27 habe er beispielsweise mit John Kerry, dem Sondergesandten des US-Präsidenten für das Klima telefoniert.

Rockström ist ein exzellenter Kommunikator. Auf den Klimakonferenzen hält er zahlreiche Vorträge, es gibt drei Ted-Talks von ihm. Auch auf Netflix ist Rockström zu finden. In der Dokumentation “Breaking Boundaries” gibt er neben dem Naturfilmer David Attenborough einen Einblick in die ökologischen Belastungsgrenzen der Erde und zeigt Lösungen auf, im Rahmen der planetaren Grenzen zu verbleiben. Der Dreh der Dokumentation sei eine positive, aber auch sehr herausfordernde Erfahrung gewesen, erzählt der Wissenschaftler. Um einen Satz für den Film zu produzieren, seien bis zu 40 Takes aufgenommen worden. Das gesamte Werk aus dem Jahr 2021 habe er sich erst vor kurzem bei einem Event in Berlin angesehen. “Ich mag es nicht, mich auf dem Bildschirm zu sehen, aber ich denke, das ist normal.”

Kipppunkte sorgen Rockström

Der 57-Jährige wünscht sich, dass Politiker die Klimakrise endlich ernst nehmen. Dabei müsse auch kommuniziert werden, dass es viele Werkzeuge gibt, um die Klimaherausforderungen zu bewältigen. Rockström selbst sagt von sich, dass er oft frustriert sei. Vor allem, weil die Forschungen von ihm und seinem Team zeigten, dass die Welt immer näher an sogenannte Kipppunkte komme. Diese Kipppunkte markieren Zustände in der Natur und im Klima, bei deren Überschreitung irreversibler Schaden entsteht. Er sei auch eher ein ungeduldiger Typ. “Ich bleibe nicht passiv sitzen, ich möchte die Dinge angehen und Lösungen finden.” Auch das ist etwas, was ihn antreibt. Kim Fischer

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Personalien

Thomas Weber (68) wird neuer Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech. Gemeinsam mit Jan Wörner bildet er die Doppelspitze der Akademie. Der Ingenieur war seit 2017 bereits Vizepräsident der acatech und zuvor Vorstandsmitglied der Daimler AG. Weber folgt auf Reinhard Ploss. Neue Vizepräsidentin wird Ursula Gather (69), langjährige Rektorin der TU Dortmund.

Andreas Kaplan (Jahrgang 1977) wird neuer Präsident der Kühne Logistics University (KLU) in Hamburg. Kaplan tritt im Mai die Nachfolge von Thomas Strothotte an, der Ende 2022 nach zwei Amtszeiten an der KLU ausgeschieden war.

Thomas D. Kühne wird Direktor des Center for Advanced Systems Understanding (CASUS) – dem Institut des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf in Görlitz. Der Experte für Rechnergestützte Wissenschaften wird zum 1. Mai von der Universität Paderborn, an der er derzeit den Lehrstuhl für Theoretische Chemie leitet, nach Görlitz wechseln.

Frauke Melchior (60) wird neue Rektorin der Universität Heidelberg. Melchior ist seit 2021 Mitglied im Vorstand des Forschungszentrums Jülich. Dazu wurde sie von ihrer Professur am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg beurlaubt. Ihr neues Amt wird sie zum 1. Oktober dieses Jahres antreten.

q. e. d.

Screenshot aus einem BMBF-Marketingvideo: Während das Ministerium darin ein #ResearchWonderland skizziert, sehen viele Beschäftigte eher die Schattenseiten des Wissenschaftssystems.

Als bewiesen ist anzusehen, dass dem BMBF das richtige Fingerspitzengefühl in Bezug auf seine Marketingvideos fehlt. Vor ein paar Jahren tänzelte in einem dieser Clips die Comicversion einer Nachwuchsforscherin fröhlich durch ein Video zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) und löste den bis dato größten forschungspolitischen Shitstorm im deutschsprachigen Twitter-Raum aus: #IchbinHanna. Von verstopften Stellen im Wissenschaftssystem war in dem Video die Rede. Ein Generationenkonflikt wurde heraufbeschworen, den nur das WissZeitVG mit seinen projektbasierten Kettenverträgen lösen könne.

Dass das, um sachlich zu bleiben, unglücklich ausgedrückt war, fanden bei Twitter rund 9.000 Personen, die ihren Frust unter dem Hashtag #FrististFrust in über 90.000 Tweets Luft machten – seit Mitte 2021 wohlgemerkt. Das sind die Zahlen der #IchbinHanna-Initiatoren Amrei Bahr, Kristin Eichhorn und Sebastian Kubon, die inzwischen gefragte Gesprächspartner für Medien sowie Buchautoren sind. Besänftigt durch die Reformankündigungen für das WissZeitVG der neuen Koalition, heilte die Wunde langsam. Doch, während der WissZeitVG-Entwurf noch auf sich warten lässt – oder vielleicht gerade deshalb – macht nun der nächste Clip die Runde.

Und zwar in Form einer zweiminütigen Hommage an die Forschungslandschaft in Deutschland. Das BMBF zeigt diesmal das glückselige und sorgenfreie Leben von Nachwuchswissenschaftlern zwischen abenteuerlicher Feldforschung, kooperativer Laborarbeit und sehr vielen alkoholischen Getränken nach Feierabend. “Two Minutes in a research Wonderland” ist ein Video der BMBF-Initiative “Research in Germany – Land of Ideas” aus dem Mai 2022, das die Twitter-Bubble jetzt hochgespült hat.

Es soll wissenschaftliches Fachpersonal nach Deutschland locken. Der Hashtag, unter dem sich diesmal Häme, Spott und Kritik ergießen, ist schon gefunden: Wer #ResearchWonderland sucht, bekommt eine Fülle von ernstgemeinten Gegendarstellungen und kreativen Parodien des Videos zu sehen. Nur der Name der Protagonistin bleibt diesmal im Verborgenen. Obwohl – bei Wonderland denkt man natürlich eher an Alice als an Hanna. Viele Forschende würden sich wünschen, so tief und verlässlich ins Wissenschaftssystem einzutauchen wie Alice in ihr Wunderland. Wären da bloß nicht diese projektbasierten Kettenverträge … Tim Gabel

Research.Table Redaktion

RESEARCH.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    beunruhigende Entwicklungen werden aus Israel berichtet: Führende Vertreter der Wissenschafts-Community befürchten eine zunehmende Kontrolle wissenschaftlicher Einrichtungen durch die Regierung. Forscherinnen und Forscher fühlten sich an die Entwicklungen in Ungarn erinnert, da neben der Wissenschaft auch der öffentlich-rechtliche Rundfunk angegangen wird. Mehr von Markus Weisskopf.

    Was haben die Sozialunternehmerin Zarah Bruhn, der FDP-Bundestagsabgeordnete Till Mansmann und der Parlamentarische Staatssekretär Mario Brandenburg gemeinsam? Alle drei wurden vom BMBF zu Beauftragten ernannt, für: Soziale Innovationen, Wasserstoff und Ausgründungen aus der Wissenschaft. In der Liste der 42 Regierungsbeauftragten tauchen sie nicht auf. Was unterscheidet die Beauftragen? Warum wurden sie eingesetzt? Anne Brüning kennt die Hintergründe.   

    Als die GEW-Aktionskonferenz “Her mit den Dauerstellen!” geplant wurde, gingen die Veranstalter davon aus, dass ein Eckpunktepapier zur Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes (WissZeitVG) bis Ende des Winters fertig ist und diskutiert werden kann. Nun dauern die Gespräche länger. Die Ampelparteien haben Vertraulichkeit vereinbart. Die entscheidenden Knackpunkte und Differenzen mit Blick auf die WissZeitVG-Novelle wurden aber im Laufe der Diskussion sehr deutlich, berichtet Tim Gabel.

    Die Sitzung des Forschungsausschusses zur Fraunhofer-Affäre am gestrigen Mittwoch war nicht-öffentlich. Eigentlich unnötig, fanden nicht wenige Teilnehmer – viel Neues wurde nicht berichtet, erfuhr Table.Media. Was dann doch bekannt wurde, lesen Sie in den News. 

    Wir wünschen Ihnen eine inspirierende Lektüre!

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    Ihre
    Nicola Kuhrt
    Bild von Nicola  Kuhrt

    Analyse

    Die Beauftragten des Forschungsministeriums sind Sonderfälle

    Die Sozialunternehmerin Zarah Bruhn, der FDP-Bundestagsabgeordnete Till Mansmann und der Parlamentarische Staatssekretär Mario Brandenburg wurden vom BMBF zu Beauftragten für ein bestimmtes Thema ernannt. Im Organigramm des Ministeriums sind sie damit weit oben angesiedelt. Ihre Posten haben eine weitere Gemeinsamkeit: Anders als bei Beauftragten der Regierung hat ihre Ernennung keine Entschließung der Bundesregierung als Rechtsgrundlage, sondern war ein ministeriumsinterner Vorgang. Das ist nicht verwerflich, macht aber skeptisch. Noch dazu sind derartige Konstruktionen offenbar auch juristisch bedenkenswert.  

    Um diese drei Posten geht es:

    • Die Beauftragte für Soziale Innovationen Zarah Bruhn wurde am 1. April 2022 ernannt. Sie soll das BMBF dabei unterstützen, “Räume und Vernetzung zu schaffen und die Umsetzung Sozialer Innovationen voranzutreiben”. Bruhn ist Sozialunternehmerin und Mitgründerin des Unternehmens Social-Bee, das sich der nachhaltigen Integration von Geflüchteten in den Arbeitsmarkt verschrieben hat. Die Position im BMBF wurde neu geschaffen, Bruhn hat ein freies Auftragsverhältnis und erhält eine pauschale monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 3.500 Euro.
    • Der Innovationsbeauftragte Grüner Wasserstoff Till Mansmann (FDP) wurde am 10. August 2022 ernannt. Er übernahm von Stefan Kaufmann (CDU), der 2020 das Amt als erster innehatte, als es im Rahmen der Nationalen Wasserstoffstrategie geschaffen wurde. Mansmann ist laut BMBF-Website ständiger Gast des Staatssekretärsausschusses für Wasserstoff und des Nationalen Wasserstoffrates und “verantwortet die Ausrichtung der einschlägigen Forschungs-, Entwicklungs- und Transferaktivitäten des BMBF”. Er erhält eine pauschale monatliche Aufwandsentschädigung in Höhe von 2.000 Euro. Seit 2017 hat er überdies ein Bundestagsmandat.
    • Der Beauftragte für Transfer und Ausgründungen aus der Wissenschaft Mario Brandenburg (FDP) ist im BMBF zugleich Parlamentarischer Staatssekretär. Er arbeitet unter anderem an der Errichtung der Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (Dati) mit und ist aktiv in die Entwicklung einer Start-up-Strategie eingebunden. Sein Vorgänger war Thomas Sattelberger (FDP), der ebenfalls Beauftragter und Parlamentarischer Staatssekretär in Personalunion war. Zusätzliche Bezüge sind mit dem Posten nicht verbunden.

    “Bei den BMBF-Beauftragten handelt es sich um Spezialfälle, die in dieser Häufung in anderen Ministerien nicht zu finden sind”, sagt die Verfassungsrechtlerin Karoline Haake, die sich im Rahmen ihrer Promotion am Lehrstuhl für öffentliches Recht, Völker- und Europarecht der Universität Hannover mit der Rechtsfigur der Beauftragten der Bundesregierung befasst.

    Beauftragte der Regierung basieren häufig auf einem Kabinettsbeschluss

    Beauftragte der Regierung werden entweder auf Basis eines Gesetzes installiert (Beispiele sind die Beauftragte für Migration und der Datenschutz-Beauftragte) oder aufgrund eines Kabinettsbeschlusses beziehungsweise Organisationserlasses. Zurzeit gibt es 42 derart Beauftragte, die zugehörige Liste führt das Innenministerium, so sieht es Paragraf 21 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien vor.

    Die drei BMBF-Posten sind dort nicht aufgeführt. “Sie gehören zu einer anderen Kategorie von Beauftragten. Es sind Beauftragte des Ministeriums, nicht der Regierung. Ihre Ernennung war ein rein intraministerieller Akt, so wie auch die Start-up-Beauftragte Anna Christmann nur Beauftragte des Bundeswirtschaftsministeriums ist”, sagt Thomas Sattelberger, der bis Juni 2022 im BMBF tätig war. Er findet diese Art von Beauftragung nicht problematisch, solange transparent mit dem Unterschied zwischen Regierungs- und Ministeriumsbeauftragten umgegangen wird. “Darauf müssen sowohl die Beauftragten achten als auch Medien und Zivilgesellschaft.”

    Ohne Kabinettsbeschluss geht es schneller

    Sattelberger betrachtet die Beauftragten-Posten als einen “klugen Weg, bestimmte Themen zu treiben”. Eine Beauftragte für Soziale Innovationen zu installieren, sei sein Vorschlag gewesen. “Die intraministerielle Ernennung haben wir gewählt, damit es schnell geht. Erst einen Beschluss des Kabinetts zu erwirken, hätte viel zu lange gedauert.”

    “Bei Themen, die nur ein Ressort betreffen, ist die Ernennung von Beauftragten eine kluge Ad-hoc-Antwort auf zu starre Rahmenbedingungen für Verwaltungsbürokratie und Personalstruktur”, sagt Matthias Graf von Kielmansegg, Geschäftsführer bei der Vodafone-Stiftung in Berlin und ehemaliger Leiter der Abteilung Grundsatzfragen und Strategien im BMBF.

    Grundsätzlich gelte jedoch: “Am besten ist es, wenn ein Ministerium Beauftragte hat, deren Installation aufgrund eines Kabinettsbeschlusses erfolgt.” Das erleichtere in der Folge auch die Kooperation zwischen den Ministerien, sagt von Kielmansegg. “Im Gefüge von Regierungskoalitionen sind diese Kabinettsbeschlüsse aber manchmal schwierig oder langwierig.” Ein Ausweg sei dann, dass ein Ministerium eigenständig einen Beauftragten beruft. “Zugegebenermaßen ist das oft ein Anzeichen für Konflikte zwischen den Ressorts oder den Koalitionspartnern”, sagt von Kielmansegg.

    Die Gefahr der Interessenverquickung

    Mit der Sozialunternehmerin Zarah Bruhn wurde eine Außenstehende ins Ministerium geholt, ohne dass das Kabinett involviert war. “Das ist unüblich, zumal offensichtlich auch kein Arbeitsvertrag geschlossen wurde, sondern nur ein freies Auftragsverhältnis besteht”, sagt Haake. Eine derart lockere Struktur passt aus ihrer Sicht auch nicht zum Demokratiegedanken. “Normalerweise muss alles, was ein Ministerium macht, parlamentarisch kontrollierbar sein. Das scheint mir in diesem Fall nicht gegeben.”

    Sattelberger findet es wichtig, Expertise aus der Wirtschaft in ein Ministerium zu holen. Es werfe auch keine Probleme auf, wenn das Amt mit Compliance-Schulungen kombiniert wird und Auflagen erteilt werden, die eigene Firma und das politische Amt klar auseinanderzuhalten. Dies sei im Fall Bruhn noch viel deutlicher erfolgt als er es aus der Wirtschaft kenne.

    “Den Beauftragten werden besondere Verschwiegenheitspflichten im Hinblick auf die im Rahmen der Beauftragten-Tätigkeit erlangten Informationen auferlegt, über die sie auch nach der Beendigung des Vertragsverhältnisses Stillschweigen zu bewahren haben”, teilt das BMBF dazu auf Anfrage mit. “Ebenso sind Compliance-Vorgaben einzuhalten, was durch Aufklärungsgespräche und Schulungen begleitet wird.”

    Immer mehr Parlamentarier im Ministerium

    Aus juristischer Sicht interessanter findet Karoline Haake die Rolle des Wasserstoffbeauftragten Till Mansmann: “Mit ihm wurde ein Bundestagsabgeordneter ins Ministerium geholt, ohne ihn zum Parlamentarischen Staatssekretär zu machen. Bei anderen Beauftragten geschieht das zwar auch, aber dann entscheidet wenigstens die gesamte Regierung darüber.”

    Problematisch sei daran zweierlei. Zum einen verschwimme in der öffentlichen Wahrnehmung und in der Berichterstattung offenbar der Unterschied zwischen Regierungs- und Ministeriumsbeauftragung. Eine Google-Suche zeigt zumindest, dass Mansmann häufig als Regierungsbeauftragter bezeichnet wird.

    Zum anderen widerspreche es der Idee der parlamentarischen Kontrolle der Regierung, denn es verändert die Balance zwischen Legislative und Exekutive, wenn Parlamentarier zunehmend auch in Ministerien tätig sind. “Zwar sind auch die meisten Minister und Parlamentarischen Staatssekretäre Mitglieder des Bundestags. Aber irgendwo muss eine Grenze sein, sonst wird die Gewaltenteilung ausgehöhlt. Auch wenn es faktisch so ist, dass die Linie der Gewaltenteilung eher zwischen Regierung und Opposition verläuft”, sagt Haake.

    Unbedenklich findet sie die Position des Beauftragten für Transfer und Ausgründungen aus der Wissenschaft von Mario Brandenburg,. zumal offensichtlich keine zusätzlichen Bezüge damit verbunden sind.

    Was zu verbessern wäre

    Für so wichtige Themen wie die Wasserstoffstrategie wäre es gewiss besser, das Amt des Wasserstoffbeauftragten regierungsübergreifend zu gestalten und zum Beispiel beim Kanzleramt anzusiedeln. Das findet auch der frühere Wasserstoffbeauftragte Stefan Kaufmann: “Wenn der Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft mit all ihren Facetten gelingen soll, brauchen wir die maximale Schlagkraft. Die entfaltet sich an zentraler, übergreifender Stelle wirkungsvoller.”

    Vor allem von juristischer Seite besteht zudem der Wunsch nach mehr Transparenz und rechtsstaatlicher Absicherung. “Das Beauftragtenwesen ist generell sehr undurchsichtig. Wünschenswert wäre ein Gesetz, das zum einen regelt, wie die Amtsträger installiert werden und zum anderen grundlegende Vorgaben an ihre öffentliche Kommunikation richtet. Denn Amtsträger sind nicht durch Grundrechte geschützt, sondern im Gegenteil an die Grundrechte gebunden”, sagt der Rechtswissenschaftler Tobias Mast, Senior Researcher am Leibniz-Institut für Medienforschung, Hans-Bredow-Institut, in Hamburg. “Wünschenswert wäre auch, die Posten mit einem Auslaufdatum zu versehen, damit sich die Ämter nicht verselbstständigen.”

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    Wissenschaftsfreiheit in Israel in Gefahr

    Das neue Gebäude der Nationalbibliothek in Jerusalem ist fast bezugsfertig. Währenddessen ist die Unabhängigkeit der Institution gefährdet.

    Die seitens der Regierung Netanjahu geplante Justizreform soll die Kontrollmöglichkeiten des Obersten Gerichts einschränken und die Macht des Parlaments und der Regierung stärken. Richter könnten dann allein von der Regierung eingesetzt werden, anstatt von mehreren Gruppen gemeinsam. Daneben gibt es erste Versuche, wissenschaftliche Einrichtungen zu beeinflussen. Vertreter der wissenschaftlichen Community in Israel fühlen sich an die Entwicklungen in Ungarn erinnert, zumal neben der Wissenschaft ebenfalls der öffentlich-rechtliche Rundfunk angegangen wird. Auch in Ungarn waren Wissenschaft und Medien unter den ersten Leidtragenden der autoritären Regierung Viktor Orbans. 

    Die Wissenschaft ist unter Druck 

    An welchen Punkten sind die wissenschaftlichen Einrichtungen, aber auch einzelne Wissenschaftler besonders betroffen?  

    • Die individuelle Wissenschaftsfreiheit in Israel wurde bislang als relativ robust angesehen – garantiert durch das Oberste Gericht. Doch es gab bereits in der Vergangenheit Versuche, Professoren ruhig zu stellen, die beispielsweise die Besetzung des Westjordanlandes kritisierten. Es wird nun befürchtet, dass derartige Angriffe zunehmen könnten, vor allem wenn die Unterstützung durch das Oberste Gericht schwindet
    • Die Unabhängigkeit der Institutionen scheint in Gefahr. In letzter Minute konnte der Versuch des Bildungsministers Yoav Kisch abgewendet werden, die Kontrolle über die Nationalbibliothek zu erlangen. Diese wurde erst vor etwa 15 Jahren, untermauert durch ein eigenes Gesetz, aus der Hebräischen Universität ausgegründet und damit unabhängig. Aber auch an anderen Stellen gibt es Befürchtungen: Yuval Shany, Professor für Völkerrecht an der Hebräischen Universität in Jerusalem und Senior Fellow am Israel Democracy Institute, berichtet von Bestrebungen, das Council for Higher Education stärker zu kontrollieren. Das Gremium entscheidet unter anderem über die Budgets der Hochschulen. 
    • David Harel, Präsident der israelischen Akademie der Wissenschaften fürchtet einen negativen Einfluss auf internationale Forschungskooperationen: “Wissenschaftler im Ausland werden es sich zweimal überlegen, ob sie mit israelischen Wissenschaftlern zusammenarbeiten, da die Situation hier chaotisch und undemokratisch sein wird”, sagte er der Times Higher Education
    • Nicht zuletzt gibt es große Sorgen über einen Braindrain. Viele israelische Wissenschaftler haben gute Verbindungen ins Ausland. Sie haben dort ihren PhD gemacht oder ihre Postdoc-Phase absolviert. Die meisten zieht es dann zurück nach Israel, in ein bisher liberales und pulsierendes Land. Doch nun haben einige bereits angekündigt, das Land zu verlassen. Auch der Historiker Yuval Noah Harari soll diesen Schritt überlegen. 

    Die Scientific Community wehrt sich 

    Meron Mendel, Direktor der Bildungsstätte Anne Frank in Frankfurt, sieht die Wissenschaftscommunity als ein Herzstück des Widerstands. Es gebe an den Universitäten viele Proteste, die durch die Leitungen unterstützt werden. Mendel betont, dass alle Universitäten einen offenen Brief unterschrieben haben, der sich gegen die geplante Reform wendet – auch die religiös orientierte Bar-Ilan Universität und die in den besetzten Gebieten liegende Ariel Universität.   

    Doch Yuval Shany beobachtet, dass es natürlich auch in der Wissenschaft Gruppen gibt, die die Justizreform unterstützen. Daher sei es zum Beispiel noch nicht zu einer offenen institutionellen Beteiligung an Streiks oder Ähnlichem gekommen. Bei den Protesten werde eine Teilnahme und damit Abwesenheit der Studierenden aktiv geduldet, aber es gebe keinen offiziellen Aufruf zum Protest durch die Institutionen. 

    Netanjahu bei Scholz und Steinmeier 

    Eine Gelegenheit, von deutscher Seite aus Bedenken gegenüber der Justizreform und bezüglich der Wissenschaftsfreiheit zu äußern, haben Bundeskanzler Scholz und Bundespräsident Steinmeier am heutigen Donnerstag. Premier Benjamin Netanjahu wird dann in Berlin erwartet. Am vergangenen Freitag hatte sich Steinmeier bei einem Empfang zum 50. Geburtstag der Universität Haifa besorgt über den “geplanten Umbau des Rechtsstaats” gezeigt. 

    Wie eine internationale Unterstützung aussehen kann

    Für Meron Mendel gibt es in dieser Frage keine neutrale Position. Die deutsche Regierung müsse klar Haltung beziehen. Sanfter Druck auf die eigene Politik sollte seitens der Wissenschaft kommen. Schließlich seien potenziell viele der deutsch-israelischen Forschungskooperationen betroffen. Er selbst hat einen offenen Brief aufgesetzt, den bereits viele deutsche Wissenschaftler unterschrieben haben.  

    Günter M. Ziegler, Präsident der Freien Universität Berlin, gibt zu bedenken, dass es auch sinnvoll sein könnte, sich international abzustimmen und nicht nur national zu agieren. Yuval Shany jedenfalls wünscht sich internationale Solidaritätsbekundungen, aber auch Appelle, wie die von Wirtschaftswissenschaftlern, die auf die große Bedeutung von Forschung und Entwicklung für die israelische Wirtschaft hinweisen. Der Regierung müsse klar werden, dass “sie damit die Gans bedrohe, die die goldenen Eier legt”.   


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    • Wissenschaftsfreiheit

    WissZeitVG: Dauerbaustelle statt Dauerstellen

    Auf der GEW-Aktionskonferenz “Her mit den Dauerstellen!” zu Arbeitnehmerrechten im Wissenschaftsbetrieb haben die Ampelparteien am Mittwoch Eckpunkte zur Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) diskutiert und dabei auch offen über noch vorhandene Differenzen der Regierungsparteien gesprochen. Die geladenen Oppositionspolitiker wurden zu Nebendarstellern. Ursprünglich war die Konferenz als Plattform für den Austausch über den fertigen Referentenentwurf des BMBF gedacht.

    “Als wir die Veranstaltung geplant haben, hieß es, dass bis Ende des Winters ein Eckpunktepapier und ein BMBF-Referentenentwurf fertig sein sollen. Wir sind davon ausgegangen, dass die Verhandlungen abgeschlossen sind und wir mit allen Beteiligten die Reformvorschläge diskutieren können”, sagt Andreas Keller, Leiter des Vorstandsbereichs Hochschule und Forschung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) gegenüber Table.Media. Die GEW hatte dementsprechend auch ihre Einladung verfasst.

    Gesetzesentwurf vor der Sommerpause unwahrscheinlich

    Schon im Vorfeld der Veranstaltung hatte es Anzeichen gegeben, dass sich die Reformvorschläge der Regierung verzögern. Auf der Konferenz selbst bestätigten am Mittwoch der Parlamentarische Staatssekretär Jens Brandenburg und die Berichterstatter der Ampelparteien, dass die Gespräche noch andauern und nach übereinstimmenden Informationen möglichst im Laufe des heutigen Donnerstages zu einem Abschluss kommen sollen.

    Ein Eckpunktepapier wird in den kommenden Tagen erwartet, ein Referentenentwurf des BMBF soll kurze Zeit später folgen, sagte Jens Brandenburg. Dass die Koalition wie ursprünglich geplant einen Gesetzesentwurf noch vor der Sommerpause ins Parlament einbringt, gilt dagegen inzwischen als unwahrscheinlich. “Wir bereiten uns eher auf einen heißen Herbst vor”, sagte Andreas Keller auf der Veranstaltung.

    FDP: Andere Ministerien sind weniger offen für Argumente

    “Das BMBF hat unseren Koalitionspartnern viel Offenheit für ihre Argumente entgegengebracht. Das finde ich löblich und unterscheidet sich von der Handhabung anderer Ministerien”, sagte der FDP-Berichterstatter Stephan Seiter auf Anfrage. Auf der Veranstaltung selbst, an der auch Seiter teilnahm, sprachen die Vertreter der Ampelparteien dann auch von konstruktiven und an der Sache orientierten Gesprächen. Die Veranstaltung komme trotzdem zum richtigen Zeitpunkt, weil das verhindere, dass das Thema WissZeitVG noch wochen- oder monatelang verschleppt wird, meinte Gastgeber Andreas Keller.

    Einigkeit bei Grünen und SPD, abweichende Positionen bei FDP

    Im Laufe der Diskussion wurden die entscheidenden Knackpunkte und Differenzen mit Bezug auf die WissZeitVG-Novelle aber auch ohne das Eckpunktepapier sehr deutlich. Und das, obwohl Jens Brandenburg am Vormittag noch von einer “Vertraulichkeitsvereinbarung” gesprochen hatte. Während Grüne und SPD sich in vielen Punkten weitgehend einig sind, vertritt die FDP bei manchen Sachverhalten noch weitgehend andere Positionen. Das sind die zentralen Punkte des WissZeitVG und die Positionen der Parteien:

    • Mindestvertragslaufzeiten: Bei der Frage nach den Vertragslaufzeiten von Doktoranden liegen die Positionen der Ampelparteien relativ eng zusammen. Alle Ampelparteien sprachen sich für neue Mindestvertragslaufzeiten aus. Während die FDP drei Jahre Mindestvertragslaufzeit für Doktoranden vorsieht, treten SPD und Grüne für vier Jahre ein – entsprechend der Position der GEW. Laura Kraft (Grüne) und Carolin Wagner (SPD) zeigten sich allerdings kompromissbereit, sollten dafür andere Rahmenbedingungen stimmen: “Wir hätten gerne vier Jahre. Das Wichtige in der Promotionsphase ist aber letzten Endes, dass ich mindestens 50 Prozent der Zeit auch wirklich für die Promotion aufwenden kann“, sagte die SPD-Politikerin. Dann würde sich auch die Zeit, die aktuell im Durchschnitt für eine Promotion gebraucht wird (derzeit im Schnitt 4,7 Jahre) verkürzen. Die Linke vertreten durch Petra Sitte fordert sechs Jahre Mindestvertragslaufzeit für Doktoranden. Lars Rohwer von der Union konnte sich “mit der Range der Ampelparteien” anfreunden.

    Knackpunkt ist der Qualifizierungsbegriff

    • Definition des Qualifizierungsbegriffs: An dieser Stelle gibt es den vielleicht deutlichsten Gesprächsbedarf zwischen den Ampelparteien. Die FDP möchte den Qualifizierungsbegriff im WissZeitVG “nicht zu eng” fassen, um – nach Aussage von Stephan Seiter – neben den Hochschulen auch anderen Institutionen Rechnung zu tragen. Dagegen wollen SPD und Grüne möglichst eine klare Definition des Qualifizierungsbegriffs. Nur die Promotion wäre laut Carolin Wagner und Laura Kraft ein adäquates Qualifizierungsziel. Lediglich für einige künstlerische Fachdisziplinen müsste dies gesondert geregelt werden.

    Post-Doc: Frühere Zusage zu unbefristeten Stellen

    • Höchstbefristungsdauer in der Post-Doc-Phase: Mit einer reinen Verkürzung der Höchstbefristungen in der Post-Doc-Phase von derzeit sechs auf zum Beispiel vier Jahre, wie es etwa die Hochschulrektorenkonferenz vorgeschlagen hatte, sind Grüne und SPD nicht einverstanden. “Es muss eine verlässliche Entfristungsperspektive geben”, sagte Laura Kraft. Bei der Post-Doc-Phase sei der Casus knacksus, dass man hier früher als jetzt die Zusage bekommen muss, “dass es nach einer überschaubaren Zeit eine langfristige Stelle gibt”, so Wagner. Sonst werde es auch schwierig mit anderen Jobs und der Familienplanung. Die Post-Doc-Phase solle nur der Orientierung dienen und anschließend in unbefristete Karrierepfade wie ein Tenure-Track-Verfahren oder eine Daueranstellung neben der Professur übergehen. Aus Sicht von Stephan Seiter (FDP) ist aber auch “die Post-Doc-Phase noch eine Qualifizierungsphase”. Die FDP könnte demnach wohl mit dem Vorschlag der HRK leben.

    Brandenburg: Auch Länder mit in die Verantwortung nehmen

    • Tenure-Track-Verfahren: Grundlegende Einigkeit bestand bei den Ampelparteien darüber, dass Tenure-Track ein probates Mittel ist, um dem wissenschaftlichen Nachwuchs eine verlässliche berufliche Perspektive zu bieten. Der Bund hatte gemeinsam mit den Ländern 2016 ein Nachwuchsprogramm mit 1.000 Tenure-Track-Professuren gestartet. Tenure-Track könnte Verhandlungsmasse für einen Kompromiss sein. Konkrete Vorgaben des Bundes müssten die Länder umsetzen. Staatssekretär Jens Brandenburg wies darauf am Vormittag hin: “Insgesamt können wir mit dem WissZeitVG einen Beitrag für mehr Verlässlichkeit im Wissenschaftssystem leisten, aber wir können als Bund damit auch nicht alle Probleme lösen.”.

    Weitere Themen wie die Aufhebung der Tarifsperre, der Nachteilsausgleich und die Situationen von studentischen Beschäftigten wurden in der Diskussion gestreift. In den Details sind die Regierungsparteien auch dort noch nicht in allen Punkten auf einer Linie. Als Gastgeber gab GEW-Vize Andreas Keller den Ampelparteien mit auf den Weg, dass sie die Geduld der Beschäftigten im Wissenschaftssystem mit einer “radikalen Novelle” belohnen sollten, die einen “Systemschock” auslöst: “Zu Ostern wollen wir eine Reform im Körbchen finden und kein Reförmchen.”

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    Thomas F. Hofmann: “Proaktive Förderkultur muss gelebt werden”

    Thomas F. Hoffmann, Präsident der TUM
    TUM-Präsident Thomas F. Hofmann.

    Die Bundesregierung erntet aktuell viel Kritik für ihre Zukunftsstrategie, die EFI moniert die Pläne für die Dati und die immer noch nicht entfesselte Agentur für Sprunginnovationen. Alle wollen mehr und schnelleren Transfer. Die Vorstellungen darüber, was es braucht, um Deutschland endlich deutlich innovativer zu machen, gehen weit auseinander. An der Technischen Universität München (TUM), seit Jahren die erfolgreiche deutsche Ausnahme- und Vorzeigeuniversität, bleibt man entspannt. “Ich würde nicht ganz so schwarzsehen”, sagt TUM-Präsident Thomas F. Hofmann. Man sei in Deutschland im Bereich der Grundlagenforschung gut aufgestellt und brauche sich nicht hinter den Akteuren in den USA oder Asien zu verstecken.

    Proaktive Start-up-Förderung

    “Aber wir sind einfach zu langsam, wenn es darum geht, die neuen Erkenntnisse und Technologien, die wir in den Labors und Werkstätten entwickeln, dann auch wirklich in marktorientierte Innovationsprozesse und die wirtschaftliche Nutzung einzuspeisen”, sagt Hofmann. Hier fehle es in der deutschen Wissenschaft noch zu häufig an der richtigen Geisteshaltung, dass es neben exzellenter Forschung und Lehre eben auch auf den Transfer in Wirtschaft und Gesellschaft entscheidend ankommt.

    “Die aktuelle Krisensituation muss uns ein Weckruf sein, alte Zöpfe abzuschneiden und über bisherige Denkgrenzen hinweg zu handeln”, findet der Uni-Präsident. Viele Universitäten hätten das Thema Ausgründungen noch nicht im Fokus. Die proaktive Förderung einer Start-up-Gründungskultur müsse von der Hochschulleitung gewollt und in der Universität vorgelebt werden.

    In den USA wird proaktiver und früher investiert

    Ein weiterer Hemmschuh in der deutschen Gründerlandschaft sei die nach wie vor sehr zurückhaltende, ja risikoscheue Investorenkultur. “Da unterscheiden wir uns immer noch dimensional von den USA – dort wird viel frühzeitiger in potenzialreiche Ideen investiert, ohne zu wissen, ob diese am Ende wirklich zünden.” Deutschland sei zögerlicher, größere Investments kämen erst in einer wesentlich späteren Entwicklungsphase. Dies gepaart mit einer vergleichsweise fragmentierten Marktstruktur in Europa mache die deutsche Wissenschaft leider langsam.

    Statt Dati: International ausgerichtete Innovationszentren

    Es brauche zwei weitere Dinge, um Start-ups zu befeuern, sagt Hofmann. Das eine sei Geschwindigkeit, das andere eine Kräftebündelung und der Aufbau von innovationsfördernden Ökosystemen – und eben nicht die Verteilung per Gießkannenprinzip. “So braucht es keine Agenturen, die in gesonderter Weise Hochschulen für angewandte Wissenschaften und kleinere Universitäten bei der Start-up-Förderung unterstützen sollen”, argumentiert der TUM-Chef entgegen den Plänen für die Dati. Es brauche wenige, aber wirklich kraftvolle, international ausgerichtete Innovationszentren, die aber Anschlussfähigkeit für Hochschulen für angewandte Wissenschaften bieten. Dazu bräuchte man vor allen Dingen Steuervergünstigungen für Privatpersonen, die in Start-ups investieren. In den USA gebe es das.

    Die größte Hürde in Deutschland ist, dass viele noch nicht begriffen haben, dass jetzt wirklich eine Veränderung notwendig ist”, sagt Hofmann. “Viele meinen, es geht ohnehin immer so weiter, Deutschland ging es ja immer gut und der Wohlstand, den wir heute haben, wird automatisch in die Zukunft vererbt. Das ist ein Irrglaube!” Die Schaffung zukunftsfähiger Innovation setze vor allem erst einmal eine geistige Transformation voraus. Deutschland brauche keine Besitzstandswahrer, sondern Mitarbeitende, die mit Mut, einem gesunden Risikobewusstsein und Verantwortungsgefühl dem Neuen eine Chance geben.

    Der Wunsch Hofmanns wird zum Appell, alle miteinander müssten gedankliche Hürden überwinden. “Ich glaube, unsere größten Herausforderungen sind nicht fehlende wissenschaftliche Stärke oder ein Mangel an Nachwuchstalenten, sondern dass wir den Mut und die Risikobereitschaft aufbringen, jenseits unserer Komfortzone neue Wege zu gehen. Und dass wir es wirklich schaffen, das Korsett der Überregulierung abzustreifen, um uns neue Beweglichkeit zu geben. Wir selbst haben es in der Hand.”

    Das ganze Interview lesen Sie in “Was jetzt, Forschung?”. Die Publikation enthält Impulse aus den Gesprächen u. a. mit Jan Wörner (Acatech), Martina Brockmeier (Leibniz-Gemeinschaft), Rafael Laguna de la Vera (Sprind), Volker Meyer-Guckel (Stifterverband), Georg Schütte (VolkswagenStiftung), Otmar D. Wiestler (Helmholtz-Gemeinschaft) und Walter Rosenthal (Uni Jena). Den kostenlosen Reader erhalten Sie hier.    

    • DATI
    • Sprind
    • TUM

    Termine

    22. März, 18:00 Uhr, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften, Berlin/online
    Forum Bioethik “Patientenorientierte Datennutzung” Mehr

    28. März 2023, Berlin und online
    Forschungsgipfel 2023 Blockaden lösen, Chancen nutzen – Ein Innovationssystem für die Transformation Mehr

    4. April 2023, 9:30 Uhr, Hotel Hilton, Berlin
    Vortrags- und Diskussionsveranstaltung sowie Delegiertenversammlung 73. DHV-Tag “Wissenschaft und Politik: Zu viel Nähe, zu wenig Distanz – oder umgekehrt?” Mehr

    5. April 2023, 18:30 Uhr, online
    Live-Talk Futures Lounge der Initiative D2030: Die “Zukunftsstrategie” der Bundesregierung: Melange oder Transformationspfad? Zwei Sichtweisen Mehr

    3. Mai 2023, 10:00-18:30 Uhr, Alte Münze, Berlin
    Festival InnoNation Festival des Bundesverbands der Deutschen Industrie Mehr

    News

    Von der Leyen will F&E-Ausgaben erhöhen

    EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen stellt Unternehmen weniger Bürokratie in Aussicht. “Wir werden bis zum Herbst konkrete Vorschläge vorlegen, um Berichtspflichten zu vereinfachen und um 25 Prozent zu reduzieren“, sagte sie vor dem Europaparlament. Insbesondere Mittelständler litten meist nicht unter einzelnen Nachweispflichten, sondern unter der “Riesensumme des Ganzen”.

    Die Generaldirektionen der Kommission sind bereits angewiesen, in ihren Themenbereichen nach entbehrlichen Vorgaben auf EU-Ebene zu suchen. Das angegebene Ziel zu erreichen, werde nicht einfach, so von der Leyen, “aber dieser Anstrengung müssen wir uns unterziehen”.

    Die Initiative ist Teil der Wettbewerbsfähigkeitsstrategie, die die Kommission heute vorlegen will. Von der Leyen kündigte an, gemeinsam mit der schwedischen Ratspräsidentschaft den Staats- und Regierungschefs vorzuschlagen, das europäische Ziel für die Ausgaben für Forschung und Entwicklung zu erhöhen. Um wie viel lässt die Kommission noch offen.

    Die EU hatte bereits 2002 ausgegeben, drei Prozent der Wirtschaftsleistung für F&E auszugeben. Die Fortschritte dorthin seien aber “sehr sehr langsam”, räumte von der Leyen ein. Der Anteil Europas an den F&E-Ausgaben weltweit sei in den vergangenen 20 Jahren überdies von 41 auf 31 Prozent gesunken. Daher müsse man analysieren, wie Europa besser werden könne.

    Die Kommission legt heute eine Reihe von Vorschlägen vor, darunter den Net-Zero Industrial Act und den Critical Raw Materials Act. Teil des Pakets ist auch eine Mitteilung zur Weiterentwicklung des Binnenmarktes, die Table.Media bereits vorliegt. Das Papier enthält aber kaum neue Ansätze. “Wie so oft besteht die Mitteilung der Kommission aus warmen Worten und wenigen konkreten Lösungsvorschlägen”, kritisierte Markus Ferber, der Koordinator der EVP-Fraktion im Wirtschaftsausschuss des Europaparlaments. tho

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    Exzellenzcluster in Österreich bekannt gegeben

    Im Jahr 2021 startete Österreichs Exzellenzinitiative “excellent=austria”. Mit der Bekanntgabe der Förderung von fünf Exzellenzclustern wurde am Montag ein erster Meilenstein erreicht. Seitens des Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung (FWF) sowie der beteiligten Forschungsstätten steht ein Investitionsvolumen von 135 Millionen Euro zur Verfügung, um die Cluster für die ersten fünf Jahre der geplanten zehnjährigen Laufzeit zu finanzieren. Ziel sei unter anderem, “die Sichtbarkeit unserer Spitzenforschung international weiter zu stärken”, sagte der österreichische Wissenschaftsminister Martin Polaschek

    Gefördert werden Projekte zur Energiespeicherung, Quantentechnologien, globaler Gesundheit, Zukunft des Wissens sowie zum kulturellen Erbe Eurasiens. Kriterien für die Förderung waren neben der Qualität der Forschung auch die Nachwuchsförderung oder der Transfer in Wirtschaft und Gesellschaft. Ausgewählt wurden die fünf Exzellenzcluster durch das wissenschaftliche Kuratorium des FWF auf Empfehlung einer internationalen Jury. Diese beurteilte das Innovationspotenzial und die wissenschaftliche Exzellenz auf der Basis weltweiter Peer-Reviews. FWF-Präsident Christof Gattringer zeigte sich beeindruckt von der “Qualität und dem Pioniercharakter aller Einreichungen”. 

    Weitere Elemente der österreichischen Exzellenzinitiative sind die “Emerging Fields”, eine Förderschiene, die Grundlagenforschung in Forschungsfeldern mit besonders hohem Zukunftspotenzial intensiviert. Mit einem dritten Element, den “Austria Chairs of Excellence”, sollen international führende Forschende nach Österreich geholt werden. mw 

    • Exzellenzstrategie
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    Förderung der Endometriose-Forschung lässt auf sich warten

    In einem Maßgabebeschluss des Haushaltsausschusses vom Oktober 2022 wird das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) aufgefordert, für die nächsten fünf Jahre eine neue Förderlinie zum Thema Frauengesundheit und insbesondere zur Erforschung der Erkrankung Endometriose aufzulegen. Für 2023 sollen dafür fünf Millionen Euro fließen und ab 2024 mindestens fünf Millionen Euro. Bisher passierte – nichts. Ein Sprecher des BMBF teilte gegenüber Table.Media jedoch mit, dass eine Förderrichtlinie noch in diesem Jahr kommen solle.  

    Aus der Forschungscommunity wurden anscheinend Personen für ein erstes Treffen angefragt. Auf diesem soll zunächst über die Ausschreibung der Förderrichtlinie beraten werden. Akteure wie die Selbsthilfeorganisation “Endometriose-Vereinigung” sind nicht in diesen Prozess eingebunden.  

    Heidi Reichinnek, frauenpolitische Sprecherin der Linken, bemängelt die Tatenlosigkeit des BMBF., Man habe deshalb einen Antrag eingebracht, der unter anderem fordert, dass schnellstmöglich eine Strategie aufgelegt wird, wie das Geld verwendet werden soll, um die Ursachen und Therapiemöglichkeiten zu erforschen. Auch die Union drängt darauf, es nicht nur bei einer einzelnen Förderrichtlinie zu belassen. In ihrem Antrag fordert sie die Formulierung einer Strategie gegen Endometriose, die Stärkung der bestehenden Forschungszentren und eine Kommunikationsoffensive zu dieser noch relativ unbekannten Krankheit, die aber wohl jede zehnte Frau betrifft. Am 29. März ist dazu eine öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss angesetzt. mw

    • BMBF
    • Forschung

    Fraunhofer: BMBF unterstreicht Aufklärungswillen

    Im nicht-öffentlichen Teil der Sitzung des Forschungsausschusses hat das BMBF seinen Aufklärungswillen in der Fraunhofer-Affäre wiederholt erklärt. Table.Media wurde zudem berichtet, dass es bislang kein persönliches Gespräch zwischen Ministerin Stark-Watzinger und dem in der Kritik stehenden Fraunhofer-Präsidenten Reimund Neugebauer gegeben habe. Seit zwei Wochen drängt das Ministerium auf einen Personalwechsel an der Spitze der Fraunhofer-Gesellschaft, der bislang aber ausblieb.

    Ein kritischer Prüfbericht des Bundesrechnungshofs (BRH), der mit einem deutlichen Maßnahmenbescheid aus dem Haushaltsausschuss in Richtung Forschungsministerium beendet wurde, hatte die Diskussionen um die Fraunhofer-Spitze zusätzlich befeuert. Deutliche Worte der Ministerin hatten bisher bei Fraunhofer aber keine Konsequenzen. “Die Vorwürfe wiegen schwer”, hatte Bettina Stark-Watzinger in Bezug auf Anschuldigungen der Steuergeldverschwendung gegen die Fraunhofer-Gesellschaft und deren Vorstand noch Anfang März erklärt.

    Neben dem schnellstmöglichen personellen Neustart im Vorstand müsse es jetzt darum gehen, dass sich die Verstöße nicht wiederholen und die Fraunhofer-Gesellschaft schnell zu einer modernen Governance und tragfähigen Compliance-Standards komme. “Sonst besteht die Gefahr, dass das Vertrauen in und das Ansehen der deutschen Forschung insgesamt beschädigt wird.” Zur Ausarbeitung konkreter Vorschläge werde sich das Bundesforschungsministerium auch extern beraten lassen und sich darüber mit dem Senat der FhG und den Ländern austauschen. Diese Aussage hat die Forschungsministerin am Mittwoch wiederholt. Seit Mittwoch ist auch der Prüfbericht des Rechnungshofs öffentlich und kann auf der BRH-Seite heruntergeladen werden. nik

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    • Fraunhofer

    Presseschau

    The Guardian – Keep scientists in the research room and out of politics. In den Lockdown-Files finden sich abfällige Kommentare des britischen Gesundheitsministers Matt Hancock und seiner Sonderberater gegenüber wissenschaftlichen Beratern in der Pandemie. In ihrem Gastbeitrag erklärt die Direktorin des britischen Science Media Center, Fiona Fox, weshalb Wissenschaft und Politik aus ihrer Sicht getrennt bleiben sollten. Der Wunsch der Politik, mit einer klaren und kohärenten Botschaft nach außen zu treten, kollidiere mit einer Wissenschaft, die messy, unsicher und unfertig ist. Mehr

    FAZ – Machtmissbrauch an Unis. Die MeToo-Debatte hat die deutsche Wissenschaft erreicht. Die Aufklärung von Fällen ist zäh, weil Abhängigkeiten systemimmanent sind. In der Welt der Wissenschaft gibt es instituts- und universitätsübergreifend langjährige Arbeitsbeziehungen und Schweigekartelle von Professoren aus derselben Fachrichtung. Ombudsleute hätten zu wenig Macht und der Hochschulleitung sei der Ruf oft wichtiger als die Aufklärung. Mehr

    Science – Gene-editing summit touts sickle cell success, while questions on embryo editing linger. Auf dem Gene-editing summit in London standen Licht und Schatten des Geneditors Crispr im Fokus. Star war eine Patientin, deren Sichelzellanämie erfolgreich therapiert wurde. Die Methode ist erfolgreich getestet und könnte schon 2023 in den USA zugelassen werden. Doch der Schatten ist nicht weit: Die meisten Patienten leben in Nigeria, der Demokratischen Republik Kongo und Indien. Diese können sich die Therapie – im Schnitt eine Million Dollar pro Person – nicht leisten. Mehr

    Heads

    Johan Rockström – Erklärer und Warner zu “planetaren Grenzen”

    Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Professor an der Universität Potsdam und Stockholm University: Johan Rockström.

    Johan Rockström glaubt, dass Klimafrustration auch positiv sein kann: Das zögerliche Vorgehen von Politikerinnen und Politikern könne deren Kritiker zu Aktionen motivieren, sagt er. Ein Beispiel dafür ist für ihn die Fridays for Future-Bewegung, die für den 3. März wieder einmal zum globalen Klimastreik aufgerufen hatte.

    Von Beginn an ist “Listen to the Science” – hört auf die Wissenschaft – einer der zentralen FFF-Schlachtrufe. Und Rockström ist eine der wichtigsten Stimmen der Klimawissenschaft. Er liefert Analysen und Daten; er hat das Modell zu den planetaren Grenzen entwickelt und den Klimawandel und andere Bedrohungen damit fassbar gemacht. Um seine Erkenntnisse in die Welt zu tragen, spricht er mit Schülerinnen und Schülern genauso wie mit CEOs und Ministerinnen.

    Rockström ist ein ruhiger Mensch. Und wenn er am Weltwirtschaftsforum in Davos teilnimmt, hat er immer seine Langlaufski dabei. Vor dem Start der zahlreichen Treffen und Veranstaltungen genieße er früh am Morgen die “kleinen ruhigen Momente in der Natur”, sagt er. Auch ihretwegen ist er gerne in dem Ort in der Schweiz.

    Der schwedische Wissenschaftler ist seit 2018 einer der beiden Direktoren des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung. Zuvor gründete er das Stockholm Resilience Center und war Executive Director am Stockholm Environment Institute. Sein wissenschaftliches Portfolio reicht von Land- und Wassermanagement bis hin zu globaler Nachhaltigkeit. Neben seiner Forschung unterrichtet er an der Universität Potsdam und der Universität Stockholm. Obwohl er bereits über 200 wissenschaftliche Berichte und Studien veröffentlicht hat, freut er sich jedes Mal über eine neue Publikation, sagt Rockström. “Ich bin ein Wissenschafts-Nerd und mir macht es Spaß, ein Akademiker zu sein.” Das sei ein wichtiger Antrieb für seine Arbeit.

    Exzellenter Klima-Kommunikator

    Rockströms zweiter Hauptantrieb erwächst aus seinem Verantwortungsbewusstsein und dem Gefühl, privilegiert zu sein. Aufgrund seiner Expertise spricht er regelmäßig mit Entscheidern aus der ganzen Welt. Vor der COP27 habe er beispielsweise mit John Kerry, dem Sondergesandten des US-Präsidenten für das Klima telefoniert.

    Rockström ist ein exzellenter Kommunikator. Auf den Klimakonferenzen hält er zahlreiche Vorträge, es gibt drei Ted-Talks von ihm. Auch auf Netflix ist Rockström zu finden. In der Dokumentation “Breaking Boundaries” gibt er neben dem Naturfilmer David Attenborough einen Einblick in die ökologischen Belastungsgrenzen der Erde und zeigt Lösungen auf, im Rahmen der planetaren Grenzen zu verbleiben. Der Dreh der Dokumentation sei eine positive, aber auch sehr herausfordernde Erfahrung gewesen, erzählt der Wissenschaftler. Um einen Satz für den Film zu produzieren, seien bis zu 40 Takes aufgenommen worden. Das gesamte Werk aus dem Jahr 2021 habe er sich erst vor kurzem bei einem Event in Berlin angesehen. “Ich mag es nicht, mich auf dem Bildschirm zu sehen, aber ich denke, das ist normal.”

    Kipppunkte sorgen Rockström

    Der 57-Jährige wünscht sich, dass Politiker die Klimakrise endlich ernst nehmen. Dabei müsse auch kommuniziert werden, dass es viele Werkzeuge gibt, um die Klimaherausforderungen zu bewältigen. Rockström selbst sagt von sich, dass er oft frustriert sei. Vor allem, weil die Forschungen von ihm und seinem Team zeigten, dass die Welt immer näher an sogenannte Kipppunkte komme. Diese Kipppunkte markieren Zustände in der Natur und im Klima, bei deren Überschreitung irreversibler Schaden entsteht. Er sei auch eher ein ungeduldiger Typ. “Ich bleibe nicht passiv sitzen, ich möchte die Dinge angehen und Lösungen finden.” Auch das ist etwas, was ihn antreibt. Kim Fischer

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    Personalien

    Thomas Weber (68) wird neuer Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften acatech. Gemeinsam mit Jan Wörner bildet er die Doppelspitze der Akademie. Der Ingenieur war seit 2017 bereits Vizepräsident der acatech und zuvor Vorstandsmitglied der Daimler AG. Weber folgt auf Reinhard Ploss. Neue Vizepräsidentin wird Ursula Gather (69), langjährige Rektorin der TU Dortmund.

    Andreas Kaplan (Jahrgang 1977) wird neuer Präsident der Kühne Logistics University (KLU) in Hamburg. Kaplan tritt im Mai die Nachfolge von Thomas Strothotte an, der Ende 2022 nach zwei Amtszeiten an der KLU ausgeschieden war.

    Thomas D. Kühne wird Direktor des Center for Advanced Systems Understanding (CASUS) – dem Institut des Helmholtz-Zentrums Dresden-Rossendorf in Görlitz. Der Experte für Rechnergestützte Wissenschaften wird zum 1. Mai von der Universität Paderborn, an der er derzeit den Lehrstuhl für Theoretische Chemie leitet, nach Görlitz wechseln.

    Frauke Melchior (60) wird neue Rektorin der Universität Heidelberg. Melchior ist seit 2021 Mitglied im Vorstand des Forschungszentrums Jülich. Dazu wurde sie von ihrer Professur am Zentrum für Molekulare Biologie der Universität Heidelberg beurlaubt. Ihr neues Amt wird sie zum 1. Oktober dieses Jahres antreten.

    q. e. d.

    Screenshot aus einem BMBF-Marketingvideo: Während das Ministerium darin ein #ResearchWonderland skizziert, sehen viele Beschäftigte eher die Schattenseiten des Wissenschaftssystems.

    Als bewiesen ist anzusehen, dass dem BMBF das richtige Fingerspitzengefühl in Bezug auf seine Marketingvideos fehlt. Vor ein paar Jahren tänzelte in einem dieser Clips die Comicversion einer Nachwuchsforscherin fröhlich durch ein Video zum Wissenschaftszeitvertragsgesetz (WissZeitVG) und löste den bis dato größten forschungspolitischen Shitstorm im deutschsprachigen Twitter-Raum aus: #IchbinHanna. Von verstopften Stellen im Wissenschaftssystem war in dem Video die Rede. Ein Generationenkonflikt wurde heraufbeschworen, den nur das WissZeitVG mit seinen projektbasierten Kettenverträgen lösen könne.

    Dass das, um sachlich zu bleiben, unglücklich ausgedrückt war, fanden bei Twitter rund 9.000 Personen, die ihren Frust unter dem Hashtag #FrististFrust in über 90.000 Tweets Luft machten – seit Mitte 2021 wohlgemerkt. Das sind die Zahlen der #IchbinHanna-Initiatoren Amrei Bahr, Kristin Eichhorn und Sebastian Kubon, die inzwischen gefragte Gesprächspartner für Medien sowie Buchautoren sind. Besänftigt durch die Reformankündigungen für das WissZeitVG der neuen Koalition, heilte die Wunde langsam. Doch, während der WissZeitVG-Entwurf noch auf sich warten lässt – oder vielleicht gerade deshalb – macht nun der nächste Clip die Runde.

    Und zwar in Form einer zweiminütigen Hommage an die Forschungslandschaft in Deutschland. Das BMBF zeigt diesmal das glückselige und sorgenfreie Leben von Nachwuchswissenschaftlern zwischen abenteuerlicher Feldforschung, kooperativer Laborarbeit und sehr vielen alkoholischen Getränken nach Feierabend. “Two Minutes in a research Wonderland” ist ein Video der BMBF-Initiative “Research in Germany – Land of Ideas” aus dem Mai 2022, das die Twitter-Bubble jetzt hochgespült hat.

    Es soll wissenschaftliches Fachpersonal nach Deutschland locken. Der Hashtag, unter dem sich diesmal Häme, Spott und Kritik ergießen, ist schon gefunden: Wer #ResearchWonderland sucht, bekommt eine Fülle von ernstgemeinten Gegendarstellungen und kreativen Parodien des Videos zu sehen. Nur der Name der Protagonistin bleibt diesmal im Verborgenen. Obwohl – bei Wonderland denkt man natürlich eher an Alice als an Hanna. Viele Forschende würden sich wünschen, so tief und verlässlich ins Wissenschaftssystem einzutauchen wie Alice in ihr Wunderland. Wären da bloß nicht diese projektbasierten Kettenverträge … Tim Gabel

    Research.Table Redaktion

    RESEARCH.TABLE REDAKTION

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