letzter offizieller Verhandlungstag auf der Klimakonferenz (COP26): Etliche Beobachter rechnen mit einer Verlängerung. Kurz vor Schluss dürfe man sich nicht mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner zufriedengeben, sagte UN-Generalsekretär António Guterres am Donnerstag in Glasgow und forderte die Staaten zu mehr Ambitionen auf. Noch ist das 1,5-Grad-Ziel nicht in Reichweite und zentrale Fragen bleiben weiter ungelöst. Jochen Flasbarth, Chefverhandler der deutschen Delegation, ist dennoch zuversichtlich und glaubt weiter an eine schnelle Einigung, wie er im Interview mit Timo Landenberger und Lukas Scheid sagt.
Die neuen Klima- und Energie-Beihilfeleitlinien bereiten der deutschen Industrie Sorgen. Die Befürchtung: Die bisherigen Pläne von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager könnten dazu führen, dass Hunderte energieintensive Unternehmen den Anspruch auf Entlastung bei den Stromkosten verlieren. Doch offenbar zeigt sich Vestager mit Beginn des internen Abstimmungsprozesses der Kommission offen für Änderungen, wie Till Hoppe berichtet.
Aus den Koalitionsverhandlungen dringt wenig nach außen, und so wird eben eifrig spekuliert, wer welchen Ministerposten bekommen könnte. Die Vergabe dürfte nicht einfach werden – aber die eigentliche Herausforderung liegt eine Ebene darunter: Besonders die beiden Parteien, die neu in die Regierung kommen, stehen vor der Schwierigkeit, das passende Personal für die Ministerien zu finden. Falk Steiner analysiert die Gründe für die Personalprobleme von Grünen und FDP und gibt einen Überblick, welche Optionen Grün und Gelb haben.
Herr Flasbarth, bis wann haben Sie Ihr Hotel gebucht?
Bis Samstag. Mit der Option, noch zu verlängern. Aber ich glaube, die brauchen wir nicht.
Viel Zeit bleibt allerdings nicht mehr und noch immer sind zentrale Fragen offen. Die ungelösten Passagen des Pariser Regelbuchs haben Sie als “diplomatischen Ballast” bezeichnet, der weg muss. Er ist aber immer noch da.
Das darf nicht falsch verstanden werden. Hier geht es um essenzielle Fragen, die das Pariser Abkommen handhabbar machen. Dazu ist das so genannte Regelbuch da. Die Verhandlungen dazu müssen wir jetzt endlich abschließen. Die COPs müssen sich voll und ganz auf die Umsetzung des Abkommens konzentrieren können, also zum Beispiel, wie wir jetzt in den 2020er Jahren den weltweiten Treibhausgasausstoß erheblich senken können. Und ich bin ganz zuversichtlich, dass das gelingen wird.
Das heißt, was in den Jahren seit Paris und in zwei Wochen seit Beginn der COP26 nicht erreicht wurde, wird jetzt in wenigen Stunden passieren?
Bei der COP in Madrid waren die Verhandlungen verfahren, da es sehr strikte Positionen bei der Frage gab, wie man Treibhausgasminderungen, die sich zum Beispiel durch besonders klimafreundliche Investitionen in Afrika oder Asien ergeben, unter den Ländern gegenseitig anrechnen kann – also zwischen dem Land, das die Investition unterstützt und dem Land, wo die Investition und damit die Treibhausgasminderung erfolgt. Wer darf sich dann das Weniger an Klimagasen gutschreiben und unter welchen Bedingungen? Hierzu war in Madrid keine Einigung möglich. Es zeichnete sich einfach kein Kompromiss ab, der für uns als EU tragbar erschien. Inzwischen hat sich die Großwetterlage verändert. Wir haben den Eindruck, dass alle Länder hier zu einem Ergebnis kommen wollen. Auch Brasilien.
Stichwort Brasilien: Es geht auch um die Frage, inwieweit Kohlenstoffgutschriften aus dem Kyoto-Protokoll in die neue Regelung übernommen werden können.
Das hat vom Problem her eine andere Qualität als die künftige Struktur für die Anrechnung von Emissionsminderungen. Wenn man Gutschriften aus der Vergangenheit in die Zukunft überführt, bedeutet das gleichzeitig weniger Klimaambitionen. Das können wir uns angesichts der fortschreitenden Klimakrise nicht leisten. Hier müssen wir uns auf einen Mittelweg einigen.
Auch bei der Klimafinanzierung gibt es noch Klärungsbedarf.
Der Wunsch der Entwicklungsländer ist, dass wir jährlich darlegen, wo wir uns auf dem Weg zu den versprochenen 100 Milliarden US-Dollar befinden. 2023 werden wir die Summe erreichen, 2025 soll sie auf etwa 120 Milliarden anwachsen. Da wir aber 2020, 2021 und sehr wahrscheinlich auch noch 2022 unter den 100 Milliarden bleiben werden, wollen die Entwicklungsländer lieber jedes Jahr ein Update. Das kann ich gut verstehen und dem sollten wir nachkommen.
Die größten Emittenten USA und China haben zuletzt überraschend eine bilaterale Vereinbarung zu mehr Klimaschutz angekündigt. Sie hatten von den Ländern, speziell China, zuvor mehr Engagement gefordert. Reicht das nun aus?
Ich habe die Erklärung genau gelesen und ich arbeite mit den Chinesen seit Langem zusammen. Mit der Vereinbarung haben sie substanzielle zusätzliche Minderungen im Blick. Wir erwarten natürlich, dass das noch über ein NDC-Update formalisiert wird. Aber die Ankündigung ist in Teilen schon sehr spezifisch, insbesondere was den geringeren Methanausstoß angeht, was eine große Wirkung haben kann. Auch bei Wäldern und den entwaldungsfreien Lieferketten ist es ein Ausrufezeichen.
Drittgrößter Emittent ist die Europäische Union, die sich gerne als Vorreiter beim Klimaschutz bezeichnet. Kann die EU ihrer selbstgegebene Rolle auf der COP26 gerecht werden?
Dass die EU ihr NDC von 40 Prozent Minderung auf 55 Prozent angehoben hat, ist für den Wirtschaftsraum ein großer Schritt. Deshalb war es auch an der Zeit, dass die USA und China als größte Emittenten auf ähnliche Niveaus gehen. Das haben sie jetzt in etwa getan.
Mit dem ETS und der geplanten Ausweitung auf Gebäude und Verkehr setzt die EU auf einen marktwirtschaftlichen Ansatz bei der Dekarbonisierung und wirbt für eine möglichst globale Anwendung der CO2-Bepreisung. Erfolgreich?
Der Europäische Emissionshandel ist für China eine Blaupause. Auch in den USA gibt es in einigen Bundesstaaten einen Emissionshandel und auch Russland denkt über die Einführung von Pilotprojekten für einen Emissionshandel nach. Es ist für die Industrie und die Energieerzeugung ein sehr rationales Instrument, das sehr präzise ist und das – vorausgesetzt, es ist gut organisiert – auch tatsächlich zu Treibhausgasminderungen führt, da, wo dies erst einmal am wirtschaftlichsten ist. Im Bereich der Energieerzeugung kann man das jedenfalls gut sehen – ganz im Gegenteil zu Verkehr oder Landwirtschaft.
Zum Schutz vor Carbon Leakage plant die EU die Einführung eines Grenzausgleichs (CBAM). Wie sind hier die Reaktionen?
Bei meinen Gesprächen mit den Schwellenländern ist der Grenzausgleich häufig Thema. Denn es wird natürlich auch als eine Art Importschranke empfunden, um Produkte aus anderen Ländern fernzuhalten. Wenn dieser Eindruck sich verfestigt, dann haben wir ein Problem. Wir wollen Carbon Leakage verhindern und es ist auch nicht verwerflich, unsere Industrie, insbesondere wenn sie immer klimafreundlicher wird, auch schützen zu wollen. Eine ideale Welt wäre aber eine, in der man den CBAM gar nicht braucht, da es vergleichbare Standards gibt. Dafür hat Olaf Scholz den Klimaclub ins Gespräch gebracht.
Im Entwurf der COP26-Abschlusserklärung steht unter anderem die klare Aufforderung, den Kohleausstieg zu beschleunigen. Eine solche Sektor-bezogene Formulierung gilt als Novum und stößt teils auf Widerstand. Wie groß sind die Überlebenschancen für den Satz?
Wir finden das ausdrücklich gut und hoffen, dass wir unsere Partner überzeugen können, dass er drinbleibt. Nicht nur wegen der Aussage zu Kohle, sondern weil es wichtig ist, nicht nur Klimaziele für Staaten, sondern auch für die großen Wirtschaftssektoren festzulegen, also für Energie, Verkehr Landwirtschaft. Wir könnten uns sogar vorstellen, die angesprochene Passage zu verschärfen, indem wir eine Frist für das weltweite Aus der Kohlenutzung setzen.
Welche könnte das sein?
Der Satz aus dem Sondierungspapier der Ampel lautet: Idealerweise erfolgt der Kohleausstieg schon 2030. Aber das würde andere Staaten, die noch abhängiger von der Kohle sind, überfordern. In jedem Fall muss es rechtzeitig vor Mitte des Jahrhunderts sein. Sonst ist es zu spät.
Auch der Ausstieg aus der Finanzierung fossiler Brennstoffe wird explizit gefordert. Fast gleichzeitig wurde die neue Liste der EU zu förderfähigen “Projects of common interest” öffentlich, die weiterhin Investitionen in Gas-Projekte vorantreibt. Wie passt das zusammen?
Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft brauchen wir Gas als Übergangslösung. Neue Investitionen in die Gasinfrastruktur dürfen allerdings nur dann getätigt werden, wenn sie das 1,5-Grad-Ziel nicht gefährden und wenn sie sich auch für wasserstoffbasierte Energieträger eignen. Das hat Deutschland mit dem Beitritt zur Deklaration für ein Ende der internationalen Gas- und Ölfinanzierung hier auf der COP klar unterstrichen. Damit senden wir ein klares Signal in die Energiebrache: Auch rein fossiles Erdgas hat ein Ablaufdatum. Ein tragfähiges Geschäftsmodell lässt sich darauf nicht mehr aufbauen.
Während in Glasgow um wegweisende Entscheidungen zum globalen Klimaschutz gerungen wird, streitet in Berlin die künftige Bundesregierung um ihre eigenen Positionen. Welche Rolle spielen die Koalitionsverhandlungen für die deutsche Delegation auf der COP26?
Wir verhandeln in Glasgow als Teil der EU, nicht als Einzelstaat. Die Positionen der EU sind schon seit Längerem unter allen Mitgliedsstaaten abgestimmt. Davon abgesehen, liegen die Positionen der alten Bundesregierung, in der Ampel und generell parteiübergreifend – mal abgesehen von der AfD – für unser internationales Agieren so nah beieinander, dass das keine Rolle spielt. Wir sehen hier überhaupt keine Begrenzung und sind voll handlungsfähig.
Kaum ein EU-Vorhaben bereitet der deutschen Industrie aktuell so große Sorgen wie die neuen Klima- und Energie-Beihilfeleitlinien (KUEBLL). Der geschäftsführende Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) versucht daher, in den letzten Tagen und Wochen im Amt noch Einfluss auf die EU-Kommission zu nehmen. Auch das Europaparlament hat auf Initiative des CSU-Abgeordneten Markus Ferber in einer Resolution Änderungen gefordert.
Die Sorge: Die bisherigen Pläne von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager könnten zur Folge haben, dass Hunderte energieintensive Unternehmen den Anspruch auf Entlastung bei den Stromkosten verlieren würden. Und das zu einer Zeit, in der Klimaschutzpläne des Fit-for-55-Pakets absehbar neue Belastungen mit sich bringen werden.
Die Interventionen scheinen nicht vergeblich zu sein. Laut Informationen aus EU-Kreisen hat die Kommission am Donnerstag mit dem internen Abstimmungsprozess begonnen, in dem andere Generaldirektionen Stellung nehmen können zum Entwurf der GD Wettbewerb. Nach dem zweiwöchigen Prozess soll es einen überarbeiteten Text geben. Margrethe Vestager habe signalisiert, noch zu Änderungen an den für die Industrie entscheidenden Punkten bereit zu sein, heißt es in den Kreisen. Die Kommission wollte sich dazu nicht äußern.
Die Kommission prüft anhand der Leitlinien für europäische Energie- und Umweltschutzbeihilfen, welche nationalen Hilfen sie genehmigt. Die bisherigen Leitlinien gelten bis Ende des Jahres, die Kommission hat im Sommer einen Entwurf für die Nachfolgeregelung vorgestellt. Diese Reform soll auf die Green-Deal-Agenda der EU einzahlen. Sie soll es den Regierungen ermöglichen, zur Förderung der Transformation weit höhere Subventionen auszuzahlen und dabei auch neue Bereiche wie saubere Mobilität oder Energieeffizienz von Gebäuden zu berücksichtigen.
Allerdings sieht der Entwurf auch vor, die Bedingungen für die Reduzierung von Elektrizitätsabgaben deutlich zu verschärfen. Altmaier und Co befürchten, dass viele stromintensive Unternehmen dadurch ihren Anspruch auf eine reduzierte EEG-Umlage verlieren würden. Denn: Die Liste der beihilfeberechtigten Branchen soll gekürzt und die Anforderungen sollen deutlich verschärft werden.
Die Unternehmen müssten laut Entwurf eine Handelsintensität von mindestens 20 Prozent und eine Stromkostenintensität von mindestens 10 Prozent nachweisen. Eine alternative Schwelle liegt demnach bei 80 Prozent für die Handels- und sieben Prozent für die Stromkostenintensität. Die Werte liegen damit weit höher als bisher.
Die neuen Leitlinien würden “weit höhere Staatshilfen ermöglichen”, wenn dies für das Erreichen der Green-Deal-Ziele nötig sei, sagte Vestager vergangene Woche. Zugleich müssten die Bedingungen verschärft werden, “um zu vermeiden, dass die Unternehmen mehr Hilfe erhalten, als sie benötigen”.
Die Rolle von Beihilfen in der grünen und digitalen Transformation dürfte die Kommission nächste Woche auch grundsätzlicher beleuchten. Dann steht eine Mitteilung zur Wettbewerbspolitik auf der Agenda des College, allerdings noch unter Vorbehalt. Denn die Kommunikation sorgt auch intern für erhebliche Diskussionen.
Strittig ist insbesondere die Ausrichtung des Instruments der “wichtigen Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse” (IPCEI), das zur Förderung der Mikroelektronik und der Batteriezellindustrie eingesetzt wurde. Binnenmarktkommissar Thierry Breton aus Frankreich will IPCEIs für eine aktive Industriepolitik nutzen und den Regierungen etwa die massive Subventionierung großer Halbleiterfabriken erlauben. Margrethe Vestager hingegen verteidigt die bisherige Einschränkung, wonach nur hochinnovative Technologien gefördert werden dürfen.
In einem gemeinsamen Brief stellten sich sechs Mitgliedsstaaten nun hinter die Wettbewerbskommissarin. “Ein exzessiver und nicht-zielgerichteter Einsatz des Instruments würde zu einem Subventionswettlauf und unfairem Wettbewerb in der EU führen”, schreiben die Vertreter der Niederlande, Irlands, Rumäniens und der nordeuropäischen Länder. Daher sollten über IPCEIs weder Massenproduktion noch geschäftliche Aktivitäten gefördert werden.
Altmaier steht in der Frage eher aufseiten Frankreichs. Er hofft, über Beihilfen in Milliardenhöhe noch große Chiphersteller zur Ansiedlung in Deutschland bewegen zu können. Ob eine Ampel-Koalition den gleichen Ansatz verfolgt, ist offen. Die FDP sieht derartige Subventionen kritisch. Mit dem designierten Bundeskanzler Olaf Scholz aber unterhielt Breton sich am Donnerstag beim Mittagessen über Lieferketten und den geplanten “Chips Act” – und sprach anschließend von einem “ergiebigen Austausch”. Der Kommissar reist an diesem Freitag nach Sachsen weiter, um dort Vertreter von Chipherstellern wie Infineon, Bosch und Globalfoundry zu treffen.
Rat der EU (Auswärtige Angelegenheiten)
15.11.2021 09:00 Uhr
Akteure: Außenminister:innen
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem ein Meinungsaustausch zu den westlichen Balkanstaaten und zur Sahelzone.
Vorläufige Tagesordnung
Rat der EU (Landwirtschaft und Fischerei)
15.11.2021 10:00 Uhr
Akteure: Landwirtschafts- und Fischerei-Minister:innen
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem Schlussfolgerungen zur neuen EU-Waldstrategie für 2030, die Farm-to-Fork-Konferenz 2021, die im Oktober stattgefunden hat, und die 12. WTO-Ministerkonferenz vom 30.11.- 3.12.2021.
Vorläufige Tagesordnung Farm to Fork Konferenz WTO-Ministerkonferenz
Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Tourismus
15.11.2021 13:15-18:15
Akteure: TRAN
Agenda: Auf der vorläuigen Tagesordnung stehen die Herausforderungen für städtische Gebiete in der Zeit nach der COVID-19-Krise, die Rolle der Fischerei und der Aquakultur beim Übergang zu einer nachhaltigen blauen Wirtschaft in der EU sowie das Luftverkehrsabkommen zwischen der EU und den USA.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Ausschusses für Haushaltskontrolle
15.11.2021 13:45-18:45
Akteure: CONT
Agenda: Auf der Tagesordnung steht unter anderem die Entlastung des Haushalts der EU-Kommission für das Jahr 2020.
Vorläufige Tagesordnung
Rat der EU (Auswärtige Angelegenheiten/Verteidigung)
16.11.2021 10:00 Uhr
Akteure: Außen- und Verteidigungsminister:innen
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem ein Meinungsaustausch zu den EU-Ausbildungsmissionen.
Vorläufige Tagesordnung
Wöchentliche Kommissionssitzung
17.11.2021
Akteure: EU-Kommission
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung der Kommissarinnen und Kommissare steht unter anderem ein Austausch über das Thema Natur in Bezug auf Abfall, Entwaldung und Bodenstrategie, die Global Gateway Initiative sowie die Wettbewerbspolitik. Im Anschluss findet voraussichtlich gegen 12 Uhr eine Pressekonferenz statt.
Vorläufige Tagesordnung Pressekonferenz live
Rat der EU (Allgemeine Angelegenheiten)
18.11.2021 10:00 Uhr
Akteure: Minister:innen für Europäische Angelegenheiten
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem eine Debatte über den Beitrag von Kohäsionspolitik-Programmen zur Nachhaltigkeit sowie zur grünen und digitalen Transformation.
Vorläufige Tagesordnung
Rat der EU (Auswärtige Angelegenheiten/Entwicklung)
19.11.2021 09:00 Uhr
Akteure: Außen- und Entwicklungsminister:innen
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen ein Meinungsaustausch zum auswärtigen Handeln der EU in Bezug auf Wasser in Zentralasien und ein informeller Meinungsaustausch mit Samantha Power, Direktorin der United States Agency for International Development.
Vorläudige Tagesordnung
Alle schauen auf die Ministerriege. Verständlich, denn deren Besetzung ist kompliziert genug: Selbstgegebene Vorgaben wie Frauenanteil, aber auch Machtverhältnisse und Regionalproporze sind zu berücksichtigen. Auch bei anderen herausgehobenen Positionen wie parlamentarischen Staatssekretären (die im Auswärtigen Amt und Bundeskanzleramt aus historischen Gründen Staatsminister heißen), Bundesbeauftragten und Fraktionsvorsitzenden ist es ein filigranes Werk für jede der drei Parteien, besonders kompliziert bei den beiden kleineren Koalitionspartner mit wohl höchstens fünf Ministerposten.
Die letzte Regierungsbeteiligung der Grünen auf Bundesebene ist mittlerweile 16 Jahre her. Von den damaligen Ministerinnen und Ministern sind nur Renate Künast und Jürgen Trittin überhaupt noch auf Bundesebene sichtbar. Auch bei der FDP sind die Minister der bislang letzten schwarz-gelben Koalition 2009 bis 2013 nicht mehr beteiligt.
Doch das größere Problem kommt auf die beiden Neuregierungsparteien erst unterhalb der Ministerebene zu. Denn mit Farbwechseln eines Ministeriums gehen üblicherweise Personalwechsel einher. Für parlamentarische Staatssekretäre gibt es genug Kandidaten aus den gewachsenen Bundestagsfraktionen. Und auch den Großteil der beamteten Staatssekretäre in den Häusern dürften die beiden “Neuen” in einer künftigen Ampel-Koalition noch aufbringen können.
Doch dies ist nur ein kleiner Teil der üblichen Veränderungen. Zuletzt hatte das Bundesverfassungsgericht mehrfach gemahnt, dass zwar nicht jeder politische Beamte bei einem Regierungswechsel ausgetauscht und in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden dürfe – auch in höheren Funktionen gelte grundsätzlich das Lebenszeitprinzip und ein Beamter sei Staats-, nicht Parteidiener. Allerdings dürfe die Loyalität nicht infrage stehen. Und genau das ist an vielen Stellen fraglich – insbesondere dann, wenn Häuser massiv den politischen Kurs wechseln sollen.
Das Kanzleramt wird absehbar personell umgekrempelt werden. Dorthin sind Beamte stets nur entliehen – sie haben ein Stammhaus, in das sie zurückkehren können und gegebenenfalls auch müssen. Dass unter anderem aus der Abteilung Planung des Finanzministeriums neues Personal kommt, davon ist fest auszugehen. Denn auch wenn Angela Merkel nicht immer strikt nach Parteibuch ging: Ihr und ihren Kanzleramtschefs waren im unmittelbaren Machtapparat politische Näheverhältnisse wichtig. Damit steht aber bereits ein knappes Dutzend Versorgungsfälle an, deren künftige Verwendung ein Problemfall wird.
Denn während bei der SPD vor allem eine Personalrochade von alten zu neuen Häusern ansteht, sitzen nach 16 Jahren Unionsregierung derzeit CDU- und CSU-nahe oder bisherigen Ministern loyale Akteure an den administrativen Schalthebeln der Macht. Welche Aufgaben gibt man diesen künftig? In welchen Häusern?
Fast alle übernehmen und auf deren Loyalität hoffen, wie Winfried Kretschmann es in Baden-Württemberg einst tat? Ein Bundesministerium ist politisch noch viel aufgeladener als die Landesebene. Und kann man Politik überhaupt verändern, ohne auch in den entscheidenden Verwaltungspositionen Personal auszuwechseln? Am Ende stehen Gelb und Grün vor einem Doppelproblem: die Unionsköpfe loszuwerden – und zugleich überhaupt eigene Leute zu finden, für die Plätze frei sein müssten.
Für die Grünen gibt es mehrere Bereiche, in denen die Rekrutierung grundsätzlich möglich scheint. Insbesondere im Bereich Umwelt, Klima, Verkehr, bei der Entwicklungszusammenarbeit und im Bereich Verbraucherschutz gibt es ausreichend Vorfeldorganisationen. Der Rückgriff auf Personal thematisch profilierter Akteure wie internationaler Organisationen, Think-Tanks wie der Agora Energiewende oder Verbände ist eine plausible Möglichkeit.
Zudem haben die Grünen auf Landesebene mehrfach entsprechende Ministerien besetzt und auch dort Personal aufbauen können, ein Reservoir, aus dem auch im Bund geschöpft werden kann – zumindest bei den stets notwendigen Juristen. Allerdings wird in Ländern mit grüner Regierungsbeteiligung wie in Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Hessen und Berlin schon befürchtet, dass die Bundesebene nun die Länder ‘leerziehen’ könnte – was dort Probleme verursachen würde.
Doch die Grünen haben auf Landesebene einige Ressorts immer gemieden, was sich nun rächen könnte. So war das Finanzressort, Ausnahmen in kleinen Ländern mal ausgenommen, nur selten ein Grünes. Im größeren Baden-Württemberg besetzt man es erst wenige Monate. Auch wenn mit Gerhard Schick, Sven-Christian Kindler und Sven Giegold drei starke Stimmen der Debatten das grüne Parteibuch haben, könnte das für die komplexe Materie, die europäische und internationale Koordination des Finanzministeriums, zu wenig sein. Ein Grund, aus praktischen Gründen lieber andere Häuser zu wollen? Dort sieht es teils noch schwieriger aus. Als zuletzt etwa kolportiert wurde, dass Grünen-Chef Robert Habeck gerne Bundesinnenminister werden wolle, kratzten sich in Parteikreisen einige kräftig am Kopf.
Strategisch wäre das zwar geschickt, heißt es unter Grünenpolitikern. Immerhin würde hier ein wahrnehmbarer Unterschied entstehen. Doch das Haus ist so schwarz, dass eigentlich enormer Personalbedarf entstünde. Während für die Rollen der parlamentarischen Staatssekretäre mit Irene Mihalic und Konstantin von Notz zwei profilierte grüne Innenpolitiker verfügbar wären, würde es bei potenziellen Staatssekretären schon etwas komplizierter. Noch schwieriger würde es bei den bis zu zwölf Abteilungsleitern, die selbst nach einer Remigration des Baubereichs in einen anderen Geschäftsbereich und einer Umorganisation der Heimatabteilung noch vonnöten wären.
Diesen zwölf Abteilungsleitern sind derzeit 23 Unterabteilungsleitungen nachgeordnet – und deren Besetzung ist nicht leicht anpassbar. Politisch müssten hier an vielen Stellen Veränderungen folgen. Doch zugleich können neue Hausherren weder auf das Fachwissen verzichten, noch verfügen sie über ausreichend Personal, das sie an entsprechende Stellen bringen können. Zwar könnten die Grünen beispielsweise beim Asylrecht auf Personal von Amnesty International zurückgreifen. Doch bei Mitarbeitern, die nicht aus der Ministerialbürokratie kommen, besteht die Gefahr, dass sie vom vorhandenen Apparat professionell ausgespielt werden.
Auch bei der FDP steht man vor Problemen: Während die Liberalen weniger Probleme als die Grünen damit hätten, aus Verbänden oder auch Unternehmen Experten in ihre Ministerien zu holen, sind sie derzeit an nur noch vier Landesregierungen beteiligt. 2009 waren sie kurzfristig in der Hälfte der Bundesländer an der Regierung beteiligt, danach verloren die Liberalen massiv an Macht und Einfluss. Nicht zuletzt das vorübergehende Ausscheiden aus dem Bundestag kostete sie personelle Optionen: Wer hätte seine Ministerialkarriere damals schon an ein FDP-Parteibuch geknüpft? Zudem ging eine ganz Legislatur Fraktions- und Abgeordneten-Mitarbeiter ging verloren.
Auch die Landesministerien sind kein großes Reservoir: So besetzt die FDP in Schleswig-Holstein das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren sowie das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus (MWVATT). Aber dies sind trotz langer Titel und breiter Zuständigkeiten kleine Häuser: Im gesamten MWVATT sind insgesamt nur 297 Stellen für das Jahr 2020 veranschlagt. Und in Sachsen-Anhalt haben die Liberalen gerade erst im September einen Regierungsposten erobert: Lydia Hüskens ist dort die einzige FDP-Ministerin für Infrastruktur und Digitales, in ihrem Haus kann man nicht räubern gehen.
Am ehesten können die Liberalen also auf Personal aus Rheinland-Pfalz (seit 2016 mit FDP-Beteiligung, Ministerien Justiz und Wirtschaft, Landwirtschaft und Verkehr) und Nordrhein-Westfalen zurückgreifen. NRW mit seinen personalstarken Ministerien dürfte für die FDP-Personalbedarfe wichtig werden: Im Wirtschafts-, Digital- und Innovationsministerium und im Kinder-, Jugend-, Flüchtlings- und Integrationsministerium gibt es relevantes Personal mit FDP-Parteibuch. Doch aus dem Vollen schöpfen können auch die Liberalen nicht.
Damit überhaupt jemand Neues kommen kann, muss dafür eine Planstelle frei sein. Genüsslich würde die künftige Opposition einen höheren Stellenbedarf, der primär politisch bedingt ist, im nächsten Bundeshaushalt kritisieren. Weshalb auch in grünen wie gelben Koalitionsverhandlerkreisen das Problem als solches zwar erkannt, eine Lösung aber erst mal nicht absehbar ist.
Und so wird es bei Grün und Gelb auf eine andere Methode hinauslaufen: strategische Umsetzungen. Wer mit schwarzem Parteibuch an strategischen Schlüsselpositionen sitzt, kann sich schon geistig darauf vorbereiten, sich bei nächster Gelegenheit auf gleicher Ebene in unpolitischer Position wiederzufinden.
Wann immer ein Unterabteilungsleiter oder Abteilungsleiter pensioniert wird, werden verfügbare Beamte nachbesetzt. Doch selbst dann gilt: Die besonders lange in Unionshand befindlichen Häuser auch unterhalb der politischen Ebene zu begrünen beziehungsweise zu liberalisieren, dürfte kaum binnen einer Legislaturperiode gelingen. Die Einstellungs- und Beförderungspolitik in den Bundesministerien ist dafür zu träge. Und wer unter alter Führung opponierte, dürfte schwerlich die für weitere Beförderungen zwingend notwendigen Benotungsempfehlungen erhalten haben.
Der FDP schwante bereits im Sommer, dass hier Probleme auftreten könnten: Sie stellte zwei Monate vor der Bundestagswahl eine Kleine Anfrage an die amtierende Bundesregierung. Aufgeschlüsselt werden sollte unter anderem, in wie vielen Fällen Abteilungsleiter im formellen Rang eines Ministerialdirigenten statt eines Ministerialdirektors verblieben waren – und somit keine politischen Beamten sind, die relativ einfach ausgetauscht werden könnten. Die Leiter von insgesamt vier unionsgeführten Ministerialabteilungen, so die Antwort, würden auf diese Konstruktion zurückgreifen – davon ließen sich zwei Abteilungsleiter absichtlich nicht in den höheren Rang ernennen, bei den anderen beiden war dies wohl auch nicht vorgesehen.
Und so werden Grün wie Gelb in den kommenden Wochen und Monaten nicht nur über ihren politischen Vorhaben, sondern auch über Stellenplänen und Umsetzungen, Personalrekrutierung und anderem Handwerkzeug brüten müssen. Das Gesamtkunstwerk einer Ampel-Koalition, es hat noch einige Arbeitsschritte vor sich.
Die im Europaparlament diskutierte Löschfrist für illegale Inhalte wird nicht kommen. Die Berichterstatterin des Europaparlaments für den Digital Services Act (DSA), Christel Schaldemose (S&D), hatte eine Verpflichtung für Online-Plattformen vorgeschlagen, illegale Inhalte binnen 24 Stunden zu entfernen, sofern diese eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Gesundheit darstellen. Dies sei inzwischen vom Tisch, sagte Schaldemose, da sie dafür keine Unterstützung gefunden habe. “Ich werde keine konkreten Deadlines für das Entfernen vorschlagen.”
Die Gegner hatten gewarnt, eine Löschfrist berge die Gefahr des Overblocking: Die Online-Plattformen würden gedrängt, ohne gründliche Prüfung Inhalte zu entfernen. Der Punkt gehörte zu einer Reihe von Streitfragen, die die Positionierung des Europaparlaments zum Digital Services Act verzögern. Sie erwarte, dass die Abstimmung im Binnenmarktausschuss im Dezember stattfinden werde, sagte Schaldemose. Das Plenum könne dann im Januar die Position für den Trilog mit dem Rat beschließen.
Der ursprüngliche Zeitplan hatte vorgesehen, am 8. November im IMCO und Mitte Dezember im Plenum Über den Digital Services Act abzustimmen – parallel zum Digital Markets Act. Vor allem Frankreich drängt zur Eile: Paris will die beiden Gesetzespakete während seiner Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2022 verabschieden.
Der DMA könnte den Dezembertermin für das Plenum noch halten (Europe.Table berichtete). In einigen Fragen sind die Positionen aber verhärtet: Die Sozialdemokraten beharren darauf, den Fokus nicht allein auf die ganz großen Digitalkonzerne zu legen, sondern auch in ihrem jeweiligen Markt starke Anbieter wie Airbnb oder Booking.com der Regulierung zu unterwerfen. Dies sei “eine tiefrote Linie” für ihre Fraktion, sagte die Schattenberichterstatterin der Sozialdemokraten, Evelyne Gebhardt.
DMA-Berichterstatter Andreas Schwab (CDU/EVP) pocht hingegen darauf, sich auf Plattformen zu konzentrieren, die in mindestens zwei Geschäftsbereichen stark sind. Das eigentliche Problem seien die Digitalriesen mit ihren Ökosystemen, denen man kaum ausweichen könne, argumentiert er. tho
In einer gemeinsamen Erklärung haben sich die Umweltminister:innen von Dänemark, Portugal, Österreich, Luxemburg und Deutschland für eine atomfreie EU-Taxonomie ausgesprochen. Am deutschen Pavillon auf der Weltklimakonferenz in Glasgow erklärten sie am Donnerstag, Kernenergie sei “zu risikoreich, zu teuer und zu langsam”, um einen Beitrag für Europas Klimaschutzpläne zu leisten. Bundesumweltministerin Svenja Schulze sagte, Wind- und Solarenergie dagegen seien risikoarm, günstig und “jetzt verfügbar”. Daher müssten Investitionen in Erneuerbare fließen statt in Atomenergie.
Schulzes österreichische Amtskollegin Leonore Gewessler sagte, die Taxonomie sei ein “Kompass für nachhaltige Investitionen”. Atomenergie stünde nicht mit dem “Do No Significant Harm”-Grundsatz der EU-Taxonomie überein. Carole Dieschbourg aus Luxemburg sagte, Investitionen in Kernenergie verhinderten Klimaschutzmaßnahmen (Europe.Table berichtete). João Pedro Matos Fernandes aus Portugal begründete seine Teilnahme an der Erklärung damit, dass in Nuklearstrom investiertes Geld nicht in Erneuerbare fließe. EU-Gelder dürften zudem niemals in Kernenergie fließen.
In der EU-Taxonomie sollen nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten ein Label als solche erhalten (Europe.Table berichtete), damit die Finanzströme verstärkt in grüne Technologien geleitet werden. Mehrere Staaten unter Führung Frankreichs wollen Atomkraft trotz der ungelösten Atommüll-Endlagerfrage als nachhaltig einstufen lassen (Europe.Table berichtete). Sowohl private als auch öffentliche Investitionen in Atomenergie würden dann als grün gelten.
So ganz einig waren sich die Minister:innen dann allerdings doch nicht. Gewessler, Deschbourg und Fernandes positionierten sich klar gegen die Aufnahme sämtlicher fossiler Energieträger in die Taxonomie. Dazu gehöre neben der Atomkraft auch Erdgas. Die Länder sehen auch darin einen Verstoß gegen das “Do No Significant Harm”-Prinzip der EU-Taxonomie. “Nur weil etwas nicht ganz so schlimm ist, heißt es nicht, dass es gut ist”, so Gewessler. Schulze hingegen hielt sich in der Frage bedeckt.
Deutschland habe hierzu keine Position, sagte ein BMU-Sprecher auf Nachfrage des Europe.Table. Die Bundesregierung setzt jedenfalls auf den Einsatz von fossilem Gas als Übergangs-Technologie, um möglichst schnell aus der Kohle auszusteigen. Auch eine COP-Erklärung zum Ausstieg aus der Öl-und Gasfinanzierung hatte Deutschland erst mit mehrtägiger Verzögerung unterzeichnet (Europe.Table berichtete). Man wollte sicherstellen, dass Ausnahmen für die Übergangszeit möglich sind. luk mit rtr
In einer Schwerpunktstudie für das Bundeswirtschaftsministerium hat das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) den Stand der Digitalen Souveränität in Deutschland beforscht. Die Autorinnen Mareike Seifried und Irene Bertschek kommen darin zu dem Schluss, dass Teile der deutschen Wirtschaft zwar Abhängigkeiten wahrnehmen würden und langfristig als erfolgskritisch einschätzten. “Jedoch planen nur wenige dieser Unternehmen konkrete Maßnahmen zur Reduzierung dieser Abhängigkeiten”, heißt es in der Studie.
Die Autorinnen der ZEW-Studie konstatieren unter anderem “erhebliche Abhängigkeiten zu nicht-europäischen Anbietern im Hardware- und Infrastrukturbereich”, “insbesondere für Mikrochips, Kommunikationsinfrastruktur und Cloud-Infrastrukturen“. Gut aufgestellt sei Deutschland zumindest im europäischen Vergleich im Bereich der Cybersicherheit, diese Kompetenz müsse jedoch weiter gestärkt werden. Auch in der KI-Forschung sei Deutschland stark, bei Neugründungen und Anwendungen jedoch schwach.
Die Abhängigkeiten deutscher Unternehmen in industriellen B2B-Plattformmärkten seien derzeit diversifiziert, allerdings würden deren Betreiber auf wenige große US-Anbieter zurückgreifen, deren Services massiv um weitere Komponenten erweitert würden, beispielsweise im Bereich Internet of Things. Der Einfluss der US-Anbieter wachse hierdurch, weshalb hier neue Abhängigkeiten drohten. Zudem seien viele Anwender auf die Nutzung einzelner Plattformen fokussiert, deren Interoperabilität fraglich sei. Auch Eigenlösungen seien bei Unternehmen gängig, könnten jedoch ebenfalls die Flexibilität schmälern.
Im B2B-Bereich seien Datenräume bislang erst im Aufbau, während die Autorinnen die Kontrolle über Datenräume im Endnutzerbereich klar verortet sehen: B2C liege “die Kontrolle über Datenräume bereits überwiegend außerhalb Europas, das heißt in den USA und in China“. Dies drohe auch für die B2B-Anwendung durch Geschäftsanwender, mit “immensen wirtschaftlichen Folgen für Deutschland und Europa und als Konsequenz auch Einschränkungen des Handlungsspielraumes und somit der Souveränität”. GAIA-X sei hier ein Ansatz, aber noch mangele es deutschen Unternehmen auch an Datenkompetenz.
Hauptgründe für erkannte Abhängigkeiten sind laut Unternehmensbefragungen des ZEW:
Der Fachkräftemangel und fehlende interne Kompetenzen spielen der Befragung zufolge nur eine untergeordnete Rolle.
Konkrete Maßnahmen zur Reduktion von Abhängigkeiten planen derzeit nur wenige Unternehmen. Als besonders relevant wird derzeit der Bereich der IT-Sicherheit gesehen, der von knapp der Hälfte der Befragten als hochprioritär eingestuft wurde. fst
Der hohe Inflationsdruck in der Eurozone wird nach Vorhersage der EU-Kommission kommendes Jahr nur begrenzt nachlassen. Die Brüsseler Behörde sagt in ihrer am Donnerstag aktualisierten Prognose für 2021 eine Preissteigerungsrate von 2,4 Prozent voraus. 2022 dürfte die Rate demnach bei 2,2 Prozent liegen.
In beiden Jahren läge die Teuerung damit über dem Ziel der Europäischen Zentralbank, die einen Wert von 2,0 Prozent als ideal für die Konjunktur anstrebt. Erst für 2023 erwartet Brüssel Entwarnung: Dann soll sich der Preisdruck nur noch mäßig um 1,4 Prozent erhöhen. Für Deutschland rechnet die Brüsseler Behörde damit, dass 2021 sogar eine stark erhöhte Inflationsrate von 3,1 Prozent erreicht wird, die nächstes Jahr auf 2,2 Prozent und 2023 auf dann 1,7 Prozent zurückgehen wird.
Die Inflation in der Eurozone war im Oktober so stark geklettert wie seit mehr als 13 Jahren nicht mehr. Angetrieben von einem kräftigen Kostenanstieg bei Energie erhöhten sich die Verbraucherpreise binnen Jahresfrist um 4,1 Prozent.
Die Europäische Zentralbank (EZB) geht laut ihrem Chefvolkswirt Philip Lane davon aus, dass die als Preistreiber fungierenden Materialengpässe nachlassen werden und die Energiepreise sinken oder sich stabilisieren dürften. EZB-Vizepräsident Luis de Guindos hat Erwartungen an ein deutliches Abebben des Inflationsschubs im nächsten Jahr allerdings etwas gedämpft. Im September hatten die Volkswirte der EZB in ihren Projektionen für 2022 eine Teuerungsrate von 1,7 Prozent veranschlagt, die 2023 auf 1,5 Prozent absinken soll. Zur nächsten Zinssitzung Mitte Dezember legt die EZB aktualisierte Projektionen vor.
In ihrer Herbstprognose sagt die Kommission für 2021 ein Wirtschaftswachstum von 5,0 Prozent in der Eurozone voraus. 2022 sollen immerhin noch 4,3 Prozent herausspringen. Sorge bereiten jedoch steigende Corona-Infektionen, höhere Inflation und Lieferprobleme. “Wir müssen wachsam bleiben und bei Bedarf eingreifen, um sicherzustellen, dass uns dieser Gegenwind nicht von unserem auf die Erholung gerichteten Kurs abtreibt”, warnte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. rtr
“Wir werden den Begriff der Digitalisierung verlieren”, prophezeit Julia Pohle vom WZB. “Der digitale Aspekt wird in Zukunft automatisch mitgedacht werden, wird zur Selbstverständlichkeit wie das Straßen- oder Energienetz.” Pohle spricht viel über die Zukunft, die Zukunft unserer Gesellschaft in einer digitalen Welt. Sie ist Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe Politik der Digitalisierung am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Dort erforschen sie und ein Team aus acht Wissenschaftler:innen, wie Digitalisierung als Ressource politischer Ordnungsbildung funktioniert, aber auch inwiefern sie Gegenstand politischer Entscheidungen ist.
“Wir fokussieren uns also auf die Wechselwirkung”, sagt Pohle, das mache sonst kein anderes Forschungsteam. Wichtig ist die Betrachtung dieser Wechselwirkung unter anderem bei Trade Agreements wie zum Beispiel dem im Februar 2019 in Kraft getretenen Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan.
Pohle und ihr Team am WZB arbeiten an verschiedenen Projekten, im Vordergrund steht vor allem die Analyse von politischen Diskursen zum Thema Digitalisierung. Dabei betrachtet Pohle, wie sich unterschiedliche Staaten in der Kommunikationspolitik in Bezug auf die Digitalisierung positionieren. Das ist enorm wichtig, denn “europäische Zusammenarbeit ist fundamental in Bezug auf Digitale Souveränität”. Die EU hat dabei eine Vorbildfunktion für andere Länder. So werden zum Beispiel in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) formulierte Standards von vielen Unternehmen weltweit eingehalten. Dieses Phänomen wird auch Brüssel-Effekt genannt.
Allerdings sei in anderen Ländern die Priorisierung von Digitalpolitik anders, der Stellenwert sei oft geringer. Julia Pohle muss das wissen, sie hat in Brüssel ihren Doktor in Kommunikationswissenschaft gemacht und in Paris bei der UNESCO und als Gastwissenschaftlerin gearbeitet. Ihr beruflicher Weg ging also schon immer in Richtung Wissenschaft, “auch wenn ich als Kind Höhlenforscherin werden wollte”, sagt Pohle und lächelt.
Aber: “Das Erreichen von vollständiger Digitaler Souveränität ist völlig unrealistisch”, sagt Pohle. Hier greife eher das Sprichwort “Der Weg ist das Ziel”. Sie erklärt, wie wichtig es ist, Nachhaltigkeit und Digitalisierung zusammenzudenken und plädiert dafür, jetzt schon die Grundregeln für Künstliche Intelligenz festzulegen. Auch Verordnungen zum Schutz der Privatsphäre der Bürger:innen, wie die DSGVO der EU hält Pohle für unverzichtbar.
“Die wichtigste Chance, die wir haben, ist, die Digitalisierung so zu gestalten, dass weniger Schaden als Gutes entsteht. Dafür haben wir nur ein kleines Zeitfenster.” Aktuell sei die Politik zu sehr mit dem Beseitigen von Schäden beschäftigt, wie zum Beispiel der Regulierung von Plattform-Unternehmen. “Zurückrudern ist immer schwerer als von vorneherein zu gestalten”. Gerade deswegen sei es so wichtig, die Chancen zu nutzen, die die Digitalisierung mit sich bringt. Anouk Schlung
letzter offizieller Verhandlungstag auf der Klimakonferenz (COP26): Etliche Beobachter rechnen mit einer Verlängerung. Kurz vor Schluss dürfe man sich nicht mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner zufriedengeben, sagte UN-Generalsekretär António Guterres am Donnerstag in Glasgow und forderte die Staaten zu mehr Ambitionen auf. Noch ist das 1,5-Grad-Ziel nicht in Reichweite und zentrale Fragen bleiben weiter ungelöst. Jochen Flasbarth, Chefverhandler der deutschen Delegation, ist dennoch zuversichtlich und glaubt weiter an eine schnelle Einigung, wie er im Interview mit Timo Landenberger und Lukas Scheid sagt.
Die neuen Klima- und Energie-Beihilfeleitlinien bereiten der deutschen Industrie Sorgen. Die Befürchtung: Die bisherigen Pläne von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager könnten dazu führen, dass Hunderte energieintensive Unternehmen den Anspruch auf Entlastung bei den Stromkosten verlieren. Doch offenbar zeigt sich Vestager mit Beginn des internen Abstimmungsprozesses der Kommission offen für Änderungen, wie Till Hoppe berichtet.
Aus den Koalitionsverhandlungen dringt wenig nach außen, und so wird eben eifrig spekuliert, wer welchen Ministerposten bekommen könnte. Die Vergabe dürfte nicht einfach werden – aber die eigentliche Herausforderung liegt eine Ebene darunter: Besonders die beiden Parteien, die neu in die Regierung kommen, stehen vor der Schwierigkeit, das passende Personal für die Ministerien zu finden. Falk Steiner analysiert die Gründe für die Personalprobleme von Grünen und FDP und gibt einen Überblick, welche Optionen Grün und Gelb haben.
Herr Flasbarth, bis wann haben Sie Ihr Hotel gebucht?
Bis Samstag. Mit der Option, noch zu verlängern. Aber ich glaube, die brauchen wir nicht.
Viel Zeit bleibt allerdings nicht mehr und noch immer sind zentrale Fragen offen. Die ungelösten Passagen des Pariser Regelbuchs haben Sie als “diplomatischen Ballast” bezeichnet, der weg muss. Er ist aber immer noch da.
Das darf nicht falsch verstanden werden. Hier geht es um essenzielle Fragen, die das Pariser Abkommen handhabbar machen. Dazu ist das so genannte Regelbuch da. Die Verhandlungen dazu müssen wir jetzt endlich abschließen. Die COPs müssen sich voll und ganz auf die Umsetzung des Abkommens konzentrieren können, also zum Beispiel, wie wir jetzt in den 2020er Jahren den weltweiten Treibhausgasausstoß erheblich senken können. Und ich bin ganz zuversichtlich, dass das gelingen wird.
Das heißt, was in den Jahren seit Paris und in zwei Wochen seit Beginn der COP26 nicht erreicht wurde, wird jetzt in wenigen Stunden passieren?
Bei der COP in Madrid waren die Verhandlungen verfahren, da es sehr strikte Positionen bei der Frage gab, wie man Treibhausgasminderungen, die sich zum Beispiel durch besonders klimafreundliche Investitionen in Afrika oder Asien ergeben, unter den Ländern gegenseitig anrechnen kann – also zwischen dem Land, das die Investition unterstützt und dem Land, wo die Investition und damit die Treibhausgasminderung erfolgt. Wer darf sich dann das Weniger an Klimagasen gutschreiben und unter welchen Bedingungen? Hierzu war in Madrid keine Einigung möglich. Es zeichnete sich einfach kein Kompromiss ab, der für uns als EU tragbar erschien. Inzwischen hat sich die Großwetterlage verändert. Wir haben den Eindruck, dass alle Länder hier zu einem Ergebnis kommen wollen. Auch Brasilien.
Stichwort Brasilien: Es geht auch um die Frage, inwieweit Kohlenstoffgutschriften aus dem Kyoto-Protokoll in die neue Regelung übernommen werden können.
Das hat vom Problem her eine andere Qualität als die künftige Struktur für die Anrechnung von Emissionsminderungen. Wenn man Gutschriften aus der Vergangenheit in die Zukunft überführt, bedeutet das gleichzeitig weniger Klimaambitionen. Das können wir uns angesichts der fortschreitenden Klimakrise nicht leisten. Hier müssen wir uns auf einen Mittelweg einigen.
Auch bei der Klimafinanzierung gibt es noch Klärungsbedarf.
Der Wunsch der Entwicklungsländer ist, dass wir jährlich darlegen, wo wir uns auf dem Weg zu den versprochenen 100 Milliarden US-Dollar befinden. 2023 werden wir die Summe erreichen, 2025 soll sie auf etwa 120 Milliarden anwachsen. Da wir aber 2020, 2021 und sehr wahrscheinlich auch noch 2022 unter den 100 Milliarden bleiben werden, wollen die Entwicklungsländer lieber jedes Jahr ein Update. Das kann ich gut verstehen und dem sollten wir nachkommen.
Die größten Emittenten USA und China haben zuletzt überraschend eine bilaterale Vereinbarung zu mehr Klimaschutz angekündigt. Sie hatten von den Ländern, speziell China, zuvor mehr Engagement gefordert. Reicht das nun aus?
Ich habe die Erklärung genau gelesen und ich arbeite mit den Chinesen seit Langem zusammen. Mit der Vereinbarung haben sie substanzielle zusätzliche Minderungen im Blick. Wir erwarten natürlich, dass das noch über ein NDC-Update formalisiert wird. Aber die Ankündigung ist in Teilen schon sehr spezifisch, insbesondere was den geringeren Methanausstoß angeht, was eine große Wirkung haben kann. Auch bei Wäldern und den entwaldungsfreien Lieferketten ist es ein Ausrufezeichen.
Drittgrößter Emittent ist die Europäische Union, die sich gerne als Vorreiter beim Klimaschutz bezeichnet. Kann die EU ihrer selbstgegebene Rolle auf der COP26 gerecht werden?
Dass die EU ihr NDC von 40 Prozent Minderung auf 55 Prozent angehoben hat, ist für den Wirtschaftsraum ein großer Schritt. Deshalb war es auch an der Zeit, dass die USA und China als größte Emittenten auf ähnliche Niveaus gehen. Das haben sie jetzt in etwa getan.
Mit dem ETS und der geplanten Ausweitung auf Gebäude und Verkehr setzt die EU auf einen marktwirtschaftlichen Ansatz bei der Dekarbonisierung und wirbt für eine möglichst globale Anwendung der CO2-Bepreisung. Erfolgreich?
Der Europäische Emissionshandel ist für China eine Blaupause. Auch in den USA gibt es in einigen Bundesstaaten einen Emissionshandel und auch Russland denkt über die Einführung von Pilotprojekten für einen Emissionshandel nach. Es ist für die Industrie und die Energieerzeugung ein sehr rationales Instrument, das sehr präzise ist und das – vorausgesetzt, es ist gut organisiert – auch tatsächlich zu Treibhausgasminderungen führt, da, wo dies erst einmal am wirtschaftlichsten ist. Im Bereich der Energieerzeugung kann man das jedenfalls gut sehen – ganz im Gegenteil zu Verkehr oder Landwirtschaft.
Zum Schutz vor Carbon Leakage plant die EU die Einführung eines Grenzausgleichs (CBAM). Wie sind hier die Reaktionen?
Bei meinen Gesprächen mit den Schwellenländern ist der Grenzausgleich häufig Thema. Denn es wird natürlich auch als eine Art Importschranke empfunden, um Produkte aus anderen Ländern fernzuhalten. Wenn dieser Eindruck sich verfestigt, dann haben wir ein Problem. Wir wollen Carbon Leakage verhindern und es ist auch nicht verwerflich, unsere Industrie, insbesondere wenn sie immer klimafreundlicher wird, auch schützen zu wollen. Eine ideale Welt wäre aber eine, in der man den CBAM gar nicht braucht, da es vergleichbare Standards gibt. Dafür hat Olaf Scholz den Klimaclub ins Gespräch gebracht.
Im Entwurf der COP26-Abschlusserklärung steht unter anderem die klare Aufforderung, den Kohleausstieg zu beschleunigen. Eine solche Sektor-bezogene Formulierung gilt als Novum und stößt teils auf Widerstand. Wie groß sind die Überlebenschancen für den Satz?
Wir finden das ausdrücklich gut und hoffen, dass wir unsere Partner überzeugen können, dass er drinbleibt. Nicht nur wegen der Aussage zu Kohle, sondern weil es wichtig ist, nicht nur Klimaziele für Staaten, sondern auch für die großen Wirtschaftssektoren festzulegen, also für Energie, Verkehr Landwirtschaft. Wir könnten uns sogar vorstellen, die angesprochene Passage zu verschärfen, indem wir eine Frist für das weltweite Aus der Kohlenutzung setzen.
Welche könnte das sein?
Der Satz aus dem Sondierungspapier der Ampel lautet: Idealerweise erfolgt der Kohleausstieg schon 2030. Aber das würde andere Staaten, die noch abhängiger von der Kohle sind, überfordern. In jedem Fall muss es rechtzeitig vor Mitte des Jahrhunderts sein. Sonst ist es zu spät.
Auch der Ausstieg aus der Finanzierung fossiler Brennstoffe wird explizit gefordert. Fast gleichzeitig wurde die neue Liste der EU zu förderfähigen “Projects of common interest” öffentlich, die weiterhin Investitionen in Gas-Projekte vorantreibt. Wie passt das zusammen?
Auf dem Weg zu einer klimaneutralen Wirtschaft brauchen wir Gas als Übergangslösung. Neue Investitionen in die Gasinfrastruktur dürfen allerdings nur dann getätigt werden, wenn sie das 1,5-Grad-Ziel nicht gefährden und wenn sie sich auch für wasserstoffbasierte Energieträger eignen. Das hat Deutschland mit dem Beitritt zur Deklaration für ein Ende der internationalen Gas- und Ölfinanzierung hier auf der COP klar unterstrichen. Damit senden wir ein klares Signal in die Energiebrache: Auch rein fossiles Erdgas hat ein Ablaufdatum. Ein tragfähiges Geschäftsmodell lässt sich darauf nicht mehr aufbauen.
Während in Glasgow um wegweisende Entscheidungen zum globalen Klimaschutz gerungen wird, streitet in Berlin die künftige Bundesregierung um ihre eigenen Positionen. Welche Rolle spielen die Koalitionsverhandlungen für die deutsche Delegation auf der COP26?
Wir verhandeln in Glasgow als Teil der EU, nicht als Einzelstaat. Die Positionen der EU sind schon seit Längerem unter allen Mitgliedsstaaten abgestimmt. Davon abgesehen, liegen die Positionen der alten Bundesregierung, in der Ampel und generell parteiübergreifend – mal abgesehen von der AfD – für unser internationales Agieren so nah beieinander, dass das keine Rolle spielt. Wir sehen hier überhaupt keine Begrenzung und sind voll handlungsfähig.
Kaum ein EU-Vorhaben bereitet der deutschen Industrie aktuell so große Sorgen wie die neuen Klima- und Energie-Beihilfeleitlinien (KUEBLL). Der geschäftsführende Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) versucht daher, in den letzten Tagen und Wochen im Amt noch Einfluss auf die EU-Kommission zu nehmen. Auch das Europaparlament hat auf Initiative des CSU-Abgeordneten Markus Ferber in einer Resolution Änderungen gefordert.
Die Sorge: Die bisherigen Pläne von Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager könnten zur Folge haben, dass Hunderte energieintensive Unternehmen den Anspruch auf Entlastung bei den Stromkosten verlieren würden. Und das zu einer Zeit, in der Klimaschutzpläne des Fit-for-55-Pakets absehbar neue Belastungen mit sich bringen werden.
Die Interventionen scheinen nicht vergeblich zu sein. Laut Informationen aus EU-Kreisen hat die Kommission am Donnerstag mit dem internen Abstimmungsprozess begonnen, in dem andere Generaldirektionen Stellung nehmen können zum Entwurf der GD Wettbewerb. Nach dem zweiwöchigen Prozess soll es einen überarbeiteten Text geben. Margrethe Vestager habe signalisiert, noch zu Änderungen an den für die Industrie entscheidenden Punkten bereit zu sein, heißt es in den Kreisen. Die Kommission wollte sich dazu nicht äußern.
Die Kommission prüft anhand der Leitlinien für europäische Energie- und Umweltschutzbeihilfen, welche nationalen Hilfen sie genehmigt. Die bisherigen Leitlinien gelten bis Ende des Jahres, die Kommission hat im Sommer einen Entwurf für die Nachfolgeregelung vorgestellt. Diese Reform soll auf die Green-Deal-Agenda der EU einzahlen. Sie soll es den Regierungen ermöglichen, zur Förderung der Transformation weit höhere Subventionen auszuzahlen und dabei auch neue Bereiche wie saubere Mobilität oder Energieeffizienz von Gebäuden zu berücksichtigen.
Allerdings sieht der Entwurf auch vor, die Bedingungen für die Reduzierung von Elektrizitätsabgaben deutlich zu verschärfen. Altmaier und Co befürchten, dass viele stromintensive Unternehmen dadurch ihren Anspruch auf eine reduzierte EEG-Umlage verlieren würden. Denn: Die Liste der beihilfeberechtigten Branchen soll gekürzt und die Anforderungen sollen deutlich verschärft werden.
Die Unternehmen müssten laut Entwurf eine Handelsintensität von mindestens 20 Prozent und eine Stromkostenintensität von mindestens 10 Prozent nachweisen. Eine alternative Schwelle liegt demnach bei 80 Prozent für die Handels- und sieben Prozent für die Stromkostenintensität. Die Werte liegen damit weit höher als bisher.
Die neuen Leitlinien würden “weit höhere Staatshilfen ermöglichen”, wenn dies für das Erreichen der Green-Deal-Ziele nötig sei, sagte Vestager vergangene Woche. Zugleich müssten die Bedingungen verschärft werden, “um zu vermeiden, dass die Unternehmen mehr Hilfe erhalten, als sie benötigen”.
Die Rolle von Beihilfen in der grünen und digitalen Transformation dürfte die Kommission nächste Woche auch grundsätzlicher beleuchten. Dann steht eine Mitteilung zur Wettbewerbspolitik auf der Agenda des College, allerdings noch unter Vorbehalt. Denn die Kommunikation sorgt auch intern für erhebliche Diskussionen.
Strittig ist insbesondere die Ausrichtung des Instruments der “wichtigen Vorhaben von gemeinsamem europäischen Interesse” (IPCEI), das zur Förderung der Mikroelektronik und der Batteriezellindustrie eingesetzt wurde. Binnenmarktkommissar Thierry Breton aus Frankreich will IPCEIs für eine aktive Industriepolitik nutzen und den Regierungen etwa die massive Subventionierung großer Halbleiterfabriken erlauben. Margrethe Vestager hingegen verteidigt die bisherige Einschränkung, wonach nur hochinnovative Technologien gefördert werden dürfen.
In einem gemeinsamen Brief stellten sich sechs Mitgliedsstaaten nun hinter die Wettbewerbskommissarin. “Ein exzessiver und nicht-zielgerichteter Einsatz des Instruments würde zu einem Subventionswettlauf und unfairem Wettbewerb in der EU führen”, schreiben die Vertreter der Niederlande, Irlands, Rumäniens und der nordeuropäischen Länder. Daher sollten über IPCEIs weder Massenproduktion noch geschäftliche Aktivitäten gefördert werden.
Altmaier steht in der Frage eher aufseiten Frankreichs. Er hofft, über Beihilfen in Milliardenhöhe noch große Chiphersteller zur Ansiedlung in Deutschland bewegen zu können. Ob eine Ampel-Koalition den gleichen Ansatz verfolgt, ist offen. Die FDP sieht derartige Subventionen kritisch. Mit dem designierten Bundeskanzler Olaf Scholz aber unterhielt Breton sich am Donnerstag beim Mittagessen über Lieferketten und den geplanten “Chips Act” – und sprach anschließend von einem “ergiebigen Austausch”. Der Kommissar reist an diesem Freitag nach Sachsen weiter, um dort Vertreter von Chipherstellern wie Infineon, Bosch und Globalfoundry zu treffen.
Rat der EU (Auswärtige Angelegenheiten)
15.11.2021 09:00 Uhr
Akteure: Außenminister:innen
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem ein Meinungsaustausch zu den westlichen Balkanstaaten und zur Sahelzone.
Vorläufige Tagesordnung
Rat der EU (Landwirtschaft und Fischerei)
15.11.2021 10:00 Uhr
Akteure: Landwirtschafts- und Fischerei-Minister:innen
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem Schlussfolgerungen zur neuen EU-Waldstrategie für 2030, die Farm-to-Fork-Konferenz 2021, die im Oktober stattgefunden hat, und die 12. WTO-Ministerkonferenz vom 30.11.- 3.12.2021.
Vorläufige Tagesordnung Farm to Fork Konferenz WTO-Ministerkonferenz
Sitzung des Ausschusses für Verkehr und Tourismus
15.11.2021 13:15-18:15
Akteure: TRAN
Agenda: Auf der vorläuigen Tagesordnung stehen die Herausforderungen für städtische Gebiete in der Zeit nach der COVID-19-Krise, die Rolle der Fischerei und der Aquakultur beim Übergang zu einer nachhaltigen blauen Wirtschaft in der EU sowie das Luftverkehrsabkommen zwischen der EU und den USA.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Ausschusses für Haushaltskontrolle
15.11.2021 13:45-18:45
Akteure: CONT
Agenda: Auf der Tagesordnung steht unter anderem die Entlastung des Haushalts der EU-Kommission für das Jahr 2020.
Vorläufige Tagesordnung
Rat der EU (Auswärtige Angelegenheiten/Verteidigung)
16.11.2021 10:00 Uhr
Akteure: Außen- und Verteidigungsminister:innen
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem ein Meinungsaustausch zu den EU-Ausbildungsmissionen.
Vorläufige Tagesordnung
Wöchentliche Kommissionssitzung
17.11.2021
Akteure: EU-Kommission
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung der Kommissarinnen und Kommissare steht unter anderem ein Austausch über das Thema Natur in Bezug auf Abfall, Entwaldung und Bodenstrategie, die Global Gateway Initiative sowie die Wettbewerbspolitik. Im Anschluss findet voraussichtlich gegen 12 Uhr eine Pressekonferenz statt.
Vorläufige Tagesordnung Pressekonferenz live
Rat der EU (Allgemeine Angelegenheiten)
18.11.2021 10:00 Uhr
Akteure: Minister:innen für Europäische Angelegenheiten
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem eine Debatte über den Beitrag von Kohäsionspolitik-Programmen zur Nachhaltigkeit sowie zur grünen und digitalen Transformation.
Vorläufige Tagesordnung
Rat der EU (Auswärtige Angelegenheiten/Entwicklung)
19.11.2021 09:00 Uhr
Akteure: Außen- und Entwicklungsminister:innen
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen ein Meinungsaustausch zum auswärtigen Handeln der EU in Bezug auf Wasser in Zentralasien und ein informeller Meinungsaustausch mit Samantha Power, Direktorin der United States Agency for International Development.
Vorläudige Tagesordnung
Alle schauen auf die Ministerriege. Verständlich, denn deren Besetzung ist kompliziert genug: Selbstgegebene Vorgaben wie Frauenanteil, aber auch Machtverhältnisse und Regionalproporze sind zu berücksichtigen. Auch bei anderen herausgehobenen Positionen wie parlamentarischen Staatssekretären (die im Auswärtigen Amt und Bundeskanzleramt aus historischen Gründen Staatsminister heißen), Bundesbeauftragten und Fraktionsvorsitzenden ist es ein filigranes Werk für jede der drei Parteien, besonders kompliziert bei den beiden kleineren Koalitionspartner mit wohl höchstens fünf Ministerposten.
Die letzte Regierungsbeteiligung der Grünen auf Bundesebene ist mittlerweile 16 Jahre her. Von den damaligen Ministerinnen und Ministern sind nur Renate Künast und Jürgen Trittin überhaupt noch auf Bundesebene sichtbar. Auch bei der FDP sind die Minister der bislang letzten schwarz-gelben Koalition 2009 bis 2013 nicht mehr beteiligt.
Doch das größere Problem kommt auf die beiden Neuregierungsparteien erst unterhalb der Ministerebene zu. Denn mit Farbwechseln eines Ministeriums gehen üblicherweise Personalwechsel einher. Für parlamentarische Staatssekretäre gibt es genug Kandidaten aus den gewachsenen Bundestagsfraktionen. Und auch den Großteil der beamteten Staatssekretäre in den Häusern dürften die beiden “Neuen” in einer künftigen Ampel-Koalition noch aufbringen können.
Doch dies ist nur ein kleiner Teil der üblichen Veränderungen. Zuletzt hatte das Bundesverfassungsgericht mehrfach gemahnt, dass zwar nicht jeder politische Beamte bei einem Regierungswechsel ausgetauscht und in den einstweiligen Ruhestand versetzt werden dürfe – auch in höheren Funktionen gelte grundsätzlich das Lebenszeitprinzip und ein Beamter sei Staats-, nicht Parteidiener. Allerdings dürfe die Loyalität nicht infrage stehen. Und genau das ist an vielen Stellen fraglich – insbesondere dann, wenn Häuser massiv den politischen Kurs wechseln sollen.
Das Kanzleramt wird absehbar personell umgekrempelt werden. Dorthin sind Beamte stets nur entliehen – sie haben ein Stammhaus, in das sie zurückkehren können und gegebenenfalls auch müssen. Dass unter anderem aus der Abteilung Planung des Finanzministeriums neues Personal kommt, davon ist fest auszugehen. Denn auch wenn Angela Merkel nicht immer strikt nach Parteibuch ging: Ihr und ihren Kanzleramtschefs waren im unmittelbaren Machtapparat politische Näheverhältnisse wichtig. Damit steht aber bereits ein knappes Dutzend Versorgungsfälle an, deren künftige Verwendung ein Problemfall wird.
Denn während bei der SPD vor allem eine Personalrochade von alten zu neuen Häusern ansteht, sitzen nach 16 Jahren Unionsregierung derzeit CDU- und CSU-nahe oder bisherigen Ministern loyale Akteure an den administrativen Schalthebeln der Macht. Welche Aufgaben gibt man diesen künftig? In welchen Häusern?
Fast alle übernehmen und auf deren Loyalität hoffen, wie Winfried Kretschmann es in Baden-Württemberg einst tat? Ein Bundesministerium ist politisch noch viel aufgeladener als die Landesebene. Und kann man Politik überhaupt verändern, ohne auch in den entscheidenden Verwaltungspositionen Personal auszuwechseln? Am Ende stehen Gelb und Grün vor einem Doppelproblem: die Unionsköpfe loszuwerden – und zugleich überhaupt eigene Leute zu finden, für die Plätze frei sein müssten.
Für die Grünen gibt es mehrere Bereiche, in denen die Rekrutierung grundsätzlich möglich scheint. Insbesondere im Bereich Umwelt, Klima, Verkehr, bei der Entwicklungszusammenarbeit und im Bereich Verbraucherschutz gibt es ausreichend Vorfeldorganisationen. Der Rückgriff auf Personal thematisch profilierter Akteure wie internationaler Organisationen, Think-Tanks wie der Agora Energiewende oder Verbände ist eine plausible Möglichkeit.
Zudem haben die Grünen auf Landesebene mehrfach entsprechende Ministerien besetzt und auch dort Personal aufbauen können, ein Reservoir, aus dem auch im Bund geschöpft werden kann – zumindest bei den stets notwendigen Juristen. Allerdings wird in Ländern mit grüner Regierungsbeteiligung wie in Baden-Württemberg, Schleswig-Holstein, Hessen und Berlin schon befürchtet, dass die Bundesebene nun die Länder ‘leerziehen’ könnte – was dort Probleme verursachen würde.
Doch die Grünen haben auf Landesebene einige Ressorts immer gemieden, was sich nun rächen könnte. So war das Finanzressort, Ausnahmen in kleinen Ländern mal ausgenommen, nur selten ein Grünes. Im größeren Baden-Württemberg besetzt man es erst wenige Monate. Auch wenn mit Gerhard Schick, Sven-Christian Kindler und Sven Giegold drei starke Stimmen der Debatten das grüne Parteibuch haben, könnte das für die komplexe Materie, die europäische und internationale Koordination des Finanzministeriums, zu wenig sein. Ein Grund, aus praktischen Gründen lieber andere Häuser zu wollen? Dort sieht es teils noch schwieriger aus. Als zuletzt etwa kolportiert wurde, dass Grünen-Chef Robert Habeck gerne Bundesinnenminister werden wolle, kratzten sich in Parteikreisen einige kräftig am Kopf.
Strategisch wäre das zwar geschickt, heißt es unter Grünenpolitikern. Immerhin würde hier ein wahrnehmbarer Unterschied entstehen. Doch das Haus ist so schwarz, dass eigentlich enormer Personalbedarf entstünde. Während für die Rollen der parlamentarischen Staatssekretäre mit Irene Mihalic und Konstantin von Notz zwei profilierte grüne Innenpolitiker verfügbar wären, würde es bei potenziellen Staatssekretären schon etwas komplizierter. Noch schwieriger würde es bei den bis zu zwölf Abteilungsleitern, die selbst nach einer Remigration des Baubereichs in einen anderen Geschäftsbereich und einer Umorganisation der Heimatabteilung noch vonnöten wären.
Diesen zwölf Abteilungsleitern sind derzeit 23 Unterabteilungsleitungen nachgeordnet – und deren Besetzung ist nicht leicht anpassbar. Politisch müssten hier an vielen Stellen Veränderungen folgen. Doch zugleich können neue Hausherren weder auf das Fachwissen verzichten, noch verfügen sie über ausreichend Personal, das sie an entsprechende Stellen bringen können. Zwar könnten die Grünen beispielsweise beim Asylrecht auf Personal von Amnesty International zurückgreifen. Doch bei Mitarbeitern, die nicht aus der Ministerialbürokratie kommen, besteht die Gefahr, dass sie vom vorhandenen Apparat professionell ausgespielt werden.
Auch bei der FDP steht man vor Problemen: Während die Liberalen weniger Probleme als die Grünen damit hätten, aus Verbänden oder auch Unternehmen Experten in ihre Ministerien zu holen, sind sie derzeit an nur noch vier Landesregierungen beteiligt. 2009 waren sie kurzfristig in der Hälfte der Bundesländer an der Regierung beteiligt, danach verloren die Liberalen massiv an Macht und Einfluss. Nicht zuletzt das vorübergehende Ausscheiden aus dem Bundestag kostete sie personelle Optionen: Wer hätte seine Ministerialkarriere damals schon an ein FDP-Parteibuch geknüpft? Zudem ging eine ganz Legislatur Fraktions- und Abgeordneten-Mitarbeiter ging verloren.
Auch die Landesministerien sind kein großes Reservoir: So besetzt die FDP in Schleswig-Holstein das Ministerium für Soziales, Gesundheit, Jugend, Familie und Senioren sowie das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus (MWVATT). Aber dies sind trotz langer Titel und breiter Zuständigkeiten kleine Häuser: Im gesamten MWVATT sind insgesamt nur 297 Stellen für das Jahr 2020 veranschlagt. Und in Sachsen-Anhalt haben die Liberalen gerade erst im September einen Regierungsposten erobert: Lydia Hüskens ist dort die einzige FDP-Ministerin für Infrastruktur und Digitales, in ihrem Haus kann man nicht räubern gehen.
Am ehesten können die Liberalen also auf Personal aus Rheinland-Pfalz (seit 2016 mit FDP-Beteiligung, Ministerien Justiz und Wirtschaft, Landwirtschaft und Verkehr) und Nordrhein-Westfalen zurückgreifen. NRW mit seinen personalstarken Ministerien dürfte für die FDP-Personalbedarfe wichtig werden: Im Wirtschafts-, Digital- und Innovationsministerium und im Kinder-, Jugend-, Flüchtlings- und Integrationsministerium gibt es relevantes Personal mit FDP-Parteibuch. Doch aus dem Vollen schöpfen können auch die Liberalen nicht.
Damit überhaupt jemand Neues kommen kann, muss dafür eine Planstelle frei sein. Genüsslich würde die künftige Opposition einen höheren Stellenbedarf, der primär politisch bedingt ist, im nächsten Bundeshaushalt kritisieren. Weshalb auch in grünen wie gelben Koalitionsverhandlerkreisen das Problem als solches zwar erkannt, eine Lösung aber erst mal nicht absehbar ist.
Und so wird es bei Grün und Gelb auf eine andere Methode hinauslaufen: strategische Umsetzungen. Wer mit schwarzem Parteibuch an strategischen Schlüsselpositionen sitzt, kann sich schon geistig darauf vorbereiten, sich bei nächster Gelegenheit auf gleicher Ebene in unpolitischer Position wiederzufinden.
Wann immer ein Unterabteilungsleiter oder Abteilungsleiter pensioniert wird, werden verfügbare Beamte nachbesetzt. Doch selbst dann gilt: Die besonders lange in Unionshand befindlichen Häuser auch unterhalb der politischen Ebene zu begrünen beziehungsweise zu liberalisieren, dürfte kaum binnen einer Legislaturperiode gelingen. Die Einstellungs- und Beförderungspolitik in den Bundesministerien ist dafür zu träge. Und wer unter alter Führung opponierte, dürfte schwerlich die für weitere Beförderungen zwingend notwendigen Benotungsempfehlungen erhalten haben.
Der FDP schwante bereits im Sommer, dass hier Probleme auftreten könnten: Sie stellte zwei Monate vor der Bundestagswahl eine Kleine Anfrage an die amtierende Bundesregierung. Aufgeschlüsselt werden sollte unter anderem, in wie vielen Fällen Abteilungsleiter im formellen Rang eines Ministerialdirigenten statt eines Ministerialdirektors verblieben waren – und somit keine politischen Beamten sind, die relativ einfach ausgetauscht werden könnten. Die Leiter von insgesamt vier unionsgeführten Ministerialabteilungen, so die Antwort, würden auf diese Konstruktion zurückgreifen – davon ließen sich zwei Abteilungsleiter absichtlich nicht in den höheren Rang ernennen, bei den anderen beiden war dies wohl auch nicht vorgesehen.
Und so werden Grün wie Gelb in den kommenden Wochen und Monaten nicht nur über ihren politischen Vorhaben, sondern auch über Stellenplänen und Umsetzungen, Personalrekrutierung und anderem Handwerkzeug brüten müssen. Das Gesamtkunstwerk einer Ampel-Koalition, es hat noch einige Arbeitsschritte vor sich.
Die im Europaparlament diskutierte Löschfrist für illegale Inhalte wird nicht kommen. Die Berichterstatterin des Europaparlaments für den Digital Services Act (DSA), Christel Schaldemose (S&D), hatte eine Verpflichtung für Online-Plattformen vorgeschlagen, illegale Inhalte binnen 24 Stunden zu entfernen, sofern diese eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Gesundheit darstellen. Dies sei inzwischen vom Tisch, sagte Schaldemose, da sie dafür keine Unterstützung gefunden habe. “Ich werde keine konkreten Deadlines für das Entfernen vorschlagen.”
Die Gegner hatten gewarnt, eine Löschfrist berge die Gefahr des Overblocking: Die Online-Plattformen würden gedrängt, ohne gründliche Prüfung Inhalte zu entfernen. Der Punkt gehörte zu einer Reihe von Streitfragen, die die Positionierung des Europaparlaments zum Digital Services Act verzögern. Sie erwarte, dass die Abstimmung im Binnenmarktausschuss im Dezember stattfinden werde, sagte Schaldemose. Das Plenum könne dann im Januar die Position für den Trilog mit dem Rat beschließen.
Der ursprüngliche Zeitplan hatte vorgesehen, am 8. November im IMCO und Mitte Dezember im Plenum Über den Digital Services Act abzustimmen – parallel zum Digital Markets Act. Vor allem Frankreich drängt zur Eile: Paris will die beiden Gesetzespakete während seiner Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2022 verabschieden.
Der DMA könnte den Dezembertermin für das Plenum noch halten (Europe.Table berichtete). In einigen Fragen sind die Positionen aber verhärtet: Die Sozialdemokraten beharren darauf, den Fokus nicht allein auf die ganz großen Digitalkonzerne zu legen, sondern auch in ihrem jeweiligen Markt starke Anbieter wie Airbnb oder Booking.com der Regulierung zu unterwerfen. Dies sei “eine tiefrote Linie” für ihre Fraktion, sagte die Schattenberichterstatterin der Sozialdemokraten, Evelyne Gebhardt.
DMA-Berichterstatter Andreas Schwab (CDU/EVP) pocht hingegen darauf, sich auf Plattformen zu konzentrieren, die in mindestens zwei Geschäftsbereichen stark sind. Das eigentliche Problem seien die Digitalriesen mit ihren Ökosystemen, denen man kaum ausweichen könne, argumentiert er. tho
In einer gemeinsamen Erklärung haben sich die Umweltminister:innen von Dänemark, Portugal, Österreich, Luxemburg und Deutschland für eine atomfreie EU-Taxonomie ausgesprochen. Am deutschen Pavillon auf der Weltklimakonferenz in Glasgow erklärten sie am Donnerstag, Kernenergie sei “zu risikoreich, zu teuer und zu langsam”, um einen Beitrag für Europas Klimaschutzpläne zu leisten. Bundesumweltministerin Svenja Schulze sagte, Wind- und Solarenergie dagegen seien risikoarm, günstig und “jetzt verfügbar”. Daher müssten Investitionen in Erneuerbare fließen statt in Atomenergie.
Schulzes österreichische Amtskollegin Leonore Gewessler sagte, die Taxonomie sei ein “Kompass für nachhaltige Investitionen”. Atomenergie stünde nicht mit dem “Do No Significant Harm”-Grundsatz der EU-Taxonomie überein. Carole Dieschbourg aus Luxemburg sagte, Investitionen in Kernenergie verhinderten Klimaschutzmaßnahmen (Europe.Table berichtete). João Pedro Matos Fernandes aus Portugal begründete seine Teilnahme an der Erklärung damit, dass in Nuklearstrom investiertes Geld nicht in Erneuerbare fließe. EU-Gelder dürften zudem niemals in Kernenergie fließen.
In der EU-Taxonomie sollen nachhaltige wirtschaftliche Aktivitäten ein Label als solche erhalten (Europe.Table berichtete), damit die Finanzströme verstärkt in grüne Technologien geleitet werden. Mehrere Staaten unter Führung Frankreichs wollen Atomkraft trotz der ungelösten Atommüll-Endlagerfrage als nachhaltig einstufen lassen (Europe.Table berichtete). Sowohl private als auch öffentliche Investitionen in Atomenergie würden dann als grün gelten.
So ganz einig waren sich die Minister:innen dann allerdings doch nicht. Gewessler, Deschbourg und Fernandes positionierten sich klar gegen die Aufnahme sämtlicher fossiler Energieträger in die Taxonomie. Dazu gehöre neben der Atomkraft auch Erdgas. Die Länder sehen auch darin einen Verstoß gegen das “Do No Significant Harm”-Prinzip der EU-Taxonomie. “Nur weil etwas nicht ganz so schlimm ist, heißt es nicht, dass es gut ist”, so Gewessler. Schulze hingegen hielt sich in der Frage bedeckt.
Deutschland habe hierzu keine Position, sagte ein BMU-Sprecher auf Nachfrage des Europe.Table. Die Bundesregierung setzt jedenfalls auf den Einsatz von fossilem Gas als Übergangs-Technologie, um möglichst schnell aus der Kohle auszusteigen. Auch eine COP-Erklärung zum Ausstieg aus der Öl-und Gasfinanzierung hatte Deutschland erst mit mehrtägiger Verzögerung unterzeichnet (Europe.Table berichtete). Man wollte sicherstellen, dass Ausnahmen für die Übergangszeit möglich sind. luk mit rtr
In einer Schwerpunktstudie für das Bundeswirtschaftsministerium hat das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) den Stand der Digitalen Souveränität in Deutschland beforscht. Die Autorinnen Mareike Seifried und Irene Bertschek kommen darin zu dem Schluss, dass Teile der deutschen Wirtschaft zwar Abhängigkeiten wahrnehmen würden und langfristig als erfolgskritisch einschätzten. “Jedoch planen nur wenige dieser Unternehmen konkrete Maßnahmen zur Reduzierung dieser Abhängigkeiten”, heißt es in der Studie.
Die Autorinnen der ZEW-Studie konstatieren unter anderem “erhebliche Abhängigkeiten zu nicht-europäischen Anbietern im Hardware- und Infrastrukturbereich”, “insbesondere für Mikrochips, Kommunikationsinfrastruktur und Cloud-Infrastrukturen“. Gut aufgestellt sei Deutschland zumindest im europäischen Vergleich im Bereich der Cybersicherheit, diese Kompetenz müsse jedoch weiter gestärkt werden. Auch in der KI-Forschung sei Deutschland stark, bei Neugründungen und Anwendungen jedoch schwach.
Die Abhängigkeiten deutscher Unternehmen in industriellen B2B-Plattformmärkten seien derzeit diversifiziert, allerdings würden deren Betreiber auf wenige große US-Anbieter zurückgreifen, deren Services massiv um weitere Komponenten erweitert würden, beispielsweise im Bereich Internet of Things. Der Einfluss der US-Anbieter wachse hierdurch, weshalb hier neue Abhängigkeiten drohten. Zudem seien viele Anwender auf die Nutzung einzelner Plattformen fokussiert, deren Interoperabilität fraglich sei. Auch Eigenlösungen seien bei Unternehmen gängig, könnten jedoch ebenfalls die Flexibilität schmälern.
Im B2B-Bereich seien Datenräume bislang erst im Aufbau, während die Autorinnen die Kontrolle über Datenräume im Endnutzerbereich klar verortet sehen: B2C liege “die Kontrolle über Datenräume bereits überwiegend außerhalb Europas, das heißt in den USA und in China“. Dies drohe auch für die B2B-Anwendung durch Geschäftsanwender, mit “immensen wirtschaftlichen Folgen für Deutschland und Europa und als Konsequenz auch Einschränkungen des Handlungsspielraumes und somit der Souveränität”. GAIA-X sei hier ein Ansatz, aber noch mangele es deutschen Unternehmen auch an Datenkompetenz.
Hauptgründe für erkannte Abhängigkeiten sind laut Unternehmensbefragungen des ZEW:
Der Fachkräftemangel und fehlende interne Kompetenzen spielen der Befragung zufolge nur eine untergeordnete Rolle.
Konkrete Maßnahmen zur Reduktion von Abhängigkeiten planen derzeit nur wenige Unternehmen. Als besonders relevant wird derzeit der Bereich der IT-Sicherheit gesehen, der von knapp der Hälfte der Befragten als hochprioritär eingestuft wurde. fst
Der hohe Inflationsdruck in der Eurozone wird nach Vorhersage der EU-Kommission kommendes Jahr nur begrenzt nachlassen. Die Brüsseler Behörde sagt in ihrer am Donnerstag aktualisierten Prognose für 2021 eine Preissteigerungsrate von 2,4 Prozent voraus. 2022 dürfte die Rate demnach bei 2,2 Prozent liegen.
In beiden Jahren läge die Teuerung damit über dem Ziel der Europäischen Zentralbank, die einen Wert von 2,0 Prozent als ideal für die Konjunktur anstrebt. Erst für 2023 erwartet Brüssel Entwarnung: Dann soll sich der Preisdruck nur noch mäßig um 1,4 Prozent erhöhen. Für Deutschland rechnet die Brüsseler Behörde damit, dass 2021 sogar eine stark erhöhte Inflationsrate von 3,1 Prozent erreicht wird, die nächstes Jahr auf 2,2 Prozent und 2023 auf dann 1,7 Prozent zurückgehen wird.
Die Inflation in der Eurozone war im Oktober so stark geklettert wie seit mehr als 13 Jahren nicht mehr. Angetrieben von einem kräftigen Kostenanstieg bei Energie erhöhten sich die Verbraucherpreise binnen Jahresfrist um 4,1 Prozent.
Die Europäische Zentralbank (EZB) geht laut ihrem Chefvolkswirt Philip Lane davon aus, dass die als Preistreiber fungierenden Materialengpässe nachlassen werden und die Energiepreise sinken oder sich stabilisieren dürften. EZB-Vizepräsident Luis de Guindos hat Erwartungen an ein deutliches Abebben des Inflationsschubs im nächsten Jahr allerdings etwas gedämpft. Im September hatten die Volkswirte der EZB in ihren Projektionen für 2022 eine Teuerungsrate von 1,7 Prozent veranschlagt, die 2023 auf 1,5 Prozent absinken soll. Zur nächsten Zinssitzung Mitte Dezember legt die EZB aktualisierte Projektionen vor.
In ihrer Herbstprognose sagt die Kommission für 2021 ein Wirtschaftswachstum von 5,0 Prozent in der Eurozone voraus. 2022 sollen immerhin noch 4,3 Prozent herausspringen. Sorge bereiten jedoch steigende Corona-Infektionen, höhere Inflation und Lieferprobleme. “Wir müssen wachsam bleiben und bei Bedarf eingreifen, um sicherzustellen, dass uns dieser Gegenwind nicht von unserem auf die Erholung gerichteten Kurs abtreibt”, warnte EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni. rtr
“Wir werden den Begriff der Digitalisierung verlieren”, prophezeit Julia Pohle vom WZB. “Der digitale Aspekt wird in Zukunft automatisch mitgedacht werden, wird zur Selbstverständlichkeit wie das Straßen- oder Energienetz.” Pohle spricht viel über die Zukunft, die Zukunft unserer Gesellschaft in einer digitalen Welt. Sie ist Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe Politik der Digitalisierung am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB). Dort erforschen sie und ein Team aus acht Wissenschaftler:innen, wie Digitalisierung als Ressource politischer Ordnungsbildung funktioniert, aber auch inwiefern sie Gegenstand politischer Entscheidungen ist.
“Wir fokussieren uns also auf die Wechselwirkung”, sagt Pohle, das mache sonst kein anderes Forschungsteam. Wichtig ist die Betrachtung dieser Wechselwirkung unter anderem bei Trade Agreements wie zum Beispiel dem im Februar 2019 in Kraft getretenen Freihandelsabkommen zwischen der EU und Japan.
Pohle und ihr Team am WZB arbeiten an verschiedenen Projekten, im Vordergrund steht vor allem die Analyse von politischen Diskursen zum Thema Digitalisierung. Dabei betrachtet Pohle, wie sich unterschiedliche Staaten in der Kommunikationspolitik in Bezug auf die Digitalisierung positionieren. Das ist enorm wichtig, denn “europäische Zusammenarbeit ist fundamental in Bezug auf Digitale Souveränität”. Die EU hat dabei eine Vorbildfunktion für andere Länder. So werden zum Beispiel in der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) formulierte Standards von vielen Unternehmen weltweit eingehalten. Dieses Phänomen wird auch Brüssel-Effekt genannt.
Allerdings sei in anderen Ländern die Priorisierung von Digitalpolitik anders, der Stellenwert sei oft geringer. Julia Pohle muss das wissen, sie hat in Brüssel ihren Doktor in Kommunikationswissenschaft gemacht und in Paris bei der UNESCO und als Gastwissenschaftlerin gearbeitet. Ihr beruflicher Weg ging also schon immer in Richtung Wissenschaft, “auch wenn ich als Kind Höhlenforscherin werden wollte”, sagt Pohle und lächelt.
Aber: “Das Erreichen von vollständiger Digitaler Souveränität ist völlig unrealistisch”, sagt Pohle. Hier greife eher das Sprichwort “Der Weg ist das Ziel”. Sie erklärt, wie wichtig es ist, Nachhaltigkeit und Digitalisierung zusammenzudenken und plädiert dafür, jetzt schon die Grundregeln für Künstliche Intelligenz festzulegen. Auch Verordnungen zum Schutz der Privatsphäre der Bürger:innen, wie die DSGVO der EU hält Pohle für unverzichtbar.
“Die wichtigste Chance, die wir haben, ist, die Digitalisierung so zu gestalten, dass weniger Schaden als Gutes entsteht. Dafür haben wir nur ein kleines Zeitfenster.” Aktuell sei die Politik zu sehr mit dem Beseitigen von Schäden beschäftigt, wie zum Beispiel der Regulierung von Plattform-Unternehmen. “Zurückrudern ist immer schwerer als von vorneherein zu gestalten”. Gerade deswegen sei es so wichtig, die Chancen zu nutzen, die die Digitalisierung mit sich bringt. Anouk Schlung