mit breiter Mehrheit hat die Bundesversammlung Frank-Walter Steinmeier gestern für weitere fünf Jahre als Bundespräsident bestätigt. Die erste Rede nach seiner Wiederwahl nutze er für klare Worte an Wladimir Putin, dem er die Verantwortung für die Eskalation im Ukraine-Konflikt zuwies. Zugleich appellierte er an den russischen Präsidenten: “Suchen Sie mit uns einen Weg, der Frieden in Europa bewahrt!”
Bundeskanzler Olaf Scholz macht sich heute auf den Weg nach Kiew, um den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu treffen. Es wird erwartet, dass Scholz der Ukraine weitere wirtschaftliche Unterstützung zusagt. Am Dienstagmorgen reist Scholz dann zu Gesprächen mit Putin nach Moskau. Seine Reisen werden begleitet von zunehmender Sorge vor einer russischen Invasion in die Ukraine. Deutsche Politiker:innen warnen davor zwar weniger laut als die US-Regierung, aber auch sie schätzen die Lage als sehr ernst ein. Dennoch ist man in deutschen Regierungskreisen bemüht, nicht den Eindruck zu erwecken, dass der Besuch von Scholz eine letzte Chance ist, einen Krieg abzuwenden.
Vor dem Hintergrund der drohenden Kriegsgefahr gewinnt der Entwurf des Abschlussberichts des INGE-Sonderausschusses an Brisanz. Ziel des Ausschusses ist es, Beweise für ausländische Einmischung in demokratische Prozesse und Institutionen zu suchen und Gegenstrategien zu entwickeln. Das Fazit: Die EU gehe zu sorglos mit ausländischer Einmischung um. So sei China zunehmend erfolgreich darin, Spitzenpolitiker für eigene Zwecke einzuspannen – nach dem Vorbild von Russland, das etwa auf die treue Unterstützung von Altkanzler Schröder zählen darf. Der Ausschuss fordert außerdem, den Code of Practice on Disinformation der EU nachzuschärfen – ein Punkt, der für Streit sorgen dürfte, wie Eric Bonse schreibt.
Die Verschärfung der CO2-Flottengrenzwerte für Pkw und Kleintransporter gehört zu den umstrittensten Dossiers des Fit-for-55-Pakets. Die Grenzwerte legen Emissionsreduktionsziele für die gesamte Neuwagenflotte eines Autoherstellers fest. Doch die Berichterstatter des EU-Parlaments ringen nicht nur um die Höhe der Grenzwerte und das Datum, wann die Flotten emissionsfrei sein sollen. Es geht auch um die Berücksichtigung von E-Fuels innerhalb der Grenzwerte sowie Verbote von besonders schmutzigen Pkw. Ein grüner Parlamentarier fordert gar das Ende von Verbrenner-SUV ab 2025. Lukas Scheid dröselt auf, wer welche Reduktionsziele fordert und nimmt einige Vorschläge genauer in den Blick.
Das Europaparlament fordert mehr Einsatz im Kampf gegen Desinformation, ausländische Einmischung und “Eliten-Fang” (elite capture). Die EU müsse ein eigenes Sanktionsregime gegen Desinformation einführen und dafür sorgen, dass Russland künftig keine Spitzenpolitiker wie Gerhard Schröder oder François Fillon anwerben und für seine Zwecke einspannen kann, sagte der Vorsitzende des INGE-Ausschusses, Raphaël Glucksmann (S&D, Frankreich).
Der INGE-Sonderausschuss war im Juni 2020 eingesetzt worden, um Beweise für ausländische Einmischung in demokratische Prozesse und Institutionen zu suchen und Gegenstrategien zu entwickeln. Er war 18 Monate tätig und hat eigene Recherchen unternommen, etwa bei einer viel beachteten Reise nach Taiwan. In der vergangenen Woche hat die Berichterstatterin, Sandra Kalniete (EVP, Lettland) den Entwurf für den Schlussbericht vorgelegt.
Vor dem Hintergrund der wachsenden Kriegsgefahr in der Ukraine gewinnt dieser Bericht nun eine besondere Brisanz. Die EU wirft Russland vor, die Ukraine mit gezielten Falschmeldungen zu destabilisieren und eine Invasion vorzubereiten. Zuletzt hatte auch der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) Alarm geschlagen. “Kremlfreundliche Medien heizen Spannungen um die Ukraine an”, heißt es im Newsletter der EAD-Taskforce gegen Desinformation zu den Geschehen in Russland.
Der INGE-Ausschuss hat seinen Bericht vor der jüngsten Eskalation fertiggestellt. Anders als die Taskforce konzentriert er sich nicht auf russische Propaganda, sondern geht auch auf versuchte Einflussnahmen aus den USA, China, der Türkei oder Aserbaidschan ein. Die EU gehe noch viel zu sorglos mit der ausländischen Einmischung um, heißt es im Schlussbericht. China eifere zunehmend Russland nach und sei beim “Eliten-Fang” besonders erfolgreich, warnt Glucksmann.
Dies zeige sich an zahlreichen Jobs, die europäische Spitzenpolitiker nach ihrem Ausscheiden angenommen haben. Neben Schröder und Fillon, die für die russischen Energiekonzerne Gazprom beziehungsweise Zaroubejneft arbeiten, erwähnt der Bericht auch den ehemaligen französischen Premier Jean-Pierre Raffarin, der aktiv für chinesische Interessen eintrete. Sogar ein früherer EU-Kommissar, Štefan Füle, habe sich für Peking einspannen lassen.
“Was Fillon, Schröder und viele andere westliche Politiker quer durch alle Länder und Parteien machen, ist schlimm”, so Glucksmann. Die EU müsse das Problem klar benennen und einen Riegel vorschieben, etwa durch gesetzlich vorgeschriebene “Abkühlphasen” oder ein Ethikkomitee (Europe.Table berichtete). Über ein solches Ethikkomitee laufen bereits Verhandlungen zwischen dem Europaparlament und der EU-Kommission – bisher allerdings ohne greifbaren Erfolg.
Wenig Chancen werden der Forderung des INGE-Ausschusses nach einem eigenen Sanktionsregime für Desinformation und Manipulation gegeben. Dafür fehle eine Rechtsgrundlage, heißt es im Umfeld von EU-Außenvertreter Josep Borrell. Außerdem dürfe man nicht zu tief in die Medien- und Meinungsfreiheit eingreifen. Sie wolle kein “Wahrheitsministerium”, betont die zuständige EU-Kommissarin Věra Jourová.
Für Streit dürfte die Forderung der EU-Abgeordneten sorgen, den Code of Practice on Disinformation der EU nachzuschärfen. Der Verhaltenskodex sei nicht transparent und viel zu unverbindlich, heißt es in dem Berichtsentwurf. Er beruhe lediglich auf Absprachen zwischen der EU-Kommission und großen Plattformen wie Facebook. Der INGE-Ausschuss und andere wichtige Stakeholder seien hingegen nicht konsultiert worden.
Das Parlament sei deshalb “tief besorgt”, schreiben Kalniete und Glucksmann. Eine informelle Selbst-Regulierung reiche nicht aus. Vielmehr brauche es “effective overview, assessment and sanctions mechanism”. Dies gelte nicht nur für den Code of Practice on Disinformation, sondern auch für den Digital Services Act, den Digital Markets Act und andere Maßnahmen im Zusammenhang mit dem European Democracy Action Plan.
Der INGE-Bericht soll im März im Plenum des Europaparlaments verabschiedet werden. Für den Entwurf stimmten 25 Ausschussmitglieder, acht waren dagegen. Clare Daly (GUE/NGL, Irland) gab ein Sondervotum ab. Der Bericht blase die Gefahr aus Russland und China über Gebühr auf, kritisiert sie. Er könne genutzt werden, um die Meinungsfreiheit in der EU einzuschränken.
Dass eine Einigung nicht einfach wird, war zu erwarten. Zu weit liegen die Positionen der verschiedenen Lager auseinander (Europe.Table berichtete). Schon der Berichtsentwurf zu den CO2-Flottengrenzwerten für Pkw und Kleintransporter von Renew-Berichterstatter Jan Huitema hatte die Gemüter erregt (Europe.Table berichtete). Die eingereichten Änderungsanträge – insgesamt über 650 – zeigen erneut, dass es noch ein weiter Weg bis zu einem mehrheitsfähigen Parlamentsbericht ist.
Das wesentliche Problem am Huitema-Bericht ist, dass er bereits ein Kompromiss entlang der Konfliktlinien der anderen beiden großen Lager und ihrer Schattenberichterstatter ist – das der Grünen um den Niederländer Bas Eickhout und das der EVP um den CDU-Politiker Jens Gieseke. Eickhouts Änderungsanträge sehen vor allem eine Erhöhung des Ambitionsniveaus der CO2-Flottengrenzwerte vor. Bei einer durchschnittlichen Lebensdauer von etwa 15 Jahren müsse sichergestellt werden, dass alle neuen Fahrzeuge, die ab 2030 auf den Markt kommen, völlig emissionsfrei sind, fordert Eickhout. Die Kommission sowie Huitema hatten 2035 als Enddatum für den Verbrennermotor vorgegeben.
Gieseke sowie eine Gruppe Abgeordneter der Renew-Fraktion – darunter FDP-Mann Andreas Glück – haben beantragt, den entsprechenden Paragrafen aus dem Kommissionsvorschlag gänzlich zu streichen. Das festgelegte Verbrenner-Aus wäre damit vom Tisch. Nicht die Antriebstechnologie, sondern der Kraftstoff gebe Anlass zur Sorge, argumentiert die Renew-Gruppe. Sie plädiert dafür, sich keiner Technologie vorschnell zu verschließen, da man “nicht wisse, was die Zukunft bringt”. Der Vorschlag: Das Enddatum des Verbrenners erst bei der nächsten Überprüfung der CO2-Flottengrenzwerte festzulegen.
Auch Gieseke fordert “technologische Neutralität” als Leitprinzip der CO2-Flottengrenzwerte. “Nicht der Staat, sondern der freie Wettbewerb und damit letztendlich der Verbraucher sollen entscheiden, welche Technologie sich durchsetzen wird”, sagte er Europe.Table. Ihm gehe es nicht darum, mit Regeln einen bestimmten Antrieb zu bevorzugen oder zu benachteiligen. “Stattdessen sollten wir offen sein für Innovationen und unseren Unternehmen genug Raum für Forschung und Entwicklung geben.”
Giesekes Änderungsanträge beziehen sich deshalb auf die Berücksichtigung von CO2-armen und CO2-neutralen Kraftstoffen – also synthetischen Kraftstoffen wie E-Fuels (Europe.Table berichtete). Dies würde bedeuten, dass Autohersteller auch weiterhin auf Verbrennermotoren setzen könnten. Gieseke fordert, dass die CO2-Flottengrenzwerte mit einer europäischen Strategie für die Hochskalierung von E-Fuels flankiert werden, um Jobs in der Automobilindustrie in Europa zu halten. Tue man das nicht, riskiere man den “Verlust von Hunderttausenden von Arbeitsplätzen, ohne einen echten Nutzen für das Klima zu erzielen”.
Laut Gieseke sollten Autohersteller ihre CO2-Einsparungen durch die Nutzung von E-Fuels auf ihre Flottenziele anrechnen können. Zudem sollen Mitgliedstaaten die Menge an E-Fuels, die ein Autohersteller pro Jahr auf den Markt bringt, zertifizieren, sodass sich Hersteller diese anrechnen lassen können. Außerdem fordert er, dass Emissionen nicht einzig am Auspuff gemessen werden sollten. Stattdessen schlägt er eine ganzheitliche, auf den Lebenszyklus basierende Berechnung vor, die auch die verwendeten Materialien bei der Herstellung sowie den Energiemix des jeweiligen Landes mit einberechnet.
Eickhout hält dagegen. Das Enddatum des Verbrenners sei die “einzige Möglichkeit, um sicherzustellen, dass die gesamte Fahrzeugflotte der EU bis 2050 vollständig emissionsfrei werden kann”. Und er geht noch weiter, denn er fordert mehr und deutlich höhere jährliche Reduktionsziele für die Jahre 2025 bis 2030. Eickhout argumentiert, dass Innovationen durch höhere Reduktionsziele angekurbelt würden und die Reduktion daher an den Auspuffemissionen statt am verwendeten Kraftstoff gemessen werden sollte.
Zudem will er, dass Mitgliedstaaten Unternehmen mit einer bestimmten Flottengröße verpflichten können, bis spätestens 2027 auf eine vollständig emissionsfreie Flotte umzustellen. Damit will er auch den Gebrauchtwagenmarkt für E-Fahrzeuge ankurbeln. Eickhout will dazu den Gewichtsanpassungsfaktor streichen. Dieser verringert die CO2-Reduktionsziele für Autohersteller, wenn sie schwerere Fahrzeuge verkaufen. Der Grünen-Politiker sagt, dieser “perverse Anreiz” habe den Verkauf von schadstoffreicheren Fahrzeugen wie SUV angekurbelt.
Stattdessen fordert er, dass die CO2-Flottengrenzwerte die Verkleinerung und den Leichtbau von Fahrzeugen fördern sollten, unabhängig vom Kraftstoff- oder Motortyp. Fahrzeuge mit einem CO2-Ausstoß von über 120 g pro Kilometer sollen laut Eickhout ab 2025 in der EU verboten werden – das würde faktisch alle SUV mit Verbrenner betreffen.
Bis Mitte Mai verhandeln die Berichterstatter:innen nun, dann soll im ENVI-Ausschuss abgestimmt werden, bevor der Bericht im Juni dem Plenum vorgelegt werden soll.
Das European Publishers Council (EPC) hat eine Beschwerde gegen Googles Dominanz im Markt für Onlinewerbung eingelegt. Damit will die Verleger-Vereinigung ein bereits laufendes Verfahren der EU-Kommission stützen.
Der EPC unterstellt Google, seine hohen Marktanteile in den verschiedenen Bereichen des Online-Werbemarktes auszunutzen, um die eigenen Profite hochzutreiben, während die Werbeerlöse für Verlage sinken. Diese Vorwürfe sind auch Kern des Verfahrens, das die EU-Kommission bereits im Juni 2021 eröffnet hatte. Doch bereits im Dezember gab es Gerüchte, dass Google das Verfahren durch einen Vergleich beizulegen versuche (Europe.Table berichtete).
Dies wollen die Verleger offenbar verhindern. “Es ist höchste Zeit, dass die Europäische Kommission Maßnahmen ergreift, die Googles Verhalten nicht nur abstraft, sondern tatsächlich ändert“, sagt der EPC-Vorsitzende Christian Van Thillo.
Der Konzern habe sich unter anderem durch gezielte Aufkäufe eine Dominanz auf allen Ebenen des Werbemarktes verschafft. Google betreibe nicht nur den führenden Marktplatz für Werbe-Auktionen, sondern dominiere sowohl die Anbieter- als auch die Nachfrageseite, was zu Interessenkonflikten führe. Für Googles Werbemarktplatz AdX lägen die Preise daher 20 Prozent über dem, was bei einem funktionierenden Wettbewerb möglich sei. Ursächlich für diese Dominanz sei die Übernahme des Werbeanbieters Doubleclick, die die EU-Kommission im Jahr 2008 genehmigt hatte.
In der Beschwerde nimmt das European Publishers Council Bezug auf Enthüllungen, die im Rahmen der Klagen mehrerer US-Bundesstaaten gegen Google an die Öffentlichkeit kamen. So habe der Start des “Header Biddings”, das Googles Dominanz technisch umging, zu Werbepreisen geführt, die 80 Prozent über dem Durchschnitt der bei Google gehandelten Werbeplätze lag. Über intransparente Abwicklung der Auktionen und die Bevorzugung eigener Angebote habe es der Konzern geschafft, dennoch seine Dominanz zu steigern.
Google bestreitet die Vorwürfe mit den gleichen Argumenten wie auch in den US-Gerichtsverfahren: Es existiere im Werbemarkt gesunder Wettbewerb, und Google habe mit seinen Angeboten den Verlagen eine neue Einnahmequelle verschafft, die bis dahin nicht existiert habe. Zudem verweist der Konzern auf eine eigene Studie, wonach Publisher 95 Prozent der Werbeerlöse behalten, wenn sie den Google Ad Manager nutzten.
Eine Studie der britischen Marktaufsicht CMA hatte zuvor festgestellt, dass von den Preisen, die die Werbekunden zahlen, im Schnitt nur 65 Prozent bei den Website-Betreibern ankommen. Die Verleger könnten die Kommission mit Zahlenmaterial ausstatten, das eine Klärung dieser Diskrepanzen erlaubt.
Mit der Beschwerde wollen die Verleger auch verhindern, dass Google seine Pläne zur Abschaffung der Third Party Cookies umsetzen kann (Europe.Table berichtete). Hier haben sie jedoch schlechte Karten. Zum einen hat die CMA, auf die sich die Verleger in ihrer Beschwerde stützen, dem Konzern gerade grünes Licht für die Weiterentwicklung seiner Pläne zur Abschaffung der Third Party Cookies gegeben. Der Konzern hatte sich etwa dazu verpflichtet, die Pläne erst umzusetzen, wenn dem Wettbewerb genug Alternativen zum Nutzer-Tracking bereitstehen. Außerdem soll ein Trustee die Entwicklung genau verfolgen.
Zum anderen hat die belgische Datenschutzbehörde Anfang Februar eine zentrale Schaltstelle im datengetriebenen Werbemarkt für unzulässig erklärt (Europe.Table berichtete), sodass eine grundlegende Reform des Marktes kaum noch vermeidbar ist.
Um ihre Interessen im weiteren Verfahren zu vertreten, hat das EPC die Brüsseler Kanzlei Geradin Partners engagiert. Die Organisation ist ein Zusammenschluss der Geschäftsführer von 27 meist europäischen Medienkonzernen, darunter sind Axel Springer, Holtzbrinck und Ringier, aber auch die New York Times. Google hingegen steht derzeit unter verschärfter Beobachtung der EU-Kommission, was zu weiteren Wettbewerbsverfahren führen könnte (Europe.Table berichtete). Torsten Kleinz
Nach seinem Telefonat mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin hat sich US-Präsident Joe Biden am Sonntag auch mit dem Präsidenten der Ukraine Wolodymyr Selenskyj ausgetauscht. Das Telefongespräch habe etwa 50 Minuten gedauert, hieß es im Anschluss aus dem Weißen Haus. Biden habe erneut das Bekenntnis der USA zur Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine betont und klargemacht, dass die Vereinigten Staaten und ihre Partner schnell und entschlossen antworten würden im Fall jeder weiteren Aggression Russlands gegenüber der Ukraine.
Am Samstag hatte er bereits mit Putin telefoniert, den russischen Präsidenten eindringlich vor einer Invasion der Ukraine gewarnt und mit schwerwiegenden Konsequenzen gedroht. Das Weiße Haus teilte am Samstag nach dem Gespräch mit, Biden habe betont, eine Invasion würde “großes menschliches Leid verursachen und das Ansehen Russlands schmälern”. Die Folge wäre eine entschlossene Reaktion der USA und ihrer Verbündeten, was schwere Konsequenzen für Moskau hätte. Biden habe erneut klargemacht, die USA seien weiter bereit zu diplomatischen Gesprächen, aber “ebenso auf andere Szenarien vorbereitet”.
Die US-Regierung warnt mit zunehmender Dramatik vor einer drohenden russischen Invasion der Ukraine. Deren Präsident Selenskyj hatte sich zuletzt irritiert über die alarmierenden Töne aus Washington gezeigt und davor gewarnt, Panik zu schüren. Doch die US-Regierung hielt auch am Sonntag an ihrem Kurs dringlicher Warnungen fest. “Nur ein Land hat mehr als 100 000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. Das sind nicht die Vereinigten Staaten. Es ist Russland. Das ist der Auslöser für den Alarm”, sagte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Sonntag dem Fernsehsender CNN.
In den vergangenen etwa zehn Tagen habe sich der russische Truppenaufbau beschleunigt, und russische Kräfte seien näher an die Grenze zur Ukraine vorgerückt, von wo aus sie sehr schnell eine Militäraktion starten könnten, so Sullivan. Es sei sehr wahrscheinlich, “dass es sehr bald zu einer größeren militärischen Aktion kommen wird“. Sullivan warnte erneut, eine Invasion der Ukraine können jederzeit beginnen. Mehrere Staaten – darunter Deutschland – riefen ihre Bürger am Samstag zur Ausreise aus der Ukraine auf.
Bei seinem Besuch in Warschau am Freitag äußerte sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zur umstrittenen Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2. Der Ukraine-Konflikt werde in das Genehmigungsverfahren einfließen, sagte der Grünen-Politiker. Die Genehmigung werde streng nach europäischem Recht erfolgen.
“Und auf der anderen Seite wird die geopolitische Beurteilung immer auch einen Einfluss haben auf die Genehmigung von Nord Stream 2.” Sollte sich die geopolitische Lage zuspitzen, werde dies nicht ohne Konsequenzen für die Pipeline bleiben. “Wir reden hier von Krieg in Europa.” Dahinter müsse anderes zurückstehen, etwa wirtschaftliche Interessen. dpa/rtr
Polen zeigt sich im Streit mit der EU über die Unabhängigkeit seiner Justiz kompromissbereit. Abgeordnete der in Polen regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) stellten am Freitag einen Gesetzentwurf vor, nach dem Richter nicht mehr einer Disziplinarkammer unterworfen werden sollen.
Das Kontrollgremium soll nur noch für Staatsanwälte, Anwälte und andere Rechtsberufe zuständig sein. Die EU-Kommission wertet die Disziplinarkammer als Gefahr für die Unabhängigkeit der Richter. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im Oktober Polen zur Zahlung eines Zwangsgeldes in Höhe von einer Million Euro pro Tag verurteilt, weil die Regierung in Warschau die Auflösung der Disziplinarkammer verweigerte.
Die PiS-Abgeordneten schlagen nun vor, dass künftig Disziplinarverfahren gegen Richter von Richtern des Obersten Gerichtshofs verhandelt werden, die per Los ernannt werden. Der Gesetzentwurf sieht auch vor, dass Richter nicht für die von ihnen erlassenen Urteile bestraft werden dürfen, es sei denn, diese fußten auf schwerwiegendem Fehlverhalten. “Der Gesetzesentwurf setzt alle Empfehlungen des EuGH um”, heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs.
Der Vorstoß der PiS-Abgeordneten ist der zweite Anlauf, die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Zwangsgeldes zu schaffen. Vor einer Woche hatte Präsident Andrzej Duda einen ähnlichen Gesetzentwurf vorgestellt (Europe.Table berichtete).
Kritiker monierten, dass keiner der beiden Gesetzentwürfe das grundlegende Problem der polnischen Justizreform angehe, nämlich die Ernennung von regierungsnahen Kandidaten zu Richtern. Die Gesetzentwürfe seien nur Winkelzüge, um an die EU-Gelder zu kommen, sagte der Sprecher der Richtervereinigung Iustitia, Bartłomiej Przymusiński. rtr
Die Internationale Gemeinschaft will sich stärker für den Schutz der Weltmeere engagieren. Im französischen Brest berieten zahlreiche Staats- und Regierungschef am Freitag etwa über Schritte gegen Plastikmüll in den Meeren und Überfischung. Frankreich sprach im Anschluss von “wichtigen Verpflichtungen”, die im Rahmen des “One Ocean Summit” eingegangen wurden.
So wollen sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemeinsam mit weiteren Ländern dafür einsetzen, dass noch in diesem Jahr ein Abkommen zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der Biodiversität der Meere geschlossen wird. Die Mittelmeerländer wollen sich zudem für die Schaffung einer Zone mit niedrigen Schwefelemissionen stark machen.
Die Umweltorganisation WWF wertete den Gipfel in einer ersten Einschätzung als wichtiges politisches Zeichen. Die Bedeutung der Ozeane in der Klimakrise scheine angekommen zu sein. Dennoch sei es traurig, dass die Politik bei den Diskussionen um ein Moratorium für den Tiefseebergbau überhaupt nicht vorangekommen sei. Auch Klimaschutzaktivisten von Greenpeace forderten Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron bei Protesten in Brest auf, ein Moratorium zu unterstützen.
In den kommenden Monaten sind zahlreiche weitere internationale Zusammenkünfte geplant, die dem Meeresschutz gewidmet sind. Frankreich zufolge sollte der Gipfel in Brest dazu dienen, vorab eine gemeinsame Vision zu entwickeln. Der US-Klimabeauftragte John Kerry und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nahmen ebenfalls an der Veranstaltung teil. Insgesamt kamen Vertreter von etwa 100 Ländern in dem französischen Hafenort zusammen, ebenso wie Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. dpa/rtr
Der Weltklimarat (IPCC) beginnt an diesem Montag mit der Schlussberatung über seine nächste Bestandsaufnahme. Dabei geht es um die Folgen des Klimawandels für Natur, Mensch und Umwelt und Wege, wie sich die Menschen an die globale Erwärmung anpassen können. Wichtige Stellschrauben, um die Welt trotz Klimawandels lebenswert zu erhalten, seien veränderter Lebensmittelkonsum und mehr Sparsamkeit bei Wasser, sagte Mitautor Josef Settele, Biodiversitätsexperte beim Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung im Vorfeld.
Der Bericht des Weltklimarats (IPCC) wird am 28. Februar veröffentlicht. Das IPCC forscht nicht selbst, sondern sichtet über Jahre veröffentlichte Studien, in diesem Fall mehr als 34 000. Ko-Leiter der IPCC-Arbeitsgruppe ist Hans-Otto Pörtner, Meeresbiologe am Alfred-Wegener-Institut. dpa
Die Entstehung neuer digitaler Technologien erfordere neue rechtliche und sozialpolitische Regeln, sagt Lorena Jaume-Palasí. Die Gründerin der gemeinnützigen Initiative The Ethical Tech Society forscht zur Ethik der Digitalisierung und Automatisierung und befasst sich in diesem Kontext mit rechtsphilosophischen Fragen.
Sie wurde in zwei Legislaturperioden zum Mitglied von Expertenräten der spanischen Regierung im Bereich der Digitalisierung ernannt: 2017 als Mitglied des Weisenrats für Künstliche Intelligenz und Datenpolitik und 2020 als Mitglied des Nationalen Rats für Künstliche Intelligenz. Im Jahr 2020 wurde sie außerdem von der Fachgruppe für Wissenschaft und Technologie (STOA) des Europäischen Parlaments zum Mitglied des Internationalen Beirats (2020-2024) ernannt.
Jaume-Palasí wurde auf Mallorca geboren und lebt in Berlin. Sie studierte Romanistik und Geschichte an der Freien Universität und Romanistik und Politikwissenschaft an der Humboldt-Universität in Berlin. Ihr Interesse an der Digitalisierung begann, als sie feststellte, dass ethische oder rechtliche Kriterien nicht ohne Weiteres auf die digitale Welt anwendbar sind.
Die Bedeutung von räumlichen Gegebenheiten und von Privatsphäre veränderten sich, wenn wir im digitalen Raum interagieren, sagt sie. “Das Konzept der Privatsphäre ist etwas, das sich ständig weiterentwickelt. In Zeiten der Digitalisierung, der Schaffung eines neuen Raums – des digitalen Raums – muss man erst einmal verstehen, um was für einen Raum es sich handelt”, sagt Jaume-Palasí im Gespräch mit Europe.Table.
Die Wissenschaftlerin weist darauf hin, dass Demokratie, Recht und Technologie eine gemeinsame individualistische Perspektive haben: Das Individuum soll geschützt und mit den größten Entfaltungsmöglichkeiten ausgestattet werden. Aus dieser Gemeinsamkeit entstehe jedoch die Reibung zwischen Recht und Technik, so Jaume-Palasí: “KI kennt das Individuum nicht, sondern sie hilft, Einblicke in allgemeine Verhaltensmuster einer Bevölkerung zu gewinnen”. Alles, was die kollektive Dimension der Gesellschaft betrifft, sei im rechtlichen Sinne unterentwickelt.
“Wir brauchen mehr Instrumente für den Bereich des öffentlichen Interesses, für die soziale Dimension der Gesellschaft”, sagt die Forscherin. Dies sei nicht nur im Bereich der Digitalisierung notwendig, sondern auch in den Bereichen der Nachhaltigkeit – die Umwelt sei ein klassisches Beispiel-, der Sicherheit, der Stabilität und des sozialen Zusammenhalts.
Es sei wichtig zu verstehen, was digitale Technologie leisten könne und was nicht. “Jede neu eingeführte Technologie hat in der Vergangenheit eine Reihe von moralischen und rechtlichen Fragen aufgeworfen”, sagt Jaume-Palasí. Die Erfindung des Buchdrucks und die Übersetzung der Bibel waren Technologien, die die Kirche und die Monarchie “im repressiven Sinne” zu kontrollieren versuchten, da es sich um Technologien handelte, “die etablierte Macht infrage stellen konnten”.
KI sei das Kind der Aufklärung. Es sei wichtig, dass die Regulierungsbehörden die Auswirkungen der Technologie verstehen und die Technologie nicht unabhängig vom sozialen Kontext reglementieren. Isabel Cuesta Camacho
mit breiter Mehrheit hat die Bundesversammlung Frank-Walter Steinmeier gestern für weitere fünf Jahre als Bundespräsident bestätigt. Die erste Rede nach seiner Wiederwahl nutze er für klare Worte an Wladimir Putin, dem er die Verantwortung für die Eskalation im Ukraine-Konflikt zuwies. Zugleich appellierte er an den russischen Präsidenten: “Suchen Sie mit uns einen Weg, der Frieden in Europa bewahrt!”
Bundeskanzler Olaf Scholz macht sich heute auf den Weg nach Kiew, um den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj zu treffen. Es wird erwartet, dass Scholz der Ukraine weitere wirtschaftliche Unterstützung zusagt. Am Dienstagmorgen reist Scholz dann zu Gesprächen mit Putin nach Moskau. Seine Reisen werden begleitet von zunehmender Sorge vor einer russischen Invasion in die Ukraine. Deutsche Politiker:innen warnen davor zwar weniger laut als die US-Regierung, aber auch sie schätzen die Lage als sehr ernst ein. Dennoch ist man in deutschen Regierungskreisen bemüht, nicht den Eindruck zu erwecken, dass der Besuch von Scholz eine letzte Chance ist, einen Krieg abzuwenden.
Vor dem Hintergrund der drohenden Kriegsgefahr gewinnt der Entwurf des Abschlussberichts des INGE-Sonderausschusses an Brisanz. Ziel des Ausschusses ist es, Beweise für ausländische Einmischung in demokratische Prozesse und Institutionen zu suchen und Gegenstrategien zu entwickeln. Das Fazit: Die EU gehe zu sorglos mit ausländischer Einmischung um. So sei China zunehmend erfolgreich darin, Spitzenpolitiker für eigene Zwecke einzuspannen – nach dem Vorbild von Russland, das etwa auf die treue Unterstützung von Altkanzler Schröder zählen darf. Der Ausschuss fordert außerdem, den Code of Practice on Disinformation der EU nachzuschärfen – ein Punkt, der für Streit sorgen dürfte, wie Eric Bonse schreibt.
Die Verschärfung der CO2-Flottengrenzwerte für Pkw und Kleintransporter gehört zu den umstrittensten Dossiers des Fit-for-55-Pakets. Die Grenzwerte legen Emissionsreduktionsziele für die gesamte Neuwagenflotte eines Autoherstellers fest. Doch die Berichterstatter des EU-Parlaments ringen nicht nur um die Höhe der Grenzwerte und das Datum, wann die Flotten emissionsfrei sein sollen. Es geht auch um die Berücksichtigung von E-Fuels innerhalb der Grenzwerte sowie Verbote von besonders schmutzigen Pkw. Ein grüner Parlamentarier fordert gar das Ende von Verbrenner-SUV ab 2025. Lukas Scheid dröselt auf, wer welche Reduktionsziele fordert und nimmt einige Vorschläge genauer in den Blick.
Das Europaparlament fordert mehr Einsatz im Kampf gegen Desinformation, ausländische Einmischung und “Eliten-Fang” (elite capture). Die EU müsse ein eigenes Sanktionsregime gegen Desinformation einführen und dafür sorgen, dass Russland künftig keine Spitzenpolitiker wie Gerhard Schröder oder François Fillon anwerben und für seine Zwecke einspannen kann, sagte der Vorsitzende des INGE-Ausschusses, Raphaël Glucksmann (S&D, Frankreich).
Der INGE-Sonderausschuss war im Juni 2020 eingesetzt worden, um Beweise für ausländische Einmischung in demokratische Prozesse und Institutionen zu suchen und Gegenstrategien zu entwickeln. Er war 18 Monate tätig und hat eigene Recherchen unternommen, etwa bei einer viel beachteten Reise nach Taiwan. In der vergangenen Woche hat die Berichterstatterin, Sandra Kalniete (EVP, Lettland) den Entwurf für den Schlussbericht vorgelegt.
Vor dem Hintergrund der wachsenden Kriegsgefahr in der Ukraine gewinnt dieser Bericht nun eine besondere Brisanz. Die EU wirft Russland vor, die Ukraine mit gezielten Falschmeldungen zu destabilisieren und eine Invasion vorzubereiten. Zuletzt hatte auch der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) Alarm geschlagen. “Kremlfreundliche Medien heizen Spannungen um die Ukraine an”, heißt es im Newsletter der EAD-Taskforce gegen Desinformation zu den Geschehen in Russland.
Der INGE-Ausschuss hat seinen Bericht vor der jüngsten Eskalation fertiggestellt. Anders als die Taskforce konzentriert er sich nicht auf russische Propaganda, sondern geht auch auf versuchte Einflussnahmen aus den USA, China, der Türkei oder Aserbaidschan ein. Die EU gehe noch viel zu sorglos mit der ausländischen Einmischung um, heißt es im Schlussbericht. China eifere zunehmend Russland nach und sei beim “Eliten-Fang” besonders erfolgreich, warnt Glucksmann.
Dies zeige sich an zahlreichen Jobs, die europäische Spitzenpolitiker nach ihrem Ausscheiden angenommen haben. Neben Schröder und Fillon, die für die russischen Energiekonzerne Gazprom beziehungsweise Zaroubejneft arbeiten, erwähnt der Bericht auch den ehemaligen französischen Premier Jean-Pierre Raffarin, der aktiv für chinesische Interessen eintrete. Sogar ein früherer EU-Kommissar, Štefan Füle, habe sich für Peking einspannen lassen.
“Was Fillon, Schröder und viele andere westliche Politiker quer durch alle Länder und Parteien machen, ist schlimm”, so Glucksmann. Die EU müsse das Problem klar benennen und einen Riegel vorschieben, etwa durch gesetzlich vorgeschriebene “Abkühlphasen” oder ein Ethikkomitee (Europe.Table berichtete). Über ein solches Ethikkomitee laufen bereits Verhandlungen zwischen dem Europaparlament und der EU-Kommission – bisher allerdings ohne greifbaren Erfolg.
Wenig Chancen werden der Forderung des INGE-Ausschusses nach einem eigenen Sanktionsregime für Desinformation und Manipulation gegeben. Dafür fehle eine Rechtsgrundlage, heißt es im Umfeld von EU-Außenvertreter Josep Borrell. Außerdem dürfe man nicht zu tief in die Medien- und Meinungsfreiheit eingreifen. Sie wolle kein “Wahrheitsministerium”, betont die zuständige EU-Kommissarin Věra Jourová.
Für Streit dürfte die Forderung der EU-Abgeordneten sorgen, den Code of Practice on Disinformation der EU nachzuschärfen. Der Verhaltenskodex sei nicht transparent und viel zu unverbindlich, heißt es in dem Berichtsentwurf. Er beruhe lediglich auf Absprachen zwischen der EU-Kommission und großen Plattformen wie Facebook. Der INGE-Ausschuss und andere wichtige Stakeholder seien hingegen nicht konsultiert worden.
Das Parlament sei deshalb “tief besorgt”, schreiben Kalniete und Glucksmann. Eine informelle Selbst-Regulierung reiche nicht aus. Vielmehr brauche es “effective overview, assessment and sanctions mechanism”. Dies gelte nicht nur für den Code of Practice on Disinformation, sondern auch für den Digital Services Act, den Digital Markets Act und andere Maßnahmen im Zusammenhang mit dem European Democracy Action Plan.
Der INGE-Bericht soll im März im Plenum des Europaparlaments verabschiedet werden. Für den Entwurf stimmten 25 Ausschussmitglieder, acht waren dagegen. Clare Daly (GUE/NGL, Irland) gab ein Sondervotum ab. Der Bericht blase die Gefahr aus Russland und China über Gebühr auf, kritisiert sie. Er könne genutzt werden, um die Meinungsfreiheit in der EU einzuschränken.
Dass eine Einigung nicht einfach wird, war zu erwarten. Zu weit liegen die Positionen der verschiedenen Lager auseinander (Europe.Table berichtete). Schon der Berichtsentwurf zu den CO2-Flottengrenzwerten für Pkw und Kleintransporter von Renew-Berichterstatter Jan Huitema hatte die Gemüter erregt (Europe.Table berichtete). Die eingereichten Änderungsanträge – insgesamt über 650 – zeigen erneut, dass es noch ein weiter Weg bis zu einem mehrheitsfähigen Parlamentsbericht ist.
Das wesentliche Problem am Huitema-Bericht ist, dass er bereits ein Kompromiss entlang der Konfliktlinien der anderen beiden großen Lager und ihrer Schattenberichterstatter ist – das der Grünen um den Niederländer Bas Eickhout und das der EVP um den CDU-Politiker Jens Gieseke. Eickhouts Änderungsanträge sehen vor allem eine Erhöhung des Ambitionsniveaus der CO2-Flottengrenzwerte vor. Bei einer durchschnittlichen Lebensdauer von etwa 15 Jahren müsse sichergestellt werden, dass alle neuen Fahrzeuge, die ab 2030 auf den Markt kommen, völlig emissionsfrei sind, fordert Eickhout. Die Kommission sowie Huitema hatten 2035 als Enddatum für den Verbrennermotor vorgegeben.
Gieseke sowie eine Gruppe Abgeordneter der Renew-Fraktion – darunter FDP-Mann Andreas Glück – haben beantragt, den entsprechenden Paragrafen aus dem Kommissionsvorschlag gänzlich zu streichen. Das festgelegte Verbrenner-Aus wäre damit vom Tisch. Nicht die Antriebstechnologie, sondern der Kraftstoff gebe Anlass zur Sorge, argumentiert die Renew-Gruppe. Sie plädiert dafür, sich keiner Technologie vorschnell zu verschließen, da man “nicht wisse, was die Zukunft bringt”. Der Vorschlag: Das Enddatum des Verbrenners erst bei der nächsten Überprüfung der CO2-Flottengrenzwerte festzulegen.
Auch Gieseke fordert “technologische Neutralität” als Leitprinzip der CO2-Flottengrenzwerte. “Nicht der Staat, sondern der freie Wettbewerb und damit letztendlich der Verbraucher sollen entscheiden, welche Technologie sich durchsetzen wird”, sagte er Europe.Table. Ihm gehe es nicht darum, mit Regeln einen bestimmten Antrieb zu bevorzugen oder zu benachteiligen. “Stattdessen sollten wir offen sein für Innovationen und unseren Unternehmen genug Raum für Forschung und Entwicklung geben.”
Giesekes Änderungsanträge beziehen sich deshalb auf die Berücksichtigung von CO2-armen und CO2-neutralen Kraftstoffen – also synthetischen Kraftstoffen wie E-Fuels (Europe.Table berichtete). Dies würde bedeuten, dass Autohersteller auch weiterhin auf Verbrennermotoren setzen könnten. Gieseke fordert, dass die CO2-Flottengrenzwerte mit einer europäischen Strategie für die Hochskalierung von E-Fuels flankiert werden, um Jobs in der Automobilindustrie in Europa zu halten. Tue man das nicht, riskiere man den “Verlust von Hunderttausenden von Arbeitsplätzen, ohne einen echten Nutzen für das Klima zu erzielen”.
Laut Gieseke sollten Autohersteller ihre CO2-Einsparungen durch die Nutzung von E-Fuels auf ihre Flottenziele anrechnen können. Zudem sollen Mitgliedstaaten die Menge an E-Fuels, die ein Autohersteller pro Jahr auf den Markt bringt, zertifizieren, sodass sich Hersteller diese anrechnen lassen können. Außerdem fordert er, dass Emissionen nicht einzig am Auspuff gemessen werden sollten. Stattdessen schlägt er eine ganzheitliche, auf den Lebenszyklus basierende Berechnung vor, die auch die verwendeten Materialien bei der Herstellung sowie den Energiemix des jeweiligen Landes mit einberechnet.
Eickhout hält dagegen. Das Enddatum des Verbrenners sei die “einzige Möglichkeit, um sicherzustellen, dass die gesamte Fahrzeugflotte der EU bis 2050 vollständig emissionsfrei werden kann”. Und er geht noch weiter, denn er fordert mehr und deutlich höhere jährliche Reduktionsziele für die Jahre 2025 bis 2030. Eickhout argumentiert, dass Innovationen durch höhere Reduktionsziele angekurbelt würden und die Reduktion daher an den Auspuffemissionen statt am verwendeten Kraftstoff gemessen werden sollte.
Zudem will er, dass Mitgliedstaaten Unternehmen mit einer bestimmten Flottengröße verpflichten können, bis spätestens 2027 auf eine vollständig emissionsfreie Flotte umzustellen. Damit will er auch den Gebrauchtwagenmarkt für E-Fahrzeuge ankurbeln. Eickhout will dazu den Gewichtsanpassungsfaktor streichen. Dieser verringert die CO2-Reduktionsziele für Autohersteller, wenn sie schwerere Fahrzeuge verkaufen. Der Grünen-Politiker sagt, dieser “perverse Anreiz” habe den Verkauf von schadstoffreicheren Fahrzeugen wie SUV angekurbelt.
Stattdessen fordert er, dass die CO2-Flottengrenzwerte die Verkleinerung und den Leichtbau von Fahrzeugen fördern sollten, unabhängig vom Kraftstoff- oder Motortyp. Fahrzeuge mit einem CO2-Ausstoß von über 120 g pro Kilometer sollen laut Eickhout ab 2025 in der EU verboten werden – das würde faktisch alle SUV mit Verbrenner betreffen.
Bis Mitte Mai verhandeln die Berichterstatter:innen nun, dann soll im ENVI-Ausschuss abgestimmt werden, bevor der Bericht im Juni dem Plenum vorgelegt werden soll.
Das European Publishers Council (EPC) hat eine Beschwerde gegen Googles Dominanz im Markt für Onlinewerbung eingelegt. Damit will die Verleger-Vereinigung ein bereits laufendes Verfahren der EU-Kommission stützen.
Der EPC unterstellt Google, seine hohen Marktanteile in den verschiedenen Bereichen des Online-Werbemarktes auszunutzen, um die eigenen Profite hochzutreiben, während die Werbeerlöse für Verlage sinken. Diese Vorwürfe sind auch Kern des Verfahrens, das die EU-Kommission bereits im Juni 2021 eröffnet hatte. Doch bereits im Dezember gab es Gerüchte, dass Google das Verfahren durch einen Vergleich beizulegen versuche (Europe.Table berichtete).
Dies wollen die Verleger offenbar verhindern. “Es ist höchste Zeit, dass die Europäische Kommission Maßnahmen ergreift, die Googles Verhalten nicht nur abstraft, sondern tatsächlich ändert“, sagt der EPC-Vorsitzende Christian Van Thillo.
Der Konzern habe sich unter anderem durch gezielte Aufkäufe eine Dominanz auf allen Ebenen des Werbemarktes verschafft. Google betreibe nicht nur den führenden Marktplatz für Werbe-Auktionen, sondern dominiere sowohl die Anbieter- als auch die Nachfrageseite, was zu Interessenkonflikten führe. Für Googles Werbemarktplatz AdX lägen die Preise daher 20 Prozent über dem, was bei einem funktionierenden Wettbewerb möglich sei. Ursächlich für diese Dominanz sei die Übernahme des Werbeanbieters Doubleclick, die die EU-Kommission im Jahr 2008 genehmigt hatte.
In der Beschwerde nimmt das European Publishers Council Bezug auf Enthüllungen, die im Rahmen der Klagen mehrerer US-Bundesstaaten gegen Google an die Öffentlichkeit kamen. So habe der Start des “Header Biddings”, das Googles Dominanz technisch umging, zu Werbepreisen geführt, die 80 Prozent über dem Durchschnitt der bei Google gehandelten Werbeplätze lag. Über intransparente Abwicklung der Auktionen und die Bevorzugung eigener Angebote habe es der Konzern geschafft, dennoch seine Dominanz zu steigern.
Google bestreitet die Vorwürfe mit den gleichen Argumenten wie auch in den US-Gerichtsverfahren: Es existiere im Werbemarkt gesunder Wettbewerb, und Google habe mit seinen Angeboten den Verlagen eine neue Einnahmequelle verschafft, die bis dahin nicht existiert habe. Zudem verweist der Konzern auf eine eigene Studie, wonach Publisher 95 Prozent der Werbeerlöse behalten, wenn sie den Google Ad Manager nutzten.
Eine Studie der britischen Marktaufsicht CMA hatte zuvor festgestellt, dass von den Preisen, die die Werbekunden zahlen, im Schnitt nur 65 Prozent bei den Website-Betreibern ankommen. Die Verleger könnten die Kommission mit Zahlenmaterial ausstatten, das eine Klärung dieser Diskrepanzen erlaubt.
Mit der Beschwerde wollen die Verleger auch verhindern, dass Google seine Pläne zur Abschaffung der Third Party Cookies umsetzen kann (Europe.Table berichtete). Hier haben sie jedoch schlechte Karten. Zum einen hat die CMA, auf die sich die Verleger in ihrer Beschwerde stützen, dem Konzern gerade grünes Licht für die Weiterentwicklung seiner Pläne zur Abschaffung der Third Party Cookies gegeben. Der Konzern hatte sich etwa dazu verpflichtet, die Pläne erst umzusetzen, wenn dem Wettbewerb genug Alternativen zum Nutzer-Tracking bereitstehen. Außerdem soll ein Trustee die Entwicklung genau verfolgen.
Zum anderen hat die belgische Datenschutzbehörde Anfang Februar eine zentrale Schaltstelle im datengetriebenen Werbemarkt für unzulässig erklärt (Europe.Table berichtete), sodass eine grundlegende Reform des Marktes kaum noch vermeidbar ist.
Um ihre Interessen im weiteren Verfahren zu vertreten, hat das EPC die Brüsseler Kanzlei Geradin Partners engagiert. Die Organisation ist ein Zusammenschluss der Geschäftsführer von 27 meist europäischen Medienkonzernen, darunter sind Axel Springer, Holtzbrinck und Ringier, aber auch die New York Times. Google hingegen steht derzeit unter verschärfter Beobachtung der EU-Kommission, was zu weiteren Wettbewerbsverfahren führen könnte (Europe.Table berichtete). Torsten Kleinz
Nach seinem Telefonat mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin hat sich US-Präsident Joe Biden am Sonntag auch mit dem Präsidenten der Ukraine Wolodymyr Selenskyj ausgetauscht. Das Telefongespräch habe etwa 50 Minuten gedauert, hieß es im Anschluss aus dem Weißen Haus. Biden habe erneut das Bekenntnis der USA zur Souveränität und territorialen Integrität der Ukraine betont und klargemacht, dass die Vereinigten Staaten und ihre Partner schnell und entschlossen antworten würden im Fall jeder weiteren Aggression Russlands gegenüber der Ukraine.
Am Samstag hatte er bereits mit Putin telefoniert, den russischen Präsidenten eindringlich vor einer Invasion der Ukraine gewarnt und mit schwerwiegenden Konsequenzen gedroht. Das Weiße Haus teilte am Samstag nach dem Gespräch mit, Biden habe betont, eine Invasion würde “großes menschliches Leid verursachen und das Ansehen Russlands schmälern”. Die Folge wäre eine entschlossene Reaktion der USA und ihrer Verbündeten, was schwere Konsequenzen für Moskau hätte. Biden habe erneut klargemacht, die USA seien weiter bereit zu diplomatischen Gesprächen, aber “ebenso auf andere Szenarien vorbereitet”.
Die US-Regierung warnt mit zunehmender Dramatik vor einer drohenden russischen Invasion der Ukraine. Deren Präsident Selenskyj hatte sich zuletzt irritiert über die alarmierenden Töne aus Washington gezeigt und davor gewarnt, Panik zu schüren. Doch die US-Regierung hielt auch am Sonntag an ihrem Kurs dringlicher Warnungen fest. “Nur ein Land hat mehr als 100 000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen. Das sind nicht die Vereinigten Staaten. Es ist Russland. Das ist der Auslöser für den Alarm”, sagte der Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Joe Biden, Jake Sullivan, am Sonntag dem Fernsehsender CNN.
In den vergangenen etwa zehn Tagen habe sich der russische Truppenaufbau beschleunigt, und russische Kräfte seien näher an die Grenze zur Ukraine vorgerückt, von wo aus sie sehr schnell eine Militäraktion starten könnten, so Sullivan. Es sei sehr wahrscheinlich, “dass es sehr bald zu einer größeren militärischen Aktion kommen wird“. Sullivan warnte erneut, eine Invasion der Ukraine können jederzeit beginnen. Mehrere Staaten – darunter Deutschland – riefen ihre Bürger am Samstag zur Ausreise aus der Ukraine auf.
Bei seinem Besuch in Warschau am Freitag äußerte sich Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck zur umstrittenen Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2. Der Ukraine-Konflikt werde in das Genehmigungsverfahren einfließen, sagte der Grünen-Politiker. Die Genehmigung werde streng nach europäischem Recht erfolgen.
“Und auf der anderen Seite wird die geopolitische Beurteilung immer auch einen Einfluss haben auf die Genehmigung von Nord Stream 2.” Sollte sich die geopolitische Lage zuspitzen, werde dies nicht ohne Konsequenzen für die Pipeline bleiben. “Wir reden hier von Krieg in Europa.” Dahinter müsse anderes zurückstehen, etwa wirtschaftliche Interessen. dpa/rtr
Polen zeigt sich im Streit mit der EU über die Unabhängigkeit seiner Justiz kompromissbereit. Abgeordnete der in Polen regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) stellten am Freitag einen Gesetzentwurf vor, nach dem Richter nicht mehr einer Disziplinarkammer unterworfen werden sollen.
Das Kontrollgremium soll nur noch für Staatsanwälte, Anwälte und andere Rechtsberufe zuständig sein. Die EU-Kommission wertet die Disziplinarkammer als Gefahr für die Unabhängigkeit der Richter. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im Oktober Polen zur Zahlung eines Zwangsgeldes in Höhe von einer Million Euro pro Tag verurteilt, weil die Regierung in Warschau die Auflösung der Disziplinarkammer verweigerte.
Die PiS-Abgeordneten schlagen nun vor, dass künftig Disziplinarverfahren gegen Richter von Richtern des Obersten Gerichtshofs verhandelt werden, die per Los ernannt werden. Der Gesetzentwurf sieht auch vor, dass Richter nicht für die von ihnen erlassenen Urteile bestraft werden dürfen, es sei denn, diese fußten auf schwerwiegendem Fehlverhalten. “Der Gesetzesentwurf setzt alle Empfehlungen des EuGH um”, heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs.
Der Vorstoß der PiS-Abgeordneten ist der zweite Anlauf, die Voraussetzungen für eine Aufhebung des Zwangsgeldes zu schaffen. Vor einer Woche hatte Präsident Andrzej Duda einen ähnlichen Gesetzentwurf vorgestellt (Europe.Table berichtete).
Kritiker monierten, dass keiner der beiden Gesetzentwürfe das grundlegende Problem der polnischen Justizreform angehe, nämlich die Ernennung von regierungsnahen Kandidaten zu Richtern. Die Gesetzentwürfe seien nur Winkelzüge, um an die EU-Gelder zu kommen, sagte der Sprecher der Richtervereinigung Iustitia, Bartłomiej Przymusiński. rtr
Die Internationale Gemeinschaft will sich stärker für den Schutz der Weltmeere engagieren. Im französischen Brest berieten zahlreiche Staats- und Regierungschef am Freitag etwa über Schritte gegen Plastikmüll in den Meeren und Überfischung. Frankreich sprach im Anschluss von “wichtigen Verpflichtungen”, die im Rahmen des “One Ocean Summit” eingegangen wurden.
So wollen sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemeinsam mit weiteren Ländern dafür einsetzen, dass noch in diesem Jahr ein Abkommen zur nachhaltigen Nutzung und zum Schutz der Biodiversität der Meere geschlossen wird. Die Mittelmeerländer wollen sich zudem für die Schaffung einer Zone mit niedrigen Schwefelemissionen stark machen.
Die Umweltorganisation WWF wertete den Gipfel in einer ersten Einschätzung als wichtiges politisches Zeichen. Die Bedeutung der Ozeane in der Klimakrise scheine angekommen zu sein. Dennoch sei es traurig, dass die Politik bei den Diskussionen um ein Moratorium für den Tiefseebergbau überhaupt nicht vorangekommen sei. Auch Klimaschutzaktivisten von Greenpeace forderten Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron bei Protesten in Brest auf, ein Moratorium zu unterstützen.
In den kommenden Monaten sind zahlreiche weitere internationale Zusammenkünfte geplant, die dem Meeresschutz gewidmet sind. Frankreich zufolge sollte der Gipfel in Brest dazu dienen, vorab eine gemeinsame Vision zu entwickeln. Der US-Klimabeauftragte John Kerry und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen nahmen ebenfalls an der Veranstaltung teil. Insgesamt kamen Vertreter von etwa 100 Ländern in dem französischen Hafenort zusammen, ebenso wie Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. dpa/rtr
Der Weltklimarat (IPCC) beginnt an diesem Montag mit der Schlussberatung über seine nächste Bestandsaufnahme. Dabei geht es um die Folgen des Klimawandels für Natur, Mensch und Umwelt und Wege, wie sich die Menschen an die globale Erwärmung anpassen können. Wichtige Stellschrauben, um die Welt trotz Klimawandels lebenswert zu erhalten, seien veränderter Lebensmittelkonsum und mehr Sparsamkeit bei Wasser, sagte Mitautor Josef Settele, Biodiversitätsexperte beim Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung im Vorfeld.
Der Bericht des Weltklimarats (IPCC) wird am 28. Februar veröffentlicht. Das IPCC forscht nicht selbst, sondern sichtet über Jahre veröffentlichte Studien, in diesem Fall mehr als 34 000. Ko-Leiter der IPCC-Arbeitsgruppe ist Hans-Otto Pörtner, Meeresbiologe am Alfred-Wegener-Institut. dpa
Die Entstehung neuer digitaler Technologien erfordere neue rechtliche und sozialpolitische Regeln, sagt Lorena Jaume-Palasí. Die Gründerin der gemeinnützigen Initiative The Ethical Tech Society forscht zur Ethik der Digitalisierung und Automatisierung und befasst sich in diesem Kontext mit rechtsphilosophischen Fragen.
Sie wurde in zwei Legislaturperioden zum Mitglied von Expertenräten der spanischen Regierung im Bereich der Digitalisierung ernannt: 2017 als Mitglied des Weisenrats für Künstliche Intelligenz und Datenpolitik und 2020 als Mitglied des Nationalen Rats für Künstliche Intelligenz. Im Jahr 2020 wurde sie außerdem von der Fachgruppe für Wissenschaft und Technologie (STOA) des Europäischen Parlaments zum Mitglied des Internationalen Beirats (2020-2024) ernannt.
Jaume-Palasí wurde auf Mallorca geboren und lebt in Berlin. Sie studierte Romanistik und Geschichte an der Freien Universität und Romanistik und Politikwissenschaft an der Humboldt-Universität in Berlin. Ihr Interesse an der Digitalisierung begann, als sie feststellte, dass ethische oder rechtliche Kriterien nicht ohne Weiteres auf die digitale Welt anwendbar sind.
Die Bedeutung von räumlichen Gegebenheiten und von Privatsphäre veränderten sich, wenn wir im digitalen Raum interagieren, sagt sie. “Das Konzept der Privatsphäre ist etwas, das sich ständig weiterentwickelt. In Zeiten der Digitalisierung, der Schaffung eines neuen Raums – des digitalen Raums – muss man erst einmal verstehen, um was für einen Raum es sich handelt”, sagt Jaume-Palasí im Gespräch mit Europe.Table.
Die Wissenschaftlerin weist darauf hin, dass Demokratie, Recht und Technologie eine gemeinsame individualistische Perspektive haben: Das Individuum soll geschützt und mit den größten Entfaltungsmöglichkeiten ausgestattet werden. Aus dieser Gemeinsamkeit entstehe jedoch die Reibung zwischen Recht und Technik, so Jaume-Palasí: “KI kennt das Individuum nicht, sondern sie hilft, Einblicke in allgemeine Verhaltensmuster einer Bevölkerung zu gewinnen”. Alles, was die kollektive Dimension der Gesellschaft betrifft, sei im rechtlichen Sinne unterentwickelt.
“Wir brauchen mehr Instrumente für den Bereich des öffentlichen Interesses, für die soziale Dimension der Gesellschaft”, sagt die Forscherin. Dies sei nicht nur im Bereich der Digitalisierung notwendig, sondern auch in den Bereichen der Nachhaltigkeit – die Umwelt sei ein klassisches Beispiel-, der Sicherheit, der Stabilität und des sozialen Zusammenhalts.
Es sei wichtig zu verstehen, was digitale Technologie leisten könne und was nicht. “Jede neu eingeführte Technologie hat in der Vergangenheit eine Reihe von moralischen und rechtlichen Fragen aufgeworfen”, sagt Jaume-Palasí. Die Erfindung des Buchdrucks und die Übersetzung der Bibel waren Technologien, die die Kirche und die Monarchie “im repressiven Sinne” zu kontrollieren versuchten, da es sich um Technologien handelte, “die etablierte Macht infrage stellen konnten”.
KI sei das Kind der Aufklärung. Es sei wichtig, dass die Regulierungsbehörden die Auswirkungen der Technologie verstehen und die Technologie nicht unabhängig vom sozialen Kontext reglementieren. Isabel Cuesta Camacho