Analyse | Raumfahrt
Erscheinungsdatum: 06. November 2025

Weltraumforschung: Wie Satelliten die Astronomie behindern

Mehr als 12.000 aktive Satelliten umkreisen die Erde. In Zukunft könnte die Zahl noch deutlich steigen. (AIP)

Über 12.000 aktive Satelliten umkreisen die Erde. Viele stören Analysen optischer Teleskope ebenso wie die Radioastronomie. Mit dem Aufbau weiterer Konstellationen droht der Forschung erheblicher Schaden.

Für das moderne Leben sind Satelliten unverzichtbar. Sie unterstützen bei der Navigation, Kommunikation, beim Umweltmonitoring und sind essenziell für die Sicherheit. Zugleich stören sie astronomische Beobachtungen, insbesondere Geräte in niedrigen Flughöhen. Ziehen sie am Himmel entlang, reflektieren sie Sonnenlicht zu den Teleskopen. Auf den Bildern entstehen lange weiße Striche, die empfindlichen Messungen werden gestört, schlimmstenfalls unbrauchbar. Weil sie zudem Wellen auf weiteren Frequenzen aussenden, wird auch die Radioastronomie beeinträchtigt.

Jede zehnte Aufnahme betroffen. Weitfeld-Teleskopen, die größere Himmelsareale beobachten, gelangt aufgrund der Statistik häufiger ein Satellit vor die Linse. Das trifft besonders das Vera C. Rubin Observatory, das dieses Jahr in Chile in Betrieb ging. Sollte die Zahl der Satelliten im erdnahen Raum auf 40.000 steigen, was nicht unrealistisch ist, würde jedes zehnte Bild eine ungewollte Lichtspur enthalten, legen Berechnungen nahe. Auf Bildern während der Dämmerung würde mehr als die Hälfte betroffen sein.

SpaceX arbeitet mit Rubin-Astronomen, um den Einfluss gering zu halten. Der Hersteller der „Starlink“-Satelliten habe Änderungen am Design und der Position vorgenommen, berichtet „Nature“. Auch Amazon, das seit April die „Kuiper“-Konstellation aufbaut, zeige sich kooperativ. „Die Möglichkeiten sind beschränkt“, sagt Roelof de Jong vom Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam. „Man kann einen Satelliten nicht völlig schwarz machen, er wird stets etwas Sonnenlicht reflektieren.“

De Jong ist derzeit in Chile und nimmt das Instrument „4MOST“ am Vista-Teleskop in Betrieb. Es wird das Licht ferner Sterne analysieren. Um Kontaminationen durch Sonnenlicht zu vermeiden, will das Team eine zusätzliche Kamera aufstellen: Sie erfasst Satelliten, eine Software wird anschließend an den betreffenden Positionen die Analysen verwerfen. Unterm Strich gehen so aber Daten und Beobachtungszeit verloren.

Gleiche Regeln für alle. Die Anpassungen für die Astronomie seien freiwillig und sie kosten die Betreiber zusätzliches Geld, sagt de Jong. Nicht auszuschließen, dass hier künftig gespart wird oder einzelne Akteure sich entziehen. „Daher braucht es verbindliche Regeln, weltweit.“

Ähnlich sieht es bei der Radioastronomie aus. Die empfindlichen Antennen empfangen auch sogenannte Leckstrahlung aus den Satelliten. Sie entsteht unbeabsichtigt in den elektronischen Bauteilen, kann aber genau jene Messbereiche betreffen, auf die es die Astrophysiker abgesehen haben. „Wir versuchen gemeinsam mit Behörden wie der Internationalen Fernmeldeunion (ITU) oder dem UN-Ausschuss für die friedliche Nutzung des Weltraums (COPUOS) eine Standardisierung zu erreichen“, sagt Benjamin Winkel vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie Bonn. Einige Satellitenbetreiber unterstützen das, andere Akteure wollen keine Regulierung, sie sehen darin einen Wettbewerbsnachteil, die Diskussionen dauern an. Zumindest die europäischen Player – Agenturen und Industrie – sind laut Winkel kooperativ.

Sorge um Direct-to-Cell-Satelliten (DTC). Bei dieser neuen Technologie brauchen Nutzer keine Handymasten in der Nähe, das Telefon verbindet sich direkt mit dem Satelliten. Diese müssen entsprechend eine erheblich höhere Sendeleistung haben, das bedroht die Weltraumforschung umso mehr. Die Radioastronomie wegen der höheren Strahlung und die optische, weil die Geräte größer sind, also mehr Licht reflektieren.

Wie gravierend der Einfluss sein werde, das lasse sich noch nicht beziffern, sagt Winkel. Viele Faktoren spielen eine Rolle: darunter die Bahnparameter der Satelliten, ihr konkretes Design sowie ihre Zahl. „Starlink und auch einige andere Firmen sind in Gesprächen mit der astronomischen Community“, sagt er. „Ob es Lösungen gibt, um eine Koexistenz herzustellen, ist zumindest bei uns noch mit großen Fragezeichen versehen.“

Der Nachthimmel verändert sich. Gefahren wie Raumfahrtschrott sind weithin bekannt und auch Thema in der Politik, sagt der Potsdamer Forscher de Jong. Die Störungen der Astronomie hingegen gelten noch als Problem einiger Fachleute und erhalten kaum Aufmerksamkeit. „Der Öffentlichkeit muss bewusst werden, dass es nicht nur um ein paar Astronomen geht, sondern dass es viel weitreichendere Folgen gibt.“ Der Nachthimmel werde sich durch die steigende Zahl an Satelliten erheblich verändern, hinzu kommen Gefahren für die Umwelt und Zusammenstöße im Orbit. „All das hat Auswirkungen auf die Natur und den Menschen, in einem Ausmaß, das wir noch nicht vollständig erfassen.“

Letzte Aktualisierung: 06. November 2025

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