für die Dekarbonisierungspläne der EU spielt Wasserstoff eine entscheidende Rolle. Nach unseren Informationen haben Deutschland und andere EU-Staaten nun die ersten beiden IPCEI-Fördervorhaben bei der EU-Kommission prä-notifiziert. Insgesamt geht es um 121 Projekte, die bei den Brüsseler Wettbewerbshütern eingereicht wurden. Till Hoppe und Timo Landenberger haben die Details.
EU und USA verhandeln über die richtige Regulierung von Big Tech. Am 29. September werden sich Vertreter der EU-Kommission und der US-Administration in Pittsburgh zum Auftakt des transatlantischen Handels- und Technologierates (TTC) treffen. Jasmin Kohl und Falk Steiner über die Hintergründe, die konkreten Pläne und die Erfolgsaussichten.
Deutschland rüstet sich derweil für eine langwierige Regierungsbildung – und ganz Europa schaut gespannt zu. Bis Jahresende könne es dauern, warnte CDU-Kandidat Armin Laschet gestern. Gestern traf sich die EVP-Spitze in Berlin, auch um dem ehemaligen EU-Parlamentarier Rückendeckung zu geben. Mehr dazu im Portrait.
Dass der parlamentarische Alltag in Brüssel auch manchmal voller Widersprüche ist, hat die gestrige Debatte im AGRI-Ausschuss gezeigt. Timo Landenberger berichtet darüber, wie sich Befangenheitsregeln in Kommunalparlamenten und dem EU-Parlament unterscheiden.
Pittsburgh in Pennsylvania ist symbolträchtig: vergleichbar Städten im Ruhrgebiet oder dem belgischen Charleroi (Partnerstadt Pittsburghs) ist das Erbe von Kohle und Stahl allgegenwärtig – bis hin zum Namen des NFL-Teams Pittsburgh Steelers. Doch ist die Stadt in manchem weiter als die europäischen: Firmen wie das auf Industrieroboter spezialisierte Gecko Robotics oder der Online-Sprachkursanbieter DuoLingo haben dort ihren Sitz. In vielerlei Hinsicht also die perfekte Kulisse für ein Kick-Off-Treffen der US- und EU-Seite: Alte und neue Welten treffen am 29. September hier zum Auftakt des Handels- und Technologierates (TTC) von EU-Kommission und US-Administration aufeinander.
Der TTC umfasst zwei Ebenen: EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, Handelskommissar Valdis Dombrovskis, US-Außenminister Antony Blinken, US-Handelsministerin Gina Raimondo und die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai führen den gemeinsamen Vorsitz der politischen Seite. Je nach Themenfeld stoßen weitere Mitglieder des Kommissions-Kollegiums und der US-Ministerien dazu.
Die technische Ebene besteht aus insgesamt 10 Themen-Arbeitsgruppen, die die Agenda des US-EU-Handels- und Technologie-Rats mit Leben füllen sollen. Und weitere könnten im Laufe der Verhandlungen hinzukommen.
Zusätzlich zu diesen zehn Arbeitsgruppen gibt es als elftes Format den Dialog über die Wettbewerbspolitik im Technologiebereich, der gemeinsame Konzepte und die Zusammenarbeit in der Wettbewerbspolitik und der Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften in den Technologiesektoren zum Ziel hat.
Die Voraussetzungen für die Beratungen sind grundsätzlich gut: Auf beiden Seiten des Atlantiks wird über die richtige Regulierung für Big Tech diskutiert. Eine Formulierung, die von US-Seite derzeit auffallend oft fällt: Durable solutions, dauerhafte Lösungen. Verlässlichkeit ist das Signal, das die USA Post-Trump an die Europäer und andere senden wollen.
Denn der TTC zielt nicht nur auf Big Tech in Europa und den USA, sondern könnte, wenn er erfolgreich ist, auch die Blaupause für weltweite Bemühungen werden. Bemühungen, die nicht zuletzt die Abhängigkeit von der Volksrepublik China reduzieren und die eigene Unabhängigkeit und Einflusssphäre stärken sollen. Die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai betonte erst vor wenigen Tagen, nach den künftigen Beziehungen zur Volksrepublik gefragt: “In Handelsbeziehungen braucht es immer zwei zum Tango tanzen.” Das aber gilt auch für die EU.
Während, wie es in Brüssel heißt, nicht nur der Wille, sondern unter Trump oftmals auch kompetente Ansprechpartner fehlten, hat die Biden-Regierung eine Menge Experten an Bord geholt. So ist beispielsweise der Rechtswissenschaftler Timothy Wu, der dem internen wirtschaftspolitischen Beratergremium Bidens angehört, als einer der Vordenker digitaler Politik in den USA bekannt und hat Debatten wie die um die Netzneutralität oder die Frage von Machtkonzentration durch die großen Konzerne wesentlich mitgeprägt.
Wu ist für das TTC gesetzt. Zusammen mit Big Tech-Kritikern wie Lina Khan, die der für Marktaufsicht zuständigen Federal Trade Commission (FTC) vorsteht, könnten sich hier ganz neue transatlantische Allianzen in Regulierungsfragen zeigen. Und ob Europa in allen Bereichen der Verhandlungen die gleiche Teilnehmerqualität aufweisen kann, ist zumindest offen.
In den USA wird intensiv beobachtet, was in der EU verhandelt wird. Insbesondere das europäische Gesetzesdoppel aus Digital Services Act (DSA) und Digital Markets Act (DMA) wird dort interessiert verfolgt, da die Debatten um Marktmacht und Verantwortlichkeiten von Mediären dort ebenfalls in den vergangenen Jahren Fahrt aufgenommen haben. Zugleich zielen sie aus amerikanischer Sicht vor allem auf US-Unternehmen, was den US-Interessen grundsätzlich zuwider läuft.
Europaabgeordnete berichten, dass die Lobbyarbeit großer amerikanischer Unternehmen – allen voran Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft (GAFAM), rapide ausgeweitet und bereits jetzt für das TTC massiv Kapazitäten geschaffen würden. Zugleich spiegelt dies jedoch auch die Erwartungshaltung vieler US-Unternehmen, dass das TTC tatsächlich etwas erreichen könnte.
Und auch in den anderen Themenfeldern ist das Interesse auf US-Seite deutlich gestiegen. “Politiker auf beiden Seiten des Atlantiks sehen die autoritäre Technologiebedrohung Chinas als echten Treiber für eine bessere Zusammenarbeit. Allerdings gibt es keine gemeinsame Vorstellung davon, wie Daten, die Grundlage der Tech-Economy, reguliert werden sollten”, sagt Susan Aaronson, Direktorin des Digital Trade and Data Governance Hub an der Elliott School der George Washington University. “Europa ist viel weiter, wenn es um Fragen der KI-Regulierung oder Anreize für Data Sharing geht. Aber die EU trifft jetzt auf eine wesentlich offenere und ehrlichere US-Administration.” Die wiederum gibt erste Signale, wohin die Reise gehen soll.
Anfang dieser Woche bereits umriss Gina Raimondo, Secretary of Trade in der Biden-Administration, die ersten inhaltlichen Punkte. Bei einer Konferenz im estnischen Tallinn legte sie einen besonderen Fokus auf transatlantische Datenflüsse. Privatsphäre und Rechtsschutz müssten stets gewährleistet sein, aber: “Ich hoffe, wir alle sind uns einig, dass Datenlokalisierungsvorschriften unser aller Unternehmen, Volkswirtschaften und Bürger schaden”, sagte Raimondo.
Es benötige einen internationalen, interoperablen und skalierbaren Rahmen – ein Seitenhieb auf Chinas neue Datengesetze? Oder doch gegen die Datenschutzgrundverordnung? “Wir teilen unser Engagement für individuelle Privatsphäre auf beiden Seiten des Atlantiks. Und ich bin überzeugt und optimistisch, dass wir eine dauerhafte Lösung für ein verbessertes Privacy Shield-Framework erreichen werden.” Es gehe nicht darum, das identische System zu verwenden, sondern interoperabel zu sein, so Raimondo.
Die Privacy Shield-Verhandlungen gehören damit offenkundig zu den vordringlichsten Aufgaben, die die Biden-Administration im EU-US-Verhältnis angehen will. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes im vergangenen Jahr, das die alte Vereinbarung deshalb für unanwendbar erklärte, da zugesichertes und tatsächliches Schutzniveau in den USA die DSGVO-Kriterien nicht erfülle, ist die Verunsicherung bei Unternehmen, Behörden und Nutzern groß.
Doch an diesem Vorhaben zeigt sich, wie kompliziert auch das TTC werden könnte. Zwar gilt es bei Akteuren in Brüssel als enorme Chance und großer Fortschritt, wie sich die Biden-Regierung im Bereich der Technologie-Regulierung auf die EU einlasse – insbesondere nach der Trump-Eiszeit. Doch ob ein neues Privacy Shield ohne legislative Veränderungen durch den Kongress vor dem EuGH bestehen kann? Experten zweifeln daran unter Verweis auf Gesetze wie den US Cloud Act und den Mangel an Rechtsbehelfen in den USA für EU-Bürger.
Vertreter des Europäischen Parlaments und des US-Kongresses nehmen nicht direkt an den Diskussionen teil – für Handelsvereinbarungen übt die Kommission das Verhandlungsmandat aus. Dabei ist gerade die Frage von Abstimmung und Ineinandergreifen der Regulierung auf beiden Seiten des Atlantiks wesentlich für die Kompatibilität der im TTC besprochenen Themen.
Die europäischen Parlamentarier stört das derzeit erst einmal nicht. “Das Parlament kann seine Vertreter nicht in jedes Gremium entsenden”, sagt Angelika Niebler (CSU/EPP). Sie sei sich jedoch sicher, dass das Parlament von der Kommission auf dem Laufenden gehalten werde. Das Europäische Parlament sei “am Ball”, versichert auch der Vorsitzende des Handelsausschusses (INTA), Bernd Lange (SPD/S&D).
Die INTA-U.S. Monitoring Group, die er als ständiger Berichterstatter leitet, begleite die Verhandlungen sehr intensiv, sagt Lange. Heute, am 10.09., finde zur Vorbereitung der TTC-Auftaktveranstaltung bereits ein Austausch mit der Kommission statt. Unmittelbar nach dem Treffen in Pittsburgh sehe man sich wieder. Und auch mit den amerikanischen Counterparts stehe man in einem regelmäßigen Dialog.
Reinhard Bütikofer (Grüne/EFA) bestätigt: “Der Handelsausschuss des EU-Parlaments hat im vergangenen Jahr die Beziehungen zu den entsprechenden Partnern im US-Kongress deutlich verstärkt.” Er sei sich sicher, dass die EP-Abgeordneten gemeinsam mit den US-Kollegen ihren Einfluss geltend machen könnten. Problematisch findet Bütikofer jedoch, dass auch der Hohe Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik Josep Borrell nicht mit am Verhandlungstisch sitzen soll. Immerhin habe der TTC eine klare geopolitische Dimension, daher sei eben auch US-Außenminister Antony Blinken mit dabei. Jasmin Kohl / Falk Steiner
Mündliche EuGH-Verhandlung über Vorratsdatenspeicherung in Deutschland
13.09.2021
Akteure: Europäischer Gerichtshof
Agenda: Der Europäische Gerichtshof beschäftigt sich mit der Frage, ob die gesetzliche Verpflichtung von Telekommunikationsunternehmen, Daten ihrer Kunden langfristig zu speichern, vereinbar mit EU-Recht ist.
Dokumente Übersicht
Sitzung der EU-Kommission
14.09.2021
Akteure: EU-Kommission
Agenda: In ihrer wöchentlichen Sitzung beschäftigt sich die EU-Kommission unter anderem mit der Förderung des Neuen Europäischen Bauhauses, mit dem politischen Programm zur Digitalisierung und mit der Einrichtung einer neuen Europäischen Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen.
Voraussichtliche Agenda Übersicht
Reserve für die Anpassung an den Brexit
14.09.2021 09:00-13:00 Uhr
Akteure: Rat der EU, Europäisches Parlament
Agenda: Das Plenum des Europäischen Parlaments debattiert den Vorschlag für die Verordnung zur Einrichtung einer Reserve für die Anpassung an den Brexit. Die Reserve soll zur Unterstützung für Unternehmen und Arbeitsplätze in den betroffenen Sektoren sowie als Hilfe für die vom Brexit betroffenen Regionen dienen.
Tagesordnung Hintergrund
Rede zur Lage der Union
15.09.2021 09:00-13:00 Uhr
Akteure: Präsidentin der EU-Kommission, Europäisches Parlament
Agenda: In ihrer Rede zur Lage der Union zieht Kommissionspräsidentin von der Leyen Bilanz des vergangenen politischen Jahres und legt dar, welche Herausforderungen aus Sicht der Kommission im nächsten Jahr auf die EU zukommen.
Tagesordnung Hintergrund
Erläuterung des Standpunkts des Rates zum Entwurf des Gesamthaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2022
15.09.2021 15:00-20:00 Uhr
Akteure: Rat der EU, Europäisches Parlament
Agenda: Der Europäische Rat hat die Gelegenheit, seinen Standpunkt zum Entwurf des Haushaltsplans 2022 vor dem Plenum des Europäischen Parlaments zu erläutern.
Tagesordnung Hintergrund
Mitgliedstaaten und EU-Kommission wollen mit Fördergeldern dafür sorgen, dass Wasserstoff zu einem zentralen Energieträger der Zukunft wird. Das Vorhaben nimmt nun Gestalt an: Nach Informationen von Europe.Table haben Deutschland und 16 andere EU-Staaten zwei sogenannte IPCEI-Vorhaben bei der EU-Kommission eingereicht.
Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums bestätigte, insgesamt seien 121 Projekte bei der Generaldirektion Wettbewerb prä-notifiziert worden. Das BMWi koordiniert den Prozess auf europäischer Ebene. Die offizielle Anmeldung soll laut EU-Kreisen möglichst bis Jahresende erfolgen.
Die Einstufung als “Important Project of Common European Interest” erlaubt es den Staaten, forschungsorientierte Industrieprojekte massiv zu fördern. Allein Deutschland stellt mehr als acht Milliarden Euro zur Verfügung. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Verkehrsminister Andreas Scheuer hatten bereits Ende Mai verkündet, dass 62 deutsche Wasserstoff-Projekte von der Bundesregierung als förderfähig ausgewählt worden seien.
Die staatliche Anschubhilfe soll massive private Investitionen auslösen. Die Bundesregierung verspricht sich so, 20 Milliarden Euro aus der Wirtschaft für Wasserstoff-Großprojekte zu mobilisieren. Das Interesse ist groß: Die 62 förderfähigen Projekte waren aus 230 eingegangenen Projektskizzen ausgewählt worden. Darunter sind etwa große Vorhaben für die Erzeugung von grünem Wasserstoff, für Transportleitungen und für den Einsatz in CO2-intensiven Prozessen wie der Stahlerzeugung.
Während der deutschen Ratspräsidentschaft hatten Ende 2020 23 europäische Länder ein Manifesto unterzeichnet. Darin erklärten sie, gemeinsam an Großprojekten zur Entwicklung von Wasserstoff-Technologien arbeiten zu wollen – auch im Rahmen von IPCEIs.
Für die Dekarbonisierungspläne der EU spielt Wasserstoff eine entscheidende Rolle und soll speziell in Bereichen zum Einsatz kommen, in denen eine Elektrifizierung nicht oder nur schwer möglich ist. Wasserstoff kann als Brennstoff sowie als Energieträger und zur Energiespeicherung genutzt werden und soll so entscheidend dazu beitragen, die Treibhausgasemissionen insbesondere in sehr energieintensiven Industriezweigen zu senken – darunter die Stahl- und Chemiebranche oder auch die Glasproduktion.
Im Verkehrssektor wird Wasserstoff als möglicher Antriebsstoff für Flugzeuge und Schiffe gehandelt. Das Gas kann für die Herstellung synthetischer Kraftstoffe verwendet werden und bei der Stromerzeugung als saisonaler Speicher von Wind- oder Solarenergie dienen.
Zuvor müssen die infrastrukturellen Voraussetzungen geschaffen und Innovationen gefördert werden, etwa über die IPCEIs. Schließlich kommt Wasserstoff in Reinform in der Natur praktisch nicht vor und muss deshalb aufwendig hergestellt und aus seinen chemischen Verbindungen gelöst werden. Grüner Wasserstoff entsteht also nur dann, wenn bei der Herstellung aus Wasser auf regenerative Stromquellen zurückgegriffen wird.
Dieses Elektrolyseverfahren ist aber noch nicht im großen Maßstab verfügbar und auch der Ausbau der erneuerbaren Energien in Europa wird wohl nicht ausreichen, um die zu erwartende Wasserstoff-Nachfrage decken zu können. Grüner Wasserstoff muss deshalb voraussichtlich importiert werden. Bislang fehlen jedoch die nötigen Pipelines, zudem verursacht der Transport Emissionen. Mit Timo Landenberger
Mit deutlicher Mehrheit bestätigte der Agrarausschuss des Europäischen Parlaments bei seiner gestrigen Sitzung das Trilog-Ergebnis für die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Die GAP bildet den größten Einzelposten der EU-Ausgaben und umfasst knapp 400 Milliarden Euro an Finanzhilfen für Europas Landwirte, rund ein Drittel des gesamten EU-Haushalts. Die vorläufige Einigung zwischen Parlament, Rat und Kommission kam im Sommer erst im zweiten Anlauf und nach zähen Verhandlungen zustande und bildet den Förderrahmen für die kommenden sechs Jahre.
Begleitet wurde die gestrige AGRI-Sitzung von einer Debatte um die mögliche Befangenheit einzelner Ausschussmitglieder. Den Vorwurf geäußert hatte die SPD-Abgeordnete Maria Noichl. Die Parlamentarierin aus Bayern ist überzeugt: Mitglieder, die selbst als Landwirte aktiv sind oder deren Familien einen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaften, sollten nicht an der Abstimmung teilnehmen, da sie von ihrer eigenen Förderpolitik profitieren würden. “An der richtigen Stelle die Hand zu heben hat dann eine direkte Auswirkung auf den eigenen Kontostand”, so Noichl. Ausschussmitglieder, die von den GAP-Direktzahlungen profitieren, sollten sich deshalb für Befangen erklären und der Abstimmung fernbleiben.
Die Kritik ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Nach Recherchen des ZDF sind tatsächlich mehrere Mitglieder des AGRI selbst als Landwirte aktiv oder an Betrieben in der Landwirtschaft beteiligt und erhalten so Fördergelder aus der GAP. Darunter die österreichische Grünen-Abgeordnete Sarah Wiener, Teilhaberin am “Gut Kerchow”, das im vergangenen Jahr EU-Subventionen in Höhe von knapp 400.000 Euro erhielt.
Wiener wehrte sich gegen die Vorwürfe, sprach von einer “Schmutzkampagne”. “Wer mit solchen Anschuldigungen um sich wirft, sollte in irgendeiner Form beweisen können, dass wir als Bäuerinnen und Bauern tatsächlich eine Vorteilsnahme anstreben”, sagte die Fernseh-Köchin. Einerseits werde den Grünen häufig unterstellt, durch hohe Umweltauflagen gegen die Interessen der Landwirte zu agieren. “Aber wenn es passt, dann sind wir auf einmal Lobbyisten für die Bauern”. Man solle doch erst einmal das Abstimmungsergebnis abwarten. Wiener stimmte gegen das Reformpaket.
“Es geht nicht darum, wie abgestimmt wird, sondern ob”, konterte Noichl. In jedem kommunalen Parlament sei es gang und gäbe, sich bei einem Interessenkonflikt zurückzuhalten. Das sollte auch für das EU-Parlament gelten. Schließlich gehe die Stimme nicht verloren. Man könne sich vertreten lassen.
Norbert Lins, Vorsitzender des Agrarausschusses, kann die Debatte nicht nachvollziehen. In kommunalen Gremien gebe es Regeln hinsichtlich Befangenheit. Der Verhaltenskodex des EU-Parlaments sehe einen solchen Mechanismus nicht vor und das aus gutem Grund. Schließlich sei die fachliche Expertise und Erfahrung der Abgeordneten wichtig.
Wie im Rahmen des geplanten CO2-Grenzausgleichs der Europäischen Union mit Zertifizierungen aus Drittstaaten umgegangen werden soll, ist einem EU-Kommissionsvertreter zufolge noch nicht klar. “Wir versuchen jetzt aus den Fehlern innerhalb der EU zu lernen”, sagte Gerassimos Thomas von der Generaldirektion für Steuern und Zollunion (TAXUD) der Kommission am Donnerstag bei einer Debatte zu der Grenzabgabe vor dem Umweltausschuss des Europaparlaments.
Die “best practice” zu den Zertifizierungen innerhalb der EU solle helfen, “damit wir nicht nach Außen dieselben Fehler machen”, so Thomas. Er reagierte damit auf eine Nachfrage, wie künftig beispielsweise mit CO2-Zertifikaten aus der Volksrepublik China umgegangen werden solle, die gegebenenfalls unter niedrigeren Standards vergeben oder schlichtweg gefälscht werden könnten. Um das zu verhindern, werde ein System der unabhängigen Prüfung eingeführt, betonte Thomas.
Die EU-Kommission hatte für den Gesetzesvorschlag für den CO2-Grenzausgleich (kurz CBAM nach der Abkürzung für “Carbon Border Adjustment Mechanism”) vorerst einen eher schmalen Ansatz von Grundstoffen gewählt: In der ersten Phase wird nur die Einfuhr von Zement, diversen Eisen-, Stahl- und Aluminiumgütern, Düngemittel sowie Elektrizität betroffen sein. Eine Erweiterung der Sektoren sei jedoch fest geplant, betonte Thomas.
Der Übergangszeitraum der ersten Phase sei dafür da, um Informationen zu sammeln und einen “vorhersehbaren Weg” für Unternehmen und Verwaltung zu schaffen. Subventionen für EU-Exporte in Staaten mit niedrigeren Umweltstandards lehnte Thomas ab – bei dem Grenzausgleich handele es sich um eine Umwelt- und nicht Handelsmaßnahme, so der EU-Kommissionsvertreter.
Die Höhe des CO2-Grenzausgleichs soll sich an dem Preis orientieren, den europäische Unternehmen im Wochendurchschnitt für die Ersteigerung von EU-Emissionszertifikaten zahlen müssen. Unternehmen aus Drittstaaten können dabei CO2-Kosten, die im Heimatland entstehen, geltend machen und müssen dann entsprechend weniger “CBAM-Rechte” vorweisen. China hatte Mitte Juli ebenfalls einen Emissionshandel begonnen. Ob dieser mit dem europäischen ETS vereinbar sein wird, ist jedoch sehr fraglich (China.Table berichtete). Der CO2-Grenzausgleich soll nach einer Übergangsphase dann voll ab 2026 für die ersten Sektoren in Kraft treten. ari
Die Europäische Zentralbank (EZB) drosselt bei den Notfallhilfen für die sich aus der Virus-Krise lösende Wirtschaft etwas das Tempo. Die Euro-Wächter um Notenbank-Chefin Christine Lagarde beschlossen auf ihrer Zinssitzung am Donnerstag, dass die Ankäufe im Rahmen ihres billionenschweren Krisen-Anleihenkaufprogramms PEPP im vierten Quartal etwas geringer ausfallen werden als in den beiden Quartalen zuvor.
Die Währungshüter hatten bislang im Vergleich zu den Anfangsmonaten des Jahres ein deutlich höheres Kauftempo beibehalten. Das auf insgesamt 1,85 Billionen Euro angelegte PEPP-Programm ist eines ihrer Hauptinstrumente, um den Kreditfluss an die Wirtschaft während der Covid-Krise zu stützen und günstige Finanzierungsbedingungen für Unternehmen, Staaten und Haushalte sicherzustellen. Zuletzt hatten die Währungshüter im Rahmen von PEPP Staatsanleihen und andere Wertpapiere im Volumen von monatlich rund 80 Milliarden Euro erworben. Die PEPP-Käufe sollen noch bis mindestens Ende März 2022 fortgesetzt werden. rtr
Die Europäische Union will im Digital-Bereich enger mit Staaten im Indo-Pazifik-Raum kooperieren. Im Rahmen der Indo-Pazifik-Strategie, die die Kommission nächste Woche vorlegen wird, strebt die EU digitale Partnerschaftsabkommen mit Japan, Südkorea und Singapur an. Die Vereinbarungen zielen laut Entwurf darauf ab, Standards für Technologien wie künstliche Intelligenz zu schaffen und den Austausch vertrauenswürdiger Daten zu stärken.
Brüssel hofft, den neuen Ansatz zu nutzen, um widerstandsfähigere Technologielieferketten etwa für Halbleiter aufzubauen, wertebasierte Innovationen zu unterstützen und Geschäftsmöglichkeiten für Start-ups und KMU zu erleichtern. Die EU-Kommission wird das Strategie-Papier am kommenden Dienstag vorstellen. Am Mittwoch dürfte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen dann in ihrer Rede zur Lage der EU ebenfalls auf die Zusammenarbeit mit der Region eingehen. ari
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat die Wahlprogramme von CDU/CSU, SPD, Grünen, FDP und Linke auf deren Ambitionen beim Klimaschutz untersucht. Das Ergebnis der Studie: keine der Parteien habe adäquate Lösungen zum Erreichen der Klimaziele.
Die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kemfert sagte bei der Vorstellung, dass keines der Programme ein ausreichendes Konzept vorlege, wie das deutsche Klimaschutzgesetz (65 Prozent weniger CO2 bis 2030, Klimaneutralität bis 2045) erfüllt werden kann. Zudem betonte sie, dass selbst die deutschen Ziele zu niedrig seien, um das im Pariser Abkommen festgelegte 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Entsprechend forderte sie alle Parteien auf, die notwendigen Maßnahmen auf den Weg zu bringen, statt “Gespensterdebatten” im Wahlkampf zu führen.
Die DIW-Studie wurde von der Stiftung Klimaneutralität in Auftrag gegeben und finanziert. Sie sieht das Wahlprogramm der Grünen zwar noch am ehesten in der Lage, Wirkung beim Klimaschutz zu erzielen. Es berücksichtige alle politischen Handlungsfelder für Klimaschutz und sei fachlich fundiert, sagte Kemfert. Dennoch gebe es auch bei den Grünen eine “Umsetzungslücke”, um das deutsche Klimaschutzgesetz zu erfüllen.
Aus klimapolitischer Sicht “unzureichend” sei hingegen das Programm der FDP, da es einen “einseitigen Fokus auf Preis und Marktmechanismen” lege. Das reiche nicht aus, so Kemfert. Die Partei verkenne “die sektorspezifischen Hemmnisse, die beispielsweise die Energie- oder Verkehrswende in den nächsten acht Jahren behindern”, begründen die Studienautoren das Urteil.
Auf dem zweiten Platz landete das Linken-Programm. Es punkte vor allem durch einen ambitionierten Ausstiegsplan aus den fossilen Energieträgern, heißt es in der Studie. Allerdings fehle eine Strategie zur Dekarbonisierung der Industrie. Zudem lehnt die Partei die CO2-Bepreisung und den Emissionshandel ab.
Die Unionsparteien landen knapp vor der SPD auf Platz drei. Die Maßnahmenvorschläge beider seien zu unkonkret, heißt es. Die Sozialdemokraten schnitten im Verkehrssektor zwar gut ab, ließen allerdings Detailtiefe für den Energiesektor vermissen. CDU und CSU fehle es “in fast allen Handlungsfeldern an der detaillierten Ausarbeitung von Maßnahmenvorschlägen”, schreiben die Studienautoren. Einzig im Industriesektor könnten CDU/CSU überzeugen, aufgrund der Pläne für Carbon Capture-Technologien.
Das DIW hat für seine Bewertung unterschiedliche Handlungsfelder definiert und sie abhängig von der Emissionsintensität eingestuft. So wurden beispielsweise Maßnahmen zur Dekarbonisierung des Energiesektors am höchsten gewichtet, landwirtschaftliche Dekarbonisierungspläne hingegen schwächer. Dabei wurden ausschließlich die Wahlprogramme berücksichtigt, nicht etwa darüber hinaus gehende Parteitagsbeschlüsse, Parteiprogramme oder anderweitige Strategie- und Positionspapiere. luk
Neben ihm auf dem Podium stehen Ingrida Šimonytė, die Ministerpräsidentin Litauens und Sebastian Kurz, Österreichs Bundeskanzler. Beide sind schon dort, wo Armin Laschet noch hin möchte: Sie sind Teil des Kreises der Staats- und Regierungschefs in Europa. “Ich tue alles, damit ich demnächst im Rat sitze”, sagt der Kanzlerkandidat.
Manfred Weber hatte Laschet am Donnerstag zur Klausur der EVP-Führung in Berlin eingeladen. Der Fraktionschef begrüßte ihn als “den zukünftigen Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland”. So viel vorbehaltlose Unterstützung erfährt Laschet derzeit eher selten. Schon gar nicht aus von einem CSU-Politiker. Rivale Markus Söder stichelt ständig gegen den gemeinsamen Kanzlerkandidaten von CDU und CSU. Zuletzt machte Generalsekretär Markus Blume keinen Hehl daraus, wen er für den besseren Kandidaten hält.
Laschet macht weiter, was bleibt ihm auch anderes übrig. Auch wenn sich sein Rückstand auf Olaf Scholz in den Umfragen verfestigt: Das Kanzleramt ist aus Sicht des Laschet-Lagers weiter in Reichweite. Das Kalkül: Ohne eine Drei-Parteienkoalition wird es nach der Wahl kaum gehen – und die Grünen dürften leichter für eine Jamaika-Koalition zu gewinnen sein als die FDP für ein Ampel-Bündnis mit SPD und Grünen.
Ob das Wunschdenken ist, wird sich nach dem 26. September weisen. Laschet jedenfalls bereitet die versammelten EVP-Abgeordneten auf eine längere Phase der Ungewissheit auch auf europäischer Ebene vor: Es werde wegen unklarer Mehrheitsverhältnisse “möglicherweise eine lange Regierungsbildung geben”, warnt er, die “bis Jahresende dauern” könne.
Die Abgeordneten des Europaparlaments, so Laschet, müssten in dieser Zeit ein Anker der Stabilität zu sein. Schon diese Äußerung zeigt, dass der Kandidat europapolitisch anders denkt als die Kanzlerin: Merkel zeigte kein sonderlich großes Interesse an den Straßburger Parlamentariern, sie begriff die EU vor allem als intergouvernementales Projekt. Für die Kanzlerin sei das Europaparlament eine Quasselbude und die Kommission das Sekretariat des Rates, schimpft ein erfahrener Europapolitiker.
Ganz anders Laschet: Er werde sein “parlamentarisches Herz nicht vergessen”, wenn er als Bundeskanzler im Europäischen Rat sitze, verspricht er den EVP-Abgeordneten. Der 60-Jährige war von 1999 bis 2005 selbst Europaparlamentarier – “es waren mit die schönsten Jahre in meinem politischen Leben”, sagt er. Der Geist dort sei ein anderer, die europäische Art der Gesetzgebung weniger konfrontativ angelegt als auf nationaler Ebene – man suche Mehrheiten über Fraktionen und nationale Grenzen hinweg.
Laschet versteht sich als Vermittler, als Mann des Ausgleichs. Anders als sein Rivale in Bayern polarisiert der nordrhein-westfälische Ministerpräsident selten, spitzt ungern zu. Im Wahlkampf fehlt ihm dadurch der Punch. In der europäischen Politik aber wären solche Charaktereigenschaften durchaus gefragt.
Merkel hatte sich auch deshalb großen Respekt in der EU erworben, weil sie Kompromisse suchte. Nur selten drückte sie die Interessen des mächtigsten Mitgliedslandes einfach durch. Auch Laschet sieht sich als Brückenbauer. Zwischen Nord und Süd, etwa in der anstehenden Diskussion um den Stabilitätspakt. Den schuldenfinanzierten EU-Aufbaufonds bezeichnet er als “Jahrhundertchance” zur Modernisierung Europas.
Und auch zwischen West und Ost. Die Spannungen zwischen den west- und den mittelosteuropäischen Staaten insbesondere um die Rechtsstaatlichkeit abzubauen, sei “die nächste große Aufgabe”, sagt er. Kurz zuvor hatte Merkel vor den EVP-Abgeordneten gewarnt, die Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen und Ungarn bis zum Ende durchzuziehen. Solche Fragen müssten politisch gelöst werden, nicht vor Gericht, argumentierte sie hinter verschlossenen Türen laut Teilnehmern. Zumindest hierin unterscheiden sich Kanzlerin und Kandidat kaum. Till Hoppe
für die Dekarbonisierungspläne der EU spielt Wasserstoff eine entscheidende Rolle. Nach unseren Informationen haben Deutschland und andere EU-Staaten nun die ersten beiden IPCEI-Fördervorhaben bei der EU-Kommission prä-notifiziert. Insgesamt geht es um 121 Projekte, die bei den Brüsseler Wettbewerbshütern eingereicht wurden. Till Hoppe und Timo Landenberger haben die Details.
EU und USA verhandeln über die richtige Regulierung von Big Tech. Am 29. September werden sich Vertreter der EU-Kommission und der US-Administration in Pittsburgh zum Auftakt des transatlantischen Handels- und Technologierates (TTC) treffen. Jasmin Kohl und Falk Steiner über die Hintergründe, die konkreten Pläne und die Erfolgsaussichten.
Deutschland rüstet sich derweil für eine langwierige Regierungsbildung – und ganz Europa schaut gespannt zu. Bis Jahresende könne es dauern, warnte CDU-Kandidat Armin Laschet gestern. Gestern traf sich die EVP-Spitze in Berlin, auch um dem ehemaligen EU-Parlamentarier Rückendeckung zu geben. Mehr dazu im Portrait.
Dass der parlamentarische Alltag in Brüssel auch manchmal voller Widersprüche ist, hat die gestrige Debatte im AGRI-Ausschuss gezeigt. Timo Landenberger berichtet darüber, wie sich Befangenheitsregeln in Kommunalparlamenten und dem EU-Parlament unterscheiden.
Pittsburgh in Pennsylvania ist symbolträchtig: vergleichbar Städten im Ruhrgebiet oder dem belgischen Charleroi (Partnerstadt Pittsburghs) ist das Erbe von Kohle und Stahl allgegenwärtig – bis hin zum Namen des NFL-Teams Pittsburgh Steelers. Doch ist die Stadt in manchem weiter als die europäischen: Firmen wie das auf Industrieroboter spezialisierte Gecko Robotics oder der Online-Sprachkursanbieter DuoLingo haben dort ihren Sitz. In vielerlei Hinsicht also die perfekte Kulisse für ein Kick-Off-Treffen der US- und EU-Seite: Alte und neue Welten treffen am 29. September hier zum Auftakt des Handels- und Technologierates (TTC) von EU-Kommission und US-Administration aufeinander.
Der TTC umfasst zwei Ebenen: EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager, Handelskommissar Valdis Dombrovskis, US-Außenminister Antony Blinken, US-Handelsministerin Gina Raimondo und die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai führen den gemeinsamen Vorsitz der politischen Seite. Je nach Themenfeld stoßen weitere Mitglieder des Kommissions-Kollegiums und der US-Ministerien dazu.
Die technische Ebene besteht aus insgesamt 10 Themen-Arbeitsgruppen, die die Agenda des US-EU-Handels- und Technologie-Rats mit Leben füllen sollen. Und weitere könnten im Laufe der Verhandlungen hinzukommen.
Zusätzlich zu diesen zehn Arbeitsgruppen gibt es als elftes Format den Dialog über die Wettbewerbspolitik im Technologiebereich, der gemeinsame Konzepte und die Zusammenarbeit in der Wettbewerbspolitik und der Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften in den Technologiesektoren zum Ziel hat.
Die Voraussetzungen für die Beratungen sind grundsätzlich gut: Auf beiden Seiten des Atlantiks wird über die richtige Regulierung für Big Tech diskutiert. Eine Formulierung, die von US-Seite derzeit auffallend oft fällt: Durable solutions, dauerhafte Lösungen. Verlässlichkeit ist das Signal, das die USA Post-Trump an die Europäer und andere senden wollen.
Denn der TTC zielt nicht nur auf Big Tech in Europa und den USA, sondern könnte, wenn er erfolgreich ist, auch die Blaupause für weltweite Bemühungen werden. Bemühungen, die nicht zuletzt die Abhängigkeit von der Volksrepublik China reduzieren und die eigene Unabhängigkeit und Einflusssphäre stärken sollen. Die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai betonte erst vor wenigen Tagen, nach den künftigen Beziehungen zur Volksrepublik gefragt: “In Handelsbeziehungen braucht es immer zwei zum Tango tanzen.” Das aber gilt auch für die EU.
Während, wie es in Brüssel heißt, nicht nur der Wille, sondern unter Trump oftmals auch kompetente Ansprechpartner fehlten, hat die Biden-Regierung eine Menge Experten an Bord geholt. So ist beispielsweise der Rechtswissenschaftler Timothy Wu, der dem internen wirtschaftspolitischen Beratergremium Bidens angehört, als einer der Vordenker digitaler Politik in den USA bekannt und hat Debatten wie die um die Netzneutralität oder die Frage von Machtkonzentration durch die großen Konzerne wesentlich mitgeprägt.
Wu ist für das TTC gesetzt. Zusammen mit Big Tech-Kritikern wie Lina Khan, die der für Marktaufsicht zuständigen Federal Trade Commission (FTC) vorsteht, könnten sich hier ganz neue transatlantische Allianzen in Regulierungsfragen zeigen. Und ob Europa in allen Bereichen der Verhandlungen die gleiche Teilnehmerqualität aufweisen kann, ist zumindest offen.
In den USA wird intensiv beobachtet, was in der EU verhandelt wird. Insbesondere das europäische Gesetzesdoppel aus Digital Services Act (DSA) und Digital Markets Act (DMA) wird dort interessiert verfolgt, da die Debatten um Marktmacht und Verantwortlichkeiten von Mediären dort ebenfalls in den vergangenen Jahren Fahrt aufgenommen haben. Zugleich zielen sie aus amerikanischer Sicht vor allem auf US-Unternehmen, was den US-Interessen grundsätzlich zuwider läuft.
Europaabgeordnete berichten, dass die Lobbyarbeit großer amerikanischer Unternehmen – allen voran Google, Amazon, Facebook, Apple und Microsoft (GAFAM), rapide ausgeweitet und bereits jetzt für das TTC massiv Kapazitäten geschaffen würden. Zugleich spiegelt dies jedoch auch die Erwartungshaltung vieler US-Unternehmen, dass das TTC tatsächlich etwas erreichen könnte.
Und auch in den anderen Themenfeldern ist das Interesse auf US-Seite deutlich gestiegen. “Politiker auf beiden Seiten des Atlantiks sehen die autoritäre Technologiebedrohung Chinas als echten Treiber für eine bessere Zusammenarbeit. Allerdings gibt es keine gemeinsame Vorstellung davon, wie Daten, die Grundlage der Tech-Economy, reguliert werden sollten”, sagt Susan Aaronson, Direktorin des Digital Trade and Data Governance Hub an der Elliott School der George Washington University. “Europa ist viel weiter, wenn es um Fragen der KI-Regulierung oder Anreize für Data Sharing geht. Aber die EU trifft jetzt auf eine wesentlich offenere und ehrlichere US-Administration.” Die wiederum gibt erste Signale, wohin die Reise gehen soll.
Anfang dieser Woche bereits umriss Gina Raimondo, Secretary of Trade in der Biden-Administration, die ersten inhaltlichen Punkte. Bei einer Konferenz im estnischen Tallinn legte sie einen besonderen Fokus auf transatlantische Datenflüsse. Privatsphäre und Rechtsschutz müssten stets gewährleistet sein, aber: “Ich hoffe, wir alle sind uns einig, dass Datenlokalisierungsvorschriften unser aller Unternehmen, Volkswirtschaften und Bürger schaden”, sagte Raimondo.
Es benötige einen internationalen, interoperablen und skalierbaren Rahmen – ein Seitenhieb auf Chinas neue Datengesetze? Oder doch gegen die Datenschutzgrundverordnung? “Wir teilen unser Engagement für individuelle Privatsphäre auf beiden Seiten des Atlantiks. Und ich bin überzeugt und optimistisch, dass wir eine dauerhafte Lösung für ein verbessertes Privacy Shield-Framework erreichen werden.” Es gehe nicht darum, das identische System zu verwenden, sondern interoperabel zu sein, so Raimondo.
Die Privacy Shield-Verhandlungen gehören damit offenkundig zu den vordringlichsten Aufgaben, die die Biden-Administration im EU-US-Verhältnis angehen will. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes im vergangenen Jahr, das die alte Vereinbarung deshalb für unanwendbar erklärte, da zugesichertes und tatsächliches Schutzniveau in den USA die DSGVO-Kriterien nicht erfülle, ist die Verunsicherung bei Unternehmen, Behörden und Nutzern groß.
Doch an diesem Vorhaben zeigt sich, wie kompliziert auch das TTC werden könnte. Zwar gilt es bei Akteuren in Brüssel als enorme Chance und großer Fortschritt, wie sich die Biden-Regierung im Bereich der Technologie-Regulierung auf die EU einlasse – insbesondere nach der Trump-Eiszeit. Doch ob ein neues Privacy Shield ohne legislative Veränderungen durch den Kongress vor dem EuGH bestehen kann? Experten zweifeln daran unter Verweis auf Gesetze wie den US Cloud Act und den Mangel an Rechtsbehelfen in den USA für EU-Bürger.
Vertreter des Europäischen Parlaments und des US-Kongresses nehmen nicht direkt an den Diskussionen teil – für Handelsvereinbarungen übt die Kommission das Verhandlungsmandat aus. Dabei ist gerade die Frage von Abstimmung und Ineinandergreifen der Regulierung auf beiden Seiten des Atlantiks wesentlich für die Kompatibilität der im TTC besprochenen Themen.
Die europäischen Parlamentarier stört das derzeit erst einmal nicht. “Das Parlament kann seine Vertreter nicht in jedes Gremium entsenden”, sagt Angelika Niebler (CSU/EPP). Sie sei sich jedoch sicher, dass das Parlament von der Kommission auf dem Laufenden gehalten werde. Das Europäische Parlament sei “am Ball”, versichert auch der Vorsitzende des Handelsausschusses (INTA), Bernd Lange (SPD/S&D).
Die INTA-U.S. Monitoring Group, die er als ständiger Berichterstatter leitet, begleite die Verhandlungen sehr intensiv, sagt Lange. Heute, am 10.09., finde zur Vorbereitung der TTC-Auftaktveranstaltung bereits ein Austausch mit der Kommission statt. Unmittelbar nach dem Treffen in Pittsburgh sehe man sich wieder. Und auch mit den amerikanischen Counterparts stehe man in einem regelmäßigen Dialog.
Reinhard Bütikofer (Grüne/EFA) bestätigt: “Der Handelsausschuss des EU-Parlaments hat im vergangenen Jahr die Beziehungen zu den entsprechenden Partnern im US-Kongress deutlich verstärkt.” Er sei sich sicher, dass die EP-Abgeordneten gemeinsam mit den US-Kollegen ihren Einfluss geltend machen könnten. Problematisch findet Bütikofer jedoch, dass auch der Hohe Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik Josep Borrell nicht mit am Verhandlungstisch sitzen soll. Immerhin habe der TTC eine klare geopolitische Dimension, daher sei eben auch US-Außenminister Antony Blinken mit dabei. Jasmin Kohl / Falk Steiner
Mündliche EuGH-Verhandlung über Vorratsdatenspeicherung in Deutschland
13.09.2021
Akteure: Europäischer Gerichtshof
Agenda: Der Europäische Gerichtshof beschäftigt sich mit der Frage, ob die gesetzliche Verpflichtung von Telekommunikationsunternehmen, Daten ihrer Kunden langfristig zu speichern, vereinbar mit EU-Recht ist.
Dokumente Übersicht
Sitzung der EU-Kommission
14.09.2021
Akteure: EU-Kommission
Agenda: In ihrer wöchentlichen Sitzung beschäftigt sich die EU-Kommission unter anderem mit der Förderung des Neuen Europäischen Bauhauses, mit dem politischen Programm zur Digitalisierung und mit der Einrichtung einer neuen Europäischen Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen.
Voraussichtliche Agenda Übersicht
Reserve für die Anpassung an den Brexit
14.09.2021 09:00-13:00 Uhr
Akteure: Rat der EU, Europäisches Parlament
Agenda: Das Plenum des Europäischen Parlaments debattiert den Vorschlag für die Verordnung zur Einrichtung einer Reserve für die Anpassung an den Brexit. Die Reserve soll zur Unterstützung für Unternehmen und Arbeitsplätze in den betroffenen Sektoren sowie als Hilfe für die vom Brexit betroffenen Regionen dienen.
Tagesordnung Hintergrund
Rede zur Lage der Union
15.09.2021 09:00-13:00 Uhr
Akteure: Präsidentin der EU-Kommission, Europäisches Parlament
Agenda: In ihrer Rede zur Lage der Union zieht Kommissionspräsidentin von der Leyen Bilanz des vergangenen politischen Jahres und legt dar, welche Herausforderungen aus Sicht der Kommission im nächsten Jahr auf die EU zukommen.
Tagesordnung Hintergrund
Erläuterung des Standpunkts des Rates zum Entwurf des Gesamthaushaltsplans für das Haushaltsjahr 2022
15.09.2021 15:00-20:00 Uhr
Akteure: Rat der EU, Europäisches Parlament
Agenda: Der Europäische Rat hat die Gelegenheit, seinen Standpunkt zum Entwurf des Haushaltsplans 2022 vor dem Plenum des Europäischen Parlaments zu erläutern.
Tagesordnung Hintergrund
Mitgliedstaaten und EU-Kommission wollen mit Fördergeldern dafür sorgen, dass Wasserstoff zu einem zentralen Energieträger der Zukunft wird. Das Vorhaben nimmt nun Gestalt an: Nach Informationen von Europe.Table haben Deutschland und 16 andere EU-Staaten zwei sogenannte IPCEI-Vorhaben bei der EU-Kommission eingereicht.
Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums bestätigte, insgesamt seien 121 Projekte bei der Generaldirektion Wettbewerb prä-notifiziert worden. Das BMWi koordiniert den Prozess auf europäischer Ebene. Die offizielle Anmeldung soll laut EU-Kreisen möglichst bis Jahresende erfolgen.
Die Einstufung als “Important Project of Common European Interest” erlaubt es den Staaten, forschungsorientierte Industrieprojekte massiv zu fördern. Allein Deutschland stellt mehr als acht Milliarden Euro zur Verfügung. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Verkehrsminister Andreas Scheuer hatten bereits Ende Mai verkündet, dass 62 deutsche Wasserstoff-Projekte von der Bundesregierung als förderfähig ausgewählt worden seien.
Die staatliche Anschubhilfe soll massive private Investitionen auslösen. Die Bundesregierung verspricht sich so, 20 Milliarden Euro aus der Wirtschaft für Wasserstoff-Großprojekte zu mobilisieren. Das Interesse ist groß: Die 62 förderfähigen Projekte waren aus 230 eingegangenen Projektskizzen ausgewählt worden. Darunter sind etwa große Vorhaben für die Erzeugung von grünem Wasserstoff, für Transportleitungen und für den Einsatz in CO2-intensiven Prozessen wie der Stahlerzeugung.
Während der deutschen Ratspräsidentschaft hatten Ende 2020 23 europäische Länder ein Manifesto unterzeichnet. Darin erklärten sie, gemeinsam an Großprojekten zur Entwicklung von Wasserstoff-Technologien arbeiten zu wollen – auch im Rahmen von IPCEIs.
Für die Dekarbonisierungspläne der EU spielt Wasserstoff eine entscheidende Rolle und soll speziell in Bereichen zum Einsatz kommen, in denen eine Elektrifizierung nicht oder nur schwer möglich ist. Wasserstoff kann als Brennstoff sowie als Energieträger und zur Energiespeicherung genutzt werden und soll so entscheidend dazu beitragen, die Treibhausgasemissionen insbesondere in sehr energieintensiven Industriezweigen zu senken – darunter die Stahl- und Chemiebranche oder auch die Glasproduktion.
Im Verkehrssektor wird Wasserstoff als möglicher Antriebsstoff für Flugzeuge und Schiffe gehandelt. Das Gas kann für die Herstellung synthetischer Kraftstoffe verwendet werden und bei der Stromerzeugung als saisonaler Speicher von Wind- oder Solarenergie dienen.
Zuvor müssen die infrastrukturellen Voraussetzungen geschaffen und Innovationen gefördert werden, etwa über die IPCEIs. Schließlich kommt Wasserstoff in Reinform in der Natur praktisch nicht vor und muss deshalb aufwendig hergestellt und aus seinen chemischen Verbindungen gelöst werden. Grüner Wasserstoff entsteht also nur dann, wenn bei der Herstellung aus Wasser auf regenerative Stromquellen zurückgegriffen wird.
Dieses Elektrolyseverfahren ist aber noch nicht im großen Maßstab verfügbar und auch der Ausbau der erneuerbaren Energien in Europa wird wohl nicht ausreichen, um die zu erwartende Wasserstoff-Nachfrage decken zu können. Grüner Wasserstoff muss deshalb voraussichtlich importiert werden. Bislang fehlen jedoch die nötigen Pipelines, zudem verursacht der Transport Emissionen. Mit Timo Landenberger
Mit deutlicher Mehrheit bestätigte der Agrarausschuss des Europäischen Parlaments bei seiner gestrigen Sitzung das Trilog-Ergebnis für die Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Die GAP bildet den größten Einzelposten der EU-Ausgaben und umfasst knapp 400 Milliarden Euro an Finanzhilfen für Europas Landwirte, rund ein Drittel des gesamten EU-Haushalts. Die vorläufige Einigung zwischen Parlament, Rat und Kommission kam im Sommer erst im zweiten Anlauf und nach zähen Verhandlungen zustande und bildet den Förderrahmen für die kommenden sechs Jahre.
Begleitet wurde die gestrige AGRI-Sitzung von einer Debatte um die mögliche Befangenheit einzelner Ausschussmitglieder. Den Vorwurf geäußert hatte die SPD-Abgeordnete Maria Noichl. Die Parlamentarierin aus Bayern ist überzeugt: Mitglieder, die selbst als Landwirte aktiv sind oder deren Familien einen landwirtschaftlichen Betrieb bewirtschaften, sollten nicht an der Abstimmung teilnehmen, da sie von ihrer eigenen Förderpolitik profitieren würden. “An der richtigen Stelle die Hand zu heben hat dann eine direkte Auswirkung auf den eigenen Kontostand”, so Noichl. Ausschussmitglieder, die von den GAP-Direktzahlungen profitieren, sollten sich deshalb für Befangen erklären und der Abstimmung fernbleiben.
Die Kritik ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Nach Recherchen des ZDF sind tatsächlich mehrere Mitglieder des AGRI selbst als Landwirte aktiv oder an Betrieben in der Landwirtschaft beteiligt und erhalten so Fördergelder aus der GAP. Darunter die österreichische Grünen-Abgeordnete Sarah Wiener, Teilhaberin am “Gut Kerchow”, das im vergangenen Jahr EU-Subventionen in Höhe von knapp 400.000 Euro erhielt.
Wiener wehrte sich gegen die Vorwürfe, sprach von einer “Schmutzkampagne”. “Wer mit solchen Anschuldigungen um sich wirft, sollte in irgendeiner Form beweisen können, dass wir als Bäuerinnen und Bauern tatsächlich eine Vorteilsnahme anstreben”, sagte die Fernseh-Köchin. Einerseits werde den Grünen häufig unterstellt, durch hohe Umweltauflagen gegen die Interessen der Landwirte zu agieren. “Aber wenn es passt, dann sind wir auf einmal Lobbyisten für die Bauern”. Man solle doch erst einmal das Abstimmungsergebnis abwarten. Wiener stimmte gegen das Reformpaket.
“Es geht nicht darum, wie abgestimmt wird, sondern ob”, konterte Noichl. In jedem kommunalen Parlament sei es gang und gäbe, sich bei einem Interessenkonflikt zurückzuhalten. Das sollte auch für das EU-Parlament gelten. Schließlich gehe die Stimme nicht verloren. Man könne sich vertreten lassen.
Norbert Lins, Vorsitzender des Agrarausschusses, kann die Debatte nicht nachvollziehen. In kommunalen Gremien gebe es Regeln hinsichtlich Befangenheit. Der Verhaltenskodex des EU-Parlaments sehe einen solchen Mechanismus nicht vor und das aus gutem Grund. Schließlich sei die fachliche Expertise und Erfahrung der Abgeordneten wichtig.
Wie im Rahmen des geplanten CO2-Grenzausgleichs der Europäischen Union mit Zertifizierungen aus Drittstaaten umgegangen werden soll, ist einem EU-Kommissionsvertreter zufolge noch nicht klar. “Wir versuchen jetzt aus den Fehlern innerhalb der EU zu lernen”, sagte Gerassimos Thomas von der Generaldirektion für Steuern und Zollunion (TAXUD) der Kommission am Donnerstag bei einer Debatte zu der Grenzabgabe vor dem Umweltausschuss des Europaparlaments.
Die “best practice” zu den Zertifizierungen innerhalb der EU solle helfen, “damit wir nicht nach Außen dieselben Fehler machen”, so Thomas. Er reagierte damit auf eine Nachfrage, wie künftig beispielsweise mit CO2-Zertifikaten aus der Volksrepublik China umgegangen werden solle, die gegebenenfalls unter niedrigeren Standards vergeben oder schlichtweg gefälscht werden könnten. Um das zu verhindern, werde ein System der unabhängigen Prüfung eingeführt, betonte Thomas.
Die EU-Kommission hatte für den Gesetzesvorschlag für den CO2-Grenzausgleich (kurz CBAM nach der Abkürzung für “Carbon Border Adjustment Mechanism”) vorerst einen eher schmalen Ansatz von Grundstoffen gewählt: In der ersten Phase wird nur die Einfuhr von Zement, diversen Eisen-, Stahl- und Aluminiumgütern, Düngemittel sowie Elektrizität betroffen sein. Eine Erweiterung der Sektoren sei jedoch fest geplant, betonte Thomas.
Der Übergangszeitraum der ersten Phase sei dafür da, um Informationen zu sammeln und einen “vorhersehbaren Weg” für Unternehmen und Verwaltung zu schaffen. Subventionen für EU-Exporte in Staaten mit niedrigeren Umweltstandards lehnte Thomas ab – bei dem Grenzausgleich handele es sich um eine Umwelt- und nicht Handelsmaßnahme, so der EU-Kommissionsvertreter.
Die Höhe des CO2-Grenzausgleichs soll sich an dem Preis orientieren, den europäische Unternehmen im Wochendurchschnitt für die Ersteigerung von EU-Emissionszertifikaten zahlen müssen. Unternehmen aus Drittstaaten können dabei CO2-Kosten, die im Heimatland entstehen, geltend machen und müssen dann entsprechend weniger “CBAM-Rechte” vorweisen. China hatte Mitte Juli ebenfalls einen Emissionshandel begonnen. Ob dieser mit dem europäischen ETS vereinbar sein wird, ist jedoch sehr fraglich (China.Table berichtete). Der CO2-Grenzausgleich soll nach einer Übergangsphase dann voll ab 2026 für die ersten Sektoren in Kraft treten. ari
Die Europäische Zentralbank (EZB) drosselt bei den Notfallhilfen für die sich aus der Virus-Krise lösende Wirtschaft etwas das Tempo. Die Euro-Wächter um Notenbank-Chefin Christine Lagarde beschlossen auf ihrer Zinssitzung am Donnerstag, dass die Ankäufe im Rahmen ihres billionenschweren Krisen-Anleihenkaufprogramms PEPP im vierten Quartal etwas geringer ausfallen werden als in den beiden Quartalen zuvor.
Die Währungshüter hatten bislang im Vergleich zu den Anfangsmonaten des Jahres ein deutlich höheres Kauftempo beibehalten. Das auf insgesamt 1,85 Billionen Euro angelegte PEPP-Programm ist eines ihrer Hauptinstrumente, um den Kreditfluss an die Wirtschaft während der Covid-Krise zu stützen und günstige Finanzierungsbedingungen für Unternehmen, Staaten und Haushalte sicherzustellen. Zuletzt hatten die Währungshüter im Rahmen von PEPP Staatsanleihen und andere Wertpapiere im Volumen von monatlich rund 80 Milliarden Euro erworben. Die PEPP-Käufe sollen noch bis mindestens Ende März 2022 fortgesetzt werden. rtr
Die Europäische Union will im Digital-Bereich enger mit Staaten im Indo-Pazifik-Raum kooperieren. Im Rahmen der Indo-Pazifik-Strategie, die die Kommission nächste Woche vorlegen wird, strebt die EU digitale Partnerschaftsabkommen mit Japan, Südkorea und Singapur an. Die Vereinbarungen zielen laut Entwurf darauf ab, Standards für Technologien wie künstliche Intelligenz zu schaffen und den Austausch vertrauenswürdiger Daten zu stärken.
Brüssel hofft, den neuen Ansatz zu nutzen, um widerstandsfähigere Technologielieferketten etwa für Halbleiter aufzubauen, wertebasierte Innovationen zu unterstützen und Geschäftsmöglichkeiten für Start-ups und KMU zu erleichtern. Die EU-Kommission wird das Strategie-Papier am kommenden Dienstag vorstellen. Am Mittwoch dürfte EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen dann in ihrer Rede zur Lage der EU ebenfalls auf die Zusammenarbeit mit der Region eingehen. ari
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat die Wahlprogramme von CDU/CSU, SPD, Grünen, FDP und Linke auf deren Ambitionen beim Klimaschutz untersucht. Das Ergebnis der Studie: keine der Parteien habe adäquate Lösungen zum Erreichen der Klimaziele.
Die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kemfert sagte bei der Vorstellung, dass keines der Programme ein ausreichendes Konzept vorlege, wie das deutsche Klimaschutzgesetz (65 Prozent weniger CO2 bis 2030, Klimaneutralität bis 2045) erfüllt werden kann. Zudem betonte sie, dass selbst die deutschen Ziele zu niedrig seien, um das im Pariser Abkommen festgelegte 1,5-Grad-Ziel zu erreichen. Entsprechend forderte sie alle Parteien auf, die notwendigen Maßnahmen auf den Weg zu bringen, statt “Gespensterdebatten” im Wahlkampf zu führen.
Die DIW-Studie wurde von der Stiftung Klimaneutralität in Auftrag gegeben und finanziert. Sie sieht das Wahlprogramm der Grünen zwar noch am ehesten in der Lage, Wirkung beim Klimaschutz zu erzielen. Es berücksichtige alle politischen Handlungsfelder für Klimaschutz und sei fachlich fundiert, sagte Kemfert. Dennoch gebe es auch bei den Grünen eine “Umsetzungslücke”, um das deutsche Klimaschutzgesetz zu erfüllen.
Aus klimapolitischer Sicht “unzureichend” sei hingegen das Programm der FDP, da es einen “einseitigen Fokus auf Preis und Marktmechanismen” lege. Das reiche nicht aus, so Kemfert. Die Partei verkenne “die sektorspezifischen Hemmnisse, die beispielsweise die Energie- oder Verkehrswende in den nächsten acht Jahren behindern”, begründen die Studienautoren das Urteil.
Auf dem zweiten Platz landete das Linken-Programm. Es punkte vor allem durch einen ambitionierten Ausstiegsplan aus den fossilen Energieträgern, heißt es in der Studie. Allerdings fehle eine Strategie zur Dekarbonisierung der Industrie. Zudem lehnt die Partei die CO2-Bepreisung und den Emissionshandel ab.
Die Unionsparteien landen knapp vor der SPD auf Platz drei. Die Maßnahmenvorschläge beider seien zu unkonkret, heißt es. Die Sozialdemokraten schnitten im Verkehrssektor zwar gut ab, ließen allerdings Detailtiefe für den Energiesektor vermissen. CDU und CSU fehle es “in fast allen Handlungsfeldern an der detaillierten Ausarbeitung von Maßnahmenvorschlägen”, schreiben die Studienautoren. Einzig im Industriesektor könnten CDU/CSU überzeugen, aufgrund der Pläne für Carbon Capture-Technologien.
Das DIW hat für seine Bewertung unterschiedliche Handlungsfelder definiert und sie abhängig von der Emissionsintensität eingestuft. So wurden beispielsweise Maßnahmen zur Dekarbonisierung des Energiesektors am höchsten gewichtet, landwirtschaftliche Dekarbonisierungspläne hingegen schwächer. Dabei wurden ausschließlich die Wahlprogramme berücksichtigt, nicht etwa darüber hinaus gehende Parteitagsbeschlüsse, Parteiprogramme oder anderweitige Strategie- und Positionspapiere. luk
Neben ihm auf dem Podium stehen Ingrida Šimonytė, die Ministerpräsidentin Litauens und Sebastian Kurz, Österreichs Bundeskanzler. Beide sind schon dort, wo Armin Laschet noch hin möchte: Sie sind Teil des Kreises der Staats- und Regierungschefs in Europa. “Ich tue alles, damit ich demnächst im Rat sitze”, sagt der Kanzlerkandidat.
Manfred Weber hatte Laschet am Donnerstag zur Klausur der EVP-Führung in Berlin eingeladen. Der Fraktionschef begrüßte ihn als “den zukünftigen Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland”. So viel vorbehaltlose Unterstützung erfährt Laschet derzeit eher selten. Schon gar nicht aus von einem CSU-Politiker. Rivale Markus Söder stichelt ständig gegen den gemeinsamen Kanzlerkandidaten von CDU und CSU. Zuletzt machte Generalsekretär Markus Blume keinen Hehl daraus, wen er für den besseren Kandidaten hält.
Laschet macht weiter, was bleibt ihm auch anderes übrig. Auch wenn sich sein Rückstand auf Olaf Scholz in den Umfragen verfestigt: Das Kanzleramt ist aus Sicht des Laschet-Lagers weiter in Reichweite. Das Kalkül: Ohne eine Drei-Parteienkoalition wird es nach der Wahl kaum gehen – und die Grünen dürften leichter für eine Jamaika-Koalition zu gewinnen sein als die FDP für ein Ampel-Bündnis mit SPD und Grünen.
Ob das Wunschdenken ist, wird sich nach dem 26. September weisen. Laschet jedenfalls bereitet die versammelten EVP-Abgeordneten auf eine längere Phase der Ungewissheit auch auf europäischer Ebene vor: Es werde wegen unklarer Mehrheitsverhältnisse “möglicherweise eine lange Regierungsbildung geben”, warnt er, die “bis Jahresende dauern” könne.
Die Abgeordneten des Europaparlaments, so Laschet, müssten in dieser Zeit ein Anker der Stabilität zu sein. Schon diese Äußerung zeigt, dass der Kandidat europapolitisch anders denkt als die Kanzlerin: Merkel zeigte kein sonderlich großes Interesse an den Straßburger Parlamentariern, sie begriff die EU vor allem als intergouvernementales Projekt. Für die Kanzlerin sei das Europaparlament eine Quasselbude und die Kommission das Sekretariat des Rates, schimpft ein erfahrener Europapolitiker.
Ganz anders Laschet: Er werde sein “parlamentarisches Herz nicht vergessen”, wenn er als Bundeskanzler im Europäischen Rat sitze, verspricht er den EVP-Abgeordneten. Der 60-Jährige war von 1999 bis 2005 selbst Europaparlamentarier – “es waren mit die schönsten Jahre in meinem politischen Leben”, sagt er. Der Geist dort sei ein anderer, die europäische Art der Gesetzgebung weniger konfrontativ angelegt als auf nationaler Ebene – man suche Mehrheiten über Fraktionen und nationale Grenzen hinweg.
Laschet versteht sich als Vermittler, als Mann des Ausgleichs. Anders als sein Rivale in Bayern polarisiert der nordrhein-westfälische Ministerpräsident selten, spitzt ungern zu. Im Wahlkampf fehlt ihm dadurch der Punch. In der europäischen Politik aber wären solche Charaktereigenschaften durchaus gefragt.
Merkel hatte sich auch deshalb großen Respekt in der EU erworben, weil sie Kompromisse suchte. Nur selten drückte sie die Interessen des mächtigsten Mitgliedslandes einfach durch. Auch Laschet sieht sich als Brückenbauer. Zwischen Nord und Süd, etwa in der anstehenden Diskussion um den Stabilitätspakt. Den schuldenfinanzierten EU-Aufbaufonds bezeichnet er als “Jahrhundertchance” zur Modernisierung Europas.
Und auch zwischen West und Ost. Die Spannungen zwischen den west- und den mittelosteuropäischen Staaten insbesondere um die Rechtsstaatlichkeit abzubauen, sei “die nächste große Aufgabe”, sagt er. Kurz zuvor hatte Merkel vor den EVP-Abgeordneten gewarnt, die Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen und Ungarn bis zum Ende durchzuziehen. Solche Fragen müssten politisch gelöst werden, nicht vor Gericht, argumentierte sie hinter verschlossenen Türen laut Teilnehmern. Zumindest hierin unterscheiden sich Kanzlerin und Kandidat kaum. Till Hoppe