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Erscheinungsdatum: 10. Juni 2024

Wie Politikerinnen und Politiker auf die Ergebnisse reagieren

Die Reaktionen von Politikerinnen und Politikern auf die Ergebnisse der Europawahlen und die starken Zugewinne der AfD sind geprägt von Selbstkritik, Zweifeln an der Ampel und nicht zuletzt am Kanzler selbst. Die Übersicht.

Nach den ersten Ergebnissen der Europawahlen wird Kritik an der Ampel-Koalition und an Kanzler Olaf Scholz selbst laut. So betonte CSU-Chef Markus Söder in der Sendung „Europawahl 2024“ im ZDF: „Fakt ist: Die Ampel ist abgewählt. Und ähnlich wie Macron Neuwahlen ausruft, müsste das jetzt Olaf Scholz machen.“ Auch CDU-Chef Friedrich Merz und CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann forderten Scholz auf, die Vertrauensfrage zu stellen.

Dem entgegen stellt sich die Bundesregierung. Deren Sprecher Steffen Hebestreit betonte am Montag: „Der Wahltermin ist im Herbst nächsten Jahres regulär, und das planen wir auch so umzusetzen.“ Es habe sich „zu keinem Zeitpunkt, keine Sekunde die Idee Bahn gebrochen, dass man in Deutschland Neuwahlen jetzt anfangen könne.“

Auch FDP-Chef Christian Lindner zog die Führungsfähigkeit des Kanzlers und die Ampel als Regierungsmodell nicht in Zweifel. „Wir haben ein gemeinsames Regierungsprogramm, einen Koalitionsvertrag, an dem wir gemeinsam arbeiten. Und solange sich alle zu der Arbeitsgrundlage bekennen, gibt es ja keinen Grund, Vertrauen infrage zu stellen", sagte er.

Der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki forderte ein Entgegenkommen der Koalitionspartner SPD und Grüne. „Selbstverständlich müssen sich unsere Koalitionspartner bei ihren dramatisch schlechten Ergebnissen auf die Freien Demokraten zubewegen", sagte er der „Stuttgarter Zeitung" und den „Stuttgarter Nachrichten".

Kritik an der Ampel kam auch von Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU), wie zunächst die Welt berichtete. „Den Menschen geht es darum, dass Arbeitsplätze gesichert und die Probleme mit der Inflation und der Migration gelöst werden und es nicht zuerst um Cannabis und Geschlechtsumwandlungen geht.“ Und weiter: „Dass die AfD zweitstärkste Partei in Deutschland zu werden scheint, ist ein Alarmsignal. Das ist ein ganz schlimmer Tag für Deutschland.“

Manfred Pentz (CDU), Hessens Europaminister, mutmaßte im Interview mit Hit Radio FFH, dass die meisten der Menschen, die rechts gewählt haben, „sich wünschen, dass Europa eine klarere und bessere Migrationspolitik macht.“

Die SPD stellt sich derweil hinter ihren Kanzler. Für ihren Generalsekretär Kevin Kühnert ist der Ausgang der Europawahl „ein ganz bitteres Wahlergebnis“. In der ARD sprach er am Sonntagabend von einer „harten Niederlage“. Gleichzeitig betonte er, dass es über die Person von Bundeskanzler Olaf Scholz keine Diskussion zu geben führen. „Wir gewinnen zusammen, und wir verlieren zusammen.“ Sündenböcke würden in der SPD nicht gesucht. Auch SPD-Chefin Saskia Esken stellte klar : „Der Bundeskanzler steht an der Spitze dieser Regierung, die wir gemeinsam gebildet haben und das wird er auch weiterhin tun. Er hat unser volles Vertrauen.“

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil sagte bei der sogenannten Elefantenrunde bei ntv: „Ich glaube auch, dass das Ergebnis der Europawahl viele Menschen noch einmal wachrüttelt, dass die Nazis bei dieser Wahl stärker geworden sind, ich glaube, da wachen viele auf, kämpfen auch für die Demokratie.“

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach mahnte auf X an: „Wir müssen mehr für Menschen mit geringem Lebensstandard tun. Auch wenn das für große Teile der Kritiker der Regierung kein wichtiges Ziel ist."

Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Europa-Spitzenkandidatin der FDP, hält eine genaue Analyse des veränderten Wahlverhaltens vieler junger Menschen in Europa für nötig. Es sei ein „grundsätzliches Phänomen", dass jüngere Menschen in einem offenen Europa mit einem offenen Arbeitsmarkt und vielen Möglichkeiten „eine starke Affinität sehr konservativ bis rechts haben", sagte sie am Montag in Berlin. „Das müssen wir generell mal zur Kenntnis nehmen."

Sie fügte hinzu, man könne die Jugend nicht rechts oder links einordnen. Junge Leute, die heute aufwachsen, seien mit vielen Unsicherheiten wie dem Krieg in der Ukraine, Fragen der Sicherheit und auch der Arbeitsplatzsicherheit konfrontiert.

Selbstkritik üben derweil die Grünen. Deren Vorsitzende Ricarda Lang kommentierte in der ARD die Stimmenverluste ihrer Partei: „Das ist nicht der Anspruch, mit dem wir in diese Wahl gegangen sind.“ Die Situation sei heute ganz anders als bei der zurückliegenden Europawahl 2019. Die Frage von Krieg und Frieden sei für die Wählerinnen enorm wichtig gewesen.

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Bundesagrarminister Cem Özdemir wendete im ZDF-Morgenmagazin ein, bei Fragen von Sicherheit und Migration würden die Grünen nicht als jene wahrgenommen, die gute Antworten hätten. „Das Schlüsselwort ist Vertrauen. Die Grünen haben an Vertrauen eingebüßt“, räumte er ein. Der Anspruch Grünen sei, in die Mitte der Gesellschaft „auszugreifen“. Das ginge nur, wenn sie die Sorgen der „normalen Menschen“ in den Mittelpunkt rücke.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Die Grünen) sieht den Ausgang der Europawahl in Deutschland als ein Zeichen an die Ampel-Koalition, Fragen von Gerechtigkeit bei ihrer Politik stärker in den Blick zu nehmen. Am Montag sagte sie im Deutschlandfunk, es sei der Koalition offenbar nicht gelungen, deutlich zu machen, dass Maßnahmen in Zeit großer Umbrüche damit verbunden werden müssten, dass es gerecht zugehe.

Grünen-Europapolitiker Anton Hofreiter zog bei der kommenden Bundestagswahl einen eigenen Kanzlerkandidaten in Zweifel. „Klar ist, dass wir eine Kanzlerkandidatin oder einen Kanzlerkandidaten nur aufstellen, wenn eine realistische Chance auf einen Wahlsieg besteht“, sagte er der Funke Mediengruppe. „Nach dem heutigen Ergebnis muss man sich genau überlegen, ob das der Fall ist.“

Personelle Konsequenzen an der Parteispitze hält er allerdings nicht für notwendig. Über die Vorsitzenden Ricarda Lang und Omid Nouripour sagte er am Montag in der Sendung „Frühstart“: „Ich glaube nicht, dass die Parteivorsitzenden das zentrale Problem sind. Es ist entscheidend, dass die Regierung besser performt." Speziell von Olaf Scholz forderte er mehr und klarere Führung ein.

Für das schlechte Abschneiden seiner Partei nannte er als Hauptgründe eigene Fehler, etwa beim Heizungsgesetz und ständigem Streit in der Ampel-Koalition, und dass es seiner Partei nicht gelungen sei, die Menschen zu überzeugen, dass Veränderungen für Stabilität sorgten.

Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) hat nach dem starken Abschneiden der AfD bei der Europawahl in Ostdeutschland vor einer wachsenden Kluft zwischen Ost- und Westdeutschen gewarnt.

Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke zeigt sich trotz der Verluste seiner SPD bei der Europawahl zuversichtlich mit Blick auf die Landtagswahl im Herbst. „Bei Europawahlen waren wir ja, wenn ich den Vergleich mal vor fünf Jahren oder vor zehn Jahren nehme (...), noch nie verwöhnt mit guten Wahlergebnissen", sagte Woidke, der auch SPD-Landeschef ist, am Montag dem RBB. „Deswegen bin ich auch optimistisch, was die Landtagswahlen betrifft. Es ist eine völlig andere Ebene, es ist ja eine Landtagswahl. Es sind völlig andere Themen, die eine Rolle spielen werden und es sind völlig andere Personen, um die es gehen wird." dpa/rtr/asc

Letzte Aktualisierung: 24. Juli 2025
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