Critical Raw Materials (CRM) sind Rohstoffe, die weltweit knapp sind. Naheliegend wäre es, dass die kritischen Rohstoffe auch recycelt werden. Doch das ist nicht der Fall, die Recyclingquote liege bei vielen dieser Rohstoffe derzeit nahezu bei null. Im März will die Europäische Kommission den Raw Materials Act vorstellen, bis 2030 sollen mindestens 20 Prozent der Seltenen Erden zurückgewonnen werden, so das Ziel. Noch aber ist die Industrie nicht so weit. Leonie Düngefeld berichtet von der Raw Materials Week in Brüssel.
Bereits in der Umsetzung ist der Digital Markets Act. Im Spätsommer 2023 werde sich zeigen, welche Unternehmen mit ihrem Angebot unter den DMA fallen, berichtet Till Hoppe. Im Grunde eindeutig ist das Regelwerk: So muss ein Dienst etwa dauerhaft mindestens 45 Millionen aktive Nutzer monatlich innerhalb der EU haben. Doch neben feststehenden Kandidaten wie Apple und Google wird es auch Konzerne geben, die versuchen werden, ihren Markt und ihre Marktmacht kleinzurechnen.
Womöglich in die Endphase geht der Konflikt zwischen der EU-Kommission und Ungarn um die Rechtsstaatlichkeit. Beide Seiten haben sich angenähert, aber Europaabgeordnete warnen die Kommission fraktionsübergreifend, die Milliarden vorschnell freizugeben. Das Misstrauen gegenüber Premier Viktor Orbán ist groß, unter Parlamentariern ebenso wie Regierungen im Rat.
Ende März will die Europäische Kommission ihren Vorschlag für einen Critical Raw Materials Act vorstellen. Das Ziel: europäische Wertschöpfungsketten für strategisch wichtige Rohstoffe aufbauen und stärken. Eine wichtige Säule des Gesetzespakets soll der Aufbau einer Rohstoff-Kreislaufwirtschaft sein.
Während der Raw Materials Week, einer von der Kommission und Industriepartnern ausgerichteten Konferenz in Brüssel, betonte Binnenmarktkommissar Thierry Breton, der Gesetzesvorschlag solle auch konkrete Ziele für das Recycling kritischer Rohstoffe enthalten. In einem LinkedIn-Beitrag hatte er bereits im September als Beispiel das Ziel genannt, “dass bis 2030 mindestens 20 Prozent der in den Abfallströmen enthaltenen Seltenen Erden zurückgewonnen werden.”
Auch eine auf der Veranstaltung vorgestellte Studie der KU Leuven im Auftrag des Verbands der europäischen Nichteisenmetallindustrie Eurometaux kommt zu dem Ergebnis: “Recycling ist Europas wichtigste Chance, seine langfristige Autarkie zu stärken”. Bis 2050 könnte es 45 bis 65 Prozent des europäischen Bedarfs an Basismetallen decken, für Batteriemetalle sogar bis zu 77 Prozent, und sogar einen Überschuss an Seltenen Erden liefern. “Europas sauberes Energiesystem wird sich auf dauerhafte Metalle stützen, die in einer Kreislaufwirtschaft unbegrenzt erhalten bleiben können”, heißt es in dem Bericht.
Doch wie sieht es in der näheren Zukunft aus? Recycling müsse zwar eine wichtige Rolle in der Sicherung der Rohstoffversorgung spielen, sagte Kerstin Jorna, Generaldirektorin der DG Grow. “Kurz- und mittelfristig werden wir aber weiterhin Primärrohstoffe benötigen.” Die Studie der KU Leuven nennt einen Zeitraum von 20 Jahren, in denen neue Primärstoffe entscheidend für die europäische Energiewende sein werden. Dies liegt vor allem an dem explodierenden Bedarf an Lithium, Aluminium, Seltenen Erden und weiteren Rohstoffen. Es gibt jedoch einen weiteren Grund: Die Recyclingindustrie in Europa für die betroffenen Mineralien und Metalle befindet sich noch am Anfang.
“Bei den allermeisten sogenannten kritischen Rohstoffe sind die Recyclingquoten extrem niedrig. Man könnte sagen: nahezu null”, sagt Jens Gutzmer, Direktor des Helmholtz-Instituts Freiberg für Ressourcentechnologie. Dabei steht mindestens die Hälfte dieser Mineralien und Metalle schon seit über zehn Jahren auf der Liste kritischer Rohstoffe für die EU. “Wir haben es nicht geschafft, für irgendeinen dieser kritischen Rohstoffe eine Recyclingwertschöpfungskette aufzubauen, die jetzt einen signifikanten Impakt hätte, um die Primärrohstoffbasis zu entlasten.”
Laut dem Rohstoffforscher liegt dies jedoch nicht an einem Mangel an Ideen, Geldern und Laborexperimenten. Vielmehr hake es im letzten Schritt: im Hochskalieren der Experimente in den Industriebetrieb. Dies habe bislang weder in Deutschland noch anderswo in Europa funktioniert; das Risiko, welches den notwendigen Investitionen anhaftet, ist für den privaten Sektor einfach zu groß, erklärt Gutzmer.
“Das Einrichten einer Kreislaufwirtschaft für viele der Technologierohstoffe würde zunächst einmal eine Investition benötigen, ähnlich wie es die Erneuerbaren Energien gesehen haben.” Auch der Aufbau einer Industrie für Solar- und Windenergie sei zunächst nicht wirtschaftlich gewesen. Der Staat habe hier durch Eingriffe in den Markt dafür gesorgt, dass sie sich entwickeln konnte.
In China seien solche strategischen Subventionen längst üblich. “Das müssten wir in Europa auch akzeptieren, müssen die Industrie erstmal in Gang bringen, um diese Hürde zu überwinden”, sagt Gutzmer. Dadurch könne man bei Hochtechnologiemetallen einen viel höheren Beitrag zum Recycling leisten.
Selbst wenn die Recyclingverfahren dann auf den Industriemaßstab hochgefahren sind, ist das verfügbare Material ein weiteres Problem: Die betroffenen Produkte haben meist lange Lebensdauern; die Batterie eines Elektrofahrzeuges etwa kann erst nach etwa 15 Jahren recycelt werden.
In Ländern wie China, wo es schon viel früher einen Markt und größere Produktionskapazitäten für Lithium-Ionen-Zellen gab, wurde auch die Recyclingindustrie schneller hochgefahren. Firmen konnten dort gewissermaßen bereits mit Produktionsschrott und Mangelware Recyclingverfahren erproben und optimieren (Europe.Table berichtete).
Deshalb sei es wichtig, dafür zu sorgen, dass Sekundärrohstoffe nicht exportiert werden, sondern Teil der heimischen Rohstoffbasis bleiben, sagt Paolo Cerruti, COO von Batteriehersteller Northvolt. Er fordert ein Verbot für Exporte von recycelbaren Wertstoffen. “Wir müssen unsere eigenen Materialien innerhalb unserer Grenzen behalten”, sagte er diese Woche in Brüssel.
Anstatt sich zu sehr auf das Recycling zu konzentrieren, müssen Politik und Industrie außerdem andere Strategien der Kreislaufwirtschaft in großem Maßstab vorantreiben. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Nachhaltigkeitsberatung Systemiq mit Unterstützung der European Climate Foundation (Europe.Table berichtete). Dazu gehöre zum Beispiel, Carsharing-Angebote zu fördern, den Einsatz bestimmter Rohstoffe zu reduzieren sowie Produkte und Materialien länger in Verwendung zu halten.
Verschiedene Nichtregierungsorganisationen fordern längst verbindliche Ziele für eine Reduzierung des Primärrohstoffverbrauchs. Was für die Begrenzung von CO₂-Emissionen möglich war, muss auch für den Konsum von Rohstoffen und Gütern erreicht werden, erklärte ein Aktivist Europe.Table. Die Kommission habe sich offen für diese Idee gezeigt – wolle solche Ziele jedoch nicht mehr im laufenden Mandat formulieren.
Richtig ernst wird es erst ab Anfang Mai, wenn der Digital Markets Act greift. Informell aber sprechen EU-Kommission und die großen Digitalunternehmen bereits über die neuen Regeln, die die Marktmacht der Konzerne begrenzen sollen. Bislang seien die Kontakte recht konstruktiv, heißt es in Brüssel: “Aber gekämpft wird dort, wo es den Unternehmen wehtut.”
Zunächst einmal geht es um die Frage, welche Unternehmen mit welchen ihrer Angebote überhaupt unter den DMA fallen. Das Regelwerk enthält klare Schwellenwerte für die sogenannten Gatekeeper – so muss ein Dienst etwa dauerhaft mindestens 45 Millionen aktive Nutzer monatlich in der EU haben. Der Gesetzestext listet zudem auf, für welche Arten von Diensten die Verhaltensvorgaben des DMA gelten, etwa Suchmaschinen, soziale Netzwerke oder App-Stores.
Aber nicht alle Fälle sind so eindeutig wie Googles Online-Suche oder Apples App-Store. In Grenzfällen könnten die Unternehmen versuchen, durch eine Abgrenzung des Marktes in ihrem Sinne unterhalb der Schwellen zu bleiben – die Kommission will sich auf solche Diskussionen gar nicht erst einlassen. Zudem gibt es Fälle wie Microsofts Suchmaschine Bing, in denen womöglich die Schwellen für Nutzerzahlen, Umsatz und Börsenwert erreicht werden, die Anbieter aber dennoch wenig Marktmacht haben. Hinzu kommt: Der DMA sieht auch die weichere Kategorie der “emerging gatekeepers” vor, die die quantitativen Werte noch nicht ganz erreicht haben.
Wer alles unter den DMA fallen wird, wird sich daher erst im Spätsommer kommenden Jahres zeigen. Nach dem Start am 2. Mai haben die Unternehmen zwei Monate Zeit, ihre Dienste bei der Kommission zu melden, wenn sie die Kriterien erfüllen. Der Behörde bleiben dann jeweils 45 Arbeitstage, um ein Unternehmen als Gatekeeper einzustufen und damit an die zahlreichen Ge- und Verbote der Artikel 5 und 6 des DMA zu binden. Die Firmen können dagegen noch Einspruch erheben. In der Kommission stellt man sich darauf ein, dass dies zumindest in den Grenzfällen durchaus passieren dürfte.
Die Entscheidung bei den weniger eindeutigen Fällen, ob ein Unternehmen in die Kategorie Gatekeeper fällt, will die Behörde erst in einer zweiten Welle angehen, auch um die anfangs hohe Arbeitslast besser zu verteilen. 80 Stellen sind in der Behörde für die Aufsicht vorgesehen, teils durch interne Verschiebungen, teils durch neue Stellen in den Generaldirektionen Wettbewerb und Connect. Rund 60 Experten werden überdies bei Connect und der zur Kommission gehörigen Forschungsstelle JRC eingestellt, um den parallel in Kraft tretenden Digital Services Act umzusetzen. Weiter aufstocken will die Kommission im kommenden Jahr, wenn die Einnahmen aus der Aufsichtsgebühr fließen, die die betroffenen Konzerne entrichten müssen.
Die Teams in der neuen Einheit sollen nicht an einzelnen Gatekeepern ausgerichtet werden – es wird also kein Team Apple oder Team Amazon geben. Vielmehr sollen sich jeweils die Experten aus den beiden Generaldirektionen thematisch um die einzelnen Plattformdienste und die auf sie zugeschnittenen Verhaltensvorgaben kümmern.
Die Beamten der DG Connect sollen überdies dafür sorgen, dass die Erkenntnisse aus der Aufsicht über die großen Plattformen im Rahmen des DSA einfließen, etwa zur Online-Werbung. Die Leitung der neuen Einheit bei Connect übernimmt Filomena Chirico, die zuvor im Kabinett von Binnenmarktkommissar Thierry Breton für den DMA verantwortlich war. Für DMA und DSA zuständig sein wird zudem die neue stellvertretende Generaldirektorin Renate Nikolay, bislang Kabinettschefin der Vizepräsidentin Věra Jourová.
Die Aufgabe der Experten wird es sein, über die Einhaltung der Verpflichtungen im DMA zu wachen. Nach ihrer Zuordnung als Gatekeeper haben die Unternehmen sechs Monate Zeit, um die nötigen technischen und organisatorischen Änderungen durchzuführen. In einem Compliance-Bericht müssen sie der Kommission darlegen, wie sie die Vorgaben nun zu erfüllen gedenken.
Die Behörde kann dann, auch nach Rücksprache mit anderen Marktteilnehmern, konkrete Nachbesserungen verlangen. Die Stakeholder sollen auch im Vorfeld bereits eingebunden werden: So plant die Kommission für den 5. Dezember einen Workshop, um darüber zu diskutieren, wie das Verbot für die Gatekeeper, eigene Angebote zu bevorzugen, in der Praxis umgesetzt werden kann.
Teils haben die Konzerne die Änderungen auch schon vorweggenommen: So kündigte Google an, die Entwickler von Apps für den Play-Store könnten ihren europäischen Nutzern nun auch andere Bezahlsysteme anbieten als das von Google vorgesehene. Das entspricht einer der Vorgaben aus dem DMA, die auf App-Stores zielt.
Anders als beim DSA spielen die nationalen Behörden in den Mitgliedstaaten nur eine untergeordnete Rolle bei der Durchsetzung der neuen Regeln. Die Kommission wurde im DMA als “sole enforcer” festgeschrieben. Die nationalen Wettbewerbsbehörden können ihr nur zuarbeiten, etwa indem sie Beschwerden entgegennehmen. Das Bundeskartellamt soll überdies im Rahmen der laufenden 11. GWB-Novelle das Recht bekommen, Ermittlungen zu möglichen DMA-Verstößen durchzuführen. Über die Ergebnisse soll es dann an die Kommission berichten.
Das Kartellamt wird auch deutlich weniger Spielraum haben, selbst auf Basis des deutschen Wettbewerbsrechts gegen die Digitalkonzerne vorzugehen. Für Praktiken, die durch den DMA abgedeckt seien, werde “kein Interventionsbedarf auf Basis des Wettbewerbsrechts mehr bestehen”, sagt ein Sprecher der Bonner Behörde. Soweit es allerdings um nicht vom DMA erfasste Kombinationen von Diensten und Verhaltensweisen gehe, seien Untersagungen auf Basis des Paragrafen 19 a des GWB weiterhin möglich.
Nach der Einführung des neuen Paragrafen 19 a im GWB Anfang 2021 hat das Kartellamt bereits eine Reihe von Verfahren gegen die Digitalkonzerne eingeleitet – zuletzt gegen Amazon. Inwieweit die Behörde diese Fälle weiter vorantreibe, werde nun mit der Kommission abgestimmt, so der Sprecher. Hier sei “fallspezifisch ggfs. zu klären, inwieweit die Gegenstände laufender Verfahren unter den DMA fallen”.
21.11.2022 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Landwirtschaft und Fischerei
Themen: Informationen und Gedankenaustausch zur Umsetzung der neuen EU-Forststrategie für 2030, Informationen der Kommission zur Verordnung über die Wiederherstellung der Natur (landwirtschaftliche Aspekte), Information der Kommission zur EU-Bioökonomie-Konferenz 2022 (Brüssel, 6.-7. Oktober 2022). Vorläufige Tagesordnung
21.11.2022 – 17:00-22:00 Uhr
Plenartagung des EU-Parlaments: Schienenpersonenverkehr, Finanzierung NextGenerationEU
Themen: Bericht zum Aktionsplan zur Förderung des Schienenpersonenverkehrs auf Fern- und grenzüberschreitenden Strecken, Bericht zur Anleihestrategie zur Finanzierung von NextGenerationEU. Vorläufige Tagesordnung
22.11.2022
Wöchentliche Kommissionssitzung
Themen: Debatten und Aussprachen zum Herbstpaket für das Europäische Semester. Vorläufige Tagesordnung
22.11.2022
Trilog: ETS
Themen: Die Einbeziehung des Schiffverkehrs in den ETS steht ganz oben auf der Agenda. Der Rat will das Thema bereits abschließen. Im Parlament herrscht noch Skepsis, ob das realistisch ist. Zudem sollen die ersten Gespräche zum ETS 2 im Trilog geführt werden. Eine Einigung ist jedoch nicht in Aussicht. Auch die Aufnahme von Müllverbrennung und Biomasse in den ETS sowie die Vergrößerung von Modernisierungs- und Innovationsfonds stehen auf dem Programm.
22.11.2022 – 09:00-22:00 Uhr
Plenartagung des EU-Parlaments: kritische Einrichtungen, Terrorismus, Beziehung EU-China
Themen: Aussprache zur Resilienz kritischer Einrichtungen, Abstimmung zur Einstufung der Russischen Föderation als dem Terrorismus Vorschub leistenden Staat, Aussprache zur Beziehungen zwischen der EU und China. Vorläufige Tagesordnung
22.11.2022 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Allgemeine Angelegenheiten (Kohäsion)
Themen: Gedankenaustausch zu langfristigen Auswirkungen der Kohäsionspolitik auf die Regionen der EU, Billigung der Schlussfolgerungen zur Kohäsionspolitik. Vorläufige Tagesordnung
23.11.2022 – 09:00-22:00 Uhr
Plenartagung des EU-Parlaments: Haushalt 2023, Berichtigungshaushalt 2022, europäische Finanzarchitektur
Themen: Abstimmung zum Haushaltsverfahren 2023, Abstimmung zum Entwurf des Berichtigungshaushaltsplans 2022 (zusätzliche Maßnahmen zur Bewältigung der Folgen des Kriegs Russlands gegen die Ukraine), Aussprache zur künftigen europäischen Finanzarchitektur zur Förderung der Entwicklung. Vorläufige Tagesordnung
24.11.2022 – 09:00-16:00 Uhr
Plenartagung des EU-Parlaments: Weg in die digitale Dekade
Themen: Aussprache zum Politikprogramm für 2030 “Weg in die digitale Dekade”. Vorläufige Tagesordnung
24.11.2022 – 09:30 Uhr
Rat der EU: Energie (außerordentliche Tagung)
Themen: Politische Einigung zur Verordnung des Rates über mehr Solidarität durch eine bessere Koordinierung der Gasbeschaffung, den grenzüberschreitenden Austausch von Gas und zuverlässige Preis-Referenzwerte, politische Einigung zur Verordnung des Rates zur Festlegung eines Rahmens zur Beschleunigung des Einsatzes erneuerbarer Energien. Vorläufige Tagesordnung
25.11.2022 – 09:30 Uhr
Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten (Handel)
Themen: Sachstand zur WTO-Reform und Vorbereitungen für die 13. WTO-Ministerkonferenz, Sachstand zu Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA, Orientierungsaussprache zur Handelsunterstützung für die Ukraine. Vorläufige Tagesordnung
Die Berichterstatter des Europaparlaments haben die EU-Kommission davor gewarnt, wegen rechtsstaatlicher Mängel zurückgehaltene Gelder an Ungarn freizugeben. Die zwischen Kommission und Budapest diskutierten Maßnahmen seien nicht geeignet, um die Risiken für das EU-Budget aus der Welt zu schaffen, sagte die S&D-Abgeordnete Eider Gardiazabal Rubial. “Keine dieser Maßnahmen wird die Probleme lösen, die in den Bereichen Korruption und öffentliches Auftragswesen aufgezeigt wurden.”
Die Kommission hatte wegen der Missstände in Ungarn ein Verfahren nach dem neuen Konditionalitätsmechanismus eingeleitet. Mitte September legte die Behörde den Mitgliedstaaten den Vorschlag vor, 7,5 Milliarden Euro aus EU-Strukturfonds einzubehalten, wenn die Regierung in Budapest nicht einen Katalog von 17 Maßnahmen umsetzt.
Die Verhandlungen laufen noch, aber in Brüssel wird damit gerechnet, dass Ministerpräsident Viktor Orbán die Bedingungen akzeptiert. Der Regierungschef steht unter erheblichem wirtschaftlichem Druck. Das Haushaltsdefizit dürfte in diesem Jahr bei mehr als sechs Prozent des BIP liegen. Die Kommission sagt in ihrer Herbstprognose für das kommende Jahr überdies ein Nullwachstum voraus, bei einer Inflationsrate von mehr als 15 Prozent.
Für Orbán stehen nicht nur die 7,5 Milliarden aus dem EU-Budget auf dem Spiel, sondern weitere 7,2 Milliarden Euro, die Ungarn eigentlich aus dem Corona-Aufbaufonds zustehen. Beide Verfahren sind formell eigenständig, aber eng verknüpft, da Budapest die Unabhängigkeit der Justiz verbessern muss, um die Gelder aus der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) zu erhalten.
Kommission und ungarische Regierung haben sich in den Verhandlungen bereits stark angenähert. Ein enger Mitarbeiter Orbáns sprach zuletzt von “guten Chancen”, sich binnen Tagen oder weniger Wochen zu einigen. Innerhalb der Kommission gibt es aber Widerstand gegen die Freigabe der Mittel aus der ARF und dem EU-Budget. Daher ist fraglich, ob die Behörde bereits nächste Woche ihre Empfehlungen veröffentlichen wird.
Unter den Mitgliedstaaten besteht die Sorge, dass die Kommission zu keinem klaren Ergebnis kommt und die heikle Entscheidung dem Rat zuschiebt. Dieser muss in Sachen Konditionalität bis zum 19. Dezember entscheiden. Heute diskutieren die Europaminister beim Allgemeinen Rat über das Thema.
Sollte Orbán die Bedingungen der Kommission weitgehend erfüllen, gäbe es im Rat wohl nicht die erforderliche Mehrheit, um Ungarn dennoch die Gelder vorzuenthalten. Die Sorge ist aber groß, dass Orbán die zugesagten Reformen nicht einlöst oder unterläuft. Sowohl im Rat als auch im Europaparlament wird daher ein längerfristiges Monitoring gefordert. “In dieser Zeit sollten die Gelder eingefroren bleiben, um einen Anreiz zu setzen”, fordert der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund. tho
Die Europäische Union hat sich auf ein sechs Milliarden Euro teures Satelliten-Internet-System geeinigt. Damit will die EU ihren eigenen Raumfahrt- und Kommunikationssektor stärken und die Sicherheit gewährleisten und auf diese Weise ihre Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten verringern. Darauf haben sich Vertreter des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates am Donnerstag geeinigt. Die Europäische Kommission hatte die Initiative zum Bau und Betrieb eines Satelliten-Internet-Systems im Februar angekündigt.
Das Vorhaben der EU kommt in einer Zeit wachsender Besorgnis über die militärischen Fortschritte Russlands und Chinas im Weltraum und einer Zunahme von Satellitenstarts. Ein eigenes Satelliten-Internet-System könnte der EU helfen, die Einführung von Breitbandinternet in Europa zu beschleunigen, und es würde auch Afrika abdecken, sodass die EU den Ländern dort eine Alternative zur chinesischen Konkurrenz bieten könnte.
Die Kommission will 2,4 Milliarden Euro aus verschiedenen EU-Programmen umleiten und nicht ausgegebene Mittel aus anderen EU-Projekten verwenden, während der Privatsektor die restlichen 3,6 Milliarden Euro aufbringen soll. Mit der Entwicklung und dem Einsatz von Satelliten könnte im nächsten Jahr begonnen werden, sodass im Jahr 2028 ein vollständiger Dienst mit einer hochgradigen Verschlüsselung zur Verfügung steht. rtr
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat im Entstehungsprozess des EU-weiten Lieferkettengesetzes dem Europaparlament mangelnde Praxisnähe vorgeworfen. “Dem EU-Parlament scheint das Augenmaß für die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen in der Krise zu fehlen”, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm am Donnerstag. Der Anwendungsbereich über die gesamte Wertschöpfungskette sei “realitätsfern”. Er forderte einen eingeschränkteren Umfang der Gesetzgebung, von der weitreichende Auswirkungen auf das China-Geschäft erwartet werden. “Verpflichtende rechtliche Anforderungen müssen sich auf die direkten Zulieferer beschränken. Sonst sind sie in der täglichen Praxis nicht umsetzbar.”
Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hatte sich am Donnerstag mit einem Berichtsentwurf zum EU-Lieferkettengesetz befasst. Derzeit wird innerhalb der EU-Institutionen über die Details der Ausgestaltung verhandelt. Lara Wolters, zuständige Berichterstatterin des Europaparlaments für das Lieferkettengesetz, betonte, dass weiterhin eine Abdeckung der gesamten Wertschöpfungskette das Ziel sei.
Neben dem Umfang der Gesetzgebung ist auch die Frage noch offen, wie Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden können – auch von direkt Betroffenen in Drittländern. Das EU-Lieferkettengesetz soll weiter reichen als das deutsche. Das deutsche Lieferkettengesetz tritt Anfang 2023 in Kraft. Bis wann genau die EU-weite Gesetzgebung abgeschlossen sein wird, ist noch nicht klar. ari
Der Haushaltsausschuss des Europaparlaments fordert die Kommission auf, den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFF) angesichts der Herausforderungen durch Krieg, Inflation und hoher Energiepreise so schnell wie möglich einer “ehrgeizigen Überarbeitung” zu unterziehen. Mit dem Beschluss des Haushaltsausschusses aus der gestrigen Sitzung fordern die Abgeordneten aber, “dass die Überarbeitung nicht zu einer Abwärtskorrektur der vorab zugewiesenen nationalen Finanzrahmen oder EU-Programme führen darf”. Die Kommission solle spätestens im ersten Quartal 2023 ihren Gesetzgebungsvorschlag vorlegen.
Der mehrjährige Finanzrahmen hat eine Laufzeit von 2021 bis 2027. Insgesamt sind Ausgaben in Höhe von 1210 Milliarden Euro vorgesehen. Turnusgemäß steht zur Hälfte der Laufzeit eine Revision durch die Kommission an. Die Kommission hatte die Revision für Mitte 2023 angekündigt. Das Parlament will die Kommission nun dazu bringen, den Gesetzesvorschlag für die Revision mehrere Monate früher vorzulegen.
Haushälter Rasmus Andresen (Grüne) unterstützt den Beschluss: “Der EU-Haushalt muss krisenfest und flexibel werden – gerade vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges in der Ukraine und immer mehr drohenden Naturkatastrophen.” Andresen, der auch die Gruppe der deutschen Grünen-Abgeordneten im Europaparlament leitet, hätte sich an “einigen Stellen noch eine stärkere Haltung bei Klima, Biodiversität und Geschlechtergerechtigkeit gewünscht”. Es müsse jetzt Druck auf die Mitgliedstaaten aufgebaut werden, damit diese die EU finanziell zukunftsfähig aufstellen. mgr
Kurz bevor der Ausschuss der Ständigen Vertreter am heutigen Freitag die Allgemeine Ausrichtung zum AI Act abstimmen soll, warnen Daten- und Verbraucherschützer, dass der Gesetzesvorschlag viele riskante Ausnahmen enthalte. “Die Vertreter der Mitgliedstaaten stehen kurz davor, sich auf einen schwachen Standpunkt zum Gesetz über künstliche Intelligenz zu einigen, und die Verbraucher haben Grund, sich Sorgen zu machen”, sagte Frederico Oliveira da Silva, Senior Legal Officer beim Europäischen Verbraucherverband (BEUC).
Der Vorschlag in seiner jetzigen Form enthalte viele Schlupflöcher, kritisiert die Grundrechtsorganisation Digitalcourage. “Er muss bei dem morgigen Treffen dringend nachgebessert werden für einen konsequenten Schutz vor biometrischer Massenüberwachung – so wie im Koalitionsvertrag versprochen.”
Die tschechische Ratspräsidentschaft hatte Ende vergangener Woche den Vorschlag für eine Allgemeine Ausrichtung an die Mitgliedstaaten verschickt. Auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung steht die Allgemeine Ausrichtung zum AI Act unter Teil 2, also unter den Punkten, die noch eine Aussprache erfordern.
Für die Aussprache ist jedoch nur eine Stunde vorgesehen. Zuletzt hatte es im Text nur noch kleinere Anpassungen gegeben, sodass hier keine Überraschungen mehr zu erwarten sind. Dann können die Minister auf dem Telekommunikationsrat am 6. Dezember die Allgemeine Ausrichtung beschließen.
Trotz kleinerer Verbesserungen in einigen Bereichen gebe es viele Fragen, die entweder nicht angesprochen oder verwässert worden seien, kritisiert Oliveira da Silva vom BEUC. So sei beispielsweise die Einführung von Ausnahmen für eine ganze Reihe von risikoreichen KI-Systemen unklug. Auch sei die Liste verbotener Praktiken wie die biometrische Fernidentifizierung nicht auf private Akteure ausgeweitet worden. Zudem müssten die Verbraucher auf kollektive Rechtsmittel zählen können, wenn ein KI-System ihnen Schaden zufüge. “Wir fordern die nationalen Regierungen auf, diese großen Lücken in ihrer Position zu korrigieren, bevor es zu spät ist!”, sagte Oliveira da Silva.
Digitalcourage kritisiert ebenfalls, dass das Verbot biometrischer Massenüberwachung auf die Strafverfolgungsbehörden wie auch auf “Echtzeit”-biometrische Identifizierungssysteme beschränkt sei. “Nachgelagerte Überwachung durch KI-Systeme ist aber genauso gefährlich“, meint Digitalcourage. “Ein Verbot mit so vielen Ausnahmen ist kein Verbot und wird seinem Namen nicht gerecht”, sagte Konstantin Macher von Digitalcourage und forderte die Bundesregierung auf, ihr Wort zu halten und “ein konsequentes Verbot biometrischer Massenüberwachung ohne Schlupflöcher durchsetzen.”
Zu spät kommt die Kritik nicht, weil das Parlament seine Verhandlungen über den AI Act noch lange nicht abgeschlossen hat. Eine Einigung bis Ende des Jahres halten mehrere den Verhandlungen nahestehende Personen für nahezu aussichtslos. Es seien immer noch weite Teile ungeklärt. Die wichtigsten Fragen wie die Definition von Künstlicher Intelligenz, Allzweck-KI, Risiko-Assessments, Governance oder Enforcement seien entweder noch gar nicht diskutiert oder “maximal anverhandelt” worden. vis
Wenige Tage vor dem Auslaufen des Ukraine-Getreideabkommens ist die für die weltweiten Nahrungsmittel-Exporte wichtige Vereinbarung verlängert worden. Das unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei im Juli erzielte Abkommen mit Russland wird um 120 Tage fortgeführt, wie alle Beteiligten am Donnerstag bestätigten. Der ukrainische Infrastrukturminister Olexander Kubrakow sprach von einem “wichtigen Schritt im globalen Kampf gegen die Lebensmittelkrise“.
UN-Generalsekretär António Guterres betonte, die Vereinten Nationen würden sich umfassend dafür einsetzen, auch die Hindernisse für russische Nahrungsmittel- und Düngerexporte zu beseitigen. Diesen Punkt hatte die Regierung in Moskau zur Bedingung für ihre Zustimmung gemacht. Die Frist zur Verlängerung wäre am Samstag abgelaufen.
Das Abkommen sieht vor, dass die Ukraine trotz des russischen Krieges durch einen Schutzkorridor im Schwarzen Meer ihr Getreide verschiffen kann. Im Gegenzug fordert Russland aber von den UN auch Unterstützung dabei, seine eigenen Agrarprodukte ausliefern zu können. Russische Agrarexporte unterliegen zwar nicht explizit den von den USA und der EU im Zuge des Kriegs verhängten Sanktionen. Sie werden aber nach russischer Darstellung stark behindert durch die Strafmaßnahmen, die gegen die russischen Finanz- und Logistiksektoren beschlossen wurden.
Die Generalsekretärin der UN-Welthandels- und Entwicklungskonferenz (UNCTAD), Rebeca Grynspan, erklärte, die Laufzeitverlängerung sei eine gute Nachricht und ein Hoffnungszeichen für die globale Nahrungsmittelsicherheit und Entwicklungsländer. Sie fügte aber hinzu: “Als Nächstes muss die Düngemittelknappheit gelöst werden.” rtr
“Sie isst nur Körner!” In einem Land, in dem man sich über die Frage streitet, ob (viel) Fleisch essen und Machismo Hand in Hand gehen, sind die kulinarischen Gewohnheiten der Premierministerin nicht von der Polemik verschont geblieben. Als sie im Sommer von einem Berater der Regierung beschuldigt wurde, “nur Körner” zu essen, antwortete die Premierministerin einige Tage später in der Zeitschrift Elle: “Ganz ehrlich, durch meinen beruflichen Werdegang bin ich ziemlich gepanzert. Aber wenn ich Artikel sehe, die meine angeblichen Essgewohnheiten angreifen, dann denke ich, dass ich träume. Das ist eine unglaubliche Form von Sexismus”, empörte sie sich in der Zeitschrift.
Damit zeigte sie, dass sie sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen würde. Seit ihrer Ernennung zur Premierministerin durch Emmanuel Macron im Mai dieses Jahres ist sie nicht mehr die graue und fade Technikerin, so wie sie von vielen gesehen wurde, sondern auch als eine Frau, die es versteht zu attackieren.
Die Frau, die in den Korridoren der Pariser Macht als “Borne-out” oder “Darth Vader” bezeichnet wird, hat den Ruf, ein Arbeitstier zu sein, das dafür bekannt ist, seine Mitarbeiter zu zermürben. Was ist ihre Methode? “Ich war Ingenieurin, Präfektin und Unternehmerin. Ich glaube an Ergebnisse, nicht an Etiketten“, sagte sie.
Sie erinnerte auch daran, dass sie Erfahrung mit schwierigen Verhandlungen und brisanten Reformen hat (wie die Reform der SNCF und der Arbeitslosenversicherung unter dem vorherigen Fünfjahreszeitraum) und dass sie “liefern” kann.
Und die, die als so steif gilt, sprach in einem sehr seltenen Moment der Offenheit über ihr Privatleben auch über das Drama ihrer Kindheit: den Selbstmord ihres Vaters, als sie elf Jahre alt war, eines jüdischen Widerstandskämpfers, der nach Auschwitz deportiert wurde. Elisabeth Borne sucht nach politischen Kompromissen – was in Frankreich selten genug ist – und weist daher Eigenschaften auf, die weitaus “Scholz-kompatibler” sind als die Flamboyanz, die der französische Präsident an den Tag legen kann.
In Frankreich liegt dies jedoch auch in der Natur des Mandats des Premierministers: Der französische Regierungschef ist die Nummer zwei im Staat. Der vom Staatspräsidenten ernannte Bewohner des Hôtel Matignon hat insbesondere einen Teil der Exekutivgewalt inne und leitet die Arbeit der Regierung. Aber nicht nur das. Gemäß der Theorie der “Sicherung” nimmt der französische Premierminister die Schläge für den Präsidenten hin. Daher sieht sich Elisabeth Borne in der kommenden Woche in der Pflicht, die momentan starken Spannungen zwischen Paris und Berlin abzubauen. Wenn ihr das gelingt, wird Emmanuel Macron davon profitieren. Wenn sie scheitert, ist die Schuld allein bei ihr zu suchen.
Critical Raw Materials (CRM) sind Rohstoffe, die weltweit knapp sind. Naheliegend wäre es, dass die kritischen Rohstoffe auch recycelt werden. Doch das ist nicht der Fall, die Recyclingquote liege bei vielen dieser Rohstoffe derzeit nahezu bei null. Im März will die Europäische Kommission den Raw Materials Act vorstellen, bis 2030 sollen mindestens 20 Prozent der Seltenen Erden zurückgewonnen werden, so das Ziel. Noch aber ist die Industrie nicht so weit. Leonie Düngefeld berichtet von der Raw Materials Week in Brüssel.
Bereits in der Umsetzung ist der Digital Markets Act. Im Spätsommer 2023 werde sich zeigen, welche Unternehmen mit ihrem Angebot unter den DMA fallen, berichtet Till Hoppe. Im Grunde eindeutig ist das Regelwerk: So muss ein Dienst etwa dauerhaft mindestens 45 Millionen aktive Nutzer monatlich innerhalb der EU haben. Doch neben feststehenden Kandidaten wie Apple und Google wird es auch Konzerne geben, die versuchen werden, ihren Markt und ihre Marktmacht kleinzurechnen.
Womöglich in die Endphase geht der Konflikt zwischen der EU-Kommission und Ungarn um die Rechtsstaatlichkeit. Beide Seiten haben sich angenähert, aber Europaabgeordnete warnen die Kommission fraktionsübergreifend, die Milliarden vorschnell freizugeben. Das Misstrauen gegenüber Premier Viktor Orbán ist groß, unter Parlamentariern ebenso wie Regierungen im Rat.
Ende März will die Europäische Kommission ihren Vorschlag für einen Critical Raw Materials Act vorstellen. Das Ziel: europäische Wertschöpfungsketten für strategisch wichtige Rohstoffe aufbauen und stärken. Eine wichtige Säule des Gesetzespakets soll der Aufbau einer Rohstoff-Kreislaufwirtschaft sein.
Während der Raw Materials Week, einer von der Kommission und Industriepartnern ausgerichteten Konferenz in Brüssel, betonte Binnenmarktkommissar Thierry Breton, der Gesetzesvorschlag solle auch konkrete Ziele für das Recycling kritischer Rohstoffe enthalten. In einem LinkedIn-Beitrag hatte er bereits im September als Beispiel das Ziel genannt, “dass bis 2030 mindestens 20 Prozent der in den Abfallströmen enthaltenen Seltenen Erden zurückgewonnen werden.”
Auch eine auf der Veranstaltung vorgestellte Studie der KU Leuven im Auftrag des Verbands der europäischen Nichteisenmetallindustrie Eurometaux kommt zu dem Ergebnis: “Recycling ist Europas wichtigste Chance, seine langfristige Autarkie zu stärken”. Bis 2050 könnte es 45 bis 65 Prozent des europäischen Bedarfs an Basismetallen decken, für Batteriemetalle sogar bis zu 77 Prozent, und sogar einen Überschuss an Seltenen Erden liefern. “Europas sauberes Energiesystem wird sich auf dauerhafte Metalle stützen, die in einer Kreislaufwirtschaft unbegrenzt erhalten bleiben können”, heißt es in dem Bericht.
Doch wie sieht es in der näheren Zukunft aus? Recycling müsse zwar eine wichtige Rolle in der Sicherung der Rohstoffversorgung spielen, sagte Kerstin Jorna, Generaldirektorin der DG Grow. “Kurz- und mittelfristig werden wir aber weiterhin Primärrohstoffe benötigen.” Die Studie der KU Leuven nennt einen Zeitraum von 20 Jahren, in denen neue Primärstoffe entscheidend für die europäische Energiewende sein werden. Dies liegt vor allem an dem explodierenden Bedarf an Lithium, Aluminium, Seltenen Erden und weiteren Rohstoffen. Es gibt jedoch einen weiteren Grund: Die Recyclingindustrie in Europa für die betroffenen Mineralien und Metalle befindet sich noch am Anfang.
“Bei den allermeisten sogenannten kritischen Rohstoffe sind die Recyclingquoten extrem niedrig. Man könnte sagen: nahezu null”, sagt Jens Gutzmer, Direktor des Helmholtz-Instituts Freiberg für Ressourcentechnologie. Dabei steht mindestens die Hälfte dieser Mineralien und Metalle schon seit über zehn Jahren auf der Liste kritischer Rohstoffe für die EU. “Wir haben es nicht geschafft, für irgendeinen dieser kritischen Rohstoffe eine Recyclingwertschöpfungskette aufzubauen, die jetzt einen signifikanten Impakt hätte, um die Primärrohstoffbasis zu entlasten.”
Laut dem Rohstoffforscher liegt dies jedoch nicht an einem Mangel an Ideen, Geldern und Laborexperimenten. Vielmehr hake es im letzten Schritt: im Hochskalieren der Experimente in den Industriebetrieb. Dies habe bislang weder in Deutschland noch anderswo in Europa funktioniert; das Risiko, welches den notwendigen Investitionen anhaftet, ist für den privaten Sektor einfach zu groß, erklärt Gutzmer.
“Das Einrichten einer Kreislaufwirtschaft für viele der Technologierohstoffe würde zunächst einmal eine Investition benötigen, ähnlich wie es die Erneuerbaren Energien gesehen haben.” Auch der Aufbau einer Industrie für Solar- und Windenergie sei zunächst nicht wirtschaftlich gewesen. Der Staat habe hier durch Eingriffe in den Markt dafür gesorgt, dass sie sich entwickeln konnte.
In China seien solche strategischen Subventionen längst üblich. “Das müssten wir in Europa auch akzeptieren, müssen die Industrie erstmal in Gang bringen, um diese Hürde zu überwinden”, sagt Gutzmer. Dadurch könne man bei Hochtechnologiemetallen einen viel höheren Beitrag zum Recycling leisten.
Selbst wenn die Recyclingverfahren dann auf den Industriemaßstab hochgefahren sind, ist das verfügbare Material ein weiteres Problem: Die betroffenen Produkte haben meist lange Lebensdauern; die Batterie eines Elektrofahrzeuges etwa kann erst nach etwa 15 Jahren recycelt werden.
In Ländern wie China, wo es schon viel früher einen Markt und größere Produktionskapazitäten für Lithium-Ionen-Zellen gab, wurde auch die Recyclingindustrie schneller hochgefahren. Firmen konnten dort gewissermaßen bereits mit Produktionsschrott und Mangelware Recyclingverfahren erproben und optimieren (Europe.Table berichtete).
Deshalb sei es wichtig, dafür zu sorgen, dass Sekundärrohstoffe nicht exportiert werden, sondern Teil der heimischen Rohstoffbasis bleiben, sagt Paolo Cerruti, COO von Batteriehersteller Northvolt. Er fordert ein Verbot für Exporte von recycelbaren Wertstoffen. “Wir müssen unsere eigenen Materialien innerhalb unserer Grenzen behalten”, sagte er diese Woche in Brüssel.
Anstatt sich zu sehr auf das Recycling zu konzentrieren, müssen Politik und Industrie außerdem andere Strategien der Kreislaufwirtschaft in großem Maßstab vorantreiben. Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie der Nachhaltigkeitsberatung Systemiq mit Unterstützung der European Climate Foundation (Europe.Table berichtete). Dazu gehöre zum Beispiel, Carsharing-Angebote zu fördern, den Einsatz bestimmter Rohstoffe zu reduzieren sowie Produkte und Materialien länger in Verwendung zu halten.
Verschiedene Nichtregierungsorganisationen fordern längst verbindliche Ziele für eine Reduzierung des Primärrohstoffverbrauchs. Was für die Begrenzung von CO₂-Emissionen möglich war, muss auch für den Konsum von Rohstoffen und Gütern erreicht werden, erklärte ein Aktivist Europe.Table. Die Kommission habe sich offen für diese Idee gezeigt – wolle solche Ziele jedoch nicht mehr im laufenden Mandat formulieren.
Richtig ernst wird es erst ab Anfang Mai, wenn der Digital Markets Act greift. Informell aber sprechen EU-Kommission und die großen Digitalunternehmen bereits über die neuen Regeln, die die Marktmacht der Konzerne begrenzen sollen. Bislang seien die Kontakte recht konstruktiv, heißt es in Brüssel: “Aber gekämpft wird dort, wo es den Unternehmen wehtut.”
Zunächst einmal geht es um die Frage, welche Unternehmen mit welchen ihrer Angebote überhaupt unter den DMA fallen. Das Regelwerk enthält klare Schwellenwerte für die sogenannten Gatekeeper – so muss ein Dienst etwa dauerhaft mindestens 45 Millionen aktive Nutzer monatlich in der EU haben. Der Gesetzestext listet zudem auf, für welche Arten von Diensten die Verhaltensvorgaben des DMA gelten, etwa Suchmaschinen, soziale Netzwerke oder App-Stores.
Aber nicht alle Fälle sind so eindeutig wie Googles Online-Suche oder Apples App-Store. In Grenzfällen könnten die Unternehmen versuchen, durch eine Abgrenzung des Marktes in ihrem Sinne unterhalb der Schwellen zu bleiben – die Kommission will sich auf solche Diskussionen gar nicht erst einlassen. Zudem gibt es Fälle wie Microsofts Suchmaschine Bing, in denen womöglich die Schwellen für Nutzerzahlen, Umsatz und Börsenwert erreicht werden, die Anbieter aber dennoch wenig Marktmacht haben. Hinzu kommt: Der DMA sieht auch die weichere Kategorie der “emerging gatekeepers” vor, die die quantitativen Werte noch nicht ganz erreicht haben.
Wer alles unter den DMA fallen wird, wird sich daher erst im Spätsommer kommenden Jahres zeigen. Nach dem Start am 2. Mai haben die Unternehmen zwei Monate Zeit, ihre Dienste bei der Kommission zu melden, wenn sie die Kriterien erfüllen. Der Behörde bleiben dann jeweils 45 Arbeitstage, um ein Unternehmen als Gatekeeper einzustufen und damit an die zahlreichen Ge- und Verbote der Artikel 5 und 6 des DMA zu binden. Die Firmen können dagegen noch Einspruch erheben. In der Kommission stellt man sich darauf ein, dass dies zumindest in den Grenzfällen durchaus passieren dürfte.
Die Entscheidung bei den weniger eindeutigen Fällen, ob ein Unternehmen in die Kategorie Gatekeeper fällt, will die Behörde erst in einer zweiten Welle angehen, auch um die anfangs hohe Arbeitslast besser zu verteilen. 80 Stellen sind in der Behörde für die Aufsicht vorgesehen, teils durch interne Verschiebungen, teils durch neue Stellen in den Generaldirektionen Wettbewerb und Connect. Rund 60 Experten werden überdies bei Connect und der zur Kommission gehörigen Forschungsstelle JRC eingestellt, um den parallel in Kraft tretenden Digital Services Act umzusetzen. Weiter aufstocken will die Kommission im kommenden Jahr, wenn die Einnahmen aus der Aufsichtsgebühr fließen, die die betroffenen Konzerne entrichten müssen.
Die Teams in der neuen Einheit sollen nicht an einzelnen Gatekeepern ausgerichtet werden – es wird also kein Team Apple oder Team Amazon geben. Vielmehr sollen sich jeweils die Experten aus den beiden Generaldirektionen thematisch um die einzelnen Plattformdienste und die auf sie zugeschnittenen Verhaltensvorgaben kümmern.
Die Beamten der DG Connect sollen überdies dafür sorgen, dass die Erkenntnisse aus der Aufsicht über die großen Plattformen im Rahmen des DSA einfließen, etwa zur Online-Werbung. Die Leitung der neuen Einheit bei Connect übernimmt Filomena Chirico, die zuvor im Kabinett von Binnenmarktkommissar Thierry Breton für den DMA verantwortlich war. Für DMA und DSA zuständig sein wird zudem die neue stellvertretende Generaldirektorin Renate Nikolay, bislang Kabinettschefin der Vizepräsidentin Věra Jourová.
Die Aufgabe der Experten wird es sein, über die Einhaltung der Verpflichtungen im DMA zu wachen. Nach ihrer Zuordnung als Gatekeeper haben die Unternehmen sechs Monate Zeit, um die nötigen technischen und organisatorischen Änderungen durchzuführen. In einem Compliance-Bericht müssen sie der Kommission darlegen, wie sie die Vorgaben nun zu erfüllen gedenken.
Die Behörde kann dann, auch nach Rücksprache mit anderen Marktteilnehmern, konkrete Nachbesserungen verlangen. Die Stakeholder sollen auch im Vorfeld bereits eingebunden werden: So plant die Kommission für den 5. Dezember einen Workshop, um darüber zu diskutieren, wie das Verbot für die Gatekeeper, eigene Angebote zu bevorzugen, in der Praxis umgesetzt werden kann.
Teils haben die Konzerne die Änderungen auch schon vorweggenommen: So kündigte Google an, die Entwickler von Apps für den Play-Store könnten ihren europäischen Nutzern nun auch andere Bezahlsysteme anbieten als das von Google vorgesehene. Das entspricht einer der Vorgaben aus dem DMA, die auf App-Stores zielt.
Anders als beim DSA spielen die nationalen Behörden in den Mitgliedstaaten nur eine untergeordnete Rolle bei der Durchsetzung der neuen Regeln. Die Kommission wurde im DMA als “sole enforcer” festgeschrieben. Die nationalen Wettbewerbsbehörden können ihr nur zuarbeiten, etwa indem sie Beschwerden entgegennehmen. Das Bundeskartellamt soll überdies im Rahmen der laufenden 11. GWB-Novelle das Recht bekommen, Ermittlungen zu möglichen DMA-Verstößen durchzuführen. Über die Ergebnisse soll es dann an die Kommission berichten.
Das Kartellamt wird auch deutlich weniger Spielraum haben, selbst auf Basis des deutschen Wettbewerbsrechts gegen die Digitalkonzerne vorzugehen. Für Praktiken, die durch den DMA abgedeckt seien, werde “kein Interventionsbedarf auf Basis des Wettbewerbsrechts mehr bestehen”, sagt ein Sprecher der Bonner Behörde. Soweit es allerdings um nicht vom DMA erfasste Kombinationen von Diensten und Verhaltensweisen gehe, seien Untersagungen auf Basis des Paragrafen 19 a des GWB weiterhin möglich.
Nach der Einführung des neuen Paragrafen 19 a im GWB Anfang 2021 hat das Kartellamt bereits eine Reihe von Verfahren gegen die Digitalkonzerne eingeleitet – zuletzt gegen Amazon. Inwieweit die Behörde diese Fälle weiter vorantreibe, werde nun mit der Kommission abgestimmt, so der Sprecher. Hier sei “fallspezifisch ggfs. zu klären, inwieweit die Gegenstände laufender Verfahren unter den DMA fallen”.
21.11.2022 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Landwirtschaft und Fischerei
Themen: Informationen und Gedankenaustausch zur Umsetzung der neuen EU-Forststrategie für 2030, Informationen der Kommission zur Verordnung über die Wiederherstellung der Natur (landwirtschaftliche Aspekte), Information der Kommission zur EU-Bioökonomie-Konferenz 2022 (Brüssel, 6.-7. Oktober 2022). Vorläufige Tagesordnung
21.11.2022 – 17:00-22:00 Uhr
Plenartagung des EU-Parlaments: Schienenpersonenverkehr, Finanzierung NextGenerationEU
Themen: Bericht zum Aktionsplan zur Förderung des Schienenpersonenverkehrs auf Fern- und grenzüberschreitenden Strecken, Bericht zur Anleihestrategie zur Finanzierung von NextGenerationEU. Vorläufige Tagesordnung
22.11.2022
Wöchentliche Kommissionssitzung
Themen: Debatten und Aussprachen zum Herbstpaket für das Europäische Semester. Vorläufige Tagesordnung
22.11.2022
Trilog: ETS
Themen: Die Einbeziehung des Schiffverkehrs in den ETS steht ganz oben auf der Agenda. Der Rat will das Thema bereits abschließen. Im Parlament herrscht noch Skepsis, ob das realistisch ist. Zudem sollen die ersten Gespräche zum ETS 2 im Trilog geführt werden. Eine Einigung ist jedoch nicht in Aussicht. Auch die Aufnahme von Müllverbrennung und Biomasse in den ETS sowie die Vergrößerung von Modernisierungs- und Innovationsfonds stehen auf dem Programm.
22.11.2022 – 09:00-22:00 Uhr
Plenartagung des EU-Parlaments: kritische Einrichtungen, Terrorismus, Beziehung EU-China
Themen: Aussprache zur Resilienz kritischer Einrichtungen, Abstimmung zur Einstufung der Russischen Föderation als dem Terrorismus Vorschub leistenden Staat, Aussprache zur Beziehungen zwischen der EU und China. Vorläufige Tagesordnung
22.11.2022 – 10:00 Uhr
Rat der EU: Allgemeine Angelegenheiten (Kohäsion)
Themen: Gedankenaustausch zu langfristigen Auswirkungen der Kohäsionspolitik auf die Regionen der EU, Billigung der Schlussfolgerungen zur Kohäsionspolitik. Vorläufige Tagesordnung
23.11.2022 – 09:00-22:00 Uhr
Plenartagung des EU-Parlaments: Haushalt 2023, Berichtigungshaushalt 2022, europäische Finanzarchitektur
Themen: Abstimmung zum Haushaltsverfahren 2023, Abstimmung zum Entwurf des Berichtigungshaushaltsplans 2022 (zusätzliche Maßnahmen zur Bewältigung der Folgen des Kriegs Russlands gegen die Ukraine), Aussprache zur künftigen europäischen Finanzarchitektur zur Förderung der Entwicklung. Vorläufige Tagesordnung
24.11.2022 – 09:00-16:00 Uhr
Plenartagung des EU-Parlaments: Weg in die digitale Dekade
Themen: Aussprache zum Politikprogramm für 2030 “Weg in die digitale Dekade”. Vorläufige Tagesordnung
24.11.2022 – 09:30 Uhr
Rat der EU: Energie (außerordentliche Tagung)
Themen: Politische Einigung zur Verordnung des Rates über mehr Solidarität durch eine bessere Koordinierung der Gasbeschaffung, den grenzüberschreitenden Austausch von Gas und zuverlässige Preis-Referenzwerte, politische Einigung zur Verordnung des Rates zur Festlegung eines Rahmens zur Beschleunigung des Einsatzes erneuerbarer Energien. Vorläufige Tagesordnung
25.11.2022 – 09:30 Uhr
Rat der EU: Auswärtige Angelegenheiten (Handel)
Themen: Sachstand zur WTO-Reform und Vorbereitungen für die 13. WTO-Ministerkonferenz, Sachstand zu Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA, Orientierungsaussprache zur Handelsunterstützung für die Ukraine. Vorläufige Tagesordnung
Die Berichterstatter des Europaparlaments haben die EU-Kommission davor gewarnt, wegen rechtsstaatlicher Mängel zurückgehaltene Gelder an Ungarn freizugeben. Die zwischen Kommission und Budapest diskutierten Maßnahmen seien nicht geeignet, um die Risiken für das EU-Budget aus der Welt zu schaffen, sagte die S&D-Abgeordnete Eider Gardiazabal Rubial. “Keine dieser Maßnahmen wird die Probleme lösen, die in den Bereichen Korruption und öffentliches Auftragswesen aufgezeigt wurden.”
Die Kommission hatte wegen der Missstände in Ungarn ein Verfahren nach dem neuen Konditionalitätsmechanismus eingeleitet. Mitte September legte die Behörde den Mitgliedstaaten den Vorschlag vor, 7,5 Milliarden Euro aus EU-Strukturfonds einzubehalten, wenn die Regierung in Budapest nicht einen Katalog von 17 Maßnahmen umsetzt.
Die Verhandlungen laufen noch, aber in Brüssel wird damit gerechnet, dass Ministerpräsident Viktor Orbán die Bedingungen akzeptiert. Der Regierungschef steht unter erheblichem wirtschaftlichem Druck. Das Haushaltsdefizit dürfte in diesem Jahr bei mehr als sechs Prozent des BIP liegen. Die Kommission sagt in ihrer Herbstprognose für das kommende Jahr überdies ein Nullwachstum voraus, bei einer Inflationsrate von mehr als 15 Prozent.
Für Orbán stehen nicht nur die 7,5 Milliarden aus dem EU-Budget auf dem Spiel, sondern weitere 7,2 Milliarden Euro, die Ungarn eigentlich aus dem Corona-Aufbaufonds zustehen. Beide Verfahren sind formell eigenständig, aber eng verknüpft, da Budapest die Unabhängigkeit der Justiz verbessern muss, um die Gelder aus der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF) zu erhalten.
Kommission und ungarische Regierung haben sich in den Verhandlungen bereits stark angenähert. Ein enger Mitarbeiter Orbáns sprach zuletzt von “guten Chancen”, sich binnen Tagen oder weniger Wochen zu einigen. Innerhalb der Kommission gibt es aber Widerstand gegen die Freigabe der Mittel aus der ARF und dem EU-Budget. Daher ist fraglich, ob die Behörde bereits nächste Woche ihre Empfehlungen veröffentlichen wird.
Unter den Mitgliedstaaten besteht die Sorge, dass die Kommission zu keinem klaren Ergebnis kommt und die heikle Entscheidung dem Rat zuschiebt. Dieser muss in Sachen Konditionalität bis zum 19. Dezember entscheiden. Heute diskutieren die Europaminister beim Allgemeinen Rat über das Thema.
Sollte Orbán die Bedingungen der Kommission weitgehend erfüllen, gäbe es im Rat wohl nicht die erforderliche Mehrheit, um Ungarn dennoch die Gelder vorzuenthalten. Die Sorge ist aber groß, dass Orbán die zugesagten Reformen nicht einlöst oder unterläuft. Sowohl im Rat als auch im Europaparlament wird daher ein längerfristiges Monitoring gefordert. “In dieser Zeit sollten die Gelder eingefroren bleiben, um einen Anreiz zu setzen”, fordert der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund. tho
Die Europäische Union hat sich auf ein sechs Milliarden Euro teures Satelliten-Internet-System geeinigt. Damit will die EU ihren eigenen Raumfahrt- und Kommunikationssektor stärken und die Sicherheit gewährleisten und auf diese Weise ihre Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten verringern. Darauf haben sich Vertreter des Europäischen Parlaments und des Europäischen Rates am Donnerstag geeinigt. Die Europäische Kommission hatte die Initiative zum Bau und Betrieb eines Satelliten-Internet-Systems im Februar angekündigt.
Das Vorhaben der EU kommt in einer Zeit wachsender Besorgnis über die militärischen Fortschritte Russlands und Chinas im Weltraum und einer Zunahme von Satellitenstarts. Ein eigenes Satelliten-Internet-System könnte der EU helfen, die Einführung von Breitbandinternet in Europa zu beschleunigen, und es würde auch Afrika abdecken, sodass die EU den Ländern dort eine Alternative zur chinesischen Konkurrenz bieten könnte.
Die Kommission will 2,4 Milliarden Euro aus verschiedenen EU-Programmen umleiten und nicht ausgegebene Mittel aus anderen EU-Projekten verwenden, während der Privatsektor die restlichen 3,6 Milliarden Euro aufbringen soll. Mit der Entwicklung und dem Einsatz von Satelliten könnte im nächsten Jahr begonnen werden, sodass im Jahr 2028 ein vollständiger Dienst mit einer hochgradigen Verschlüsselung zur Verfügung steht. rtr
Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) hat im Entstehungsprozess des EU-weiten Lieferkettengesetzes dem Europaparlament mangelnde Praxisnähe vorgeworfen. “Dem EU-Parlament scheint das Augenmaß für die Wettbewerbsfähigkeit europäischer Unternehmen in der Krise zu fehlen”, sagte BDI-Präsident Siegfried Russwurm am Donnerstag. Der Anwendungsbereich über die gesamte Wertschöpfungskette sei “realitätsfern”. Er forderte einen eingeschränkteren Umfang der Gesetzgebung, von der weitreichende Auswirkungen auf das China-Geschäft erwartet werden. “Verpflichtende rechtliche Anforderungen müssen sich auf die direkten Zulieferer beschränken. Sonst sind sie in der täglichen Praxis nicht umsetzbar.”
Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hatte sich am Donnerstag mit einem Berichtsentwurf zum EU-Lieferkettengesetz befasst. Derzeit wird innerhalb der EU-Institutionen über die Details der Ausgestaltung verhandelt. Lara Wolters, zuständige Berichterstatterin des Europaparlaments für das Lieferkettengesetz, betonte, dass weiterhin eine Abdeckung der gesamten Wertschöpfungskette das Ziel sei.
Neben dem Umfang der Gesetzgebung ist auch die Frage noch offen, wie Unternehmen zur Rechenschaft gezogen werden können – auch von direkt Betroffenen in Drittländern. Das EU-Lieferkettengesetz soll weiter reichen als das deutsche. Das deutsche Lieferkettengesetz tritt Anfang 2023 in Kraft. Bis wann genau die EU-weite Gesetzgebung abgeschlossen sein wird, ist noch nicht klar. ari
Der Haushaltsausschuss des Europaparlaments fordert die Kommission auf, den Mehrjährigen Finanzrahmen (MFF) angesichts der Herausforderungen durch Krieg, Inflation und hoher Energiepreise so schnell wie möglich einer “ehrgeizigen Überarbeitung” zu unterziehen. Mit dem Beschluss des Haushaltsausschusses aus der gestrigen Sitzung fordern die Abgeordneten aber, “dass die Überarbeitung nicht zu einer Abwärtskorrektur der vorab zugewiesenen nationalen Finanzrahmen oder EU-Programme führen darf”. Die Kommission solle spätestens im ersten Quartal 2023 ihren Gesetzgebungsvorschlag vorlegen.
Der mehrjährige Finanzrahmen hat eine Laufzeit von 2021 bis 2027. Insgesamt sind Ausgaben in Höhe von 1210 Milliarden Euro vorgesehen. Turnusgemäß steht zur Hälfte der Laufzeit eine Revision durch die Kommission an. Die Kommission hatte die Revision für Mitte 2023 angekündigt. Das Parlament will die Kommission nun dazu bringen, den Gesetzesvorschlag für die Revision mehrere Monate früher vorzulegen.
Haushälter Rasmus Andresen (Grüne) unterstützt den Beschluss: “Der EU-Haushalt muss krisenfest und flexibel werden – gerade vor dem Hintergrund des russischen Angriffskrieges in der Ukraine und immer mehr drohenden Naturkatastrophen.” Andresen, der auch die Gruppe der deutschen Grünen-Abgeordneten im Europaparlament leitet, hätte sich an “einigen Stellen noch eine stärkere Haltung bei Klima, Biodiversität und Geschlechtergerechtigkeit gewünscht”. Es müsse jetzt Druck auf die Mitgliedstaaten aufgebaut werden, damit diese die EU finanziell zukunftsfähig aufstellen. mgr
Kurz bevor der Ausschuss der Ständigen Vertreter am heutigen Freitag die Allgemeine Ausrichtung zum AI Act abstimmen soll, warnen Daten- und Verbraucherschützer, dass der Gesetzesvorschlag viele riskante Ausnahmen enthalte. “Die Vertreter der Mitgliedstaaten stehen kurz davor, sich auf einen schwachen Standpunkt zum Gesetz über künstliche Intelligenz zu einigen, und die Verbraucher haben Grund, sich Sorgen zu machen”, sagte Frederico Oliveira da Silva, Senior Legal Officer beim Europäischen Verbraucherverband (BEUC).
Der Vorschlag in seiner jetzigen Form enthalte viele Schlupflöcher, kritisiert die Grundrechtsorganisation Digitalcourage. “Er muss bei dem morgigen Treffen dringend nachgebessert werden für einen konsequenten Schutz vor biometrischer Massenüberwachung – so wie im Koalitionsvertrag versprochen.”
Die tschechische Ratspräsidentschaft hatte Ende vergangener Woche den Vorschlag für eine Allgemeine Ausrichtung an die Mitgliedstaaten verschickt. Auf der Tagesordnung der heutigen Sitzung steht die Allgemeine Ausrichtung zum AI Act unter Teil 2, also unter den Punkten, die noch eine Aussprache erfordern.
Für die Aussprache ist jedoch nur eine Stunde vorgesehen. Zuletzt hatte es im Text nur noch kleinere Anpassungen gegeben, sodass hier keine Überraschungen mehr zu erwarten sind. Dann können die Minister auf dem Telekommunikationsrat am 6. Dezember die Allgemeine Ausrichtung beschließen.
Trotz kleinerer Verbesserungen in einigen Bereichen gebe es viele Fragen, die entweder nicht angesprochen oder verwässert worden seien, kritisiert Oliveira da Silva vom BEUC. So sei beispielsweise die Einführung von Ausnahmen für eine ganze Reihe von risikoreichen KI-Systemen unklug. Auch sei die Liste verbotener Praktiken wie die biometrische Fernidentifizierung nicht auf private Akteure ausgeweitet worden. Zudem müssten die Verbraucher auf kollektive Rechtsmittel zählen können, wenn ein KI-System ihnen Schaden zufüge. “Wir fordern die nationalen Regierungen auf, diese großen Lücken in ihrer Position zu korrigieren, bevor es zu spät ist!”, sagte Oliveira da Silva.
Digitalcourage kritisiert ebenfalls, dass das Verbot biometrischer Massenüberwachung auf die Strafverfolgungsbehörden wie auch auf “Echtzeit”-biometrische Identifizierungssysteme beschränkt sei. “Nachgelagerte Überwachung durch KI-Systeme ist aber genauso gefährlich“, meint Digitalcourage. “Ein Verbot mit so vielen Ausnahmen ist kein Verbot und wird seinem Namen nicht gerecht”, sagte Konstantin Macher von Digitalcourage und forderte die Bundesregierung auf, ihr Wort zu halten und “ein konsequentes Verbot biometrischer Massenüberwachung ohne Schlupflöcher durchsetzen.”
Zu spät kommt die Kritik nicht, weil das Parlament seine Verhandlungen über den AI Act noch lange nicht abgeschlossen hat. Eine Einigung bis Ende des Jahres halten mehrere den Verhandlungen nahestehende Personen für nahezu aussichtslos. Es seien immer noch weite Teile ungeklärt. Die wichtigsten Fragen wie die Definition von Künstlicher Intelligenz, Allzweck-KI, Risiko-Assessments, Governance oder Enforcement seien entweder noch gar nicht diskutiert oder “maximal anverhandelt” worden. vis
Wenige Tage vor dem Auslaufen des Ukraine-Getreideabkommens ist die für die weltweiten Nahrungsmittel-Exporte wichtige Vereinbarung verlängert worden. Das unter Vermittlung der Vereinten Nationen und der Türkei im Juli erzielte Abkommen mit Russland wird um 120 Tage fortgeführt, wie alle Beteiligten am Donnerstag bestätigten. Der ukrainische Infrastrukturminister Olexander Kubrakow sprach von einem “wichtigen Schritt im globalen Kampf gegen die Lebensmittelkrise“.
UN-Generalsekretär António Guterres betonte, die Vereinten Nationen würden sich umfassend dafür einsetzen, auch die Hindernisse für russische Nahrungsmittel- und Düngerexporte zu beseitigen. Diesen Punkt hatte die Regierung in Moskau zur Bedingung für ihre Zustimmung gemacht. Die Frist zur Verlängerung wäre am Samstag abgelaufen.
Das Abkommen sieht vor, dass die Ukraine trotz des russischen Krieges durch einen Schutzkorridor im Schwarzen Meer ihr Getreide verschiffen kann. Im Gegenzug fordert Russland aber von den UN auch Unterstützung dabei, seine eigenen Agrarprodukte ausliefern zu können. Russische Agrarexporte unterliegen zwar nicht explizit den von den USA und der EU im Zuge des Kriegs verhängten Sanktionen. Sie werden aber nach russischer Darstellung stark behindert durch die Strafmaßnahmen, die gegen die russischen Finanz- und Logistiksektoren beschlossen wurden.
Die Generalsekretärin der UN-Welthandels- und Entwicklungskonferenz (UNCTAD), Rebeca Grynspan, erklärte, die Laufzeitverlängerung sei eine gute Nachricht und ein Hoffnungszeichen für die globale Nahrungsmittelsicherheit und Entwicklungsländer. Sie fügte aber hinzu: “Als Nächstes muss die Düngemittelknappheit gelöst werden.” rtr
“Sie isst nur Körner!” In einem Land, in dem man sich über die Frage streitet, ob (viel) Fleisch essen und Machismo Hand in Hand gehen, sind die kulinarischen Gewohnheiten der Premierministerin nicht von der Polemik verschont geblieben. Als sie im Sommer von einem Berater der Regierung beschuldigt wurde, “nur Körner” zu essen, antwortete die Premierministerin einige Tage später in der Zeitschrift Elle: “Ganz ehrlich, durch meinen beruflichen Werdegang bin ich ziemlich gepanzert. Aber wenn ich Artikel sehe, die meine angeblichen Essgewohnheiten angreifen, dann denke ich, dass ich träume. Das ist eine unglaubliche Form von Sexismus”, empörte sie sich in der Zeitschrift.
Damit zeigte sie, dass sie sich nicht auf der Nase herumtanzen lassen würde. Seit ihrer Ernennung zur Premierministerin durch Emmanuel Macron im Mai dieses Jahres ist sie nicht mehr die graue und fade Technikerin, so wie sie von vielen gesehen wurde, sondern auch als eine Frau, die es versteht zu attackieren.
Die Frau, die in den Korridoren der Pariser Macht als “Borne-out” oder “Darth Vader” bezeichnet wird, hat den Ruf, ein Arbeitstier zu sein, das dafür bekannt ist, seine Mitarbeiter zu zermürben. Was ist ihre Methode? “Ich war Ingenieurin, Präfektin und Unternehmerin. Ich glaube an Ergebnisse, nicht an Etiketten“, sagte sie.
Sie erinnerte auch daran, dass sie Erfahrung mit schwierigen Verhandlungen und brisanten Reformen hat (wie die Reform der SNCF und der Arbeitslosenversicherung unter dem vorherigen Fünfjahreszeitraum) und dass sie “liefern” kann.
Und die, die als so steif gilt, sprach in einem sehr seltenen Moment der Offenheit über ihr Privatleben auch über das Drama ihrer Kindheit: den Selbstmord ihres Vaters, als sie elf Jahre alt war, eines jüdischen Widerstandskämpfers, der nach Auschwitz deportiert wurde. Elisabeth Borne sucht nach politischen Kompromissen – was in Frankreich selten genug ist – und weist daher Eigenschaften auf, die weitaus “Scholz-kompatibler” sind als die Flamboyanz, die der französische Präsident an den Tag legen kann.
In Frankreich liegt dies jedoch auch in der Natur des Mandats des Premierministers: Der französische Regierungschef ist die Nummer zwei im Staat. Der vom Staatspräsidenten ernannte Bewohner des Hôtel Matignon hat insbesondere einen Teil der Exekutivgewalt inne und leitet die Arbeit der Regierung. Aber nicht nur das. Gemäß der Theorie der “Sicherung” nimmt der französische Premierminister die Schläge für den Präsidenten hin. Daher sieht sich Elisabeth Borne in der kommenden Woche in der Pflicht, die momentan starken Spannungen zwischen Paris und Berlin abzubauen. Wenn ihr das gelingt, wird Emmanuel Macron davon profitieren. Wenn sie scheitert, ist die Schuld allein bei ihr zu suchen.