Datenschutz gebe es in Europa zwar “viel auf dem Papier”, sagt Max Schrems, aber “wenig auf dem Handy”. Die Regeln der DSGVO würden von den Digitalunternehmen fröhlich ignoriert, kritisiert der österreichische Aktivist, der schon zwei spektakuläre Fälle vor dem Europäischen Gerichtshof gewonnen hat. Von den Aufsichtsbehörden zu befürchten hätten sie dabei wenig, denn: “In der Praxis reibt sich das eine Zahnrädchen am anderen ab, statt ineinanderzugreifen”. Das Ergebnis sei “Massenrechtsbruch”. Im Interview mit meinem Kollegen Falk Steiner spricht Schrems Klartext.
Viele Fakten zusammengetragen haben Amelie Richter und Nico Beckert: Sie vergleichen die Details der Emissionshandelssysteme in der EU und China und kommen zu einem klaren Schluss: Es dürfte noch (viele) Jahre dauern, bis das frisch eingeführte ETS in China eine vergleichbare Lenkungswirkung entfalten wird wie das etablierte Pendant in Europa. Für die bilateralen Handelsbeziehungen bedeutet das nichts Gutes.
Sie lesen die zweite Ausgabe von Europe.Table, dem neuen Professional Briefing zur grünen und digitalen Transformation Europas. Wenn Ihnen gefällt, was Sie lesen – empfehlen Sie uns bitte weiter. Und schreiben Sie mir gerne, was wir besser machen können: till.hoppe@table.media.
Max Schrems und seine Mitstreiter von None of your Business (NOYB) werden geschätzt und gefürchtet. Die Nichtregierungsorganisation klagt nicht nur gegen Unternehmen, sondern auch gegen EU-Kommission und Aufsichtsbehörden, die laut Schrems zu wenig für einen wirksamen Datenschutz tun. Auch bei neuen Digitalgesetzen wie der KI-Verordnung sei eine Klage von NOYB möglich. Und die Standardvertragsklauseln, auf die manche Unternehmen jetzt hoffen, sieht der 34-jährige Österreicher ebenfalls überaus kritisch.
Herr Schrems, vor gut einem Jahr erklärte der Europäische Gerichtshof die Privacy-Shield-Vereinbarung zwischen der EU und den USA für unzureichend. Seitdem herrscht Rechtsunsicherheit – was hat der Datenschutz in Europa damit gewonnen?
Tatsächlichen Datenschutz haben wir sehr viel auf dem Papier und wenig auf dem Handy. Immerhin: Einige Unternehmen haben die Daten nach Europa zurückgeholt. Ich glaube auch, dass einige US-Unternehmen Daten nicht ganz so leicht an die NSA herausrücken wie früher. Aber wir haben auch Schriftsätze von Google und Facebook bekommen, die sagen: Das ist alles nicht so zu sehen, wie es im Gesetz steht. Google gibt als Sicherheitsvorkehrung etwa an, einen Zaun ums Datenzentrum gezogen zu haben. Es ist traurig, wenn das höchste Gericht in Europa einfach fröhlich ignoriert wird.
Sie kritisieren die Aufsichtsbehörden, sie würden die Regeln der Datenschutz-Grundverordnung viel zu zögerlich durchsetzen. Warum?
Versuchen tun es recht viele, aber oft nicht die Relevanten (lacht). In der europäischen Verteilung sind Irland und Luxemburg oft zuständig für die großen Konzerne. Dann ist es so, dass eine Behörde in irgendeinem deutschen Bundesland etwas probiert – aber am Ende Irland zuständig ist. Aber auch mit anderen Behörden haben wir ein Thema. Das Problem: Wir haben Massenrechtsbruch. Auf fast jeder Website finden wir einen DSGVO-Verstoß, mit Einzelverfahren kommt man da nicht hinterher. Wir müssen stärker auf Legal Tech setzen. Das ist aber noch ein langer Weg.
Sie haben ja gegen Aufsichtsbehörden auch Klagen angestrengt, weil diese zu nachlässig agierten…
Hauptsächlich ist das die Klage gegen Irland, gegen die Behörde dort. Die haben wir vor mehr als drei Jahren eingebracht, und sie befindet sich heute bei Schritt drei von insgesamt sechs Schritten, die für eine Entscheidung nötig sind. Da sieht man, wie absurd das ist. Wir haben dann eine Klage gegen die Datenschutzbehörde in Österreich. Die sagt, der Fall sei in Irland, gleichzeitig sagt Irland, wir bearbeiten diesen Fall gar nicht. Und in Luxemburg sagt die Behörde, dass sie leider nur Dinge innerhalb von Luxemburg untersuchen kann. Was natürlich totaler Humbug ist, denn die DSGVO gilt weltweit, solange man am europäischen Markt ist. Nur will keiner zuständig sein in Europa.
Luxemburg hat erst Mitte Juli eine hohe Strafe gegen Amazon verhängt. Ist das jetzt das Aufwachen?
Bei Luxemburg scheint sich nach langem Schweigen nun doch einiges zu bewegen. Derzeit kennt keiner die Details der Entscheidung, aber allein die Summe wird Eindruck machen. Bleibt zu hoffen, dass die Entscheidung dann auch Bestand hat.
Die DSGVO sollte auch europäischen Unternehmen Wettbewerbsvorteile bringen. Wie gut hat das funktioniert?
Es ist schon so, dass ein europäisches Unternehmen auf globaler Ebene als vertrauenswürdiger gilt als Unternehmen aus den USA, Indien oder China. Es ist aber sicher nicht so, dass das der Hauptfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit ist.
Wer sich nicht an europäische Standards hält, muss angesichts des Mangels an Durchsetzung ja auch wenig befürchten.
Wenn die Behörden Regeln nicht durchsetzen, wird es immer unfair. Das Problem ist, dass die Gesetzgebung europäisch ist, aber die Durchsetzung noch immer nationalstaatlich organisiert. Und da haben wir einfach extreme Unterschiede. Wir haben in Österreich eine Entscheidungsfrist von sechs Monaten, in den meisten Mitgliedstaaten hingegen überhaupt keine. Das ist für uns auf der einen Seite problematisch, auf der anderen genau der Grund, warum wir als Verein probiert haben, Datenschutz europäisch durchzusetzen.
Es gibt immer wieder Versuche, Rechtssicherheit zu schaffen für Datenverarbeiter. Wie tauglich sind zum Beispiel die Standardvertragsklauseln?
Ich glaube, dass die Leute, die das schreiben, oft selbst wissen, dass das Humbug ist. Mir tun die Beamten da manchmal leid. Im Grunde versucht bei den internationalen Datentransfers jeder, die Schuld zum nächsten zu schieben. Wir haben im Datenschutz mit Ausnahme des EuGH wenig Player, die sagen: So ist es jetzt – und aus.
Sehen Sie das als Einladung zu klagen?
Ja, teilweise. Wenn etwas vollkommen irrational ist, klagen wir natürlich. Wir müssen zu einem System kommen, wo jedes Unternehmen weiß: Das geht und das geht nicht. Das gibt’s selten, dass das Gesetz vollkommen ignoriert wird und jeder denkt: “Hurra, das muss ich eh nicht machen”. Wenn wir Steuerrecht so machen würden wäre der Staat morgen bankrott. Es ist faszinierend: Einerseits sagt man, in Europa ist Datenschutz Grundrecht. Und dann machen in der Realität Unternehmen irgendwie Hula-Hoop und kommen davon. Es geht aber in die richtige Richtung, auch wenn es oft mühsam ist.
In der Sache sind Sie mit NOYB ja ein Treiber...
Dabei besteht unser Verein nur aus zehn Juristen, davon vier Trainees. Jedes größere Unternehmen hat eine größere Datenschutzabteilung. Und trotzdem hören wir regelmäßig, dass wir die Speerspitze des europäischen Datenschutzes sind. Ich finde das ja schmeichelhaft. Gleichzeitig ist es enttäuschend, wenn die Datenschutzbehörden auf Gesamteuropa betrachtet durchaus hohe Budgets haben, zusammen hunderte Millionen Euro – und dann kommt wenig heraus am Ende. Dann stellt sich schon die Frage, wie man das System sanieren kann. Die meisten wollen ja auch, aber in der Praxis reibt sich das eine Zahnrädchen am anderen ab, statt ineinanderzugreifen.
Global tut sich einiges: China gibt sich einen neuen Rechtsrahmen für die Verarbeitung personenbezogener Daten, in den USA erlassen immer mehr Bundesstaaten entsprechende Gesetze.
Wir kommen ins Informationszeitalter, da stellt sich die Frage, wer Macht hat über die Informationen. Wenn es einfach nur der freie Markt ist, werden wir Monopole haben. Die USA sind ein eigenes Thema, weil die dominanten Unternehmen dort sitzen und das politische System nahezu dysfunktional ist. Die Bundesstaaten machen ihre eigenen Gesetze, und die sind schon teilweise widersprüchlich. Ich glaube, dass wir global auf einen gemeinsamen Standard kommen müssen – und da gilt die DSGVO als Blueprint. Aus meiner Sicht ist es zwar das am wenigsten dumme Datenschutzgesetz. Aber eines, das auch noch viel Luft nach oben hat. Als Jurist, der sich seit zehn Jahren damit beschäftigt, kann ich Teile davon nicht erklären.
Woran liegt das?
Am Lobbying: Die Industrie wollte teilweise schwammige Formulierungen. Für die ganz großen Konzerne ist das der Spielraum, um vor Gerichten de facto nochmal zehn Jahre die DSGVO nachzuverhandeln. Auf europäischer Ebene hat die Volkspartei, also CDU/CSU in Deutschland, entscheidend dazu beigetragen, dass jetzt keine Sau das Gesetz versteht. Und das ist für 95 bis 99 Prozent der Unternehmen ein Problem. Die wollen sich einfach nur daran halten.
Wie schauen Sie auf geplante EU-Gesetzesakte wie den Data Governance Act, Digital Services Act und Digital Markets Act? Haben Sie Hoffnung, dass diese auch dem Datenschutz nützen?
In der DSGVO wurde das schon einmal verhandelt, und ich glaube nicht, dass wir das jetzt alle zwei, drei Jahre von Neuem sollten. Ich weiß nicht, ob es wahnsinnig sinnvoll ist, jetzt ein Patchwork zu machen. Viel interessanter ist: Wie können wir die Monopolbildung online bekämpfen, wie können wir wieder ein offenes Internet verordnen? Das Wichtigste für mich, da rede ich aber als betroffener Bürger, sind Interoperabilität und offene Netze. Im Silicon Valley geht es darum, wer sich am Ende als Monopolist durchsetzt. Groß innovativ sind die Unternehmen dann nicht mehr. Ich weiß jedenfalls nicht, wo sich Facebook großartig verbessert hat in den vergangenen zehn Jahren. Wir haben in Europa eine andere Idee von permanentem Wettbewerb zwischen Anbietern.
Die EU arbeitet derzeit auch an der KI-Verordnung, bei der Daten eine große Rolle spielen. Wer sollte aus Ihrer Sicht zuständig sein für die Durchsetzung der Regeln? Die Datenschutzbehörden?
Wir brauchen Behörden, bei denen das zentralisiert wird. Die Frage ist, ob die aktuellen Behörden auch nur im Entferntesten die Kapazität und das Wissen haben, um so etwas zu managen. Wenn die KI-Verordnung kommt, sind wir auch dazu da, sie durchzusetzen.
06.08.2021 – 12:00-12:40 Uhr, online
VDMA, Diskussion: Robolunch
Beim ersten “Robolunch” des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) geht es um mobile Robotik. Anmeldung
10.08.2021 – 13:00-13:30 Uhr, online
Bundesverband mittelständische Wirtschaft, Vortrag & Diskussion: Next Level: Digitalisierung
In der ersten Veranstaltung des Bundesverbands mittelständische Wirtschaft (BVMW) zum Thema Digitalisierung geht es um Chancen und Grenzen Künstlicher Intelligenz. Information & Anmeldung
11.08.2021 – 11:30-18:00 Uhr, Köln/online
deutsche ict + medienakademie, Hybrid-Roundtable: EDGE – Cloud-Continuum oder Revolution?
In kurzen Impulsen mit anschließenden Diskussionen geht es bei der hybrid stattfindenden Veranstaltung unter anderem um die Themen EDGE, Cloud, 5G und Vor-Ort-Computing. Information & Anmeldung
12.08.2021 – 18:00 Uhr, online
Hanns-Seidel-Stiftung, Online-Seminar: Smart City – die nachhaltige Zukunft der Stadt
Im Online-Seminar der Hanns-Seidel-Stiftung zeigt Journalist und Media Consultant Michael Möhnle, wie man Städte nachhaltig, umweltfreundlich und digital gestalten kann. Information & Anmeldung
12.08.2021 – 20:00-21:30 Uhr, online
Rosa-Luxemburg-Siftung, Buchvorstellung: Green New Deal als Zukunftspakt – Die Karten neu mischen
Wie kann ein Green New Deal aussehen, der soziale und ökologische Krisen entschärft und Konsequenzen aus der Coronapandemie zieht? In der digitalen Buchvorstellung kommen Katja Kipping (Die Linke) und Johanna Bussemer (Rosa-Luxemburg-Stiftung) ins Gespräch mit Prof. Dr. Tilman Santarius (TU Berlin, Einstein Center Digital Future Berlin). Livestream
Nach knapp zehn Jahren Vorbereitung hat China ein eigenes Emissionshandelssystem gestartet. Seit gut drei Wochen können Unternehmen für fast 2.200 Kohle- und Gas-Kraftwerke erstmals CO2-Zertifikate kaufen und verkaufen. Das chinesische ETS ist, gemessen an den umfassten CO2-Emissionen, das größte der Welt. Doch Expert:innen bezweifeln seine Wirkung für den Klimaschutz.
Zum Handelsstart in China hatte EU-Kommissionsvize und Kommissar für Klimaschutz Frans Timmermans noch Glückwünsche an die Volksrepublik gerichtet. Doch die schönen Worte könnten bald der Vergangenheit angehören. Chinas Unternehmen drohen in Zukunft sogar Klimaabgaben, weil der dortige Emissionshandel zu wenig ambitioniert ist und nicht den europäischen Anforderungen entspricht.
Nur zwei Tage vor dem Handelsstart hatte die EU-Kommission selbst zwölf Gesetzesvorschläge ihres Klimapakets vorgelegt. Darin enthalten: Eine mögliche Erweiterung des ETS auf den Schiffsverkehr, ein eigenes ETS für Gebäude und Straßenverkehr – und ein CO2-Grenzausgleich (China.Table berichtete).
Dieser sieht vor, dass Exporteure aus anderen Länder Abgaben auf Produkte zahlen müssen, wenn diese außerhalb der EU unter höherer CO2-Emission produziert wurden. Drittstaaten, die über ein Emissionshandelssystem nach europäischem Vorbild verfügen, das zudem mit dem Emissionshandel in der EU verknüpfbar ist, haben Chancen, von der Grenzabgabe ausgenommen zu werden.
Dass die Volksrepublik zeitnah auf der Liste der ausgenommenen Staaten landet, ist aber äußerst unwahrscheinlich. Ein Blick auf die Details: Am Ende des ersten Handelstages kostete eine Tonne CO2 in der Volksrepublik umgerechnet 6,90 Euro. Diese Daten zeigen bereits einen großen Unterschied zum europäischen Emissionshandel – denn in der EU kostet eine Tonne CO2 mittlerweile regelmäßig über 50 Euro. Zudem sind vom EU-Emissionshandel rund 10.000 Anlagen im Energiesektor, aber auch energieintensive Industriebranchen sowie innereuropäische Flüge erfasst. China liegt hier derzeit noch weit zurück.
Nicht nur beim Preis und der Reichweite unterscheiden sich die Systeme maßgeblich. Im chinesischen Handelssystem werden die Emissionszertifikate flexibel zugeteilt. Es gibt keine feste Obergrenze, wie viele Treibhausgase die teilnehmenden Unternehmen insgesamt ausstoßen dürfen.
Auch ist derzeit nicht geplant, in den kommenden Jahren Zertifikate aus dem Markt zu nehmen und über die Verknappung den Preis für die Verschmutzung der Atmosphäre zu erhöhen. Ebenso müssen chinesische Firmen die Zertifikate nicht ersteigern, sondern bekommen sie kostenlos zugeteilt. Lediglich wenn sie mehr CO2 ausstoßen als ihnen vorher zugestanden wird, müssen sie Verschmutzungsrechte am Markt kaufen.
Expert:innen sehen im derzeitigen System eine geringe Lenkungswirkung hinsichtlich der Reduzierung der klimaschädlichen Emissionen (China.Table berichtete). Zum Vergleich: In der EU gibt es eine abnehmende Obergrenze der gehandelten CO2-Zertifikate. Der Emissionshandel ist dadurch kompatibel mit den Klimazielen für 2030. Zudem wird in der EU mittlerweile ein größerer Teil an Emissionsrechten versteigert als kostenlos zugeteilt.
Derzeit ist das Ambitionsniveau des chinesischen Emissionshandels noch zu gering, um in naher Zukunft vom CO2-Grenzausgleich der EU (EU-CBAM) ausgenommen zu werden. Allerdings ist die Umsetzung erst ab 2026 geplant. Die chinesische Seite hat also noch einige Jahre Zeit, ihren Emissionshandel CBAM-kompatibel zu machen.
Analyst:innen gehen auch davon aus, dass das System regelmäßig nachgeschärft wird: Yan Qin, Klimaanalystin von Refinitiv, einem Anbieter von Finanzmarktdaten, sagt im Gespräch mit Europe.Table, die Behörden seien dabei, “weitere Industriesektoren in das Emissionshandelssystem einzubeziehen, wie beispielsweise die Zement- und Aluminium-Branche im nächsten Jahr”.
Das Umweltministerium Chinas verfolge das Ziel, weitere Industriesektoren bis 2025 in den Emissionshandel zu integrieren. Bei einem bedeuteten Industriesektor könnte es aber noch Probleme geben: Aufgrund der komplexen Berechnung von CO2-Emissionen, sagt Qin, sei “es nicht so einfach, den Stahlsektor in den Emissionshandel zu integrieren“.
Doch selbst wenn es gelänge, alle vom europäischen Emissionshandelssystem erfassten Branchen in den chinesischen Handel aufzunehmen, könnten dennoch Klimazölle durch den CBAM drohen. Die CO2-Preise im chinesischen Emissionshandel dürften laut Analystin Qin absehbar kaum das europäische Preisniveau erreichen.
Qin geht davon aus, dass die CO2-Preise in China bis 2030 auf umgerechnet etwa 21 Euro steigen werden. Für die EU hingegen wird ein Preis von 90 Euro für 2030 erwartet. Es bestehe immer noch die Frage, ob chinesische Industriebetriebe dann die Preisdifferenz zum europäischen Emissionshandel im Rahmen des CBAM zahlen müssten, so die Analystin.
Es ist zudem noch viel politische Arbeit zwischen der EU und China nötig, um schwelende Verstimmungen über den CBAM zu glätten. Denn die Volksrepublik sieht die geplante Grenzabgabe als von der EU gewollte Handelsbarriere in Form einer CO2-Steuer oder “Klimazoll”. Brüssel müsste es schaffe, seinen Handelspartnern die Klima-Vorschläge nachvollziehbar zu erklären, so ein chinesischer ETS-Experte.
Es sei noch ein langer Weg, bis beide Emissionshandelssysteme miteinander verknüpfbar sein könnten. Und auch Fragen darüber hinaus seien noch offen: Was geschieht, wenn die Preise für eine Tonne CO2 außerhalb der EU höher sind als im europäischen Emissionshandel? Muss die EU dann für die Einfuhr einen Ausgleich zahlen? Details wie diese seien noch nicht ausreichend besprochen, so der Analyst. Auch die Einführung eines chinesischen CO2-Grenzausgleichs ist seiner Meinung nach in der Zukunft nicht völlig ausgeschlossen. Amelie Richter/Nico Beckert
Die Grünen wollen als Teil ihres Klimaschutz-Sofortprogramms nach der Bundestagswahl am 26. September ein “Klimaschutzministerium” gründen, ausgestattet mit einem Vetorecht gegen Gesetzesvorschläge der anderen Ressorts. Verfassungsrechtlich ist der Plan schwer umsetzbar, Kritik kommt unter anderem von SPD und CDU. Die Grünen-Spitze will damit aber wohl in erster Linie politisch einen Pflock einschlagen - und zwar auch und gerade mit Blick auf die Europapolitik.
Die Klimapolitik werde, wie andere Großthemen, vor allem auf EU-Ebene gemacht, sagt der Generalsekretär der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD), Bernd Hüttemann. In Brüssel aber gebe meist das Kanzleramt für die Bundesregierung die Richtung vor.
“So betrachtet ist die Forderung nach einem Veto in einem wichtigen Ressort eine Ansage an die informelle Vormacht des Kanzleramtes in der Europapolitik“, sagte Hüttemann Europe.Table. Gerade absehbar kleinere Koalitionspartner wollten sich nicht vorführen lassen. tho
Lesen Sie kommende Woche in Europe.Table, wie die europapolitische Koordinierung zur Machtfrage wird.
Europas Landwirte sollen schneller höhere Finanzhilfen aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU erhalten. Das hat die Europäische Kommission am Mittwoch beschlossen. Demnach können die Mitgliedsstaaten die Vorschüsse aus den Direktzahlungen von bisher 50 auf 70 Prozent und die Zahlungen zur Entwicklung des ländlichen Raums von 75 auf 85 Prozent erhöhen.
Mit der Maßnahme will die Brüsseler Behörde die Unterstützung für die Betriebe verstärken, die besonders unter den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie sowie den jüngsten Extremwetter-Ereignissen leiden. Dabei gehe es auch um die Gewährleistung der Ernährungssicherheit in Europa. Nach Abschluss der obligatorischen Prüfungen über die korrekte Verwendung der EU-Gelder sollen die Zahlungen ab 16. Oktober 2021 zur Verfügung stehen. til
Es ist richtig, den Gebäudesektor in ein separates, möglichst unbürokratisch aufgebautes europäisches Emissionshandelssystem einzubeziehen. Auch die Reinvestition der zusätzlichen Einnahmen in Klimaschutzmaßnahmen ist richtig und wichtig – hier muss aber darauf geachtet werden, dass die Einnahmen auch dem jeweiligen Sektor, aus dem sie stammen, wieder vollständig zugutekommen.
Eine finanzielle Doppelbelastung durch die Etablierung eines europäischen Handelssystems bei Unternehmen ist unbedingt zu vermeiden. Sonst würden notwendige Mittel für die CO2-Reduzierungsmaßnahmen gebunden und die volkswirtschaftliche Erholung nach der Corona-Krise gefährdet. Hierzu bedarf es einer engen Abstimmung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedsstaaten einerseits und den betroffenen Stakeholdern aus der Immobilienwirtschaft andererseits.
Zudem ist eine praxisnahe Ausgestaltung essenziell. Eine CO2-Bepreisung auf europäischer Ebene müsste mit einem angemessenen Vorlauf umgesetzt werden, da der Planungshorizont der Immobilienwirtschaft naturgemäß ebenfalls langfristig ist. Bei der Einführung eines CO2-Bepreisungssystems braucht es Rückerstattungsmöglichkeiten für bestimmte Energiekonsumenten und -verbraucher. Damit können soziale und wirtschaftliche Härten verhindert beziehungsweise abgemildert werden. Ein Teil der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sollte für diese Rückerstattungen eingesetzt werden, etwa in Form eines Sozialfonds.
Um die Klimaziele zu erreichen, ist es aus unserer Sicht wichtig, sowohl die Energieeffizienz zu steigern als auch parallel dazu erneuerbare Energien einzubringen. Nur durch eine Steigerung der Energieeffizienz können die enormen Herausforderungen des Klimaschutzes nicht erreicht werden. Daher müssen erneuerbare Energien in den Gebäudesektor ebenso eingebracht werden, wie dies auch in der Renewable Energy Directive gefordert wird.
Um die EU-weiten Ziele – wie die Nutzung von 49 Prozent erneuerbaren Energien im Gebäude bis 2030 – zu erreichen, sind immense Anstrengungen erforderlich. Je nach Assetklasse werden die daraus resultierenden Zielvorgaben in Deutschland unterschiedlich schwer erreichbar sein. Der Stromsektor lag im Jahr 2020 schon bei einem regenerativen Anteil von rund 45 Prozent, der Wärmesektor hingegen bei lediglich 15 Prozent. Wärmeintensive Gebäude hätten hiermit einen starken wirtschaftlichen Nachteil.
Der ZIA unterstützt das Ziel eines gemeinsamen Rahmens für die Förderung von Energien aus erneuerbaren Quellen. Jedoch geben wir zu bedenken, dass auch in Zeiten der Energie- und Wärmewende Maßnahmen auf lange Sicht am Markt nur Akzeptanz finden, wenn sie sich rechnen und auf die spezifische Situation eines jeweiligen Gebäudes zugeschnitten sind.
Neben der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie begrüßt der ZIA ebenfalls, dass die im Paket enthaltene Energie-Effizienz-Richtlinie überarbeitet wird. Die effiziente Nutzung von Energie ist aus unserer Sicht eine wirtschaftliche Lösung, die Energie- und Klimaziele zu erreichen. Energieeffizienz darf jedoch nicht der einzige Zielwert sein und muss aus Sicht des ZIA immer im Zusammenhang mit der verstärkten Anrechenbarkeit und Nutzung erneuerbarer Energien gesehen werden.
Technologieoffenheit und Wirtschaftlichkeit sind auch hier bei der Umsetzung die obersten Gebote, besonders auf nationaler Ebene. Es kommt darauf an, die Förderung zu verbessern, ohne beihilferechtliche Hürden aufzubauen. Eine sozialverträgliche Umsetzung ist wesentlich und hängt nicht zuletzt von der wirtschaftlichen Umsetzungsmöglichkeit ab.
Die EU-Klimagesetzgebung ist und bleibt also hoch ambitioniert. Die Umsetzung muss aber vor allem praktikabel sein. Wir dürfen die Akzeptanz in der Bevölkerung für den Klimaschutz nicht verspielen, sondern müssen diese stärken, damit Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft gemeinsam an einem Strang ziehen, um dieses Jahrhundertprojekt umzusetzen.
In Brüssel ist Sommerpause. Endlich, werden sich viele Kommissionsbeamte, Parlamentsmitarbeiter und andere Menschen der berühmten Blase gedacht haben. Am 1. Dezember ist die von-der-Leyen-Kommission zwei Jahre im Amt. Bis dahin soll einiges noch beraten werden – also höchste Zeit zum Durchschnaufen.
Nach den Lockdowns erfreut sich Belgien in Brüssel großer Beliebtheit als Urlaubsziel, wie es in seltener Einigkeit aus Rats-, Kommissions- und Parlamentskreisen heißt. Vielleicht auch politisch eine gute Idee. Nicht nur, um den Schadstoffausstoß durch Fernreisen zu vermeiden.
Sondern auch, um sich vom Rechner aus schon auf die KI-Verordnung vorzubereiten: Zahlreiche Webcams erlauben detaillierte Blicke auf den Strand von Knokke-Heist oder De Haan – ohne dass die Besucher etwas davon bemerkten. Würde ein Erkennungsmechanismus für EU-Kommissare noch einmal illustrieren, warum es Rufe nach einem Verbot invasiver KI-Technologie im öffentlichen Raum gibt? Falk Steiner
Datenschutz gebe es in Europa zwar “viel auf dem Papier”, sagt Max Schrems, aber “wenig auf dem Handy”. Die Regeln der DSGVO würden von den Digitalunternehmen fröhlich ignoriert, kritisiert der österreichische Aktivist, der schon zwei spektakuläre Fälle vor dem Europäischen Gerichtshof gewonnen hat. Von den Aufsichtsbehörden zu befürchten hätten sie dabei wenig, denn: “In der Praxis reibt sich das eine Zahnrädchen am anderen ab, statt ineinanderzugreifen”. Das Ergebnis sei “Massenrechtsbruch”. Im Interview mit meinem Kollegen Falk Steiner spricht Schrems Klartext.
Viele Fakten zusammengetragen haben Amelie Richter und Nico Beckert: Sie vergleichen die Details der Emissionshandelssysteme in der EU und China und kommen zu einem klaren Schluss: Es dürfte noch (viele) Jahre dauern, bis das frisch eingeführte ETS in China eine vergleichbare Lenkungswirkung entfalten wird wie das etablierte Pendant in Europa. Für die bilateralen Handelsbeziehungen bedeutet das nichts Gutes.
Sie lesen die zweite Ausgabe von Europe.Table, dem neuen Professional Briefing zur grünen und digitalen Transformation Europas. Wenn Ihnen gefällt, was Sie lesen – empfehlen Sie uns bitte weiter. Und schreiben Sie mir gerne, was wir besser machen können: till.hoppe@table.media.
Max Schrems und seine Mitstreiter von None of your Business (NOYB) werden geschätzt und gefürchtet. Die Nichtregierungsorganisation klagt nicht nur gegen Unternehmen, sondern auch gegen EU-Kommission und Aufsichtsbehörden, die laut Schrems zu wenig für einen wirksamen Datenschutz tun. Auch bei neuen Digitalgesetzen wie der KI-Verordnung sei eine Klage von NOYB möglich. Und die Standardvertragsklauseln, auf die manche Unternehmen jetzt hoffen, sieht der 34-jährige Österreicher ebenfalls überaus kritisch.
Herr Schrems, vor gut einem Jahr erklärte der Europäische Gerichtshof die Privacy-Shield-Vereinbarung zwischen der EU und den USA für unzureichend. Seitdem herrscht Rechtsunsicherheit – was hat der Datenschutz in Europa damit gewonnen?
Tatsächlichen Datenschutz haben wir sehr viel auf dem Papier und wenig auf dem Handy. Immerhin: Einige Unternehmen haben die Daten nach Europa zurückgeholt. Ich glaube auch, dass einige US-Unternehmen Daten nicht ganz so leicht an die NSA herausrücken wie früher. Aber wir haben auch Schriftsätze von Google und Facebook bekommen, die sagen: Das ist alles nicht so zu sehen, wie es im Gesetz steht. Google gibt als Sicherheitsvorkehrung etwa an, einen Zaun ums Datenzentrum gezogen zu haben. Es ist traurig, wenn das höchste Gericht in Europa einfach fröhlich ignoriert wird.
Sie kritisieren die Aufsichtsbehörden, sie würden die Regeln der Datenschutz-Grundverordnung viel zu zögerlich durchsetzen. Warum?
Versuchen tun es recht viele, aber oft nicht die Relevanten (lacht). In der europäischen Verteilung sind Irland und Luxemburg oft zuständig für die großen Konzerne. Dann ist es so, dass eine Behörde in irgendeinem deutschen Bundesland etwas probiert – aber am Ende Irland zuständig ist. Aber auch mit anderen Behörden haben wir ein Thema. Das Problem: Wir haben Massenrechtsbruch. Auf fast jeder Website finden wir einen DSGVO-Verstoß, mit Einzelverfahren kommt man da nicht hinterher. Wir müssen stärker auf Legal Tech setzen. Das ist aber noch ein langer Weg.
Sie haben ja gegen Aufsichtsbehörden auch Klagen angestrengt, weil diese zu nachlässig agierten…
Hauptsächlich ist das die Klage gegen Irland, gegen die Behörde dort. Die haben wir vor mehr als drei Jahren eingebracht, und sie befindet sich heute bei Schritt drei von insgesamt sechs Schritten, die für eine Entscheidung nötig sind. Da sieht man, wie absurd das ist. Wir haben dann eine Klage gegen die Datenschutzbehörde in Österreich. Die sagt, der Fall sei in Irland, gleichzeitig sagt Irland, wir bearbeiten diesen Fall gar nicht. Und in Luxemburg sagt die Behörde, dass sie leider nur Dinge innerhalb von Luxemburg untersuchen kann. Was natürlich totaler Humbug ist, denn die DSGVO gilt weltweit, solange man am europäischen Markt ist. Nur will keiner zuständig sein in Europa.
Luxemburg hat erst Mitte Juli eine hohe Strafe gegen Amazon verhängt. Ist das jetzt das Aufwachen?
Bei Luxemburg scheint sich nach langem Schweigen nun doch einiges zu bewegen. Derzeit kennt keiner die Details der Entscheidung, aber allein die Summe wird Eindruck machen. Bleibt zu hoffen, dass die Entscheidung dann auch Bestand hat.
Die DSGVO sollte auch europäischen Unternehmen Wettbewerbsvorteile bringen. Wie gut hat das funktioniert?
Es ist schon so, dass ein europäisches Unternehmen auf globaler Ebene als vertrauenswürdiger gilt als Unternehmen aus den USA, Indien oder China. Es ist aber sicher nicht so, dass das der Hauptfaktor für die Wettbewerbsfähigkeit ist.
Wer sich nicht an europäische Standards hält, muss angesichts des Mangels an Durchsetzung ja auch wenig befürchten.
Wenn die Behörden Regeln nicht durchsetzen, wird es immer unfair. Das Problem ist, dass die Gesetzgebung europäisch ist, aber die Durchsetzung noch immer nationalstaatlich organisiert. Und da haben wir einfach extreme Unterschiede. Wir haben in Österreich eine Entscheidungsfrist von sechs Monaten, in den meisten Mitgliedstaaten hingegen überhaupt keine. Das ist für uns auf der einen Seite problematisch, auf der anderen genau der Grund, warum wir als Verein probiert haben, Datenschutz europäisch durchzusetzen.
Es gibt immer wieder Versuche, Rechtssicherheit zu schaffen für Datenverarbeiter. Wie tauglich sind zum Beispiel die Standardvertragsklauseln?
Ich glaube, dass die Leute, die das schreiben, oft selbst wissen, dass das Humbug ist. Mir tun die Beamten da manchmal leid. Im Grunde versucht bei den internationalen Datentransfers jeder, die Schuld zum nächsten zu schieben. Wir haben im Datenschutz mit Ausnahme des EuGH wenig Player, die sagen: So ist es jetzt – und aus.
Sehen Sie das als Einladung zu klagen?
Ja, teilweise. Wenn etwas vollkommen irrational ist, klagen wir natürlich. Wir müssen zu einem System kommen, wo jedes Unternehmen weiß: Das geht und das geht nicht. Das gibt’s selten, dass das Gesetz vollkommen ignoriert wird und jeder denkt: “Hurra, das muss ich eh nicht machen”. Wenn wir Steuerrecht so machen würden wäre der Staat morgen bankrott. Es ist faszinierend: Einerseits sagt man, in Europa ist Datenschutz Grundrecht. Und dann machen in der Realität Unternehmen irgendwie Hula-Hoop und kommen davon. Es geht aber in die richtige Richtung, auch wenn es oft mühsam ist.
In der Sache sind Sie mit NOYB ja ein Treiber...
Dabei besteht unser Verein nur aus zehn Juristen, davon vier Trainees. Jedes größere Unternehmen hat eine größere Datenschutzabteilung. Und trotzdem hören wir regelmäßig, dass wir die Speerspitze des europäischen Datenschutzes sind. Ich finde das ja schmeichelhaft. Gleichzeitig ist es enttäuschend, wenn die Datenschutzbehörden auf Gesamteuropa betrachtet durchaus hohe Budgets haben, zusammen hunderte Millionen Euro – und dann kommt wenig heraus am Ende. Dann stellt sich schon die Frage, wie man das System sanieren kann. Die meisten wollen ja auch, aber in der Praxis reibt sich das eine Zahnrädchen am anderen ab, statt ineinanderzugreifen.
Global tut sich einiges: China gibt sich einen neuen Rechtsrahmen für die Verarbeitung personenbezogener Daten, in den USA erlassen immer mehr Bundesstaaten entsprechende Gesetze.
Wir kommen ins Informationszeitalter, da stellt sich die Frage, wer Macht hat über die Informationen. Wenn es einfach nur der freie Markt ist, werden wir Monopole haben. Die USA sind ein eigenes Thema, weil die dominanten Unternehmen dort sitzen und das politische System nahezu dysfunktional ist. Die Bundesstaaten machen ihre eigenen Gesetze, und die sind schon teilweise widersprüchlich. Ich glaube, dass wir global auf einen gemeinsamen Standard kommen müssen – und da gilt die DSGVO als Blueprint. Aus meiner Sicht ist es zwar das am wenigsten dumme Datenschutzgesetz. Aber eines, das auch noch viel Luft nach oben hat. Als Jurist, der sich seit zehn Jahren damit beschäftigt, kann ich Teile davon nicht erklären.
Woran liegt das?
Am Lobbying: Die Industrie wollte teilweise schwammige Formulierungen. Für die ganz großen Konzerne ist das der Spielraum, um vor Gerichten de facto nochmal zehn Jahre die DSGVO nachzuverhandeln. Auf europäischer Ebene hat die Volkspartei, also CDU/CSU in Deutschland, entscheidend dazu beigetragen, dass jetzt keine Sau das Gesetz versteht. Und das ist für 95 bis 99 Prozent der Unternehmen ein Problem. Die wollen sich einfach nur daran halten.
Wie schauen Sie auf geplante EU-Gesetzesakte wie den Data Governance Act, Digital Services Act und Digital Markets Act? Haben Sie Hoffnung, dass diese auch dem Datenschutz nützen?
In der DSGVO wurde das schon einmal verhandelt, und ich glaube nicht, dass wir das jetzt alle zwei, drei Jahre von Neuem sollten. Ich weiß nicht, ob es wahnsinnig sinnvoll ist, jetzt ein Patchwork zu machen. Viel interessanter ist: Wie können wir die Monopolbildung online bekämpfen, wie können wir wieder ein offenes Internet verordnen? Das Wichtigste für mich, da rede ich aber als betroffener Bürger, sind Interoperabilität und offene Netze. Im Silicon Valley geht es darum, wer sich am Ende als Monopolist durchsetzt. Groß innovativ sind die Unternehmen dann nicht mehr. Ich weiß jedenfalls nicht, wo sich Facebook großartig verbessert hat in den vergangenen zehn Jahren. Wir haben in Europa eine andere Idee von permanentem Wettbewerb zwischen Anbietern.
Die EU arbeitet derzeit auch an der KI-Verordnung, bei der Daten eine große Rolle spielen. Wer sollte aus Ihrer Sicht zuständig sein für die Durchsetzung der Regeln? Die Datenschutzbehörden?
Wir brauchen Behörden, bei denen das zentralisiert wird. Die Frage ist, ob die aktuellen Behörden auch nur im Entferntesten die Kapazität und das Wissen haben, um so etwas zu managen. Wenn die KI-Verordnung kommt, sind wir auch dazu da, sie durchzusetzen.
06.08.2021 – 12:00-12:40 Uhr, online
VDMA, Diskussion: Robolunch
Beim ersten “Robolunch” des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) geht es um mobile Robotik. Anmeldung
10.08.2021 – 13:00-13:30 Uhr, online
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11.08.2021 – 11:30-18:00 Uhr, Köln/online
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12.08.2021 – 18:00 Uhr, online
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12.08.2021 – 20:00-21:30 Uhr, online
Rosa-Luxemburg-Siftung, Buchvorstellung: Green New Deal als Zukunftspakt – Die Karten neu mischen
Wie kann ein Green New Deal aussehen, der soziale und ökologische Krisen entschärft und Konsequenzen aus der Coronapandemie zieht? In der digitalen Buchvorstellung kommen Katja Kipping (Die Linke) und Johanna Bussemer (Rosa-Luxemburg-Stiftung) ins Gespräch mit Prof. Dr. Tilman Santarius (TU Berlin, Einstein Center Digital Future Berlin). Livestream
Nach knapp zehn Jahren Vorbereitung hat China ein eigenes Emissionshandelssystem gestartet. Seit gut drei Wochen können Unternehmen für fast 2.200 Kohle- und Gas-Kraftwerke erstmals CO2-Zertifikate kaufen und verkaufen. Das chinesische ETS ist, gemessen an den umfassten CO2-Emissionen, das größte der Welt. Doch Expert:innen bezweifeln seine Wirkung für den Klimaschutz.
Zum Handelsstart in China hatte EU-Kommissionsvize und Kommissar für Klimaschutz Frans Timmermans noch Glückwünsche an die Volksrepublik gerichtet. Doch die schönen Worte könnten bald der Vergangenheit angehören. Chinas Unternehmen drohen in Zukunft sogar Klimaabgaben, weil der dortige Emissionshandel zu wenig ambitioniert ist und nicht den europäischen Anforderungen entspricht.
Nur zwei Tage vor dem Handelsstart hatte die EU-Kommission selbst zwölf Gesetzesvorschläge ihres Klimapakets vorgelegt. Darin enthalten: Eine mögliche Erweiterung des ETS auf den Schiffsverkehr, ein eigenes ETS für Gebäude und Straßenverkehr – und ein CO2-Grenzausgleich (China.Table berichtete).
Dieser sieht vor, dass Exporteure aus anderen Länder Abgaben auf Produkte zahlen müssen, wenn diese außerhalb der EU unter höherer CO2-Emission produziert wurden. Drittstaaten, die über ein Emissionshandelssystem nach europäischem Vorbild verfügen, das zudem mit dem Emissionshandel in der EU verknüpfbar ist, haben Chancen, von der Grenzabgabe ausgenommen zu werden.
Dass die Volksrepublik zeitnah auf der Liste der ausgenommenen Staaten landet, ist aber äußerst unwahrscheinlich. Ein Blick auf die Details: Am Ende des ersten Handelstages kostete eine Tonne CO2 in der Volksrepublik umgerechnet 6,90 Euro. Diese Daten zeigen bereits einen großen Unterschied zum europäischen Emissionshandel – denn in der EU kostet eine Tonne CO2 mittlerweile regelmäßig über 50 Euro. Zudem sind vom EU-Emissionshandel rund 10.000 Anlagen im Energiesektor, aber auch energieintensive Industriebranchen sowie innereuropäische Flüge erfasst. China liegt hier derzeit noch weit zurück.
Nicht nur beim Preis und der Reichweite unterscheiden sich die Systeme maßgeblich. Im chinesischen Handelssystem werden die Emissionszertifikate flexibel zugeteilt. Es gibt keine feste Obergrenze, wie viele Treibhausgase die teilnehmenden Unternehmen insgesamt ausstoßen dürfen.
Auch ist derzeit nicht geplant, in den kommenden Jahren Zertifikate aus dem Markt zu nehmen und über die Verknappung den Preis für die Verschmutzung der Atmosphäre zu erhöhen. Ebenso müssen chinesische Firmen die Zertifikate nicht ersteigern, sondern bekommen sie kostenlos zugeteilt. Lediglich wenn sie mehr CO2 ausstoßen als ihnen vorher zugestanden wird, müssen sie Verschmutzungsrechte am Markt kaufen.
Expert:innen sehen im derzeitigen System eine geringe Lenkungswirkung hinsichtlich der Reduzierung der klimaschädlichen Emissionen (China.Table berichtete). Zum Vergleich: In der EU gibt es eine abnehmende Obergrenze der gehandelten CO2-Zertifikate. Der Emissionshandel ist dadurch kompatibel mit den Klimazielen für 2030. Zudem wird in der EU mittlerweile ein größerer Teil an Emissionsrechten versteigert als kostenlos zugeteilt.
Derzeit ist das Ambitionsniveau des chinesischen Emissionshandels noch zu gering, um in naher Zukunft vom CO2-Grenzausgleich der EU (EU-CBAM) ausgenommen zu werden. Allerdings ist die Umsetzung erst ab 2026 geplant. Die chinesische Seite hat also noch einige Jahre Zeit, ihren Emissionshandel CBAM-kompatibel zu machen.
Analyst:innen gehen auch davon aus, dass das System regelmäßig nachgeschärft wird: Yan Qin, Klimaanalystin von Refinitiv, einem Anbieter von Finanzmarktdaten, sagt im Gespräch mit Europe.Table, die Behörden seien dabei, “weitere Industriesektoren in das Emissionshandelssystem einzubeziehen, wie beispielsweise die Zement- und Aluminium-Branche im nächsten Jahr”.
Das Umweltministerium Chinas verfolge das Ziel, weitere Industriesektoren bis 2025 in den Emissionshandel zu integrieren. Bei einem bedeuteten Industriesektor könnte es aber noch Probleme geben: Aufgrund der komplexen Berechnung von CO2-Emissionen, sagt Qin, sei “es nicht so einfach, den Stahlsektor in den Emissionshandel zu integrieren“.
Doch selbst wenn es gelänge, alle vom europäischen Emissionshandelssystem erfassten Branchen in den chinesischen Handel aufzunehmen, könnten dennoch Klimazölle durch den CBAM drohen. Die CO2-Preise im chinesischen Emissionshandel dürften laut Analystin Qin absehbar kaum das europäische Preisniveau erreichen.
Qin geht davon aus, dass die CO2-Preise in China bis 2030 auf umgerechnet etwa 21 Euro steigen werden. Für die EU hingegen wird ein Preis von 90 Euro für 2030 erwartet. Es bestehe immer noch die Frage, ob chinesische Industriebetriebe dann die Preisdifferenz zum europäischen Emissionshandel im Rahmen des CBAM zahlen müssten, so die Analystin.
Es ist zudem noch viel politische Arbeit zwischen der EU und China nötig, um schwelende Verstimmungen über den CBAM zu glätten. Denn die Volksrepublik sieht die geplante Grenzabgabe als von der EU gewollte Handelsbarriere in Form einer CO2-Steuer oder “Klimazoll”. Brüssel müsste es schaffe, seinen Handelspartnern die Klima-Vorschläge nachvollziehbar zu erklären, so ein chinesischer ETS-Experte.
Es sei noch ein langer Weg, bis beide Emissionshandelssysteme miteinander verknüpfbar sein könnten. Und auch Fragen darüber hinaus seien noch offen: Was geschieht, wenn die Preise für eine Tonne CO2 außerhalb der EU höher sind als im europäischen Emissionshandel? Muss die EU dann für die Einfuhr einen Ausgleich zahlen? Details wie diese seien noch nicht ausreichend besprochen, so der Analyst. Auch die Einführung eines chinesischen CO2-Grenzausgleichs ist seiner Meinung nach in der Zukunft nicht völlig ausgeschlossen. Amelie Richter/Nico Beckert
Die Grünen wollen als Teil ihres Klimaschutz-Sofortprogramms nach der Bundestagswahl am 26. September ein “Klimaschutzministerium” gründen, ausgestattet mit einem Vetorecht gegen Gesetzesvorschläge der anderen Ressorts. Verfassungsrechtlich ist der Plan schwer umsetzbar, Kritik kommt unter anderem von SPD und CDU. Die Grünen-Spitze will damit aber wohl in erster Linie politisch einen Pflock einschlagen - und zwar auch und gerade mit Blick auf die Europapolitik.
Die Klimapolitik werde, wie andere Großthemen, vor allem auf EU-Ebene gemacht, sagt der Generalsekretär der Europäischen Bewegung Deutschland (EBD), Bernd Hüttemann. In Brüssel aber gebe meist das Kanzleramt für die Bundesregierung die Richtung vor.
“So betrachtet ist die Forderung nach einem Veto in einem wichtigen Ressort eine Ansage an die informelle Vormacht des Kanzleramtes in der Europapolitik“, sagte Hüttemann Europe.Table. Gerade absehbar kleinere Koalitionspartner wollten sich nicht vorführen lassen. tho
Lesen Sie kommende Woche in Europe.Table, wie die europapolitische Koordinierung zur Machtfrage wird.
Europas Landwirte sollen schneller höhere Finanzhilfen aus der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) der EU erhalten. Das hat die Europäische Kommission am Mittwoch beschlossen. Demnach können die Mitgliedsstaaten die Vorschüsse aus den Direktzahlungen von bisher 50 auf 70 Prozent und die Zahlungen zur Entwicklung des ländlichen Raums von 75 auf 85 Prozent erhöhen.
Mit der Maßnahme will die Brüsseler Behörde die Unterstützung für die Betriebe verstärken, die besonders unter den Auswirkungen der Covid-19-Pandemie sowie den jüngsten Extremwetter-Ereignissen leiden. Dabei gehe es auch um die Gewährleistung der Ernährungssicherheit in Europa. Nach Abschluss der obligatorischen Prüfungen über die korrekte Verwendung der EU-Gelder sollen die Zahlungen ab 16. Oktober 2021 zur Verfügung stehen. til
Es ist richtig, den Gebäudesektor in ein separates, möglichst unbürokratisch aufgebautes europäisches Emissionshandelssystem einzubeziehen. Auch die Reinvestition der zusätzlichen Einnahmen in Klimaschutzmaßnahmen ist richtig und wichtig – hier muss aber darauf geachtet werden, dass die Einnahmen auch dem jeweiligen Sektor, aus dem sie stammen, wieder vollständig zugutekommen.
Eine finanzielle Doppelbelastung durch die Etablierung eines europäischen Handelssystems bei Unternehmen ist unbedingt zu vermeiden. Sonst würden notwendige Mittel für die CO2-Reduzierungsmaßnahmen gebunden und die volkswirtschaftliche Erholung nach der Corona-Krise gefährdet. Hierzu bedarf es einer engen Abstimmung zwischen der Europäischen Union und den Mitgliedsstaaten einerseits und den betroffenen Stakeholdern aus der Immobilienwirtschaft andererseits.
Zudem ist eine praxisnahe Ausgestaltung essenziell. Eine CO2-Bepreisung auf europäischer Ebene müsste mit einem angemessenen Vorlauf umgesetzt werden, da der Planungshorizont der Immobilienwirtschaft naturgemäß ebenfalls langfristig ist. Bei der Einführung eines CO2-Bepreisungssystems braucht es Rückerstattungsmöglichkeiten für bestimmte Energiekonsumenten und -verbraucher. Damit können soziale und wirtschaftliche Härten verhindert beziehungsweise abgemildert werden. Ein Teil der Einnahmen aus der CO2-Bepreisung sollte für diese Rückerstattungen eingesetzt werden, etwa in Form eines Sozialfonds.
Um die Klimaziele zu erreichen, ist es aus unserer Sicht wichtig, sowohl die Energieeffizienz zu steigern als auch parallel dazu erneuerbare Energien einzubringen. Nur durch eine Steigerung der Energieeffizienz können die enormen Herausforderungen des Klimaschutzes nicht erreicht werden. Daher müssen erneuerbare Energien in den Gebäudesektor ebenso eingebracht werden, wie dies auch in der Renewable Energy Directive gefordert wird.
Um die EU-weiten Ziele – wie die Nutzung von 49 Prozent erneuerbaren Energien im Gebäude bis 2030 – zu erreichen, sind immense Anstrengungen erforderlich. Je nach Assetklasse werden die daraus resultierenden Zielvorgaben in Deutschland unterschiedlich schwer erreichbar sein. Der Stromsektor lag im Jahr 2020 schon bei einem regenerativen Anteil von rund 45 Prozent, der Wärmesektor hingegen bei lediglich 15 Prozent. Wärmeintensive Gebäude hätten hiermit einen starken wirtschaftlichen Nachteil.
Der ZIA unterstützt das Ziel eines gemeinsamen Rahmens für die Förderung von Energien aus erneuerbaren Quellen. Jedoch geben wir zu bedenken, dass auch in Zeiten der Energie- und Wärmewende Maßnahmen auf lange Sicht am Markt nur Akzeptanz finden, wenn sie sich rechnen und auf die spezifische Situation eines jeweiligen Gebäudes zugeschnitten sind.
Neben der Erneuerbaren-Energien-Richtlinie begrüßt der ZIA ebenfalls, dass die im Paket enthaltene Energie-Effizienz-Richtlinie überarbeitet wird. Die effiziente Nutzung von Energie ist aus unserer Sicht eine wirtschaftliche Lösung, die Energie- und Klimaziele zu erreichen. Energieeffizienz darf jedoch nicht der einzige Zielwert sein und muss aus Sicht des ZIA immer im Zusammenhang mit der verstärkten Anrechenbarkeit und Nutzung erneuerbarer Energien gesehen werden.
Technologieoffenheit und Wirtschaftlichkeit sind auch hier bei der Umsetzung die obersten Gebote, besonders auf nationaler Ebene. Es kommt darauf an, die Förderung zu verbessern, ohne beihilferechtliche Hürden aufzubauen. Eine sozialverträgliche Umsetzung ist wesentlich und hängt nicht zuletzt von der wirtschaftlichen Umsetzungsmöglichkeit ab.
Die EU-Klimagesetzgebung ist und bleibt also hoch ambitioniert. Die Umsetzung muss aber vor allem praktikabel sein. Wir dürfen die Akzeptanz in der Bevölkerung für den Klimaschutz nicht verspielen, sondern müssen diese stärken, damit Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft gemeinsam an einem Strang ziehen, um dieses Jahrhundertprojekt umzusetzen.
In Brüssel ist Sommerpause. Endlich, werden sich viele Kommissionsbeamte, Parlamentsmitarbeiter und andere Menschen der berühmten Blase gedacht haben. Am 1. Dezember ist die von-der-Leyen-Kommission zwei Jahre im Amt. Bis dahin soll einiges noch beraten werden – also höchste Zeit zum Durchschnaufen.
Nach den Lockdowns erfreut sich Belgien in Brüssel großer Beliebtheit als Urlaubsziel, wie es in seltener Einigkeit aus Rats-, Kommissions- und Parlamentskreisen heißt. Vielleicht auch politisch eine gute Idee. Nicht nur, um den Schadstoffausstoß durch Fernreisen zu vermeiden.
Sondern auch, um sich vom Rechner aus schon auf die KI-Verordnung vorzubereiten: Zahlreiche Webcams erlauben detaillierte Blicke auf den Strand von Knokke-Heist oder De Haan – ohne dass die Besucher etwas davon bemerkten. Würde ein Erkennungsmechanismus für EU-Kommissare noch einmal illustrieren, warum es Rufe nach einem Verbot invasiver KI-Technologie im öffentlichen Raum gibt? Falk Steiner