wir sind mittendrin im EU-NATO-G7-Gipfelmarathon. Gestern Abend ist Ratspräsident Charles Michel von den 27 EU-Staats- und Regierungschef:innen in seinem Amt bestätigt worden. Er trat ohne Gegenkandidat:in an und bleibt damit bis 2014 Ratspräsident sowie Präsident der Euro-Gipfel.
Was inhaltlich besprochen wurde, das lesen Sie in unseren drei Analysen:
Präsident Joe Biden und Kommissionschefin Ursula von der Leyen verkünden heute einen Deal zur Energiepartnerschaft. Künftig gibt es aus den USA garantierte Liefermengen, wie Stephan Israel und Manuel Berkel in Brüssel erfahren haben.
Auch beiden Sanktionen setzt Washington auf die Zusammenarbeit mit der EU. Biden kündigte neue Sanktionen gegen russische Unternehmen und Personen an, machte zugleich aber keinen Druck auf die EU-Länder, die beim Thema Energie-Embargo weiterhin sehr geteilt sind. Eric Bonse mit den Einzelheiten.
Nach wie vor fordern die westlichen Verbündeten von Peking eine klare Distanzierung zu Russlands Überfall auf die Ukraine, nach wie vor drückt sich China um eine Antwort. Biden zeigte sich dennoch optimistisch, dass China sich nicht auf Russlands Seite schlagen wird. Einige wichtige Fragen bleiben aber offen, schreiben Amelie Richter und Christiane Kühl.
Done #DMA – so fasste die EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager die Einigung zum Digital Markets Act gestern Abend in einem Tweet zusammen. Auf welche Punkte sich die EU nun geeinigt hat, lesen Sie in den News.
Agora Energiewende hat errechnet, dass Europa bis zum Jahr 2027 komplett unabhängig von russischen Gas- und Ölimporten sein könnte – wenn die Länder alle zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen. Mehr dazu lesen Sie in den News.
Die Wissenschaftler Lukasz Rachel und Moritz Schularick sind sich im Standpunkt sicher, dass die bisher verhängten Sanktionen gegen Russland nicht ausreichen. Ihr Vorschlag: Ein vollständiges Energie-Embargo, aber mit Ansage. So solle der Westen die Energie-Importe schrittweise reduzieren, um Unternehmen zu schonen – und Wladimir Putin zum Umdenken zu bewegen.
Das Rendez-vous soll heute um 9 Uhr in der Residenz des US-Botschafters in Brüssel stattfinden. Präsident Joe Biden und Ursula von der Leyen wollen dort einen Deal über Lieferungen von Flüssiggas nach Europa präsentieren. Die USA wollen Europa damit helfen, russische Gaslieferungen zu ersetzen. Die Kommissionspräsidentin sprach am Rande des EU-Gipfels am Donnerstag von einem “neuen Kapitel” in einer Energiepartnerschaft mit den USA und einem wichtigen Schritt voran. Konkret sollen die USA Lieferungen im Umfang von bis zu 15 Milliarden Kubikmeter Flüssiggas in Aussicht stellen und zwar bis Ende dieses Jahres.
Zuletzt hat die EU im vergangenen Jahr 22 Milliarden Kubikmeter LNG aus den USA bezogen. Bisher hatten die Amerikaner es allerdings dem Markt überlassen, wie viele Schiffe mit Flüssiggas Europa ansteuerten. Neu will die Biden-Administration den Europäern konkrete Liefermengen garantieren. Biden dürfte der EU auch zusichern, die Gasförderung in den USA zu erhöhen und der Branche zusätzliche Förderlizenzen zu gewähren. Die USA stellen zudem in Aussicht, die Europäer mit Wasserstoff zu beliefern.
Die Zeit sei vorbei, in der die EU erpressbar gewesen sei, sagte Ursula von der Leyen. Die neuen Zusagen der USA decken allerdings nur einen Bruchteil der Gaslieferungen, die Europa bisher aus Russland erhalten hat. Im vergangenen Jahr waren es 155 Milliarden Kubikmeter, wovon der größte Teil über Pipelines kam. Nach der Verkündigung der Energiepartnerschaft heute Morgen wollte Biden nach Polen weiterreisen und sich über die Lage an der Grenze zur Ukraine informieren.
Am EU-Gipfel in Brüssel gab auch die Ankündigung aus Moskau zu reden, wonach Wladimir Putin Energielieferungen künftig in Rubel bezahlt haben möchte. Putin wolle testen, ob die Europäer bereit seien, ihre eigenen Sanktionen zu brechen beziehungsweise zu unterlaufen, sagten Diplomaten. Bundeskanzler Olaf Scholz reagierte gelassen auf die Ankündigung. In den Verträgen sei die Währung festgelegt, in der bezahlt werde. Da stehe meistens Euro oder Dollar und das gelte auch. Putin wolle die Allianz spalten, twitterte Adam S. Posen, Präsident des Washingtoner Peterson Institutes for International Economics.
Russland gehe es wohl darum, einen Keil zwischen Deutschland und Italien – die beide besonders abhängig von russischen Gaslieferungen sind – einerseits und die restliche EU sowie die USA andererseits zu treiben. Falls Deutschland und Italien Putins Spiel mitspielten und Gasrechnungen in Rubel zahlten, werde die Allianz für Sanktionen beträchtlich erodieren, schrieb Posen.
“Durch die höhere Nachfrage nach Rubel, wird der Wechselkurs stabilisiert und die Importverteuerung für Russland gestoppt. Damit würde die EU aber die Effekte ihre Sanktionen untergraben”, sagte Finanzwissenschaftler Markus Demary vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) gegenüber Europe.Table.
Alternativ könnten die europäischen Importeure versuchen, auf eine Einhaltung der in Euro und Dollar laufenden Verträge zu pochen. “Die EU könnte einfach in Euro bezahlen. Dann könnte Russland die Verträge kündigen und die EU müsste die Liefermengen einklagen”, sagt Demary. Fraglich sei aber, ob sich das gerichtlich durchsetzen lasse.
Der Amerikaner Posen nennt alle Überlegungen zu den genauen Auswirkungen der Rubel-Ankündigung rein akademisch. Stattdessen sollte vielmehr bedacht werden, dass die ökonomischen Auswirkungen eines Gaslieferstopps für Deutschland und Italien geringer seien als befürchtet.
Dem widerspricht nicht nur Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) immer wieder vehement und verweist auf verheerende Folgewirkungen, die der Ausfall einzelner Güter auf komplette Lieferketten nach sich ziehen würde. Es dürfte auch nicht vergessen werden, dass die Bundesrepublik Gas auch weiterleite. “Ein Gas-Embargo hat also auch da Effekte jenseits der deutschen Grenzen“, sagte IW-Direktor Michael Hüther.
Am Donnerstag verschärfte zudem der Energieverband BDEW seine Warnungen deutlich und forderte die Ausrufung der Frühwarnstufe nach dem Notfallplan Gas. “Es liegen konkrete und ernstzunehmende Hinweise vor, dass wir in eine Verschlechterung der Gasversorgungslage kommen”, hatte Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae gewarnt. “Mit der Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, dass Gaslieferungen in Zukunft in Rubel bezahlt werden müssten, seien Auswirkungen auf die Gaslieferungen nicht auszuschließen.”
Das Wirtschaftsministerium lehnt die Ausrufung der Frühwarnstufe nach dem “Notfallplan Gas” des Bundes dagegen ab. “Aktuell gibt es in Deutschland keine Versorgungsengpasslage. Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet”, betonte das Ministerium am Donnerstag. “Daher gibt es aktuell keine Notwendigkeit für eine Frühwarnstufe nach dem Notfallplan Gas.” Man beobachte die Lage aber genau. Stephan Israel und Manuel Berkel
Sitzung des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL)
28.03.2022 13:45-16:00 Uhr 31.03.2022 13:45-15:45 Uhr
Agenda: Auf den vorläufigen Tagesordnungen stehen unter anderem eine Aussprache mit Margrethe Vestager (EU-Kommissarin für Wettbewerb) sowie ein Berichtsentwurf zu gemeinsamen europäischen Maßnahmen im Bereich Pflege und Betreuung.
Vorläufige Tagesordnung 28.03. Vorläufige Tagesordnung 31.03.
Sitzung des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO)
28.03.2022 13:45-18:45 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem die Berichterstattung über die laufenden interinstitutionellen Verhandlungen zum Digital Markets Act, das Politikprogramm für 2030 “Weg in die digitale Dekade” sowie ein Berichtsentwurf zu Verbraucherkrediten.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung (SEDE)
28.03.2022 13:45-18:45
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem verschiedene Updates und Aussprachen zur aktuellen Lage in der Ukraine.
Vorläufige Tagesordnung
Gemeinsame Sitzung des Entwicklungsausschusses und des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (DEVE, ENVI)
28.03.2022 14:15-15:45 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem der Berichtsentwurf zur Umsetzung und Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung.
Vorläufige Tagesordnung
Rat der EU: Justiz und Inneres (Außerordentliche Tagung)
28.03.2022 14:30 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht die europäische Koordination für die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine.
Vorläufige Tagesordnung (Französisch)
Sitzung des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (AFET)
28.03.2022 16:00-17:30 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem eine Aussprache zum strukturierten Dialog zum Arbeitsprogramm der Kommission mit Josep Borrell Fontelles (EU-Außenbeauftragter).
Vorläufige Tagesordnung
Rat der EU: Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz
29.03.2022 10:00 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem ein Gedankenaustausch zu den Herausforderungen für die Strategie der Impfstoffsolidarität sowie ein Lagebericht zur gesundheitlichen und humanitären Lage in der Ukraine.
Vorläufige Tagesordnung (Französisch)
Wöchentliche Kommissionssitzung
30.03.2022
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem das Paket zur Kreislaufwirtschaft I mit einer Initiative für eine nachhaltige Produktpolitik einschließlich einer Überarbeitung der Ökodesign-Richtlinie, einer Überarbeitung der Bauprodukteverordnung, einer Strategie für nachhaltige Textilien und der Befähigung der Verbraucher für den grünen Übergang. Im Anschluss an die Sitzung der Kommission findet voraussichtlich gegen 12:00 Uhr eine Pressekonferenz statt.
Vorläufige Tagesordnung Pressekonferenz Live
EuGH-Urteil zum Luftfrachtkartell
30.03.2022
Agenda: Mit Beschluss vom 17. März 2017 erließ die Kommission einen Beschluss, mit dem sie gegen 11 Luftfrachtunternehmen Geldbußen in Höhe von insgesamt 776 Millionen Euro wegen Beteiligung an einem Preiskartell verhängte. Die Luftfrachtunternehmen haben den Beschluss der Kommission vor dem Gericht der EU angefochten.
Klage
DSA-Trilog
31.03.2022
Agenda: Vertreter:innen von EU-Kommission, EU-Parlament und Rat der EU kommen zur 4. Verhandlungsrunde des DSA-Trilogs zusammen.
Hintergrund
Sitzung des Ausschusses für Transport und Tourismus (TRAN)
31.03.2022 09:00-12:00 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem eine Abstimmung zur Energieeffizienz sowie der Entwurf einer Stellungnahme zur Anpassung der Ausgaben an die Politik der aktualisierten neuen Industriestrategie für Europa.
Vorläufige Tagesordnung
Die EU und die USA wollen ihre Sanktionen gegen Russland noch enger als bisher abstimmen und angleichen. Dies erklärten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Joe Biden in einem gemeinsamen Statement, das am Donnerstag am Rande des EU-Gipfels in Brüssel veröffentlicht wurde. Beim Gipfel selbst wurden jedoch zunächst keine neuen Sanktionsbeschlüsse getroffen.
Vielmehr soll die Kommission laut der Gipfelerklärung prüfen, welche Schlupflöcher und Umgehungsmöglichkeiten die bisherigen Sanktionen lassen. Zudem sollen die Wirkung der ergriffenen Strafmaßnahmen bewertet und gegebenenfalls nachgesteuert werden. Zugleich soll die Kommission prüfen, welche zusätzlichen Sanktionen ergriffen werden können. Diese müssten aber Russland stärker treffen als die EU-Staaten, sagte Belgiens Regierungschef Alexander De Croo nach dem Treffen: “Wir führen nicht Krieg gegen uns selbst”.
Bereits zu Beginn des zweitägigen Spitzentreffens, das am Freitag endet, hatten sich kaum überbrückbare Gegensätze unter den 27 Mitgliedstaaten gezeigt. So erklärte Österreichs Kanzler Karl Nehammer kategorisch, dass mit ihm kein Embargo aus Gas oder Öl zu machen sei. “Wir haben bereits massive Sanktionen beschlossen”, sagte er. Nun müsse man zunächst schauen, ob und wie sie wirken.
Ähnlich äußerte sich Luxemburgs Premier Xavier Bettel. Mit neuen Strafmaßnahmen müsse auf eine neue Situation reagiert werden, sagte er. Der Status Quo in der Ukraine habe sich aber nicht verändert. Er sei für ein schrittweises Vorgehen, fügte er hinzu.
Deutschland nahm eine mittlere Position ein. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei er gegen ein Energieembargo, ließ Bundeskanzler Olaf Scholz wissen. Man könne jedoch nicht sagen, wie sich der Krieg weiter entwickle und welche Maßnahmen später nötig sein werden. Scholz hatte allerdings zuvor, beim G7-Treffen unter seinem Vorsitz, mit “zusätzlichen Maßnahmen” gedroht. Welche das sein könnten, blieb in dem G7-Statement offen.
Für schärfere Sanktionen im Energiebereich sprachen sich Polen, die baltischen Staaten und Slowenien aus. Der slowenische Regierungschef Janez Jansa sagte, ein Energieembargo liege “auf dem Tisch”. Er rechne jedoch nicht mit einer schnellen Entscheidung. Litauens Ministerpräsident Gitanas Nausėda sprach von einer “Pflicht”, die Lieferung von Öl und Gas aus Russland zu unterbrechen.
Die USA haben bereits ein Energieembargo verhängt. Am Donnerstagvormittag kündigte die US-Regierung zudem neue Strafmaßnahmen gegen mehr als 400 weitere Russen und russische Unternehmen an. Wie das Weiße Haus in Washington mitteilte, sollen 48 Rüstungsunternehmen, 328 Mitglieder der Duma sowie Bankenmanager mit Strafen belegt werden. Darunter ist auch der Chef der russischen Sberbank, Herman Gref, der nach US-Angaben schon seit den 1990er Jahren ein Berater von Kreml-Chef Wladimir Putin ist.
Biden machte in Brüssel jedoch keinen Druck auf die Europäer. “Mein Thema ist Einigkeit”, betonte er. Nach Russland müsse man nun auch China ins Visier nehmen, hieß es im Umfeld des US-Präsidenten. Es gehe darum, sicherzustellen, dass die Sanktionen gegen Russland nicht unterlaufen werden. “China weiß, dass seine wirtschaftliche Zukunft viel enger mit dem Westen verbunden ist als mit Russland”, betonte Biden.
Einen ersten Erfolg konnte der US-Präsident beim G7-Treffen verzeichnen. Die Staats- und Regierungschefs appellierten “eindringlich an alle Staaten, Russland keine militärische oder anderweitige Unterstützung für die Fortsetzung seiner Aggression gegen die Ukraine zu gewähren.”
China wurde in dem fünfseitigen Dokument zwar nicht direkt erwähnt. Scholz bestätigte aber bei einer Pressekonferenz in Brüssel nach dem G7-Treffen, dass dieser Teil der Erklärung auf China abzielt. Die EU will am 1. April ein Gipfeltreffen mit China abhalten. Bis dahin dürfte der Druck auf Peking noch zunehmen.
Die westlichen Bündnisse wollen um jeden Preis verhindern, dass Peking enger an Russland heranrückt oder Moskau gar Waffen liefert. Im Umfeld des Gipfelmarathons von Nato, G7 und der Europäischen Union am Donnerstag in Brüssel stellten Politiker immer wieder die Forderung an China: Distanziert euch von Russland! Doch aus Peking kommen bislang die erwartbaren Repliken. Kein Wort der Kritik an Russland, dafür umso mehr an den USA und der Nato.
US-Präsident Joe Biden zeigte sich zum Ende des langen Tages dennoch zuversichtlich, dass sich China wegen handelspolitischer Abhängigkeiten letztendlich gegen Russland wenden werde. “China versteht, dass seine wirtschaftliche Zukunft viel enger mit dem Westen verbunden ist als mit Russland“, sagte Biden nach einem Treffen mit seinen G7-Kollegen über sein Gespräch mit Chinas Staatschef Xi Jinping. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist dann aber offenbar doch besser: Biden brachte ein neues Gremium für Nato und EU ins Gespräch. Dieses solle kontrollieren, ob und gegebenenfalls wie andere Staaten die Sanktionen gegen Russland umgehen. Gemeint war China.
Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wurde nach dem Sondergipfel des Verteidigungsbündnisses deutlich: “Peking sollte seinen erheblichen Einfluss auf Russland geltend machen und eine sofortige friedliche Lösung fördern”, sagte der Nato-Chef. Welche Schritte die Nato als Antwort auf chinesische Hilfe für Russland in Betracht ziehen würde, sagte er aber nicht. Auch die Gipfel-Erklärung der Nato-Staaten enthält diese Forderung. Die Mitgliedsstaaten hatten das Dokument einstimmig – inklusive des zuvor eher zurückhaltenden Ungarn – angenommen.
Stoltenberg hatte China bereits am Mittwoch vorgeworfen, Russland im Ukraine-Krieg mit “himmelschreienden Lügen” zu unterstützen. Die USA und Europa kritisieren, dass China russische Fake-Meldungen über angebliche Chemiewaffenlabore der USA in der Ukraine weiterverbreitet. “China vorzuwerfen, falsche Informationen über die Ukraine zu verbreiten, stellt selbst eine Verbreitung von Desinformation dar”, sagte dazu ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums am Donnerstag in inzwischen gewohnter Manier.
Die Staats- und Regierungschefs der G7 zeigten sich in ihrem Abschluss-Statement weniger direkt als die Nato: Die Staaten-Gruppe werde ein Auge darauf haben, ob die Sanktionen umgangen oder untergraben werden, hieß es darin – ohne China zu nennen.
Der Rat der EU-Staats- und Regierungschefs tagte am Donnerstag noch bis in den späten Abend. US-Präsident Biden hatte dort ebenfalls einen Auftritt – auch um nach eigener Aussage über eine gemeinsame Position vor dem EU-China-Gipfel in der kommenden Woche zu beraten. “Ich denke, die Botschaften an China waren sehr deutlich. Bitte haltet Abstand”, sagte der belgische Premierminister Alexander De Croo am Donnerstag. Der Großteil der EU-Staatenlenker gab ähnliche Statements ab.
Der Pekinger Außenamtssprecher betonte derweil, Chinas Position sei im Einklang mit “den Wünschen der meisten Länder”. “Wir waren immer der Auffassung, dass die Ukraine eine Brücke zwischen Ost und West werden und nicht an der Front eines Spiels zwischen Supermächten stehen sollte.” Doch letztlich duldet China genau das: Dass Russland die Ukraine als Pufferstaat zum Westen und als eigene Einflusssphäre betrachtet, die selbst kein Mitspracherecht über ihre Rolle hat. Xi sprach seit Beginn des Krieges zwar mit einigen Staats- und Regierungschefs, nicht aber mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
China versucht unterdessen weiter, sich mit allen Mitteln um eine klare Aussage zu drücken: Je weniger die Ukraine bei multilateralen Veranstaltungen überhaupt Thema wird, desto besser ist das aus Sicht Pekings. Sowohl Außenminister Wang Yi als auch Xi selbst drängten in diesen Tagen die indonesische G20-Präsidentschaft, den Ukraine-Konflikt von der Tagesordnung des G20-Gipfels auf der Tropeninsel Bali Ende Oktober zu streichen. Indonesien habe sich offen gezeigt, hieß es. Auch ist China dafür, Wladimir Putin mit an den G20-Gipfeltisch zu laden – was für viele andere Staaten aber längst undenkbar geworden ist. US-Präsident Biden sprach sich am Donnerstag gar für einen kompletten Ausschluss Russlands von G20 aus. Sollte das von anderen Staaten nicht gestützt werden, sollte die Ukraine ebenso eingeladen werden, schlug Biden vor.
Dass die Kooperation mit Russland aber dennoch Grenzen haben könnte, deutete der chinesische Botschafter in den USA Qin Gang an. “Die Zusammenarbeit zwischen China und Russland hat keine verbotenen Bereiche, aber es gibt dafür Richtlinien (bottom line)”, sagte Qin am Mittwoch dem teilstaatlichen Fernsehsender Phoenix TV. Dazu gehörten auch die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen, die die Grundnorm des Völkerrechts und der internationalen Beziehungen darstellen, so Qin. “Das ist die Richtlinie, die wir in den bilateralen Beziehungen zwischen China und jedem anderen Land befolgen.”
Der Druck auf Peking wird so schnell nicht nachlassen – er wird auch den EU-China-Gipfel dominieren. Der Ukraine-Krieg werde bei dem virtuellen Treffen am Freitag kommender Woche im Mittelpunkt stehen, schrieb EU-Ratschef Charles Michel im Einladungsbrief an die anderen Staats- und Regierungschefs der EU.
Das Gipfeltreffen zwischen Michel, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Xi Jinping sowie Premier Li Keqiang ist der erste Gipfel seit Juni 2020. Im vergangenen Jahr war ein Datum für ein bilaterales Treffen aufgrund der gegenseitigen Sanktionen im Zusammenhang mit den Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang immer wieder verschoben worden. Doch wirklich gut ist die Stimmung auch jetzt nicht. Es wird keine gemeinsame Abschlusserklärung für den Gipfel erwartet – ein Anzeichen dafür, dass niemand mit großen Fortschritten rechnet. Mit Christiane Kühl
Beim Digital Markets Act haben Parlament, Rat und Kommission erwartungsgemäß am späten Abend eine Einigung erzielt. Binnenmarktkommissar Thierry Breton erklärte, dass der DMA den digitalen Raum in der EU “für die kommenden 20 Jahre strukturieren werde”. Parlamentsberichterstatter Andreas Schwab (CDU/EVP) sprach davon, dass manche Einigungen für das Parlament schmerzhaft seien, in vielen Punkten jedoch eine sehr gute Einigung erzielt worden sei. Ein “Gamechanger in der Regulierung digitaler Märkte” sei der heute gefundene Kompromiss, lobt auch René Repasi (SPD/S&D): “Verstöße können hart sanktioniert werden, unter anderem mit der Möglichkeit, Unternehmen zu zerschlagen oder ihnen Unternehmenskäufe zu untersagen.”
Geeinigt wurde sich in der letzten Verhandlungsrunde unter anderem darauf, dass auch Browser und virtuelle Assistenten vom DMA umfasst sein sollen. Gatekeeper sollen zudem dazu verpflichtet werden, eine Zustimmung zu personalisierter Werbung nicht pauschal und alternativlos von Nutzern fordern zu dürfen.
Martin Schirdewan (Linke) sieht Licht und Schatten: Es sei ein “großer Fehler”, dass der DMA nur auf wenige Akteure beschränkt sei. “Leider beinhaltet der DMA kein Update des Wettbewerbsrechts. Deswegen ist es umso frustrierender, wenn der DMA nicht einmal eine generelle Interoperabilitätsverpflichtung für Monopole enthält.” Dass diese nun aber für Messengerdienste kommt, hält auch Schirdewan für richtig.
Insbesondere bei den Interoperabilitätsregeln für Messengerdienste wie WhatsApp oder Telegram kam der Rat dem Parlament etwas entgegen. So soll nicht nur die Kernfunktionen der Messenger der Textkommunikation zwischen Einzelnen, sondern auch Videochats zu den Interoperabilitätspflichten gehören. Gruppenchats und Audionachrichten sollen ebenfalls interoperabel werden, hier sieht die DMA-Einigung jedoch eine Einführung im Verlauf von vier Jahren nach Inkrafttreten vor. Soziale Netzwerke werden von den Interoperabilitätspflichten nicht umfasst – ein Punkt, in dem sich das Parlament nicht durchsetzen konnte.
Ebenfalls Zugeständnisse an die Ratsposition machte das Parlament beim Thema personalisierter Werbung: Dieses umstrittene Thema soll nun im alle Anbieter umfassenden Digital Services Act geregelt werden. Dass im DMA dazu keine Einigung erzielt wurde, bedauert René Repasi (SPD/S&D). Aber: “Stattdessen hat die französische Ratspräsidentschaft die politische Erklärung abgegeben, dass im Digital Services Act personalisierte Werbung für Minderjährige und aufgrund sensibler Daten verboten wird.” Durchsetzen konnten sich die Parlamentarier wiederum bei der Zusammenführung von Daten aus verschiedenen Quellen – dies soll ausschließlich mit Einwilligung der Nutzer erlaubt sein.
Während auf der einen Seite die Schwellenwerte zur Anwendung des DMA noch einmal angehoben wurden, wurden auf der anderen auch die möglichen Strafrahmen erhöht: Erstverstöße sollen bis zu 10 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes betragen können, im Wiederholungsfall bis zu 25 Prozent. fst
Eine Analyse der Agora Energiewende legt nahe, dass Europa bereits 2027 energieunabhängig sein kann, wenn der Kontinent umgehend alle verfügbaren Mittel zur Verringerung der Energienachfrage und der Umstellung auf erneuerbare Energien einsetzt.
Energieeffizienz in Gebäuden und in der Industrie sowie ein rascher Ausbau der Wind- und Solarenergie könnten die Nachfrage nach fossilem Gas in den nächsten fünf Jahren dauerhaft um 1200 Terrawattstunden senken, heißt es in dem Papier. Allein damit könnten 80 Prozent der heutigen russischen Gasimporte vermieden werden. Mit alternativen Versorgungsquellen wie LNG sei sogar ein kompletter Verzicht auf russisches Gas möglich.
Das größte Potenzial zur Verringerung der Gasnutzung besteht Agora zufolge im Stromsektor (-500 TWh), indem Wind- und Solaranlagen ausgebaut werden. Dahinter folgen der Gebäudesektor (-480 TWh) durch Nutzung von Fernwärme und einer “Wärmepumpen-Revolution” und die Industrie (mindestens -223 TWh und bis zu -410 TWh) durch höhere Effizienz und Elektrifizierung in Nieder- und Mitteltemperatur-Wärmeprozessen.
Zur Erreichung der Reduktionen fordert Agora die Einrichtung eines EU-Energiesouveränitätsfonds nach dem Vorbild von NextGenEU, der bis 2027 mit 100 Milliarden Euro ausgestattet werden soll und Teil eines speziellen Investitionsrahmens zur Umsetzung von RePowerEU sein soll. luk
Die Bundesregierung hat die Leitung der Taskforce zur Umsetzung der Russland-Sanktionen benannt. Die Arbeitsgruppe werde von Nina Thom und Johannes Geismann geführt, teilten Bundeswirtschafts- und Bundesfinanzministerium mit. Thom leitete zuvor als Oberstaatsanwältin die Vermögensabschöpfung bei der Staatsanwaltschaft Berlin. Geismann war bis zum Regierungswechsel im Kanzleramt der Beauftragte für die Nachrichtendienste. Der Verwaltungsjurist kommt aus dem BMF.
Die Bundesregierung hatte die Taskforce vor gut einer Woche eingerichtet, um die Umsetzung der EU-Beschlüsse besser zu koordinieren. Zuvor war deutlich geworden, dass es große Unklarheiten gab, welche Behörden etwa operativ für das Einfrieren der Vermögenswerte der sanktionierten Oligarchen zuständig sind. Für die jeweiligen Sanktionsbereiche müsse die Expertise verschiedener Stellen einbezogen werden, so die Bundesregierung in ihrer Mitteilung: “Insbesondere betrifft dies neben BMWK, BMF, BMI und Bundesbank auch Vertreter von BMDV, BMJ, AA sowie nachgeordnete Behörden (u.a. BND, BKA, BfV, BaFin, ZKA, FIU, HZA, BAFA) und Länder”. tho
Die Schweiz hat in Zusammenhang mit den Sanktionen gegen Russland bisher Vermögen von insgesamt 5,75 Milliarden Franken (rund 5,9 Milliarden Euro) gesperrt. “Darunter sind auch Meldungen über Liegenschaften in verschiedenen Tourismus-Kantonen”, sagt Erwin Bollinger vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Donnerstag. Der größte Teil der Vermögen liege aber auf Bankkonten.
Seit dem 28. Februar sind Geld und andere Vermögenswerte wie Immobilien, Kunstwerte oder Fahrzeuge von sanktionierten Personen oder Unternehmen in der Schweiz gesperrt. Wer die Vermögen verwaltet, muss dem Seco unverzüglich Meldung erstatten. Die Behörde erhält Bollinger zufolge seit Ende Februar laufend solche Meldungen.
Die Schweiz vollzieht die Sanktionen der Europäischen Union (EU) nach. Gegenwärtig unterlägen 874 Personen und 62 Gesellschaften aus Russland den Maßnahmen. Die über fünf Milliarden Franken an gesperrten Geldern entsprächen einer Momentaufnahme, sagte Bollinger. “Mit noch eingehenden Meldungen und allfällig neuen Listing der EU, die die Schweiz übernehmen würde, wird sich diese Zahl wahrscheinlich weiter erhöhen.”
Der Schweizer Bankenverband hatte vergangene Woche geschätzt, dass sich die Vermögen von im Ausland lebenden Russen in der Schweiz auf 150 bis 200 Milliarden Franken beliefen. Bollinger wies darauf hin, dass nicht jeder Russe, der in der Schweiz Vermögenswerte besitze, auf der Sanktionsliste stehe. Auf der anderen Seite hätten nicht alle Sanktionierten Vermögen in der Schweiz.
Die Vermögen seien gesperrt, nicht aber konfisziert. Es gehe bei Sanktionen darum, die Verfügungsmöglichkeit einzuschränken. “Das Eigentum hingegen verbleibt bei der sanktionierten Person”, sagte Bollinger. In der Schweiz bestehe keine Rechtsgrundlage, um Vermögen zu beschlagnahmen. rtr
Angesichts rasant gestiegener Energiepreise will die Ampelregierung alle Bürger um teils mehrere hundert Euro entlasten. Teil des zweiten Pakets innerhalb eines Monats sind:
Das kündigten SPD, Grüne und FDP am Donnerstag nach elfstündigen Beratungen an. FDP-Chef Christian Lindner deutete an, das Paket könnte wie das erste um die 16 Milliarden Euro kosten.
Kritik kam aus der Wirtschaft: Die Unternehmen profitierten kaum von dem Paket. Bereits vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine hatten sich die Preise für Kohle, Öl und vor allem Gas deutlich erhöht. Deutschland ist besonders abhängig von diesen russischen Lieferungen und lehnt ein Energie-Embargo daher ab. Um den Gasverbrauch zu reduzieren, will die Regierung zunächst die geplante Abschaltung von Kohlemeilern verzögern. Sie wolle aber so schnell wie möglich die Abhängigkeit von Russland insgesamt beenden, auf klimafreundliche Energieträger umstellen und die Versorgung sichern, heißt es im sechsseitigen Papier zum Paket.
Daher soll beispielsweise der Austausch alter Heizungen beschleunigt und bereits 2024 nur noch solche eingebaut werden, die zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien laufen. Bisher war dies erst ein Jahr später geplant. Zudem soll nun das sogenannte Effizienzhaus 55 ab 2023 als Standard vorgegeben werden, was aber auch Förderung ausschließt.
Industrie-Verbände zeigten sich über das neue Paket enttäuscht. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Peter Adrian, erklärte: “Die Beschlüsse der Regierungskoalition können die großen Sorgen in der Wirtschaft nicht wirklich verringern.” Die Senkung der Energiesteuer für drei Monate sei aus Sicht vieler Betriebe nur ein Tropfen auf den heißen Stein – und könne der besonders stark betroffenen Industrie ohnehin nicht helfen. Die historisch hohen Strom- und Energiepreise bedrohten viele deutsche Unternehmen in ihrer Existenz.
Ähnlich äußerte sich das Handwerk: “Um die Lasten aus dieser Preisexplosion abzufedern und Härten auszugleichen, reicht die temporäre Entlastung bei Spritkosten nicht aus”, sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer. “Zusätzlich sollten auch die Verbrauchssteuern bei Strom und Gas auf die europäisch zulässigen Mindestsätze gesenkt und die CO2-Abgabe befristet ausgesetzt werden.”
Lindner kündigte aber mit Blick auf den nötigen Ergänzungshaushalt an, darin würden auch Unternehmenshilfen berücksichtigt. Die Höhe stehe noch nicht fest. Der Ergänzungshaushalt soll die Sonderlasten im Zuge des Krieges in der Ukraine abbilden. rtr
Die EU-Abgeordneten haben grünes Licht für niedrigere Roaming-Gebühren gegeben. Sie stimmten geringeren Entgelten bis 2032 zu, die Mobilfunker untereinander zahlen, wenn ihre Kunden in ein anderes EU-Land reisen und telefonieren, Daten verbrauchen oder Nachrichten schreiben. Das Europäische Parlament und die EU-Länder hatten im Dezember letzten Jahres eine politische Einigung erzielt. Im nächsten Schritt müssen die EU-Länder ihre formelle Zustimmung geben, damit die Preisobergrenzen in Kraft treten können.
Die Europäische Kommission hatte 2017 die Roamingentgelte für Endkunden abgeschafft und Preisobergrenzen für Roamingentgelte auf der Vorleistungsebene eingeführt, um die Verbraucher vor einem “Rechnungsschock” zu bewahren, wenn sie aus dem Urlaub im Ausland zurückkehren.
Telekommunikationsanbieter in südeuropäischen Ländern ziehen es vor, die Preisobergrenzen auf der Vorleistungsebene so hoch wie möglich zu halten, um von Touristen zu profitieren, die nach Hause telefonieren. Betreiber in Nordeuropa, deren Bürger eher im Ausland Urlaub machen, plädieren in der Regel für niedrigere Obergrenzen. In der Corona-Krise sind die Roaming-Einnahmen der Telekomkonzerne angesichts des geringeren Reiseaufkommens gesunken.
Der Großkundentarif für Sprachtelefonie wird im nächsten Jahr auf 0,022 Euro pro Minute begrenzt und 2025 bis 2032 auf 0,019 Euro gesenkt. Die Großkundentarife für Textnachrichten werden im nächsten Jahr auf 0,004 Euro pro Nachricht und in den Jahren 2025 bis 2032 auf 0,003 Euro begrenzt. Die Datentarife werden im nächsten Jahr auf 1,80 Euro pro Gigabyte gedeckelt, im Jahr 2024 auf 1,55 Euro und in den Jahren 2027 bis 2032 schrittweise auf 1 Euro gesenkt. rtr
Russlands brutaler Beschuss ukrainischer Städte dauert an. Tausende sterben; Millionen leiden. Doch was weitere Maßnahmen angeht, so bleibt der Westen in der wichtigsten Frage gelähmt: den Sanktionen auf russische Energieexporte. Solange es keinen sofortigen und vollständigen Boykott von russischem Gas und Öl durch die westlichen Länder gibt, ist es der beste Weg, stufenweise Sanktionen anzukündigen, die im Laufe der kommenden Wochen nach und nach umgesetzt werden.
Die ursprüngliche Reaktion des Westens auf die russische Invasion folgte rasch und war stark und beeindruckend geschlossen. Doch wird immer deutlicher, dass sie zugleich unzureichend war. Die Auswirkungen der anfänglichen Erschütterungen verblassen, denen die russische Wirtschaft durch die Sanktionen ausgesetzt war. In den vergangenen Tagen hat sich der Wechselkurs des Rubels zunächst stabilisiert und ist dann steil gestiegen. Zugleich sind die Renditen von Staatsanleihen wieder gesunken. Die Konsensprognose für das russische BIP-Wachstum für 2022 liegt bei minus acht Prozent – ein steiler Rückgang, aber durchaus kein Zusammenbruch.
Es ist nicht schwer zu verstehen, warum die russische Wirtschaft und Präsident Wladimir Putins Regime es bisher geschafft haben, den Sanktionen standzuhalten. Die Energieexporte – eine entscheidende Einnahmequelle für den russischen Staat – bleiben von der Sanktionsliste ausgenommen. Tatsächlich haben steil steigende Energiepreise dem Kreml sogar massive Zusatzeinnahmen beschert. Im Februar, als Russland seine Invasion vorbereitete und begann, verzeichnete die Leistungsbilanz des Landes ihren höchsten Monatsüberschuss in 15 Jahren.
Angesichts höherer Preise und wachsender Kapitalflüsse hat sich der europäische Beitrag zu Putins Kriegskasse seit Kriegsbeginn massiv erhöht. Jeden Tag werden enorme Summen – in der Größenordnung von 700 Millionen Euro – auf russische Konten überwiesen. Mit diesem Geld werden Söldner, Raketen und Flugzeugersatzteile aus Ländern bezahlt, die nur gegen harte Währung verkaufen. Ganz allgemein stammen etwa 40 Prozent aller Haushaltseinnahmen der russischen Regierung aus dem Öl- und Gasgeschäft. Ohne diese Einnahmen täte Putin sich schwer, seine Kriegsmaschinerie zu finanzieren.
Unglücklicherweise scheint die Debatte über eine Ausweitung des Energie-Embargos sich festgefahren zu haben. Obwohl wissenschaftliche Studien nahelegen, dass die wirtschaftlichen Folgen für die Energie importierenden Länder zu bewältigen wären, bleiben ein paar wichtige Regierungen zögerlich. In Deutschland etwa lehnt die heimische Industrie-Lobby Maßnahmen hartnäckig ab und findet, trotz einer im Allgemeinen zu Unterstützung bereiten öffentlichen Meinung, bei der Regierung Gehör. Dies ist aus mindestens drei Gründen höchst problematisch.
Erstens signalisieren die europäischen Politiker Putin, dass er Macht über Europa hat, wenn sie vor wirtschaftlich kostspieligen Sanktionen zurückscheuen. Dies wird ihn ermutigen, Europas Entschlossenheit noch stärker auf die Probe zu stellen. Es riskiert zudem, die unvermeidliche Anpassung der europäischen Industrie und Verbraucher an die Tatsache hinauszuschieben, dass die russische Energie nie so billig war, wie das den Anschein hatte. Und schließlich erlaubt der fortgesetzte Fluss des für russische Energieträger gezahlten Blutgeldes es Putin, weiter vorwärtszudrängen, was die langfristigen Kosten der Eindämmung eines revisionistischen Russlands für Europa drastisch erhöht.
Zugleich lässt sich die politische Realität nicht verleugnen. So kurzsichtig ihre Gründe auch sein mögen: Wichtige Länder sind in Bezug auf das russische Gas nicht zum kalten Entzug bereit. Um diese Blockade zu durchbrechen, könnte man – vielleicht über einen Zeitraum von sechs Wochen – ein vorab angekündigtes Embargo umsetzen. So könnte die EU etwa Importe russischer Mineralölerzeugnisse mit Ausnahme von Diesel sofort verbieten und zugleich ankündigen, dass das Verbot jede Woche auf eine neue Gruppe von Produkten ausgeweitet werden würde: als Nächstes auf Kohleimporte, dann auf Diesel, dann auf Seetransporte von Rohöl und schließlich auf Pipeline-Öl. Und schließlich würden in sechs Wochen Zahlungen für Gasimporte auf Treuhandkonten geleistet werden, von denen Abhebungen für die Dauer des Krieges unmöglich wären.
Sich auf einen künftigen Sanktionskurs festzulegen, der die Einschränkungen nach einem angekündigten Zeitplan verschärft, würde den Druck auf Putin erneuern und Anreize für Bemühungen um diplomatische Lösungen erhöhen. Ein sofortiges Ende der Angriffe auf Zivilisten und ein Rückzug der russischen Streitkräfte würden den Sanktionszeitplan anhalten.
Zudem würden Vorankündigungen über Sanktionen den europäischen Verbrauchern russischer Energie Klarheit über die notwendigen Anpassungsmaßnahmen und über deren Tempo verschaffen. Dies würde zu Anstrengungen anstacheln, den Verbrauch anzupassen, statt über Lobbyisten bei den Politikern in Berlin und anderen Hauptstädten vorzusprechen, um das Unvermeidliche hinauszuzögern. Indem sie die Industrie zwingen würden, diese Anpassungsmaßnahmen umzusetzen, würden Vorankündigungen über Sanktionen zudem die Anfälligkeit der europäischen Wirtschaft für politische Erpressungsmanöver Putins im kommenden Herbst drastisch verringern.
Die Wirksamkeit dieser Politik ist von der Einhaltung bestimmter zentraler Prinzipien abhängig. Am wichtigsten ist, dass diese Sanktionen eine unbegrenzte Dauer haben müssen, um den üblichen politischen Stillstand in der EU zu vermeiden, der ansonsten die Bemühungen zu ihrer Verlängerung kennzeichnen würde. Wäre zur Aufgabe der Verschärfung der Sanktionen Einstimmigkeit nötig, dann würde das diese Politik glaubwürdiger machen. Zudem sollten Unternehmen russische Energieprodukte bis zum vollständigen Inkrafttreten des Embargos nur im üblichen Umfang kaufen dürfen. Es wäre ihnen untersagt, die Importe zu erhöhen, um das Embargo durch Vorziehen von Käufen zu umgehen.
Über die genaue Reihenfolge der Schritte und ihre detaillierte Aufschlüsselung kann auf der Basis von Expertenanalysen zum Raffineriebetrieb entschieden werden, um die kurzfristigen logistischen Kosten für Europa zu minimieren. Die jetzige Aufgabe besteht darin, einen gestaffelten Zeitplan für Sanktionen auf russische Energieexporte festzulegen.
Die Zeit spielt gegen Europa. Inzwischen ist seit Beginn der russischen Invasion der Ukraine ein Monat vergangen. Je länger sich der Stillstand in der Frage der Energiesanktionen fortsetzt, desto wahrscheinlicher ist es, dass Russland finanziell in der Lage sein wird, den Westen bis zum letzten Ukrainer zu bekämpfen.
Aus dem Englischen von Jan Doolan. In Zusammenarbeit mit Project Syndicate, 2022.
wir sind mittendrin im EU-NATO-G7-Gipfelmarathon. Gestern Abend ist Ratspräsident Charles Michel von den 27 EU-Staats- und Regierungschef:innen in seinem Amt bestätigt worden. Er trat ohne Gegenkandidat:in an und bleibt damit bis 2014 Ratspräsident sowie Präsident der Euro-Gipfel.
Was inhaltlich besprochen wurde, das lesen Sie in unseren drei Analysen:
Präsident Joe Biden und Kommissionschefin Ursula von der Leyen verkünden heute einen Deal zur Energiepartnerschaft. Künftig gibt es aus den USA garantierte Liefermengen, wie Stephan Israel und Manuel Berkel in Brüssel erfahren haben.
Auch beiden Sanktionen setzt Washington auf die Zusammenarbeit mit der EU. Biden kündigte neue Sanktionen gegen russische Unternehmen und Personen an, machte zugleich aber keinen Druck auf die EU-Länder, die beim Thema Energie-Embargo weiterhin sehr geteilt sind. Eric Bonse mit den Einzelheiten.
Nach wie vor fordern die westlichen Verbündeten von Peking eine klare Distanzierung zu Russlands Überfall auf die Ukraine, nach wie vor drückt sich China um eine Antwort. Biden zeigte sich dennoch optimistisch, dass China sich nicht auf Russlands Seite schlagen wird. Einige wichtige Fragen bleiben aber offen, schreiben Amelie Richter und Christiane Kühl.
Done #DMA – so fasste die EU-Wettbewerbskommissarin Margarethe Vestager die Einigung zum Digital Markets Act gestern Abend in einem Tweet zusammen. Auf welche Punkte sich die EU nun geeinigt hat, lesen Sie in den News.
Agora Energiewende hat errechnet, dass Europa bis zum Jahr 2027 komplett unabhängig von russischen Gas- und Ölimporten sein könnte – wenn die Länder alle zur Verfügung stehenden Mittel ausschöpfen. Mehr dazu lesen Sie in den News.
Die Wissenschaftler Lukasz Rachel und Moritz Schularick sind sich im Standpunkt sicher, dass die bisher verhängten Sanktionen gegen Russland nicht ausreichen. Ihr Vorschlag: Ein vollständiges Energie-Embargo, aber mit Ansage. So solle der Westen die Energie-Importe schrittweise reduzieren, um Unternehmen zu schonen – und Wladimir Putin zum Umdenken zu bewegen.
Das Rendez-vous soll heute um 9 Uhr in der Residenz des US-Botschafters in Brüssel stattfinden. Präsident Joe Biden und Ursula von der Leyen wollen dort einen Deal über Lieferungen von Flüssiggas nach Europa präsentieren. Die USA wollen Europa damit helfen, russische Gaslieferungen zu ersetzen. Die Kommissionspräsidentin sprach am Rande des EU-Gipfels am Donnerstag von einem “neuen Kapitel” in einer Energiepartnerschaft mit den USA und einem wichtigen Schritt voran. Konkret sollen die USA Lieferungen im Umfang von bis zu 15 Milliarden Kubikmeter Flüssiggas in Aussicht stellen und zwar bis Ende dieses Jahres.
Zuletzt hat die EU im vergangenen Jahr 22 Milliarden Kubikmeter LNG aus den USA bezogen. Bisher hatten die Amerikaner es allerdings dem Markt überlassen, wie viele Schiffe mit Flüssiggas Europa ansteuerten. Neu will die Biden-Administration den Europäern konkrete Liefermengen garantieren. Biden dürfte der EU auch zusichern, die Gasförderung in den USA zu erhöhen und der Branche zusätzliche Förderlizenzen zu gewähren. Die USA stellen zudem in Aussicht, die Europäer mit Wasserstoff zu beliefern.
Die Zeit sei vorbei, in der die EU erpressbar gewesen sei, sagte Ursula von der Leyen. Die neuen Zusagen der USA decken allerdings nur einen Bruchteil der Gaslieferungen, die Europa bisher aus Russland erhalten hat. Im vergangenen Jahr waren es 155 Milliarden Kubikmeter, wovon der größte Teil über Pipelines kam. Nach der Verkündigung der Energiepartnerschaft heute Morgen wollte Biden nach Polen weiterreisen und sich über die Lage an der Grenze zur Ukraine informieren.
Am EU-Gipfel in Brüssel gab auch die Ankündigung aus Moskau zu reden, wonach Wladimir Putin Energielieferungen künftig in Rubel bezahlt haben möchte. Putin wolle testen, ob die Europäer bereit seien, ihre eigenen Sanktionen zu brechen beziehungsweise zu unterlaufen, sagten Diplomaten. Bundeskanzler Olaf Scholz reagierte gelassen auf die Ankündigung. In den Verträgen sei die Währung festgelegt, in der bezahlt werde. Da stehe meistens Euro oder Dollar und das gelte auch. Putin wolle die Allianz spalten, twitterte Adam S. Posen, Präsident des Washingtoner Peterson Institutes for International Economics.
Russland gehe es wohl darum, einen Keil zwischen Deutschland und Italien – die beide besonders abhängig von russischen Gaslieferungen sind – einerseits und die restliche EU sowie die USA andererseits zu treiben. Falls Deutschland und Italien Putins Spiel mitspielten und Gasrechnungen in Rubel zahlten, werde die Allianz für Sanktionen beträchtlich erodieren, schrieb Posen.
“Durch die höhere Nachfrage nach Rubel, wird der Wechselkurs stabilisiert und die Importverteuerung für Russland gestoppt. Damit würde die EU aber die Effekte ihre Sanktionen untergraben”, sagte Finanzwissenschaftler Markus Demary vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) gegenüber Europe.Table.
Alternativ könnten die europäischen Importeure versuchen, auf eine Einhaltung der in Euro und Dollar laufenden Verträge zu pochen. “Die EU könnte einfach in Euro bezahlen. Dann könnte Russland die Verträge kündigen und die EU müsste die Liefermengen einklagen”, sagt Demary. Fraglich sei aber, ob sich das gerichtlich durchsetzen lasse.
Der Amerikaner Posen nennt alle Überlegungen zu den genauen Auswirkungen der Rubel-Ankündigung rein akademisch. Stattdessen sollte vielmehr bedacht werden, dass die ökonomischen Auswirkungen eines Gaslieferstopps für Deutschland und Italien geringer seien als befürchtet.
Dem widerspricht nicht nur Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) immer wieder vehement und verweist auf verheerende Folgewirkungen, die der Ausfall einzelner Güter auf komplette Lieferketten nach sich ziehen würde. Es dürfte auch nicht vergessen werden, dass die Bundesrepublik Gas auch weiterleite. “Ein Gas-Embargo hat also auch da Effekte jenseits der deutschen Grenzen“, sagte IW-Direktor Michael Hüther.
Am Donnerstag verschärfte zudem der Energieverband BDEW seine Warnungen deutlich und forderte die Ausrufung der Frühwarnstufe nach dem Notfallplan Gas. “Es liegen konkrete und ernstzunehmende Hinweise vor, dass wir in eine Verschlechterung der Gasversorgungslage kommen”, hatte Hauptgeschäftsführerin Kerstin Andreae gewarnt. “Mit der Ankündigung des russischen Präsidenten Wladimir Putin, dass Gaslieferungen in Zukunft in Rubel bezahlt werden müssten, seien Auswirkungen auf die Gaslieferungen nicht auszuschließen.”
Das Wirtschaftsministerium lehnt die Ausrufung der Frühwarnstufe nach dem “Notfallplan Gas” des Bundes dagegen ab. “Aktuell gibt es in Deutschland keine Versorgungsengpasslage. Die Versorgungssicherheit ist gewährleistet”, betonte das Ministerium am Donnerstag. “Daher gibt es aktuell keine Notwendigkeit für eine Frühwarnstufe nach dem Notfallplan Gas.” Man beobachte die Lage aber genau. Stephan Israel und Manuel Berkel
Sitzung des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL)
28.03.2022 13:45-16:00 Uhr 31.03.2022 13:45-15:45 Uhr
Agenda: Auf den vorläufigen Tagesordnungen stehen unter anderem eine Aussprache mit Margrethe Vestager (EU-Kommissarin für Wettbewerb) sowie ein Berichtsentwurf zu gemeinsamen europäischen Maßnahmen im Bereich Pflege und Betreuung.
Vorläufige Tagesordnung 28.03. Vorläufige Tagesordnung 31.03.
Sitzung des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO)
28.03.2022 13:45-18:45 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem die Berichterstattung über die laufenden interinstitutionellen Verhandlungen zum Digital Markets Act, das Politikprogramm für 2030 “Weg in die digitale Dekade” sowie ein Berichtsentwurf zu Verbraucherkrediten.
Vorläufige Tagesordnung
Sitzung des Ausschusses für Sicherheit und Verteidigung (SEDE)
28.03.2022 13:45-18:45
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem verschiedene Updates und Aussprachen zur aktuellen Lage in der Ukraine.
Vorläufige Tagesordnung
Gemeinsame Sitzung des Entwicklungsausschusses und des Ausschusses für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (DEVE, ENVI)
28.03.2022 14:15-15:45 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem der Berichtsentwurf zur Umsetzung und Verwirklichung der Ziele für nachhaltige Entwicklung.
Vorläufige Tagesordnung
Rat der EU: Justiz und Inneres (Außerordentliche Tagung)
28.03.2022 14:30 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht die europäische Koordination für die Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine.
Vorläufige Tagesordnung (Französisch)
Sitzung des Ausschusses für auswärtige Angelegenheiten (AFET)
28.03.2022 16:00-17:30 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem eine Aussprache zum strukturierten Dialog zum Arbeitsprogramm der Kommission mit Josep Borrell Fontelles (EU-Außenbeauftragter).
Vorläufige Tagesordnung
Rat der EU: Beschäftigung, Sozialpolitik, Gesundheit und Verbraucherschutz
29.03.2022 10:00 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung stehen unter anderem ein Gedankenaustausch zu den Herausforderungen für die Strategie der Impfstoffsolidarität sowie ein Lagebericht zur gesundheitlichen und humanitären Lage in der Ukraine.
Vorläufige Tagesordnung (Französisch)
Wöchentliche Kommissionssitzung
30.03.2022
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem das Paket zur Kreislaufwirtschaft I mit einer Initiative für eine nachhaltige Produktpolitik einschließlich einer Überarbeitung der Ökodesign-Richtlinie, einer Überarbeitung der Bauprodukteverordnung, einer Strategie für nachhaltige Textilien und der Befähigung der Verbraucher für den grünen Übergang. Im Anschluss an die Sitzung der Kommission findet voraussichtlich gegen 12:00 Uhr eine Pressekonferenz statt.
Vorläufige Tagesordnung Pressekonferenz Live
EuGH-Urteil zum Luftfrachtkartell
30.03.2022
Agenda: Mit Beschluss vom 17. März 2017 erließ die Kommission einen Beschluss, mit dem sie gegen 11 Luftfrachtunternehmen Geldbußen in Höhe von insgesamt 776 Millionen Euro wegen Beteiligung an einem Preiskartell verhängte. Die Luftfrachtunternehmen haben den Beschluss der Kommission vor dem Gericht der EU angefochten.
Klage
DSA-Trilog
31.03.2022
Agenda: Vertreter:innen von EU-Kommission, EU-Parlament und Rat der EU kommen zur 4. Verhandlungsrunde des DSA-Trilogs zusammen.
Hintergrund
Sitzung des Ausschusses für Transport und Tourismus (TRAN)
31.03.2022 09:00-12:00 Uhr
Agenda: Auf der vorläufigen Tagesordnung steht unter anderem eine Abstimmung zur Energieeffizienz sowie der Entwurf einer Stellungnahme zur Anpassung der Ausgaben an die Politik der aktualisierten neuen Industriestrategie für Europa.
Vorläufige Tagesordnung
Die EU und die USA wollen ihre Sanktionen gegen Russland noch enger als bisher abstimmen und angleichen. Dies erklärten EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und US-Präsident Joe Biden in einem gemeinsamen Statement, das am Donnerstag am Rande des EU-Gipfels in Brüssel veröffentlicht wurde. Beim Gipfel selbst wurden jedoch zunächst keine neuen Sanktionsbeschlüsse getroffen.
Vielmehr soll die Kommission laut der Gipfelerklärung prüfen, welche Schlupflöcher und Umgehungsmöglichkeiten die bisherigen Sanktionen lassen. Zudem sollen die Wirkung der ergriffenen Strafmaßnahmen bewertet und gegebenenfalls nachgesteuert werden. Zugleich soll die Kommission prüfen, welche zusätzlichen Sanktionen ergriffen werden können. Diese müssten aber Russland stärker treffen als die EU-Staaten, sagte Belgiens Regierungschef Alexander De Croo nach dem Treffen: “Wir führen nicht Krieg gegen uns selbst”.
Bereits zu Beginn des zweitägigen Spitzentreffens, das am Freitag endet, hatten sich kaum überbrückbare Gegensätze unter den 27 Mitgliedstaaten gezeigt. So erklärte Österreichs Kanzler Karl Nehammer kategorisch, dass mit ihm kein Embargo aus Gas oder Öl zu machen sei. “Wir haben bereits massive Sanktionen beschlossen”, sagte er. Nun müsse man zunächst schauen, ob und wie sie wirken.
Ähnlich äußerte sich Luxemburgs Premier Xavier Bettel. Mit neuen Strafmaßnahmen müsse auf eine neue Situation reagiert werden, sagte er. Der Status Quo in der Ukraine habe sich aber nicht verändert. Er sei für ein schrittweises Vorgehen, fügte er hinzu.
Deutschland nahm eine mittlere Position ein. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt sei er gegen ein Energieembargo, ließ Bundeskanzler Olaf Scholz wissen. Man könne jedoch nicht sagen, wie sich der Krieg weiter entwickle und welche Maßnahmen später nötig sein werden. Scholz hatte allerdings zuvor, beim G7-Treffen unter seinem Vorsitz, mit “zusätzlichen Maßnahmen” gedroht. Welche das sein könnten, blieb in dem G7-Statement offen.
Für schärfere Sanktionen im Energiebereich sprachen sich Polen, die baltischen Staaten und Slowenien aus. Der slowenische Regierungschef Janez Jansa sagte, ein Energieembargo liege “auf dem Tisch”. Er rechne jedoch nicht mit einer schnellen Entscheidung. Litauens Ministerpräsident Gitanas Nausėda sprach von einer “Pflicht”, die Lieferung von Öl und Gas aus Russland zu unterbrechen.
Die USA haben bereits ein Energieembargo verhängt. Am Donnerstagvormittag kündigte die US-Regierung zudem neue Strafmaßnahmen gegen mehr als 400 weitere Russen und russische Unternehmen an. Wie das Weiße Haus in Washington mitteilte, sollen 48 Rüstungsunternehmen, 328 Mitglieder der Duma sowie Bankenmanager mit Strafen belegt werden. Darunter ist auch der Chef der russischen Sberbank, Herman Gref, der nach US-Angaben schon seit den 1990er Jahren ein Berater von Kreml-Chef Wladimir Putin ist.
Biden machte in Brüssel jedoch keinen Druck auf die Europäer. “Mein Thema ist Einigkeit”, betonte er. Nach Russland müsse man nun auch China ins Visier nehmen, hieß es im Umfeld des US-Präsidenten. Es gehe darum, sicherzustellen, dass die Sanktionen gegen Russland nicht unterlaufen werden. “China weiß, dass seine wirtschaftliche Zukunft viel enger mit dem Westen verbunden ist als mit Russland”, betonte Biden.
Einen ersten Erfolg konnte der US-Präsident beim G7-Treffen verzeichnen. Die Staats- und Regierungschefs appellierten “eindringlich an alle Staaten, Russland keine militärische oder anderweitige Unterstützung für die Fortsetzung seiner Aggression gegen die Ukraine zu gewähren.”
China wurde in dem fünfseitigen Dokument zwar nicht direkt erwähnt. Scholz bestätigte aber bei einer Pressekonferenz in Brüssel nach dem G7-Treffen, dass dieser Teil der Erklärung auf China abzielt. Die EU will am 1. April ein Gipfeltreffen mit China abhalten. Bis dahin dürfte der Druck auf Peking noch zunehmen.
Die westlichen Bündnisse wollen um jeden Preis verhindern, dass Peking enger an Russland heranrückt oder Moskau gar Waffen liefert. Im Umfeld des Gipfelmarathons von Nato, G7 und der Europäischen Union am Donnerstag in Brüssel stellten Politiker immer wieder die Forderung an China: Distanziert euch von Russland! Doch aus Peking kommen bislang die erwartbaren Repliken. Kein Wort der Kritik an Russland, dafür umso mehr an den USA und der Nato.
US-Präsident Joe Biden zeigte sich zum Ende des langen Tages dennoch zuversichtlich, dass sich China wegen handelspolitischer Abhängigkeiten letztendlich gegen Russland wenden werde. “China versteht, dass seine wirtschaftliche Zukunft viel enger mit dem Westen verbunden ist als mit Russland“, sagte Biden nach einem Treffen mit seinen G7-Kollegen über sein Gespräch mit Chinas Staatschef Xi Jinping. Vertrauen ist gut, Kontrolle ist dann aber offenbar doch besser: Biden brachte ein neues Gremium für Nato und EU ins Gespräch. Dieses solle kontrollieren, ob und gegebenenfalls wie andere Staaten die Sanktionen gegen Russland umgehen. Gemeint war China.
Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg wurde nach dem Sondergipfel des Verteidigungsbündnisses deutlich: “Peking sollte seinen erheblichen Einfluss auf Russland geltend machen und eine sofortige friedliche Lösung fördern”, sagte der Nato-Chef. Welche Schritte die Nato als Antwort auf chinesische Hilfe für Russland in Betracht ziehen würde, sagte er aber nicht. Auch die Gipfel-Erklärung der Nato-Staaten enthält diese Forderung. Die Mitgliedsstaaten hatten das Dokument einstimmig – inklusive des zuvor eher zurückhaltenden Ungarn – angenommen.
Stoltenberg hatte China bereits am Mittwoch vorgeworfen, Russland im Ukraine-Krieg mit “himmelschreienden Lügen” zu unterstützen. Die USA und Europa kritisieren, dass China russische Fake-Meldungen über angebliche Chemiewaffenlabore der USA in der Ukraine weiterverbreitet. “China vorzuwerfen, falsche Informationen über die Ukraine zu verbreiten, stellt selbst eine Verbreitung von Desinformation dar”, sagte dazu ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums am Donnerstag in inzwischen gewohnter Manier.
Die Staats- und Regierungschefs der G7 zeigten sich in ihrem Abschluss-Statement weniger direkt als die Nato: Die Staaten-Gruppe werde ein Auge darauf haben, ob die Sanktionen umgangen oder untergraben werden, hieß es darin – ohne China zu nennen.
Der Rat der EU-Staats- und Regierungschefs tagte am Donnerstag noch bis in den späten Abend. US-Präsident Biden hatte dort ebenfalls einen Auftritt – auch um nach eigener Aussage über eine gemeinsame Position vor dem EU-China-Gipfel in der kommenden Woche zu beraten. “Ich denke, die Botschaften an China waren sehr deutlich. Bitte haltet Abstand”, sagte der belgische Premierminister Alexander De Croo am Donnerstag. Der Großteil der EU-Staatenlenker gab ähnliche Statements ab.
Der Pekinger Außenamtssprecher betonte derweil, Chinas Position sei im Einklang mit “den Wünschen der meisten Länder”. “Wir waren immer der Auffassung, dass die Ukraine eine Brücke zwischen Ost und West werden und nicht an der Front eines Spiels zwischen Supermächten stehen sollte.” Doch letztlich duldet China genau das: Dass Russland die Ukraine als Pufferstaat zum Westen und als eigene Einflusssphäre betrachtet, die selbst kein Mitspracherecht über ihre Rolle hat. Xi sprach seit Beginn des Krieges zwar mit einigen Staats- und Regierungschefs, nicht aber mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj.
China versucht unterdessen weiter, sich mit allen Mitteln um eine klare Aussage zu drücken: Je weniger die Ukraine bei multilateralen Veranstaltungen überhaupt Thema wird, desto besser ist das aus Sicht Pekings. Sowohl Außenminister Wang Yi als auch Xi selbst drängten in diesen Tagen die indonesische G20-Präsidentschaft, den Ukraine-Konflikt von der Tagesordnung des G20-Gipfels auf der Tropeninsel Bali Ende Oktober zu streichen. Indonesien habe sich offen gezeigt, hieß es. Auch ist China dafür, Wladimir Putin mit an den G20-Gipfeltisch zu laden – was für viele andere Staaten aber längst undenkbar geworden ist. US-Präsident Biden sprach sich am Donnerstag gar für einen kompletten Ausschluss Russlands von G20 aus. Sollte das von anderen Staaten nicht gestützt werden, sollte die Ukraine ebenso eingeladen werden, schlug Biden vor.
Dass die Kooperation mit Russland aber dennoch Grenzen haben könnte, deutete der chinesische Botschafter in den USA Qin Gang an. “Die Zusammenarbeit zwischen China und Russland hat keine verbotenen Bereiche, aber es gibt dafür Richtlinien (bottom line)”, sagte Qin am Mittwoch dem teilstaatlichen Fernsehsender Phoenix TV. Dazu gehörten auch die Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen, die die Grundnorm des Völkerrechts und der internationalen Beziehungen darstellen, so Qin. “Das ist die Richtlinie, die wir in den bilateralen Beziehungen zwischen China und jedem anderen Land befolgen.”
Der Druck auf Peking wird so schnell nicht nachlassen – er wird auch den EU-China-Gipfel dominieren. Der Ukraine-Krieg werde bei dem virtuellen Treffen am Freitag kommender Woche im Mittelpunkt stehen, schrieb EU-Ratschef Charles Michel im Einladungsbrief an die anderen Staats- und Regierungschefs der EU.
Das Gipfeltreffen zwischen Michel, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, Xi Jinping sowie Premier Li Keqiang ist der erste Gipfel seit Juni 2020. Im vergangenen Jahr war ein Datum für ein bilaterales Treffen aufgrund der gegenseitigen Sanktionen im Zusammenhang mit den Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang immer wieder verschoben worden. Doch wirklich gut ist die Stimmung auch jetzt nicht. Es wird keine gemeinsame Abschlusserklärung für den Gipfel erwartet – ein Anzeichen dafür, dass niemand mit großen Fortschritten rechnet. Mit Christiane Kühl
Beim Digital Markets Act haben Parlament, Rat und Kommission erwartungsgemäß am späten Abend eine Einigung erzielt. Binnenmarktkommissar Thierry Breton erklärte, dass der DMA den digitalen Raum in der EU “für die kommenden 20 Jahre strukturieren werde”. Parlamentsberichterstatter Andreas Schwab (CDU/EVP) sprach davon, dass manche Einigungen für das Parlament schmerzhaft seien, in vielen Punkten jedoch eine sehr gute Einigung erzielt worden sei. Ein “Gamechanger in der Regulierung digitaler Märkte” sei der heute gefundene Kompromiss, lobt auch René Repasi (SPD/S&D): “Verstöße können hart sanktioniert werden, unter anderem mit der Möglichkeit, Unternehmen zu zerschlagen oder ihnen Unternehmenskäufe zu untersagen.”
Geeinigt wurde sich in der letzten Verhandlungsrunde unter anderem darauf, dass auch Browser und virtuelle Assistenten vom DMA umfasst sein sollen. Gatekeeper sollen zudem dazu verpflichtet werden, eine Zustimmung zu personalisierter Werbung nicht pauschal und alternativlos von Nutzern fordern zu dürfen.
Martin Schirdewan (Linke) sieht Licht und Schatten: Es sei ein “großer Fehler”, dass der DMA nur auf wenige Akteure beschränkt sei. “Leider beinhaltet der DMA kein Update des Wettbewerbsrechts. Deswegen ist es umso frustrierender, wenn der DMA nicht einmal eine generelle Interoperabilitätsverpflichtung für Monopole enthält.” Dass diese nun aber für Messengerdienste kommt, hält auch Schirdewan für richtig.
Insbesondere bei den Interoperabilitätsregeln für Messengerdienste wie WhatsApp oder Telegram kam der Rat dem Parlament etwas entgegen. So soll nicht nur die Kernfunktionen der Messenger der Textkommunikation zwischen Einzelnen, sondern auch Videochats zu den Interoperabilitätspflichten gehören. Gruppenchats und Audionachrichten sollen ebenfalls interoperabel werden, hier sieht die DMA-Einigung jedoch eine Einführung im Verlauf von vier Jahren nach Inkrafttreten vor. Soziale Netzwerke werden von den Interoperabilitätspflichten nicht umfasst – ein Punkt, in dem sich das Parlament nicht durchsetzen konnte.
Ebenfalls Zugeständnisse an die Ratsposition machte das Parlament beim Thema personalisierter Werbung: Dieses umstrittene Thema soll nun im alle Anbieter umfassenden Digital Services Act geregelt werden. Dass im DMA dazu keine Einigung erzielt wurde, bedauert René Repasi (SPD/S&D). Aber: “Stattdessen hat die französische Ratspräsidentschaft die politische Erklärung abgegeben, dass im Digital Services Act personalisierte Werbung für Minderjährige und aufgrund sensibler Daten verboten wird.” Durchsetzen konnten sich die Parlamentarier wiederum bei der Zusammenführung von Daten aus verschiedenen Quellen – dies soll ausschließlich mit Einwilligung der Nutzer erlaubt sein.
Während auf der einen Seite die Schwellenwerte zur Anwendung des DMA noch einmal angehoben wurden, wurden auf der anderen auch die möglichen Strafrahmen erhöht: Erstverstöße sollen bis zu 10 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes betragen können, im Wiederholungsfall bis zu 25 Prozent. fst
Eine Analyse der Agora Energiewende legt nahe, dass Europa bereits 2027 energieunabhängig sein kann, wenn der Kontinent umgehend alle verfügbaren Mittel zur Verringerung der Energienachfrage und der Umstellung auf erneuerbare Energien einsetzt.
Energieeffizienz in Gebäuden und in der Industrie sowie ein rascher Ausbau der Wind- und Solarenergie könnten die Nachfrage nach fossilem Gas in den nächsten fünf Jahren dauerhaft um 1200 Terrawattstunden senken, heißt es in dem Papier. Allein damit könnten 80 Prozent der heutigen russischen Gasimporte vermieden werden. Mit alternativen Versorgungsquellen wie LNG sei sogar ein kompletter Verzicht auf russisches Gas möglich.
Das größte Potenzial zur Verringerung der Gasnutzung besteht Agora zufolge im Stromsektor (-500 TWh), indem Wind- und Solaranlagen ausgebaut werden. Dahinter folgen der Gebäudesektor (-480 TWh) durch Nutzung von Fernwärme und einer “Wärmepumpen-Revolution” und die Industrie (mindestens -223 TWh und bis zu -410 TWh) durch höhere Effizienz und Elektrifizierung in Nieder- und Mitteltemperatur-Wärmeprozessen.
Zur Erreichung der Reduktionen fordert Agora die Einrichtung eines EU-Energiesouveränitätsfonds nach dem Vorbild von NextGenEU, der bis 2027 mit 100 Milliarden Euro ausgestattet werden soll und Teil eines speziellen Investitionsrahmens zur Umsetzung von RePowerEU sein soll. luk
Die Bundesregierung hat die Leitung der Taskforce zur Umsetzung der Russland-Sanktionen benannt. Die Arbeitsgruppe werde von Nina Thom und Johannes Geismann geführt, teilten Bundeswirtschafts- und Bundesfinanzministerium mit. Thom leitete zuvor als Oberstaatsanwältin die Vermögensabschöpfung bei der Staatsanwaltschaft Berlin. Geismann war bis zum Regierungswechsel im Kanzleramt der Beauftragte für die Nachrichtendienste. Der Verwaltungsjurist kommt aus dem BMF.
Die Bundesregierung hatte die Taskforce vor gut einer Woche eingerichtet, um die Umsetzung der EU-Beschlüsse besser zu koordinieren. Zuvor war deutlich geworden, dass es große Unklarheiten gab, welche Behörden etwa operativ für das Einfrieren der Vermögenswerte der sanktionierten Oligarchen zuständig sind. Für die jeweiligen Sanktionsbereiche müsse die Expertise verschiedener Stellen einbezogen werden, so die Bundesregierung in ihrer Mitteilung: “Insbesondere betrifft dies neben BMWK, BMF, BMI und Bundesbank auch Vertreter von BMDV, BMJ, AA sowie nachgeordnete Behörden (u.a. BND, BKA, BfV, BaFin, ZKA, FIU, HZA, BAFA) und Länder”. tho
Die Schweiz hat in Zusammenhang mit den Sanktionen gegen Russland bisher Vermögen von insgesamt 5,75 Milliarden Franken (rund 5,9 Milliarden Euro) gesperrt. “Darunter sind auch Meldungen über Liegenschaften in verschiedenen Tourismus-Kantonen”, sagt Erwin Bollinger vom Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) am Donnerstag. Der größte Teil der Vermögen liege aber auf Bankkonten.
Seit dem 28. Februar sind Geld und andere Vermögenswerte wie Immobilien, Kunstwerte oder Fahrzeuge von sanktionierten Personen oder Unternehmen in der Schweiz gesperrt. Wer die Vermögen verwaltet, muss dem Seco unverzüglich Meldung erstatten. Die Behörde erhält Bollinger zufolge seit Ende Februar laufend solche Meldungen.
Die Schweiz vollzieht die Sanktionen der Europäischen Union (EU) nach. Gegenwärtig unterlägen 874 Personen und 62 Gesellschaften aus Russland den Maßnahmen. Die über fünf Milliarden Franken an gesperrten Geldern entsprächen einer Momentaufnahme, sagte Bollinger. “Mit noch eingehenden Meldungen und allfällig neuen Listing der EU, die die Schweiz übernehmen würde, wird sich diese Zahl wahrscheinlich weiter erhöhen.”
Der Schweizer Bankenverband hatte vergangene Woche geschätzt, dass sich die Vermögen von im Ausland lebenden Russen in der Schweiz auf 150 bis 200 Milliarden Franken beliefen. Bollinger wies darauf hin, dass nicht jeder Russe, der in der Schweiz Vermögenswerte besitze, auf der Sanktionsliste stehe. Auf der anderen Seite hätten nicht alle Sanktionierten Vermögen in der Schweiz.
Die Vermögen seien gesperrt, nicht aber konfisziert. Es gehe bei Sanktionen darum, die Verfügungsmöglichkeit einzuschränken. “Das Eigentum hingegen verbleibt bei der sanktionierten Person”, sagte Bollinger. In der Schweiz bestehe keine Rechtsgrundlage, um Vermögen zu beschlagnahmen. rtr
Angesichts rasant gestiegener Energiepreise will die Ampelregierung alle Bürger um teils mehrere hundert Euro entlasten. Teil des zweiten Pakets innerhalb eines Monats sind:
Das kündigten SPD, Grüne und FDP am Donnerstag nach elfstündigen Beratungen an. FDP-Chef Christian Lindner deutete an, das Paket könnte wie das erste um die 16 Milliarden Euro kosten.
Kritik kam aus der Wirtschaft: Die Unternehmen profitierten kaum von dem Paket. Bereits vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine hatten sich die Preise für Kohle, Öl und vor allem Gas deutlich erhöht. Deutschland ist besonders abhängig von diesen russischen Lieferungen und lehnt ein Energie-Embargo daher ab. Um den Gasverbrauch zu reduzieren, will die Regierung zunächst die geplante Abschaltung von Kohlemeilern verzögern. Sie wolle aber so schnell wie möglich die Abhängigkeit von Russland insgesamt beenden, auf klimafreundliche Energieträger umstellen und die Versorgung sichern, heißt es im sechsseitigen Papier zum Paket.
Daher soll beispielsweise der Austausch alter Heizungen beschleunigt und bereits 2024 nur noch solche eingebaut werden, die zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien laufen. Bisher war dies erst ein Jahr später geplant. Zudem soll nun das sogenannte Effizienzhaus 55 ab 2023 als Standard vorgegeben werden, was aber auch Förderung ausschließt.
Industrie-Verbände zeigten sich über das neue Paket enttäuscht. Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK), Peter Adrian, erklärte: “Die Beschlüsse der Regierungskoalition können die großen Sorgen in der Wirtschaft nicht wirklich verringern.” Die Senkung der Energiesteuer für drei Monate sei aus Sicht vieler Betriebe nur ein Tropfen auf den heißen Stein – und könne der besonders stark betroffenen Industrie ohnehin nicht helfen. Die historisch hohen Strom- und Energiepreise bedrohten viele deutsche Unternehmen in ihrer Existenz.
Ähnlich äußerte sich das Handwerk: “Um die Lasten aus dieser Preisexplosion abzufedern und Härten auszugleichen, reicht die temporäre Entlastung bei Spritkosten nicht aus”, sagte Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer. “Zusätzlich sollten auch die Verbrauchssteuern bei Strom und Gas auf die europäisch zulässigen Mindestsätze gesenkt und die CO2-Abgabe befristet ausgesetzt werden.”
Lindner kündigte aber mit Blick auf den nötigen Ergänzungshaushalt an, darin würden auch Unternehmenshilfen berücksichtigt. Die Höhe stehe noch nicht fest. Der Ergänzungshaushalt soll die Sonderlasten im Zuge des Krieges in der Ukraine abbilden. rtr
Die EU-Abgeordneten haben grünes Licht für niedrigere Roaming-Gebühren gegeben. Sie stimmten geringeren Entgelten bis 2032 zu, die Mobilfunker untereinander zahlen, wenn ihre Kunden in ein anderes EU-Land reisen und telefonieren, Daten verbrauchen oder Nachrichten schreiben. Das Europäische Parlament und die EU-Länder hatten im Dezember letzten Jahres eine politische Einigung erzielt. Im nächsten Schritt müssen die EU-Länder ihre formelle Zustimmung geben, damit die Preisobergrenzen in Kraft treten können.
Die Europäische Kommission hatte 2017 die Roamingentgelte für Endkunden abgeschafft und Preisobergrenzen für Roamingentgelte auf der Vorleistungsebene eingeführt, um die Verbraucher vor einem “Rechnungsschock” zu bewahren, wenn sie aus dem Urlaub im Ausland zurückkehren.
Telekommunikationsanbieter in südeuropäischen Ländern ziehen es vor, die Preisobergrenzen auf der Vorleistungsebene so hoch wie möglich zu halten, um von Touristen zu profitieren, die nach Hause telefonieren. Betreiber in Nordeuropa, deren Bürger eher im Ausland Urlaub machen, plädieren in der Regel für niedrigere Obergrenzen. In der Corona-Krise sind die Roaming-Einnahmen der Telekomkonzerne angesichts des geringeren Reiseaufkommens gesunken.
Der Großkundentarif für Sprachtelefonie wird im nächsten Jahr auf 0,022 Euro pro Minute begrenzt und 2025 bis 2032 auf 0,019 Euro gesenkt. Die Großkundentarife für Textnachrichten werden im nächsten Jahr auf 0,004 Euro pro Nachricht und in den Jahren 2025 bis 2032 auf 0,003 Euro begrenzt. Die Datentarife werden im nächsten Jahr auf 1,80 Euro pro Gigabyte gedeckelt, im Jahr 2024 auf 1,55 Euro und in den Jahren 2027 bis 2032 schrittweise auf 1 Euro gesenkt. rtr
Russlands brutaler Beschuss ukrainischer Städte dauert an. Tausende sterben; Millionen leiden. Doch was weitere Maßnahmen angeht, so bleibt der Westen in der wichtigsten Frage gelähmt: den Sanktionen auf russische Energieexporte. Solange es keinen sofortigen und vollständigen Boykott von russischem Gas und Öl durch die westlichen Länder gibt, ist es der beste Weg, stufenweise Sanktionen anzukündigen, die im Laufe der kommenden Wochen nach und nach umgesetzt werden.
Die ursprüngliche Reaktion des Westens auf die russische Invasion folgte rasch und war stark und beeindruckend geschlossen. Doch wird immer deutlicher, dass sie zugleich unzureichend war. Die Auswirkungen der anfänglichen Erschütterungen verblassen, denen die russische Wirtschaft durch die Sanktionen ausgesetzt war. In den vergangenen Tagen hat sich der Wechselkurs des Rubels zunächst stabilisiert und ist dann steil gestiegen. Zugleich sind die Renditen von Staatsanleihen wieder gesunken. Die Konsensprognose für das russische BIP-Wachstum für 2022 liegt bei minus acht Prozent – ein steiler Rückgang, aber durchaus kein Zusammenbruch.
Es ist nicht schwer zu verstehen, warum die russische Wirtschaft und Präsident Wladimir Putins Regime es bisher geschafft haben, den Sanktionen standzuhalten. Die Energieexporte – eine entscheidende Einnahmequelle für den russischen Staat – bleiben von der Sanktionsliste ausgenommen. Tatsächlich haben steil steigende Energiepreise dem Kreml sogar massive Zusatzeinnahmen beschert. Im Februar, als Russland seine Invasion vorbereitete und begann, verzeichnete die Leistungsbilanz des Landes ihren höchsten Monatsüberschuss in 15 Jahren.
Angesichts höherer Preise und wachsender Kapitalflüsse hat sich der europäische Beitrag zu Putins Kriegskasse seit Kriegsbeginn massiv erhöht. Jeden Tag werden enorme Summen – in der Größenordnung von 700 Millionen Euro – auf russische Konten überwiesen. Mit diesem Geld werden Söldner, Raketen und Flugzeugersatzteile aus Ländern bezahlt, die nur gegen harte Währung verkaufen. Ganz allgemein stammen etwa 40 Prozent aller Haushaltseinnahmen der russischen Regierung aus dem Öl- und Gasgeschäft. Ohne diese Einnahmen täte Putin sich schwer, seine Kriegsmaschinerie zu finanzieren.
Unglücklicherweise scheint die Debatte über eine Ausweitung des Energie-Embargos sich festgefahren zu haben. Obwohl wissenschaftliche Studien nahelegen, dass die wirtschaftlichen Folgen für die Energie importierenden Länder zu bewältigen wären, bleiben ein paar wichtige Regierungen zögerlich. In Deutschland etwa lehnt die heimische Industrie-Lobby Maßnahmen hartnäckig ab und findet, trotz einer im Allgemeinen zu Unterstützung bereiten öffentlichen Meinung, bei der Regierung Gehör. Dies ist aus mindestens drei Gründen höchst problematisch.
Erstens signalisieren die europäischen Politiker Putin, dass er Macht über Europa hat, wenn sie vor wirtschaftlich kostspieligen Sanktionen zurückscheuen. Dies wird ihn ermutigen, Europas Entschlossenheit noch stärker auf die Probe zu stellen. Es riskiert zudem, die unvermeidliche Anpassung der europäischen Industrie und Verbraucher an die Tatsache hinauszuschieben, dass die russische Energie nie so billig war, wie das den Anschein hatte. Und schließlich erlaubt der fortgesetzte Fluss des für russische Energieträger gezahlten Blutgeldes es Putin, weiter vorwärtszudrängen, was die langfristigen Kosten der Eindämmung eines revisionistischen Russlands für Europa drastisch erhöht.
Zugleich lässt sich die politische Realität nicht verleugnen. So kurzsichtig ihre Gründe auch sein mögen: Wichtige Länder sind in Bezug auf das russische Gas nicht zum kalten Entzug bereit. Um diese Blockade zu durchbrechen, könnte man – vielleicht über einen Zeitraum von sechs Wochen – ein vorab angekündigtes Embargo umsetzen. So könnte die EU etwa Importe russischer Mineralölerzeugnisse mit Ausnahme von Diesel sofort verbieten und zugleich ankündigen, dass das Verbot jede Woche auf eine neue Gruppe von Produkten ausgeweitet werden würde: als Nächstes auf Kohleimporte, dann auf Diesel, dann auf Seetransporte von Rohöl und schließlich auf Pipeline-Öl. Und schließlich würden in sechs Wochen Zahlungen für Gasimporte auf Treuhandkonten geleistet werden, von denen Abhebungen für die Dauer des Krieges unmöglich wären.
Sich auf einen künftigen Sanktionskurs festzulegen, der die Einschränkungen nach einem angekündigten Zeitplan verschärft, würde den Druck auf Putin erneuern und Anreize für Bemühungen um diplomatische Lösungen erhöhen. Ein sofortiges Ende der Angriffe auf Zivilisten und ein Rückzug der russischen Streitkräfte würden den Sanktionszeitplan anhalten.
Zudem würden Vorankündigungen über Sanktionen den europäischen Verbrauchern russischer Energie Klarheit über die notwendigen Anpassungsmaßnahmen und über deren Tempo verschaffen. Dies würde zu Anstrengungen anstacheln, den Verbrauch anzupassen, statt über Lobbyisten bei den Politikern in Berlin und anderen Hauptstädten vorzusprechen, um das Unvermeidliche hinauszuzögern. Indem sie die Industrie zwingen würden, diese Anpassungsmaßnahmen umzusetzen, würden Vorankündigungen über Sanktionen zudem die Anfälligkeit der europäischen Wirtschaft für politische Erpressungsmanöver Putins im kommenden Herbst drastisch verringern.
Die Wirksamkeit dieser Politik ist von der Einhaltung bestimmter zentraler Prinzipien abhängig. Am wichtigsten ist, dass diese Sanktionen eine unbegrenzte Dauer haben müssen, um den üblichen politischen Stillstand in der EU zu vermeiden, der ansonsten die Bemühungen zu ihrer Verlängerung kennzeichnen würde. Wäre zur Aufgabe der Verschärfung der Sanktionen Einstimmigkeit nötig, dann würde das diese Politik glaubwürdiger machen. Zudem sollten Unternehmen russische Energieprodukte bis zum vollständigen Inkrafttreten des Embargos nur im üblichen Umfang kaufen dürfen. Es wäre ihnen untersagt, die Importe zu erhöhen, um das Embargo durch Vorziehen von Käufen zu umgehen.
Über die genaue Reihenfolge der Schritte und ihre detaillierte Aufschlüsselung kann auf der Basis von Expertenanalysen zum Raffineriebetrieb entschieden werden, um die kurzfristigen logistischen Kosten für Europa zu minimieren. Die jetzige Aufgabe besteht darin, einen gestaffelten Zeitplan für Sanktionen auf russische Energieexporte festzulegen.
Die Zeit spielt gegen Europa. Inzwischen ist seit Beginn der russischen Invasion der Ukraine ein Monat vergangen. Je länger sich der Stillstand in der Frage der Energiesanktionen fortsetzt, desto wahrscheinlicher ist es, dass Russland finanziell in der Lage sein wird, den Westen bis zum letzten Ukrainer zu bekämpfen.
Aus dem Englischen von Jan Doolan. In Zusammenarbeit mit Project Syndicate, 2022.