Themenschwerpunkte


Der EFI-Bericht 2023: Pässliches & Ungenießbares 

Der neue Bericht der Experten-Kommission Forschung & Innovation bedarf dringend eines Nachrufs. Zuerst selektiv die diesjährigen, erfreulichen Themen:

  • Spät, aber noch nicht ganz zu spät, hat die Kommission das Thema New Space aufgegriffen. Die kommerzielle Nutzung der Raumfahrt muss jedoch weit über das überfällige Raumfahrtgesetz und die Haftungsfragen hinausgehen. Da geht es auch um das Aufsprengen eines geschlossenen Clubs der Großen (Airbus, OHB, Thales) und ihrer langjährigen Zulieferer-Spezeln. Man denke nur daran, wie beispielsweise Trägersysteme toller deutscher Space-Startups von einer unheiligen Koalition bestehend aus Arianespace, EU-Industrie-Kommissar Thierry Breton, einer Luft- und Raumfahrtbeauftragten der Bundesregierung Anna Christmann, die eine 30-Prozent-Quote für KMU anpreist  (aber für die nur in der Rolle von Unterauftragnehmern, nicht in der Innovatorenrolle) sowie unserer eigenen DLR lange genug malträtiert wurden. Die EFI-Kommission muss hier schon auch in die Katakomben der Seilschaften hinuntersteigen. Und die Ampelkoalition auf allen Feldern zum Handeln auffordern.
  • Gut auch der Einwurf, dass die Zivilklauseln an deutschen Hochschulen überprüft werden sollten. Eigentlich angesichts des russischen Aggressionskrieges eine viel zu milde Formulierung. Das steuergeldfinanzierte deutsche Wissenschafts- und Forschungssystem muss ein klares Bekenntnis zur Dual Use-Forschung abgeben. Das Herumeiern muss ein Ende haben.

Patentschätze brauchen den Marktblick

  • Der Fokus auf Technologiemärkte zwischen Forschung und Wirtschaft, to-Patent auch zwischen forschenden Unternehmen, ist ein wirklich wichtiges Thema. Hier fehlen allerdings die  ‚Market- to-Patent‘ – Plattformen, wie sie von der technologiebasierten Ausgründung PatentPlus vorangetrieben werden. Sonst reduziert sich unser Patentmarkt auf die mühsamen Versuche von Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, ihre Patentschätze in Unkenntnis der Märkte an irgendwelchen Mann oder irgendeine Frau zu bringen oder weiter modern zu lassen. Die Kommission redet mir zu wenig über die Plattformen für DeepTech-Patente
  • Dass ich mich zu dem späten Bekenntnis des Kommissionsvorsitzenden Uwe Cantner zu einer technologie-, regions- und akteursoffenen Deutschen Agentur für Transfer und Innovation (Dati) nochmal äußern werde, liegt auf der Hand. Schließlich war die Agentur, deren Konzept er als „eng geführt“ gefühlt hat, mal ein Vorzeigeprojekt des Koalitionsvertrages: inzwischen definitiv nicht eng, sondern mehlig breit getrampelt.

Nun aber zu dem ungenießbaren Thema des diesjährigen Berichtes: 

Selten habe ich einen so blauäugigen wie unausgegorenen Vorschlag gehört wie den, einen ständigen Zukunftsausschuss beim Bundeskanzleramt einzurichten, der die unterschiedlichen Strategien der Ministerien wie etwa die „Zukunftsstrategie Forschung & und Innovation“, die „Digitalstrategie“ und die „Start-up-Strategie“ kontrolliert. Ich war lange genug in Konzernen und im Bundestag, um zu wissen, dass man Ressort-Egoismen nicht durch Zentralisierung und Ausschüsse verhindert. Hier schimmert das ewige Prinzip Hoffnung auf Minister und ministerielle Verwaltung durch, welche den ‚homo rationalis‘ als dominantes Modell politischen Handelns sehen. Auweia! 

Leadership statt Orga-Lösungen

Vielleicht sollte die EFI-Kommission einmal ein zweiwöchiges Schnupper-Shadowing bei einem der Staatsminister im Bundeskanzleramt absolvieren. Dann wüsste sie, dass nicht Organisationslösungen, sondern nur politische Leadership und autoritativer Durchgriff eine Lösung gegen Mikropolitik, Machtkämpfe und Egoismen sind. Dieses müssten sie im heutigen Kanzleramt aber wie eine Stecknadel suchen. 

Und wenn man schon in Strukturen denkt und die Macht-Logik hintanstellt, dann wundert es schon, dass die Kommission nicht Optionen vorstellt und die ihrer Sicht nach beste transparent priorisiert. 

Innovating Innovation: Beispielsweise gibt es im Weißen Haus ein kleines, hochkarätig besetztes Experten-Team als Beratungsgremium für den US-Präsidenten. Kein Forschungsministerium, dafür aber die Zuordnung von Forschungsbudgets im Energieministerium, im Verteidigungsministerium und im Gesundheitsministerium. Bewusste Horizontalisierung statt Dezentralisierung! Denkbar wäre auch der Vorschlag des früheren Vorsitzenden der EFI-Kommission Dietmar Harhoff, mehr und mehr Teile des Forschungs- und Innovationsetats in unabhängigere Agenturen zu verlagern.  Zu diesen Vorschlägen hat sich die Kommission bisher vornehm gar nicht geäußert. Lieber ex cathedra. Vielleicht wäre es auch für sie Zeit, in Alternativen zu denken.

Mehr zum Thema

    Fraunhofer-Spuk hat sein Ende – jetzt müssen Reformen beginnen
    Die deutsche Wissenschaft quetscht ihre Ausgründungen zu sehr aus 
    Der Missbrauch des Machtmissbrauchs
    Alle schwätzen vom Transfer, aber nichts passiert!