eigentlich war ein Ministerrat geplant, stattdessen gab es ein Arbeitsessen in kleiner Runde. Die Unstimmigkeiten zwischen den beiden größten Ländern der EU waren in den vergangenen Wochen immer größer geworden, und offenbar hatten die beiden Staatsoberhäupter Kanzler Olaf Scholz und Präsident Emmanuel Macron Redebedarf: Statt der geplanten 20 Minuten berieten sich Scholz und Macron drei Stunden lang unter vier Augen. Worüber genau gesprochen wurde, darüber hüllten sie sich in Schweigen, eine gemeinsame Pressekonferenz gab es nicht. Tanja Kuchenbecker berichtet aus Paris.
Mein Kollege Markus Grabitz hat sich mit einem Vorschlag der EU-Kommission zur Verbesserung der Luft- und Wasserqualität auseinandergesetzt. Darin sieht die Kommission vor, die Grenzwerte für Luftschadstoffe empfindlich zu senken und neue Substanzen auf die Liste der gefährlichsten Wasserverschmutzer zu setzen. Was der Vorschlag noch enthält, lesen Sie in seiner Analyse.
Ein Thema, das zuletzt etwas in den Hintergrund gerückt ist, kocht jetzt wieder hoch: Es droht ein Engpass bei der Lebensmittelversorgung aufgrund des Angriffskrieges Russlands in der Ukraine. Eine erneute Seeblockade Russlands mit all ihren Konsequenzen ist nicht ausgeschlossen, schreibt Timo Landenberger.
Derzeit dauern Überweisungen auf Konten innerhalb der EU mehrere Stunden bis Tage. Ein untragbarer Zustand, den die EU-Kommission bald ändern will. Sie will Echtzeitüberweisungen nicht nur verpflichtend, sondern auch kostenlos einführen.
Noch ein Blick in die Downing Street: In einem Telefonat mit dem frisch ins Amt gewählten britischen Premierminister Rishi Sunak hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern betont, sie freue sich auf die Zusammenarbeit bei den wichtigen Themen wie dem Klimawandel und dem Ukraine-Krieg. Der Europäischen Union gehe es auch darum, im Rahmen des Nordirland-Protokolls gemeinsame Lösungen zu finden, die Stabilität und Verlässlichkeit böten, twitterte von der Leyen nach dem Gespräch.
Die beiden Staatschefs trafen sich am Mittwoch im Élysée-Palast mit ihren Teams zu einem Mittagessen. Am Ende hatten sie sich dann doch einiges zu sagen. Das ursprünglich für nur 20 Minuten angesetzte Treffen unter vier Augen dauerte schließlich drei Stunden.
Dabei hatte die französische Seite noch im Vorfeld des Treffens klargemacht, wie tief der Graben ist. Der Élysée-Palast hatte das Kanzleramt protokollarisch auflaufen lassen. Es war schon sehr erstaunlich und beispiellos, wie die Macron-Entourage unverhohlen den miserablen Zustand der gegenseitigen Beziehungen nach außen trug. Was war passiert? Noch am Wochenende hatte die deutsche Seite eine gemeinsame Pressekonferenz angekündigt. Wenig später war dann nur noch die Rede davon, es werde anschließen eine Erklärung von Scholz geben. Schließlich gab es gar nichts Offizielles.
Vom Élysée-Palast wurde nicht einmal eine Reaktion auf das Treffen angekündigt. Nur die Fotografen waren in den Innenhof des Élysée-Palastes eingeladen, um die Begegnung der beiden abzulichten. Zunächst wirkte es, als wollten die beiden nicht gemeinsam vor die Kamera treten, damit die Differenzen nicht deutlich zum Vorschein kommen. Ein Affront für Scholz, schrieb die Wirtschaftszeitung “Les Echos”.
Was ist mit dem deutsch-französischen Motor in der EU passiert? Er stottert, spätestens seitdem Scholz ins Amt gekommen ist. In der Vergangenheit haben Paris und Berlin viele Dossiers zu Beginn unterschiedlich gesehen. Auch unter Merkel gab es Differenzen, etwa als Macron seine Reformpläne bei der Sorbonne-Rede vortrug. Die Antwort aus Deutschland darauf blieb lange aus.
Das Verlässliche war aber, dass sich beide Seiten eigentlich immer in den vergangenen Jahrzehnten zusammenraufen und irgendwann auf Kompromisse einigen konnten. Hier der extrovertierte, zuweilen dramatische Macron, da der dröge, hanseatische Scholz: die beiden hatten bislang noch immer nicht einen persönlichen Zugang zueinander gefunden. Ob es diesmal gelungen ist? Für eine abschließende Bewertung ist es zu früh.
Das Fundament der Beziehungen ist immer noch solide. Aus Kreisen der Bundesregierung hieß es, dass das Treffen “intensiv und partnerschaftlich” gewesen. Zuerst ging es dem Vernehmen nach um einen allgemeinen Ausblick und die Perspektive Europas, um Verteidigung und Sicherheitspolitik sowie um kurzfristige Themen wie Energie und Wirtschaft. Der Eindruck: In großen Orientierungen sei man einer Meinung, vor allem zu Europa. Die Gespräche seien nach vorn gerichtet gewesen. Details oder konkrete Abmachungen wurden allerdings nicht bekannt.
Nach dem Gespräch sagte Scholz, Macron und er hätten ein “sehr gutes und wichtiges Gespräch” geführt. “Deutschland und Frankreich stehen eng beieinander und begegnen den Herausforderungen gemeinsam”, twitterte der Kanzler.
Später übten sich die jeweiligen Teams in diplomatischen Höflichkeiten. Es hieß auch, der französische Präsident habe eine wachsende Konvergenz zwischen Deutschland und Frankreich in den vergangenen fünf Jahren unterstrichen. Frankreich habe strukturelle Reformen durchgeführt und Deutschland sich durch geopolitische Entwicklungen an die französische Position in der Außen- und Sicherheitspolitik angenähert.
Französische Medien kommentierten, es gäbe den Willen zur Beschwichtigung, nachdem der Ministerrat annulliert wurde. Aus Élysée-Kreisen hieß es, das Treffen sei “sehr konstruktiv” gewesen. Noch während die beiden sprachen, erklärte Regierungssprecher Olivier Véran: Seit fünf Jahren sei es dem deutsch-französischen Paar auf europäischer Ebene gelungen, einen Wiederaufbauplan zu erreichen, den es noch nie gegeben habe. Die beiden Länder seien immer weiter vorangekommen: “Die Stärke des deutsch-französischen Paares ist es, dass es ihm immer gelingt, sich zu verständigen.” Das Treffen zeige, dass die Freundschaft sehr lebendig sei.
In den letzten Tagen gab es in Frankreich und Deutschland zahlreiche Medienberichte über Konflikte unter anderem bei der Energiepolitik und Verteidigung. Die Interessen seien zu unterschiedlich, hieß es. Frankreich hatte Deutschland zudem vorgeworfen, dass es zuerst an deutsche und nicht europäische Interessen denke. Frankreich sei enttäuscht vom Kanzler, klang durch. Macron warf Deutschland vor, sich zu “isolieren”.
Die Kommission will das Wasser und die Luft sauberer machen. Dafür hat sie Vorschläge für Richtlinien zur Luftreinhaltung und zur Behandlung von Abwässern sowie Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers vor Verschmutzungen vorgelegt. Zum Schutz der oberflächennahen Gewässer sollen 25 Substanzen mit problematischen Folgen für Natur und Mensch in der Liste von Gewässerverschmutzern aufgenommen werden. Auf diese Liste sollen folgende Substanzen:
Die Kommission will dafür sorgen, dass sich das Fischsterben in der Oder nicht noch einmal wiederholt und will daher ein verpflichtendes Warnsystem in Fließrichtung der Gewässer nach einem Ereignis einrichten.
Bis zum Jahr 2040 sollen Kläranlagen Energieneutralität erreichen. Auch die Qualität der Klärschlämme soll verbessert werden. Es soll die Pflicht werden, Nährstoffe aus den Abwässern zurückzugewinnen. Außerdem soll es neue Normen für Mikroplastik und Mikroverunreinigungen geben. Die Schwelle zur Pflicht von Kläranlagen, die derzeit bei Siedlungen bei der Einwohnerzahl 2.000 liegt, soll auf 1.000 gesenkt werden. Größere Ansiedlungen sollen Management-Pläne für Starkregen vorlegen, die sich wegen der Klimaerwärmung häufen. Als Folge der Covid-19-Pandemie soll das Abwasser auf verschiedene Viren und antimikrobielle Resistenzen getestet werden. Die Mitgliedstaaten sollen zudem dafür sorgen, dass auch gefährdete Gruppen in der Gesellschaft Zugang zu sauberem Wasser haben.
Da über 90 Prozent der giftigen Mikroverschmutzungen im Abwasser aus Kosmetik und Pharmazeutika stammen, soll es eine erweiterte Herstellerhaftung geben. Unternehmen sollen für die Beseitigung der Schäden aufkommen. Außerdem soll das Potenzial an erneuerbaren Energien im Abwasser-Bereich erschlossen werden. Hier kommt Biogas infrage. Zudem soll Schwefel aus den Klärschlämmen für die Düngemittelindustrie genutzt werden.
Die Kommission schlägt vor, ab 2030 schärfere Grenzwerte für Luftschadstoffe einzuführen. Sie will die Richtwerte, die die WHO 2021 vorgeschlagen hat, nicht 1:1 in EU-Gesetzgebung überführen. Bis 2050 will sie dafür sorgen, dass es keinerlei Luftverschmutzung mehr gibt. Die Grenzwerte sollen ab 2030 nach dem jeweiligen wissenschaftlichen Stand kontinuierlich verschärft werden. Die Kriterien für die Positionierung der Messstationen sollen nicht grundlegend geändert werden. Das heißt, wie bisher müsste in einem Abstand von zehn Metern oder weniger von der Straße gemessen werden. Die Grenzwerte für Luftschadstoffe sollen teils mehr als halbiert werden. Im Folgenden geht es um den Jahresdurchschnittswert:
Zudem gibt es Grenzwerte für Schwefeldioxid, Benzene, Kohlenmonoxid und verschiedene Schwermetalle.
28.10.2022 – 10:30-12:00 Uhr, München
CECE & ERA, Panel Discussion The way to Zero Emission
The presentation by Katharina Knapton-Vierlich (Head of Unit for Construction at the EU Commission) as well as the following panel discussion, organized by CECE (Committee for European Construction Equipment) and ERA (European Rental Association), will focus on carbon neutrality targets and the role of politics. INFOS
28.10.2022 – 11:00 Uhr, online
EBD & EBÖ, Vortrag De-Briefing EZB-Rat
Die Europäische Bewegung Deutschland (EBD) und Österreich (EBÖ) informieren nach der geldpolitischen Sitzung des EZB-Rates über die Ergebnisse. INFOS
28.10-30.10.2022, Bad Staffelstein
HSS, Seminar Midterms 2022 – US-Präsident Joe Biden auf dem Prüfstand
Anlässlich der Wahlen in den Vereinigten Staaten am 8. November wird bei dieser Veranstaltung der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) die bisherige Amtszeit von Joe Biden in den Blick genommen. INFOS & ANMELDUNG
31.10.2022 – 14:45-16:45 Uhr, Prag (Tschechien)/ online
EU Kommission, Discussion The role of open trade in an increasingly uncertain world
The European Union’s trade policy going forward will be the topic of discussion with Valdis Dombrovskis (Executive Vice President of the European Commission) and Jozef Síkela (Czech Minister of Industry and Trade). REGISTRATION
31.10.2022 – 16:30-17:30 Uhr, online
ECFR, Panel Discussion A new climate for peace? How Europe can reconcile energy and climate security
On the occasion of the publication of the Policy Brief on Environmental Cooperation between the Gulf States and Iran, the European Council on Foreign Relations (ECFR) hosts a discussion with its authors on climate targets, energy security and decarbonization. INFOS & REGISTRATION
31.10.-05.12.2022, online
FSR, Seminar Electric Vehicles – Mobility meets Power System
The Florence School of Regulation (FSR) course addresses the challenges posed by the increasing number of electric vehicles, such as building charging infrastructure or integration into the power grid. INFOS & REGISTRATION
01.11.2022 – 18:30-20:00 Uhr, Dresden
KAS, Diskussion Tandem passé? Die deutsch-französische Zusammenarbeit auf dem Prüfstand
Das Thema der Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) ist der Wandel der deutsch-französischen Beziehung sowie der Einfluss auf die Europapolitik. INFOS & ANMELDUNG
02.11.2022 – 15:00-16:00 Uhr, online
DIHK, Diskussion Brasilien nach den Präsidentschaftswahlen – Welche Chancen bieten sich für die deutsche Wirtschaft?
Anlässlich der Wahlen in Brasilien am 30. Oktober 2022 lädt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) zu einer Diskussion über den Stand der brasilianischen Wirtschaft, aktuelle Herausforderungen und Maßnahmen sowie den Einfluss deutscher Unternehmen ein. ANMELDUNG BIS 27.10.2022
06.12.-08.12.2022, Kairo (Ägypten)
FSR, Seminar LNG Market Structure, Organisation and Arrangements
The key subjects of this course, hosted by the Florence School of Regulation (FSR), are LNG key actors, market organization, regulation, and the energy transition. REGISTRATION UNTIL 31.10.2022
Acht Monate hält der russische Angriff auf die Ukraine bereits an und hat weiterhin schwerwiegende Auswirkungen auf die globale Ernährungssicherung und auf die Lebensmittelpreise. Entschärft wurde die Situation zuletzt durch die Aufhebung der russischen Blockade ukrainischer Schwarzmeer-Häfen. Doch das könnte sich schon bald wieder ändern.
Das fragile Abkommen, das seit Ende Juli den Export ukrainischen Getreides wieder über Seeweg ermöglicht, läuft Ende November aus. Eine Verlängerung gilt nicht als gesichert, schließlich hat Kreml-Chef Wladimir Putin bereits mit weiteren Blockaden gedroht und das Abkommen als “Abzocke” bezeichnet, da die vereinbarten Lockerungen der Sanktionen nicht eingehalten worden seien.
Vor Ausbruch des Krieges wurden über die Häfen rund um Odessa monatlich fünf bis sechs Millionen Tonnen Agrarerzeugnisse verschifft. Nach der vollständigen Blockade seien es im September 3,9 Millionen Tonnen gewesen, sagte der stellvertretende ukrainische Agrarminister, Markian Dmytrasevych, diese Woche im Europäischen Parlament. Bei einem Austausch mit dem Agrarausschuss rief er die EU dazu auf, sich für eine Fortsetzung des Abkommens einzusetzen. Das sei “absolut entscheidend” für die ukrainische Landwirtschaft sowie für zahlreiche Länder, die von den Lieferungen abhängig seien.
Schon jetzt kommt es allerdings zu erheblichen Verzögerungen. Etwa 150 Schiffe stünden am Bosporus im Stau. Grund dafür seien unverhältnismäßig lange Überprüfungen der Frachter, wodurch Russland die Passage künstlich in die Länge ziehe, so Dmytrasevych. Man müsse sich wohl darauf gefasst machen, dass der Seeweg bald wieder vollständig blockiert werde.
Umso wichtig sei es, die Kapazitäten der sogenannten Solidarity Lanes der EU weiter zu erhöhen. Denn diese würden bereits vollständig ausgeschöpft. So seien zuletzt monatlich etwa drei Millionen Tonnen Agrarerzeugnisse über die alternativen Routen exportiert worden. Darunter insbesondere Rumänien und die Donau, aber auch der polnische Landweg. Doch die Hürden seien weiterhin hoch.
Ein Frachter kann bis zu 82.000 Tonnen Getreide transportieren. Dafür würden 41 Güterzüge benötigt. Oder 3280 Lkw. Hauptproblem beim Schienentransport: unterschiedliche Spurweiten in der Ukraine und in Westeuropa, weshalb das Getreide an der Grenze verladen werden muss. Doch es fehlt weiterhin an der entsprechenden Technik und Verlade-Terminals.
Und während die Ukraine über rund 24.000 Waggons für den Getreidetransport verfüge, gebe es in ganz Westeuropa nur etwa die Hälfte, so Dmytrasevych. Auch deshalb sei man mit der polnischen Regierung im Gespräch über den Bau einer Pipeline für Speiseöl. Immerhin kommt rund die Hälfte des weltweiten Bedarfs an Sonnenblumenöl aus der Ukraine.
Am Mittwoch machte der Verkehrsausschuss des EU-Parlaments außerdem den Weg frei für ein neues Straßenverkehrsabkommen mit der Ukraine und der Republik Moldau. Damit soll unter anderem der Transport zwischen den jeweiligen Ländern erleichtert werden, ohne dass zusätzliche Genehmigungen erforderlich sind. Beispielsweise sollen ukrainische Führerscheine auch in der EU ihre Gültigkeit behalten. Ein wichtiger Schritt bei der Lösung der “Flaschenhälse” an der Grenze, denn die Grenzübergänge sind seit Ausbruch des Krieges völlig überlastet, weshalb die Lkw oft mehrere Tage im Stau stehen.
Zu den Logistikproblemen hinzu kämen die enorm gestiegenen Kosten für Versicherung und Transport der Agrarerzeugnisse, sagte Dmytrasevych. “Die Ukraine ist Netto-Exporteur von Getreide. Die Preise bei uns sind niedriger als die Anbaukosten für die Landwirte.” Wenn jedoch auch beim Export die Kosten nicht mehr gedeckt würden, dann drohe langfristig die gesamte Branche zusammenzubrechen, einer der wichtigsten Wirtschaftszweige für die Ukraine.
Zumal auch für das kommende Jahr mit deutlichen Ernteeinbußen gerechnet werden müsse, so der stellvertretende Minister weiter. 20 Prozent der Agrarflächen seien durch Minen unzugänglich, lägen in besetztem oder umkämpftem Gebiet. Da es massiv an Saatgut, Düngemitteln sowie weiterer Produktionsfaktoren mangle, könne aber selbst die verbliebene Fläche nicht vollständig bewirtschaftet werden. “Für das Wintergetreide konnten wir bislang nur 60 Prozent der Ackerfläche einsäen“. Auch die Viehzucht sei um rund 15 Prozent zurückgegangen.
Grund dafür sei neben der Zerstörung zahlreicher Stallanlagen auch ein Engpass bei der Energieversorgung, sagte Dmytrasevych, der die EU um Unterstützung bei der Versorgung mit Saatgut, Düngemitteln und Dieselgeneratoren bat. Doch die Abgeordneten machten dem stellvertretenden Minister zumindest in dieser Hinsicht nur wenig Hoffnung. An Dünger und Generatoren mangle es auch in der EU.
Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine hat sich die Situation auf dem globalen Nahrungsmittelmarkt deutlich verschärft. Zahlreiche Länder, insbesondere in Nordafrika und im mittleren Osten sind stark von den Getreidelieferungen aus Russland und der Ukraine abhängig. So bezieht etwa Ägypten 80 Prozent seines Weizenbedarfs aus den beiden Ländern.
Die Europäische Union ist hingegen bei der Versorgung mit Grundnahrungsmitteln weitgehend autark und konnte den eigenen Getreide-Export in den vergangenen Monaten steigern. Dennoch macht sich die Explosion der Lebensmittelpreise auch hier bemerkbar. So sei die Inflation bei Lebensmitteln seit März von beinahe Null auf 16 Prozent angestiegen, sagt Agrar- und Wirtschaftswissenschaftler Rico Ihle. Das treffe insbesondere ärmere Haushalte, die bis zu einem Drittel ihres Einkommens für Lebensmittel aufbringen müssten.
Dazu sorge die vereinfachte Einführung ukrainischer Agrargüter in die EU für lokale Marktverwerfungen, erklärte die Generaldirektion Agrar der Europäischen Kommission. So führe beispielsweise günstiger Futtermais plötzlich zu ungekanntem Wettbewerb im Osten Polens oder Rumäniens.
Zehn Tage vor Beginn der COP27 im ägyptischen Sharm el-Sheikh ist noch immer unklar, wer die Position der Mitgliedsländer der Europäischen Union auf der Klimakonferenz vertreten wird. Nach dem überraschenden Rücktritt der tschechischen Umweltministerin Anna Hubáčková ist in Brüssel und Prag nicht bekannt, wer ihre Nachfolge antritt. Als Vertreterin ihres Landes in der rotierenden EU-Ratspräsidentschaft sollte die tschechische Ministerin die Position der 27 Mitgliedstaaten vertreten.
EU-Klimakommissar Frans Timmermans hat nach den Regeln der Europäischen Union als Vertreter der EU-Kommission offiziell nur eine beratende Funktion bei den internationalen Verhandlungen. In den UN-Gremien sind die Regierungen der Länder die zuständigen Akteure, sodass der tschechischen Ratspräsidentschaft als Vertreterin der EU-Staaten die Hauptrolle zukommt. Eine kurzfristige Neubesetzung oder gar eine Vakanz auf ministerieller Ebene könnte eine Schwächung der Sprechfähigkeit der EU-Staaten auf der COP27 bedeuten.
Hubáčková, Mitglied der christdemokratischen Partei KDU-ČSL, war Anfang Oktober aus gesundheitlichen Gründen überraschend zurückgetreten und scheidet Ende Oktober aus dem Amt. Zwar soll ab dem 1. November Arbeitsminister Marian Jurečka (KDU-ČSL) kommissarisch ihr Ressort übernehmen, doch ob er auch als zuständiger Minister zur COP27 reisen wird, steht offenbar noch nicht fest. Das Umweltministerium habe zwar einen dahingehenden Wunsch geäußert, erfuhr Table.Media aus dem Umfeld Hubáčkovás. Aber man wisse noch nicht, ob dies in den Zeitplan des Ministers passe, hieß es.
Fest steht bislang, dass Tschechiens Premierminister Petr Fiala (ODS) beim High Level Segment zu Beginn der COP27 für die EU-Staaten sprechen wird und dass der stellvertretende Umweltminister Jan Dusík die Verhandlungsdelegation der Tschechen über die zweiwöchige Konferenz leiten wird. Das berührt aber nicht ihre Position als EU-Verhandlungsführerin auf ministerieller Ebene.
Zunächst sollte Hubáčkovás Posten als tschechische Umweltministerin vom aktuellen Vize-Bürgermeister der Stadt Brno, Petr Hladík, übernommen werden. Doch seine Ernennung wurde aufgrund von polizeilichen Ermittlungen in seinem Umfeld vorübergehend auf Eis gelegt. Gegen Hladík selbst wird allerdings nicht ermittelt. Daher deuteten sowohl Jurečka als auch Premier Fiala zuletzt wieder an, dass Hladík den Posten als Umweltminister übernehmen wird.
Ob das noch vor Beginn der COP27 am 7. November passiert, ist jedoch fraglich. Die EU will dort erste Ergebnisse ihres ehrgeizigen Fit-for-55-Programms präsentieren und sich für Fortschritte bei der Emissionsreduktion, Klimaanpassung und Klimafinanzierung einsetzen. Erst am Wochenbeginn hatte der Umweltrat beschlossen, dass eine mögliche Erhöhung des EU-Klimaplans (NDC) erst im kommenden Jahr erfolgen soll. luk
Im digitalen Zeitalter ist es kaum nachvollziehbar, warum eine Euro-Überweisung von einem auf ein anderes EU-Konto Stunden oder sogar Tage dauert. Zwar bieten auch Banken in Deutschland Echtzeitüberweisungen an. Doch häufig verlangen sie dafür eine Extra-Gebühr, weshalb Kunden Echtzeitüberweisungen hierzulande nur selten nutzen. Auch in Europa insgesamt sind nur elf Prozent aller Euro-Überweisungen Sofortzahlungen. Das will die EU-Kommission ändern und Sofortzahlungen zum Standard machen.
Verbraucher und Unternehmen sollen dabei sowohl von der Schnelligkeit (weniger als zehn Sekunden) als auch von der Bequemlichkeit (verfügbar an 365 Tagen rund um die Uhr) von Sofortzahlungen profitieren. Außerdem will die EU damit täglich fast 200 Milliarden Euro freisetzen, die derzeit im Finanzsystem des “Zahlungsspielraums” blockiert sind. “Diese Möglichkeit, Geld in Sekundenschnelle zu senden und zu empfangen, ist besonders wichtig in einer Zeit, in der die Rechnungen für Haushalte und KMU steigen und jeder Cent zählt”, sagte Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness bei der Präsentation des Regulierungsvorschlags am Mittwoch.
Der Vorschlag zur Änderung der Verordnung über den einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum (SEPA) von 2012 enthält vier Anforderungen für Euro-Sofortzahlungen:
Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) meint zum Regulierungsvorschlag, dass “ein so tiefgreifender und nicht sachgerechter Markteingriff” nicht zu rechtfertigen sei, weil hier “grundsätzlich kein Marktversagen” vorliege. Eine gesetzgeberische Bevorzugung von Echtzeitüberweisungen laufe Gefahr, “Fehlanreize entgegen den tatsächlichen Kundenbedürfnissen zu setzen”. Die DK fordert, im Gesetzgebungsverfahren Gesichtspunkte wie etwa steigende Kosten bei der Zahlungsabwicklung oder Betrugsrisiken genauer zu analysieren.
Der deutsche Handelsverband HDE unterstützt dagegen “die Modernisierung des Zahlungssystems der EU”. Ulrich Binnebößel, HDE-Abteilungsleiter Zahlungsverkehr meint, Instant Payments zu fördern sei ein großer Schritt nach vorn. “Ähnlich wie bei der SEPA-Überweisung und SEPA-Lastschrift müssen die Banken in die Pflicht genommen werden”, fordert der HDE. Auch die europäische Verbraucherorganisation BEUC findet: “Sofortüberweisungen sollten keine Premium-Dienstleistung sein. Es ist an der Zeit, sie zur neuen Normalität zu machen.”
Für Markus Ferber (CSU), wirtschaftspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, hat ein gut funktionierendes Ökosystem für Instant Payments noch einen weiteren Vorteil: “Wenn Instant Payments funktionieren, gibt es im Bereich Zahlungsverkehr für Stable Coins keinen Anwendungsbereich mehr.” Denn als einer der wesentlichen Vorzüge von privaten Stable-Coin-Initiativen gelte die Zahlungsabwicklung in Echtzeit. vis
EU-Kommissar Didier Reynders will die Debatte über Rechtsstaatlichkeit in Europa noch breiter führen. Er sei entschlossen, sie in die nationalen Hauptstädte und Parlamente zu tragen und die Zivilgesellschaft stärker einzubeziehen. Das geht aus dem Text zu Reynders Humboldt-Rede zu Europa hervor, die Europe.Table in Auszügen vorliegt. Dabei sei beides wichtig, der Dialog ebenso wie entschlossenes Handeln.
“Um es klar zu sagen: Es kann nicht das Ziel sein, ein bestimmtes Modell für die nationalen Justizsysteme in den Mitgliedstaaten durchzusetzen. Aber wir müssen sicherstellen, dass die Grundprinzipien der Rechtsstaatlichkeit überall geachtet werden.”
Den Vortrag zum Thema “Protecting and strengthening the Rule of Law in the European Union” hält Reynders am heutigen Donnerstag in Berlin auf Einladung des Walter-Hallstein-Instituts für Europäisches Verfassungsrecht der Humboldt-Universität (Livestream).
Es sei normal, dass es Differenzen und politische Diskussionen zwischen der Kommission und einem Mitgliedstaat gebe. Sobald jedoch ein endgültiges Urteil des Europäischen Gerichtshofs vorliege, sei dies für beide Seiten verbindlich. Aus diesem Grund sei das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts vom 7. Oktober 2021 für die Kommission von großer Bedeutung.
Das polnische Verfassungsgericht hatte damals entschieden, dass Teile der EU-Verträge verfassungswidrig seien. “Das hat es noch nie gegeben”, sagt Reynders laut Redetext. “Das Urteil stellt ausdrücklich den Vorrang des EU-Rechts in Frage und lehnt die Auslegung von Artikel 19 des Vertrags über die Europäische Union durch den Gerichtshof sowie das Gebot der richterlichen Unabhängigkeit ab.“
Zu lange hätten viele Menschen in Europa Demokratie und Rechtsstaatlichkeit für selbstverständlich gehalten. “Heute sehen wir klar: Wir müssen für unsere Demokratien kämpfen”, sagt Reynders. “Wir müssen sie sowohl vor den Bedrohungen von außen als auch vor den Bedrohungen von innen schützen.” Rechtsstaatlichkeit sei eine wesentliche Voraussetzung für das gegenseitige Vertrauen in Europa. Dies sei auch die Grundlage für andere Formen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, etwa bei Städtepartnerschaften. “Hier können sich unsere Gemeinden und Städte plötzlich mit sehr schwierigen Fragen konfrontiert sehen: Kann ich meine Städtepartnerschaft fortsetzen, wenn die Partnerseite aus einem anderen Mitgliedstaat beschlossen hat, sich zu einer ‘LGBTIQ-freien’ Stadt zu erklären”, fragt Reynders.
Ihren Jahresbericht 2022 über die Rechtsstaatlichkeit hat die Kommission im Juli veröffentlicht. Zum ersten Mal enthält er spezifische Empfehlungen für jeden Mitgliedstaat – auch ein Länderkapitel zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in Deutschland. “Alle Mitgliedstaaten haben Bereiche, in denen sie sich verbessern und voneinander lernen können – und das zeigen die Empfehlungen. Das gilt auch für Deutschland“, konstatiert Reynders. Während seines Besuchs in Berlin wird er auch mit Ausschussmitgliedern im Bundestag und im Bundesrat diskutieren. vis
Das Bundesfinanzministerium hat sich als Folge des umstrittenen chinesischen Einstiegs bei einem Containerterminal am Hamburger Hafen für eine Reform des Außenwirtschaftsgesetzes ausgesprochen. Eine Novellierung müsse “zeitnah” geprüft und umgesetzt werden, heißt es in einem Schreiben von Finanzstaatssekretär Steffen Saebisch an Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt. Dieses Schreiben vom Dienstag lag der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch vor.
Darin wird die Beteiligung eines chinesischen Konzerns an einem Containerterminal im Hamburger Hafen als “fatales wirtschafts- und geopolitisches Signal” bezeichnet. Das Finanzministerium habe die kritischen Positionen anderer Ressorts unterstützt und sich für eine vollständige Untersagung der chinesischen Beteiligung ausgesprochen. Es sei allerdings eine einheitliche Haltung der Bundesregierung notwendig, damit es nicht zu einem Erwerb von 35 Prozent der Anteile durch die chinesische Firma komme.
Das Bundeskabinett hatte eine sogenannte Teiluntersagung beschlossen. Demnach können die Chinesen nur einen Anteil unterhalb von 25 Prozent an dem Containerterminal Tollerort erwerben. Ein weitergehender Erwerb oberhalb dieses Schwellenwerts werde untersagt.
Im Schreiben von Saebisch heißt es weiter, die Bundesregierung sollte es nicht ermöglichen, dass sich ein weiterer Teil der europäischen Hafeninfrastruktur in die chinesische “Belt and Road”-Initiative eingliedere. Damit gerate der Erfolg eines transeuropäischen Verkehrsnetzes in Gefahr. Das 2013 von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping gestartete Projekt mit Milliarden-Investitionen soll nicht nur Handelskorridore über Land schaffen, sondern auch über See.
Weiter schreibt der Finanzstaatssekretär, Kanzler Olaf Scholz (SPD) habe nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs von einer Zeitenwende gesprochen. “So wie die Bundesregierung auf diese Zeitenwende im Bereich der Verteidigungs-, Sicherheits- und Energiepolitik mit den notwendigen Schritten reagiert hat, sollten wir auch im Bereich außenwirtschaftlicher Partnerschaften und der Investitionskontrolle – nicht nur im Bereich kritischer Infrastruktur – notwendige Reaktionen kritisch prüfen.”
Der CSU-Vize und Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, äußerte ebenfalls Kritik am Kompromiss. “Die Bundesregierung setzt mit ihren Entscheidungen zum Einstieg von Cosco beim Hamburger Hafen das völlig falsche Signal für ganz Europa”, sagte der Vorsitzende der Mitte-Rechts-Fraktion im Europaparlament am Mittwoch. Ansatz sollte es sein, auf Reziprozität zu setzen. “Die chinesische Staatsführung würde europäischen Staatsfirmen nie erlauben, ihre Infrastruktur zu kaufen”, erklärte Weber.
Das Argument möglicher Wettbewerbsnachteile will er nicht gelten lassen. Hamburg argumentiere, dass andere Häfen, bei denen Cosco beteiligt sei, bevorzugt würden. Genau dies spreche für ein europäisch abgestimmtes Vorgehen, sagte der CSU-Parteivize. Die SPD habe “aus ihrer Naivität bei Nord Stream 2 leider nicht gelernt”. dpa
Die US-Regierung ist offensichtlich bereit, auf die europäische Kritik an ihrem milliardenschweren Programm für Investitionen in den Klimaschutz und den Sozialbereich einzugehen. Wie die EU-Kommission am Mittwoch mitteilte, wurde vereinbart, eine gemeinsame Task-Force einzusetzen. Sie soll sich um Bedenken der EU hinsichtlich des sogenannten Inflationsbekämpfungsgesetzes kümmern und sich bereits in der kommenden Woche erstmals treffen.
Kernpunkt der EU-Kritik sind nach Angaben von EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis “diskriminierende Bestimmungen”, nach denen Subventionen und Steuergutschriften nur dann in Anspruch genommen werden können, wenn Unternehmen US-Produkte verwenden oder in den USA produzieren. So gibt es eine Passage in dem Gesetz, die Steuervorteile für Käuferinnen und Käufer von E-Autos nur dann vorsieht, wenn ein bestimmter Anteil der Batterieteile aus den USA stammt.
Die EU würde es begrüßen, wenn sie wie Kanada und Mexiko von den Bestimmungen befreit werden würde, erklärte Dombrovskis am Mittwoch in einer Pressekonferenz in Brüssel. Es gebe keinen Grund, sie gegen einen engen Verbündeten und strategischen Partner wie die EU anzuwenden.
In dem Fall, dass die Task-Force keine Ergebnisse bringen sollte, wird die EU nach Angaben Dombrovskis weitere Optionen prüfen. Eine davon könnte eine Klage bei der Welthandelsorganisation (WTO) sein.
US-Präsident Joe Biden hatte das Inflationsbekämpfungsgesetz im August unterzeichnet. Er bezeichnete es damals als eines der bedeutendsten Gesetze der US-Geschichte. Bidens Demokraten hoffen, mit dem Gesetzespaket vor den Kongresswahlen im November bei den Wählern punkten zu können. dpa
“Mal gucken, ob das deutsche Netz inzwischen einen Videocall von unterwegs mitmacht?”, fragt Dirk Martin von der Rücksitzbank seines Autos. Es ruckelt, für Video während des Interviews reicht es nicht. Aber Martin lässt sich nicht aufhalten. Der 51-jährige Gründer und Unternehmer des Software-Unternehmens Serviceware beschäftigt sich laufend mit den Tücken der Digitalisierung in Deutschland und Europa.
Beim Verband Die Familienunternehmer ist er Landesvorsitzender in Hessen. Und er leitet den Strategischen Beirat. Der soll für den Interessensverband mit 6.000 Mitgliedern in die Zukunft denken, Themen vertiefen und in den Austausch gehen. Zu den Treffen des rund 20-köpfigen Beirats laden Martin und seine Kollegen Gäste ein. In kleiner Runde wird intensiv und vertraulich diskutiert.
Was am Ende herauskommt, variiert. Take-aways gebe es aber immer. “Es kann aber auch sein, dass dann eine Kommission gebildet wird.” In den Corona-Jahren fielen die Treffen aus, der persönliche Diskurs in Präsenz sei Teil des Konzepts. Im April konnten Martin und seine Kollegen endlich wieder zusammensitzen. “Das ist ein ‘Hobby'”, sagt er über das Ehrenamt. “In erster Linie sind wir operative Unternehmer.”
Und als solcher beschäftigen ihn vor allem die praktischen Auswirkungen der Digitalpolitik – beziehungsweise der Nicht-Digitalpolitik. Er findet: “Wir treten teilweise auf der Stelle.” So sei es unverständlich, warum man in Deutschland Arbeitsverträge nicht mehr digital unterschreiben dürfe.
“Ich kenne keinen Kollegen, der das nicht für Humbug hält.” Berlin habe da unnötigerweise einen komplizierteren Weg bei der Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen gewählt als viele andere Staaten.
Grundsätzlich sieht Martin jedoch “riesiges Potenzial” in der europäischen Gesetzgebung. Die könne etwa für eine besser digitalisierte Verwaltung sorgen. “Wir gucken sehr genau nach Brüssel, in der Hoffnung, dass da vielleicht mehr externer Druck auf nationale Behörden entsteht.”
Martin engagiert sich schon lange beim Verband der Familienunternehmer. Während seines Studiums wurde er Mitglied in der Jungunternehmer-Sparte. Kurz nach seinem Abschluss im Wirtschaftsingenieurwesen gründete er. Seit 2018 ist sein Unternehmen an der Börse. Was ein Familienunternehmen von anderen unterscheide? “Enkelfähigkeit”, meint Martin.
“Unsere Strategie ist sehr langfristig angelegt, nicht nur quartalsgetrieben.” Über lange Zeiträume gehörten Höhen und Tiefen dazu. Deshalb ist er trotz der aktuell gehäuften Krisen noch zuversichtlich: “Wir müssen das Beste daraus machen.” Paul Meerkamp
eigentlich war ein Ministerrat geplant, stattdessen gab es ein Arbeitsessen in kleiner Runde. Die Unstimmigkeiten zwischen den beiden größten Ländern der EU waren in den vergangenen Wochen immer größer geworden, und offenbar hatten die beiden Staatsoberhäupter Kanzler Olaf Scholz und Präsident Emmanuel Macron Redebedarf: Statt der geplanten 20 Minuten berieten sich Scholz und Macron drei Stunden lang unter vier Augen. Worüber genau gesprochen wurde, darüber hüllten sie sich in Schweigen, eine gemeinsame Pressekonferenz gab es nicht. Tanja Kuchenbecker berichtet aus Paris.
Mein Kollege Markus Grabitz hat sich mit einem Vorschlag der EU-Kommission zur Verbesserung der Luft- und Wasserqualität auseinandergesetzt. Darin sieht die Kommission vor, die Grenzwerte für Luftschadstoffe empfindlich zu senken und neue Substanzen auf die Liste der gefährlichsten Wasserverschmutzer zu setzen. Was der Vorschlag noch enthält, lesen Sie in seiner Analyse.
Ein Thema, das zuletzt etwas in den Hintergrund gerückt ist, kocht jetzt wieder hoch: Es droht ein Engpass bei der Lebensmittelversorgung aufgrund des Angriffskrieges Russlands in der Ukraine. Eine erneute Seeblockade Russlands mit all ihren Konsequenzen ist nicht ausgeschlossen, schreibt Timo Landenberger.
Derzeit dauern Überweisungen auf Konten innerhalb der EU mehrere Stunden bis Tage. Ein untragbarer Zustand, den die EU-Kommission bald ändern will. Sie will Echtzeitüberweisungen nicht nur verpflichtend, sondern auch kostenlos einführen.
Noch ein Blick in die Downing Street: In einem Telefonat mit dem frisch ins Amt gewählten britischen Premierminister Rishi Sunak hat EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gestern betont, sie freue sich auf die Zusammenarbeit bei den wichtigen Themen wie dem Klimawandel und dem Ukraine-Krieg. Der Europäischen Union gehe es auch darum, im Rahmen des Nordirland-Protokolls gemeinsame Lösungen zu finden, die Stabilität und Verlässlichkeit böten, twitterte von der Leyen nach dem Gespräch.
Die beiden Staatschefs trafen sich am Mittwoch im Élysée-Palast mit ihren Teams zu einem Mittagessen. Am Ende hatten sie sich dann doch einiges zu sagen. Das ursprünglich für nur 20 Minuten angesetzte Treffen unter vier Augen dauerte schließlich drei Stunden.
Dabei hatte die französische Seite noch im Vorfeld des Treffens klargemacht, wie tief der Graben ist. Der Élysée-Palast hatte das Kanzleramt protokollarisch auflaufen lassen. Es war schon sehr erstaunlich und beispiellos, wie die Macron-Entourage unverhohlen den miserablen Zustand der gegenseitigen Beziehungen nach außen trug. Was war passiert? Noch am Wochenende hatte die deutsche Seite eine gemeinsame Pressekonferenz angekündigt. Wenig später war dann nur noch die Rede davon, es werde anschließen eine Erklärung von Scholz geben. Schließlich gab es gar nichts Offizielles.
Vom Élysée-Palast wurde nicht einmal eine Reaktion auf das Treffen angekündigt. Nur die Fotografen waren in den Innenhof des Élysée-Palastes eingeladen, um die Begegnung der beiden abzulichten. Zunächst wirkte es, als wollten die beiden nicht gemeinsam vor die Kamera treten, damit die Differenzen nicht deutlich zum Vorschein kommen. Ein Affront für Scholz, schrieb die Wirtschaftszeitung “Les Echos”.
Was ist mit dem deutsch-französischen Motor in der EU passiert? Er stottert, spätestens seitdem Scholz ins Amt gekommen ist. In der Vergangenheit haben Paris und Berlin viele Dossiers zu Beginn unterschiedlich gesehen. Auch unter Merkel gab es Differenzen, etwa als Macron seine Reformpläne bei der Sorbonne-Rede vortrug. Die Antwort aus Deutschland darauf blieb lange aus.
Das Verlässliche war aber, dass sich beide Seiten eigentlich immer in den vergangenen Jahrzehnten zusammenraufen und irgendwann auf Kompromisse einigen konnten. Hier der extrovertierte, zuweilen dramatische Macron, da der dröge, hanseatische Scholz: die beiden hatten bislang noch immer nicht einen persönlichen Zugang zueinander gefunden. Ob es diesmal gelungen ist? Für eine abschließende Bewertung ist es zu früh.
Das Fundament der Beziehungen ist immer noch solide. Aus Kreisen der Bundesregierung hieß es, dass das Treffen “intensiv und partnerschaftlich” gewesen. Zuerst ging es dem Vernehmen nach um einen allgemeinen Ausblick und die Perspektive Europas, um Verteidigung und Sicherheitspolitik sowie um kurzfristige Themen wie Energie und Wirtschaft. Der Eindruck: In großen Orientierungen sei man einer Meinung, vor allem zu Europa. Die Gespräche seien nach vorn gerichtet gewesen. Details oder konkrete Abmachungen wurden allerdings nicht bekannt.
Nach dem Gespräch sagte Scholz, Macron und er hätten ein “sehr gutes und wichtiges Gespräch” geführt. “Deutschland und Frankreich stehen eng beieinander und begegnen den Herausforderungen gemeinsam”, twitterte der Kanzler.
Später übten sich die jeweiligen Teams in diplomatischen Höflichkeiten. Es hieß auch, der französische Präsident habe eine wachsende Konvergenz zwischen Deutschland und Frankreich in den vergangenen fünf Jahren unterstrichen. Frankreich habe strukturelle Reformen durchgeführt und Deutschland sich durch geopolitische Entwicklungen an die französische Position in der Außen- und Sicherheitspolitik angenähert.
Französische Medien kommentierten, es gäbe den Willen zur Beschwichtigung, nachdem der Ministerrat annulliert wurde. Aus Élysée-Kreisen hieß es, das Treffen sei “sehr konstruktiv” gewesen. Noch während die beiden sprachen, erklärte Regierungssprecher Olivier Véran: Seit fünf Jahren sei es dem deutsch-französischen Paar auf europäischer Ebene gelungen, einen Wiederaufbauplan zu erreichen, den es noch nie gegeben habe. Die beiden Länder seien immer weiter vorangekommen: “Die Stärke des deutsch-französischen Paares ist es, dass es ihm immer gelingt, sich zu verständigen.” Das Treffen zeige, dass die Freundschaft sehr lebendig sei.
In den letzten Tagen gab es in Frankreich und Deutschland zahlreiche Medienberichte über Konflikte unter anderem bei der Energiepolitik und Verteidigung. Die Interessen seien zu unterschiedlich, hieß es. Frankreich hatte Deutschland zudem vorgeworfen, dass es zuerst an deutsche und nicht europäische Interessen denke. Frankreich sei enttäuscht vom Kanzler, klang durch. Macron warf Deutschland vor, sich zu “isolieren”.
Die Kommission will das Wasser und die Luft sauberer machen. Dafür hat sie Vorschläge für Richtlinien zur Luftreinhaltung und zur Behandlung von Abwässern sowie Maßnahmen zum Schutz des Grundwassers vor Verschmutzungen vorgelegt. Zum Schutz der oberflächennahen Gewässer sollen 25 Substanzen mit problematischen Folgen für Natur und Mensch in der Liste von Gewässerverschmutzern aufgenommen werden. Auf diese Liste sollen folgende Substanzen:
Die Kommission will dafür sorgen, dass sich das Fischsterben in der Oder nicht noch einmal wiederholt und will daher ein verpflichtendes Warnsystem in Fließrichtung der Gewässer nach einem Ereignis einrichten.
Bis zum Jahr 2040 sollen Kläranlagen Energieneutralität erreichen. Auch die Qualität der Klärschlämme soll verbessert werden. Es soll die Pflicht werden, Nährstoffe aus den Abwässern zurückzugewinnen. Außerdem soll es neue Normen für Mikroplastik und Mikroverunreinigungen geben. Die Schwelle zur Pflicht von Kläranlagen, die derzeit bei Siedlungen bei der Einwohnerzahl 2.000 liegt, soll auf 1.000 gesenkt werden. Größere Ansiedlungen sollen Management-Pläne für Starkregen vorlegen, die sich wegen der Klimaerwärmung häufen. Als Folge der Covid-19-Pandemie soll das Abwasser auf verschiedene Viren und antimikrobielle Resistenzen getestet werden. Die Mitgliedstaaten sollen zudem dafür sorgen, dass auch gefährdete Gruppen in der Gesellschaft Zugang zu sauberem Wasser haben.
Da über 90 Prozent der giftigen Mikroverschmutzungen im Abwasser aus Kosmetik und Pharmazeutika stammen, soll es eine erweiterte Herstellerhaftung geben. Unternehmen sollen für die Beseitigung der Schäden aufkommen. Außerdem soll das Potenzial an erneuerbaren Energien im Abwasser-Bereich erschlossen werden. Hier kommt Biogas infrage. Zudem soll Schwefel aus den Klärschlämmen für die Düngemittelindustrie genutzt werden.
Die Kommission schlägt vor, ab 2030 schärfere Grenzwerte für Luftschadstoffe einzuführen. Sie will die Richtwerte, die die WHO 2021 vorgeschlagen hat, nicht 1:1 in EU-Gesetzgebung überführen. Bis 2050 will sie dafür sorgen, dass es keinerlei Luftverschmutzung mehr gibt. Die Grenzwerte sollen ab 2030 nach dem jeweiligen wissenschaftlichen Stand kontinuierlich verschärft werden. Die Kriterien für die Positionierung der Messstationen sollen nicht grundlegend geändert werden. Das heißt, wie bisher müsste in einem Abstand von zehn Metern oder weniger von der Straße gemessen werden. Die Grenzwerte für Luftschadstoffe sollen teils mehr als halbiert werden. Im Folgenden geht es um den Jahresdurchschnittswert:
Zudem gibt es Grenzwerte für Schwefeldioxid, Benzene, Kohlenmonoxid und verschiedene Schwermetalle.
28.10.2022 – 10:30-12:00 Uhr, München
CECE & ERA, Panel Discussion The way to Zero Emission
The presentation by Katharina Knapton-Vierlich (Head of Unit for Construction at the EU Commission) as well as the following panel discussion, organized by CECE (Committee for European Construction Equipment) and ERA (European Rental Association), will focus on carbon neutrality targets and the role of politics. INFOS
28.10.2022 – 11:00 Uhr, online
EBD & EBÖ, Vortrag De-Briefing EZB-Rat
Die Europäische Bewegung Deutschland (EBD) und Österreich (EBÖ) informieren nach der geldpolitischen Sitzung des EZB-Rates über die Ergebnisse. INFOS
28.10-30.10.2022, Bad Staffelstein
HSS, Seminar Midterms 2022 – US-Präsident Joe Biden auf dem Prüfstand
Anlässlich der Wahlen in den Vereinigten Staaten am 8. November wird bei dieser Veranstaltung der Hanns-Seidel-Stiftung (HSS) die bisherige Amtszeit von Joe Biden in den Blick genommen. INFOS & ANMELDUNG
31.10.2022 – 14:45-16:45 Uhr, Prag (Tschechien)/ online
EU Kommission, Discussion The role of open trade in an increasingly uncertain world
The European Union’s trade policy going forward will be the topic of discussion with Valdis Dombrovskis (Executive Vice President of the European Commission) and Jozef Síkela (Czech Minister of Industry and Trade). REGISTRATION
31.10.2022 – 16:30-17:30 Uhr, online
ECFR, Panel Discussion A new climate for peace? How Europe can reconcile energy and climate security
On the occasion of the publication of the Policy Brief on Environmental Cooperation between the Gulf States and Iran, the European Council on Foreign Relations (ECFR) hosts a discussion with its authors on climate targets, energy security and decarbonization. INFOS & REGISTRATION
31.10.-05.12.2022, online
FSR, Seminar Electric Vehicles – Mobility meets Power System
The Florence School of Regulation (FSR) course addresses the challenges posed by the increasing number of electric vehicles, such as building charging infrastructure or integration into the power grid. INFOS & REGISTRATION
01.11.2022 – 18:30-20:00 Uhr, Dresden
KAS, Diskussion Tandem passé? Die deutsch-französische Zusammenarbeit auf dem Prüfstand
Das Thema der Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) ist der Wandel der deutsch-französischen Beziehung sowie der Einfluss auf die Europapolitik. INFOS & ANMELDUNG
02.11.2022 – 15:00-16:00 Uhr, online
DIHK, Diskussion Brasilien nach den Präsidentschaftswahlen – Welche Chancen bieten sich für die deutsche Wirtschaft?
Anlässlich der Wahlen in Brasilien am 30. Oktober 2022 lädt der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) zu einer Diskussion über den Stand der brasilianischen Wirtschaft, aktuelle Herausforderungen und Maßnahmen sowie den Einfluss deutscher Unternehmen ein. ANMELDUNG BIS 27.10.2022
06.12.-08.12.2022, Kairo (Ägypten)
FSR, Seminar LNG Market Structure, Organisation and Arrangements
The key subjects of this course, hosted by the Florence School of Regulation (FSR), are LNG key actors, market organization, regulation, and the energy transition. REGISTRATION UNTIL 31.10.2022
Acht Monate hält der russische Angriff auf die Ukraine bereits an und hat weiterhin schwerwiegende Auswirkungen auf die globale Ernährungssicherung und auf die Lebensmittelpreise. Entschärft wurde die Situation zuletzt durch die Aufhebung der russischen Blockade ukrainischer Schwarzmeer-Häfen. Doch das könnte sich schon bald wieder ändern.
Das fragile Abkommen, das seit Ende Juli den Export ukrainischen Getreides wieder über Seeweg ermöglicht, läuft Ende November aus. Eine Verlängerung gilt nicht als gesichert, schließlich hat Kreml-Chef Wladimir Putin bereits mit weiteren Blockaden gedroht und das Abkommen als “Abzocke” bezeichnet, da die vereinbarten Lockerungen der Sanktionen nicht eingehalten worden seien.
Vor Ausbruch des Krieges wurden über die Häfen rund um Odessa monatlich fünf bis sechs Millionen Tonnen Agrarerzeugnisse verschifft. Nach der vollständigen Blockade seien es im September 3,9 Millionen Tonnen gewesen, sagte der stellvertretende ukrainische Agrarminister, Markian Dmytrasevych, diese Woche im Europäischen Parlament. Bei einem Austausch mit dem Agrarausschuss rief er die EU dazu auf, sich für eine Fortsetzung des Abkommens einzusetzen. Das sei “absolut entscheidend” für die ukrainische Landwirtschaft sowie für zahlreiche Länder, die von den Lieferungen abhängig seien.
Schon jetzt kommt es allerdings zu erheblichen Verzögerungen. Etwa 150 Schiffe stünden am Bosporus im Stau. Grund dafür seien unverhältnismäßig lange Überprüfungen der Frachter, wodurch Russland die Passage künstlich in die Länge ziehe, so Dmytrasevych. Man müsse sich wohl darauf gefasst machen, dass der Seeweg bald wieder vollständig blockiert werde.
Umso wichtig sei es, die Kapazitäten der sogenannten Solidarity Lanes der EU weiter zu erhöhen. Denn diese würden bereits vollständig ausgeschöpft. So seien zuletzt monatlich etwa drei Millionen Tonnen Agrarerzeugnisse über die alternativen Routen exportiert worden. Darunter insbesondere Rumänien und die Donau, aber auch der polnische Landweg. Doch die Hürden seien weiterhin hoch.
Ein Frachter kann bis zu 82.000 Tonnen Getreide transportieren. Dafür würden 41 Güterzüge benötigt. Oder 3280 Lkw. Hauptproblem beim Schienentransport: unterschiedliche Spurweiten in der Ukraine und in Westeuropa, weshalb das Getreide an der Grenze verladen werden muss. Doch es fehlt weiterhin an der entsprechenden Technik und Verlade-Terminals.
Und während die Ukraine über rund 24.000 Waggons für den Getreidetransport verfüge, gebe es in ganz Westeuropa nur etwa die Hälfte, so Dmytrasevych. Auch deshalb sei man mit der polnischen Regierung im Gespräch über den Bau einer Pipeline für Speiseöl. Immerhin kommt rund die Hälfte des weltweiten Bedarfs an Sonnenblumenöl aus der Ukraine.
Am Mittwoch machte der Verkehrsausschuss des EU-Parlaments außerdem den Weg frei für ein neues Straßenverkehrsabkommen mit der Ukraine und der Republik Moldau. Damit soll unter anderem der Transport zwischen den jeweiligen Ländern erleichtert werden, ohne dass zusätzliche Genehmigungen erforderlich sind. Beispielsweise sollen ukrainische Führerscheine auch in der EU ihre Gültigkeit behalten. Ein wichtiger Schritt bei der Lösung der “Flaschenhälse” an der Grenze, denn die Grenzübergänge sind seit Ausbruch des Krieges völlig überlastet, weshalb die Lkw oft mehrere Tage im Stau stehen.
Zu den Logistikproblemen hinzu kämen die enorm gestiegenen Kosten für Versicherung und Transport der Agrarerzeugnisse, sagte Dmytrasevych. “Die Ukraine ist Netto-Exporteur von Getreide. Die Preise bei uns sind niedriger als die Anbaukosten für die Landwirte.” Wenn jedoch auch beim Export die Kosten nicht mehr gedeckt würden, dann drohe langfristig die gesamte Branche zusammenzubrechen, einer der wichtigsten Wirtschaftszweige für die Ukraine.
Zumal auch für das kommende Jahr mit deutlichen Ernteeinbußen gerechnet werden müsse, so der stellvertretende Minister weiter. 20 Prozent der Agrarflächen seien durch Minen unzugänglich, lägen in besetztem oder umkämpftem Gebiet. Da es massiv an Saatgut, Düngemitteln sowie weiterer Produktionsfaktoren mangle, könne aber selbst die verbliebene Fläche nicht vollständig bewirtschaftet werden. “Für das Wintergetreide konnten wir bislang nur 60 Prozent der Ackerfläche einsäen“. Auch die Viehzucht sei um rund 15 Prozent zurückgegangen.
Grund dafür sei neben der Zerstörung zahlreicher Stallanlagen auch ein Engpass bei der Energieversorgung, sagte Dmytrasevych, der die EU um Unterstützung bei der Versorgung mit Saatgut, Düngemitteln und Dieselgeneratoren bat. Doch die Abgeordneten machten dem stellvertretenden Minister zumindest in dieser Hinsicht nur wenig Hoffnung. An Dünger und Generatoren mangle es auch in der EU.
Seit Ausbruch des Krieges in der Ukraine hat sich die Situation auf dem globalen Nahrungsmittelmarkt deutlich verschärft. Zahlreiche Länder, insbesondere in Nordafrika und im mittleren Osten sind stark von den Getreidelieferungen aus Russland und der Ukraine abhängig. So bezieht etwa Ägypten 80 Prozent seines Weizenbedarfs aus den beiden Ländern.
Die Europäische Union ist hingegen bei der Versorgung mit Grundnahrungsmitteln weitgehend autark und konnte den eigenen Getreide-Export in den vergangenen Monaten steigern. Dennoch macht sich die Explosion der Lebensmittelpreise auch hier bemerkbar. So sei die Inflation bei Lebensmitteln seit März von beinahe Null auf 16 Prozent angestiegen, sagt Agrar- und Wirtschaftswissenschaftler Rico Ihle. Das treffe insbesondere ärmere Haushalte, die bis zu einem Drittel ihres Einkommens für Lebensmittel aufbringen müssten.
Dazu sorge die vereinfachte Einführung ukrainischer Agrargüter in die EU für lokale Marktverwerfungen, erklärte die Generaldirektion Agrar der Europäischen Kommission. So führe beispielsweise günstiger Futtermais plötzlich zu ungekanntem Wettbewerb im Osten Polens oder Rumäniens.
Zehn Tage vor Beginn der COP27 im ägyptischen Sharm el-Sheikh ist noch immer unklar, wer die Position der Mitgliedsländer der Europäischen Union auf der Klimakonferenz vertreten wird. Nach dem überraschenden Rücktritt der tschechischen Umweltministerin Anna Hubáčková ist in Brüssel und Prag nicht bekannt, wer ihre Nachfolge antritt. Als Vertreterin ihres Landes in der rotierenden EU-Ratspräsidentschaft sollte die tschechische Ministerin die Position der 27 Mitgliedstaaten vertreten.
EU-Klimakommissar Frans Timmermans hat nach den Regeln der Europäischen Union als Vertreter der EU-Kommission offiziell nur eine beratende Funktion bei den internationalen Verhandlungen. In den UN-Gremien sind die Regierungen der Länder die zuständigen Akteure, sodass der tschechischen Ratspräsidentschaft als Vertreterin der EU-Staaten die Hauptrolle zukommt. Eine kurzfristige Neubesetzung oder gar eine Vakanz auf ministerieller Ebene könnte eine Schwächung der Sprechfähigkeit der EU-Staaten auf der COP27 bedeuten.
Hubáčková, Mitglied der christdemokratischen Partei KDU-ČSL, war Anfang Oktober aus gesundheitlichen Gründen überraschend zurückgetreten und scheidet Ende Oktober aus dem Amt. Zwar soll ab dem 1. November Arbeitsminister Marian Jurečka (KDU-ČSL) kommissarisch ihr Ressort übernehmen, doch ob er auch als zuständiger Minister zur COP27 reisen wird, steht offenbar noch nicht fest. Das Umweltministerium habe zwar einen dahingehenden Wunsch geäußert, erfuhr Table.Media aus dem Umfeld Hubáčkovás. Aber man wisse noch nicht, ob dies in den Zeitplan des Ministers passe, hieß es.
Fest steht bislang, dass Tschechiens Premierminister Petr Fiala (ODS) beim High Level Segment zu Beginn der COP27 für die EU-Staaten sprechen wird und dass der stellvertretende Umweltminister Jan Dusík die Verhandlungsdelegation der Tschechen über die zweiwöchige Konferenz leiten wird. Das berührt aber nicht ihre Position als EU-Verhandlungsführerin auf ministerieller Ebene.
Zunächst sollte Hubáčkovás Posten als tschechische Umweltministerin vom aktuellen Vize-Bürgermeister der Stadt Brno, Petr Hladík, übernommen werden. Doch seine Ernennung wurde aufgrund von polizeilichen Ermittlungen in seinem Umfeld vorübergehend auf Eis gelegt. Gegen Hladík selbst wird allerdings nicht ermittelt. Daher deuteten sowohl Jurečka als auch Premier Fiala zuletzt wieder an, dass Hladík den Posten als Umweltminister übernehmen wird.
Ob das noch vor Beginn der COP27 am 7. November passiert, ist jedoch fraglich. Die EU will dort erste Ergebnisse ihres ehrgeizigen Fit-for-55-Programms präsentieren und sich für Fortschritte bei der Emissionsreduktion, Klimaanpassung und Klimafinanzierung einsetzen. Erst am Wochenbeginn hatte der Umweltrat beschlossen, dass eine mögliche Erhöhung des EU-Klimaplans (NDC) erst im kommenden Jahr erfolgen soll. luk
Im digitalen Zeitalter ist es kaum nachvollziehbar, warum eine Euro-Überweisung von einem auf ein anderes EU-Konto Stunden oder sogar Tage dauert. Zwar bieten auch Banken in Deutschland Echtzeitüberweisungen an. Doch häufig verlangen sie dafür eine Extra-Gebühr, weshalb Kunden Echtzeitüberweisungen hierzulande nur selten nutzen. Auch in Europa insgesamt sind nur elf Prozent aller Euro-Überweisungen Sofortzahlungen. Das will die EU-Kommission ändern und Sofortzahlungen zum Standard machen.
Verbraucher und Unternehmen sollen dabei sowohl von der Schnelligkeit (weniger als zehn Sekunden) als auch von der Bequemlichkeit (verfügbar an 365 Tagen rund um die Uhr) von Sofortzahlungen profitieren. Außerdem will die EU damit täglich fast 200 Milliarden Euro freisetzen, die derzeit im Finanzsystem des “Zahlungsspielraums” blockiert sind. “Diese Möglichkeit, Geld in Sekundenschnelle zu senden und zu empfangen, ist besonders wichtig in einer Zeit, in der die Rechnungen für Haushalte und KMU steigen und jeder Cent zählt”, sagte Finanzmarktkommissarin Mairead McGuinness bei der Präsentation des Regulierungsvorschlags am Mittwoch.
Der Vorschlag zur Änderung der Verordnung über den einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum (SEPA) von 2012 enthält vier Anforderungen für Euro-Sofortzahlungen:
Die Deutsche Kreditwirtschaft (DK) meint zum Regulierungsvorschlag, dass “ein so tiefgreifender und nicht sachgerechter Markteingriff” nicht zu rechtfertigen sei, weil hier “grundsätzlich kein Marktversagen” vorliege. Eine gesetzgeberische Bevorzugung von Echtzeitüberweisungen laufe Gefahr, “Fehlanreize entgegen den tatsächlichen Kundenbedürfnissen zu setzen”. Die DK fordert, im Gesetzgebungsverfahren Gesichtspunkte wie etwa steigende Kosten bei der Zahlungsabwicklung oder Betrugsrisiken genauer zu analysieren.
Der deutsche Handelsverband HDE unterstützt dagegen “die Modernisierung des Zahlungssystems der EU”. Ulrich Binnebößel, HDE-Abteilungsleiter Zahlungsverkehr meint, Instant Payments zu fördern sei ein großer Schritt nach vorn. “Ähnlich wie bei der SEPA-Überweisung und SEPA-Lastschrift müssen die Banken in die Pflicht genommen werden”, fordert der HDE. Auch die europäische Verbraucherorganisation BEUC findet: “Sofortüberweisungen sollten keine Premium-Dienstleistung sein. Es ist an der Zeit, sie zur neuen Normalität zu machen.”
Für Markus Ferber (CSU), wirtschaftspolitischer Sprecher der EVP-Fraktion, hat ein gut funktionierendes Ökosystem für Instant Payments noch einen weiteren Vorteil: “Wenn Instant Payments funktionieren, gibt es im Bereich Zahlungsverkehr für Stable Coins keinen Anwendungsbereich mehr.” Denn als einer der wesentlichen Vorzüge von privaten Stable-Coin-Initiativen gelte die Zahlungsabwicklung in Echtzeit. vis
EU-Kommissar Didier Reynders will die Debatte über Rechtsstaatlichkeit in Europa noch breiter führen. Er sei entschlossen, sie in die nationalen Hauptstädte und Parlamente zu tragen und die Zivilgesellschaft stärker einzubeziehen. Das geht aus dem Text zu Reynders Humboldt-Rede zu Europa hervor, die Europe.Table in Auszügen vorliegt. Dabei sei beides wichtig, der Dialog ebenso wie entschlossenes Handeln.
“Um es klar zu sagen: Es kann nicht das Ziel sein, ein bestimmtes Modell für die nationalen Justizsysteme in den Mitgliedstaaten durchzusetzen. Aber wir müssen sicherstellen, dass die Grundprinzipien der Rechtsstaatlichkeit überall geachtet werden.”
Den Vortrag zum Thema “Protecting and strengthening the Rule of Law in the European Union” hält Reynders am heutigen Donnerstag in Berlin auf Einladung des Walter-Hallstein-Instituts für Europäisches Verfassungsrecht der Humboldt-Universität (Livestream).
Es sei normal, dass es Differenzen und politische Diskussionen zwischen der Kommission und einem Mitgliedstaat gebe. Sobald jedoch ein endgültiges Urteil des Europäischen Gerichtshofs vorliege, sei dies für beide Seiten verbindlich. Aus diesem Grund sei das Urteil des polnischen Verfassungsgerichts vom 7. Oktober 2021 für die Kommission von großer Bedeutung.
Das polnische Verfassungsgericht hatte damals entschieden, dass Teile der EU-Verträge verfassungswidrig seien. “Das hat es noch nie gegeben”, sagt Reynders laut Redetext. “Das Urteil stellt ausdrücklich den Vorrang des EU-Rechts in Frage und lehnt die Auslegung von Artikel 19 des Vertrags über die Europäische Union durch den Gerichtshof sowie das Gebot der richterlichen Unabhängigkeit ab.“
Zu lange hätten viele Menschen in Europa Demokratie und Rechtsstaatlichkeit für selbstverständlich gehalten. “Heute sehen wir klar: Wir müssen für unsere Demokratien kämpfen”, sagt Reynders. “Wir müssen sie sowohl vor den Bedrohungen von außen als auch vor den Bedrohungen von innen schützen.” Rechtsstaatlichkeit sei eine wesentliche Voraussetzung für das gegenseitige Vertrauen in Europa. Dies sei auch die Grundlage für andere Formen der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit, etwa bei Städtepartnerschaften. “Hier können sich unsere Gemeinden und Städte plötzlich mit sehr schwierigen Fragen konfrontiert sehen: Kann ich meine Städtepartnerschaft fortsetzen, wenn die Partnerseite aus einem anderen Mitgliedstaat beschlossen hat, sich zu einer ‘LGBTIQ-freien’ Stadt zu erklären”, fragt Reynders.
Ihren Jahresbericht 2022 über die Rechtsstaatlichkeit hat die Kommission im Juli veröffentlicht. Zum ersten Mal enthält er spezifische Empfehlungen für jeden Mitgliedstaat – auch ein Länderkapitel zur Lage der Rechtsstaatlichkeit in Deutschland. “Alle Mitgliedstaaten haben Bereiche, in denen sie sich verbessern und voneinander lernen können – und das zeigen die Empfehlungen. Das gilt auch für Deutschland“, konstatiert Reynders. Während seines Besuchs in Berlin wird er auch mit Ausschussmitgliedern im Bundestag und im Bundesrat diskutieren. vis
Das Bundesfinanzministerium hat sich als Folge des umstrittenen chinesischen Einstiegs bei einem Containerterminal am Hamburger Hafen für eine Reform des Außenwirtschaftsgesetzes ausgesprochen. Eine Novellierung müsse “zeitnah” geprüft und umgesetzt werden, heißt es in einem Schreiben von Finanzstaatssekretär Steffen Saebisch an Kanzleramtschef Wolfgang Schmidt. Dieses Schreiben vom Dienstag lag der Deutschen Presse-Agentur am Mittwoch vor.
Darin wird die Beteiligung eines chinesischen Konzerns an einem Containerterminal im Hamburger Hafen als “fatales wirtschafts- und geopolitisches Signal” bezeichnet. Das Finanzministerium habe die kritischen Positionen anderer Ressorts unterstützt und sich für eine vollständige Untersagung der chinesischen Beteiligung ausgesprochen. Es sei allerdings eine einheitliche Haltung der Bundesregierung notwendig, damit es nicht zu einem Erwerb von 35 Prozent der Anteile durch die chinesische Firma komme.
Das Bundeskabinett hatte eine sogenannte Teiluntersagung beschlossen. Demnach können die Chinesen nur einen Anteil unterhalb von 25 Prozent an dem Containerterminal Tollerort erwerben. Ein weitergehender Erwerb oberhalb dieses Schwellenwerts werde untersagt.
Im Schreiben von Saebisch heißt es weiter, die Bundesregierung sollte es nicht ermöglichen, dass sich ein weiterer Teil der europäischen Hafeninfrastruktur in die chinesische “Belt and Road”-Initiative eingliedere. Damit gerate der Erfolg eines transeuropäischen Verkehrsnetzes in Gefahr. Das 2013 von Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping gestartete Projekt mit Milliarden-Investitionen soll nicht nur Handelskorridore über Land schaffen, sondern auch über See.
Weiter schreibt der Finanzstaatssekretär, Kanzler Olaf Scholz (SPD) habe nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs von einer Zeitenwende gesprochen. “So wie die Bundesregierung auf diese Zeitenwende im Bereich der Verteidigungs-, Sicherheits- und Energiepolitik mit den notwendigen Schritten reagiert hat, sollten wir auch im Bereich außenwirtschaftlicher Partnerschaften und der Investitionskontrolle – nicht nur im Bereich kritischer Infrastruktur – notwendige Reaktionen kritisch prüfen.”
Der CSU-Vize und Chef der Europäischen Volkspartei (EVP), Manfred Weber, äußerte ebenfalls Kritik am Kompromiss. “Die Bundesregierung setzt mit ihren Entscheidungen zum Einstieg von Cosco beim Hamburger Hafen das völlig falsche Signal für ganz Europa”, sagte der Vorsitzende der Mitte-Rechts-Fraktion im Europaparlament am Mittwoch. Ansatz sollte es sein, auf Reziprozität zu setzen. “Die chinesische Staatsführung würde europäischen Staatsfirmen nie erlauben, ihre Infrastruktur zu kaufen”, erklärte Weber.
Das Argument möglicher Wettbewerbsnachteile will er nicht gelten lassen. Hamburg argumentiere, dass andere Häfen, bei denen Cosco beteiligt sei, bevorzugt würden. Genau dies spreche für ein europäisch abgestimmtes Vorgehen, sagte der CSU-Parteivize. Die SPD habe “aus ihrer Naivität bei Nord Stream 2 leider nicht gelernt”. dpa
Die US-Regierung ist offensichtlich bereit, auf die europäische Kritik an ihrem milliardenschweren Programm für Investitionen in den Klimaschutz und den Sozialbereich einzugehen. Wie die EU-Kommission am Mittwoch mitteilte, wurde vereinbart, eine gemeinsame Task-Force einzusetzen. Sie soll sich um Bedenken der EU hinsichtlich des sogenannten Inflationsbekämpfungsgesetzes kümmern und sich bereits in der kommenden Woche erstmals treffen.
Kernpunkt der EU-Kritik sind nach Angaben von EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis “diskriminierende Bestimmungen”, nach denen Subventionen und Steuergutschriften nur dann in Anspruch genommen werden können, wenn Unternehmen US-Produkte verwenden oder in den USA produzieren. So gibt es eine Passage in dem Gesetz, die Steuervorteile für Käuferinnen und Käufer von E-Autos nur dann vorsieht, wenn ein bestimmter Anteil der Batterieteile aus den USA stammt.
Die EU würde es begrüßen, wenn sie wie Kanada und Mexiko von den Bestimmungen befreit werden würde, erklärte Dombrovskis am Mittwoch in einer Pressekonferenz in Brüssel. Es gebe keinen Grund, sie gegen einen engen Verbündeten und strategischen Partner wie die EU anzuwenden.
In dem Fall, dass die Task-Force keine Ergebnisse bringen sollte, wird die EU nach Angaben Dombrovskis weitere Optionen prüfen. Eine davon könnte eine Klage bei der Welthandelsorganisation (WTO) sein.
US-Präsident Joe Biden hatte das Inflationsbekämpfungsgesetz im August unterzeichnet. Er bezeichnete es damals als eines der bedeutendsten Gesetze der US-Geschichte. Bidens Demokraten hoffen, mit dem Gesetzespaket vor den Kongresswahlen im November bei den Wählern punkten zu können. dpa
“Mal gucken, ob das deutsche Netz inzwischen einen Videocall von unterwegs mitmacht?”, fragt Dirk Martin von der Rücksitzbank seines Autos. Es ruckelt, für Video während des Interviews reicht es nicht. Aber Martin lässt sich nicht aufhalten. Der 51-jährige Gründer und Unternehmer des Software-Unternehmens Serviceware beschäftigt sich laufend mit den Tücken der Digitalisierung in Deutschland und Europa.
Beim Verband Die Familienunternehmer ist er Landesvorsitzender in Hessen. Und er leitet den Strategischen Beirat. Der soll für den Interessensverband mit 6.000 Mitgliedern in die Zukunft denken, Themen vertiefen und in den Austausch gehen. Zu den Treffen des rund 20-köpfigen Beirats laden Martin und seine Kollegen Gäste ein. In kleiner Runde wird intensiv und vertraulich diskutiert.
Was am Ende herauskommt, variiert. Take-aways gebe es aber immer. “Es kann aber auch sein, dass dann eine Kommission gebildet wird.” In den Corona-Jahren fielen die Treffen aus, der persönliche Diskurs in Präsenz sei Teil des Konzepts. Im April konnten Martin und seine Kollegen endlich wieder zusammensitzen. “Das ist ein ‘Hobby'”, sagt er über das Ehrenamt. “In erster Linie sind wir operative Unternehmer.”
Und als solcher beschäftigen ihn vor allem die praktischen Auswirkungen der Digitalpolitik – beziehungsweise der Nicht-Digitalpolitik. Er findet: “Wir treten teilweise auf der Stelle.” So sei es unverständlich, warum man in Deutschland Arbeitsverträge nicht mehr digital unterschreiben dürfe.
“Ich kenne keinen Kollegen, der das nicht für Humbug hält.” Berlin habe da unnötigerweise einen komplizierteren Weg bei der Umsetzung der EU-Richtlinie über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen gewählt als viele andere Staaten.
Grundsätzlich sieht Martin jedoch “riesiges Potenzial” in der europäischen Gesetzgebung. Die könne etwa für eine besser digitalisierte Verwaltung sorgen. “Wir gucken sehr genau nach Brüssel, in der Hoffnung, dass da vielleicht mehr externer Druck auf nationale Behörden entsteht.”
Martin engagiert sich schon lange beim Verband der Familienunternehmer. Während seines Studiums wurde er Mitglied in der Jungunternehmer-Sparte. Kurz nach seinem Abschluss im Wirtschaftsingenieurwesen gründete er. Seit 2018 ist sein Unternehmen an der Börse. Was ein Familienunternehmen von anderen unterscheide? “Enkelfähigkeit”, meint Martin.
“Unsere Strategie ist sehr langfristig angelegt, nicht nur quartalsgetrieben.” Über lange Zeiträume gehörten Höhen und Tiefen dazu. Deshalb ist er trotz der aktuell gehäuften Krisen noch zuversichtlich: “Wir müssen das Beste daraus machen.” Paul Meerkamp