wenn sich die neue Regierung an die Arbeit macht, müsse es schnell gehen mit den Klima-Maßnahmen – auf die ersten 100 Tage komme es an. Das sagt Matthias Buck, Direktor für den Bereich Europäische Energiepolitik beim Think-Tank Agora Energiewende. Wie Buck auf Deutschlands Rolle im europäischen Klimaschutz blickt und wie er die Chancen auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit von Grünen und FDP einschätzt, darüber spricht er im Interview mit Timo Landenberger.
Die Konfliktmineralien-Verordnung soll eigentlich für bessere Bedingungen in den Produktionsländern sorgen und auch das schlechte Gewissen beim Kauf von Elektroautos und Smartphones reduzieren. Doch bei der Umsetzung vor Ort gibt es große Probleme, von denen vor allem Kleinbergbauarbeiter und Kooperativen betroffen sind, wie Charlotte Wirth unter anderem von Menschen aus Kolumbien und dem Kongo erfahren hat.
Die steigenden Energiepreise sorgen für Unruhe und veranlassen immer mehr Mitgliedstaaten, sich an die EU zu wenden. Nun verlangt auch Polen Maßnahmen zur Eindämmung des Preisanstiegs. Deutschlands östlicher Nachbar nimmt die Entwicklung außerdem zum Anlass, sich kritisch zum Green Deal zu äußern.
Herr Buck, die Sondierungsgespräche sind terminiert. FDP und Grüne haben bereits eine Nachtschicht eingelegt und alle beteuern: Es soll schnell gehen, 2017 dürfe sich nicht wiederholen. Ist das realistisch?
Nach allem, was ich höre, bin ich optimistisch. Bei den Ansätzen der Parteien, gerade wenn es um Klimaschutz und Energiewende geht, sind die Differenzen nicht so groß, als dass man sie nicht überwinden könnte. Die Parteien bekennen sich zum 1.5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens und den daraus abgeleiteten deutschen und europäischen Klimaschutz-Zielen. Die Frage ist: Schaffen sie es, sich schon bei den Koalitionsverhandlungen auf ein Sofortprogramm zu einigen, das klarmacht: Unmittelbar mit Amtsantritt der neuen Bundesregierung geht es los? Und ganz konkret: Wie geht es los? Die Kernpunkte müssen jetzt in den Verhandlungen geklärt werden. Da gibt es durchaus Konfliktpotenzial.
An welchen Stellen?
Beispielsweise bei der Frage um einen vorgezogenen Kohleausstieg oder dem Vertrauen darauf, dass der Markt das regelt. Es stimmt zwar, dass ein ausreichend hoher CO2-Preis die Kohleverstromung unwirtschaftlich macht. Wir brauchen aber parallel einen deutlich stärkeren Ausbau von Windkraft und Solarenergie. Die Geschwindigkeit muss verdreifacht werden. In Deutschland und auch in Europa. Das geht nur mit klaren Zielmarken, Ausschreibungen von ausreichenden Fördermengen, Beschleunigung der Genehmigungsverfahren. Marktmechanismen allein reichen nicht aus, es gehört auch Ordnungsrecht dazu. Da wird sich die FDP weiterentwickeln müssen.
Und Sie gehen davon aus, dass sie das wird?
Die Diskussion in Deutschland ist ja nicht isoliert. In Brüssel haben wir das “Fit for 55”-Paket, und das basiert auf einem Mix von Instrumenten. Deutschland als einer der wichtigsten Verhandlungspartner sollte sich auf nationaler Ebene als Befürworter eines solchen Instrumentenmix positionieren. Insofern glaube ich, dass alle Parteien da pragmatisch sein werden, wenn über Europa bereits eine Richtung eingeschlagen wurde.
Im Wahlkampf hat Europa praktisch keine Rolle gespielt. Dabei stehen gerade im Klimabereich richtungsweisende Entscheidungen an. Wird sich das in den Koalitionsgesprächen stärker bemerkbar machen?
Das würde ich mir wünschen. Natürlich müssen Dinge wie der Kohleausstieg national diskutiert werden. Aber es geht nicht ohne den europäischen Verbund. Dabei sollte Deutschland für bestimmte Eckpunkte möglichst früh progressive Positionen etablieren. Beispielsweise beim Umstieg vom Verbrenner auf Elektromobilität. Der Vorschlag der Kommission für neue CO2-Flottengrenzwerte ist nicht ambitioniert genug und ermöglicht den Verkauf großvolumiger SUV bis 2029. Aus Sicht einzelner Automobilkonzerne ist das nachvollziehbar, da sie mit dem Verkauf von Premiummodellen den Umbau zur Elektromobilität finanzieren möchten. Aber in der Konsequenz würden wir stark ansteigende Preise im neuen ETS für Verkehr und Gebäude sehen. Um die Emissionen im Verkehrsbereich früher herunterzubringen, braucht es ambitioniertere Zwischenziele bereits vor 2030.
Das würden allerdings nicht alle Parteien unterschreiben. Union und FDP fordern mehr Technologieoffenheit und setzen auf den Markt.
Der Markt hat bereits die Richtung gewiesen. Und zwar zu vollelektrischen Fahrzeugen. Da muss die Politik jetzt die Rahmenbedingungen schaffen. Insbesondere durch den schnellen Aufbau der Lade-Infrastruktur. Und dadurch, dass die erforderlichen Wertschöpfungsketten auch in Deutschland entstehen. Ich bin da optimistisch, dass man sich auf die günstigste Technologie einigen kann. Selbst die Automobilindustrie sagt ja deutlich, dass sie auf Elektromobilität setzt.
FDP und Grüne können sich also zusammenraufen?
Beide Parteien stehen für Zukunftsthemen. Darin sehe ich die größte Schnittmenge. Innovation, Digitalisierung, Klimaschutz und Energiewende. Das ist die Veränderung gegenüber der Großen Koalition, was sich auch in der Wählerschaft widerspiegelt. Die meisten Wähler der Union und auch der SPD waren über 60, wohingegen die jungen Wähler ihre Stimme den Grünen und der FDP gaben. Energiewende und Klimaschutz mit Innovation und Digitalisierung zu verbinden und beides voranzutreiben: Ich kann mir gut vorstellen, dass FDP und Grüne ein interessantes gemeinsames Paket entwickeln und damit sehr anschlussfähig sind zu dem, was in Europa passiert.
Dennoch werden sie die Union oder die SPD mit an Bord nehmen müssen (Europe.Table berichtete), die Tendenz geht in Richtung Ampel. Wo liegen da die Knackpunkte?
Größtes Fragezeichen in Richtung Europa sind die unterschiedlichen Aussagen der Parteien zur Fiskalpolitik. Die FDP will keine weiteren Schulden und auf der anderen Seite Steuern senken. Und das in einer Situation, in der der Klimaschutz einer großen Menge an Investitionen bedarf. Die SPD hat sich mit Olaf Scholz als Finanzminister in der Corona-Krise bereits flexibel gezeigt, andernfalls wäre “Next Generation EU” als schuldenfinanziertes europäisches Wiederaufbauprogramm nicht möglich gewesen. Der europäische Wiederaufbaufonds läuft bis 2026. Danach sind wir wieder in der normalen Haushaltspolitik. Die Herausforderung, in Klimaschutz und Digitalisierung zu investieren, ist aber bis dahin nicht beendet. Deshalb sollte die Koalitionsvereinbarung unseren europäischen Partnern signalisieren, dass die zukünftige Bundesregierung eine Weiterentwicklung des Fiskalpakts unterstützt.
In Europa ist die Sorge groß (Europe.Table berichtete), dass mit einem FDP-geführten Finanzministerium eben das nicht passiert.
Ich glaube, Europa hat vor allem die Sorge, dass diese Ebene bei den Verhandlungen zu wenig mitgedacht wird. Es ist niemandem geholfen, wenn Deutschland einen gesunden Haushalt hat, aber unsere Partner in Europa die Zukunftsinvestitionen, die wir brauchen, nicht tätigen können. Dann wird Europa nicht klimaneutral.
Deutschland galt in der europäischen Klimapolitik in den vergangenen Jahren eher als Bremsklotz. Wird es mit einer Regierungsbeteiligung der Grünen jetzt zum Gaspedal?
Die Maßnahmen, die wir brauchen, um die deutschen und die europäischen Klimaschutzziele zu erfüllen, erfordern in der Tat ordentlich Tempo. Denn in den vergangenen Jahrzehnten haben wir viel zu wenig getan. Es ist ein enorm breites Feld, das verdeutlicht die Kommission mit dem Green Deal. Es geht nicht mehr nur um Emissionshandel und Effort Sharing, sondern um die gesamte Wirtschaft, um Infrastruktur, Beihilfen und soziale Aspekte. Klimaschutz muss über alle Themen der zentrale Referenzpunkt sein. Das geht nur, wenn eine Bundesregierung das ganze politische Gewicht, das sie hat, da einbringt. Die neue Bundesregierung muss jetzt progressive Positionen entwickeln und aus dieser passiven Rolle, die wir lange gespürt haben, herauskommen.
Ihr Wunsch an die nächste Regierung?
Wir brauchen ein Klima-Sofortprogramm, mit dem die neue Regierung bereits in den ersten 100 Tagen beginnt, wirksame Klimaschutzmaßnahmen in allen Bereichen zu beschließen. Mit dem neuen Klimaschutzgesetz gibt es für jedes Jahr ein Reduktionsziel. Wenn das nicht erreicht wird, muss im Jahr darauf umso mehr geleistet werden. Dann kommen wir in eine Situation, in der die nächste Bundesregierung Jahr für Jahr Zielverfehlungen anmelden muss. Und das wäre ein fatales Signal. Wir müssen ab Tag eins vorangehen. Dann sehen wir einen Aufbruch beim Klimaschutz, den wir so noch nie hatten. Und das ist das Signal, das wir brauchen.
Unser Portrait über Matthias Buck finden Sie hier.
Euro-Gruppe
04.10.2021 15:00 Uhr
Akteure: Finanzminister:innen der Euro-Länder
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung der Euro-Gruppe stehen unter anderem die makroökonomische Entwicklung in der Eurozone, die Implementierung des Aufbau- und Resilienzplans (RRF) sowie die Schlussfolgerungen aus der Covid-19-Pandemie. Auch die gestiegenen Energiepreise sollen zur Sprache kommen.
Vorläufige Tagesordnung
Plenarsitzung EU-Parlament: Aussprachen zu Agenda 2030, Künstliche Intelligenz
04.10.2021 17:00-22:00 Uhr
Akteure: DEVE, LIBE, JURI, FEMM, PETI
Agenda: Themen der Aussprachen sind unter anderem die Rolle der Entwicklungspolitik bei der Eindämmung des Verlusts an biologischer Vielfalt in Entwicklungsländern sowie Künstliche Intelligenz im Strafrecht und ihre Verwendung durch die Polizei und Justizbehörden in Strafsachen.
Vorläufige Tagesordnung
Wöchentliche Sitzung der EU-Kommission
05.10.2021
Akteure: EU-Kommission
Agenda: Auf der vorläufigen Agenda steht eine gemeinsame Mitteilung zur Arktis und eine Mitteilung über die EU-Strategie zur Bekämpfung des Antisemitismus. Hinzu kommt ein Austausch über die europarechtliche Dimension möglicher Maßnahmen der Mitgliedsstaaten gegen die gestiegenen Energiepreise. Im Anschluss findet um ca. 15 Uhr eine Pressekonferenz statt.
Vorläufige Tagesordnung Pressekonferenz Live
Plenarsitzung EU-Parlament: Aussprache zur Zukunft der Beziehungen zwischen EU und USA
05.10.2021 09:00-11:30 Uhr
Akteure: AFET
Agenda: Das Thema der Aussprache ist der AFET-Bericht über die Zukunft der Beziehungen zwischen der EU und den USA.
Vorläufige Tagesordnung Bericht
Rat der EU: Wirtschaft und Finanzen
05.10.2021 10:00 Uhr
Akteure: Wirtschafts- und Finanzminister:innen der EU-Mitgliedstaaten
Agenda: Die Ratssitzung beschäftigt sich voraussichtlich mit dem Aufbau- und Resilienzplan (RRF), der Vorbereitung des G20-Finanzministertreffens vom 12.-14. Oktober sowie den Klimafinanzen.
Vorläufige Tagesordnung
Plenarsitzung EU-Parlament: Aussprachen zu Belarus, Taiwan, Türkei, Cyberabwehr
05.10.2021 15:00-22:00 Uhr
Akteure: AFET, DEVE, BUDG
Agenda: Themen der Aussprachen sind unter anderem die Lage in Belarus, die politischen Beziehungen zwischen der EU und Taiwan, der Bericht über die Umsetzung der Treuhandfonds der EU und der Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei sowie der Stand der Fähigkeiten der EU im Bereich der Cyberabwehr.
Vorläufige Tagesordnung
Plenarsitzung EU-Parlament: Aussprache zu Lösungen für den Anstieg der Energiepreise für Unternehmen und Verbraucher
06.10.2021 09:00-11:30 Uhr
Akteure: EP, Rat, Kommission
Agenda: Das Thema der Aussprache mit Vertretern von Rat und Kommission ist der stark gestiegene Gas-Preis, seine Auswirkung auf den europäischen Energiemarkt sowie mögliche Gegenmaßnahmen.
Vorläufige Tagesordnung
EU-Westbalkan-Gipfel
06.10.2021 09:30-13:30 Uhr
Akteure: Europäischer Rat, EU-Kommission, Staaten des Westbalkans
Agenda: Auf der Agenda stehen unter anderem die europäische Perspektive für den Westbalkan, die Umsetzung des Wirtschafts- und Investitionsplans für den Westbalkan sowie die Prüfung einer engeren Zusammenarbeit bei politischen und sicherheitspolitischen Fragen.
Tagesordnung und Hintergrund Wirtschafts- und Investitionsplan
Rat der EU: Umwelt
06.10.2021 09:30 Uhr
Akteure: Umweltminister:innen der Mitgliedsstaaten
Agenda: Auf der vorläufigen Agenda der Ratssitzung stehen eine Änderung verschiedener Verordnungen und Richtlinien in Zusammenhang mit dem “Fit for 55”-Paket, die Diskussion über eine mögliche Verordnung über einen Klima-Sozialfonds und die Beratung über die neue EU-Waldstrategie für 2030.
Vorläufige Tagesordnung
Plenarsitzung EU-Parlament: Aussprache zur Asylagentur der Europäischen Union
07.10.2021 09:00-11:50 Uhr
Akteure: LIBE
Agenda: Das Thema der Aussprache ist der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Asylagentur der Europäischen Union.
Vorläufige Tagesordnung Verordnung
Rat der EU: Justiz
07.10.2021 14:00 Uhr
Akteure: Justizminister:innen der Mitgliedstaaten, EU-Kommission
Agenda: Die Ratssitzung beschäftigt sich voraussichtlich mit der Nachbereitung der Konferenz zum Thema Gesetzliche Regulierung von künstlicher Intelligenz – ethischer Aspekt und Grundrechte vom 20. Juli 2021 sowie mit der Bekämpfung von Online-Hatespeech.
Vorläufige Tagesordnung
Rat der EU: Inneres
08.10.2021 09:30 Uhr
Akteure: Innenminister:innen der Mitgliedstaaten, EU-Kommission
Agenda: Auf der vorläufigen Agenda der Ratssitzung stehen unter anderem der Bericht zur aktuellen Lage in Afghanistan, der Gedankenaustausch zur Migrationssituation in verschiedenen Regionen und eine Diskussion über die digitalen Dimensionen der Verfolgung von sexuellem Kindesmissbrauch.
Vorläufige Tagesordnung
Die Konfliktmineralien-Verordnung soll für bessere Bedingungen in den Produktionsländern sorgen. Doch erste Erfahrungen vor Ort zeigen: Die Verordnung ist eigentlich für große Unternehmen ausgelegt. Kleinbergbauarbeitern und Kooperativen werden Kosten auferlegt, die sie nicht stemmen können. Statt besserer Arbeitsbedingungen kommt es zu Schmuggel und Verlusten.
Seit Januar ist die Verordnung für Konfliktmineralien in Kraft. Weitere Gesetze zur Verbesserung der Sorgfaltspflicht entlang der Lieferketten sind in Arbeit. Ziel ist es, für bessere Arbeitsbedingungen und den Schutz der Menschenrechte all jener zu sorgen, die für die Produktion unserer Batterien, Handys und Co arbeiten müssen.
Doch wie die Implementierung der Konfliktmineralien-Verordnung zeigt, liegt ein tiefer Graben zwischen der Absicht der Brüsseler Technokraten und den tatsächlichen Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern. “Diese Gesetze werden für große Unternehmen entworfen, die über Arbeitskräfte und Ressourcen verfügen. Nicht aber für kleine Minenarbeiter und Kooperativen”, berichtete ein Mitglied einer kolumbianischen Goldminen-Kooperative anlässlich eines NGO-geleiteten Workshops zur Implementierung der Verordnung.
Der EU-Kommission fehlt die Expertise (Europe.Table berichtete), wenn es um den Entwurf effektiver Lieferketten-Gesetze geht. So wurde etwa ein Großteil der Begleitmaßnahmen der Konfliktmineralien-Verordnung, etwa die Erstellung der Listen von Konfliktgebieten oder die Prüfung von Industriekoalitionen, an externe Consultingunternehmen ausgelagert. Hinzu kommt, dass die zuständigen Beamten kaum direkte Einblicke in den Produktionsländern haben. “Wir brauchen eine Art Infotransfer, um zu sehen, wie die Regulierung wirkt”, sagte etwa Philipp Duppuis der Generaldirektion Handel anlässlich des Workshops.
Dabei hat die Kommission Delegationen in Entwicklungsländern, die unter anderem in Zusammenarbeit mit der Generaldirektion DEVCO für die Entwicklungszusammenarbeit in den Partnerländern zuständig sind und über die Zustände vor Ort berichten sollen. Diese wurden jedoch bei der Ausarbeitung der Konfliktmineralien-Verordnung wie auch bei der Ausarbeitung der zukünftigen Lieferketten-Gesetze größtenteils außen vor gelassen.
Den Minenarbeitern und Zulieferern in den Produktionsländern machen insbesondere drei Probleme zu schaffen:
So scheinen sich die Befürchtungen zu bestätigen, dass die Kosten, die durch die Berichtspflicht und die Prüfung der Lieferketten anfallen, bis ans unterste Glied der Lieferketten durchgereicht werden. “Wir verlieren unseren gesamten Profit, mit dem wir eigentlich Projekte wie den Bau neuer Kläranlagen umsetzen wollten”, klagt etwa ein kolumbianischer Goldminenarbeiter. Wegen der zusätzlichen Kosten und der hohen administrativen Bürden kämpften viele Minenarbeiter um ihr wirtschaftliches Überleben. “Sie verfügen nicht über die nötigen Ressourcen, um die vielen Auflagen zu erfüllen.”
Während große Rohstoffunternehmen ihren Wettbewerbsvorteil ausnutzen können, riskieren kleinere Betriebe, in den illegalen Handel abzurutschen, weil sie die Kosten nicht tragen können. Gleichzeitig fehlen den nationalen Behörden Personal und Kapazitäten zur Überprüfung der Lage in den Minen. “Sie zählen lediglich auf die Einnahmen, die die Unternehmen etwa durch die Lizenzgebühren abwerfen”, berichtet Andrés Angel vom Interamerikanischen Verband für Umweltschutz (AIDA).
Ähnlich ist die Lage auch in der Demokratischen Republik Kongo, wo die Nachverfolgung der Metalle aufgrund der vielen Konflikte besonders schwierig ist. Da sich die Minen vielfach in Hochrisikogebieten befinden, fallen zusätzliche Kosten für Audits, Zertifizierung und Überprüfung an.
Die Folge: Die Metalle werden vielfach über die angrenzenden Länder, zumeist Ruanda, aus dem Kongo geschmuggelt. Dort werden sie weiterverarbeitet und gehandelt – und landen dennoch auf dem europäischen Markt. “Es ist unmöglich, den Schürfern den niedrigsten Rohstoffpreis zu zahlen, ihnen aber gleichzeitig die Kosten der Nachverfolgung und Zertifizierung der Metalle aufzubürden”, sagt Bienvenu Abeli aus dem Kongo. Sie verlieren den Anschluss an den Markt, während Händler und Schmuggler in den Nachbarländern profitieren.
Um Schmuggel und finanzielle Verluste zu bekämpfen, ist eine fairere Kostenverteilung entlang der Lieferketten nötig. Die Bergbauarbeiter fordern mehr Transparenz in der Preisbestimmung und eine stärkere Beteiligung zivilgesellschaftlicher Organisationen zur Überprüfung der Lage vor Ort.
Die Minenarbeiter und Schürfer wissen oft nicht einmal, zu welchen Preisen die Rohstoffe entlang der Lieferkette gehandelt werden und wie viel Absatz Händler und Zwischenhändler machen. Sie fordern, dass sich die gesamte Lieferkette an den Kosten beteiligt. Von Kommissionsseite hieß es beim Workshop allerdings dazu, es sei nicht sicher, ob die Regulierung eine Antwort darauf geben könne – sprich, wie man die Kostenverteilung fairer gestalten könne.
Währenddessen können kleinere Unternehmen, wie Importeure und Zulieferer, die durch die Sorgfaltspflicht anfallenden Mehrkosten selbst nur schwer stemmen. “Wir drängen uns durch die Auflagen vom Markt”, klagt etwa Maarten Gassmann, Ausschussleiter des Verbands Deutscher Metallhändler (VDM) und Geschäftsführer eines Wolfram-Unternehmens. Doch die Großunternehmen am Ende der Lieferkette sind nicht bereit, die Mehrkosten zu tragen. “Der Kundendruck wird von oben durch die Lieferkette hindurchgereicht. Die vorgelagerte Lieferkette hat den zusätzlichen Aufwand”, sagt Pia Hackert von der Wirtschaftsvereinigung Metalle.
Es bestehe die Gefahr, dass Kleinunternehmen entlang der Minen den Zugang zum globalen Markt verlieren, warnt Miriam Saage-Maaß vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR). Durch Gesetze wie die Konfliktmineralien-Regulierung werde von außen in die lokale Wirtschaft eingegriffen, ohne dass die Betroffenen wirklich mit einbezogen würden. Daher fordert die Expertin für Sorgfaltspflicht einen stärkeren Austausch mit den Menschen vor Ort, etwa durch die Aufwertung der zivilgesellschaftlichen Arbeit. Es gebe etwa zahlreiche gut vernetzte NGOs, die in engem Kontakt mit den Betroffenen stünden.
In einer zunehmend globalisierten Welt sind die Rohstofflieferketten allerdings besonders schwer aufzuschlüsseln, gibt Pia Hackert von der Wirtschaftsvereinigung Metalle zu bedenken. “Es sind viele Marktakteure zwischengeschaltet, sodass oftmals nicht direkt aus der Mine bezogen wird.”
Es reiche nicht, dass Unternehmen ihre Sorgfaltspflicht einfach auslagerten und die Verantwortung abgäben, sagt Olena Wiaderna, Geschäftsführerin von LuNa Smelter. Das Zinnunternehmen ist ein Zusammenschluss der ruandischen Holding Ngali und der maltesischen Holding Luma und gilt als Positivbeispiel. “Alle müssen sich an der Sorgfaltspflicht beteiligen.” Gleichzeitig könne die Arbeit vor Ort nur klappen, wenn auch in die Unterstützung und Fortbildung von Minenarbeitern investiert werde. “Es muss mehr Geld für den Kapazitätsaufbau in den Produktionsländern freigestellt werden.”
Die 20 Millionen Euro, die die EU für Begleitmaßnahmen zur Implementierung vor Ort freigestellt hat, sind demnach zu kurz gedacht.
Nach Spanien und Tschechien hat nun auch Polen die EU aufgefordert, Maßnahmen zur Eindämmung der steigenden Gas- und Energiepreise zu ergreifen. Wenn kommenden Mittwoch der Energierat in Luxemburg zusammenkommt, werden die Energieminister der EU-Staaten auch darüber sprechen, wie man die Folgen der Rekordpreise für die Länder möglichst gering halten kann.
Die EU-Kommission berät schon am Dienstag über einen “Werkzeugkasten“ an Maßnahmen, mit denen Länder auf Energiepreisspitzen reagieren können, ohne gegen EU-Regeln zu verstoßen. Die Umsetzung der Maßnahmen liegt anschließend jedoch bei den Mitgliedstaaten. Auch beim Gipfeltreffen der Regierungschefs im Europäischen Rat am 21. und 22. Oktober soll das Thema auf der Tagesordnung stehen.
“Die Mitgliedstaaten brauchen die Flexibilität, um schnelle, befristete Maßnahmen zum Schutz der Verbraucher und zur Gewährleistung einer fairen Behandlung unserer Unternehmen einzuführen”, erklärte die polnische Regierung. Sie forderte Brüssel auf, den Einfluss der Finanzmarktteilnehmer auf die Preise für die CO2-Zertifikate der EU einzudämmen.
Der Energiepreisanstieg hat einige Mitgliedstaaten dazu veranlasst, die energiepolitischen Maßnahmen des Green Deals infrage zu stellen. “Bei der Gestaltung der Energie- und Klimapolitik müssen wir auf ihre gesellschaftliche Akzeptanz achten, sonst riskieren wir ihr Scheitern”, hieß es aus Polen. Die Kommission argumentierte dagegen, dass eine schnellere Umstellung auf saubere Energie Europa vor zukünftigen Preissteigerungen schützen werde, weil auf diese Weise die Abhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen abnehme. rtr/luk
Die seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie gelockerten Regeln für staatliche Hilfen werden noch einmal verlängert. Die Vize-Präsidentin der EU-Kommission, Margrethe Vestager, sagte am Donnerstag, es gebe zwischen den EU-Mitgliedsländern riesige Unterschiede bei den Corona-Hilfen, ein zu plötzlicher Abriss müsse aber verhindert werden. Es solle daher ein langsames Auslaufen geben.
Vor allem kleine und mittelgroße Firmen, die weiter unter der Krise leiden, sollen länger Staatshilfen bekommen können. Sie sind meist stark abhängig von Bank-Krediten und durch die Pandemie oft deutlich stärker verschuldet. Die EU-Kommission schlägt vor, die gelockerten Regeln bis Mitte 2022 beizubehalten. Das sind weitere sechs Monate.
Die Lockerungen sind seit März 2020 in Kraft. Tausende Unternehmen haben davon profitiert – insgesamt mit mehr als drei Billionen Euro. Deutschland hat in der Krise überdurchschnittlich viel Geld zur Stützung der Konjunktur mobilisiert.
Die EU-Kommission ist in Europa für die Wettbewerbspolitik zuständig, soll also für gleiche Wettbewerbsbedingungen sorgen. Deswegen werden staatliche Hilfen stets in Brüssel unter die Lupe genommen. rtr
Europäische Unternehmen sind dazu angehalten, sich zu den Pariser Zielen zu bekennen und eigene Klimaziele auszugeben. Die sogenannte Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) soll Firmen in Zukunft zur Bereitstellung solcher Informationen verpflichten. Bisher gibt allerdings nicht mal die Hälfte aller deutschen Unternehmen überhaupt Klimaziele an, wie aus den Daten der Europäischen Klimaschutzinitiative (Euki) hervorgeht.
Von den 108 untersuchten Firmen – darunter unter anderem Volkswagen, BMW, Deutsche Telekom, Siemens, Allianz und BASF – gaben nur 50 (46 Prozent) Klimaziele zur Reduktion der eigenen Emissionen an und legten klimarelevante Risikoanalysen vor. Nur 38 Unternehmen (35 Prozent) gaben zudem wissenschaftlich fundierte Klimaziele an und nur vier bezogen sich dabei auf das 1,5-Grad-Ziel.
Die Euki-Daten wurden am Mittwoch von der Alliance for Corporate Transparency vorgestellt. Sie zeigen, dass sich die Informationen, die Unternehmen zu ihren Klimazielen bereitstellen, unter den Mitgliedstaaten stark unterscheiden. Während die Daten für Spanien denen aus Deutschland ähneln, veröffentlichten in Polen gerade einmal 21 Prozent der untersuchten Firmen überhaupt Klimaziele (in Tschechien 38 Prozent) und nur 11 Prozent Ziele auf wissenschaftlicher Basis (Tschechien 31 Prozent).
Die EU-Kommission hatte im April vorgeschlagen, ab 2023 die Berichtspflichten von Unternehmen um einige Nachhaltigkeitskriterien zu erweitern. Darunter fallen neben Umweltaspekten auch Informationen zu Anti-Korruptionsmaßnahmen, zur sozialen Gerechtigkeit im Unternehmen sowie zur Menschenrechtslage entlang der Wertschöpfungskette. Firmen sollen durch die Berichtspflichten dazu angehalten werden, sich für mehr unternehmerische Nachhaltigkeit einzusetzen. Die Corporate Sustainability Reporting Directive wandert derzeit durch die EU-Instanzen. luk
Vor den Sondierungsgesprächen zur Bildung einer Ampel-Dreierkoalition aus SPD, Grünen und FDP oder Jamaika-Viererkoalition aus CDU, CSU, FDP und Grünen stehen nun weitere Details fest. Der erste Gesprächstermin zwischen Union und FDP ist von Samstag auf Sonntagabend (3.10., 18:30 Uhr) verschoben worden.
Aus der CDU werden erwartungsgemäß zehn Personen teilnehmen: der Parteivorsitzende Armin Laschet, Fraktionschef Ralf Brinkhaus und Generalsekretär Paul Ziemiak. Hinzu kommen als stellvertretende Bundesvorsitzende der baden-württembergische Landesvorsitzende Thomas Strobl und der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier, zwei schwarz-grüne beziehungsweise grün-schwarze Koalitionäre. Ebenfalls stellvertretende Parteivorsitzende und damit Sondierungsteilnehmer sind die niedersächsische Bundestagsabgeordnete Silvia Breher und Gesundheitsminister Jens Spahn. Außerdem mit am Tisch: Reiner Haseloff, frisch im Amt bestätigter Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, der dort gerade erst mit dem Wechsel von einer Kenia- zu einer Deutschlandkoalition die Trennung von den Grünen zugunsten der FDP vollzog. Außerdem Daniel Günther, Ministerpräsident einer Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein.
Die CSU geht nur mit der halben Mannschaftsstärke (fünf Personen) in die Gespräche: die Digitalstaatsministerin und stellvertretende Parteivorsitzende Dorothee Bär und Landesgruppen-Geschäftsführer Stefan Müller sollen neben dem Parteivorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und Generalsekretär Markus Blume die Gespräche für die bayerische Unionsschwester führen.
Die FDP hat ihr Team nun ebenfalls auf zehn Personen ausgedehnt: neben dem Partei- und Fraktionsvorsitzenden Christian Lindner und Generalsekretär Volker Wissing sind mit dem parlamentarischen Geschäftsführer Marco Buschmann die Parteipräsidiumsmitglieder Johannes Vogel, die Landesvorsitzende der Sachsen-Anhalt-FDP Lydia Hüskens, die hessische Bundestagsabgeordnete Bettina Stark-Watzinger, der Vorsitzende des Landesverbands Baden-Württemberg Michael Theurer, die EP-Abgeordneten Nicola Beer und Moritz Körner sowie Bundesschatzmeister Harald Christ fast alle Präsidiumsmitglieder dabei. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki ist aufgrund eines medizinischen Eingriffes zu Beginn verhindert, soll aber danach ebenfalls Teil des FDP-Sondierungsteams werden. fst
Die Verhandlungen um eine verbesserte Privacy-Shield-Vereinbarung zwischen der EU und den USA seien noch nicht reif, so Věra Jourová, Kommissions-Vizepräsidentin für Werte und Transparenz, gestern bei einer digitalen Veranstaltung. “Wir brauchen noch mehr Zeit, vielleicht mehrere Monate, die Verhandlungen abzuschließen”, sagte sie. Von europäischer Seite sei man sehr vorsichtig. Denn man wisse genau: “Wir werden nichts unterschreiben können, das nicht garantiert, dass wir am EuGH nicht irgendwann Schrems-III-Dinge erleben, die dann das neue System annullieren.”
Der Datenschutz-Aktivist Max Schrems hatte im Europe.Table angekündigt, auch gegen eine Neuauflage vor Gericht zu gehen, wenn diese unzureichend sein sollte.
Auf die Frage, ob die vom EuGH geforderten Änderungen der bisherigen Privacy-Shield-Vereinbarung statt auf dem Wege der Gesetzgebung über Erlasse des US-Präsidenten erfolgen könnten, antwortete Jourová, dass diese Option den Vertragsabschluss sehr schwierig machen würde. “Das erfordert auf amerikanischer Seite viele Maßnahmen und Absicherungen, um einen gleichwertigen Schutz zu garantieren.”
Der für das Privacy Shield zuständige Director im US-Handelsministerium Alex Greenstein hatte die Möglichkeit der Exekutivbefugnisse kürzlich ins Spiel gebracht (Europe.Table berichtete). Jourová bevorzugt den Weg bundesgesetzlicher Regelungen in den USA, will dies aber nicht als conditio sine qua non, als absolute Vorbedingung für eine Neuauflage des Privacy Shields verstanden wissen. koj
Mit einem Förderfonds über 200 Millionen Euro pro Jahr soll die EU die europäische Produktion von Seltenerd-Magneten ankurbeln, die für Elektroautos und Windkraftanlagen unerlässlich sind. Das forderte die European Raw Materials Alliance (ERMA) am Donnerstag. Auf diese Weise soll die Abhängigkeit von China verringert werden.
Laut ERMA sollten Produzenten Steuererleichterungen bekommen als Teil des EU-Plans, bis 2030 ein Fünftel ihres eigenen Bedarfs an Magneten selbst zu produzieren. Derzeit werden 95 Prozent der Magnete der EU aus China importiert. Die EU berät deshalb über Möglichkeiten, europäische Produzenten zu unterstützen, um sie konkurrenzfähig zu machen.
Die ERMA fordert, dass die EU gleiche Wettbewerbsbedingungen zu China schaffen müsse, da europäische Magnete aufgrund der staatlichen Subvention aus Peking 20 bis 30 Prozent teurer sind als chinesische Produkte. Produzenten haben der ERMA 14 Projekte im Gesamtumfang von 1,7 Milliarden Euro vorgeschlagen, die es der EU ermöglichen würden, die Produktion von Permanentmagneten bis 2030 von derzeit 500 Tonnen auf 7.000 Tonnen zu vergrößern. rtr/luk
Eine ungeschriebene Regel für Bundestagskandidaten lautet: Drei Versuche – dann ist Schluss. Doch wer mit 36 Jahren bereits zum vierten Mal als Direktkandidat aufgestellt ist, für den gilt diese Regel nicht.
2017 scheiterte Umweltaktivist Karl Bär äußerst knapp an einem Einzug über die Landesliste der Grünen in Bayern. Bär holte das zweitbeste Erststimmenergebnis für seine Partei in Bayern, beachtliche 13,6 Prozent, deutlich besser als der Landesschnitt. Die CSU holte alle Direktmandate – elf Grüne schafften es über die Landesliste auf die blauen Plenarsaalsessel. Bär aber stand auf Listenplatz zwölf. Da auch kein bayrischer Grüner aus dem Mandat ausschied, blieb er Beinaheabgeordneter, wie schon in der vorangegangenen Legislatur.
Doch das ist diesmal anders. Bär kandidierte erneut auf Listenplatz zwölf für den 20. Deutschen Bundestag – und ist nun gewählter Abgeordneter. Immerhin 15 Prozent der Erststimmen holte er am vergangenen Sonntag, ein überaus respektables Ergebnis im Wahlkreis. Der zweite Platz hinter Alexander Radwan (CSU), der mit 41,3 Prozent unangefochten direkt gewählter Abgeordneter blieb.
Manchen Interessenvertretern dürfte dies Kopfschmerzen bereiten – denn Karl Bär ist für sie ein schwieriger Abgeordneter. Der frühere Grüne Jugend-Vorstand kämpft nicht nur für ein anderes Familienrecht. Sondern seit Jahren für die Umwelt – und zwar so, wie er es für richtig hält. Er ist überzeugt, dass pestizidfreie Landwirtschaft, Ökolandbau und mehr Nachhaltigkeit auf allen Ebenen nötig sind.
Karl Bär und sein bisheriger Arbeitgeber, der Verein Umweltinstitut München, hatten 2017 eine Kampagne der Südtiroler Tourismuswerbung persifliert. Sie wollten so auf den Pestizideinsatz im Südtiroler Obstanbau hinweisen, der so gar nicht zum Naturimage der Region passe. Daraufhin wurde der Agrarwissenschaftler vom Landesrat und 1377 Südtiroler Landwirten wegen übler Nachrede verklagt.
Für einige ist das ein Beispiel für eine SLAPP, eine strategische Klage gegen unliebsame öffentliche Aufmerksamkeit – ein Thema, das derzeit im Europaparlament behandelt wird. Die Region Südtirol bekam durch Medienberichte über den Fall noch mehr Aufmerksamkeit für das Pestizidthema, als ihr lieb war. Daraufhin zogen fast alle Kläger zurück – nur zwei Südtiroler Landwirte schalteten auf stur.
Das Verfahren in Bozen gegen Karl Bär wurde seitdem mehrfach vertagt. Aktuell ist die Verhandlung für den 29. Oktober angesetzt – und auch das Bundestagsmandat ändert am Fortgang erst einmal nichts. Denn mit Bärs Einzug in den Bundestag gelten für ihn zwar wie für alle neugewählten Abgeordneten ab dem Wahltag die Immunitäts- und Indemnitätsregeln. Allerdings nur in Deutschland.
Wer Bär für monothematisch hält, irrt: Familienpolitik, Agrar- und Umweltpolitik sind bei Weitem nicht die einzigen Themen, mit denen er sich beschäftigt hat. Neben Agrarwissenschaften studierte er in Berlin ab 2005 auch Islamwissenschaften. Bärs politische Präferenz ist klar: lieber eine Ampel als Jamaika. R2G wäre ihm wohl noch lieber gewesen. Mit der bisherigen Staatsministerin für Digitalisierung Dorothee Bär (Wahlkreis Bad Kissingen) von der CSU ist Karl Bär (Wahlkreis Bad Tölz) nicht verwandt oder verschwägert. Falk Steiner
Um ihr erstes Treffen im Januar 2016 spinnen sich einige Legenden. Tim Cook soll sehr laut geworden sein, als der Apple-Chef Margrethe Vestager in ihrem Büro im Berlaymont besuchte. Was die Wettbewerbskommissarin offenkundig wenig beeindruckte: Acht Monate später verdonnerte sie den US-Konzern zu einer Steuernachzahlung von 13 Milliarden Euro. Eine Entscheidung, die Cook öffentlich als “totalen politischen Mist” bezeichnete. (Das Gericht der EU sah es übrigens ähnlich, auch wenn die Richter es anders formulierten, und hob den Kommissionsentscheid in erster Instanz auf.)
Man würde also gerne an der Tür lauschen, wenn Vestager und Cook am heutigen Freitag erneut aufeinandertreffen, in New York diesmal. Zumal der Apple-CEO wieder Diskussionsbedarf hat. Worüber gesprochen werden soll, darüber schweigt sich die Kommission zwar aus – “Digital- und Wettbewerbsthemen” würden diskutiert, so ein Sprecher nur. Aha.
Es ist aber kein Geheimnis, welches Thema Cook besonders unter den Nägeln brennt: der Digital Markets Act, genauer gesagt Artikel 6(1)c. Cook befürchtet, die Wettbewerbshüter könnten sein Unternehmen auf dieser Grundlage dazu verdonnern, das sogenannte Sideloading zu ermöglichen: Die Kunden könnten dann Software über andere Kanäle als Apples App-Store auf ihre iPhones laden. Das aber würde “die Sicherheit des iPhones zerstören”, warnte er im Juli. Es könnte also wieder lauter werden. Till Hoppe
wenn sich die neue Regierung an die Arbeit macht, müsse es schnell gehen mit den Klima-Maßnahmen – auf die ersten 100 Tage komme es an. Das sagt Matthias Buck, Direktor für den Bereich Europäische Energiepolitik beim Think-Tank Agora Energiewende. Wie Buck auf Deutschlands Rolle im europäischen Klimaschutz blickt und wie er die Chancen auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit von Grünen und FDP einschätzt, darüber spricht er im Interview mit Timo Landenberger.
Die Konfliktmineralien-Verordnung soll eigentlich für bessere Bedingungen in den Produktionsländern sorgen und auch das schlechte Gewissen beim Kauf von Elektroautos und Smartphones reduzieren. Doch bei der Umsetzung vor Ort gibt es große Probleme, von denen vor allem Kleinbergbauarbeiter und Kooperativen betroffen sind, wie Charlotte Wirth unter anderem von Menschen aus Kolumbien und dem Kongo erfahren hat.
Die steigenden Energiepreise sorgen für Unruhe und veranlassen immer mehr Mitgliedstaaten, sich an die EU zu wenden. Nun verlangt auch Polen Maßnahmen zur Eindämmung des Preisanstiegs. Deutschlands östlicher Nachbar nimmt die Entwicklung außerdem zum Anlass, sich kritisch zum Green Deal zu äußern.
Herr Buck, die Sondierungsgespräche sind terminiert. FDP und Grüne haben bereits eine Nachtschicht eingelegt und alle beteuern: Es soll schnell gehen, 2017 dürfe sich nicht wiederholen. Ist das realistisch?
Nach allem, was ich höre, bin ich optimistisch. Bei den Ansätzen der Parteien, gerade wenn es um Klimaschutz und Energiewende geht, sind die Differenzen nicht so groß, als dass man sie nicht überwinden könnte. Die Parteien bekennen sich zum 1.5-Grad-Ziel des Pariser Klimaschutzabkommens und den daraus abgeleiteten deutschen und europäischen Klimaschutz-Zielen. Die Frage ist: Schaffen sie es, sich schon bei den Koalitionsverhandlungen auf ein Sofortprogramm zu einigen, das klarmacht: Unmittelbar mit Amtsantritt der neuen Bundesregierung geht es los? Und ganz konkret: Wie geht es los? Die Kernpunkte müssen jetzt in den Verhandlungen geklärt werden. Da gibt es durchaus Konfliktpotenzial.
An welchen Stellen?
Beispielsweise bei der Frage um einen vorgezogenen Kohleausstieg oder dem Vertrauen darauf, dass der Markt das regelt. Es stimmt zwar, dass ein ausreichend hoher CO2-Preis die Kohleverstromung unwirtschaftlich macht. Wir brauchen aber parallel einen deutlich stärkeren Ausbau von Windkraft und Solarenergie. Die Geschwindigkeit muss verdreifacht werden. In Deutschland und auch in Europa. Das geht nur mit klaren Zielmarken, Ausschreibungen von ausreichenden Fördermengen, Beschleunigung der Genehmigungsverfahren. Marktmechanismen allein reichen nicht aus, es gehört auch Ordnungsrecht dazu. Da wird sich die FDP weiterentwickeln müssen.
Und Sie gehen davon aus, dass sie das wird?
Die Diskussion in Deutschland ist ja nicht isoliert. In Brüssel haben wir das “Fit for 55”-Paket, und das basiert auf einem Mix von Instrumenten. Deutschland als einer der wichtigsten Verhandlungspartner sollte sich auf nationaler Ebene als Befürworter eines solchen Instrumentenmix positionieren. Insofern glaube ich, dass alle Parteien da pragmatisch sein werden, wenn über Europa bereits eine Richtung eingeschlagen wurde.
Im Wahlkampf hat Europa praktisch keine Rolle gespielt. Dabei stehen gerade im Klimabereich richtungsweisende Entscheidungen an. Wird sich das in den Koalitionsgesprächen stärker bemerkbar machen?
Das würde ich mir wünschen. Natürlich müssen Dinge wie der Kohleausstieg national diskutiert werden. Aber es geht nicht ohne den europäischen Verbund. Dabei sollte Deutschland für bestimmte Eckpunkte möglichst früh progressive Positionen etablieren. Beispielsweise beim Umstieg vom Verbrenner auf Elektromobilität. Der Vorschlag der Kommission für neue CO2-Flottengrenzwerte ist nicht ambitioniert genug und ermöglicht den Verkauf großvolumiger SUV bis 2029. Aus Sicht einzelner Automobilkonzerne ist das nachvollziehbar, da sie mit dem Verkauf von Premiummodellen den Umbau zur Elektromobilität finanzieren möchten. Aber in der Konsequenz würden wir stark ansteigende Preise im neuen ETS für Verkehr und Gebäude sehen. Um die Emissionen im Verkehrsbereich früher herunterzubringen, braucht es ambitioniertere Zwischenziele bereits vor 2030.
Das würden allerdings nicht alle Parteien unterschreiben. Union und FDP fordern mehr Technologieoffenheit und setzen auf den Markt.
Der Markt hat bereits die Richtung gewiesen. Und zwar zu vollelektrischen Fahrzeugen. Da muss die Politik jetzt die Rahmenbedingungen schaffen. Insbesondere durch den schnellen Aufbau der Lade-Infrastruktur. Und dadurch, dass die erforderlichen Wertschöpfungsketten auch in Deutschland entstehen. Ich bin da optimistisch, dass man sich auf die günstigste Technologie einigen kann. Selbst die Automobilindustrie sagt ja deutlich, dass sie auf Elektromobilität setzt.
FDP und Grüne können sich also zusammenraufen?
Beide Parteien stehen für Zukunftsthemen. Darin sehe ich die größte Schnittmenge. Innovation, Digitalisierung, Klimaschutz und Energiewende. Das ist die Veränderung gegenüber der Großen Koalition, was sich auch in der Wählerschaft widerspiegelt. Die meisten Wähler der Union und auch der SPD waren über 60, wohingegen die jungen Wähler ihre Stimme den Grünen und der FDP gaben. Energiewende und Klimaschutz mit Innovation und Digitalisierung zu verbinden und beides voranzutreiben: Ich kann mir gut vorstellen, dass FDP und Grüne ein interessantes gemeinsames Paket entwickeln und damit sehr anschlussfähig sind zu dem, was in Europa passiert.
Dennoch werden sie die Union oder die SPD mit an Bord nehmen müssen (Europe.Table berichtete), die Tendenz geht in Richtung Ampel. Wo liegen da die Knackpunkte?
Größtes Fragezeichen in Richtung Europa sind die unterschiedlichen Aussagen der Parteien zur Fiskalpolitik. Die FDP will keine weiteren Schulden und auf der anderen Seite Steuern senken. Und das in einer Situation, in der der Klimaschutz einer großen Menge an Investitionen bedarf. Die SPD hat sich mit Olaf Scholz als Finanzminister in der Corona-Krise bereits flexibel gezeigt, andernfalls wäre “Next Generation EU” als schuldenfinanziertes europäisches Wiederaufbauprogramm nicht möglich gewesen. Der europäische Wiederaufbaufonds läuft bis 2026. Danach sind wir wieder in der normalen Haushaltspolitik. Die Herausforderung, in Klimaschutz und Digitalisierung zu investieren, ist aber bis dahin nicht beendet. Deshalb sollte die Koalitionsvereinbarung unseren europäischen Partnern signalisieren, dass die zukünftige Bundesregierung eine Weiterentwicklung des Fiskalpakts unterstützt.
In Europa ist die Sorge groß (Europe.Table berichtete), dass mit einem FDP-geführten Finanzministerium eben das nicht passiert.
Ich glaube, Europa hat vor allem die Sorge, dass diese Ebene bei den Verhandlungen zu wenig mitgedacht wird. Es ist niemandem geholfen, wenn Deutschland einen gesunden Haushalt hat, aber unsere Partner in Europa die Zukunftsinvestitionen, die wir brauchen, nicht tätigen können. Dann wird Europa nicht klimaneutral.
Deutschland galt in der europäischen Klimapolitik in den vergangenen Jahren eher als Bremsklotz. Wird es mit einer Regierungsbeteiligung der Grünen jetzt zum Gaspedal?
Die Maßnahmen, die wir brauchen, um die deutschen und die europäischen Klimaschutzziele zu erfüllen, erfordern in der Tat ordentlich Tempo. Denn in den vergangenen Jahrzehnten haben wir viel zu wenig getan. Es ist ein enorm breites Feld, das verdeutlicht die Kommission mit dem Green Deal. Es geht nicht mehr nur um Emissionshandel und Effort Sharing, sondern um die gesamte Wirtschaft, um Infrastruktur, Beihilfen und soziale Aspekte. Klimaschutz muss über alle Themen der zentrale Referenzpunkt sein. Das geht nur, wenn eine Bundesregierung das ganze politische Gewicht, das sie hat, da einbringt. Die neue Bundesregierung muss jetzt progressive Positionen entwickeln und aus dieser passiven Rolle, die wir lange gespürt haben, herauskommen.
Ihr Wunsch an die nächste Regierung?
Wir brauchen ein Klima-Sofortprogramm, mit dem die neue Regierung bereits in den ersten 100 Tagen beginnt, wirksame Klimaschutzmaßnahmen in allen Bereichen zu beschließen. Mit dem neuen Klimaschutzgesetz gibt es für jedes Jahr ein Reduktionsziel. Wenn das nicht erreicht wird, muss im Jahr darauf umso mehr geleistet werden. Dann kommen wir in eine Situation, in der die nächste Bundesregierung Jahr für Jahr Zielverfehlungen anmelden muss. Und das wäre ein fatales Signal. Wir müssen ab Tag eins vorangehen. Dann sehen wir einen Aufbruch beim Klimaschutz, den wir so noch nie hatten. Und das ist das Signal, das wir brauchen.
Unser Portrait über Matthias Buck finden Sie hier.
Euro-Gruppe
04.10.2021 15:00 Uhr
Akteure: Finanzminister:innen der Euro-Länder
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung der Euro-Gruppe stehen unter anderem die makroökonomische Entwicklung in der Eurozone, die Implementierung des Aufbau- und Resilienzplans (RRF) sowie die Schlussfolgerungen aus der Covid-19-Pandemie. Auch die gestiegenen Energiepreise sollen zur Sprache kommen.
Vorläufige Tagesordnung
Plenarsitzung EU-Parlament: Aussprachen zu Agenda 2030, Künstliche Intelligenz
04.10.2021 17:00-22:00 Uhr
Akteure: DEVE, LIBE, JURI, FEMM, PETI
Agenda: Themen der Aussprachen sind unter anderem die Rolle der Entwicklungspolitik bei der Eindämmung des Verlusts an biologischer Vielfalt in Entwicklungsländern sowie Künstliche Intelligenz im Strafrecht und ihre Verwendung durch die Polizei und Justizbehörden in Strafsachen.
Vorläufige Tagesordnung
Wöchentliche Sitzung der EU-Kommission
05.10.2021
Akteure: EU-Kommission
Agenda: Auf der vorläufigen Agenda steht eine gemeinsame Mitteilung zur Arktis und eine Mitteilung über die EU-Strategie zur Bekämpfung des Antisemitismus. Hinzu kommt ein Austausch über die europarechtliche Dimension möglicher Maßnahmen der Mitgliedsstaaten gegen die gestiegenen Energiepreise. Im Anschluss findet um ca. 15 Uhr eine Pressekonferenz statt.
Vorläufige Tagesordnung Pressekonferenz Live
Plenarsitzung EU-Parlament: Aussprache zur Zukunft der Beziehungen zwischen EU und USA
05.10.2021 09:00-11:30 Uhr
Akteure: AFET
Agenda: Das Thema der Aussprache ist der AFET-Bericht über die Zukunft der Beziehungen zwischen der EU und den USA.
Vorläufige Tagesordnung Bericht
Rat der EU: Wirtschaft und Finanzen
05.10.2021 10:00 Uhr
Akteure: Wirtschafts- und Finanzminister:innen der EU-Mitgliedstaaten
Agenda: Die Ratssitzung beschäftigt sich voraussichtlich mit dem Aufbau- und Resilienzplan (RRF), der Vorbereitung des G20-Finanzministertreffens vom 12.-14. Oktober sowie den Klimafinanzen.
Vorläufige Tagesordnung
Plenarsitzung EU-Parlament: Aussprachen zu Belarus, Taiwan, Türkei, Cyberabwehr
05.10.2021 15:00-22:00 Uhr
Akteure: AFET, DEVE, BUDG
Agenda: Themen der Aussprachen sind unter anderem die Lage in Belarus, die politischen Beziehungen zwischen der EU und Taiwan, der Bericht über die Umsetzung der Treuhandfonds der EU und der Fazilität für Flüchtlinge in der Türkei sowie der Stand der Fähigkeiten der EU im Bereich der Cyberabwehr.
Vorläufige Tagesordnung
Plenarsitzung EU-Parlament: Aussprache zu Lösungen für den Anstieg der Energiepreise für Unternehmen und Verbraucher
06.10.2021 09:00-11:30 Uhr
Akteure: EP, Rat, Kommission
Agenda: Das Thema der Aussprache mit Vertretern von Rat und Kommission ist der stark gestiegene Gas-Preis, seine Auswirkung auf den europäischen Energiemarkt sowie mögliche Gegenmaßnahmen.
Vorläufige Tagesordnung
EU-Westbalkan-Gipfel
06.10.2021 09:30-13:30 Uhr
Akteure: Europäischer Rat, EU-Kommission, Staaten des Westbalkans
Agenda: Auf der Agenda stehen unter anderem die europäische Perspektive für den Westbalkan, die Umsetzung des Wirtschafts- und Investitionsplans für den Westbalkan sowie die Prüfung einer engeren Zusammenarbeit bei politischen und sicherheitspolitischen Fragen.
Tagesordnung und Hintergrund Wirtschafts- und Investitionsplan
Rat der EU: Umwelt
06.10.2021 09:30 Uhr
Akteure: Umweltminister:innen der Mitgliedsstaaten
Agenda: Auf der vorläufigen Agenda der Ratssitzung stehen eine Änderung verschiedener Verordnungen und Richtlinien in Zusammenhang mit dem “Fit for 55”-Paket, die Diskussion über eine mögliche Verordnung über einen Klima-Sozialfonds und die Beratung über die neue EU-Waldstrategie für 2030.
Vorläufige Tagesordnung
Plenarsitzung EU-Parlament: Aussprache zur Asylagentur der Europäischen Union
07.10.2021 09:00-11:50 Uhr
Akteure: LIBE
Agenda: Das Thema der Aussprache ist der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Asylagentur der Europäischen Union.
Vorläufige Tagesordnung Verordnung
Rat der EU: Justiz
07.10.2021 14:00 Uhr
Akteure: Justizminister:innen der Mitgliedstaaten, EU-Kommission
Agenda: Die Ratssitzung beschäftigt sich voraussichtlich mit der Nachbereitung der Konferenz zum Thema Gesetzliche Regulierung von künstlicher Intelligenz – ethischer Aspekt und Grundrechte vom 20. Juli 2021 sowie mit der Bekämpfung von Online-Hatespeech.
Vorläufige Tagesordnung
Rat der EU: Inneres
08.10.2021 09:30 Uhr
Akteure: Innenminister:innen der Mitgliedstaaten, EU-Kommission
Agenda: Auf der vorläufigen Agenda der Ratssitzung stehen unter anderem der Bericht zur aktuellen Lage in Afghanistan, der Gedankenaustausch zur Migrationssituation in verschiedenen Regionen und eine Diskussion über die digitalen Dimensionen der Verfolgung von sexuellem Kindesmissbrauch.
Vorläufige Tagesordnung
Die Konfliktmineralien-Verordnung soll für bessere Bedingungen in den Produktionsländern sorgen. Doch erste Erfahrungen vor Ort zeigen: Die Verordnung ist eigentlich für große Unternehmen ausgelegt. Kleinbergbauarbeitern und Kooperativen werden Kosten auferlegt, die sie nicht stemmen können. Statt besserer Arbeitsbedingungen kommt es zu Schmuggel und Verlusten.
Seit Januar ist die Verordnung für Konfliktmineralien in Kraft. Weitere Gesetze zur Verbesserung der Sorgfaltspflicht entlang der Lieferketten sind in Arbeit. Ziel ist es, für bessere Arbeitsbedingungen und den Schutz der Menschenrechte all jener zu sorgen, die für die Produktion unserer Batterien, Handys und Co arbeiten müssen.
Doch wie die Implementierung der Konfliktmineralien-Verordnung zeigt, liegt ein tiefer Graben zwischen der Absicht der Brüsseler Technokraten und den tatsächlichen Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen in den Produktionsländern. “Diese Gesetze werden für große Unternehmen entworfen, die über Arbeitskräfte und Ressourcen verfügen. Nicht aber für kleine Minenarbeiter und Kooperativen”, berichtete ein Mitglied einer kolumbianischen Goldminen-Kooperative anlässlich eines NGO-geleiteten Workshops zur Implementierung der Verordnung.
Der EU-Kommission fehlt die Expertise (Europe.Table berichtete), wenn es um den Entwurf effektiver Lieferketten-Gesetze geht. So wurde etwa ein Großteil der Begleitmaßnahmen der Konfliktmineralien-Verordnung, etwa die Erstellung der Listen von Konfliktgebieten oder die Prüfung von Industriekoalitionen, an externe Consultingunternehmen ausgelagert. Hinzu kommt, dass die zuständigen Beamten kaum direkte Einblicke in den Produktionsländern haben. “Wir brauchen eine Art Infotransfer, um zu sehen, wie die Regulierung wirkt”, sagte etwa Philipp Duppuis der Generaldirektion Handel anlässlich des Workshops.
Dabei hat die Kommission Delegationen in Entwicklungsländern, die unter anderem in Zusammenarbeit mit der Generaldirektion DEVCO für die Entwicklungszusammenarbeit in den Partnerländern zuständig sind und über die Zustände vor Ort berichten sollen. Diese wurden jedoch bei der Ausarbeitung der Konfliktmineralien-Verordnung wie auch bei der Ausarbeitung der zukünftigen Lieferketten-Gesetze größtenteils außen vor gelassen.
Den Minenarbeitern und Zulieferern in den Produktionsländern machen insbesondere drei Probleme zu schaffen:
So scheinen sich die Befürchtungen zu bestätigen, dass die Kosten, die durch die Berichtspflicht und die Prüfung der Lieferketten anfallen, bis ans unterste Glied der Lieferketten durchgereicht werden. “Wir verlieren unseren gesamten Profit, mit dem wir eigentlich Projekte wie den Bau neuer Kläranlagen umsetzen wollten”, klagt etwa ein kolumbianischer Goldminenarbeiter. Wegen der zusätzlichen Kosten und der hohen administrativen Bürden kämpften viele Minenarbeiter um ihr wirtschaftliches Überleben. “Sie verfügen nicht über die nötigen Ressourcen, um die vielen Auflagen zu erfüllen.”
Während große Rohstoffunternehmen ihren Wettbewerbsvorteil ausnutzen können, riskieren kleinere Betriebe, in den illegalen Handel abzurutschen, weil sie die Kosten nicht tragen können. Gleichzeitig fehlen den nationalen Behörden Personal und Kapazitäten zur Überprüfung der Lage in den Minen. “Sie zählen lediglich auf die Einnahmen, die die Unternehmen etwa durch die Lizenzgebühren abwerfen”, berichtet Andrés Angel vom Interamerikanischen Verband für Umweltschutz (AIDA).
Ähnlich ist die Lage auch in der Demokratischen Republik Kongo, wo die Nachverfolgung der Metalle aufgrund der vielen Konflikte besonders schwierig ist. Da sich die Minen vielfach in Hochrisikogebieten befinden, fallen zusätzliche Kosten für Audits, Zertifizierung und Überprüfung an.
Die Folge: Die Metalle werden vielfach über die angrenzenden Länder, zumeist Ruanda, aus dem Kongo geschmuggelt. Dort werden sie weiterverarbeitet und gehandelt – und landen dennoch auf dem europäischen Markt. “Es ist unmöglich, den Schürfern den niedrigsten Rohstoffpreis zu zahlen, ihnen aber gleichzeitig die Kosten der Nachverfolgung und Zertifizierung der Metalle aufzubürden”, sagt Bienvenu Abeli aus dem Kongo. Sie verlieren den Anschluss an den Markt, während Händler und Schmuggler in den Nachbarländern profitieren.
Um Schmuggel und finanzielle Verluste zu bekämpfen, ist eine fairere Kostenverteilung entlang der Lieferketten nötig. Die Bergbauarbeiter fordern mehr Transparenz in der Preisbestimmung und eine stärkere Beteiligung zivilgesellschaftlicher Organisationen zur Überprüfung der Lage vor Ort.
Die Minenarbeiter und Schürfer wissen oft nicht einmal, zu welchen Preisen die Rohstoffe entlang der Lieferkette gehandelt werden und wie viel Absatz Händler und Zwischenhändler machen. Sie fordern, dass sich die gesamte Lieferkette an den Kosten beteiligt. Von Kommissionsseite hieß es beim Workshop allerdings dazu, es sei nicht sicher, ob die Regulierung eine Antwort darauf geben könne – sprich, wie man die Kostenverteilung fairer gestalten könne.
Währenddessen können kleinere Unternehmen, wie Importeure und Zulieferer, die durch die Sorgfaltspflicht anfallenden Mehrkosten selbst nur schwer stemmen. “Wir drängen uns durch die Auflagen vom Markt”, klagt etwa Maarten Gassmann, Ausschussleiter des Verbands Deutscher Metallhändler (VDM) und Geschäftsführer eines Wolfram-Unternehmens. Doch die Großunternehmen am Ende der Lieferkette sind nicht bereit, die Mehrkosten zu tragen. “Der Kundendruck wird von oben durch die Lieferkette hindurchgereicht. Die vorgelagerte Lieferkette hat den zusätzlichen Aufwand”, sagt Pia Hackert von der Wirtschaftsvereinigung Metalle.
Es bestehe die Gefahr, dass Kleinunternehmen entlang der Minen den Zugang zum globalen Markt verlieren, warnt Miriam Saage-Maaß vom European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR). Durch Gesetze wie die Konfliktmineralien-Regulierung werde von außen in die lokale Wirtschaft eingegriffen, ohne dass die Betroffenen wirklich mit einbezogen würden. Daher fordert die Expertin für Sorgfaltspflicht einen stärkeren Austausch mit den Menschen vor Ort, etwa durch die Aufwertung der zivilgesellschaftlichen Arbeit. Es gebe etwa zahlreiche gut vernetzte NGOs, die in engem Kontakt mit den Betroffenen stünden.
In einer zunehmend globalisierten Welt sind die Rohstofflieferketten allerdings besonders schwer aufzuschlüsseln, gibt Pia Hackert von der Wirtschaftsvereinigung Metalle zu bedenken. “Es sind viele Marktakteure zwischengeschaltet, sodass oftmals nicht direkt aus der Mine bezogen wird.”
Es reiche nicht, dass Unternehmen ihre Sorgfaltspflicht einfach auslagerten und die Verantwortung abgäben, sagt Olena Wiaderna, Geschäftsführerin von LuNa Smelter. Das Zinnunternehmen ist ein Zusammenschluss der ruandischen Holding Ngali und der maltesischen Holding Luma und gilt als Positivbeispiel. “Alle müssen sich an der Sorgfaltspflicht beteiligen.” Gleichzeitig könne die Arbeit vor Ort nur klappen, wenn auch in die Unterstützung und Fortbildung von Minenarbeitern investiert werde. “Es muss mehr Geld für den Kapazitätsaufbau in den Produktionsländern freigestellt werden.”
Die 20 Millionen Euro, die die EU für Begleitmaßnahmen zur Implementierung vor Ort freigestellt hat, sind demnach zu kurz gedacht.
Nach Spanien und Tschechien hat nun auch Polen die EU aufgefordert, Maßnahmen zur Eindämmung der steigenden Gas- und Energiepreise zu ergreifen. Wenn kommenden Mittwoch der Energierat in Luxemburg zusammenkommt, werden die Energieminister der EU-Staaten auch darüber sprechen, wie man die Folgen der Rekordpreise für die Länder möglichst gering halten kann.
Die EU-Kommission berät schon am Dienstag über einen “Werkzeugkasten“ an Maßnahmen, mit denen Länder auf Energiepreisspitzen reagieren können, ohne gegen EU-Regeln zu verstoßen. Die Umsetzung der Maßnahmen liegt anschließend jedoch bei den Mitgliedstaaten. Auch beim Gipfeltreffen der Regierungschefs im Europäischen Rat am 21. und 22. Oktober soll das Thema auf der Tagesordnung stehen.
“Die Mitgliedstaaten brauchen die Flexibilität, um schnelle, befristete Maßnahmen zum Schutz der Verbraucher und zur Gewährleistung einer fairen Behandlung unserer Unternehmen einzuführen”, erklärte die polnische Regierung. Sie forderte Brüssel auf, den Einfluss der Finanzmarktteilnehmer auf die Preise für die CO2-Zertifikate der EU einzudämmen.
Der Energiepreisanstieg hat einige Mitgliedstaaten dazu veranlasst, die energiepolitischen Maßnahmen des Green Deals infrage zu stellen. “Bei der Gestaltung der Energie- und Klimapolitik müssen wir auf ihre gesellschaftliche Akzeptanz achten, sonst riskieren wir ihr Scheitern”, hieß es aus Polen. Die Kommission argumentierte dagegen, dass eine schnellere Umstellung auf saubere Energie Europa vor zukünftigen Preissteigerungen schützen werde, weil auf diese Weise die Abhängigkeit von importierten fossilen Brennstoffen abnehme. rtr/luk
Die seit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie gelockerten Regeln für staatliche Hilfen werden noch einmal verlängert. Die Vize-Präsidentin der EU-Kommission, Margrethe Vestager, sagte am Donnerstag, es gebe zwischen den EU-Mitgliedsländern riesige Unterschiede bei den Corona-Hilfen, ein zu plötzlicher Abriss müsse aber verhindert werden. Es solle daher ein langsames Auslaufen geben.
Vor allem kleine und mittelgroße Firmen, die weiter unter der Krise leiden, sollen länger Staatshilfen bekommen können. Sie sind meist stark abhängig von Bank-Krediten und durch die Pandemie oft deutlich stärker verschuldet. Die EU-Kommission schlägt vor, die gelockerten Regeln bis Mitte 2022 beizubehalten. Das sind weitere sechs Monate.
Die Lockerungen sind seit März 2020 in Kraft. Tausende Unternehmen haben davon profitiert – insgesamt mit mehr als drei Billionen Euro. Deutschland hat in der Krise überdurchschnittlich viel Geld zur Stützung der Konjunktur mobilisiert.
Die EU-Kommission ist in Europa für die Wettbewerbspolitik zuständig, soll also für gleiche Wettbewerbsbedingungen sorgen. Deswegen werden staatliche Hilfen stets in Brüssel unter die Lupe genommen. rtr
Europäische Unternehmen sind dazu angehalten, sich zu den Pariser Zielen zu bekennen und eigene Klimaziele auszugeben. Die sogenannte Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) soll Firmen in Zukunft zur Bereitstellung solcher Informationen verpflichten. Bisher gibt allerdings nicht mal die Hälfte aller deutschen Unternehmen überhaupt Klimaziele an, wie aus den Daten der Europäischen Klimaschutzinitiative (Euki) hervorgeht.
Von den 108 untersuchten Firmen – darunter unter anderem Volkswagen, BMW, Deutsche Telekom, Siemens, Allianz und BASF – gaben nur 50 (46 Prozent) Klimaziele zur Reduktion der eigenen Emissionen an und legten klimarelevante Risikoanalysen vor. Nur 38 Unternehmen (35 Prozent) gaben zudem wissenschaftlich fundierte Klimaziele an und nur vier bezogen sich dabei auf das 1,5-Grad-Ziel.
Die Euki-Daten wurden am Mittwoch von der Alliance for Corporate Transparency vorgestellt. Sie zeigen, dass sich die Informationen, die Unternehmen zu ihren Klimazielen bereitstellen, unter den Mitgliedstaaten stark unterscheiden. Während die Daten für Spanien denen aus Deutschland ähneln, veröffentlichten in Polen gerade einmal 21 Prozent der untersuchten Firmen überhaupt Klimaziele (in Tschechien 38 Prozent) und nur 11 Prozent Ziele auf wissenschaftlicher Basis (Tschechien 31 Prozent).
Die EU-Kommission hatte im April vorgeschlagen, ab 2023 die Berichtspflichten von Unternehmen um einige Nachhaltigkeitskriterien zu erweitern. Darunter fallen neben Umweltaspekten auch Informationen zu Anti-Korruptionsmaßnahmen, zur sozialen Gerechtigkeit im Unternehmen sowie zur Menschenrechtslage entlang der Wertschöpfungskette. Firmen sollen durch die Berichtspflichten dazu angehalten werden, sich für mehr unternehmerische Nachhaltigkeit einzusetzen. Die Corporate Sustainability Reporting Directive wandert derzeit durch die EU-Instanzen. luk
Vor den Sondierungsgesprächen zur Bildung einer Ampel-Dreierkoalition aus SPD, Grünen und FDP oder Jamaika-Viererkoalition aus CDU, CSU, FDP und Grünen stehen nun weitere Details fest. Der erste Gesprächstermin zwischen Union und FDP ist von Samstag auf Sonntagabend (3.10., 18:30 Uhr) verschoben worden.
Aus der CDU werden erwartungsgemäß zehn Personen teilnehmen: der Parteivorsitzende Armin Laschet, Fraktionschef Ralf Brinkhaus und Generalsekretär Paul Ziemiak. Hinzu kommen als stellvertretende Bundesvorsitzende der baden-württembergische Landesvorsitzende Thomas Strobl und der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier, zwei schwarz-grüne beziehungsweise grün-schwarze Koalitionäre. Ebenfalls stellvertretende Parteivorsitzende und damit Sondierungsteilnehmer sind die niedersächsische Bundestagsabgeordnete Silvia Breher und Gesundheitsminister Jens Spahn. Außerdem mit am Tisch: Reiner Haseloff, frisch im Amt bestätigter Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, der dort gerade erst mit dem Wechsel von einer Kenia- zu einer Deutschlandkoalition die Trennung von den Grünen zugunsten der FDP vollzog. Außerdem Daniel Günther, Ministerpräsident einer Jamaika-Koalition in Schleswig-Holstein.
Die CSU geht nur mit der halben Mannschaftsstärke (fünf Personen) in die Gespräche: die Digitalstaatsministerin und stellvertretende Parteivorsitzende Dorothee Bär und Landesgruppen-Geschäftsführer Stefan Müller sollen neben dem Parteivorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder, Landesgruppenchef Alexander Dobrindt und Generalsekretär Markus Blume die Gespräche für die bayerische Unionsschwester führen.
Die FDP hat ihr Team nun ebenfalls auf zehn Personen ausgedehnt: neben dem Partei- und Fraktionsvorsitzenden Christian Lindner und Generalsekretär Volker Wissing sind mit dem parlamentarischen Geschäftsführer Marco Buschmann die Parteipräsidiumsmitglieder Johannes Vogel, die Landesvorsitzende der Sachsen-Anhalt-FDP Lydia Hüskens, die hessische Bundestagsabgeordnete Bettina Stark-Watzinger, der Vorsitzende des Landesverbands Baden-Württemberg Michael Theurer, die EP-Abgeordneten Nicola Beer und Moritz Körner sowie Bundesschatzmeister Harald Christ fast alle Präsidiumsmitglieder dabei. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki ist aufgrund eines medizinischen Eingriffes zu Beginn verhindert, soll aber danach ebenfalls Teil des FDP-Sondierungsteams werden. fst
Die Verhandlungen um eine verbesserte Privacy-Shield-Vereinbarung zwischen der EU und den USA seien noch nicht reif, so Věra Jourová, Kommissions-Vizepräsidentin für Werte und Transparenz, gestern bei einer digitalen Veranstaltung. “Wir brauchen noch mehr Zeit, vielleicht mehrere Monate, die Verhandlungen abzuschließen”, sagte sie. Von europäischer Seite sei man sehr vorsichtig. Denn man wisse genau: “Wir werden nichts unterschreiben können, das nicht garantiert, dass wir am EuGH nicht irgendwann Schrems-III-Dinge erleben, die dann das neue System annullieren.”
Der Datenschutz-Aktivist Max Schrems hatte im Europe.Table angekündigt, auch gegen eine Neuauflage vor Gericht zu gehen, wenn diese unzureichend sein sollte.
Auf die Frage, ob die vom EuGH geforderten Änderungen der bisherigen Privacy-Shield-Vereinbarung statt auf dem Wege der Gesetzgebung über Erlasse des US-Präsidenten erfolgen könnten, antwortete Jourová, dass diese Option den Vertragsabschluss sehr schwierig machen würde. “Das erfordert auf amerikanischer Seite viele Maßnahmen und Absicherungen, um einen gleichwertigen Schutz zu garantieren.”
Der für das Privacy Shield zuständige Director im US-Handelsministerium Alex Greenstein hatte die Möglichkeit der Exekutivbefugnisse kürzlich ins Spiel gebracht (Europe.Table berichtete). Jourová bevorzugt den Weg bundesgesetzlicher Regelungen in den USA, will dies aber nicht als conditio sine qua non, als absolute Vorbedingung für eine Neuauflage des Privacy Shields verstanden wissen. koj
Mit einem Förderfonds über 200 Millionen Euro pro Jahr soll die EU die europäische Produktion von Seltenerd-Magneten ankurbeln, die für Elektroautos und Windkraftanlagen unerlässlich sind. Das forderte die European Raw Materials Alliance (ERMA) am Donnerstag. Auf diese Weise soll die Abhängigkeit von China verringert werden.
Laut ERMA sollten Produzenten Steuererleichterungen bekommen als Teil des EU-Plans, bis 2030 ein Fünftel ihres eigenen Bedarfs an Magneten selbst zu produzieren. Derzeit werden 95 Prozent der Magnete der EU aus China importiert. Die EU berät deshalb über Möglichkeiten, europäische Produzenten zu unterstützen, um sie konkurrenzfähig zu machen.
Die ERMA fordert, dass die EU gleiche Wettbewerbsbedingungen zu China schaffen müsse, da europäische Magnete aufgrund der staatlichen Subvention aus Peking 20 bis 30 Prozent teurer sind als chinesische Produkte. Produzenten haben der ERMA 14 Projekte im Gesamtumfang von 1,7 Milliarden Euro vorgeschlagen, die es der EU ermöglichen würden, die Produktion von Permanentmagneten bis 2030 von derzeit 500 Tonnen auf 7.000 Tonnen zu vergrößern. rtr/luk
Eine ungeschriebene Regel für Bundestagskandidaten lautet: Drei Versuche – dann ist Schluss. Doch wer mit 36 Jahren bereits zum vierten Mal als Direktkandidat aufgestellt ist, für den gilt diese Regel nicht.
2017 scheiterte Umweltaktivist Karl Bär äußerst knapp an einem Einzug über die Landesliste der Grünen in Bayern. Bär holte das zweitbeste Erststimmenergebnis für seine Partei in Bayern, beachtliche 13,6 Prozent, deutlich besser als der Landesschnitt. Die CSU holte alle Direktmandate – elf Grüne schafften es über die Landesliste auf die blauen Plenarsaalsessel. Bär aber stand auf Listenplatz zwölf. Da auch kein bayrischer Grüner aus dem Mandat ausschied, blieb er Beinaheabgeordneter, wie schon in der vorangegangenen Legislatur.
Doch das ist diesmal anders. Bär kandidierte erneut auf Listenplatz zwölf für den 20. Deutschen Bundestag – und ist nun gewählter Abgeordneter. Immerhin 15 Prozent der Erststimmen holte er am vergangenen Sonntag, ein überaus respektables Ergebnis im Wahlkreis. Der zweite Platz hinter Alexander Radwan (CSU), der mit 41,3 Prozent unangefochten direkt gewählter Abgeordneter blieb.
Manchen Interessenvertretern dürfte dies Kopfschmerzen bereiten – denn Karl Bär ist für sie ein schwieriger Abgeordneter. Der frühere Grüne Jugend-Vorstand kämpft nicht nur für ein anderes Familienrecht. Sondern seit Jahren für die Umwelt – und zwar so, wie er es für richtig hält. Er ist überzeugt, dass pestizidfreie Landwirtschaft, Ökolandbau und mehr Nachhaltigkeit auf allen Ebenen nötig sind.
Karl Bär und sein bisheriger Arbeitgeber, der Verein Umweltinstitut München, hatten 2017 eine Kampagne der Südtiroler Tourismuswerbung persifliert. Sie wollten so auf den Pestizideinsatz im Südtiroler Obstanbau hinweisen, der so gar nicht zum Naturimage der Region passe. Daraufhin wurde der Agrarwissenschaftler vom Landesrat und 1377 Südtiroler Landwirten wegen übler Nachrede verklagt.
Für einige ist das ein Beispiel für eine SLAPP, eine strategische Klage gegen unliebsame öffentliche Aufmerksamkeit – ein Thema, das derzeit im Europaparlament behandelt wird. Die Region Südtirol bekam durch Medienberichte über den Fall noch mehr Aufmerksamkeit für das Pestizidthema, als ihr lieb war. Daraufhin zogen fast alle Kläger zurück – nur zwei Südtiroler Landwirte schalteten auf stur.
Das Verfahren in Bozen gegen Karl Bär wurde seitdem mehrfach vertagt. Aktuell ist die Verhandlung für den 29. Oktober angesetzt – und auch das Bundestagsmandat ändert am Fortgang erst einmal nichts. Denn mit Bärs Einzug in den Bundestag gelten für ihn zwar wie für alle neugewählten Abgeordneten ab dem Wahltag die Immunitäts- und Indemnitätsregeln. Allerdings nur in Deutschland.
Wer Bär für monothematisch hält, irrt: Familienpolitik, Agrar- und Umweltpolitik sind bei Weitem nicht die einzigen Themen, mit denen er sich beschäftigt hat. Neben Agrarwissenschaften studierte er in Berlin ab 2005 auch Islamwissenschaften. Bärs politische Präferenz ist klar: lieber eine Ampel als Jamaika. R2G wäre ihm wohl noch lieber gewesen. Mit der bisherigen Staatsministerin für Digitalisierung Dorothee Bär (Wahlkreis Bad Kissingen) von der CSU ist Karl Bär (Wahlkreis Bad Tölz) nicht verwandt oder verschwägert. Falk Steiner
Um ihr erstes Treffen im Januar 2016 spinnen sich einige Legenden. Tim Cook soll sehr laut geworden sein, als der Apple-Chef Margrethe Vestager in ihrem Büro im Berlaymont besuchte. Was die Wettbewerbskommissarin offenkundig wenig beeindruckte: Acht Monate später verdonnerte sie den US-Konzern zu einer Steuernachzahlung von 13 Milliarden Euro. Eine Entscheidung, die Cook öffentlich als “totalen politischen Mist” bezeichnete. (Das Gericht der EU sah es übrigens ähnlich, auch wenn die Richter es anders formulierten, und hob den Kommissionsentscheid in erster Instanz auf.)
Man würde also gerne an der Tür lauschen, wenn Vestager und Cook am heutigen Freitag erneut aufeinandertreffen, in New York diesmal. Zumal der Apple-CEO wieder Diskussionsbedarf hat. Worüber gesprochen werden soll, darüber schweigt sich die Kommission zwar aus – “Digital- und Wettbewerbsthemen” würden diskutiert, so ein Sprecher nur. Aha.
Es ist aber kein Geheimnis, welches Thema Cook besonders unter den Nägeln brennt: der Digital Markets Act, genauer gesagt Artikel 6(1)c. Cook befürchtet, die Wettbewerbshüter könnten sein Unternehmen auf dieser Grundlage dazu verdonnern, das sogenannte Sideloading zu ermöglichen: Die Kunden könnten dann Software über andere Kanäle als Apples App-Store auf ihre iPhones laden. Das aber würde “die Sicherheit des iPhones zerstören”, warnte er im Juli. Es könnte also wieder lauter werden. Till Hoppe