einiges an Bewegung ist diese Woche in den Fraktionen. S&D wählt heute ihren Vorsitz, einzige Kandidatin ist die bisherige Fraktionschefin Iratxe García Pérez. Morgen steht die Wahl der Vizevorsitzenden an. Für die neun Posten gibt es gleich vier neue Kandidaten. Ganz frisch im Parlament ist die Portugiesin Ana Catarina Mendes. Die frühere Ministerin im Kabinett António Costa soll den einstigen Hoffnungsträger Pedro Marques ersetzen, der nicht mehr aufgestellt worden war.
Einen schnellen Aufstieg erlebt auch die Italienerin Camilla Laureti. Sie rückte 2022 für den verstorbenen Parlamentspräsidenten David Maria Sassoli nach und könnte im Fraktionsvorstand Elisabetta Gualmini ersetzen. Gaby Bischoff von der SPD tritt wieder an, spekuliert aber vielleicht auf ein anderes Portfolio. Bislang keine eigenen Vize-Vorsitzenden stellten die Delegationen aus Belgien und Ungarn. Das könnte sich ändern mit den Kandidaturen von Kathleen van Brempt und Klára Dobrev. Die Ungarin tat sich im Plenum mit klaren Redebeiträgen hervor – zur Rechtsstaatlichkeit und zur “Schönfärberei des europafeindlichen Rechtsextremismus in der EU”.
In der Linksfraktion ist es komplizierter. Da tagt ab morgen der erweiterte Fraktionsvorstand, dem die beiden bisherigen Co-Fraktionschefs, die nationalen Delegationschefs und die Unabhängigen angehören. Dieses “Bureau” diskutiert und verhandelt die künftige Zusammensetzung der linken Fraktion, also mögliche Neuaufnahmen, die Grundlage der parlamentarischen Arbeit in den nächsten fünf Jahren (der letter of affinity) sowie die Führungsstruktur. Am Ende der Woche sollte es dann wieder zwei Fraktionschefs und ihre Vizes geben. Derzeit gibt es keine belastbaren Prognosen, ob die auf neun Mitglieder angewachsene Delegation der Franzosen sowie die um zwei auf drei Sitze geschrumpfte Delegation der deutschen Linken am Ende wieder die Co-Vorsitzenden stellen. Lassen wir uns überraschen.
Der Europäische Rechnungshof zweifelt in einem zentralen Punkt an der Erfolgsbilanz der scheidenden EU-Kommission. In der Gaskrise hätten einige politische Maßnahmen zwar die Versorgungssicherheit verbessert – besonders die Senkung des Verbrauchs und die Verpflichtungen zum Befüllen der Gasspeicher. “Allerdings war das EU-Recht vielleicht nicht der entscheidende Faktor, um diese Ziele zu erreichen“, sagte Rechnungshof-Mitglied João Leão am Montag bei der Vorstellung eines neuen Prüfberichts.
Der Einfluss anderer Krisenmaßnahmen sei sogar noch unklarer, sagte Leão weiter und nannte vor allem die Gaspreisbremse (Marktkorrekturmechanismus) und den gemeinsamen Gaseinkauf (AggregateEU). Damit steht der Nutzen diverser Krisengipfel im Jahr 2022 infrage. Für Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war das Absinken der Gaspreise bisher einer der zentralen politischen Erfolge ihrer Amtszeit.
Den Einfluss der Politik hatten Experten dagegen immer wieder bezweifelt. Für Ökonomen war der Rückgang des Verbrauchs schlicht eine erwartbare Reaktion auf die hohen Preise. Am Befüllen der Gasspeicher hatten die nationalen Regierungen ein ureigenes Interesse – es drohte ein Zusammenbruch der europäischen Industrie und kritischer Funktionen wie der Wärmeversorgung. Umstritten war allerdings die Kostenteilung für das Befüllen der Gasspeicher. Insofern war die Einigung auf gemeinsame Ziele durchaus als politischer Erfolg zu werten.
Nicht untersucht haben die Rechnungsprüfer außerdem das Chartern schwimmender LNG-Terminals und schnelle Genehmigungen für fest installierte Flüssiggas-Terminals. Wesentliche politische Beiträge der Nationalstaaten ließen die EU-Prüfer damit unberücksichtigt.
Bei den Mitgliedsländern machen sie dennoch einen blinden Fleck aus: “Bei dieser Krise ging es mehr um die Erschwinglichkeit als um die Verfügbarkeit“, kritisierte Leão. Wie sich Ausfälle in der Versorgung auf verschiedenen Kundengruppen in unterschiedlichen Staaten auswirken, habe man aber weniger Beachtung geschenkt. Dabei hätten jüngste Ausfälle die LNG-Preise erneut in die Höhe getrieben. Die Rechnungsprüfer nennen einen Streik in Australien und die vorübergehende Schließung eines Exportterminals in Norwegen als Preistreiber.
Mehr noch: Im vergangenen Jahr habe Russland immer noch 15 Prozent des europäischen Gasverbrauchs gedeckt – die LNG-Einfuhren wurden seit den Ausfällen von Pipelines immer weiter erhöht. Die EU-Staaten sollen deshalb nach dem Willen der Rechnungsprüfer künftig genauer untersuchen, wie sich Versorgungsrisiken auf die Bezahlbarkeit von Gas auswirken würden.
Von AggregateEU hatte sich die Kommission mehr Marktmacht und niedrigere Einkaufspreise auf dem LNG-Markt versprochen. Doch die Kommission habe kein Recht, die Verträge einzusehen und könne deshalb nicht bewerten, ob die Nachfrageplattform die Preise wirklich senke.
Wie abhängig die EU immer noch von LNG ist, zeigt eine weitere Nachricht vom Montag. Gasunie und Vopak wollen die Möglichkeit erkunden, das auch für Deutschland wichtige Terminal in Eemshaven auch über das Jahr 2027 hinaus zu betreiben – bis dahin will die EU eigentlich von russischem Gas unabhängig werden.
Die Voraussetzungen dafür soll eine neue hochrangige Arbeitsgruppe schaffen, auf die unter anderem Deutschland gedrängt hatte. Beim jüngsten Treffen am Freitag zeigten sich nach Angaben einer Quelle mehrere Mitgliedstaaten unsicher, wie sie mit der Möglichkeit umgehen sollen, selbst ein Embargo auf russische Einfuhren zu verhängen. Das ist seit der jüngsten Novelle des Gasmarktpakets rechtlich zulässig. Von der Kommission wünschten sich die EU-Staaten deshalb noch Leitlinien und eine rechtliche Klarstellung. Auf Ministerebene könnte der Ausstieg wieder beim informellen Rat am 15. und 16. Juli besprochen werden.
Die Corona-Pandemie und der harte Lockdown haben viele chinesische Staatsbürger desillusioniert. Die schwächelnde Wirtschaft bereitet ihnen noch immer Sorgen. Viele wollen einen Neuanfang in einem anderen Land oder zumindest einen sicheren Hafen, den man im Notfall ansteuern kann. Eine Möglichkeit bieten “goldene Visa”: Aufenthaltsgenehmigungen durch Investitionen oder Spenden, die nach einer Weile in eine Staatsbürgerschaft münden können.
Die verbreitetste Form, um an ein “goldenes Visum” zu kommen, sind Immobilienkäufe – ein Grund, warum viele europäische Länder in den vergangenen Jahren mit der Praxis gebrochen haben. Durch die Golden-Visa-Programme sind die Immobilienpreise stellenweise regelrecht explodiert. Die Käufer, die sehr oft aus China, aber auch aus Russland stammen, wohnen meist nicht selbst darin, sondern vermieten sie als Ferienwohnungen. Eine derartige Visa-Vergabe erhöhe die “Risiken in Bezug auf Sicherheit, Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Korruption”, erklärte die EU-Kommission schon 2022 und forderte ein EU-weites Verbot. Noch liegt die Vergabe aber weiter im Ermessensspielraum der einzelnen Länder.
Hinzu dürfte inzwischen auch noch die Sorge vor der Einschleusung chinesischer Spione kommen. Im Fall des enttarnten Geheimdienstmitarbeiters Jian G. half eine deutsche Staatsbürgerschaft viele Jahre dabei, die wahre Identität des Spions zu verschleiern. Mit Visa und Staatsbürgerschaften für x-beliebige Investoren gibt die EU dem chinesischen Staat zurzeit noch ein wirkungsvolles Instrument an die Hand, um nachrichtendienstliche Verbindungen zu tarnen.
China hat nach den USA die zweitgrößte Millionärsdichte der Welt. Gleichzeitig verzeichnet das Land die größte Nettoabwanderung von vermögenden Personen. Laut der britischen Migrations-Beratungsfirma Henley & Partners könnten dieses Jahr 15.200 Personen mit einem investierbaren Vermögen von einer Million US-Dollar oder mehr aus China auswandern. 2023 waren es Henley & Partners zufolge 13.800. Viele von Ihnen steuern noch immer Europa an, da sie ihr Vermögen aufgrund strenger Kapitalkontrollen in China nur ungenügend streuen können.
Einmal angekommen, sind sie dank der Reise- und Niederlassungfreizügigkeit des Schengen-Raumes nicht mehr an ein Land gebunden. Auch das Gesundheitssystem in europäischen Ländern ist attraktiv, ebenso die Universitäten für den Nachwuchs, erklären Henley & Partners, die auch ein Büro in Shanghai betreiben.
Längst gibt es weltweit Makler- und Anwaltsfirmen, die sich auf die Immigrations- und Investitionsberatung chinesischer Kunden spezialisiert haben. Nachdem Spanien im April angekündigt hatte, seine Golden-Visa-Programme abzuschaffen, stieg die Nachfrage rapide an. Wie die spanische Tageszeitung El País berichtet, kauften Chinesen mehrere billigere Wohnungen, um die 500.000-Euro-Grenze zu erreichen. Besser Betuchte investierten gleich in Gewerbe- und Luxusimmobilien. Im Artikel wird beispielsweise ein Chalet in Madrid erwähnt, das ein chinesischer Käufer für 975.000 Euro erworben hat.
Nachdem Zypern 2020, Großbritannien 2022 sowie Irland und Portugal 2023 ihre Visaprogramme ganz oder teilweise eingestellt haben, richtet sich der Fokus verstärkt auf weniger wohlhabendere Länder Europas. Malta ist momentan noch der einzige Staat, wo man eine volle Staatsbürgerschaft innerhalb von zwölf Monaten relativ rasch erlangen kann. Dafür liegt die Mindestinvestitionssumme bei 750.000 Euro.
Ein weiteres wichtiges Land für reiche Auswanderer bleibt auch Griechenland. 2023 verdoppelten die Behörden zwar die Mindestinvestitionssumme auf 500.000 Euro. Die fünfjährige Aufenthaltsgenehmigung kann aber immer wieder verlängert werden – vorausgesetzt, die Immobilien werden nicht abgestoßen.
Goldene Visa wurden in Griechenland besonders während der Staatsschuldenkrise 2013 als willkommene Investitionsquelle bewertet. Seitdem vergab das Land mehr als 22.300 Aufenthaltstitel- zwei Drittel davon an chinesische Immobilienkäufer. Es kam aber auch zu Korruptionsfällen, bei denen lokale Bauträger gezielt Immobilien ankauften, um sie mit Aufschlag an chinesische Investitionsmigranten weiterzuverkaufen. Die Mieten und Preise für Eigentumswohnungen zogen derart an, dass bezahlbarer Wohnraum für Durchschnittsverdiener in zentralen Gegenden immer rarer wurde.
Auch auf einigen griechischen Inseln und in anderen touristischen Hotspots stiegen die Preise. Der Athener Küstenvorort Alimos wird von Einheimischen mittlerweile als “Chinatown” bezeichnet. Um die Situation zu entschärfen, will Athen strengere Regeln für Kurzzeitvermietungen erlassen. Auch weitere Anhebungen der Mindestinvestitionssummen sind im Gespräch.
Während Länder wie Griechenland ihre Regeln verschärfen, hat Ungarn vergangenen Monat ein neues Programm aufgelegt, das am 1. Juli in Kraft treten soll. Nicht-EU- und Nicht-EWR-Bürger können demnach eine zehnjährige Aufenthaltsgenehmigung im Austausch gegen den Erwerb von Wohneigentum, einer Investition in lokale Immobilienfonds oder einer Spende an eine Hochschuleinrichtung erlangen. Der Mindestanlagebetrag liegt bei 250.000 Euro.
Chinesische Staatsangehörige waren 2023 bereits die stärksten ausländischen Immobilienkäufer in Ungarn. Sie kauften 647 Immobilien, gefolgt von Russen mit 223.
Um nach Europa zu kommen, kann man aber auch in EU-fernen Drittländern investieren. So können chinesische Staatsbürger etwa für eine Viertelmillion Euro die Staatsbürgerschaft der südpazifischen Inselrepublik Vanatu erwerben. Mit dieser bekommt man automatisch einen visumfreien Zugang zu den Ländern der Schengen-Zone – noch.
Die Europäische Kommission schlug bereits vor zwei Jahren vor, das Abkommen über die Befreiung von der Visumpflicht für Vanuatu auszusetzen. Der zuständige Ausschuss wird sich damit befassen, sobald das neue Parlament und die Ausschüsse konstituiert sind, heißt es auf Anfrage beim EU-Parlament.
In Vanuatu trägt der Verkauf von Staatsbürgerschaften mehr als ein Zehntel zum Bruttoinlandsprodukt bei. Auch die Karibikinsel Dominica erhält mehr Geld aus dem Verkauf der Staatsbürgerschaft für umgerechnet 91.600 Euro pro Person als aus Steuern, wie Bloomberg berichtete. Mit dem dominikanischen Pass kann man momentan immerhin 90 Tage lang ohne Visum in die Europäische Union reisen.
26.06.-28.06.2024, Valencia (Spanien)
EEA, Conference European Urban Resilience Forum 2024
The European Environment Agency (EEA) discusses a shared vision to implement a resilient European transformation at regional and local levels. INFOS & REGISTRATION
26.06.-27.06.2024, Valencia (Spanien)
EC, Conference Annual Forum of Energy Cities
The European Commission (EC) spotlights the transformative efforts of local communities reshaping urban landscapes. INFOS & REGISTRATION
26.06.2024 – 09:00-10:30 Uhr, online
Eco, Seminar Das EU-Datenwirtschaftsrecht aus der Perspektive von Cloud Services
Eco (Verband der Internetwirtschaft) setzt sich mit der Digitalgesetzgebung der EU auseinander. INFOS & ANMELDUNG
26.06.2024 – 10:30-14:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
GIE, Presentation Securing & Greening Energy for Europe: The Role of Terminal Operators
Gas Infrastructure Europe (GIE) presents the new study on the decarbonization pathways of import terminals in Europe. INFOS & REGISTRATION
26.06.2024 – 14:00-15:00 Uhr, online
FSR, Seminar CfDs to support Renewables: the Devil is in the Detail
The Florence School of Regulation (FSR) discusses the developments in the European energy and climate policy. INFOS & ANMELDUNG
26.06.2024 – 15:00-17:00 Uhr, online
ERCST Launch Event: The Use of CBAM Revenues
The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) presents a paper on the use of CBAM revenues. INFOS & REGISTRATION
27.06.-28.06.2024, Frankfurt
CLEPA, Conference Materials Regulations and Sustainability
The European Association of Automotive Suppliers (CLEPA) discusses key regulatory files and initiatives in materials and substances, as well as supply chain sustainability and corporate social responsibility. INFOS & REGISTRATION
27.06.-28.06.2024, Ispra (Italien)/online
EC, Seminar 6th JRC Summer School on Sustainable Finance
The European Commission (EC) discusses recent developments and innovations in the field of sustainable finance. INFOS & REGISTRATION
27.06.2024 – 11:00-14:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
CEER Workshop on TSO/DSO Unbundling Report
The Council of European Energy Regulators (CEER) assesses the status of Distribution System Operators (DSO) and Transmission system operators (TSO) unbundling, highlighting new developments since 2018 regarding the implementation of the rules introduced by the Clean Energy Package (CEP). INFOS & REGISTRATION
03.07.2024 – 09:30-17:15 Uhr, Brüssel (Belgien)
EGEC, Conference Geothermal Power 2024
The European Geothermal Energy Council (EGEC) discusses the future of geothermal electricity, thermal storage and lithium. REGISTER BY 26 JUNE
Die chinesische Regierung will die EU-Kommission in Verhandlungen zur Aufhebung der Zölle bewegen – und zwar sehr zeitnah, noch vor Inkrafttreten der Zölle am 4. Juli. Das berichtete die staatlich kontrollierte chinesische Zeitung Global Times am Montag. Schon in dieser Woche könnte es zu ersten Gesprächen kommen.
China wird argumentieren, dass es zu kurz gegriffen sei, wenn die EU von “unfairen” Praktiken spricht. Dabei formulieren die Europäer ihre Vorwürfe noch moderat. Die USA bezeichnen Chinas Subventionen sogar als “kriminelles Verhalten”. Eine Studie der US-Denkfabrik CSIS wirft Licht auf Argumente, mit denen die EU und China in die Verhandlungen gehen dürften.
Etwas mehr als die Hälfte der gesamten staatlichen Unterstützung für die chinesische E-Auto-Industrie bestand demnach aus Steuerbefreiungen, wodurch die Fahrzeuge für Käufer erschwinglicher wurden. Der Rest setze sich aus zusätzlichen Käuferprämien, staatlicher Finanzierung für Infrastruktur wie Ladestationen, staatlichen Beschaffungen von Elektrofahrzeugen sowie aus Förderprogrammen für Forschung und Entwicklung zusammen. Die Daten seien dabei noch “sehr konservativ”, da sie keine Programme auf lokaler Ebene umfassen, heißt es von den Autoren der Studie. Sie beinhalten auch nicht die allgemein niedrigen Kosten für Land, Strom und Kredite, von denen Hersteller profitieren. Auch Hilfen für die chinesischen Batteriehersteller seien nicht berücksichtigt.
Peking argumentiert, dass die Subventionen gemessen am Gesamtumsatz der Branche stetig gesunken sind – von mehr als 40 Prozent in den Anfangsjahren auf nur noch 11,5 Prozent im Jahr 2023. In ganzen Zahlen heißt das: Die Unterstützung pro Fahrzeug ist von 13.860 Dollar im Jahr 2018 auf knapp unter 4.600 Dollar im Jahr 2023 geschrumpft. Diese Summe ist geringer als die 7.500 Dollar, die US-Käufer für bestimmte Fahrzeuge im Rahmen des Inflation Reduction Act erhalten. Auch in der EU gibt oder gab es ähnliche Kaufprämien.
Die Autoren der CSIS-Studie halten Chinas Wette auf E-Fahrzeuge für “sehr riskant”. Viele der neu gegründeten Unternehmen würden den heftigen Wettbewerb im eigenen Land in Kombination mit dem wachsenden Protektionismus im Ausland möglicherweise nicht überleben. Doch die Konzerne, die am Ende übrig blieben, würden mit Sicherheit zu sehr wichtigen globalen Akteuren reifen.
Dass nun Zölle die Antwort von Europäern und Amerikanern sind, sei laut Untersuchung aber auch das Resultat westlicher Inkonsequenz. “Im Allgemeinen haben westliche Autohersteller und Regierungen gezögert und waren nicht aggressiv genug”, kritisieren die Autoren der Denkfabrik CSIS. So gebe es noch immer nicht genug Druck auf die Autohersteller, ihre Flotten zu elektrifizieren und erschwinglichere Modelle anzubieten. Es sei klar, dass die USA und andere Länder ihre Interessen nicht verteidigen können, ohne “aggressivere Anstrengungen” zur Entwicklung ihrer eigenen Industrien zu unternehmen. Anders gesagt: Die EU könnte den Herstellern unter anderem mehr Ladesäulen spendieren.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat im Streit um die Zölle Bewegung von China gefordert. Er sagte am Montag beim Tag der Industrie in Berlin, es sei gut, dass die EU-Kommission der chinesischen Seite weitere Gespräche anbiete. Er habe sehr darauf gedrungen. Bis zum 4. Juli sei noch ein wenig Zeit, meinte Scholz. “Klar ist aber, dass wir auch von der chinesischen Seite an dieser Stelle natürlich ernsthafte Bewegungen und Fortschritte benötigen.”
Siegfried Russwurm sieht in den angekündigten Gesprächen im Zollstreit zwischen der EU und China einen ersten Schritt zur Vermeidung eines Handelskrieges. Allein die Tatsache, dass man miteinander sprechen werde, sei ein “gutes Zeichen”, sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Er nahm zudem die EU in die Pflicht, die Balance in der Zollfrage zu wahren. “Die 27 EU-Länder haben da unterschiedliche Schwerpunkte.” Umso wichtiger sei es, dass die Bundesregierung auch klarmache, dass die größte Volkswirtschaft in der EU nicht über die Kante fallen dürfe. “Das muss auch im Interesse des europäischen Binnenmarktes sein, dass wir weiterhin erfolgreich sind. Denn der Export aus Deutschland ist auch ein Export der Europäischen Union”, erklärte Russwurm. jp/rad/dpa/rtr
Gegen den erklärten Willen Ungarns haben die EU-Außenminister am Montag in Luxemburg neue Waffenhilfen für die Ukraine beschlossen. Bereits im Juli sollen rund 1,4 Milliarden Euro fließen, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Eine zweite Tranche werde wenige Monate später folgen.
Finanziert wird die Hilfe mit Zinserlösen aus eingefrorenem Vermögen der russischen Zentralbank. Die Nutzung der “Windfall profits” hatte die EU-Kommission bereits im März vorgeschlagen. Allerdings mussten vor dem Beschluss noch juristische und politische Bedenken ausgeräumt werden. Am Ende stand nur noch Ungarn im Weg.
Um das ungarische Veto zu umgehen, griff Borrell zu einem Verfahrenstrick: Erst erklärte er, dass die üblichen Abstimmungsregeln nicht gelten würden, da es sich nicht um EU-Geld handele. Dann wurde darauf verwiesen, dass Ungarn kein Veto einlegen könne, weil sich das Land bei einer früheren Grundsatzentscheidung enthalten hatte. “Dieses Geld kann nicht gestoppt werden”, betonte Borrell. Man habe ein Verfahren gefunden, um jede Blockade zu vermeiden. Dies gilt allerdings nur für die Zinserlöse. Bei der ebenfalls von Ungarn blockierten europäischen Friedensfazilität zeichnet sich dagegen noch keine Lösung ab. Hier geht es um rund sieben Milliarden Euro.
Der Außenrat billigte auch das 14. Sanktionspaket gegen Russland. Die neuen Strafmaßnahmen sollen vor allem die Umgehung bestehender Sanktionen erschweren. Außerdem wird der Handel mit russischem Flüssiggas erschwert. Einige osteuropäische Minister zeigten sich unzufrieden, weil Deutschland das Paket verzögert und abgeschwächt hatte.
Die Sanktionen seien “bedauerlicherweise schwächer” als geplant, meinte Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis. Der estnische Minister Margus Tsahkna sagte, es werde “immer schwerer, einen Konsens über neue Sanktionen zu finden”. Die Bundesregierung hatte auf mögliche negative Folgen für die deutsche Wirtschaft verwiesen.
Russland kündigte Vergeltung an. Die Sanktionen seien illegal, heißt es in einer Erklärung des Moskauer Außenministeriums. Zuvor hatte Moskau auch mit Gegenmaßnahmen gegen die nun beschlossene Nutzung von Zinserlösen aus russischem Vermögen gedroht. Das Geld stehe Russland zu, dessen Verwendung sei “Diebstahl”. Sollte die EU ihren Plan umsetzen, so würde sie die Normen des internationalen Finanzsystems verletzen, warnt Moskau. Die Europäer und die Amerikaner wollen allerdings noch weiter gehen und der Ukraine 50 Milliarden Dollar auszahlen. Auch dieser Kredit soll zumindest teilweise durch russische Zinserlöse abgesichert werden.
Thema im Außenrat war auch Georgien. Das EU-Beitrittskandidatenland muss sich nach der endgültigen Verabschiedung eines Gesetzes zur schärferen Kontrolle der Zivilgesellschaft auf Konsequenzen einstellen. Borrell kündigte nach dem Außenministertreffen an, dass man die politischen Kontakte herunterfahren werde und in Erwägung ziehe, die finanzielle Unterstützung für die Regierung auf Eis zu legen. Zudem werde auch die Unterstützung des Verteidigungssektors durch die Europäische Friedensfazilität geprüft.
Borrell betonte, dass für die Kürzung von finanziellen Zuwendungen keine Einstimmigkeit im Kreis der EU-Staaten notwendig sei. Dies ist wichtig, weil die ungarische Regierung das georgische Gesetz als unproblematisch erachtet und Strafmaßnahmen ablehnt. Der Außenbeauftragte sagte dazu, 26 von 27 EU-Staaten seien sich einig, dass das Gesetz und alle damit im Zusammenhang stehenden negativen Entwicklungen Georgien weg von der EU führten. Wenn die Regierung ihren Kurs nicht ändere, werde das Land auf dem Weg in die EU keine Fortschritte mehr machen. Die EU werde die Zivilgesellschaft und die Medien in Georgien angesichts der Entwicklungen jedoch noch stärker unterstützen. Falschinformationen werde man hingegen entschlossen entgegentreten. ebo, mit dpa
Kurz vor dem Nato-Gipfel vom 9. bis 11. Juli in Washington haben die Verteidigungsminister der Weimarer-Dreieck-Staaten Deutschland, Frankreich und Polen in Paris ihre To-do-Liste vorgestellt. Auf dem Nato-Gipfel wollen sie eine Absichtserklärung zur Entwicklung weitreichender Präzisionswaffen unterzeichnen. Die Chancen, dass der französische Minister Sébastien Lecornu den Gipfel wegen der anstehenden französischen Neuwahlen am 30. Juni und 7. Juli noch als Verteidigungsminister erlebt, sind gering.
Bei dem Treffen am Montag im Hôtel des Invalides stellte er mit seinen deutschen und polnischen Amtskollegen Boris Pistorius und Władysław Kosiniak-Kamysz die Agenda vor. Es war das erste Treffen der Verteidigungsminister im Weimarer Format seit 2015.
Für die Absichtserklärung zur Entwicklung weitreichender Präzisionswaffen wolle man “eine Gruppe von europäischen Staaten zusammenbringen”, sagte Boris Pistorius. Der französische Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz hatten beim deutsch-französischen Ministerrat in Meseberg angekündigt, dass sie die Rüstungszusammenarbeit bei der Entwicklung abstandsfähiger Präzisionswaffen vorantreiben wollen. Lecornu sagte am Montag, auch Polen habe Interesse gezeigt, sich zu beteiligen.
Frankreich will eigene Waffensysteme als Grundlage für die Entwicklungen nutzen, wie das missile de croisière naval (Marinemarschflugkörper MdCN). Lecornu bekräftigte nun die französischen Ambitionen. Eine deutsche Alternative könnte der Taurus-Marschflugkörper sein, der Ziele in 500 Kilometern Entfernung treffen kann. Die neue Waffe, die der Abschreckung dienen soll, soll vom Boden starten und deutlich weiter als derzeit in Europa verfügbare Waffensysteme fliegen können.
Eigentlich wollen die Minister mit dem Weimarer Dreieck den europäischen Nato-Pfeiler stärken, um das Verteidigungsbündnis Trump-proof zu machen. Mit den französischen Neuwahlen könnte sich jedoch auch die Arbeit mit Frankreich erschweren. Pistorius, der schon bevor die Neuwahlen angekündigt wurden, regelmäßig seine Freundschaft zu Lecornu betonte, äußerte sich besorgt. Nationalismus sei “noch nie die Lösung der Probleme gewesen, sondern immer wesentlicher Teil der Probleme”. Die Arbeit würde er “gerne mit Sébastien fortsetzen”.
Der Spitzenkandidat des rechtspopulistischen Rassemblement national (RN), Jordan Bardella, stellte am Montag das Programm der Partei vor, die die französischen Umfragewerte anführt. Das traditionell russlandfreundliche RN betrachte Russland zwar als “multidimensionale Bedrohung”, mit der Ukraine-Unterstützung wolle man aber keine Eskalation herbeiführen. Französische Waffenlieferungen dürften bei einem Wahlsieg Bardellas zurückgehen. bub
Die Europäische Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den ehemaligen Präsidenten der Europäischen Investitionsbank, Werner Hoyer, wegen des Vorwurfs der Korruption, des Amtsmissbrauch und der Veruntreuung von EU-Geldern. Der 72-Jährige bezeichnete diese Vorwürfe als “absurd”.
Die für Fälle von Missbrauch von EU-Geldern zuständige Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA) kündigte die Ermittlungen am Montag an. Ursprung der Ermittlungen sei ein Hinweis des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) gewesen. Die EUStA teilte mit, dass die Europäische Investitionsbank (EIB) ihrem Ersuchen stattgegeben habe, die Immunität von zwei ihrer ehemaligen Mitarbeiter sowie die Unverletzlichkeit ihrer Räumlichkeiten, Gebäude und Archive in Luxemburg aufzuheben.
Werner Hoyer, der die Bank von 2012 bis 2023 leitete, wurde von der Staatsanwaltschaft nicht namentlich genannt, ließ aber über seine Anwälte erklären, dass er von den Ermittlungen betroffen sei. “Die Anschuldigungen gegen mich sind völlig absurd und unbegründet“, sagte Hoyer und fügte hinzu, dass er bei den Ermittlungen voll und ganz kooperiere und die EIB aufgefordert habe, dies ebenfalls zu tun.
Er sagte, es handele sich um eine Untersuchung von Entschädigungszahlungen an einen anderen EIB-Mitarbeiter, die er während seiner Amtszeit als Präsident “auf Empfehlung der zuständigen Abteilung und des Generalsekretärs der EIB” abgezeichnet habe.
Die EIB hat eine Bilanzsumme von weit über 500 Milliarden Euro und vergibt jährlich Darlehen in Höhe von rund 80 Milliarden Euro, womit sie der größte multilaterale Entwicklungsfinanzierer der Welt ist. Während seiner mehr als zehnjährigen Tätigkeit bei der in Luxemburg ansässigen Bank trieb Werner Hoyer, ein ehemaliger deutscher Staatssekretär im Auswärtigen Amt, eine bedeutende Verlagerung hin zu erneuerbaren Energien und anderen sozial nützlichen Krediten voran. rtr
Wenige Tage, bevor Ungarn den Vorsitz im EU-Ministerrat übernimmt, will die scheidende belgische Ratspräsidentschaft zur Deregulierung neuer Gentechniken (NGT) noch einen letzten Einigungsversuch unternehmen. Am Mittwoch wollen die Belgier den EU-Botschaftern einen Kompromissvorschlag vorlegen, ist aus Diplomatenkreisen zu hören. Demnach reichte die Zeit nicht, um das Thema schon am Montag auf die Agenda des EU-Agrarrats zu setzen. Es ist die letzte reguläre Sitzung der zuständigen Botschafter vor dem Ende der Präsidentschaft.
Bei dem jüngsten Entwurf, der Table.Briefings vorliegt, handelt es sich um eine abgewandelte Version des Kompromisses von Ende Mai, mit dem die Belgier keinen Durchbruch erzielt hatten. Statt, wie damals vorgesehen, den NGT-1-Status einer Pflanze an den Verzicht auf jegliche Patente hierauf zu knüpfen, sollen die jeweiligen Unternehmen jetzt nur noch auf Produktpatente verzichten. Verfahrenspatente, mit denen zum Beispiel die gentechnischen Methoden zur Herstellung einer Pflanze geschützt werden, wären weiter möglich. Zudem soll die Verzichtserklärung nur verlangt werden, wenn eine Pflanze vermarktet wird, und nicht, solange sie zu Forschungszwecken angebaut wird. Gleichzeitig soll die Europäische Kommission aufgefordert werden, einen Leitfaden zu Patenten und geistigem Eigentum vorzulegen.
Mehrere mit der Angelegenheit vertraute Quellen schätzen die Erfolgsaussichten des Einigungsversuchs als eher gering ein. Als entscheidender Faktor gilt weiterhin eine Zustimmung Polens. Das Land hat öffentlich signalisiert, die Zeit bis Mittwoch sei zu knapp, um den neuen Vorschlag zu prüfen.
Schwenkt Warschau nicht um, müssten die Belgier mehrere kleinere Länder überzeugen, um die nötige Mehrheit zu erreichen. Das gilt aber als schwierig, ohne dabei wiederum bisherige Befürworter zu verprellen. Gelingt am Mittwoch keine Einigung, könnte sich das Dossier deutlich verzögern. Die ungarische Ratspräsidentschaft hat sich in ihrem Arbeitsprogramm zwar vorgenommen, hieran weiterzuarbeiten. Weil Ungarn der Deregulierung neuer Gentechniken jedoch selbst kritisch gegenüber steht, wird erwartet, dass das Land das Thema mit weniger Elan vorantreibt, als die Belgier und zuvor die Spanier. jd
Bei ihrem letzten EU-Agrarministertreffen am Montag hat die belgische Ratspräsidentschaft den Zwischenstand der Gespräche zu mehreren Gesetzesvorschlägen vorgestellt. Dem aktuellen Verhandlungsstand nach schlagen die Minister bei der EU-Saatgutverordnung einen entgegengesetzten Kurs zum Europäischen Parlament ein. Sie wollen Ausnahmen im Vergleich zum ursprünglichen Kommissionsvorschlag einschränken. So sollen Ausnahmen für sogenannte Erhaltungssorten auf alte Sorten beschränkt werden, um Schlupflöcher für Neuzüchtungen zu vermeiden. Auch für den Austausch kleiner Mengen an Saatgut zwischen Landwirten wollen die Minister Ausnahmeregelungen enger fassen.
Damit ginge der Rat auf Züchterverbände zu, die vor phytosanitären Risiken warnen, wenn bestimmtes Saatgut und Pflanzenmaterial von Kontrollen und Anforderungen ausgenommen wird. Das Parlament hatte in seiner Verhandlungsposition im April dagegen gefordert, die Ausnahmen auszuweiten. Letzteres unterstützen Kleinbauern- und Bio-Verbände.
Bis der Ministerrat tatsächlich seine Position zu dem Vorschlag annimmt, könnte es aber noch dauern. Wegen der Komplexität des Dossiers – immerhin zehn verschiedene bestehende Rechtsakte werden darin zusammengefasst und reformiert – strebt auch Ungarn, das von Juli bis Dezember die Ratspräsidentschaft übernimmt, während seiner Amtszeit noch keine Einigung an.
Kaum vorangekommen ist die belgische Präsidentschaft derweil beim Vorschlag zum Tierschutz bei Lebendtransporten, den die Europäische Kommission Anfang Dezember zusammen mit einem Gesetz zum Schutz von Hunden und Katzen vorgelegt hatte. Die belgische Präsidentschaft entschied sich, vorrangig die Arbeit am recht unstrittigen Haustierthema voranzutreiben. Zum Vorschlag zu Tiertransporten, der als deutlich kontroverser gilt, ist demnach noch nicht einmal die erste Prüfung durch die zuständige Arbeitsgruppe abgeschlossen. Auch hier sieht die ungarische Präsidentschaft keine Einigung vor.
Bei ihrem Treffen wollten die EU-Agrarminister auch eine Erklärung zur Zukunft der europäischen Landwirtschaft verabschieden. Darin steht, Umwelt- und Klimaschutz vor allem durch Anreize voranzutreiben. Obwohl der Text kaum ins Detail geht, konnte er nicht einstimmig verabschiedet werden. Widerstand kam aus Rumänien und der Slowakei. Streitpunkt war eine Formulierung zur externen Konvergenz. Dieser Mechanismus dient dazu, die Höhe der Direktzahlungen in verschiedenen EU-Ländern stetig anzugleichen. jd
Die Europäische Kommission wirft Apple Verstöße gegen den Digital Markets Act (DMA) vor. Demnach verbiete das Unternehmen App-Entwicklern, Kunden auf alternative Angebote außerhalb des eigenen App-Stores hinzuweisen. Zudem hat die Kommission ein neues Verfahren eingeleitet, um die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit von Apples neuen Gebühren für Drittanbieter-App-Entwickler zu prüfen. Bei Bestätigung der Vorwürfe drohen Apple Geldstrafen von bis zu zehn Prozent seines weltweiten Jahresumsatzes.
EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erklärte: “In ihrer jetzigen Form erlauben diese neuen Bedingungen es App-Entwicklern nicht, frei mit ihren Endnutzern zu kommunizieren und Verträge mit ihnen abzuschließen.” Sie betonte, dass es an Apple liege, wie das Unternehmen den DMA einhalte, und nicht an der Kommission, Apple vorzuschreiben, was zu tun sei. “Die Entwickler-Community und Verbraucher sind bestrebt, Alternativen zum App-Store anzubieten.” Die Kommission werde nachhalten, dass Apple diese Bemühungen nicht untergräbt.
Die Kommission kritisiert, dass Apple unter den meisten Geschäftsbedingungen nur “Link-outs” erlaubt, bei denen App-Entwickler Kunden auf eine Webseite weiterleiten können, um einen Vertrag abzuschließen. Zudem bemängelt die Kommission, dass die von Apple erhobenen Gebühren für die Vermittlung neuer Kunden über den App-Store über das hinausgehen, was notwendig sei. Die neuen vertraglichen Anforderungen beinhalten eine Core Technology Fee von 0,50 Euro pro installierter App und einen mehrstufigen Prozess zum Herunterladen und Installieren alternativer App-Stores auf iPhones.
Apple erklärte, dass es in den vergangenen Monaten eine Reihe von Änderungen vorgenommen habe, um den DMA einzuhalten. “Wie wir es routinemäßig tun, werden wir weiterhin zuhören und uns mit der Europäischen Kommission austauschen”, hieß es in einer E-Mail. Demnach zahlen nach Schätzungen von Apple mehr als 99 Prozent der Entwickler unter den neuen Geschäftsbedingungen die gleichen oder geringere Gebühren.
Margrethe Vestager kritisierte auch die Ankündigung von Apple, die Einführung seiner KI-gestützten Funktionen in der EU zu verzögern, was das Unternehmen dem DMA anlastete. Vestager sagte, es scheine, als deutete Apple damit an, dass seine KI-Integration wettbewerbswidrig sein könnte. vis
In einer internen Abstimmung haben sich 87 Prozent der Mitglieder der paneuropäischen Partei Volt für eine Mitgliedschaft in der Fraktion Grüne/EFA entschieden. Das teilten die Grünen und Volt am Montag mit. In den vergangenen fünf Jahren habe er bereits großartige Erfahrungen in der Grünen/EFA-Fraktion gemacht, sagte Damian Boeselager. Er war bis zur Neuwahl der einzige Volt-Abgeordnete im Europäischen Parlament.
Im neu gewählten Parlament wird Volt mit fünf Abgeordneten vertreten sein, drei davon aus Deutschland und zwei aus den Niederlanden. Neben Boeselager sind dies Nela Riehl und Kai Tegethoff sowie Anna Strolenberg und Reinier van Lanschot. “Gemeinsam werden wir uns weiter für den Green Deal, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und ein geeintes Europa einsetzen”, sagte die Grünen-Ko-Vorsitzende Terry Reintke. Die Fraktion stehe bereit für eine stabile, demokratische und konstruktive Mehrheit, sagte sie mit Blick auf die Von-der-Leyen-Koalition.
Vor allem im Kampf gegen Rechtspopulisten, der im Mittelpunkt der Agenda von Volt steht, sieht sich die Partei auf einer Linie mit den Grünen/EFA. Welche Ausschüsse die Volt-Abgeordneten erhalten werden, gaben die Beteiligten noch nicht bekannt. vis
Die AfD-Spitze strebt einen Austritt aus dem europäischen Parteienverbund ID an. Das hat der Bundesvorstand am Montag beschlossen. Die AfD wolle damit einem Rauswurf zuvorkommen, der kurz bevorstehe, heißt es in einem ARD-Bericht. Die ID – kurz für Identität und Demokratie – ist ein Zusammenschluss rechtspopulistischer und nationalistischer Parteien. Der AfD-Vorstand beschloss demnach, dem am Wochenende in Essen anstehenden Parteitag zu empfehlen, aus dem Bündnis auszusteigen.
Für das Delegiertentreffen liegt bereits ein Antrag verschiedener AfD-Mitglieder vor, der in diese Richtung zielt. Die Mitgliedschaft in der Partei erlaube der ID Zugriff auf die Programmatik der AfD. Das lehne man ab, heißt es darin zur Begründung.
Die AfD war der ID-Partei im vergangenen Jahr beigetreten. In der ID-Fraktion im Europaparlament war sie schon vorher. Nach umstrittenen Äußerungen von AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah zur nationalsozialistischen SS hatte die Fraktion die AfD-Gruppe aber kurz vor der Europawahl ausgeschlossen. Auch die Entscheidung der AfD nach der Wahl, Krah aus ihrer Gruppe auszuschließen, brachte keine Wiederannäherung an die ID-Fraktion. In der ID-Partei ist die AfD aber noch Mitglied.
AfD-Chefin Alice Weidel hatte gesagt, es werde ausgelotet, welche Optionen es für andere Zusammenschlüsse im neu gewählten Europaparlament gebe. Entsprechende Gespräche laufen demnach in Brüssel. Entgegen anderslautender Meldungen werde aber in dieser Woche noch keine neue Fraktion gegründet, hieß es am Montag aus Parteikreisen.
Zur Bildung einer Fraktion im Europaparlament sind nach dessen Geschäftsordnung mindestens 23 Parlamentarier aus mindestens einem Viertel der EU-Mitgliedstaaten notwendig. Die AfD hatte bei der Europawahl 15,9 Prozent der Stimmen geholt und hat damit 15 Abgeordnete. dpa
Klaus-Heiner Lehne blickt auf drei Jahrzehnte Arbeit in EU-Institutionen zurück – im Europäischen Parlament und aktuell im Europäischen Rechnungshof. Seine langjährige Erfahrung merkt man ihm an. Er spricht selbstbewusst, mit fester Stimme, antwortet versiert, ohne vorher Denkpausen einlegen zu müssen.
Der 66-Jährige ist seit seinem siebzehnten Lebensjahr Mitglied in der CDU. Im selben Jahr fing er an, sich politisch zu engagieren. “Mit 19 Jahren war ich der jüngste kommunale Mandatsträger in Nordrhein-Westfalen“, erzählt er beiläufig. Bis heute ist Lehne Ehrenvorsitzender der CDU Düsseldorf.
Der gebürtige Düsseldorfer studierte zunächst Physik, was er jedoch nach wenigen Semestern wieder abbrach. Schließlich entschied er sich, “der Familientradition Jura zu folgen”. Die im Physikstudium erlernte Disziplin verhalf ihm dazu, sein Jurastudium beinahe in Rekordzeit zu absolvieren.
Lehnes politischer Karriereweg war immer wieder von parteitaktischen Überlegungen geprägt. Nach einigen Jahren als Ratsmitglied in Düsseldorf rückte er 1992 in den Bundestag nach, nachdem er bereits zweimal vergeblich kandidiert hatte. Angesichts schlechter CDU-Umfragewerte im Vorfeld der folgenden Bundestagswahl rechnete er sich jedoch schlechte Chancen aus, “den Wahlkreis zu gewinnen und über die Liste abgesichert zu werden.”
Eine Kandidatur für das Europaparlament tat sich als vielversprechendere Alternative auf. So wechselte er 1994 nach Brüssel, mit der Intention, “den geringen Gestaltungsmöglichkeiten des Bundestags an der originären Stelle entgegenzuwirken, wo die Gesetzgebung gemacht wird, die später in deutsches Recht übersetzt werden muss”.
Dort erkannte Lehne bald: “Im Europäischen Parlament ist man viel freier. Man kann den Inhalt der Gesetze mitbestimmen und ist nicht wie im Bundestag an Koalitionsmehrheiten gebunden.” Für Lehne die “deutlich reizvollere Aufgabe”. Vier Amtsperioden bekleidete er das Mandat als Europaparlamentarier.
Zu seinen größten Erfolgen während der 20 Jahre zählt Lehne die Übernahmerichtlinie, die zweite Geldwäscherichtlinie und die Schaffung eines einheitlichen europäischen Patentrechts. Von 2004 bis 2014 war er Fraktionsvorstand der EVP und ab 2009 Vorsitzender des Rechtsausschusses.
Schließlich kamen wieder parteiinterne Dynamiken ins Spiel, die Lehnes Weg nach Luxemburg lenkten. Ein Gegenkandidat machte ihm den ersten Listenplatz streitig. “Aber den wollte ich nicht freiräumen. Also drohte ein Konflikt, den man auch in der Bundespartei gesehen hat”, erzählt Lehne. Schließlich wurde ihm erneut eine Alternative angeboten: der Europäische Rechnungshof.
Mit Mitte 50 konnte Lehne in Luxemburg nochmal eine neue Perspektive einnehmen: “Aus der Sicht des Abgeordneten ist der Job getan, wenn das Gesetz verabschiedet ist. Aber hier sieht man sehr oft, dass es selbst bei guten Gesetzen in der administrativen Umsetzung mangelt und die Ergebnisse dann unbefriedigend sind”, sagt Lehne. Seine Lektion, die er mit Kollegen im Europäischen Parlament geteilt hat: “Konzentriert euch weniger auf die Gesetzgebung, sondern vielmehr die Umsetzung. Schaut euch an: Was machen die nationalen Administrationen konkret damit?”
Zweieinhalb Jahre nach seinem Eintritt in den Hof wurde Lehne 2016 zu dessen Präsidenten gewählt. Während seiner doppelten Amtszeit hat er sich im Wesentlichen um zwei Entwicklungen bemüht: “Wir haben die Anzahl der Performance-Berichte deutlich ausgeweitet. Inzwischen machen sie mehr als die Hälfte der Berichte aus.” Im Gegensatz zu den üblichen Compliance-Berichten, die lediglich die Erfüllung der rechtlichen Voraussetzungen überprüfen, “befassen sich Performance-Berichte mit Wirtschaftlichkeit und Effizienz”, erklärt er. Sein zweiter Verdienst: “Wir haben die Öffentlichkeitsarbeit deutlich verbessert. Denn unsere Wirkung entsteht erst dadurch, dass Abgeordnete auf unsere Berichte angesprochen werden und Druck auf die Kommission ausüben, Fehler zu vermeiden.”
Doch seine Präsidentschaft hatte auch Schattenseiten: “Die sechs Jahre waren von jeder Menge Schwierigkeiten geprägt”, erinnert sich Lehne. Dazu gehört die Affäre um das ehemalige belgische Ratsmitglied Pinxten, dem Spesenbetrug in großem Stil nachgewiesen wurde. “Danach mussten wir im Hause erstmal aufräumen“, sagt Lehne mit Nachdruck.
Und dann schließlich der Skandal um ihn selbst zum Jahresende 2021. Recherchen der französischen Tageszeitung “Libération” warfen ihm intransparentes Finanzgebaren, die Unterhaltung einer Scheinwohnung in Luxemburg und überhöhte Spesenabrechnungen vor, wofür er sich vor dem Haushaltskontrollausschuss des Europaparlaments verantworten musste.
Lehne, der die Vorwürfe stets entschieden zurückwies, erinnert sich noch gut, wie “absolut unangenehm” diese Zeit für ihn war. Er bedauert, dass der Vorfall “zu einer Politisierung der Institution” geführt habe. “Plötzlich wurde überall kritisiert, dass ein EVP-Mann an der Spitze ist, obwohl ich meine politischen Funktionen alle habe niederlegen müssen.” Nachdem ihn das Europaparlament entlastete, kann er heute sagen: “Für mich ist das Thema erledigt.”
Der ehemalige Parlamentarier sitzt nun in der ersten Kammer des Hofes und ist dort “zuständig für den Bereich Klimaschutz, Umwelt und Compliance im Agrarbereich“. Derzeit liegt ein Bericht über die Verschmutzung in Städten auf seinem Schreibtisch. Zu seinem Arbeitsalltag als Prüfer gehört neben dem Durchwälzen von Verwaltungsunterlagen, Projekte aus EU-Fördermitteln vor Ort zu überprüfen: “Gibt es die Kühe und Olivenbäume überhaupt, die gefördert werden? Manchmal arbeiten wir auch mit Satellitenaufnahmen.” Die größten Schwachstellen identifiziert der Hof regelmäßig im Zuständigkeitsbereich der zweiten Kammer, “das sind alle Struktur- und Kohäsionsfonds”, wie Lehne erklärt. “Eine wichtige Ursache sind zu bürokratische Regeln.”
Seine Zeit im Rechnungshof läuft noch bis 2026. “Meine jetzigen Aufgaben erfülle ich die nächsten zwei Jahre noch sehr gerne”, sagt der ehemalige Parlamentarier. “Aber danach schaue ich dem Ruhestand entgegen.” Parteipolitisch möchte er sich weiterhin engagieren, allerdings kein Mandat mehr übernehmen. “Irgendwann ist es genug.” Clara Baldus
einiges an Bewegung ist diese Woche in den Fraktionen. S&D wählt heute ihren Vorsitz, einzige Kandidatin ist die bisherige Fraktionschefin Iratxe García Pérez. Morgen steht die Wahl der Vizevorsitzenden an. Für die neun Posten gibt es gleich vier neue Kandidaten. Ganz frisch im Parlament ist die Portugiesin Ana Catarina Mendes. Die frühere Ministerin im Kabinett António Costa soll den einstigen Hoffnungsträger Pedro Marques ersetzen, der nicht mehr aufgestellt worden war.
Einen schnellen Aufstieg erlebt auch die Italienerin Camilla Laureti. Sie rückte 2022 für den verstorbenen Parlamentspräsidenten David Maria Sassoli nach und könnte im Fraktionsvorstand Elisabetta Gualmini ersetzen. Gaby Bischoff von der SPD tritt wieder an, spekuliert aber vielleicht auf ein anderes Portfolio. Bislang keine eigenen Vize-Vorsitzenden stellten die Delegationen aus Belgien und Ungarn. Das könnte sich ändern mit den Kandidaturen von Kathleen van Brempt und Klára Dobrev. Die Ungarin tat sich im Plenum mit klaren Redebeiträgen hervor – zur Rechtsstaatlichkeit und zur “Schönfärberei des europafeindlichen Rechtsextremismus in der EU”.
In der Linksfraktion ist es komplizierter. Da tagt ab morgen der erweiterte Fraktionsvorstand, dem die beiden bisherigen Co-Fraktionschefs, die nationalen Delegationschefs und die Unabhängigen angehören. Dieses “Bureau” diskutiert und verhandelt die künftige Zusammensetzung der linken Fraktion, also mögliche Neuaufnahmen, die Grundlage der parlamentarischen Arbeit in den nächsten fünf Jahren (der letter of affinity) sowie die Führungsstruktur. Am Ende der Woche sollte es dann wieder zwei Fraktionschefs und ihre Vizes geben. Derzeit gibt es keine belastbaren Prognosen, ob die auf neun Mitglieder angewachsene Delegation der Franzosen sowie die um zwei auf drei Sitze geschrumpfte Delegation der deutschen Linken am Ende wieder die Co-Vorsitzenden stellen. Lassen wir uns überraschen.
Der Europäische Rechnungshof zweifelt in einem zentralen Punkt an der Erfolgsbilanz der scheidenden EU-Kommission. In der Gaskrise hätten einige politische Maßnahmen zwar die Versorgungssicherheit verbessert – besonders die Senkung des Verbrauchs und die Verpflichtungen zum Befüllen der Gasspeicher. “Allerdings war das EU-Recht vielleicht nicht der entscheidende Faktor, um diese Ziele zu erreichen“, sagte Rechnungshof-Mitglied João Leão am Montag bei der Vorstellung eines neuen Prüfberichts.
Der Einfluss anderer Krisenmaßnahmen sei sogar noch unklarer, sagte Leão weiter und nannte vor allem die Gaspreisbremse (Marktkorrekturmechanismus) und den gemeinsamen Gaseinkauf (AggregateEU). Damit steht der Nutzen diverser Krisengipfel im Jahr 2022 infrage. Für Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen war das Absinken der Gaspreise bisher einer der zentralen politischen Erfolge ihrer Amtszeit.
Den Einfluss der Politik hatten Experten dagegen immer wieder bezweifelt. Für Ökonomen war der Rückgang des Verbrauchs schlicht eine erwartbare Reaktion auf die hohen Preise. Am Befüllen der Gasspeicher hatten die nationalen Regierungen ein ureigenes Interesse – es drohte ein Zusammenbruch der europäischen Industrie und kritischer Funktionen wie der Wärmeversorgung. Umstritten war allerdings die Kostenteilung für das Befüllen der Gasspeicher. Insofern war die Einigung auf gemeinsame Ziele durchaus als politischer Erfolg zu werten.
Nicht untersucht haben die Rechnungsprüfer außerdem das Chartern schwimmender LNG-Terminals und schnelle Genehmigungen für fest installierte Flüssiggas-Terminals. Wesentliche politische Beiträge der Nationalstaaten ließen die EU-Prüfer damit unberücksichtigt.
Bei den Mitgliedsländern machen sie dennoch einen blinden Fleck aus: “Bei dieser Krise ging es mehr um die Erschwinglichkeit als um die Verfügbarkeit“, kritisierte Leão. Wie sich Ausfälle in der Versorgung auf verschiedenen Kundengruppen in unterschiedlichen Staaten auswirken, habe man aber weniger Beachtung geschenkt. Dabei hätten jüngste Ausfälle die LNG-Preise erneut in die Höhe getrieben. Die Rechnungsprüfer nennen einen Streik in Australien und die vorübergehende Schließung eines Exportterminals in Norwegen als Preistreiber.
Mehr noch: Im vergangenen Jahr habe Russland immer noch 15 Prozent des europäischen Gasverbrauchs gedeckt – die LNG-Einfuhren wurden seit den Ausfällen von Pipelines immer weiter erhöht. Die EU-Staaten sollen deshalb nach dem Willen der Rechnungsprüfer künftig genauer untersuchen, wie sich Versorgungsrisiken auf die Bezahlbarkeit von Gas auswirken würden.
Von AggregateEU hatte sich die Kommission mehr Marktmacht und niedrigere Einkaufspreise auf dem LNG-Markt versprochen. Doch die Kommission habe kein Recht, die Verträge einzusehen und könne deshalb nicht bewerten, ob die Nachfrageplattform die Preise wirklich senke.
Wie abhängig die EU immer noch von LNG ist, zeigt eine weitere Nachricht vom Montag. Gasunie und Vopak wollen die Möglichkeit erkunden, das auch für Deutschland wichtige Terminal in Eemshaven auch über das Jahr 2027 hinaus zu betreiben – bis dahin will die EU eigentlich von russischem Gas unabhängig werden.
Die Voraussetzungen dafür soll eine neue hochrangige Arbeitsgruppe schaffen, auf die unter anderem Deutschland gedrängt hatte. Beim jüngsten Treffen am Freitag zeigten sich nach Angaben einer Quelle mehrere Mitgliedstaaten unsicher, wie sie mit der Möglichkeit umgehen sollen, selbst ein Embargo auf russische Einfuhren zu verhängen. Das ist seit der jüngsten Novelle des Gasmarktpakets rechtlich zulässig. Von der Kommission wünschten sich die EU-Staaten deshalb noch Leitlinien und eine rechtliche Klarstellung. Auf Ministerebene könnte der Ausstieg wieder beim informellen Rat am 15. und 16. Juli besprochen werden.
Die Corona-Pandemie und der harte Lockdown haben viele chinesische Staatsbürger desillusioniert. Die schwächelnde Wirtschaft bereitet ihnen noch immer Sorgen. Viele wollen einen Neuanfang in einem anderen Land oder zumindest einen sicheren Hafen, den man im Notfall ansteuern kann. Eine Möglichkeit bieten “goldene Visa”: Aufenthaltsgenehmigungen durch Investitionen oder Spenden, die nach einer Weile in eine Staatsbürgerschaft münden können.
Die verbreitetste Form, um an ein “goldenes Visum” zu kommen, sind Immobilienkäufe – ein Grund, warum viele europäische Länder in den vergangenen Jahren mit der Praxis gebrochen haben. Durch die Golden-Visa-Programme sind die Immobilienpreise stellenweise regelrecht explodiert. Die Käufer, die sehr oft aus China, aber auch aus Russland stammen, wohnen meist nicht selbst darin, sondern vermieten sie als Ferienwohnungen. Eine derartige Visa-Vergabe erhöhe die “Risiken in Bezug auf Sicherheit, Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Korruption”, erklärte die EU-Kommission schon 2022 und forderte ein EU-weites Verbot. Noch liegt die Vergabe aber weiter im Ermessensspielraum der einzelnen Länder.
Hinzu dürfte inzwischen auch noch die Sorge vor der Einschleusung chinesischer Spione kommen. Im Fall des enttarnten Geheimdienstmitarbeiters Jian G. half eine deutsche Staatsbürgerschaft viele Jahre dabei, die wahre Identität des Spions zu verschleiern. Mit Visa und Staatsbürgerschaften für x-beliebige Investoren gibt die EU dem chinesischen Staat zurzeit noch ein wirkungsvolles Instrument an die Hand, um nachrichtendienstliche Verbindungen zu tarnen.
China hat nach den USA die zweitgrößte Millionärsdichte der Welt. Gleichzeitig verzeichnet das Land die größte Nettoabwanderung von vermögenden Personen. Laut der britischen Migrations-Beratungsfirma Henley & Partners könnten dieses Jahr 15.200 Personen mit einem investierbaren Vermögen von einer Million US-Dollar oder mehr aus China auswandern. 2023 waren es Henley & Partners zufolge 13.800. Viele von Ihnen steuern noch immer Europa an, da sie ihr Vermögen aufgrund strenger Kapitalkontrollen in China nur ungenügend streuen können.
Einmal angekommen, sind sie dank der Reise- und Niederlassungfreizügigkeit des Schengen-Raumes nicht mehr an ein Land gebunden. Auch das Gesundheitssystem in europäischen Ländern ist attraktiv, ebenso die Universitäten für den Nachwuchs, erklären Henley & Partners, die auch ein Büro in Shanghai betreiben.
Längst gibt es weltweit Makler- und Anwaltsfirmen, die sich auf die Immigrations- und Investitionsberatung chinesischer Kunden spezialisiert haben. Nachdem Spanien im April angekündigt hatte, seine Golden-Visa-Programme abzuschaffen, stieg die Nachfrage rapide an. Wie die spanische Tageszeitung El País berichtet, kauften Chinesen mehrere billigere Wohnungen, um die 500.000-Euro-Grenze zu erreichen. Besser Betuchte investierten gleich in Gewerbe- und Luxusimmobilien. Im Artikel wird beispielsweise ein Chalet in Madrid erwähnt, das ein chinesischer Käufer für 975.000 Euro erworben hat.
Nachdem Zypern 2020, Großbritannien 2022 sowie Irland und Portugal 2023 ihre Visaprogramme ganz oder teilweise eingestellt haben, richtet sich der Fokus verstärkt auf weniger wohlhabendere Länder Europas. Malta ist momentan noch der einzige Staat, wo man eine volle Staatsbürgerschaft innerhalb von zwölf Monaten relativ rasch erlangen kann. Dafür liegt die Mindestinvestitionssumme bei 750.000 Euro.
Ein weiteres wichtiges Land für reiche Auswanderer bleibt auch Griechenland. 2023 verdoppelten die Behörden zwar die Mindestinvestitionssumme auf 500.000 Euro. Die fünfjährige Aufenthaltsgenehmigung kann aber immer wieder verlängert werden – vorausgesetzt, die Immobilien werden nicht abgestoßen.
Goldene Visa wurden in Griechenland besonders während der Staatsschuldenkrise 2013 als willkommene Investitionsquelle bewertet. Seitdem vergab das Land mehr als 22.300 Aufenthaltstitel- zwei Drittel davon an chinesische Immobilienkäufer. Es kam aber auch zu Korruptionsfällen, bei denen lokale Bauträger gezielt Immobilien ankauften, um sie mit Aufschlag an chinesische Investitionsmigranten weiterzuverkaufen. Die Mieten und Preise für Eigentumswohnungen zogen derart an, dass bezahlbarer Wohnraum für Durchschnittsverdiener in zentralen Gegenden immer rarer wurde.
Auch auf einigen griechischen Inseln und in anderen touristischen Hotspots stiegen die Preise. Der Athener Küstenvorort Alimos wird von Einheimischen mittlerweile als “Chinatown” bezeichnet. Um die Situation zu entschärfen, will Athen strengere Regeln für Kurzzeitvermietungen erlassen. Auch weitere Anhebungen der Mindestinvestitionssummen sind im Gespräch.
Während Länder wie Griechenland ihre Regeln verschärfen, hat Ungarn vergangenen Monat ein neues Programm aufgelegt, das am 1. Juli in Kraft treten soll. Nicht-EU- und Nicht-EWR-Bürger können demnach eine zehnjährige Aufenthaltsgenehmigung im Austausch gegen den Erwerb von Wohneigentum, einer Investition in lokale Immobilienfonds oder einer Spende an eine Hochschuleinrichtung erlangen. Der Mindestanlagebetrag liegt bei 250.000 Euro.
Chinesische Staatsangehörige waren 2023 bereits die stärksten ausländischen Immobilienkäufer in Ungarn. Sie kauften 647 Immobilien, gefolgt von Russen mit 223.
Um nach Europa zu kommen, kann man aber auch in EU-fernen Drittländern investieren. So können chinesische Staatsbürger etwa für eine Viertelmillion Euro die Staatsbürgerschaft der südpazifischen Inselrepublik Vanatu erwerben. Mit dieser bekommt man automatisch einen visumfreien Zugang zu den Ländern der Schengen-Zone – noch.
Die Europäische Kommission schlug bereits vor zwei Jahren vor, das Abkommen über die Befreiung von der Visumpflicht für Vanuatu auszusetzen. Der zuständige Ausschuss wird sich damit befassen, sobald das neue Parlament und die Ausschüsse konstituiert sind, heißt es auf Anfrage beim EU-Parlament.
In Vanuatu trägt der Verkauf von Staatsbürgerschaften mehr als ein Zehntel zum Bruttoinlandsprodukt bei. Auch die Karibikinsel Dominica erhält mehr Geld aus dem Verkauf der Staatsbürgerschaft für umgerechnet 91.600 Euro pro Person als aus Steuern, wie Bloomberg berichtete. Mit dem dominikanischen Pass kann man momentan immerhin 90 Tage lang ohne Visum in die Europäische Union reisen.
26.06.-28.06.2024, Valencia (Spanien)
EEA, Conference European Urban Resilience Forum 2024
The European Environment Agency (EEA) discusses a shared vision to implement a resilient European transformation at regional and local levels. INFOS & REGISTRATION
26.06.-27.06.2024, Valencia (Spanien)
EC, Conference Annual Forum of Energy Cities
The European Commission (EC) spotlights the transformative efforts of local communities reshaping urban landscapes. INFOS & REGISTRATION
26.06.2024 – 09:00-10:30 Uhr, online
Eco, Seminar Das EU-Datenwirtschaftsrecht aus der Perspektive von Cloud Services
Eco (Verband der Internetwirtschaft) setzt sich mit der Digitalgesetzgebung der EU auseinander. INFOS & ANMELDUNG
26.06.2024 – 10:30-14:30 Uhr, Brüssel (Belgien)
GIE, Presentation Securing & Greening Energy for Europe: The Role of Terminal Operators
Gas Infrastructure Europe (GIE) presents the new study on the decarbonization pathways of import terminals in Europe. INFOS & REGISTRATION
26.06.2024 – 14:00-15:00 Uhr, online
FSR, Seminar CfDs to support Renewables: the Devil is in the Detail
The Florence School of Regulation (FSR) discusses the developments in the European energy and climate policy. INFOS & ANMELDUNG
26.06.2024 – 15:00-17:00 Uhr, online
ERCST Launch Event: The Use of CBAM Revenues
The European Roundtable on Climate Change and Sustainable Transition (ERCST) presents a paper on the use of CBAM revenues. INFOS & REGISTRATION
27.06.-28.06.2024, Frankfurt
CLEPA, Conference Materials Regulations and Sustainability
The European Association of Automotive Suppliers (CLEPA) discusses key regulatory files and initiatives in materials and substances, as well as supply chain sustainability and corporate social responsibility. INFOS & REGISTRATION
27.06.-28.06.2024, Ispra (Italien)/online
EC, Seminar 6th JRC Summer School on Sustainable Finance
The European Commission (EC) discusses recent developments and innovations in the field of sustainable finance. INFOS & REGISTRATION
27.06.2024 – 11:00-14:00 Uhr, Brüssel (Belgien)
CEER Workshop on TSO/DSO Unbundling Report
The Council of European Energy Regulators (CEER) assesses the status of Distribution System Operators (DSO) and Transmission system operators (TSO) unbundling, highlighting new developments since 2018 regarding the implementation of the rules introduced by the Clean Energy Package (CEP). INFOS & REGISTRATION
03.07.2024 – 09:30-17:15 Uhr, Brüssel (Belgien)
EGEC, Conference Geothermal Power 2024
The European Geothermal Energy Council (EGEC) discusses the future of geothermal electricity, thermal storage and lithium. REGISTER BY 26 JUNE
Die chinesische Regierung will die EU-Kommission in Verhandlungen zur Aufhebung der Zölle bewegen – und zwar sehr zeitnah, noch vor Inkrafttreten der Zölle am 4. Juli. Das berichtete die staatlich kontrollierte chinesische Zeitung Global Times am Montag. Schon in dieser Woche könnte es zu ersten Gesprächen kommen.
China wird argumentieren, dass es zu kurz gegriffen sei, wenn die EU von “unfairen” Praktiken spricht. Dabei formulieren die Europäer ihre Vorwürfe noch moderat. Die USA bezeichnen Chinas Subventionen sogar als “kriminelles Verhalten”. Eine Studie der US-Denkfabrik CSIS wirft Licht auf Argumente, mit denen die EU und China in die Verhandlungen gehen dürften.
Etwas mehr als die Hälfte der gesamten staatlichen Unterstützung für die chinesische E-Auto-Industrie bestand demnach aus Steuerbefreiungen, wodurch die Fahrzeuge für Käufer erschwinglicher wurden. Der Rest setze sich aus zusätzlichen Käuferprämien, staatlicher Finanzierung für Infrastruktur wie Ladestationen, staatlichen Beschaffungen von Elektrofahrzeugen sowie aus Förderprogrammen für Forschung und Entwicklung zusammen. Die Daten seien dabei noch “sehr konservativ”, da sie keine Programme auf lokaler Ebene umfassen, heißt es von den Autoren der Studie. Sie beinhalten auch nicht die allgemein niedrigen Kosten für Land, Strom und Kredite, von denen Hersteller profitieren. Auch Hilfen für die chinesischen Batteriehersteller seien nicht berücksichtigt.
Peking argumentiert, dass die Subventionen gemessen am Gesamtumsatz der Branche stetig gesunken sind – von mehr als 40 Prozent in den Anfangsjahren auf nur noch 11,5 Prozent im Jahr 2023. In ganzen Zahlen heißt das: Die Unterstützung pro Fahrzeug ist von 13.860 Dollar im Jahr 2018 auf knapp unter 4.600 Dollar im Jahr 2023 geschrumpft. Diese Summe ist geringer als die 7.500 Dollar, die US-Käufer für bestimmte Fahrzeuge im Rahmen des Inflation Reduction Act erhalten. Auch in der EU gibt oder gab es ähnliche Kaufprämien.
Die Autoren der CSIS-Studie halten Chinas Wette auf E-Fahrzeuge für “sehr riskant”. Viele der neu gegründeten Unternehmen würden den heftigen Wettbewerb im eigenen Land in Kombination mit dem wachsenden Protektionismus im Ausland möglicherweise nicht überleben. Doch die Konzerne, die am Ende übrig blieben, würden mit Sicherheit zu sehr wichtigen globalen Akteuren reifen.
Dass nun Zölle die Antwort von Europäern und Amerikanern sind, sei laut Untersuchung aber auch das Resultat westlicher Inkonsequenz. “Im Allgemeinen haben westliche Autohersteller und Regierungen gezögert und waren nicht aggressiv genug”, kritisieren die Autoren der Denkfabrik CSIS. So gebe es noch immer nicht genug Druck auf die Autohersteller, ihre Flotten zu elektrifizieren und erschwinglichere Modelle anzubieten. Es sei klar, dass die USA und andere Länder ihre Interessen nicht verteidigen können, ohne “aggressivere Anstrengungen” zur Entwicklung ihrer eigenen Industrien zu unternehmen. Anders gesagt: Die EU könnte den Herstellern unter anderem mehr Ladesäulen spendieren.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat im Streit um die Zölle Bewegung von China gefordert. Er sagte am Montag beim Tag der Industrie in Berlin, es sei gut, dass die EU-Kommission der chinesischen Seite weitere Gespräche anbiete. Er habe sehr darauf gedrungen. Bis zum 4. Juli sei noch ein wenig Zeit, meinte Scholz. “Klar ist aber, dass wir auch von der chinesischen Seite an dieser Stelle natürlich ernsthafte Bewegungen und Fortschritte benötigen.”
Siegfried Russwurm sieht in den angekündigten Gesprächen im Zollstreit zwischen der EU und China einen ersten Schritt zur Vermeidung eines Handelskrieges. Allein die Tatsache, dass man miteinander sprechen werde, sei ein “gutes Zeichen”, sagte der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Er nahm zudem die EU in die Pflicht, die Balance in der Zollfrage zu wahren. “Die 27 EU-Länder haben da unterschiedliche Schwerpunkte.” Umso wichtiger sei es, dass die Bundesregierung auch klarmache, dass die größte Volkswirtschaft in der EU nicht über die Kante fallen dürfe. “Das muss auch im Interesse des europäischen Binnenmarktes sein, dass wir weiterhin erfolgreich sind. Denn der Export aus Deutschland ist auch ein Export der Europäischen Union”, erklärte Russwurm. jp/rad/dpa/rtr
Gegen den erklärten Willen Ungarns haben die EU-Außenminister am Montag in Luxemburg neue Waffenhilfen für die Ukraine beschlossen. Bereits im Juli sollen rund 1,4 Milliarden Euro fließen, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell. Eine zweite Tranche werde wenige Monate später folgen.
Finanziert wird die Hilfe mit Zinserlösen aus eingefrorenem Vermögen der russischen Zentralbank. Die Nutzung der “Windfall profits” hatte die EU-Kommission bereits im März vorgeschlagen. Allerdings mussten vor dem Beschluss noch juristische und politische Bedenken ausgeräumt werden. Am Ende stand nur noch Ungarn im Weg.
Um das ungarische Veto zu umgehen, griff Borrell zu einem Verfahrenstrick: Erst erklärte er, dass die üblichen Abstimmungsregeln nicht gelten würden, da es sich nicht um EU-Geld handele. Dann wurde darauf verwiesen, dass Ungarn kein Veto einlegen könne, weil sich das Land bei einer früheren Grundsatzentscheidung enthalten hatte. “Dieses Geld kann nicht gestoppt werden”, betonte Borrell. Man habe ein Verfahren gefunden, um jede Blockade zu vermeiden. Dies gilt allerdings nur für die Zinserlöse. Bei der ebenfalls von Ungarn blockierten europäischen Friedensfazilität zeichnet sich dagegen noch keine Lösung ab. Hier geht es um rund sieben Milliarden Euro.
Der Außenrat billigte auch das 14. Sanktionspaket gegen Russland. Die neuen Strafmaßnahmen sollen vor allem die Umgehung bestehender Sanktionen erschweren. Außerdem wird der Handel mit russischem Flüssiggas erschwert. Einige osteuropäische Minister zeigten sich unzufrieden, weil Deutschland das Paket verzögert und abgeschwächt hatte.
Die Sanktionen seien “bedauerlicherweise schwächer” als geplant, meinte Litauens Außenminister Gabrielius Landsbergis. Der estnische Minister Margus Tsahkna sagte, es werde “immer schwerer, einen Konsens über neue Sanktionen zu finden”. Die Bundesregierung hatte auf mögliche negative Folgen für die deutsche Wirtschaft verwiesen.
Russland kündigte Vergeltung an. Die Sanktionen seien illegal, heißt es in einer Erklärung des Moskauer Außenministeriums. Zuvor hatte Moskau auch mit Gegenmaßnahmen gegen die nun beschlossene Nutzung von Zinserlösen aus russischem Vermögen gedroht. Das Geld stehe Russland zu, dessen Verwendung sei “Diebstahl”. Sollte die EU ihren Plan umsetzen, so würde sie die Normen des internationalen Finanzsystems verletzen, warnt Moskau. Die Europäer und die Amerikaner wollen allerdings noch weiter gehen und der Ukraine 50 Milliarden Dollar auszahlen. Auch dieser Kredit soll zumindest teilweise durch russische Zinserlöse abgesichert werden.
Thema im Außenrat war auch Georgien. Das EU-Beitrittskandidatenland muss sich nach der endgültigen Verabschiedung eines Gesetzes zur schärferen Kontrolle der Zivilgesellschaft auf Konsequenzen einstellen. Borrell kündigte nach dem Außenministertreffen an, dass man die politischen Kontakte herunterfahren werde und in Erwägung ziehe, die finanzielle Unterstützung für die Regierung auf Eis zu legen. Zudem werde auch die Unterstützung des Verteidigungssektors durch die Europäische Friedensfazilität geprüft.
Borrell betonte, dass für die Kürzung von finanziellen Zuwendungen keine Einstimmigkeit im Kreis der EU-Staaten notwendig sei. Dies ist wichtig, weil die ungarische Regierung das georgische Gesetz als unproblematisch erachtet und Strafmaßnahmen ablehnt. Der Außenbeauftragte sagte dazu, 26 von 27 EU-Staaten seien sich einig, dass das Gesetz und alle damit im Zusammenhang stehenden negativen Entwicklungen Georgien weg von der EU führten. Wenn die Regierung ihren Kurs nicht ändere, werde das Land auf dem Weg in die EU keine Fortschritte mehr machen. Die EU werde die Zivilgesellschaft und die Medien in Georgien angesichts der Entwicklungen jedoch noch stärker unterstützen. Falschinformationen werde man hingegen entschlossen entgegentreten. ebo, mit dpa
Kurz vor dem Nato-Gipfel vom 9. bis 11. Juli in Washington haben die Verteidigungsminister der Weimarer-Dreieck-Staaten Deutschland, Frankreich und Polen in Paris ihre To-do-Liste vorgestellt. Auf dem Nato-Gipfel wollen sie eine Absichtserklärung zur Entwicklung weitreichender Präzisionswaffen unterzeichnen. Die Chancen, dass der französische Minister Sébastien Lecornu den Gipfel wegen der anstehenden französischen Neuwahlen am 30. Juni und 7. Juli noch als Verteidigungsminister erlebt, sind gering.
Bei dem Treffen am Montag im Hôtel des Invalides stellte er mit seinen deutschen und polnischen Amtskollegen Boris Pistorius und Władysław Kosiniak-Kamysz die Agenda vor. Es war das erste Treffen der Verteidigungsminister im Weimarer Format seit 2015.
Für die Absichtserklärung zur Entwicklung weitreichender Präzisionswaffen wolle man “eine Gruppe von europäischen Staaten zusammenbringen”, sagte Boris Pistorius. Der französische Präsident Emmanuel Macron und Bundeskanzler Olaf Scholz hatten beim deutsch-französischen Ministerrat in Meseberg angekündigt, dass sie die Rüstungszusammenarbeit bei der Entwicklung abstandsfähiger Präzisionswaffen vorantreiben wollen. Lecornu sagte am Montag, auch Polen habe Interesse gezeigt, sich zu beteiligen.
Frankreich will eigene Waffensysteme als Grundlage für die Entwicklungen nutzen, wie das missile de croisière naval (Marinemarschflugkörper MdCN). Lecornu bekräftigte nun die französischen Ambitionen. Eine deutsche Alternative könnte der Taurus-Marschflugkörper sein, der Ziele in 500 Kilometern Entfernung treffen kann. Die neue Waffe, die der Abschreckung dienen soll, soll vom Boden starten und deutlich weiter als derzeit in Europa verfügbare Waffensysteme fliegen können.
Eigentlich wollen die Minister mit dem Weimarer Dreieck den europäischen Nato-Pfeiler stärken, um das Verteidigungsbündnis Trump-proof zu machen. Mit den französischen Neuwahlen könnte sich jedoch auch die Arbeit mit Frankreich erschweren. Pistorius, der schon bevor die Neuwahlen angekündigt wurden, regelmäßig seine Freundschaft zu Lecornu betonte, äußerte sich besorgt. Nationalismus sei “noch nie die Lösung der Probleme gewesen, sondern immer wesentlicher Teil der Probleme”. Die Arbeit würde er “gerne mit Sébastien fortsetzen”.
Der Spitzenkandidat des rechtspopulistischen Rassemblement national (RN), Jordan Bardella, stellte am Montag das Programm der Partei vor, die die französischen Umfragewerte anführt. Das traditionell russlandfreundliche RN betrachte Russland zwar als “multidimensionale Bedrohung”, mit der Ukraine-Unterstützung wolle man aber keine Eskalation herbeiführen. Französische Waffenlieferungen dürften bei einem Wahlsieg Bardellas zurückgehen. bub
Die Europäische Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den ehemaligen Präsidenten der Europäischen Investitionsbank, Werner Hoyer, wegen des Vorwurfs der Korruption, des Amtsmissbrauch und der Veruntreuung von EU-Geldern. Der 72-Jährige bezeichnete diese Vorwürfe als “absurd”.
Die für Fälle von Missbrauch von EU-Geldern zuständige Europäische Staatsanwaltschaft (EUStA) kündigte die Ermittlungen am Montag an. Ursprung der Ermittlungen sei ein Hinweis des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung (OLAF) gewesen. Die EUStA teilte mit, dass die Europäische Investitionsbank (EIB) ihrem Ersuchen stattgegeben habe, die Immunität von zwei ihrer ehemaligen Mitarbeiter sowie die Unverletzlichkeit ihrer Räumlichkeiten, Gebäude und Archive in Luxemburg aufzuheben.
Werner Hoyer, der die Bank von 2012 bis 2023 leitete, wurde von der Staatsanwaltschaft nicht namentlich genannt, ließ aber über seine Anwälte erklären, dass er von den Ermittlungen betroffen sei. “Die Anschuldigungen gegen mich sind völlig absurd und unbegründet“, sagte Hoyer und fügte hinzu, dass er bei den Ermittlungen voll und ganz kooperiere und die EIB aufgefordert habe, dies ebenfalls zu tun.
Er sagte, es handele sich um eine Untersuchung von Entschädigungszahlungen an einen anderen EIB-Mitarbeiter, die er während seiner Amtszeit als Präsident “auf Empfehlung der zuständigen Abteilung und des Generalsekretärs der EIB” abgezeichnet habe.
Die EIB hat eine Bilanzsumme von weit über 500 Milliarden Euro und vergibt jährlich Darlehen in Höhe von rund 80 Milliarden Euro, womit sie der größte multilaterale Entwicklungsfinanzierer der Welt ist. Während seiner mehr als zehnjährigen Tätigkeit bei der in Luxemburg ansässigen Bank trieb Werner Hoyer, ein ehemaliger deutscher Staatssekretär im Auswärtigen Amt, eine bedeutende Verlagerung hin zu erneuerbaren Energien und anderen sozial nützlichen Krediten voran. rtr
Wenige Tage, bevor Ungarn den Vorsitz im EU-Ministerrat übernimmt, will die scheidende belgische Ratspräsidentschaft zur Deregulierung neuer Gentechniken (NGT) noch einen letzten Einigungsversuch unternehmen. Am Mittwoch wollen die Belgier den EU-Botschaftern einen Kompromissvorschlag vorlegen, ist aus Diplomatenkreisen zu hören. Demnach reichte die Zeit nicht, um das Thema schon am Montag auf die Agenda des EU-Agrarrats zu setzen. Es ist die letzte reguläre Sitzung der zuständigen Botschafter vor dem Ende der Präsidentschaft.
Bei dem jüngsten Entwurf, der Table.Briefings vorliegt, handelt es sich um eine abgewandelte Version des Kompromisses von Ende Mai, mit dem die Belgier keinen Durchbruch erzielt hatten. Statt, wie damals vorgesehen, den NGT-1-Status einer Pflanze an den Verzicht auf jegliche Patente hierauf zu knüpfen, sollen die jeweiligen Unternehmen jetzt nur noch auf Produktpatente verzichten. Verfahrenspatente, mit denen zum Beispiel die gentechnischen Methoden zur Herstellung einer Pflanze geschützt werden, wären weiter möglich. Zudem soll die Verzichtserklärung nur verlangt werden, wenn eine Pflanze vermarktet wird, und nicht, solange sie zu Forschungszwecken angebaut wird. Gleichzeitig soll die Europäische Kommission aufgefordert werden, einen Leitfaden zu Patenten und geistigem Eigentum vorzulegen.
Mehrere mit der Angelegenheit vertraute Quellen schätzen die Erfolgsaussichten des Einigungsversuchs als eher gering ein. Als entscheidender Faktor gilt weiterhin eine Zustimmung Polens. Das Land hat öffentlich signalisiert, die Zeit bis Mittwoch sei zu knapp, um den neuen Vorschlag zu prüfen.
Schwenkt Warschau nicht um, müssten die Belgier mehrere kleinere Länder überzeugen, um die nötige Mehrheit zu erreichen. Das gilt aber als schwierig, ohne dabei wiederum bisherige Befürworter zu verprellen. Gelingt am Mittwoch keine Einigung, könnte sich das Dossier deutlich verzögern. Die ungarische Ratspräsidentschaft hat sich in ihrem Arbeitsprogramm zwar vorgenommen, hieran weiterzuarbeiten. Weil Ungarn der Deregulierung neuer Gentechniken jedoch selbst kritisch gegenüber steht, wird erwartet, dass das Land das Thema mit weniger Elan vorantreibt, als die Belgier und zuvor die Spanier. jd
Bei ihrem letzten EU-Agrarministertreffen am Montag hat die belgische Ratspräsidentschaft den Zwischenstand der Gespräche zu mehreren Gesetzesvorschlägen vorgestellt. Dem aktuellen Verhandlungsstand nach schlagen die Minister bei der EU-Saatgutverordnung einen entgegengesetzten Kurs zum Europäischen Parlament ein. Sie wollen Ausnahmen im Vergleich zum ursprünglichen Kommissionsvorschlag einschränken. So sollen Ausnahmen für sogenannte Erhaltungssorten auf alte Sorten beschränkt werden, um Schlupflöcher für Neuzüchtungen zu vermeiden. Auch für den Austausch kleiner Mengen an Saatgut zwischen Landwirten wollen die Minister Ausnahmeregelungen enger fassen.
Damit ginge der Rat auf Züchterverbände zu, die vor phytosanitären Risiken warnen, wenn bestimmtes Saatgut und Pflanzenmaterial von Kontrollen und Anforderungen ausgenommen wird. Das Parlament hatte in seiner Verhandlungsposition im April dagegen gefordert, die Ausnahmen auszuweiten. Letzteres unterstützen Kleinbauern- und Bio-Verbände.
Bis der Ministerrat tatsächlich seine Position zu dem Vorschlag annimmt, könnte es aber noch dauern. Wegen der Komplexität des Dossiers – immerhin zehn verschiedene bestehende Rechtsakte werden darin zusammengefasst und reformiert – strebt auch Ungarn, das von Juli bis Dezember die Ratspräsidentschaft übernimmt, während seiner Amtszeit noch keine Einigung an.
Kaum vorangekommen ist die belgische Präsidentschaft derweil beim Vorschlag zum Tierschutz bei Lebendtransporten, den die Europäische Kommission Anfang Dezember zusammen mit einem Gesetz zum Schutz von Hunden und Katzen vorgelegt hatte. Die belgische Präsidentschaft entschied sich, vorrangig die Arbeit am recht unstrittigen Haustierthema voranzutreiben. Zum Vorschlag zu Tiertransporten, der als deutlich kontroverser gilt, ist demnach noch nicht einmal die erste Prüfung durch die zuständige Arbeitsgruppe abgeschlossen. Auch hier sieht die ungarische Präsidentschaft keine Einigung vor.
Bei ihrem Treffen wollten die EU-Agrarminister auch eine Erklärung zur Zukunft der europäischen Landwirtschaft verabschieden. Darin steht, Umwelt- und Klimaschutz vor allem durch Anreize voranzutreiben. Obwohl der Text kaum ins Detail geht, konnte er nicht einstimmig verabschiedet werden. Widerstand kam aus Rumänien und der Slowakei. Streitpunkt war eine Formulierung zur externen Konvergenz. Dieser Mechanismus dient dazu, die Höhe der Direktzahlungen in verschiedenen EU-Ländern stetig anzugleichen. jd
Die Europäische Kommission wirft Apple Verstöße gegen den Digital Markets Act (DMA) vor. Demnach verbiete das Unternehmen App-Entwicklern, Kunden auf alternative Angebote außerhalb des eigenen App-Stores hinzuweisen. Zudem hat die Kommission ein neues Verfahren eingeleitet, um die Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit von Apples neuen Gebühren für Drittanbieter-App-Entwickler zu prüfen. Bei Bestätigung der Vorwürfe drohen Apple Geldstrafen von bis zu zehn Prozent seines weltweiten Jahresumsatzes.
EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager erklärte: “In ihrer jetzigen Form erlauben diese neuen Bedingungen es App-Entwicklern nicht, frei mit ihren Endnutzern zu kommunizieren und Verträge mit ihnen abzuschließen.” Sie betonte, dass es an Apple liege, wie das Unternehmen den DMA einhalte, und nicht an der Kommission, Apple vorzuschreiben, was zu tun sei. “Die Entwickler-Community und Verbraucher sind bestrebt, Alternativen zum App-Store anzubieten.” Die Kommission werde nachhalten, dass Apple diese Bemühungen nicht untergräbt.
Die Kommission kritisiert, dass Apple unter den meisten Geschäftsbedingungen nur “Link-outs” erlaubt, bei denen App-Entwickler Kunden auf eine Webseite weiterleiten können, um einen Vertrag abzuschließen. Zudem bemängelt die Kommission, dass die von Apple erhobenen Gebühren für die Vermittlung neuer Kunden über den App-Store über das hinausgehen, was notwendig sei. Die neuen vertraglichen Anforderungen beinhalten eine Core Technology Fee von 0,50 Euro pro installierter App und einen mehrstufigen Prozess zum Herunterladen und Installieren alternativer App-Stores auf iPhones.
Apple erklärte, dass es in den vergangenen Monaten eine Reihe von Änderungen vorgenommen habe, um den DMA einzuhalten. “Wie wir es routinemäßig tun, werden wir weiterhin zuhören und uns mit der Europäischen Kommission austauschen”, hieß es in einer E-Mail. Demnach zahlen nach Schätzungen von Apple mehr als 99 Prozent der Entwickler unter den neuen Geschäftsbedingungen die gleichen oder geringere Gebühren.
Margrethe Vestager kritisierte auch die Ankündigung von Apple, die Einführung seiner KI-gestützten Funktionen in der EU zu verzögern, was das Unternehmen dem DMA anlastete. Vestager sagte, es scheine, als deutete Apple damit an, dass seine KI-Integration wettbewerbswidrig sein könnte. vis
In einer internen Abstimmung haben sich 87 Prozent der Mitglieder der paneuropäischen Partei Volt für eine Mitgliedschaft in der Fraktion Grüne/EFA entschieden. Das teilten die Grünen und Volt am Montag mit. In den vergangenen fünf Jahren habe er bereits großartige Erfahrungen in der Grünen/EFA-Fraktion gemacht, sagte Damian Boeselager. Er war bis zur Neuwahl der einzige Volt-Abgeordnete im Europäischen Parlament.
Im neu gewählten Parlament wird Volt mit fünf Abgeordneten vertreten sein, drei davon aus Deutschland und zwei aus den Niederlanden. Neben Boeselager sind dies Nela Riehl und Kai Tegethoff sowie Anna Strolenberg und Reinier van Lanschot. “Gemeinsam werden wir uns weiter für den Green Deal, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit und ein geeintes Europa einsetzen”, sagte die Grünen-Ko-Vorsitzende Terry Reintke. Die Fraktion stehe bereit für eine stabile, demokratische und konstruktive Mehrheit, sagte sie mit Blick auf die Von-der-Leyen-Koalition.
Vor allem im Kampf gegen Rechtspopulisten, der im Mittelpunkt der Agenda von Volt steht, sieht sich die Partei auf einer Linie mit den Grünen/EFA. Welche Ausschüsse die Volt-Abgeordneten erhalten werden, gaben die Beteiligten noch nicht bekannt. vis
Die AfD-Spitze strebt einen Austritt aus dem europäischen Parteienverbund ID an. Das hat der Bundesvorstand am Montag beschlossen. Die AfD wolle damit einem Rauswurf zuvorkommen, der kurz bevorstehe, heißt es in einem ARD-Bericht. Die ID – kurz für Identität und Demokratie – ist ein Zusammenschluss rechtspopulistischer und nationalistischer Parteien. Der AfD-Vorstand beschloss demnach, dem am Wochenende in Essen anstehenden Parteitag zu empfehlen, aus dem Bündnis auszusteigen.
Für das Delegiertentreffen liegt bereits ein Antrag verschiedener AfD-Mitglieder vor, der in diese Richtung zielt. Die Mitgliedschaft in der Partei erlaube der ID Zugriff auf die Programmatik der AfD. Das lehne man ab, heißt es darin zur Begründung.
Die AfD war der ID-Partei im vergangenen Jahr beigetreten. In der ID-Fraktion im Europaparlament war sie schon vorher. Nach umstrittenen Äußerungen von AfD-Spitzenkandidat Maximilian Krah zur nationalsozialistischen SS hatte die Fraktion die AfD-Gruppe aber kurz vor der Europawahl ausgeschlossen. Auch die Entscheidung der AfD nach der Wahl, Krah aus ihrer Gruppe auszuschließen, brachte keine Wiederannäherung an die ID-Fraktion. In der ID-Partei ist die AfD aber noch Mitglied.
AfD-Chefin Alice Weidel hatte gesagt, es werde ausgelotet, welche Optionen es für andere Zusammenschlüsse im neu gewählten Europaparlament gebe. Entsprechende Gespräche laufen demnach in Brüssel. Entgegen anderslautender Meldungen werde aber in dieser Woche noch keine neue Fraktion gegründet, hieß es am Montag aus Parteikreisen.
Zur Bildung einer Fraktion im Europaparlament sind nach dessen Geschäftsordnung mindestens 23 Parlamentarier aus mindestens einem Viertel der EU-Mitgliedstaaten notwendig. Die AfD hatte bei der Europawahl 15,9 Prozent der Stimmen geholt und hat damit 15 Abgeordnete. dpa
Klaus-Heiner Lehne blickt auf drei Jahrzehnte Arbeit in EU-Institutionen zurück – im Europäischen Parlament und aktuell im Europäischen Rechnungshof. Seine langjährige Erfahrung merkt man ihm an. Er spricht selbstbewusst, mit fester Stimme, antwortet versiert, ohne vorher Denkpausen einlegen zu müssen.
Der 66-Jährige ist seit seinem siebzehnten Lebensjahr Mitglied in der CDU. Im selben Jahr fing er an, sich politisch zu engagieren. “Mit 19 Jahren war ich der jüngste kommunale Mandatsträger in Nordrhein-Westfalen“, erzählt er beiläufig. Bis heute ist Lehne Ehrenvorsitzender der CDU Düsseldorf.
Der gebürtige Düsseldorfer studierte zunächst Physik, was er jedoch nach wenigen Semestern wieder abbrach. Schließlich entschied er sich, “der Familientradition Jura zu folgen”. Die im Physikstudium erlernte Disziplin verhalf ihm dazu, sein Jurastudium beinahe in Rekordzeit zu absolvieren.
Lehnes politischer Karriereweg war immer wieder von parteitaktischen Überlegungen geprägt. Nach einigen Jahren als Ratsmitglied in Düsseldorf rückte er 1992 in den Bundestag nach, nachdem er bereits zweimal vergeblich kandidiert hatte. Angesichts schlechter CDU-Umfragewerte im Vorfeld der folgenden Bundestagswahl rechnete er sich jedoch schlechte Chancen aus, “den Wahlkreis zu gewinnen und über die Liste abgesichert zu werden.”
Eine Kandidatur für das Europaparlament tat sich als vielversprechendere Alternative auf. So wechselte er 1994 nach Brüssel, mit der Intention, “den geringen Gestaltungsmöglichkeiten des Bundestags an der originären Stelle entgegenzuwirken, wo die Gesetzgebung gemacht wird, die später in deutsches Recht übersetzt werden muss”.
Dort erkannte Lehne bald: “Im Europäischen Parlament ist man viel freier. Man kann den Inhalt der Gesetze mitbestimmen und ist nicht wie im Bundestag an Koalitionsmehrheiten gebunden.” Für Lehne die “deutlich reizvollere Aufgabe”. Vier Amtsperioden bekleidete er das Mandat als Europaparlamentarier.
Zu seinen größten Erfolgen während der 20 Jahre zählt Lehne die Übernahmerichtlinie, die zweite Geldwäscherichtlinie und die Schaffung eines einheitlichen europäischen Patentrechts. Von 2004 bis 2014 war er Fraktionsvorstand der EVP und ab 2009 Vorsitzender des Rechtsausschusses.
Schließlich kamen wieder parteiinterne Dynamiken ins Spiel, die Lehnes Weg nach Luxemburg lenkten. Ein Gegenkandidat machte ihm den ersten Listenplatz streitig. “Aber den wollte ich nicht freiräumen. Also drohte ein Konflikt, den man auch in der Bundespartei gesehen hat”, erzählt Lehne. Schließlich wurde ihm erneut eine Alternative angeboten: der Europäische Rechnungshof.
Mit Mitte 50 konnte Lehne in Luxemburg nochmal eine neue Perspektive einnehmen: “Aus der Sicht des Abgeordneten ist der Job getan, wenn das Gesetz verabschiedet ist. Aber hier sieht man sehr oft, dass es selbst bei guten Gesetzen in der administrativen Umsetzung mangelt und die Ergebnisse dann unbefriedigend sind”, sagt Lehne. Seine Lektion, die er mit Kollegen im Europäischen Parlament geteilt hat: “Konzentriert euch weniger auf die Gesetzgebung, sondern vielmehr die Umsetzung. Schaut euch an: Was machen die nationalen Administrationen konkret damit?”
Zweieinhalb Jahre nach seinem Eintritt in den Hof wurde Lehne 2016 zu dessen Präsidenten gewählt. Während seiner doppelten Amtszeit hat er sich im Wesentlichen um zwei Entwicklungen bemüht: “Wir haben die Anzahl der Performance-Berichte deutlich ausgeweitet. Inzwischen machen sie mehr als die Hälfte der Berichte aus.” Im Gegensatz zu den üblichen Compliance-Berichten, die lediglich die Erfüllung der rechtlichen Voraussetzungen überprüfen, “befassen sich Performance-Berichte mit Wirtschaftlichkeit und Effizienz”, erklärt er. Sein zweiter Verdienst: “Wir haben die Öffentlichkeitsarbeit deutlich verbessert. Denn unsere Wirkung entsteht erst dadurch, dass Abgeordnete auf unsere Berichte angesprochen werden und Druck auf die Kommission ausüben, Fehler zu vermeiden.”
Doch seine Präsidentschaft hatte auch Schattenseiten: “Die sechs Jahre waren von jeder Menge Schwierigkeiten geprägt”, erinnert sich Lehne. Dazu gehört die Affäre um das ehemalige belgische Ratsmitglied Pinxten, dem Spesenbetrug in großem Stil nachgewiesen wurde. “Danach mussten wir im Hause erstmal aufräumen“, sagt Lehne mit Nachdruck.
Und dann schließlich der Skandal um ihn selbst zum Jahresende 2021. Recherchen der französischen Tageszeitung “Libération” warfen ihm intransparentes Finanzgebaren, die Unterhaltung einer Scheinwohnung in Luxemburg und überhöhte Spesenabrechnungen vor, wofür er sich vor dem Haushaltskontrollausschuss des Europaparlaments verantworten musste.
Lehne, der die Vorwürfe stets entschieden zurückwies, erinnert sich noch gut, wie “absolut unangenehm” diese Zeit für ihn war. Er bedauert, dass der Vorfall “zu einer Politisierung der Institution” geführt habe. “Plötzlich wurde überall kritisiert, dass ein EVP-Mann an der Spitze ist, obwohl ich meine politischen Funktionen alle habe niederlegen müssen.” Nachdem ihn das Europaparlament entlastete, kann er heute sagen: “Für mich ist das Thema erledigt.”
Der ehemalige Parlamentarier sitzt nun in der ersten Kammer des Hofes und ist dort “zuständig für den Bereich Klimaschutz, Umwelt und Compliance im Agrarbereich“. Derzeit liegt ein Bericht über die Verschmutzung in Städten auf seinem Schreibtisch. Zu seinem Arbeitsalltag als Prüfer gehört neben dem Durchwälzen von Verwaltungsunterlagen, Projekte aus EU-Fördermitteln vor Ort zu überprüfen: “Gibt es die Kühe und Olivenbäume überhaupt, die gefördert werden? Manchmal arbeiten wir auch mit Satellitenaufnahmen.” Die größten Schwachstellen identifiziert der Hof regelmäßig im Zuständigkeitsbereich der zweiten Kammer, “das sind alle Struktur- und Kohäsionsfonds”, wie Lehne erklärt. “Eine wichtige Ursache sind zu bürokratische Regeln.”
Seine Zeit im Rechnungshof läuft noch bis 2026. “Meine jetzigen Aufgaben erfülle ich die nächsten zwei Jahre noch sehr gerne”, sagt der ehemalige Parlamentarier. “Aber danach schaue ich dem Ruhestand entgegen.” Parteipolitisch möchte er sich weiterhin engagieren, allerdings kein Mandat mehr übernehmen. “Irgendwann ist es genug.” Clara Baldus