Zukunftskonferenz + Anhörung von Rechnungshof-Chef + Global Gateway
Deutsche Politiker stellen sich hinter Macrons Zukunftskonferenz
Termine
Vorwurf des Missmanagements: Anhörung von Rechnungshof-Chef Lehne
Global Gateway: bis zu 300 Milliarden Euro für EU-Antwort auf Chinas Seidenstraße
EU kündigt Medienfreiheits-Gesetz an und unterstützt europäischen Newsroom
Wasserstoff-Woche: auf dem Weg zum Markthochlauf
Netzausbau: Telekom und Co fordern “fairen Beitrag” von Tech-Giganten
Andersson erneut zu Schwedens Regierungschefin ernannt
Twitter-Chef Dorsey tritt zurück
Christian Köhler (Markenverband): Verbraucher im DSA besser schützen
Liebe Leserin, lieber Leser,
es ist das bisher größte Demokratie-Experiment der EU: die “Conference on the Future of Europe”, ein besonderes Anliegen des französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Nach dem Start im Mai dieses Jahres war es still geworden um die Zukunftskonferenz, doch nun bekommt das Vorhaben neuen Schwung. Wie Eric Bonse berichtet, liegt das vor allem an den Plänen der Ampel-Koalition. Aber auch von Manfred Weber, Chef der EVP-Fraktion im Europaparlament und bislang nicht als Macron-Fan bekannt, kommen positive Signale. Bei den Ideen für eine Reform gibt es jedoch noch deutliche Unterschiede.
Eine “fiktive” Wohnung in Luxemburg, überhöhte Spesenabrechnungen und intransparentes Finanzgebaren: Es sind unangenehme Vorwürfe, mit denen der Chef des Europäischen Rechnungshofs Klaus-Heiner Lehne (CDU) konfrontiert ist. Am heutigen Nachmittag wird Lehne zu einer Anhörung im Haushaltskontrollausschuss erwartet. Mehr zu dem Fall lesen Sie in den News.
“Global Gateway” ist der Name der Infrastruktur-Initiative der EU, die als Antwort auf Chinas Neue Seidenstraße zu verstehen ist. Laut Berichten plant die EU, bis zu 300 Milliarden Euro für Initiative zu mobilisieren. Das ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu einem ersten Entwurf von “Global Gateway”, damals kursierte noch die Zahl von 40 Milliarden Euro. Die stark erhöhte Summe könnte ein Zeichen dafür sein, wie wichtig das Projekt für Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ist, schreibt Amelie Richter.
Ihre Sarah Schaefer
Analyse
Deutsche Politiker stellen sich hinter Macrons Zukunftskonferenz
“Die Konferenz zur Zukunft Europas nutzen wir für Reformen”, haben die Politiker von SPD, Grünen und FDP in ihrem Ampel-Vertrag festgehalten. “Die Konferenz sollte in einen verfassungsgebenden Konvent münden und zur Weiterentwicklung zu einem föderalen europäischen Bundesstaat führen”, heißt es in dem 177-Seiten-Text. Sogar Vertragsänderungen will die Ampel unterstützen. Damit wäre der Weg für eine tiefgreifende EU-Reform frei.
Nicht ganz so ehrgeizig zeigt sich Weber. Ihm geht es um “Antworten auf die Frage, welche Rolle die Europäische Union in Zukunft global einnimmt”. Im Vordergrund müsse die Außen- und Sicherheitspolitik stehen, sagte der CSU-Politiker bei einem Pressegespräch am Montag in Berlin. Auch bei der Gesundheitspolitik – Stichwort Corona – sieht Weber noch viel Luft nach oben. Allerdings müsse man auch auf Subsidiarität und Effizienz achten.
Klima, Energie, Migration Schwerpunkte bei Bürgerforen
Wieder andere Schwerpunkte setzen die Bürger. In vier Bürgerforen dürfen 800 Frauen und Männer aus allen EU-Regionen darüber diskutieren, wie sie sich die Zukunft Europas vorstellen. Bei den vergangenen Gesprächsrunden im Europaparlament in Straßburg standen Klima- und Energiepolitik sowie Migration im Mittelpunkt. Umweltthemen sollten schon in der Schule angesprochen werden, hieß es – und Migranten sollten mehr Rechte erhalten.
Auf den ersten Blick will all das nicht recht zusammenpassen. Wie lässt sich ein Bogen vom Flüchtlingsdrama in Belarus zu den “Vereinigten Staaten von Europa” schlagen? Wie passt der Bürgerwunsch nach Öko-Unterricht zum “European Green Deal” und dem “Fit for 55”-Programm der EU-Kommission? Bei den Bürgern sei noch viel Aufklärung nötig, sagt Hildegard Bentele (CDU), die Mitglied der Konferenz-Plenarversammlung ist. Viele wüssten gar nicht, was die EU bereits beschlossen und auf den Weg gebracht hat.
Pragmatischer sieht es Weber. Die Zukunftskonferenz sei noch in der Brainstorming-Phase, bis Ende des Jahres würden Ideen gesammelt. Die Politik müsse auf die Bürger zugehen, denn “gute Politik startet mit Zuhören”. Erst im Januar soll die Textarbeit beginnen, bei der die vielen Ideen in realisierbare Vorschläge umgesetzt werden. Und erst im Frühjahr 2022, unter französischem EU-Vorsitz, soll die Entscheidungsphase beginnen. “Ich hoffe auf ein Momentum der französischen Präsidentschaft“, so Weber.
Das sind neue Töne – bisher standen CDU und CSU dem französischen Staatschef Emmanuel Macron und seiner Bürgerkonferenz skeptisch gegenüber. Vor allem Weber galt als erbitterter Gegner Macrons. Schließlich hatte der Franzose den Niederbayern bei der Europawahl 2019 ausgebootet. Statt den Spitzenkandidaten der EVP zum Kommissionschef zu machen, zauberte Macron die CDU-Politikerin Ursula von der Leyen aus dem Hut. Doch das scheint vergessen. “Wir unterstützen Macron”, sagt Weber heute.
Deutschland und Frankreich noch nicht auf einer Linie
Hinter Macrons Demokratie-Initiative hat sich auch die neue Ampel-Koalition in Berlin gestellt. Allerdings haben die neuen Regierungsparteien den Streit um die Europawahl nicht vergessen. Sie wollen das 2019 gescheiterte System der Spitzenkandidaten nicht nur wiederbeleben, sondern sogar verbindlich machen. Außerdem fordern sie in ihrem Koalitionsvertrag, ein einheitliches europäisches Wahlrecht mit teils transnationalen Listen zu entwickeln.
Damit reichen sie Macron die Hand, muten ihm aber auch einiges zu. Von den Spitzenkandidaten hält der französische Staatschef immer noch herzlich wenig. Und ob Macron bereit ist, sich auf ein EU-Wahlrecht einzulassen, muss sich erst noch zeigen. Die größte Zumutung ist aber wohl die Idee, die Zukunftskonferenz in einen verfassungsgebenden Konvent zu überführen. Das gab es vor 20 Jahren schon einmal – am Ende stimmte eine Mehrheit der Franzosen gegen den EU-Verfassungsvertrag.
Nicht nur die Bürgerwünsche und die politischen Realitäten liegen weit auseinander. Auch Deutschland und Frankreich sind noch längst nicht auf einer Linie. Doch immerhin haben sich nun alle relevanten EU-Politiker die Idee der Zukunftskonferenz zu eigen gemacht. Als sie im Mai startete, sah es fast nach einer Totgeburt aus. Nun kommt sogar frischer Wind aus Berlin. Am Ende dürfte zwar kein “europäischer Bundesstaat” stehen, wie es sich die Ampel wünscht – aber wohl doch eine größere Reform.
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Europapolitik
Termine
01.12.-03.12.2021, Berlin/online KAS, Conference European Data Summit 2021: Ready For Competition? Die bilinguale Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) beschäftigt sich mit europäischen Gestaltungsmöglichkeiten der digitalen Zukunft.INFOS & REGISTRATION
01.12.-02.12.2021, online HBS, ConferenceAir pollution dodgeball – The Road to Net Zero This event intends to help policy makers and other stakeholders to navigate through a variety of possible policy routes to a carbon-neutral future.INFOS & REGISTRATION
01.12.-02.12.2021, Berlin/online Aspen Institute Germany, AI Conference This Aspen Institute (AI) event attempts the reformulation of resilience in the era of Artificial Intelligence.INFOS & REGISTRATION
01.12.2021 – 11:00 Uhr, online Bayerische Vertretung bei der EU, Green Deal und explodierende Energiepreise: Was ist zu tun? Die Bayerische Vertretung bei der EU setzt sich mit den politischen Handlungsmöglichkeiten angesichts stark steigender Energiepreise auseinander.ANMELDUNG
01.12.2021 – 18:00-19:30 Uhr, Bonn/online KAS, PodiumsdiskussionLehren aus der Pandemie – Brauchen wir mehr Europa in der Gesundheitspolitik? Die Podiumsdiskussion der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) setzt sich mit der Frage auseinander, wie die Gesundheitspolitik auf nationaler und europäischer Ebene krisenfester werden kann.INFOS & ANMELDUNG
02.12.-03.12.2021, Brüssel (Belgien) CESI, ConferenceThe green, the digital and the social: Ensuring fair green-digital transitions in Europe The European Confederation of Independent Trade Unions (CESI) asks how the European twin transition is rolled out in a sustainable manner which leaves no one behind.INFOS & REGISTRATION
02.12.-03.12.2021, Athen (Griechenland)/online ENISACybersecurity Certification Conference 2021 The EU Agency for Cybersecurity (ENISA) Conference will focus on new methods for new verticals as well as on the cybersecurity certification market itself.INFOS & REGISTRATION
02.12.2021 – 09:30-14:30 Uhr, online EW, KonferenzCybersicherheit für die Energiewirtschaft Diese Konferenz geht auf aktuelle Entwicklungen in der Cybersicherheitspolitik, auf Aspekte des Risikomanagements für kritische Infrastrukturen sowie auf praktische Beispiele ein.INFOS & ANMELDUNG
02.12.2021 – 09:40-16:00 Uhr, online ÖFIT, KonferenzPiazza Konferenz: Für digitale Verwaltung & Gesellschaft Das Kompetenzzentrum für Öffentliche IT (ÖFIT) bringt Akteure aus Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen, um neue Ideen für die Digitalisierung von Staat und Gesellschaft zu diskutieren.INFOS & ANMELDUNG
02.12.2021 – 15:00-16:30 Uhr, online CES, Panel DiscussionTackling rising energy prices: The untapped potential of the Energy Efficiency Directive The Coalition for Energy Savings (CES) discusses the potential of energy efficiency to insure the EU’s energy security in the future.INFOS & REGISTRATION
News
Vorwurf des Missmanagements: Anhörung von Rechnungshof-Chef Lehne
Der Chef des Europäischen Rechnungshofs, der deutsche CDU-Politiker Klaus-Heiner Lehne, muss sich wegen des Vorwurfs des Missmanagements vor dem Europaparlament verantworten. Lehne wird am Dienstagnachmittag in Brüssel zu einem Hearing im Haushaltskontrollausschuss erwartet. Die Anhörung habe Klaus-Heiner Lehne selbst beantragt, teilte sein Sprecher mit.
Die französische Tageszeitung “Libération” hatte zuvor über eine “fiktive” Wohnung in Luxemburg, überhöhte Spesenabrechnungen und intransparentes Finanzgebaren berichtet. Klaus-Heiner Lehne wird unter anderem vorgeworfen, 325.000 Euro zu viel an Mietzuschüssen kassiert zu haben. Neben Lehne sollen auch mehrere seiner Mitarbeiter in die Affäre verwickelt sein.
Vorwurf an Klaus-Heiner Lehne erinnert an Pinxten
Die Vorwürfe erinnern an den Fall Pinxten. Der frühere belgische Verteidigungsminister Karel Pinxten war 2018 vorzeitig aus dem Rechnungshof ausgeschieden, weil er private Luxusreisen, Jagdausflüge und Besuche auf einem burgundischen Weingut als Betriebsausgaben geltend gemacht haben soll. Außerdem soll er monatelang durch Abwesenheit in Luxemburg geglänzt haben.
Durch die Pinxten-Affäre sei ein Schaden von über 570.000 Euro entstanden, teilte der Rechnungshof Anfang November mit. Klaus-Heiner Lehne habe sich jedoch nichts zuschulden kommen lassen, so sein Sprecher. “Alle Mitglieder des Rechnungshofs arbeiten und residieren in Luxemburg”, betonte er. Das Spesen-Management sei transparent und werde eingehend überprüft.
Das Europaparlament will den Vorwürfen nun dennoch nachgehen. Sie beruhen auf einer Recherche des französischen EU-Korrespondenten Jean Quatremer. Mit einer Enthüllungsstory hatte der Brüsseler Korrespondent von “Libération” 1999 die EU-Kommission unter Jacques Santer zu Fall gebracht. ebo
Europapolitik
Bis zu 300 Milliarden Euro für EU-Antwort auf Chinas Seidenstraße
Die EU will Berichten zufolge für ihre Infrastruktur-Initiative “Global Gateway” bis zu 300 Milliarden Euro mobilisieren, um auf Chinas Seidenstraßen-Programm zu reagieren. Für die Auszahlung der Gelder sei ein Zeitraum zwischen 2021 und 2027 veranschlagt, berichtete die “Financial Times”. Die 300 Milliarden Euro kommen demnach aus verschiedenen Programmen im EU-Haushalt. Die EU will aber auch den Privatsektor sowie die Europäische Investitionsbank und nationale Entwicklungsbanken einbinden. Am Mittwoch will sie die Strategie offiziell vorstellen.
“Global Gateway” wird von Brüssel nicht explizit als Alternative zu Chinas “Belt and Road”-Initiative vermarktet. In dem finalen Papier soll jedoch betont werden, dass “Global Gateway” eine “wertebasierte” Option und einen “ethischen Ansatz” bietet. “Indem ‘Global Gateway’ eine positive Wahl für globale Infrastrukturentwicklung bietet, wird es in internationale Stabilität und Zusammenarbeit investieren und zeigen, wie demokratische Werte Sicherheit und Fairness, Nachhaltigkeit für Partner und langfristige Vorteile für Menschen auf der ganzen Welt bieten”, zitiert die “Financial Times” aus dem Dokument. Im Fokus stehen demnach Investitionen in Digitalisierung, Gesundheit, Klima, Energie und Verkehr sowie Bildung und Forschung.
Deutlich niedrigere Summe im ersten Entwurf von “Global Gateway”
Die geplante Summe ist im Vergleich zu einem ersten Entwurf von “Global Gateway” stark gestiegen. Die Initiative hätte eigentlich Mitte November von der EU-Kommission vorgestellt werden sollen. Damals kursierte in EU-Kreisen die Zahl von 40 Milliarden Euro (China.Table berichtete). Dass die Summe nun deutlich höher liegt, könnte ein Zeichen dafür sein, wie wichtig das Vorhaben für EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ist (China.Table berichtete). Sie hatte den Namen der Initiative im September bei der Rede zur Lage der Europäischen Union bekannt gegeben. ari
China
Europapolitik
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EU kündigt Medienfreiheits-Gesetz an und unterstützt europäischen Newsroom
EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hat anlässlich einer Medien-Konferenz in Brüssel die Unterstützung der EU für einen europäischen Newsroom bekannt gegeben und ein EU Medienfreiheits-Gesetz angekündigt.
Insgesamt 16 Nachrichtenagenturen, darunter die Deutsche Presseagentur (dpa) und die Agence France Presse (AFP), sollen in einem gemeinsamen europäischen Newsroom aus Brüssel ihre Berichterstattung besser miteinander verzahnen. Mit 1,76 Millionen Euro Förderung über zwei Jahre unterstützt die EU den Plan, ab Januar 2022 die Berichterstattung aus Brüssel und über Europa zu verbessern.
“Dieser erste gesamteuropäische Newsroom, den wir heute ankündigen, wird es Journalisten ermöglichen, gemeinsam über EU-Angelegenheiten zu berichten und den Geist der Zusammenarbeit zu Hause zu fördern”, so Breton.
Zudem kündigte Breton an, dass die Kommission im kommenden Jahr einen Vorschlag für ein Medienfreiheitsgesetz unterbreiten werde. Ziel sei es, “den Medienpluralismus zu stärken und die Widerstandsfähigkeit des gesamten Sektors zu verbessern”.
Erste Konsultationen für Medienfreiheit-Gesetz starten bald
Dieses Vorhaben werde “kein Spaziergang”, so EU-Vizepräsidentin Věra Jourová am Montagabend beim European News Media Forum. Man habe sich nach gründlicher Analyse des EU-Rechtsrahmens dazu entschieden, auch wenn “Regulierung von Medienfreiheit” widersprüchlich klinge. Dies sei ein Grund, warum man schon in Kürze eine erste Konsultation für das Vorhaben starten werde.
Die EU wolle insbesondere auf die Politisierung und den extremen ökonomischen Druck auf die Medien reagieren, so Jourová. Derzeit seien Medienunternehmen im EU-Recht mit den gleichen Schutzmaßnahmen ausgestattet wie Kaugummi- oder Schuhproduzenten, sagte die Kommissions-Vizepräsidentin. Es gebe in den Mitgliedstaaten jedoch gute Vorbilder für derartige Regulierung, betonte sie, ohne konkrete Beispiele zu nennen. fst
Europapolitik
Medien
Medienfreiheitsgesetz
Thierry Breton
Vera Jourova
Wasserstoff-Woche: auf dem Weg zum Markthochlauf
Mit dem offiziellen Startschuss für die Clean Hydrogen Partnership begann am Montag die diesjährige Europäische Woche des Wasserstoffs in Brüssel. Die neue Kooperation soll Vertreter der EU-Kommission, der Mitgliedsstaaten, der Industrie sowie der Wissenschaft zusammenbringen, um Innovationen schneller zur Marktreife zu verhelfen und den Aufbau eines internationalen Wasserstoffmarktes voranzutreiben.
Der schnelle Auf- und Ausbau eines Marktes für Wasserstoff als künftiger Energieträger ist entscheidend für die Dekarbonisierung der Industrie, insbesondere für energieintensive Sektoren, die nicht oder nur schwer elektrifiziert werden können. Europa müsse hier als Wegbereiter vorangehen, so von der Leyen.
10 Millionen Tonnen Wasserstoff jährlich
Anfang des Jahres seien weltweit 200 grüne Wasserstoff-Projekte vorgestellt worden, mehr als die Hälfte davon in Europa. Die EU sei führend auf dem Gebiet der Elektrolyseure, die Technologie trage bereits zur Dekarbonisierung bei, und angesichts der rekordhohen Gaspreise sei grüner Wasserstoff teils sogar günstiger als grauer. Das Ziel der EU, so von der Leyen, sei ein dauerhafter Kilo-Preis von weniger als 1,80 Euro spätestens ab 2030. Bis dahin soll die Jahresproduktion von grünem Wasserstoff in Europa auf zehn Millionen Tonnen ansteigen.
Diese Ziele seien in Reichweite, jedoch seien weiterhin erhebliche Investitionen notwendig. So sind die EU-Staaten angehalten, bei ihren nationalen Konjunkturprogrammen einen Schwerpunkt auf Wasserstoff zu legen. Mehr als 13 Milliarden Euro aus dem Aufbauinstrument “Next Generation EU” sollen auf diese Weise in klimafreundliche Technologien investiert werden – ein großer Teil davon in Wasserstoff. Partnerschaften wie das Catalyst-Programm sollen helfen (Europe.Table berichtete), auch aus dem privaten Sektor Gelder zu mobilisieren.
Letztlich müsse Wasserstoff über einen globalen Markt möglichst überall als Energieträger zur Verfügung stehen, sagte von der Leyen, weshalb die Technologien inzwischen Teil der Gespräche mit sämtlichen Handelspartnern seien. Allen voran: die Partnerländer in Afrika. Dort gebe es das größte noch ungenutzte Potenzial für erneuerbare Energien. Mittels Wasserstoff könne die Energie gespeichert und sowohl nach Europa verkauft als auch für die Dekarbonisierung der eigenen Industrie genutzt werden. til
Energie
Green Deal
Grüner Wasserstoff
Klima & Umwelt
Klimaziele
Wasserstoff
Netzausbau: Telekom und Co fordern “fairen Beitrag” von Tech-Giganten
Europas größte Telekomunikationskonzerne wollen einen Teil der immensen Kosten für den Ausbau der Netze auf die US-Tech-Giganten übertragen. Dazu rief Deutsche-Telekom-Chef Timotheus Höttges zusammen mit zwölf anderen Vorstandsvorsitzenden in einem Schreiben vom Montag auf, in das Reuters Einsicht nehmen konnte. Sie begründen ihre Forderung mit der hohen Datennutzung und Netzeauslastung durch Dienste wie Netflix, Googles YouTube und Facebook.
“Ein großer und wachsender Teil des Netzwerkverkehrs wird von großen US-Plattformen generiert und monetarisiert, aber das erfordert kontinuierliche, intensive Netzwerkinvestitionen und Planung durch den Telekommunikationssektor”, schrieben die Vorstandsvorsitzenden in einer gemeinsamen Erklärung. Dieses Modell könne nur dann nachhaltig sein, wenn die großen Tech-Plattformen auch einen “fairen Beitrag” zu den Kosten leisten würden.
Zu den Unterzeichnern gehören neben der Telekom und Vodafone, Telefonica, Orange, KPN, BT Group, Telekom Austria, Vivacom, Proximus, Telenor, Altice Portugal, Telia und Swisscom. Namen von Techfirmen wurden in dem Schreiben nicht genannt, allerdings ist in der Corona-Krise die Nachfrage nach Streamingdiensten wie Netflix und Disney, YouTube und Spotify rasant gestiegen.
Neben den massiven Investitionen in 5G-, Glasfaser- und Kabelnetze und die fehlende Beteiligung von Techfirmen an den Kosten kritisierten Höttges und die Telekom-Vorstandschefs die hohen Preise, die von ihnen bei Frequenzauktionen aufgebracht werden müssen. Sie würden von den jeweiligen Regierungen als “Melkkühe” missbraucht, hieß es. Auch die Versuche von EU-Politikern, die Aufpreise auf Anrufe innerhalb der Europäischen Union abzuschaffen, wurden von den Vorstandschefs abgekanzelt.
Die Investitionen im europäischen Telekommunikationssektor stiegen im vergangenen Jahr mit 52,5 Milliarden Euro auf ein Sechsjahreshoch. Ab 2022 will allein die Telekom für den Ausbau in Deutschland jährlich sechs Milliarden Euro aufbringen. rtr
5G
Big Tech
Google
Mobilfunk
Technologie
Andersson erneut zu Schwedens Regierungschefin ernannt
Vergangenen Mittwoch hatte sie nur wenige Stunden nach ihrer Ernennung ihren Rücktritt erklärt (Europe.Table berichtete). Ihr Junior-Partner, die Grünen, hatte das Regierungsbündnis aufgekündigt, weil die Koalition mit ihren Haushaltsplänen am Widerstand der Opposition gescheitert war. Andersson will nun abermals eine Minderheitsregierung führen, die dann aber ausschließlich von den Sozialdemokraten gebildet wird. rtr
Magdalena Andersson
Schweden
Twitter-Chef Dorsey tritt zurück
Der Mitgründer von Twitter, Jack Dorsey, gibt seinen Posten als Vorstandschef des Milliardenkonzerns auf. Sein Nachfolger soll der bisherige Technikchef Parag Agrawal werden, wie das Unternehmen aus San Francisco am Montag bekannt gab. Die Twitter-Aktie startete mit kräftigen Kursgewinnen in den US-Handel.
Twitter-Chef Dorsey trete zurück, weil er zuversichtlich über seinen Nachfolger sei und sich auf den ebenfalls von ihm geleiteten Zahlungsabwickler Square konzentrieren wolle, sagte ein Insider. Dorseys Doppelrolle als Chef von Twitter und von Square war von Investoren kritisiert worden. rtr
Big Tech
Plattformen
Twitter
Presseschau
Europäische Telcos: Brüssel soll “Big Tech” zur Kasse bitten HEISE
Google pulls the plug on e-commerce giant Wish in France for listing unsafe goods FORTUNE
Gesetzliche Regelung zur Online-Plattformarbeit: Druck auf EU-Kommission wächst HEISE
Weniger Treibhausgase in der EU als vor Corona – aber es gibt einen Haken WELT
Nord Stream 2: Platzt der deutsch-amerikanische Deal? FAZ
UK and Israel target Iran with trade, defense and cyber pact POLITICO
Frankreich fordert von Großbritannien legale Migrationswege FAZ
EU earmarks €320 million for soil health research to contribute to carbon removal EURACTIV
Europe Revisits Nuclear Power as Climate Deadlines Loom NYTIMES
EU plans €300bn global infrastructure spend to rival China FT
Standpunkt
Verbraucher im Digital Services Act besser schützen
Von Christian Köhler
Christian Köhler ist Hauptgeschäftsführer des Markenverbands
Black Friday, Cyber Monday, Cyber Week – das sind Shopping-Highlights für die Verbraucher, dabei spielen diese allerdings Russisches Roulette, ohne es zu wissen… Die EU-Kommission hat im Dezember 2020 ihren Vorschlag für ein Gesetz über Digitale Dienste (Digital Services Act) veröffentlicht. Hiermit sollen Verantwortlichkeiten der Nutzer, Plattformen und Behörden neu austariert werden – mit den Bürgern im Mittelpunkt. Der Markenverband unterstützt vollumfänglich die Hauptziele, wie zum Beispiel einen besseren Schutz der Verbraucher und ihrer Grundrechte im Internet. Eine große Gefahr stellt aber das beliebte Online-Shopping dar, das noch lange nicht so sicher ist, wie es die Verbraucher erwarten und wie es sein könnte. Denn in großem Umfang werden auf vertrauten Webseiten gefälschte Produkte angeboten.
Nach einer guten Vorlage der Kommission und engagierten Debatten im Rat und Europaparlament befindet sich der Digital Services Act auf der Zielgeraden: Der Rat hat am 25. November seine allgemeine Ausrichtung angenommen (Europe.Table berichtete), der IMCO plant seine Abstimmung im Dezember. Allerdings zeigen die aktuell zur Diskussion stehenden Vorschläge, dass das Hauptziel, ein besserer Schutz der Verbraucher im Internet, auf dieser Basis leider immer noch nicht zur Zufriedenheit erreicht worden ist. Dabei könnten jetzt im Rahmen der aktuellen Beratungen die richtigen Weichen gestellt werden. Denn noch sind die Konsumenten gezwungen, sich zu einem beträchtlichen Teil selbst zu schützen.
Nachbesserung des Digital Services Act in drei Bereichen erforderlich
Ja, wir sehen durchaus Verbesserungen in der Position des Rats, wie beispielsweise die Informationspflicht gegenüber Verbrauchern, wenn ein illegales Produkt von einer Webseite gelöscht worden ist, das dem von ihm gekauften Produkt entspricht. Diese Verbesserungen reichen aber leider noch nicht. Effektiver Schutz für die Verbraucher erfordert weitere gezielte Nachbesserungen des Digital Services Act, zu denen das EP nun die Möglichkeit hat.
Wir empfehlen hier insbesondere drei Aspekte:
Die illegalen Akteure müssen in den Blickpunkt der Gesetzgebung gestellt werden. Die Geltung der Regeln muss sich über alle Plattformen erstrecken – unabhängig von Größe und Schwerpunkt (Interaktions-, Transaktions-, oder Spieleplattform). Nur so kann gegen illegale Verkäufer auf Plattformen wirkungsvoll vorgegangen werden – ohne Schlupflöcher zu lassen. Der Markenverband begrüßt, dass einige Plattformen bereits sehr engagiert gegen “illegale Schafe” auch auf Basis neuer Technologien vorgehen. Weitere Plattformen sollten diesem Ansatz auf jeden Fall folgen, durchaus abhängig von ihrer Größe und damit von ihren Möglichkeiten. Denn das Tätigwerden auf oder als Plattform muss bedeuten, dass Regeln eingehalten werden, online wie offline – zum Schutz der Verbraucher und auch kleinerer Markenunternehmen: Der IP Action Planstellt fest, dass diese Entrepreneure Unterstützung benötigen beim Aufbau ihres Geschäftes. Allerdings sind auch sie wirtschaftlich massiv gefährdet durch den Online-Handel mit Fälschungen ihrer Produkte. Sowohl Plattform-SMEs als auch Hersteller-SMEs müssen ausreichend Schutz erhalten!
Mit dem “Know Your Business Customer”-Prinzip hat die Europäische Kommission einen wichtigen Grundstein gelegt, um die häufig bestehende Anonymität von Anbietern auf Plattformen zu beenden. Um Verbrauchern wirklich die erforderlichen Informationen zu geben, sollten Anbieter auf Plattformen ihre Identität beim Einkauf von Dienstleistungen nur durch im elektronischen Rechtsverkehr anerkannte und täuschungssichere Verfahren nachweisen dürfen. Und zwar nicht nur bei dem Einkauf von Dienstleistungen auf den “traditionellen Marktplätzen”, sondern beim Einkauf von Dienstleistungen auf allen Plattformen, auf denen Verkäufe (Transaktionen) stattfinden.
Selbstverständlich ist der Schutz vor Fälschungen nur dann möglich, wenn verhindert wird, dass eine einmal gelöschte Fälschung erneut hochgeladen und angeboten wird. Denn Löschung von Fälschungen ist im Ergebnis wirkungslos, wenn Fälschungen immer wieder hochgeladen werden. Hierfür braucht es zwingend eine Ergänzung des “Notice and Take Down”-Vorschlags um ein “Stay Down”. Erst diese Kombination sorgt für wirksamen Schutz der Verbraucher und macht den Kampf gegen Fälschungsverkäufe effektiv.
Ziel muss sein, dass Verbraucher unbeschwert originale und damit sichere Produkte kaufen können – die illegal Agierenden dürfen nicht länger mit ihnen Katz und Maus spielen.
Deutsche Politiker stellen sich hinter Macrons Zukunftskonferenz
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Nicht nur die Bürgerwünsche und die politischen Realitäten liegen weit auseinander. Auch Deutschland und Frankreich sind noch längst nicht auf einer Linie. Doch immerhin haben sich nun alle relevanten EU-Politiker die Idee der Zukunftskonferenz zu eigen gemacht. Als sie im Mai startete, sah es fast nach einer Totgeburt aus. Nun kommt sogar frischer Wind aus Berlin. Am Ende dürfte zwar kein “europäischer Bundesstaat” stehen, wie es sich die Ampel wünscht – aber wohl doch eine größere Reform.
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01.12.2021 – 18:00-19:30 Uhr, Bonn/online KAS, PodiumsdiskussionLehren aus der Pandemie – Brauchen wir mehr Europa in der Gesundheitspolitik? Die Podiumsdiskussion der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) setzt sich mit der Frage auseinander, wie die Gesundheitspolitik auf nationaler und europäischer Ebene krisenfester werden kann.INFOS & ANMELDUNG
02.12.-03.12.2021, Brüssel (Belgien) CESI, ConferenceThe green, the digital and the social: Ensuring fair green-digital transitions in Europe The European Confederation of Independent Trade Unions (CESI) asks how the European twin transition is rolled out in a sustainable manner which leaves no one behind.INFOS & REGISTRATION
02.12.-03.12.2021, Athen (Griechenland)/online ENISACybersecurity Certification Conference 2021 The EU Agency for Cybersecurity (ENISA) Conference will focus on new methods for new verticals as well as on the cybersecurity certification market itself.INFOS & REGISTRATION
02.12.2021 – 09:30-14:30 Uhr, online EW, KonferenzCybersicherheit für die Energiewirtschaft Diese Konferenz geht auf aktuelle Entwicklungen in der Cybersicherheitspolitik, auf Aspekte des Risikomanagements für kritische Infrastrukturen sowie auf praktische Beispiele ein.INFOS & ANMELDUNG
02.12.2021 – 09:40-16:00 Uhr, online ÖFIT, KonferenzPiazza Konferenz: Für digitale Verwaltung & Gesellschaft Das Kompetenzzentrum für Öffentliche IT (ÖFIT) bringt Akteure aus Verwaltung, Wissenschaft und Zivilgesellschaft zusammen, um neue Ideen für die Digitalisierung von Staat und Gesellschaft zu diskutieren.INFOS & ANMELDUNG
02.12.2021 – 15:00-16:30 Uhr, online CES, Panel DiscussionTackling rising energy prices: The untapped potential of the Energy Efficiency Directive The Coalition for Energy Savings (CES) discusses the potential of energy efficiency to insure the EU’s energy security in the future.INFOS & REGISTRATION
News
Vorwurf des Missmanagements: Anhörung von Rechnungshof-Chef Lehne
Der Chef des Europäischen Rechnungshofs, der deutsche CDU-Politiker Klaus-Heiner Lehne, muss sich wegen des Vorwurfs des Missmanagements vor dem Europaparlament verantworten. Lehne wird am Dienstagnachmittag in Brüssel zu einem Hearing im Haushaltskontrollausschuss erwartet. Die Anhörung habe Klaus-Heiner Lehne selbst beantragt, teilte sein Sprecher mit.
Die französische Tageszeitung “Libération” hatte zuvor über eine “fiktive” Wohnung in Luxemburg, überhöhte Spesenabrechnungen und intransparentes Finanzgebaren berichtet. Klaus-Heiner Lehne wird unter anderem vorgeworfen, 325.000 Euro zu viel an Mietzuschüssen kassiert zu haben. Neben Lehne sollen auch mehrere seiner Mitarbeiter in die Affäre verwickelt sein.
Vorwurf an Klaus-Heiner Lehne erinnert an Pinxten
Die Vorwürfe erinnern an den Fall Pinxten. Der frühere belgische Verteidigungsminister Karel Pinxten war 2018 vorzeitig aus dem Rechnungshof ausgeschieden, weil er private Luxusreisen, Jagdausflüge und Besuche auf einem burgundischen Weingut als Betriebsausgaben geltend gemacht haben soll. Außerdem soll er monatelang durch Abwesenheit in Luxemburg geglänzt haben.
Durch die Pinxten-Affäre sei ein Schaden von über 570.000 Euro entstanden, teilte der Rechnungshof Anfang November mit. Klaus-Heiner Lehne habe sich jedoch nichts zuschulden kommen lassen, so sein Sprecher. “Alle Mitglieder des Rechnungshofs arbeiten und residieren in Luxemburg”, betonte er. Das Spesen-Management sei transparent und werde eingehend überprüft.
Das Europaparlament will den Vorwürfen nun dennoch nachgehen. Sie beruhen auf einer Recherche des französischen EU-Korrespondenten Jean Quatremer. Mit einer Enthüllungsstory hatte der Brüsseler Korrespondent von “Libération” 1999 die EU-Kommission unter Jacques Santer zu Fall gebracht. ebo
Europapolitik
Bis zu 300 Milliarden Euro für EU-Antwort auf Chinas Seidenstraße
Die EU will Berichten zufolge für ihre Infrastruktur-Initiative “Global Gateway” bis zu 300 Milliarden Euro mobilisieren, um auf Chinas Seidenstraßen-Programm zu reagieren. Für die Auszahlung der Gelder sei ein Zeitraum zwischen 2021 und 2027 veranschlagt, berichtete die “Financial Times”. Die 300 Milliarden Euro kommen demnach aus verschiedenen Programmen im EU-Haushalt. Die EU will aber auch den Privatsektor sowie die Europäische Investitionsbank und nationale Entwicklungsbanken einbinden. Am Mittwoch will sie die Strategie offiziell vorstellen.
“Global Gateway” wird von Brüssel nicht explizit als Alternative zu Chinas “Belt and Road”-Initiative vermarktet. In dem finalen Papier soll jedoch betont werden, dass “Global Gateway” eine “wertebasierte” Option und einen “ethischen Ansatz” bietet. “Indem ‘Global Gateway’ eine positive Wahl für globale Infrastrukturentwicklung bietet, wird es in internationale Stabilität und Zusammenarbeit investieren und zeigen, wie demokratische Werte Sicherheit und Fairness, Nachhaltigkeit für Partner und langfristige Vorteile für Menschen auf der ganzen Welt bieten”, zitiert die “Financial Times” aus dem Dokument. Im Fokus stehen demnach Investitionen in Digitalisierung, Gesundheit, Klima, Energie und Verkehr sowie Bildung und Forschung.
Deutlich niedrigere Summe im ersten Entwurf von “Global Gateway”
Die geplante Summe ist im Vergleich zu einem ersten Entwurf von “Global Gateway” stark gestiegen. Die Initiative hätte eigentlich Mitte November von der EU-Kommission vorgestellt werden sollen. Damals kursierte in EU-Kreisen die Zahl von 40 Milliarden Euro (China.Table berichtete). Dass die Summe nun deutlich höher liegt, könnte ein Zeichen dafür sein, wie wichtig das Vorhaben für EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen ist (China.Table berichtete). Sie hatte den Namen der Initiative im September bei der Rede zur Lage der Europäischen Union bekannt gegeben. ari
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EU kündigt Medienfreiheits-Gesetz an und unterstützt europäischen Newsroom
EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton hat anlässlich einer Medien-Konferenz in Brüssel die Unterstützung der EU für einen europäischen Newsroom bekannt gegeben und ein EU Medienfreiheits-Gesetz angekündigt.
Insgesamt 16 Nachrichtenagenturen, darunter die Deutsche Presseagentur (dpa) und die Agence France Presse (AFP), sollen in einem gemeinsamen europäischen Newsroom aus Brüssel ihre Berichterstattung besser miteinander verzahnen. Mit 1,76 Millionen Euro Förderung über zwei Jahre unterstützt die EU den Plan, ab Januar 2022 die Berichterstattung aus Brüssel und über Europa zu verbessern.
“Dieser erste gesamteuropäische Newsroom, den wir heute ankündigen, wird es Journalisten ermöglichen, gemeinsam über EU-Angelegenheiten zu berichten und den Geist der Zusammenarbeit zu Hause zu fördern”, so Breton.
Zudem kündigte Breton an, dass die Kommission im kommenden Jahr einen Vorschlag für ein Medienfreiheitsgesetz unterbreiten werde. Ziel sei es, “den Medienpluralismus zu stärken und die Widerstandsfähigkeit des gesamten Sektors zu verbessern”.
Erste Konsultationen für Medienfreiheit-Gesetz starten bald
Dieses Vorhaben werde “kein Spaziergang”, so EU-Vizepräsidentin Věra Jourová am Montagabend beim European News Media Forum. Man habe sich nach gründlicher Analyse des EU-Rechtsrahmens dazu entschieden, auch wenn “Regulierung von Medienfreiheit” widersprüchlich klinge. Dies sei ein Grund, warum man schon in Kürze eine erste Konsultation für das Vorhaben starten werde.
Die EU wolle insbesondere auf die Politisierung und den extremen ökonomischen Druck auf die Medien reagieren, so Jourová. Derzeit seien Medienunternehmen im EU-Recht mit den gleichen Schutzmaßnahmen ausgestattet wie Kaugummi- oder Schuhproduzenten, sagte die Kommissions-Vizepräsidentin. Es gebe in den Mitgliedstaaten jedoch gute Vorbilder für derartige Regulierung, betonte sie, ohne konkrete Beispiele zu nennen. fst
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Wasserstoff-Woche: auf dem Weg zum Markthochlauf
Mit dem offiziellen Startschuss für die Clean Hydrogen Partnership begann am Montag die diesjährige Europäische Woche des Wasserstoffs in Brüssel. Die neue Kooperation soll Vertreter der EU-Kommission, der Mitgliedsstaaten, der Industrie sowie der Wissenschaft zusammenbringen, um Innovationen schneller zur Marktreife zu verhelfen und den Aufbau eines internationalen Wasserstoffmarktes voranzutreiben.
Der schnelle Auf- und Ausbau eines Marktes für Wasserstoff als künftiger Energieträger ist entscheidend für die Dekarbonisierung der Industrie, insbesondere für energieintensive Sektoren, die nicht oder nur schwer elektrifiziert werden können. Europa müsse hier als Wegbereiter vorangehen, so von der Leyen.
10 Millionen Tonnen Wasserstoff jährlich
Anfang des Jahres seien weltweit 200 grüne Wasserstoff-Projekte vorgestellt worden, mehr als die Hälfte davon in Europa. Die EU sei führend auf dem Gebiet der Elektrolyseure, die Technologie trage bereits zur Dekarbonisierung bei, und angesichts der rekordhohen Gaspreise sei grüner Wasserstoff teils sogar günstiger als grauer. Das Ziel der EU, so von der Leyen, sei ein dauerhafter Kilo-Preis von weniger als 1,80 Euro spätestens ab 2030. Bis dahin soll die Jahresproduktion von grünem Wasserstoff in Europa auf zehn Millionen Tonnen ansteigen.
Diese Ziele seien in Reichweite, jedoch seien weiterhin erhebliche Investitionen notwendig. So sind die EU-Staaten angehalten, bei ihren nationalen Konjunkturprogrammen einen Schwerpunkt auf Wasserstoff zu legen. Mehr als 13 Milliarden Euro aus dem Aufbauinstrument “Next Generation EU” sollen auf diese Weise in klimafreundliche Technologien investiert werden – ein großer Teil davon in Wasserstoff. Partnerschaften wie das Catalyst-Programm sollen helfen (Europe.Table berichtete), auch aus dem privaten Sektor Gelder zu mobilisieren.
Letztlich müsse Wasserstoff über einen globalen Markt möglichst überall als Energieträger zur Verfügung stehen, sagte von der Leyen, weshalb die Technologien inzwischen Teil der Gespräche mit sämtlichen Handelspartnern seien. Allen voran: die Partnerländer in Afrika. Dort gebe es das größte noch ungenutzte Potenzial für erneuerbare Energien. Mittels Wasserstoff könne die Energie gespeichert und sowohl nach Europa verkauft als auch für die Dekarbonisierung der eigenen Industrie genutzt werden. til
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Grüner Wasserstoff
Klima & Umwelt
Klimaziele
Wasserstoff
Netzausbau: Telekom und Co fordern “fairen Beitrag” von Tech-Giganten
Europas größte Telekomunikationskonzerne wollen einen Teil der immensen Kosten für den Ausbau der Netze auf die US-Tech-Giganten übertragen. Dazu rief Deutsche-Telekom-Chef Timotheus Höttges zusammen mit zwölf anderen Vorstandsvorsitzenden in einem Schreiben vom Montag auf, in das Reuters Einsicht nehmen konnte. Sie begründen ihre Forderung mit der hohen Datennutzung und Netzeauslastung durch Dienste wie Netflix, Googles YouTube und Facebook.
“Ein großer und wachsender Teil des Netzwerkverkehrs wird von großen US-Plattformen generiert und monetarisiert, aber das erfordert kontinuierliche, intensive Netzwerkinvestitionen und Planung durch den Telekommunikationssektor”, schrieben die Vorstandsvorsitzenden in einer gemeinsamen Erklärung. Dieses Modell könne nur dann nachhaltig sein, wenn die großen Tech-Plattformen auch einen “fairen Beitrag” zu den Kosten leisten würden.
Zu den Unterzeichnern gehören neben der Telekom und Vodafone, Telefonica, Orange, KPN, BT Group, Telekom Austria, Vivacom, Proximus, Telenor, Altice Portugal, Telia und Swisscom. Namen von Techfirmen wurden in dem Schreiben nicht genannt, allerdings ist in der Corona-Krise die Nachfrage nach Streamingdiensten wie Netflix und Disney, YouTube und Spotify rasant gestiegen.
Neben den massiven Investitionen in 5G-, Glasfaser- und Kabelnetze und die fehlende Beteiligung von Techfirmen an den Kosten kritisierten Höttges und die Telekom-Vorstandschefs die hohen Preise, die von ihnen bei Frequenzauktionen aufgebracht werden müssen. Sie würden von den jeweiligen Regierungen als “Melkkühe” missbraucht, hieß es. Auch die Versuche von EU-Politikern, die Aufpreise auf Anrufe innerhalb der Europäischen Union abzuschaffen, wurden von den Vorstandschefs abgekanzelt.
Die Investitionen im europäischen Telekommunikationssektor stiegen im vergangenen Jahr mit 52,5 Milliarden Euro auf ein Sechsjahreshoch. Ab 2022 will allein die Telekom für den Ausbau in Deutschland jährlich sechs Milliarden Euro aufbringen. rtr
5G
Big Tech
Google
Mobilfunk
Technologie
Andersson erneut zu Schwedens Regierungschefin ernannt
Vergangenen Mittwoch hatte sie nur wenige Stunden nach ihrer Ernennung ihren Rücktritt erklärt (Europe.Table berichtete). Ihr Junior-Partner, die Grünen, hatte das Regierungsbündnis aufgekündigt, weil die Koalition mit ihren Haushaltsplänen am Widerstand der Opposition gescheitert war. Andersson will nun abermals eine Minderheitsregierung führen, die dann aber ausschließlich von den Sozialdemokraten gebildet wird. rtr
Magdalena Andersson
Schweden
Twitter-Chef Dorsey tritt zurück
Der Mitgründer von Twitter, Jack Dorsey, gibt seinen Posten als Vorstandschef des Milliardenkonzerns auf. Sein Nachfolger soll der bisherige Technikchef Parag Agrawal werden, wie das Unternehmen aus San Francisco am Montag bekannt gab. Die Twitter-Aktie startete mit kräftigen Kursgewinnen in den US-Handel.
Twitter-Chef Dorsey trete zurück, weil er zuversichtlich über seinen Nachfolger sei und sich auf den ebenfalls von ihm geleiteten Zahlungsabwickler Square konzentrieren wolle, sagte ein Insider. Dorseys Doppelrolle als Chef von Twitter und von Square war von Investoren kritisiert worden. rtr
Big Tech
Plattformen
Twitter
Presseschau
Europäische Telcos: Brüssel soll “Big Tech” zur Kasse bitten HEISE
Google pulls the plug on e-commerce giant Wish in France for listing unsafe goods FORTUNE
Gesetzliche Regelung zur Online-Plattformarbeit: Druck auf EU-Kommission wächst HEISE
Weniger Treibhausgase in der EU als vor Corona – aber es gibt einen Haken WELT
Nord Stream 2: Platzt der deutsch-amerikanische Deal? FAZ
UK and Israel target Iran with trade, defense and cyber pact POLITICO
Frankreich fordert von Großbritannien legale Migrationswege FAZ
EU earmarks €320 million for soil health research to contribute to carbon removal EURACTIV
Europe Revisits Nuclear Power as Climate Deadlines Loom NYTIMES
EU plans €300bn global infrastructure spend to rival China FT
Standpunkt
Verbraucher im Digital Services Act besser schützen
Von Christian Köhler
Christian Köhler ist Hauptgeschäftsführer des Markenverbands
Black Friday, Cyber Monday, Cyber Week – das sind Shopping-Highlights für die Verbraucher, dabei spielen diese allerdings Russisches Roulette, ohne es zu wissen… Die EU-Kommission hat im Dezember 2020 ihren Vorschlag für ein Gesetz über Digitale Dienste (Digital Services Act) veröffentlicht. Hiermit sollen Verantwortlichkeiten der Nutzer, Plattformen und Behörden neu austariert werden – mit den Bürgern im Mittelpunkt. Der Markenverband unterstützt vollumfänglich die Hauptziele, wie zum Beispiel einen besseren Schutz der Verbraucher und ihrer Grundrechte im Internet. Eine große Gefahr stellt aber das beliebte Online-Shopping dar, das noch lange nicht so sicher ist, wie es die Verbraucher erwarten und wie es sein könnte. Denn in großem Umfang werden auf vertrauten Webseiten gefälschte Produkte angeboten.
Nach einer guten Vorlage der Kommission und engagierten Debatten im Rat und Europaparlament befindet sich der Digital Services Act auf der Zielgeraden: Der Rat hat am 25. November seine allgemeine Ausrichtung angenommen (Europe.Table berichtete), der IMCO plant seine Abstimmung im Dezember. Allerdings zeigen die aktuell zur Diskussion stehenden Vorschläge, dass das Hauptziel, ein besserer Schutz der Verbraucher im Internet, auf dieser Basis leider immer noch nicht zur Zufriedenheit erreicht worden ist. Dabei könnten jetzt im Rahmen der aktuellen Beratungen die richtigen Weichen gestellt werden. Denn noch sind die Konsumenten gezwungen, sich zu einem beträchtlichen Teil selbst zu schützen.
Nachbesserung des Digital Services Act in drei Bereichen erforderlich
Ja, wir sehen durchaus Verbesserungen in der Position des Rats, wie beispielsweise die Informationspflicht gegenüber Verbrauchern, wenn ein illegales Produkt von einer Webseite gelöscht worden ist, das dem von ihm gekauften Produkt entspricht. Diese Verbesserungen reichen aber leider noch nicht. Effektiver Schutz für die Verbraucher erfordert weitere gezielte Nachbesserungen des Digital Services Act, zu denen das EP nun die Möglichkeit hat.
Wir empfehlen hier insbesondere drei Aspekte:
Die illegalen Akteure müssen in den Blickpunkt der Gesetzgebung gestellt werden. Die Geltung der Regeln muss sich über alle Plattformen erstrecken – unabhängig von Größe und Schwerpunkt (Interaktions-, Transaktions-, oder Spieleplattform). Nur so kann gegen illegale Verkäufer auf Plattformen wirkungsvoll vorgegangen werden – ohne Schlupflöcher zu lassen. Der Markenverband begrüßt, dass einige Plattformen bereits sehr engagiert gegen “illegale Schafe” auch auf Basis neuer Technologien vorgehen. Weitere Plattformen sollten diesem Ansatz auf jeden Fall folgen, durchaus abhängig von ihrer Größe und damit von ihren Möglichkeiten. Denn das Tätigwerden auf oder als Plattform muss bedeuten, dass Regeln eingehalten werden, online wie offline – zum Schutz der Verbraucher und auch kleinerer Markenunternehmen: Der IP Action Planstellt fest, dass diese Entrepreneure Unterstützung benötigen beim Aufbau ihres Geschäftes. Allerdings sind auch sie wirtschaftlich massiv gefährdet durch den Online-Handel mit Fälschungen ihrer Produkte. Sowohl Plattform-SMEs als auch Hersteller-SMEs müssen ausreichend Schutz erhalten!
Mit dem “Know Your Business Customer”-Prinzip hat die Europäische Kommission einen wichtigen Grundstein gelegt, um die häufig bestehende Anonymität von Anbietern auf Plattformen zu beenden. Um Verbrauchern wirklich die erforderlichen Informationen zu geben, sollten Anbieter auf Plattformen ihre Identität beim Einkauf von Dienstleistungen nur durch im elektronischen Rechtsverkehr anerkannte und täuschungssichere Verfahren nachweisen dürfen. Und zwar nicht nur bei dem Einkauf von Dienstleistungen auf den “traditionellen Marktplätzen”, sondern beim Einkauf von Dienstleistungen auf allen Plattformen, auf denen Verkäufe (Transaktionen) stattfinden.
Selbstverständlich ist der Schutz vor Fälschungen nur dann möglich, wenn verhindert wird, dass eine einmal gelöschte Fälschung erneut hochgeladen und angeboten wird. Denn Löschung von Fälschungen ist im Ergebnis wirkungslos, wenn Fälschungen immer wieder hochgeladen werden. Hierfür braucht es zwingend eine Ergänzung des “Notice and Take Down”-Vorschlags um ein “Stay Down”. Erst diese Kombination sorgt für wirksamen Schutz der Verbraucher und macht den Kampf gegen Fälschungsverkäufe effektiv.
Ziel muss sein, dass Verbraucher unbeschwert originale und damit sichere Produkte kaufen können – die illegal Agierenden dürfen nicht länger mit ihnen Katz und Maus spielen.