Table.Briefing: Climate

Klimawahl in Brasilien + Xis Klimapläne + Svenja Schulze verspricht Millionen + COP27: Wer verhandelt für die EU?

  • Brasilien: Schicksalswahl für den Regenwald
  • Xis dritte Amtszeit: Klimapolitik wichtig, Wachstum wichtiger
  • Entwicklungsministerin Schulze: Millionen-Summe für “Globalen Schutzschirm”
  • Termine der kommenden Woche
  • Verwirrung nach Rücktritt: Wer verhandelt für die EU auf der COP?
  • UNFCCC und IEA warnen: auf dem Weg zu 2,5 Grad
  • So viele fossile Subventionen wie noch nie
  • Studie: Öl, Gas und Kohle gefährden Gesundheit
  • Frans Timmermans im Portrait: EU-Klimazar will auf der COP glänzen
Liebe Leserin, lieber Leser,

über das Weltklima wird nicht demokratisch entschieden. Wie viel Treibhausgase wir der Atmosphäre zumuten, entscheiden nationale Interessen und Strukturen. Die UNO ist keine Weltregierung. Und selten wird ihre Ohnmacht deutlicher als bei den Klimakonferenzen. Das wird in zwei Wochen im ägyptischen Sharm el Sheikh bei der COP27 auch nicht anders sein.

Umso wichtiger sind politische Entscheidungen in den einzelnen Ländern. Deshalb widmen wir einen großen Teil dieser ersten Ausgabe des Climate.Table der Frage, wie in Klima-Supermächten die Weichen gestellt werden.

In China hat sich Staats- und Parteichef Xi Jinping gerade eine dritte Amtszeit gesichert. Unser Kollege und China-Experte Nico Beckert hat deshalb Xis Klimapolitik analysiert und einen Ausblick gewagt. Fazit: Klima wird immer wichtiger, aber noch wichtiger bleibt das traditionelle Wirtschaftswachstum.

In Brasilien steht eine Schicksalswahl für das Klima an: Gewinnt der autoritäre Jair Bolsonaro eine zweite Amtszeit, so schreibt es die Kollegin Daniela Chiaretti aus Sao Paulo, sehen manche Experten den Amazonas-Regenwald vor dem Aus – mit potenziell katastrophalen Folgen für das Weltklima.

Und in der EU ist durch einen überraschenden Rücktritt plötzlich nicht mehr klar, wer bei der COP27 die Interessen Europas vertritt, wie unser Kollege Lukas Scheid schreibt.

Unser Anspruch ist es, Sie mit Hintergründen, Nachrichten und Analysen zu versorgen. Ab heute wird der Climate.Table Ihnen das jede Woche liefern. Wir berichten von relevanten Entwicklungen rund um die Klimakrise aus der ganzen Welt, damit Sie besser einschätzen können, was in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft passiert.

Zur COP in Ägypten werden wir das zwei Wochen lang jeden Tag tun. Damit Sie noch besser informiert sind, wer aus welchen Gründen die Entscheidungen über unsere Zukunft fällt. Wir bleiben dran.

Wir freuen uns auf spannende Zeiten und auf Sie als unser Publikum, Ihre Reaktionen, Anregungen und Kritik. Sie erreichen uns immer unter climate@briefing.table.media.

Und: Behalten Sie einen langen Atem!

Ihr
Bernhard Pötter
Bild von Bernhard  Pötter

Analyse

Brasilien: Wahl entscheidend für das Weltklima

Die Zerstörung des Amazonas-Waldes hat unter Präsident Bolsonaro wieder stark zugenommen

Ein möglicher Wahlsieg des Kandidaten der Arbeiterpartei PT dürfte den Klimaschutz im Land ein gutes Stück voranbringen. Lula hat vor der Wahl gesagt: “Lasst uns dieses Land regieren, indem wir die Klimafrage zur Priorität machen”. Das heißt konkret beim Kampf gegen die Zerstörung des Regenwaldes:

  • die Befehls- und Kontrollorgane wie Armee, Polizei und Behörden in der Waldpolitik wieder zu stärken, nachdem sein Vorgänger sie geschwächt hat
  • gegen die illegale Abholzung und Brände vorzugehen
  • die Rechte der indigenen Bevölkerung zu verteidigen: Lula will zum Programm der “Gebietsabgrenzung” zurückkehren, bei dem Indigene ein Recht auf ihr Land haben und vor illegalen Zugriffen geschützt werden
  • Lulas Unterstützer fordern außerdem, ein “Sondersekretariat für den Klimanotstand” beim Präsidenten anzusiedeln – ähnlich der Stellung des US-Klimagesandten John Kerry bei US-Präsident Joe Biden.

Mit Blick auf den Schutz des Regenwaldes geht eine aktuelle Analyse des Fachportals Carbon Brief davon aus, dass ein Sieg Lulas den Verlust von fast 76.000 Quadratkilometern Wald bis 2030 verhindern könnte – wenn er seine Versprechen einhält. Bolsonaro hingegen würde nach dieser Analyse weiter die Umweltkontrollen schwächen und illegale Abholzung tolerieren.

Allerdings hätte auch Lula es nicht leicht beim Waldschutz. Denn im brasilianischen Parlament, dem Kongress, herrscht seit den Wahlen von Anfang Oktober eine konservative Mehrheit, die der Klima- und Umweltagenda nicht wohlgesonnen ist und Bolsonaro näher steht. Deshalb dürfte es auch für Lula schwer werden, sein Versprechen eines Stopps der illegalen Abholzung bis 2030 einzuhalten.

Lula will Bolsonaros Schäden aufräumen

Bolsonaros Engagement für den Klimaschutz ist allgemein gehalten und gilt als zweifelhaft. Der rechtsextreme Politiker wurde als Klimaleugner gewählt und versprach, “keinen Zentimeter” indigenes Land mehr auszuweisen. In seinen Reden auf internationalen Foren änderte er zwar seine Position in Bezug auf den Klimawandel. Dennoch nahm die Abholzung im Amazonasgebiet in den letzten Jahren deutlich zu.

In den letzten Tagen des Wahlkampfs ist das Thema Abholzung noch einmal stark debattiert worden. Bolsonaros Anhänger behaupten, dass die Gesamtfläche der zerstörten Wälder in den ersten drei Jahren der Regierung Lula doppelt so groß war wie im gleichen Zeitraum der Regierung Bolsonaro. Das ist richtig, aber nur teilweise.

Im Jahr 2003, dem ersten Jahr der Regierung Lula, betrug die abgeholzte Fläche im Amazonasgebiet nach Daten des staatlichen Weltraumbehörde INPE 25.300 Quadratkilometer. Im Jahr 2004 stieg sie auf 27.700 Quadratkilometer. Ab 2005 sanken die Abholzungsraten jedoch kontinuierlich, bis sie im Jahr 2010 eine Fläche von 7.200 Quadratkilometern erreichten. In den acht Jahren von Lulas zwei Amtszeiten ging die Entwaldung um 67 Prozent zurück.

Unter der Regierung von Dilma Rousseff, die ebenfalls der PT angehörte, ging die Zahl weiter zurück und erreichte 2012 mit 4.500 Quadratkilometern den niedrigsten Wert.

In den Jahren unter Bolsonaro nahm die Entwaldung wieder stark zu. Im Jahr 2019 betrug die abgeholzte Fläche 10.100 Quadratkilometer, 2020 waren es 10.800. Im Jahr 2021 erreichte sie 13.000 Quadratkilometer, ein Wachstum von 73 Prozent im Vergleich zum letzten Amtsjahr seines Vorgängers Michel Temer. Die Daten für 2022 deuten auf einen Wert zwischen 13.000 und 15.000 Quadratkilometer hin. Heute sind 90 Prozent der Abholzungen im Amazonasgebiet illegal und verstoßen gegen die brasilianischen Rechtsvorschriften.

Schutz für Indigene und Rechtsstaat haben Entwaldung reduziert

Wie hat Lula in seiner Amtszeit die Entwaldung reduziert? Durch:

  • wirksame Maßnahmen zur Durchsetzung des Rechts
  • die Bekämpfung illegaler Entwaldung
  • die Schaffung von Schutzgebieten und die Abgrenzung indigener Gebiete
  • sowie durch finanzielle Anreize für Städte, in deren Umland die Entwaldung nachließ.

“Lula redet jetzt davon, den stehenden Wald als wertvoll zu betrachten, ihn als Naturschatz zu sehen”, sagt der Wissenschaftler und Klimatologe Carlos Nobre von der Universität Sao Paulo. “Er will die Maßnahmen und Politiken der Vergangenheit wieder aufnehmen”.

Ein Sieg Bolsonaros wäre “enormes Risiko” für den Wald

Nobre erwartet nicht, dass eine zweite Bolsonaro-Regierung, ihre “politische Praxis der Unterstützung des Bergbaus auf indigenem Land, der Legalisierung von illegal besetztem öffentlichem Land und der Expansionspolitik von Landwirtschafts- und Viehzuchtgebieten ändern wird”. Gewinnt Bolsonaro die Wahl “wird Brasilien in acht Jahren zum größten sozio-ökologischen Paria der Welt aufsteigen, mit einem enormen Risiko für den Amazonas.”

Zusammen mit dem US-Wissenschaftler Thomas Lovejoy hat Nobre die Theorie entwickelt, dass der Amazonaswald bei zu starker Abholzung einen Punkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gibt und er sich nicht mehr regenerieren kann. Laut Nobre hat das brasilianische Amazonasgebiet bereits mehr als 21 Prozent seines ursprünglichen Waldes oder mehr als 830.000 Quadratkilometer verloren – eine Fläche fast so groß wie Deutschland und Spanien zusammen.

Ein solcher Verlust des Amazonas-Regenwaldes wäre für das weltweite Klima und die Biodiversität mittel- und langfristig eine Katastrophe. Für Niklas Höhne, Professor für Klimaschutz an der Wageningen Universität und Leiter des New Climate Instituts, steht fest: “Der Amazonas repräsentiert einen der zehn wichtigsten möglichen globalen Kipppunkte, die – falls überschritten – das Klima in der ganzen Welt nachhaltig verändern würden.”

Luciana Gatti, Forscherin am Nationalen Institut für Weltraumforschung (INPE), hat eine andere alarmierende Studie koordiniert. Demnach haben Abholzung und Brände im östlichen Teil des Amazonas dazu geführt, dass der Wald in einigen Regionen die Fähigkeit verloren hat, CO2 zu binden, und stattdessen zu einer Quelle für CO2-Emissionen geworden ist.

Ölförderung als Schwachpunkt Lulas

Der Schwachpunkt der Klimapolitik eines möglichen Präsidenten Lula könnte die Suche nach neuen Ölvorkommen vor der Küste Brasiliens sein. Das Land hat in den letzten Jahren seine Ölproduktion erhöht und ist dafür weit in die Tiefsee vorgedrungen. Derzeit produziert Brasilien etwa drei Millionen Barrel Öl am Tag.

“Das ist eine große Herausforderung”, stimmt Nobre zu. Nach Daten des Öl- und Gassektors belaufen sich die brasilianischen Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe auf 18 bis 20 Prozent des brasilianischen Gesamtausstoßes. Damit liegen die Pro-Kopf-Emissionen der Brasilianer, wenn man sie nur auf die fossilen Brennstoffe bezieht, bei nur 2,2 Tonnen pro Jahr. Sie sind damit etwas höher als die Emissionen Indiens (1,8 Tonnen) und weitaus geringer als in China (7,4 Tonnen pro Kopf und Jahr), der Europäischen Union (5,84 Tonnen) oder der USA (14,24 Tonnen). Allerdings sprechen weder Lula noch Bolsonaro von einer Energiewende für Öl und Gas. In dem Sektor arbeiten gut 150.000 Beschäftigte.

International jedenfalls gibt es Anerkennung für den früheren Klima-Kurs Brasiliens: Die frühere Umweltministerin von Lula und Dilma Rousseff, Izabella Teixeira, wurde von der ägyptischen COP-Präsidentschaft eingeladen, dem “Freundeskreis des Vorsitzes” anzugehören, um bei den komplexen Verhandlungen auf der Konferenz zu helfen. Daniela Chiaretti aus Sao Paulo

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Xis dritte Amtszeit: Klima wichtig, Wachstum wichtiger

2015 nahm Xi Jinping noch an der COP teil. In den letzten Jahren blieb er den Klimakonferenzen allerdings fern

Die Klima-Bilanz von Chinas neuem und alten KP-Generalsekretär Xi Jinping sieht auf den ersten Blick sehr erfolgreich aus. In seinen neuneinhalb Jahren als Staatschef hat China:

  • in den letzten vier Quartalen die CO2-Emissionen gesenkt
  • allein im vergangenen Jahr so viele neue Wind- und Solar-Kapazitäten zugebaut, wie ganz Deutschland insgesamt vorweisen kann
  • im September 2020 seine Klimaziele verkündet: Ab 2030 die CO2-Emissionen nicht weiter steigen zu lassen
  • und 2060 CO2-Neutralität zu erreichen
  • im September 2021 vor der UNO verkündet, keine neuen Kohlekraftwerke mehr im Ausland zu bauen (Climate.Table berichtete)

“Klimaschutz wichtig für den Machterhalt”

Doch Fachleute warnen davor, die grünen Ambitionen des neuen alten Machthabers zu überschätzen. Aus ihrer Sicht dient Chinas Umwelt- und Klimapolitik unter Xi zum Machterhalt der Kommunistischen Partei; der CO2-Rückgang beruht teilweise auf der Covid-Krise; der Wachstumszwang der Wirtschaft ist weiter ungebrochen. Die Kohlelobby ist immer noch stark. Und auf dem anstehenden UN-Klimagipfel (COP27) ist von China wohl keine entscheidende Bewegung zu erwarten.

Die Verringerung der CO2-Emissionen und der langfristige Kohleausstieg “gehören auf jeden Fall zu den wichtigsten Punkten auf Xis politischer Agenda”, sagt Nis Grünberg, Analyst des China-Think-Tanks Merics. “Xi sieht den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel als eine Voraussetzung für den langfristigen Machterhalt der Partei und der jetzigen Regierungsform”.

Vier Quartale mit sinkenden Emissionen

Immerhin: Seit Xis Amtsantritt 2013 sind die CO2-Emissionen weniger stark gestiegen als in den Jahren zuvor. In den letzten vier Quartalen sanken sie sogar leicht (China.Table berichtete). Der Kohleverbrauch wurde – auf einem hohen Niveau – stabilisiert. Und die Erneuerbaren Energien werden in rasanter Geschwindigkeit ausgebaut.

Allerdings sind das alles relative Erfolge. Die Emissionen Chinas lagen laut Berechnungen von Carbon Brief auch im März 2022 noch bei fast 12,2 Milliarden Tonnen CO2. In zwei der letzten vier Quartale war der Rückgang nur minimal (siehe Grafik). Die pro-Kopf-Emissionen liegen seit 2018 über dem EU-Schnitt. China ist inzwischen weltweit auch historisch der zweitgrößte Verschmutzer. Der Tanker wurde abgebremst, bewegt sich aber noch immer in die falsche Richtung.

Der Erfolg bei den sinkenden CO2-Emissionen beruht zu Teilen auch auf der Immobilien-Krise und den regelmäßigen Covid-Lockdowns. Ob sich der Rückgang weiter fortsetzt, ist offen.

60 Aktionspläne: Intern ist Klimapolitik wichtig

Der schnelle Ausbau der Erneuerbaren bietet eine große Chance, sind sich Lauri Myllyvirta und Xing Zhang, China-Expert:innen beim Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) sicher. Durch ihn könnte der Ausbau der Erneuerbaren so schnell gehen, dass die zusätzliche Energienachfrage der kommenden Jahre komplett durch saubere Energieträger gedeckt werden könnte. Dafür darf die Stromnachfrage aber nicht stärker als vier Prozent pro Jahr wachsen.

Intern gilt Klimapolitik in China als wichtig. Seit Verkünden der Klimaziele haben die Zentralregierung und die Provinzen mehr als 60 Aktionspläne für die einzelnen Sektoren herausgegeben. Auf der internationalen Ebene und der COP27 wird es aber vermutlich keine größeren neuen Versprechen geben. Der Klimasondergesandte Xie Zhenhua sagte jüngst, die Implementierung und Umsetzung bestehender Klimaziele müsse bei der COP im Fokus stehen (China.Table berichtete).

Xi Jinping selbst sucht die COP bisher nicht als große Bühne. Seine großen Klimapläne – die 2030/60-Ziele und den Kohleausstieg im Ausland – hat er vor der UN-Vollversammlung verkündet. China will sich nicht auf der COP von anderen Ländern drängen lassen, sondern vor dem heimischen Publikum als eigenständiger Akteur wahrgenommen werden.

Bei COP wenig zu erwarten – Methan-Strategie steht noch aus

Auch das Klimathema muss sich Xis geopolitischer Strategie unterordnen. Noch auf der COP26 in Glasgow verkündete der chinesische Delegationsleiter Xie, trotz aller geopolitischen Spannungen werde die Volksrepublik an den Klima-Gesprächen mit den USA festhalten. Ein halbes Jahr später, nach dem umstrittenen Besuch der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi in Taiwan, setzte China diese Gespräche aus. Sie könnten erst jetzt auf der COP27 möglicherweise wieder aufgenommen werden.

Allerdings will China noch in diesem Jahr eine Strategie zur Reduzierung der Methanemissionen vorstellen. “Das ist der zusätzliche Beitrag Chinas über unsere NDCs hinaus”, sagte Xie kürzlich in einem Interview. Die Methanemissionen im Öl- und Gassektor sowie der Landwirtschaft und der Abfallentsorgung sollen “kontrolliert” werden, so Xie. Den Kohle-Sektor, der den größten Teil der Methan-Emissionen verursachte, nannte Xie nicht.

Krisen könnten nächsten Fünfjahresplan beeinflussen

Auch hinsichtlich einer dritten Amtszeit Xis sind Analysten nicht allzu optimistisch, dass sich China schneller in Richtung Paris-Konformität bewegen wird. Die Erneuerbaren Energien werden wahrscheinlich noch schneller ausgebaut. Aber die Kohle wird mittelfristig ein wichtiger Bestandteil der Energieversorgung bleiben. Ob es beim Klimaschutz eine Beschleunigung geben wird, “wird aber auch von realpolitischen Faktoren getrieben, seien es Wirtschaftskrisen oder internationale Spannungen”, sagt Grünberg. “Je unsicher die Gesamtlage, desto unsicher wird auch die grüne Wende”.

Die zunehmenden Konflikte zwischen China und den USA sowie der EU könnten kaum zu einem ungünstigeren Zeitpunkt kommen. Denn schon im nächsten Jahr starten die internen Debatten um den nächsten Fünfjahresplan Chinas. Falls die geopolitischen Spannungen und die Corona- und Wirtschaftskrise innerhalb Chinas anhalten, könnten Pekings Klima-Ambitionen für den nächsten Fünfjahresplan gering ausfallen. Sollte China dann noch immer keine konkreten Zahlen für den Emissionspeak bis 2030 benennen, um sich klima- und industriepolitische Spielräume zu erhalten, wird der Pfad ab 2030 hin zur Klimaneutralität noch steiler als er ohnehin schon ist.

Versäumnisse bei der Energiewende und Stärke der Kohle-Lobby

Xi ist zwar der mächtigste Mann Chinas und hat die Macht im letzten Jahrzehnt immer stärker auf seine Person konzentriert. Doch beim Klimaschutz kann und will er nicht durchregieren. Die Volksrepublik ist noch immer zu abhängig von der Kohle. Dabei hätte das Land den Willen, die technischen Möglichkeiten und die Unterstützung der führenden Politiker, um die Energiewende schneller voranzubringen, so Grünberg. “Das ist auch eines der Ziele, die Xi Jinping persönlich wichtig sind”, sagt der Merics-Forscher. “Doch die Kohlelobby schafft es bei jeder Krise, sei es die Hitzewelle dieses Jahr oder die Stromkrise 2021, Kohle als die sicherste Basis des Energiesystems zu forcieren, und damit den Ausstieg zu verzögern”.

Auch Reformen des Strommarktes seien zu langsam vorangetrieben worden. “In diesem Bereich hätte China sehr viel erreichen können bei der Senkung der CO2-Emissionen”, so Grünberg. Die Kohle hatte jahrelang Vorrang in Chinas Energiesystem. Das liegt auch an den mächtigen Interessen der Kohleindustrie und der Provinzen. Letztere wirken als Bindeglied zwischen der Zentralregierung und der lokalen Ebene, auf der die Klimapolitik häufig umgesetzt wird. Die Provinzen verfolgen dabei auch eigene Ziele und können beispielsweise den Kohleausstieg verlangsamen.

Wachstum zentrale Legitimation der Regierung

Und auch Xi muss unterschiedliche Ziele unter einen Hut bringen: Das Wirtschaftswachstum ist die zentrale Legitimation seiner Regierung und der Kommunistischen Partei. Die sichere Stromversorgung der Industrie und der Klimaschutz stehen auf seiner Agenda ähnlich weit oben. In Krisenzeiten sind Wachstum und Energiesicherheit jedoch wichtiger. In den CO2-intensiven Branchen Kohle, Bau und Schwerindustrie sind über 60 Millionen Menschen beschäftigt (China.Table berichtete). Wiederholt mahnt Xi in politischen Reden einen vorsichtigen Wandel an. “Das Neue muss erst erschaffen werden, bevor das Alte weggeworfen wird”, sagte er auf dem jüngsten Parteitag zu Chinas Energieversorgung.

  • China
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  • Xi Jinping

Standpunkt

Hilfe, bevor der Schaden eintritt

Von Svenja Schulze
Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

In Bangladesch ist der Klimawandel längst Realität. Es wird jedes Jahr heißer, Dämme halten den zunehmenden Zyklonen und Überflutungen nicht mehr stand. Ganze Dörfer werden mitgerissen, die Reisfelder versalzen und bleiben unfruchtbar zurück. Straßen werden unbefahrbar, Schulen müssen schließen oder dienen als Schutzbunker. Immer mehr Menschen verlieren von heute auf morgen ihr gesamtes Hab und Gut, ihre Bleibe und Lebensgrundlage. Ohne Unterstützung stehen viele vor dem Nichts.

Bangladesch ist kein Einzelfall. Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen oder Dürren nehmen weltweit zu. Die Folgen des Klimawandels treffen gerade Entwicklungsländer besonders hart. Hier leiden ohnehin schon viele Menschen unter Armut, und Regierungen haben weniger Möglichkeiten, die Bevölkerung vor solchen Katastrophen und ihren Folgen zu schützen. Der sich beschleunigende Klimawandel macht wichtige Entwicklungsfortschritte zunichte und immer mehr Menschen droht Armut.

Verantwortung übernehmen

Das ist umso bitterer, wenn man bedenkt, dass die meisten Entwicklungsländer nur einen Bruchteil zu den weltweiten Treibhausgasemissionen beigetragen haben. Der Großteil der Emissionen geht auf das Konto der Industriestaaten – und zunehmend auch auf das der großen Schwellenländer.

Es ist daher höchste Zeit, dass die Regierungen dieser Länder ihrer Verantwortung nachkommen, die Menschen in Entwicklungsländern vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. Dazu gehört, dass sie den Klimaschutz noch schneller vorantreiben, um die Erderwärmung wie in Paris beschlossen möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken. Aber das Rad der Zeit lässt sich nun einmal nicht zurückdrehen – und schon jetzt führt die Klimakrise in vielen Ländern zu hohen Schäden. Daher müssen die Industrieländer und perspektivisch auch die großen Schwellenländer arme und besonders verwundbare Länder darin unterstützen, sich an den Klimawandel anzupassen.

Vulnerable Länder unterstützen

Klimabedingte Verluste (wie dürrebedingte Ernteeinbußen) und Schäden (etwa an Häusern und Straßen bei Stürmen) lassen sich nicht mehr komplett abwenden. Aber es gilt, sie nach besten Möglichkeiten zu begrenzen. Wenn wir die Widerstandsfähigkeit der betroffenen Menschen stärken, lässt sich viel Leid vermeiden. Ich bin überzeugt: Es liegt allemal in unserer Macht als internationale Gemeinschaft, arme und verwundbare Menschen und Länder besser vor Klimarisiken zu schützen und ihnen nach desaströsen Wetterereignissen schnell zu helfen und eine Perspektive zu geben!

Auf den internationalen Klimakonferenzen verhandelt das Entwicklungsministerium das Thema Verluste und Schäden federführend für die Bundesregierung. Bei der nächsten Konferenz in Ägypten wollen wir eine Einigung erzielen, wie die Unterstützung für arme und vulnerable Länder verstärkt und wirksam ausgestaltet werden kann. Wenig zielführend sind dabei langwierige und am Ende wenig aussichtsreiche völkerrechtliche Debatten. Wir wissen aus der Vergangenheit sehr genau, dass sich die Positionen der verschiedenen Länder dann sehr schnell zu einem unauflösbaren Knäuel verwickeln. Mir geht es deshalb darum, effektiv, umfassend und vorwärtsgerichtet zu handeln.

Mehr Geld für Klimaschäden

Ich sehe drei Ansatzpunkte, damit diese Aufgabe gelingt:

  • Internationale Partner müssen enger zusammenarbeiten.
  • Als internationale Gemeinschaft müssen wir mehr Geld für den Umgang mit klimabedingten Verlusten und Schäden mobilisieren.
  • Wir müssen innovative und passgenaue Lösungen für jedes Land finden – gerade für solche Länder, die besonders gefährdet und verwundbar sind.

Genau deshalb hat sich die Bundesregierung im Rahmen ihres G7-Vorsitzes für einen Globalen Schutzschirm gegen Klimarisiken starkgemacht. Das Konzept dafür haben die G7-Partner gemeinsam mit der Gruppe der Vulnerable Twenty (V20) entwickelt, einem Zusammenschluss der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Staaten. Es wurde Mitte Oktober von G7 und V20 am Rande der Weltbankkonferenz in Washington beschlossen.

Schnelle Finanzhilfe im Notfall

Der Klimarisiko-Schutzschirm soll Menschen aus dem Globalen Süden dabei helfen, klimabedingte Katastrophen besser zu bewältigen und ihren Schaden zu begrenzen. Er unterstützt gefährdete Länder schon, bevor eine Krise überhaupt eintritt:

  • Sie erhalten Unterstützung dabei, ihre ganz speziellen Klimarisiken zu analysieren und Vorsorge- und Notfallpläne zu entwickeln.
  • Insbesondere werden Finanzierungssysteme ausgebaut, die schnell Mittel zur Verfügung stellen können. Dazu gehören Versicherungen und soziale Sicherungssysteme, aber auch Budgetreserven für wiederkehrende Katastrophen und Zuschüsse der Gebergemeinschaft und Darlehen von Entwicklungsbanken, die im Katastrophenfall ausgezahlt werden.

Wenn dann ein Schadensfall eintritt, steht das Geld schon bereit. Die Regierung kann schnell reagieren und die Betroffenen unterstützen. Im Fall einer Dürre kann sie beispielsweise Zuschüsse an Kleinbäuerinnen und Kleinbauern vergeben, damit diese Saatgut und Dünger für die nächste Aussaat kaufen können. So kommen sie und ihre Familien besser durch harte Zeiten.

Klimakosten werden begrenzt

Der Schutzschirm soll so verhindern, dass Menschen und Regierungen sich verschulden oder lange auf humanitäre Hilfe warten müssen. Dank ihm kann die Regierung nach einem Sturm oder einer Überschwemmung sofort mit dem Wiederaufbau beginnen und zum Beispiel Brücken, Straßen, Krankenhäuser und Schulen schnell wieder herstellen.

Dadurch, dass der Schutzschirm schnelle Hilfe ermöglicht, werden die Auswirkungen von Klimakatastrophen weniger teuer. Je schneller die Betroffenen wieder auf die Beine kommen, desto eher kann verhindert werden, dass sie in die Armut abrutschen. Je schneller die öffentliche Versorgung wieder funktioniert, desto besser können Hungersnöte und Krankheitsausbrüche vermieden werden.

Der Klimarisiko-Schutzschirm soll gerade den verwundbarsten und ärmsten Ländern zugutekommen. Die V20 haben mehrere Pilotländer ausgewählt, sogenannte Pathfinder countries. Zu ihnen gehören Bangladesch, Ghana, Senegal, Costa Rica, die Philippinen und Fidschi. Weitere Länder sollen hinzukommen. Noch in diesem Jahr sollen die ersten Schutzpakete in diesen Ländern vorbereitet werden. Die Beteiligten bauen dabei auf bestehenden Instrumenten zum Umgang mit Klimarisiken auf, bündeln sie und entwickeln sie weiter.

Finanzbeitrag aus Deutschland

Die Bundesregierung wird den Start des Globalen Schutzschirms gegen Klimarisiken weiter unterstützen, unter anderem mit einem substanziellen Finanzierungsbeitrag im zweistelligen Millionenbereich. So zeigt sich Deutschland solidarisch mit den Ländern und Menschen, die sich nicht allein gegen die Folgen des Klimawandels absichern können.

Bei der Weltklimakonferenz COP 27 im November in Ägypten werden die G7 zusammen mit den V20 den Klimarisiken-Schutzschirm vorstellen und für weitere Unterstützung werben. Denn als internationale Gemeinschaft müssen wir gemeinsam Verantwortung übernehmen. Nur so können wir klimabedingte Verluste und Schäden begrenzen und möglichst viele Leben und Existenzen retten.

  • BMZ
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  • Klimaschäden
  • Loss and Damage
  • Svenja Schulze

Termine

27.10.2022, 13 Uhr, online
Veröffentlichung Emissions Gap Report
Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) veröffentlicht bei einer digitalen Veranstaltung den “Emissions Gap Report: The Closing Window – Climate crisis calls for rapid transformation of societies”. Im Vorfeld der COP27 enthält der Bericht Szenarien zur Erfüllung des Pariser Klimaabkommens. INFOS

27.10.2022, 17 Uhr, online
Webinar State of NDCs: How Countries’ Climate Plans Stack Up
Zwei Wochen vor der COP27 analysiert das World Resources Institute mit der Plattform Climate Watch anhand von rund 200 Indikatoren, wie gut die Länder ihre NDCs (Nationally Determined Contributions) zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens erfüllen. Es geht dabei sowohl um Klimaanpassung und Mitigation als auch um gerechte Transition. Beim Webinar sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch lernen Climate Watch für eigenen Recherchen zu nutzen. INFOS

29.10.2022, 11-13 Uhr, Dresden
Workshop Klimaberichterstattung: Journalismus in der Klimakrise
Bei dem Workshop der Rosa-Luxemburg-Stiftung diskutieren Katharina Mau (Netzwerk Klimajournalismus) und Fabian Eckstedt (Redakteur bei “Klima in Bewegung”) darüber, was sich verändern muss, damit die Klimakrise bei jeder Berichterstattung mitgedacht wird und was passieren muss, damit das Thema nicht immer hinter vermeintlich aktuelleren Krisen zurückstecken muss. INFOS UND ANMELDUNG

29.10.2022, 19-21 Uhr, Berlin
Vortrag und Diskussion Wie die Rechten die Klimabewegung angreifen!
Matthias Quent, Autor des Buches “Klimarassismus”, und Künstler Arne Vogelsang diskutieren bei der Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung, wie rechte Akteure die Klimabewegung angreifen. Dabei geht es sowohl um Hass im Internet als auch um Manipulationstechniken von Parteien. INFOS

30.10.2022, Brasilien
Wahlen Stichwahl Präsidentschaftsamt
Die Präsidentschaftswahl in Brasilien ist für das globale Klima entscheidend (siehe Analyse in diesem Climate Table).

02.11.2022, 18-20 Uhr, Aachen
Vortrag Zur Kritik des Green New Deal: “Klimaneutralität” und “grünes Wachstum” auf dem Prüfstand
Die Berliner Ökonomin Birgit Mahnkopf zieht in ihrem Vortrag eine ernüchternde Bilanz zu den Green Deal Plänen der EU. Mit dem Green Deal werde das wachstumsorientierte Wirtschaftsmodell fortgesetzt, planetare Grenzen würden auch weiterhin nicht beachtet. Für echten Klimaschutz müsste es ihrer Ansicht nach weitreichendere Reformen geben. INFOS

03.11.2022, 15-16 Uhr, online
Veröffentlichung Bericht The State of Climate Action in 2022
Der “State of Climate Action”-Report, der vom System Change Lab erstellt wurde, wird vom World Resources Institute veröffentlicht. Kurz vor der COP27 soll er auch als Orientierung für die Verhandlungen der Klimakonferenz dienen.  Zur Veröffentlichung gibt es eine Podiumsdiskussion von Expertinnen und Experten. INFOS

07-18.11.2022, Sharm el-Sheikh, Ägypten
UN-Klimakonferenz COP27
Die UN-Klimakonferenz COP27 tagt ab 7.11. für zwei Wochen in Ägypten. Den Auftakt machen über 90 Staats- und Regierungsschefs. Climate Table widmet die nächste Ausgabe am 3.11. der Vorschau auf die Konferenz – und erscheint während der COP täglich. INFOS

News

Unklar vor der COP: Wer verhandelt für die EU-Staaten?

Zehn Tage vor Beginn der COP27 im ägyptischen Sharm el-Sheikh ist plötzlich unklar, wer die Position der Mitgliedsländer der Europäischen Union auf der Klimakonferenz vertreten wird. Nach dem überraschenden Rücktritt der tschechischen Umweltministerin Anna Hubáčková ist in Brüssel und Prag nicht bekannt, wer ihre Nachfolge antritt. Auch in Brüsseler Kreisen hat die Nachricht von ihrem Ausscheiden bisher noch kaum die Runde gemacht.

Als Vertreterin ihres Landes in der rotierenden EU-Ratspräsidentschaft sollte die tschechische Ministerin die Position der 27 Mitgliedstaaten vertreten. EU-Klimakommissar Frans Timmermans (siehe Porträt) hat nach den Regeln der Europäischen Union als Vertreter der EU-Kommission offiziell nur beratende Funktion bei den internationalen Verhandlungen.

In den UN-Gremien sind die Regierungen der Länder die zuständigen Akteure, sodass der tschechischen Ratspräsidentschaft als Vertreterin der EU-Staaten die Hauptrolle zukommt. Eine kurzfristige Neubesetzung oder gar eine Vakanz auf ministerieller Ebene könnte eine Schwächung der Sprechfähigkeit der EU-Staaten auf der COP27 bedeuten.

Ministerin Hubáčková überraschend zurückgetreten

Hubáčková, Mitglied der christdemokratischen Partei KDU-ČSL, war Anfang Oktober aus gesundheitlichen Gründen überraschend zurückgetreten und scheidet Ende Oktober aus dem Amt. Zwar soll ab dem 1. November Arbeitsminister Marian Jurečka (KDU-ČSL) kommissarisch ihr Ressort übernehmen, doch ob er auch als zuständiger Minister zur COP27 reisen wird, steht offenbar noch nicht fest. Das Umweltministerium habe zwar einen dahingehenden Wunsch geäußert, erfuhr Table.Media aus dem Umfeld Hubáčkovás. Aber man wisse noch nicht, ob dies in den Zeitplan des Ministers passe, hieß es.

Fest steht bislang, dass Tschechiens Premierminister Petr Fiala (ODS) beim High Level Segment zu Beginn der COP27 für die EU-Staaten sprechen wird und dass der stellvertretende Umweltminister Jan Dusík die Verhandlungsdelegation der Tschechen über die zweiwöchige Konferenz leiten wird. Das berührt aber nicht ihre Position als EU-Verhandlungsführerin auf ministerieller Ebene.

Zunächst sollte Hubáčkovás Posten als tschechische Umweltministerin vom aktuellen Vize-Bürgermeister der Stadt Brno, Petr Hladík, übernommen werden. Doch seine Ernennung wurde aufgrund von polizeilichen Ermittlungen in seinem Umfeld vorübergehend auf Eis gelegt. Gegen Hladík selbst wird allerdings nicht ermittelt. Daher deuteten sowohl Jurečka als auch Premier Fiala zuletzt wieder an, dass Hladík den Posten als Umweltminister übernehmen wird.

Ob das noch vor Beginn der COP27 am 7. November passiert, ist jedoch fraglich. Die EU will dort erste Ergebnisse ihres ehrgeizigen Fit-for-55-Programms präsentieren und sich für Fortschritte bei der Emissionsreduktion, Klimaanpassung und Klimafinanzierung einsetzen. Erst am Wochenbeginn hatte der Umweltrat beschlossen, dass eine mögliche Erhöhung des EU-Klimaplans (NDC) erst im kommenden Jahr erfolgen soll. luk

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IEA und UN: Welt auf dem Weg zu 2,5 Grad

Die Entwicklung auf den globalen Energiemärkten und die Klimapläne der UN-Staaten bringen die Welt auf einen Pfad hin zu einer Erwärmung von etwa 2,5 Grad Celsius bis 2100. Das ist ein gemeinsamer Nenner des aktuellen “NDC-Syntheseberichts” des UN-Klimasekretariats UNFCCC und des jährlichen “World Energy Outlook” (WEO) der Internationalen Energieagentur IEA, die am Mittwoch und Donnerstag veröffentlicht wurden. Beide Berichte erkennen im globalen Energieverbrauch, den Investitionen in saubere Energien und CO2-Ausstoß positive Trends in Richtung Klimaschutz. Doch sie seien viel zu langsam für die Einhaltung des 1,5-Grad-Klimaziels.

IEA sieht erstmals fossilen Peak

Der “World Energy Outlook” der IEA sagt erstmalig einen Höhepunkt für den globalen CO2-Ausstoß im Jahr 2025 und einen Gipfel im Verbrauch von Kohle, Gas und Öl für das nächste Jahrzehnt voraus. In dem Papier heißt es: Würden die bisherigen Planungen der Länder umgesetzt,

  • sinke die Kohlenutzung in den nächsten paar Jahren
  • erreiche der Bedarf an Erdgas am Ende des Jahrzehnts ein Plateau und
  • wachse der Ölverbrauch ab Mitte der 2030er Jahre nicht mehr.

Demnach falle der Anteil der Fossilen am globalen Energiemix von derzeit etwa 80 bis zum Jahr 2050 auf knapp über 60 Prozent, und die energiebedingten CO2-Emissionen gingen von derzeit 37 Milliarden Tonnen jährlich auf etwa 32 Milliarden Tonnen in 2050 zurück. Allerdings “gibt es noch eine große Lücke zwischen den Versprechen von heute und der Stabilisierung des Temperaturanstiegs bei 1,5 Grad”, erklärte die IEA.

Ukrainekrieg bringt Energiewende-Potenzial

Die russische Invasion in der Ukraine habe “die Energiemärkte und Energiepolitik nicht nur derzeit verändert, sondern für die nächsten Jahrzehnte”, erklärte IEA-Exekutivdirektor Fatih Birol. Das biete das “Potenzial, den Übergang zu einem Energiesystem zu beschleunigen, das nachhaltiger und sicherer ist.” Dafür sei aber die Unterstützung der Politik nötig, heißt es im WEO. Der Bericht schätzt den gegenwärtigen Aufschwung der Kohle als kurzzeitig ein und sieht Wachstum bei den Erneuerbaren und der Atomkraft.

Die Investitionen in erneuerbare Energien könnten laut Birol im Jahr 2030 bei zwei Billionen US-Dollar pro Jahr liegen, “mehr als 50 Prozent höher als heute”. Allerdings werde das Doppelte benötigt, vier Billionen Dollar Investitionen pro Jahr, um das IEA-Szenario “Net Zero Emissions” für 2050 zu erreichen.

Emissionen wachsen langsamer, müssten aber sinken

Der Trend ist leicht positiv, aber der Fortschritt viel zu langsam: Das ist auch das Fazit des UNFCCC-Exekutivdirektors Simon Stiell zu den Klimaschutzplänen (NDC) der UN-Mitgliedsstaaten. “Wir drücken die Kurve der Emissionen nach unten, aber wir sind einfach nicht gut genug“, sagte Stiell bei der Präsentation des “NDC-Syntheseberichts”, der einen Überblick über die Anstrengungen der Staaten gibt.

Nach den nun vorgelegten Plänen würde der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 10,6 Prozent zunehmen. Noch vor einem Jahr zeichnete sich dabei ein Wachstum von 13,7 Prozent ab. Es gibt also eine leichte Verbesserung. Doch um die 1,5-Grad-Obergrenze aus dem Pariser Klimaabkommen einzuhalten, müssten die Emissionen zwischen 2019 und 2030 um 43 Prozent sinken, so Stiell. “Jede Verzögerung bei der Reduktion kostet Leben, denn die Klimakrise ist real.”

Nur 24 von 193 Staaten legten neue Pläne vor

Bei der Klimakonferenz COP26 in Glasgow hatten die 193 teilnehmenden Staaten im vergangenen Jahr beschlossen, bis zur nächsten COP ihre NDC-Klimapläne zu stärken. Doch bis zum 23. September 2022 hätten das nur 24 Länder getan, erklärte der UNFCCC-Chef. Das sei enttäuschend. “Wir sind bei den Emissionsreduktionen noch nicht annähernd in der Nähe des Umfangs und der Geschwindigkeit, die uns auf den Pfad zu einer Welt von 1,5 Grad bringen”, so Stiell. “Um dieses Ziel am Leben zu erhalten, müssen die Regierungen ihre Klimapläne jetzt stärken und sie in den nächsten acht Jahren umsetzen.” bpo

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Fossile Subventionen auf Rekordniveau

Noch nie haben die G20-Länder mehr Subventionen an die Produzenten von Öl, Gas und Kohle gezahlt als 2021: 64 Milliarden Dollar. Insgesamt unterstützten die 20 größten Länder, die für etwa 75 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sind, die Produktion und den Verbrauch von fossilen Rohstoffen in diesem Jahr mit 190 Milliarden Dollar. Das ergab der “Climate Transparency Report” einer internationalen Kooperation von 16 Think-Tanks und Umweltgruppen auf Grundlage von Daten der OECD und der Internationalen Energieagentur (IEA).

In absoluten Zahlen führen demnach China, Indonesien und Großbritannien die Liste an. Betrachtet man den Anteil der Staatshilfen im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung der jeweiligen Länder, liegen dagegen Indonesien, Südafrika, Mexiko und Argentinien weit vorn. Für Saudi-Arabien liegen zwar keine vergleichbaren Daten vor. Eine Rechnung der IEA taxiert die Staatshilfen für den fossilen Bereich dort allerdings auf etwa 17 Milliarden Dollar.

Die umfangreichen Subventionen seien auch als Unterstützung für die fossilen Industrien in und nach der Covid-Pandemie und der folgenden Absatzschwäche zu sehen, heißt es im Bericht. Für 2022 erwarten die Autoren, dass das hohe Niveau der Subventionen wahrscheinlich bestehen bleibe, weil etwa europäische Länder ihre Bürger vor hohen Energiepreisen schützen wollen. 2009 hatten die G20-Staaten beschlossen, “ineffiziente Subventionen für fossile Brennstoffe, die zu verschwenderischem Verbrauch führen, mittelfristig auslaufen zu lassen”.

Auch bei den öffentlichen Ausgaben, die keine Subventionen sind, zeigten die G20-Länder eine deutliche Vorliebe für fossile Energien. Mit Haushaltsgeld, Steuerausgaben und durch Kredite und Zuschüsse öffentlicher Banken unterstützten sie 2019 und 2020 mit jeweils etwa 62 Milliarden Dollar vor allem die Öl- und Gasbranche. An der Spitze standen dabei Japan, Südkorea und China.

63 Prozent aller öffentlichen Ausgaben der G20-Staaten im Energiesektor flossen in fossile Industrien. Von der Gesamtsumme dieser Ausgaben von knapp 100 Milliarden Dollar gingen 20 Prozent an erneuerbare Energien wie Wind, Sonne und Geothermie, 18 Prozent flossen in Infrastruktur-Bereiche wie Stromleitungen, große Staudämme oder die Atomindustrie.

Im Jahr 2021 hatten viele Staaten erklärt, diese Zahlungen an fossile Industrien zu drosseln. Die G7 und Südkorea beschlossen, ihre Entwicklungsbanken würden keine Kohle ohne CO2-Speicherung mehr unterstützen. Auch China will keine Kohlekraftwerke mehr im Ausland finanzieren. Auf der Klimakonferenz in Glasgow hatten 39 Staaten und Finanzinstitute erklärt, vollständig aus der Finanzierung von fossiler Infrastruktur im Ausland auszusteigen.

Der “Climate Transparency Report” kritisiert, die Regierungen hätten bislang “nicht ausreichend klargemacht”, unter welchen “außergewöhnlichen Umständen” sie weiterhin etwa in die Gasproduktion investieren wollten. Solche Ausnahmen hätten sich im Licht der Energiekrise “beträchtlich ausgeweitet”, heißt es. bpo

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Medizin-Studie: Erderhitzung bedroht Überleben

Regierungen und Unternehmen weltweit gefährden mit ihren Strategien die Gesundheit und das Überleben aller heute lebenden Menschen und künftiger Generationen, heißt es im globalen Jahresbericht der medizinischen Fachzeitschrift Lancet. Der “Countdown on Health and Climate Change” beruht auf der Arbeit von rund 100 Experten aus 51 Institutionen, darunter die Weltgesundheitsorganisation und die Weltorganisation für Meteorologie.

Fossile Energien verschärfen Krankheiten

Durch die anhaltende Verbrennung von fossilen Brennstoffen werden laut Bericht Gesundheitsprobleme noch verschärft, darunter:

  • Hunger,
  • Infektionskrankheiten,
  • hitzebedingte Krankheiten,
  • Krankheiten aufgrund von Energiearmut und
  • Todesfälle aufgrund von Luftverschmutzung.

Extreme Hitze, so der Bericht, wirke sich direkt auf die Gesundheit aus: Grunderkrankungen wie Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen verschlimmerten sich. Das könne zu Problemen wie Hitzschlag, Problemen in der Schwangerschaft, schlechterem Schlaf, schlechter psychischer Gesundheit und mehr verletzungsbedingten Todesfällen führen. Auch schränke Hitze die Arbeits- und Bewegungsfähigkeit der Menschen ein.

“An einem kritischen Punkt angelangt”

“Unser diesjähriger Bericht zeigt, dass wir an einem kritischen Punkt angelangt sind. Wir sehen, wie der Klimawandel überall auf der Welt schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit hat”, sagt Marina Romanello, Executive Director des Lancet Countdown am University College London.

Am erstmals durchgeführten speziellen Lancet Countdown für Europa haben 44 europäische Forscherinnen und Forscher mitgewirkt. “Nach dem heißesten europäischen Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen wird sich Europa der Realität einer sich erwärmenden Welt bewusst, und was dies für unsere Gesundheit bedeutet”, sagt Rachel Lowe, Leiterin des Global Health Resilience Teams.

Erster Bericht für Europa: Sterblichkeit hat zugenommen

Die Ergebnisse für Europa:

  • Verglichen mit dem Zeitraum von 2000 bis 2010 sind die Menschen im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts um 57 Prozent häufiger Hitzewellen ausgesetzt. Lokal waren es sogar mehr als 250 Prozent.
  • Die hitzebedingte Sterblichkeit hat zwischen 2000 und 2020 um 15 jährliche Todesfälle pro Million Einwohner und Jahrzehnt zugenommen.
  • 55 Prozent aller europäischen Bürger litten zwischen 2010 und 2020 unter extremen bis außergewöhnlichen sommerlichen Dürren.
  • Die Veränderungen des Klimas begünstigen die Verbreitung von Infektionskrankheiten wie Denguefieber, Malaria und West-Nil-Virus.

Fazit: Schneller Übergang zu sauberer Energie

Der Bericht weist auch darauf hin, dass die höhere Belastung durch den Klimawandel in Europa auch energie- und wirtschaftspolitische Dimensionen hat:

  • In den letzten zehn Jahren gab es die höchsten wirtschaftlichen Verluste aufgrund von klimabedingten Extremereignissen im Jahr 2021. Der wirtschaftliche Verlust belief sich auf knapp 48 Milliarden Euro. Der größte Teil der Verluste entfiel im Jahr der Hochwasser-Katastrophe an der Ahr auf Deutschland mit gut 30 Milliarden Euro.
  • Trotz des schnellen Ausbaus von Wind- und Solarkraft zur Stromerzeugung in Ländern wie Dänemark, Großbritannien, Deutschland, Italien und Griechenland lag der Anteil der CO2-armen Energieversorgung in Europa 2020 bei 21 Prozent. Beim Strom waren es nur 17 Prozent.

Der Lancet-Report mahnt: Eine Verlängerung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen in der aktuellen Energiekrise könnte eine fatal wärmere Zukunft bedeuten. Ein schnellerer Übergang zu sauberer Energie könne hingegen verhindern, dass die durch den Klimawandel bedingten Todesfälle und Krankheiten weiter ansteigen. nik

  • Erderhitzung
  • Gesundheit

Presseschau

Politikanalyse: Meloni macht die Klimakrise in Italien zu einem Thema für Rechte, Politico
Nachricht: Finanzbehörden machen Greenwashing bei Investitionen in Großbritannien schwieriger, Financial Times
Recherche: Können Ölkonzerne CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) vorantreiben?, Financial Times
Klimapolitik: Afrikanische Staaten fordern, dass reiche und industrialisierte Länder für die Klimakrise zahlen statt von ihnen Abkehr von Öl und Gas zu erwarten, Bloomberg
Reportage: In Virginia in den Vereinigten Staaten wird aufbereitetes Abwasser zurück in den Wasserkreislauf gepumpt – als Strategie gegen Wassermangel, New York Times
Analyse: Eine neue Studie zeigt, wie genau unsere Ernährung den Planeten beeinflusst, The Washington Post
Interview: Wie ein Meeresschutzgebiet im Pazifik Fischbestände erhöht – und was die Götter damit zu tun haben, Der Spiegel
Analyse: Kann der neue Premierminister Rishi Sunak die Klimaagenda von Großbritannien wiederaufbauen? The Guardian

Heads

Frans Timmermans – der Brückenbauer aus Brüssel

Frans Timmermans ist Vizechef der EU-Kommission und Kommissar für den Green Deal

Die UN-Klimakonferenz gehört zu den Highlights im politischen Jahreskalender von Frans Timmermans. Selten steht Klimaschutz so stark im weltweiten Fokus und der Exekutiv-Vizepräsident der EU-Kommission ist auf der großen diplomatischen Bühne voll in seinem Element. Der Klimazar der EU will auf der COP27 als selbsternannter Brückenbauer zwischen Industrie- und Entwicklungsländern glänzen.

Und neue Brücken braucht es dringend, das weiß Timmermans. Es habe Rückschläge gegeben, viele unerfüllte Erwartungen, vor allem in den Entwicklungsländern, was die Klimaanpassung und die Frage der Verluste und Schäden angeht, sagte der Niederländer am Montag, als die EU-Staaten ihr Verhandlungsmandat für die COP27 beschlossen.

Jenes Verhandlungsmandat bezeichnete der 61-Jährige schließlich nur als “akzeptabel” – ein Rüffel an die Ministerinnen und Minister des EU-Umweltrats. Denn noch immer erfüllen die Industrieländer das 100-Milliarden-Dollar-Versprechen zur Klimafinanzierung nicht. Erst 2023 soll es so weit sein, erwarten die EU-Mitgliedsländer. Timmermans dürfte es zudem enttäuscht haben, dass die EU-Staaten keine konkreten Lösungen zu den Forderungen der Entwicklungsländer nach mehr Unterstützung für Hilfe bei Klimaschäden (“Loss and Damage”) vorgelegt haben. Man wolle sich konstruktiv zu dem Thema austauschen, um mehr über die Bedürfnisse des globalen Südens zu erfahren, heißt es im EU-Mandat.

Timmermans will Ergebnisse präsentieren

Dabei sind die Bedürfnisse des globalen Südens längst bekannt. Die Entwicklungsländer fordern ein Finanzierungsinstrument für Loss and Damage und dass die Industrienationen als Hauptverursacher des Klimawandels für Verluste und Schäden auch finanziell Verantwortung übernehmen. Die USA und auch einige EU-Länder scheuen sich vor diesem Schritt, da sie fürchten, künftig für Verluste und Schäden in Folge des Klimawandels haftbar gemacht werden zu können.

Auch bei der Erhöhung der bei der UN hinterlegten Klimaziele, im Jargon NDC genannt, sind die EU-Staaten zögerlich. Das Ziel der EU bleibt vorerst bei 55 Prozent weniger CO2-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990. Gerne wäre Timmermans mit einem neuen NDC nach Ägypten gereist, denn er betont stets die Vorbildrolle der EU beim Klimaschutz und lässt kaum eine Gelegenheit aus, andere Länder zu höheren Zielen aufzufordern.

Also will Timmermans in Sharm el-Sheikh mit Fortschritten beim Fit-for-55-Paket, den Gesetzesvorschlägen zur Implementierung von Europas Klimazielen, imponieren. Darunter fallen unter anderem:

  • das Aus für neu zugelassene Verbrenner ab dem Jahr 2035,
  • eine erhöhte CO2-Senkleistung in der Land- und Forstwirtschaft
  • sowie höhere Emissionsreduktionsziele der Mitgliedstaaten.

Derzeit liegen die drei Gesetzesvorschläge noch im Trilog, der abschließenden Verhandlungsrunde zwischen EU-Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten. Doch die drei Verhandlungsparteien haben sich darauf geeinigt, den Prozess dieser drei Dossiers zu beschleunigen, um bis zur COP die wesentlichen noch offenen Fragen zu klären. Würde dies gelingen, könne man mit konkreten Maßnahmen beweisen, dass man auf dem richtigen Weg sei, so Timmermans.

Vom Wahlverlierer zum Klima-Workaholic

“Die Welt schaut auf uns”, betont der 1961 in Maastricht als Diplomatensohn geborene Timmermans. Er studierte französische Literatur und Europarecht in den Niederlanden sowie im französischen Nancy. Er wurde unter anderem Staatssekretär für Europäische Angelegenheiten in Den Haag, dann Außenminister der Niederlande und wechselte schließlich 2014 nach Brüssel in die EU-Kommission, damals noch unter Jean-Claude Juncker.

Nun ist Timmermans in der EU-Kommission die Nummer zwei hinter Präsidentin Ursula von der Leyen. Eigentlich hätte er gerne selbst den Job an der Spitze der Brüsseler Behörde gehabt. Bei den Europawahlen 2019 war er Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten und rechnete sich große Chancen aus, auch weil der konservative Sieger Manfred Weber im EU-Parlament keine Mehrheit bekam. Aber die Staats- und Regierungschefs übergingen die Spitzenkandidaten und zauberten Ursula von der Leyen aus dem Hut.

Die Enttäuschung war groß und Timmermans brauchte einige Zeit, um wieder Tritt zu fassen und die Rolle hinter von der Leyen zu akzeptieren. Immerhin, als Erster Vizepräsident und Kommissar für Klimaschutz betraute von der Leyen ihn mit ihrem wichtigsten Projekt, dem Green Deal. Der Workaholic kennt sich aus im Dickicht der Gesetzesvorlagen. Timmermans spricht sieben Sprachen fließend und gilt als rhetorisches Supertalent.

Dieses Talent wird er ganz sicher auch in Sharm el-Sheikh wieder nutzen und keinen Zweifel daran lassen, wer in Europa in Sachen Klimapolitik die Hosen anhat. Denn die UN-Klimakonferenz ist seine große Bühne. Lukas Scheid und Stephan Israel

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Climate.Table Redaktion

REDAKTION CLIMATE.TABLE

Licenses:
    • Brasilien: Schicksalswahl für den Regenwald
    • Xis dritte Amtszeit: Klimapolitik wichtig, Wachstum wichtiger
    • Entwicklungsministerin Schulze: Millionen-Summe für “Globalen Schutzschirm”
    • Termine der kommenden Woche
    • Verwirrung nach Rücktritt: Wer verhandelt für die EU auf der COP?
    • UNFCCC und IEA warnen: auf dem Weg zu 2,5 Grad
    • So viele fossile Subventionen wie noch nie
    • Studie: Öl, Gas und Kohle gefährden Gesundheit
    • Frans Timmermans im Portrait: EU-Klimazar will auf der COP glänzen
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    über das Weltklima wird nicht demokratisch entschieden. Wie viel Treibhausgase wir der Atmosphäre zumuten, entscheiden nationale Interessen und Strukturen. Die UNO ist keine Weltregierung. Und selten wird ihre Ohnmacht deutlicher als bei den Klimakonferenzen. Das wird in zwei Wochen im ägyptischen Sharm el Sheikh bei der COP27 auch nicht anders sein.

    Umso wichtiger sind politische Entscheidungen in den einzelnen Ländern. Deshalb widmen wir einen großen Teil dieser ersten Ausgabe des Climate.Table der Frage, wie in Klima-Supermächten die Weichen gestellt werden.

    In China hat sich Staats- und Parteichef Xi Jinping gerade eine dritte Amtszeit gesichert. Unser Kollege und China-Experte Nico Beckert hat deshalb Xis Klimapolitik analysiert und einen Ausblick gewagt. Fazit: Klima wird immer wichtiger, aber noch wichtiger bleibt das traditionelle Wirtschaftswachstum.

    In Brasilien steht eine Schicksalswahl für das Klima an: Gewinnt der autoritäre Jair Bolsonaro eine zweite Amtszeit, so schreibt es die Kollegin Daniela Chiaretti aus Sao Paulo, sehen manche Experten den Amazonas-Regenwald vor dem Aus – mit potenziell katastrophalen Folgen für das Weltklima.

    Und in der EU ist durch einen überraschenden Rücktritt plötzlich nicht mehr klar, wer bei der COP27 die Interessen Europas vertritt, wie unser Kollege Lukas Scheid schreibt.

    Unser Anspruch ist es, Sie mit Hintergründen, Nachrichten und Analysen zu versorgen. Ab heute wird der Climate.Table Ihnen das jede Woche liefern. Wir berichten von relevanten Entwicklungen rund um die Klimakrise aus der ganzen Welt, damit Sie besser einschätzen können, was in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft passiert.

    Zur COP in Ägypten werden wir das zwei Wochen lang jeden Tag tun. Damit Sie noch besser informiert sind, wer aus welchen Gründen die Entscheidungen über unsere Zukunft fällt. Wir bleiben dran.

    Wir freuen uns auf spannende Zeiten und auf Sie als unser Publikum, Ihre Reaktionen, Anregungen und Kritik. Sie erreichen uns immer unter climate@briefing.table.media.

    Und: Behalten Sie einen langen Atem!

    Ihr
    Bernhard Pötter
    Bild von Bernhard  Pötter

    Analyse

    Brasilien: Wahl entscheidend für das Weltklima

    Die Zerstörung des Amazonas-Waldes hat unter Präsident Bolsonaro wieder stark zugenommen

    Ein möglicher Wahlsieg des Kandidaten der Arbeiterpartei PT dürfte den Klimaschutz im Land ein gutes Stück voranbringen. Lula hat vor der Wahl gesagt: “Lasst uns dieses Land regieren, indem wir die Klimafrage zur Priorität machen”. Das heißt konkret beim Kampf gegen die Zerstörung des Regenwaldes:

    • die Befehls- und Kontrollorgane wie Armee, Polizei und Behörden in der Waldpolitik wieder zu stärken, nachdem sein Vorgänger sie geschwächt hat
    • gegen die illegale Abholzung und Brände vorzugehen
    • die Rechte der indigenen Bevölkerung zu verteidigen: Lula will zum Programm der “Gebietsabgrenzung” zurückkehren, bei dem Indigene ein Recht auf ihr Land haben und vor illegalen Zugriffen geschützt werden
    • Lulas Unterstützer fordern außerdem, ein “Sondersekretariat für den Klimanotstand” beim Präsidenten anzusiedeln – ähnlich der Stellung des US-Klimagesandten John Kerry bei US-Präsident Joe Biden.

    Mit Blick auf den Schutz des Regenwaldes geht eine aktuelle Analyse des Fachportals Carbon Brief davon aus, dass ein Sieg Lulas den Verlust von fast 76.000 Quadratkilometern Wald bis 2030 verhindern könnte – wenn er seine Versprechen einhält. Bolsonaro hingegen würde nach dieser Analyse weiter die Umweltkontrollen schwächen und illegale Abholzung tolerieren.

    Allerdings hätte auch Lula es nicht leicht beim Waldschutz. Denn im brasilianischen Parlament, dem Kongress, herrscht seit den Wahlen von Anfang Oktober eine konservative Mehrheit, die der Klima- und Umweltagenda nicht wohlgesonnen ist und Bolsonaro näher steht. Deshalb dürfte es auch für Lula schwer werden, sein Versprechen eines Stopps der illegalen Abholzung bis 2030 einzuhalten.

    Lula will Bolsonaros Schäden aufräumen

    Bolsonaros Engagement für den Klimaschutz ist allgemein gehalten und gilt als zweifelhaft. Der rechtsextreme Politiker wurde als Klimaleugner gewählt und versprach, “keinen Zentimeter” indigenes Land mehr auszuweisen. In seinen Reden auf internationalen Foren änderte er zwar seine Position in Bezug auf den Klimawandel. Dennoch nahm die Abholzung im Amazonasgebiet in den letzten Jahren deutlich zu.

    In den letzten Tagen des Wahlkampfs ist das Thema Abholzung noch einmal stark debattiert worden. Bolsonaros Anhänger behaupten, dass die Gesamtfläche der zerstörten Wälder in den ersten drei Jahren der Regierung Lula doppelt so groß war wie im gleichen Zeitraum der Regierung Bolsonaro. Das ist richtig, aber nur teilweise.

    Im Jahr 2003, dem ersten Jahr der Regierung Lula, betrug die abgeholzte Fläche im Amazonasgebiet nach Daten des staatlichen Weltraumbehörde INPE 25.300 Quadratkilometer. Im Jahr 2004 stieg sie auf 27.700 Quadratkilometer. Ab 2005 sanken die Abholzungsraten jedoch kontinuierlich, bis sie im Jahr 2010 eine Fläche von 7.200 Quadratkilometern erreichten. In den acht Jahren von Lulas zwei Amtszeiten ging die Entwaldung um 67 Prozent zurück.

    Unter der Regierung von Dilma Rousseff, die ebenfalls der PT angehörte, ging die Zahl weiter zurück und erreichte 2012 mit 4.500 Quadratkilometern den niedrigsten Wert.

    In den Jahren unter Bolsonaro nahm die Entwaldung wieder stark zu. Im Jahr 2019 betrug die abgeholzte Fläche 10.100 Quadratkilometer, 2020 waren es 10.800. Im Jahr 2021 erreichte sie 13.000 Quadratkilometer, ein Wachstum von 73 Prozent im Vergleich zum letzten Amtsjahr seines Vorgängers Michel Temer. Die Daten für 2022 deuten auf einen Wert zwischen 13.000 und 15.000 Quadratkilometer hin. Heute sind 90 Prozent der Abholzungen im Amazonasgebiet illegal und verstoßen gegen die brasilianischen Rechtsvorschriften.

    Schutz für Indigene und Rechtsstaat haben Entwaldung reduziert

    Wie hat Lula in seiner Amtszeit die Entwaldung reduziert? Durch:

    • wirksame Maßnahmen zur Durchsetzung des Rechts
    • die Bekämpfung illegaler Entwaldung
    • die Schaffung von Schutzgebieten und die Abgrenzung indigener Gebiete
    • sowie durch finanzielle Anreize für Städte, in deren Umland die Entwaldung nachließ.

    “Lula redet jetzt davon, den stehenden Wald als wertvoll zu betrachten, ihn als Naturschatz zu sehen”, sagt der Wissenschaftler und Klimatologe Carlos Nobre von der Universität Sao Paulo. “Er will die Maßnahmen und Politiken der Vergangenheit wieder aufnehmen”.

    Ein Sieg Bolsonaros wäre “enormes Risiko” für den Wald

    Nobre erwartet nicht, dass eine zweite Bolsonaro-Regierung, ihre “politische Praxis der Unterstützung des Bergbaus auf indigenem Land, der Legalisierung von illegal besetztem öffentlichem Land und der Expansionspolitik von Landwirtschafts- und Viehzuchtgebieten ändern wird”. Gewinnt Bolsonaro die Wahl “wird Brasilien in acht Jahren zum größten sozio-ökologischen Paria der Welt aufsteigen, mit einem enormen Risiko für den Amazonas.”

    Zusammen mit dem US-Wissenschaftler Thomas Lovejoy hat Nobre die Theorie entwickelt, dass der Amazonaswald bei zu starker Abholzung einen Punkt erreicht, an dem es kein Zurück mehr gibt und er sich nicht mehr regenerieren kann. Laut Nobre hat das brasilianische Amazonasgebiet bereits mehr als 21 Prozent seines ursprünglichen Waldes oder mehr als 830.000 Quadratkilometer verloren – eine Fläche fast so groß wie Deutschland und Spanien zusammen.

    Ein solcher Verlust des Amazonas-Regenwaldes wäre für das weltweite Klima und die Biodiversität mittel- und langfristig eine Katastrophe. Für Niklas Höhne, Professor für Klimaschutz an der Wageningen Universität und Leiter des New Climate Instituts, steht fest: “Der Amazonas repräsentiert einen der zehn wichtigsten möglichen globalen Kipppunkte, die – falls überschritten – das Klima in der ganzen Welt nachhaltig verändern würden.”

    Luciana Gatti, Forscherin am Nationalen Institut für Weltraumforschung (INPE), hat eine andere alarmierende Studie koordiniert. Demnach haben Abholzung und Brände im östlichen Teil des Amazonas dazu geführt, dass der Wald in einigen Regionen die Fähigkeit verloren hat, CO2 zu binden, und stattdessen zu einer Quelle für CO2-Emissionen geworden ist.

    Ölförderung als Schwachpunkt Lulas

    Der Schwachpunkt der Klimapolitik eines möglichen Präsidenten Lula könnte die Suche nach neuen Ölvorkommen vor der Küste Brasiliens sein. Das Land hat in den letzten Jahren seine Ölproduktion erhöht und ist dafür weit in die Tiefsee vorgedrungen. Derzeit produziert Brasilien etwa drei Millionen Barrel Öl am Tag.

    “Das ist eine große Herausforderung”, stimmt Nobre zu. Nach Daten des Öl- und Gassektors belaufen sich die brasilianischen Emissionen aus der Verbrennung fossiler Brennstoffe auf 18 bis 20 Prozent des brasilianischen Gesamtausstoßes. Damit liegen die Pro-Kopf-Emissionen der Brasilianer, wenn man sie nur auf die fossilen Brennstoffe bezieht, bei nur 2,2 Tonnen pro Jahr. Sie sind damit etwas höher als die Emissionen Indiens (1,8 Tonnen) und weitaus geringer als in China (7,4 Tonnen pro Kopf und Jahr), der Europäischen Union (5,84 Tonnen) oder der USA (14,24 Tonnen). Allerdings sprechen weder Lula noch Bolsonaro von einer Energiewende für Öl und Gas. In dem Sektor arbeiten gut 150.000 Beschäftigte.

    International jedenfalls gibt es Anerkennung für den früheren Klima-Kurs Brasiliens: Die frühere Umweltministerin von Lula und Dilma Rousseff, Izabella Teixeira, wurde von der ägyptischen COP-Präsidentschaft eingeladen, dem “Freundeskreis des Vorsitzes” anzugehören, um bei den komplexen Verhandlungen auf der Konferenz zu helfen. Daniela Chiaretti aus Sao Paulo

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    Xis dritte Amtszeit: Klima wichtig, Wachstum wichtiger

    2015 nahm Xi Jinping noch an der COP teil. In den letzten Jahren blieb er den Klimakonferenzen allerdings fern

    Die Klima-Bilanz von Chinas neuem und alten KP-Generalsekretär Xi Jinping sieht auf den ersten Blick sehr erfolgreich aus. In seinen neuneinhalb Jahren als Staatschef hat China:

    • in den letzten vier Quartalen die CO2-Emissionen gesenkt
    • allein im vergangenen Jahr so viele neue Wind- und Solar-Kapazitäten zugebaut, wie ganz Deutschland insgesamt vorweisen kann
    • im September 2020 seine Klimaziele verkündet: Ab 2030 die CO2-Emissionen nicht weiter steigen zu lassen
    • und 2060 CO2-Neutralität zu erreichen
    • im September 2021 vor der UNO verkündet, keine neuen Kohlekraftwerke mehr im Ausland zu bauen (Climate.Table berichtete)

    “Klimaschutz wichtig für den Machterhalt”

    Doch Fachleute warnen davor, die grünen Ambitionen des neuen alten Machthabers zu überschätzen. Aus ihrer Sicht dient Chinas Umwelt- und Klimapolitik unter Xi zum Machterhalt der Kommunistischen Partei; der CO2-Rückgang beruht teilweise auf der Covid-Krise; der Wachstumszwang der Wirtschaft ist weiter ungebrochen. Die Kohlelobby ist immer noch stark. Und auf dem anstehenden UN-Klimagipfel (COP27) ist von China wohl keine entscheidende Bewegung zu erwarten.

    Die Verringerung der CO2-Emissionen und der langfristige Kohleausstieg “gehören auf jeden Fall zu den wichtigsten Punkten auf Xis politischer Agenda”, sagt Nis Grünberg, Analyst des China-Think-Tanks Merics. “Xi sieht den Klimaschutz und die Anpassung an den Klimawandel als eine Voraussetzung für den langfristigen Machterhalt der Partei und der jetzigen Regierungsform”.

    Vier Quartale mit sinkenden Emissionen

    Immerhin: Seit Xis Amtsantritt 2013 sind die CO2-Emissionen weniger stark gestiegen als in den Jahren zuvor. In den letzten vier Quartalen sanken sie sogar leicht (China.Table berichtete). Der Kohleverbrauch wurde – auf einem hohen Niveau – stabilisiert. Und die Erneuerbaren Energien werden in rasanter Geschwindigkeit ausgebaut.

    Allerdings sind das alles relative Erfolge. Die Emissionen Chinas lagen laut Berechnungen von Carbon Brief auch im März 2022 noch bei fast 12,2 Milliarden Tonnen CO2. In zwei der letzten vier Quartale war der Rückgang nur minimal (siehe Grafik). Die pro-Kopf-Emissionen liegen seit 2018 über dem EU-Schnitt. China ist inzwischen weltweit auch historisch der zweitgrößte Verschmutzer. Der Tanker wurde abgebremst, bewegt sich aber noch immer in die falsche Richtung.

    Der Erfolg bei den sinkenden CO2-Emissionen beruht zu Teilen auch auf der Immobilien-Krise und den regelmäßigen Covid-Lockdowns. Ob sich der Rückgang weiter fortsetzt, ist offen.

    60 Aktionspläne: Intern ist Klimapolitik wichtig

    Der schnelle Ausbau der Erneuerbaren bietet eine große Chance, sind sich Lauri Myllyvirta und Xing Zhang, China-Expert:innen beim Centre for Research on Energy and Clean Air (CREA) sicher. Durch ihn könnte der Ausbau der Erneuerbaren so schnell gehen, dass die zusätzliche Energienachfrage der kommenden Jahre komplett durch saubere Energieträger gedeckt werden könnte. Dafür darf die Stromnachfrage aber nicht stärker als vier Prozent pro Jahr wachsen.

    Intern gilt Klimapolitik in China als wichtig. Seit Verkünden der Klimaziele haben die Zentralregierung und die Provinzen mehr als 60 Aktionspläne für die einzelnen Sektoren herausgegeben. Auf der internationalen Ebene und der COP27 wird es aber vermutlich keine größeren neuen Versprechen geben. Der Klimasondergesandte Xie Zhenhua sagte jüngst, die Implementierung und Umsetzung bestehender Klimaziele müsse bei der COP im Fokus stehen (China.Table berichtete).

    Xi Jinping selbst sucht die COP bisher nicht als große Bühne. Seine großen Klimapläne – die 2030/60-Ziele und den Kohleausstieg im Ausland – hat er vor der UN-Vollversammlung verkündet. China will sich nicht auf der COP von anderen Ländern drängen lassen, sondern vor dem heimischen Publikum als eigenständiger Akteur wahrgenommen werden.

    Bei COP wenig zu erwarten – Methan-Strategie steht noch aus

    Auch das Klimathema muss sich Xis geopolitischer Strategie unterordnen. Noch auf der COP26 in Glasgow verkündete der chinesische Delegationsleiter Xie, trotz aller geopolitischen Spannungen werde die Volksrepublik an den Klima-Gesprächen mit den USA festhalten. Ein halbes Jahr später, nach dem umstrittenen Besuch der Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi in Taiwan, setzte China diese Gespräche aus. Sie könnten erst jetzt auf der COP27 möglicherweise wieder aufgenommen werden.

    Allerdings will China noch in diesem Jahr eine Strategie zur Reduzierung der Methanemissionen vorstellen. “Das ist der zusätzliche Beitrag Chinas über unsere NDCs hinaus”, sagte Xie kürzlich in einem Interview. Die Methanemissionen im Öl- und Gassektor sowie der Landwirtschaft und der Abfallentsorgung sollen “kontrolliert” werden, so Xie. Den Kohle-Sektor, der den größten Teil der Methan-Emissionen verursachte, nannte Xie nicht.

    Krisen könnten nächsten Fünfjahresplan beeinflussen

    Auch hinsichtlich einer dritten Amtszeit Xis sind Analysten nicht allzu optimistisch, dass sich China schneller in Richtung Paris-Konformität bewegen wird. Die Erneuerbaren Energien werden wahrscheinlich noch schneller ausgebaut. Aber die Kohle wird mittelfristig ein wichtiger Bestandteil der Energieversorgung bleiben. Ob es beim Klimaschutz eine Beschleunigung geben wird, “wird aber auch von realpolitischen Faktoren getrieben, seien es Wirtschaftskrisen oder internationale Spannungen”, sagt Grünberg. “Je unsicher die Gesamtlage, desto unsicher wird auch die grüne Wende”.

    Die zunehmenden Konflikte zwischen China und den USA sowie der EU könnten kaum zu einem ungünstigeren Zeitpunkt kommen. Denn schon im nächsten Jahr starten die internen Debatten um den nächsten Fünfjahresplan Chinas. Falls die geopolitischen Spannungen und die Corona- und Wirtschaftskrise innerhalb Chinas anhalten, könnten Pekings Klima-Ambitionen für den nächsten Fünfjahresplan gering ausfallen. Sollte China dann noch immer keine konkreten Zahlen für den Emissionspeak bis 2030 benennen, um sich klima- und industriepolitische Spielräume zu erhalten, wird der Pfad ab 2030 hin zur Klimaneutralität noch steiler als er ohnehin schon ist.

    Versäumnisse bei der Energiewende und Stärke der Kohle-Lobby

    Xi ist zwar der mächtigste Mann Chinas und hat die Macht im letzten Jahrzehnt immer stärker auf seine Person konzentriert. Doch beim Klimaschutz kann und will er nicht durchregieren. Die Volksrepublik ist noch immer zu abhängig von der Kohle. Dabei hätte das Land den Willen, die technischen Möglichkeiten und die Unterstützung der führenden Politiker, um die Energiewende schneller voranzubringen, so Grünberg. “Das ist auch eines der Ziele, die Xi Jinping persönlich wichtig sind”, sagt der Merics-Forscher. “Doch die Kohlelobby schafft es bei jeder Krise, sei es die Hitzewelle dieses Jahr oder die Stromkrise 2021, Kohle als die sicherste Basis des Energiesystems zu forcieren, und damit den Ausstieg zu verzögern”.

    Auch Reformen des Strommarktes seien zu langsam vorangetrieben worden. “In diesem Bereich hätte China sehr viel erreichen können bei der Senkung der CO2-Emissionen”, so Grünberg. Die Kohle hatte jahrelang Vorrang in Chinas Energiesystem. Das liegt auch an den mächtigen Interessen der Kohleindustrie und der Provinzen. Letztere wirken als Bindeglied zwischen der Zentralregierung und der lokalen Ebene, auf der die Klimapolitik häufig umgesetzt wird. Die Provinzen verfolgen dabei auch eigene Ziele und können beispielsweise den Kohleausstieg verlangsamen.

    Wachstum zentrale Legitimation der Regierung

    Und auch Xi muss unterschiedliche Ziele unter einen Hut bringen: Das Wirtschaftswachstum ist die zentrale Legitimation seiner Regierung und der Kommunistischen Partei. Die sichere Stromversorgung der Industrie und der Klimaschutz stehen auf seiner Agenda ähnlich weit oben. In Krisenzeiten sind Wachstum und Energiesicherheit jedoch wichtiger. In den CO2-intensiven Branchen Kohle, Bau und Schwerindustrie sind über 60 Millionen Menschen beschäftigt (China.Table berichtete). Wiederholt mahnt Xi in politischen Reden einen vorsichtigen Wandel an. “Das Neue muss erst erschaffen werden, bevor das Alte weggeworfen wird”, sagte er auf dem jüngsten Parteitag zu Chinas Energieversorgung.

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    Standpunkt

    Hilfe, bevor der Schaden eintritt

    Von Svenja Schulze
    Svenja Schulze, Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung

    In Bangladesch ist der Klimawandel längst Realität. Es wird jedes Jahr heißer, Dämme halten den zunehmenden Zyklonen und Überflutungen nicht mehr stand. Ganze Dörfer werden mitgerissen, die Reisfelder versalzen und bleiben unfruchtbar zurück. Straßen werden unbefahrbar, Schulen müssen schließen oder dienen als Schutzbunker. Immer mehr Menschen verlieren von heute auf morgen ihr gesamtes Hab und Gut, ihre Bleibe und Lebensgrundlage. Ohne Unterstützung stehen viele vor dem Nichts.

    Bangladesch ist kein Einzelfall. Extremwetterereignisse wie Überschwemmungen oder Dürren nehmen weltweit zu. Die Folgen des Klimawandels treffen gerade Entwicklungsländer besonders hart. Hier leiden ohnehin schon viele Menschen unter Armut, und Regierungen haben weniger Möglichkeiten, die Bevölkerung vor solchen Katastrophen und ihren Folgen zu schützen. Der sich beschleunigende Klimawandel macht wichtige Entwicklungsfortschritte zunichte und immer mehr Menschen droht Armut.

    Verantwortung übernehmen

    Das ist umso bitterer, wenn man bedenkt, dass die meisten Entwicklungsländer nur einen Bruchteil zu den weltweiten Treibhausgasemissionen beigetragen haben. Der Großteil der Emissionen geht auf das Konto der Industriestaaten – und zunehmend auch auf das der großen Schwellenländer.

    Es ist daher höchste Zeit, dass die Regierungen dieser Länder ihrer Verantwortung nachkommen, die Menschen in Entwicklungsländern vor den Folgen des Klimawandels zu schützen. Dazu gehört, dass sie den Klimaschutz noch schneller vorantreiben, um die Erderwärmung wie in Paris beschlossen möglichst auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken. Aber das Rad der Zeit lässt sich nun einmal nicht zurückdrehen – und schon jetzt führt die Klimakrise in vielen Ländern zu hohen Schäden. Daher müssen die Industrieländer und perspektivisch auch die großen Schwellenländer arme und besonders verwundbare Länder darin unterstützen, sich an den Klimawandel anzupassen.

    Vulnerable Länder unterstützen

    Klimabedingte Verluste (wie dürrebedingte Ernteeinbußen) und Schäden (etwa an Häusern und Straßen bei Stürmen) lassen sich nicht mehr komplett abwenden. Aber es gilt, sie nach besten Möglichkeiten zu begrenzen. Wenn wir die Widerstandsfähigkeit der betroffenen Menschen stärken, lässt sich viel Leid vermeiden. Ich bin überzeugt: Es liegt allemal in unserer Macht als internationale Gemeinschaft, arme und verwundbare Menschen und Länder besser vor Klimarisiken zu schützen und ihnen nach desaströsen Wetterereignissen schnell zu helfen und eine Perspektive zu geben!

    Auf den internationalen Klimakonferenzen verhandelt das Entwicklungsministerium das Thema Verluste und Schäden federführend für die Bundesregierung. Bei der nächsten Konferenz in Ägypten wollen wir eine Einigung erzielen, wie die Unterstützung für arme und vulnerable Länder verstärkt und wirksam ausgestaltet werden kann. Wenig zielführend sind dabei langwierige und am Ende wenig aussichtsreiche völkerrechtliche Debatten. Wir wissen aus der Vergangenheit sehr genau, dass sich die Positionen der verschiedenen Länder dann sehr schnell zu einem unauflösbaren Knäuel verwickeln. Mir geht es deshalb darum, effektiv, umfassend und vorwärtsgerichtet zu handeln.

    Mehr Geld für Klimaschäden

    Ich sehe drei Ansatzpunkte, damit diese Aufgabe gelingt:

    • Internationale Partner müssen enger zusammenarbeiten.
    • Als internationale Gemeinschaft müssen wir mehr Geld für den Umgang mit klimabedingten Verlusten und Schäden mobilisieren.
    • Wir müssen innovative und passgenaue Lösungen für jedes Land finden – gerade für solche Länder, die besonders gefährdet und verwundbar sind.

    Genau deshalb hat sich die Bundesregierung im Rahmen ihres G7-Vorsitzes für einen Globalen Schutzschirm gegen Klimarisiken starkgemacht. Das Konzept dafür haben die G7-Partner gemeinsam mit der Gruppe der Vulnerable Twenty (V20) entwickelt, einem Zusammenschluss der am stärksten vom Klimawandel betroffenen Staaten. Es wurde Mitte Oktober von G7 und V20 am Rande der Weltbankkonferenz in Washington beschlossen.

    Schnelle Finanzhilfe im Notfall

    Der Klimarisiko-Schutzschirm soll Menschen aus dem Globalen Süden dabei helfen, klimabedingte Katastrophen besser zu bewältigen und ihren Schaden zu begrenzen. Er unterstützt gefährdete Länder schon, bevor eine Krise überhaupt eintritt:

    • Sie erhalten Unterstützung dabei, ihre ganz speziellen Klimarisiken zu analysieren und Vorsorge- und Notfallpläne zu entwickeln.
    • Insbesondere werden Finanzierungssysteme ausgebaut, die schnell Mittel zur Verfügung stellen können. Dazu gehören Versicherungen und soziale Sicherungssysteme, aber auch Budgetreserven für wiederkehrende Katastrophen und Zuschüsse der Gebergemeinschaft und Darlehen von Entwicklungsbanken, die im Katastrophenfall ausgezahlt werden.

    Wenn dann ein Schadensfall eintritt, steht das Geld schon bereit. Die Regierung kann schnell reagieren und die Betroffenen unterstützen. Im Fall einer Dürre kann sie beispielsweise Zuschüsse an Kleinbäuerinnen und Kleinbauern vergeben, damit diese Saatgut und Dünger für die nächste Aussaat kaufen können. So kommen sie und ihre Familien besser durch harte Zeiten.

    Klimakosten werden begrenzt

    Der Schutzschirm soll so verhindern, dass Menschen und Regierungen sich verschulden oder lange auf humanitäre Hilfe warten müssen. Dank ihm kann die Regierung nach einem Sturm oder einer Überschwemmung sofort mit dem Wiederaufbau beginnen und zum Beispiel Brücken, Straßen, Krankenhäuser und Schulen schnell wieder herstellen.

    Dadurch, dass der Schutzschirm schnelle Hilfe ermöglicht, werden die Auswirkungen von Klimakatastrophen weniger teuer. Je schneller die Betroffenen wieder auf die Beine kommen, desto eher kann verhindert werden, dass sie in die Armut abrutschen. Je schneller die öffentliche Versorgung wieder funktioniert, desto besser können Hungersnöte und Krankheitsausbrüche vermieden werden.

    Der Klimarisiko-Schutzschirm soll gerade den verwundbarsten und ärmsten Ländern zugutekommen. Die V20 haben mehrere Pilotländer ausgewählt, sogenannte Pathfinder countries. Zu ihnen gehören Bangladesch, Ghana, Senegal, Costa Rica, die Philippinen und Fidschi. Weitere Länder sollen hinzukommen. Noch in diesem Jahr sollen die ersten Schutzpakete in diesen Ländern vorbereitet werden. Die Beteiligten bauen dabei auf bestehenden Instrumenten zum Umgang mit Klimarisiken auf, bündeln sie und entwickeln sie weiter.

    Finanzbeitrag aus Deutschland

    Die Bundesregierung wird den Start des Globalen Schutzschirms gegen Klimarisiken weiter unterstützen, unter anderem mit einem substanziellen Finanzierungsbeitrag im zweistelligen Millionenbereich. So zeigt sich Deutschland solidarisch mit den Ländern und Menschen, die sich nicht allein gegen die Folgen des Klimawandels absichern können.

    Bei der Weltklimakonferenz COP 27 im November in Ägypten werden die G7 zusammen mit den V20 den Klimarisiken-Schutzschirm vorstellen und für weitere Unterstützung werben. Denn als internationale Gemeinschaft müssen wir gemeinsam Verantwortung übernehmen. Nur so können wir klimabedingte Verluste und Schäden begrenzen und möglichst viele Leben und Existenzen retten.

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    • Svenja Schulze

    Termine

    27.10.2022, 13 Uhr, online
    Veröffentlichung Emissions Gap Report
    Das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) veröffentlicht bei einer digitalen Veranstaltung den “Emissions Gap Report: The Closing Window – Climate crisis calls for rapid transformation of societies”. Im Vorfeld der COP27 enthält der Bericht Szenarien zur Erfüllung des Pariser Klimaabkommens. INFOS

    27.10.2022, 17 Uhr, online
    Webinar State of NDCs: How Countries’ Climate Plans Stack Up
    Zwei Wochen vor der COP27 analysiert das World Resources Institute mit der Plattform Climate Watch anhand von rund 200 Indikatoren, wie gut die Länder ihre NDCs (Nationally Determined Contributions) zur Einhaltung des Pariser Klimaabkommens erfüllen. Es geht dabei sowohl um Klimaanpassung und Mitigation als auch um gerechte Transition. Beim Webinar sollen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auch lernen Climate Watch für eigenen Recherchen zu nutzen. INFOS

    29.10.2022, 11-13 Uhr, Dresden
    Workshop Klimaberichterstattung: Journalismus in der Klimakrise
    Bei dem Workshop der Rosa-Luxemburg-Stiftung diskutieren Katharina Mau (Netzwerk Klimajournalismus) und Fabian Eckstedt (Redakteur bei “Klima in Bewegung”) darüber, was sich verändern muss, damit die Klimakrise bei jeder Berichterstattung mitgedacht wird und was passieren muss, damit das Thema nicht immer hinter vermeintlich aktuelleren Krisen zurückstecken muss. INFOS UND ANMELDUNG

    29.10.2022, 19-21 Uhr, Berlin
    Vortrag und Diskussion Wie die Rechten die Klimabewegung angreifen!
    Matthias Quent, Autor des Buches “Klimarassismus”, und Künstler Arne Vogelsang diskutieren bei der Veranstaltung der Heinrich-Böll-Stiftung, wie rechte Akteure die Klimabewegung angreifen. Dabei geht es sowohl um Hass im Internet als auch um Manipulationstechniken von Parteien. INFOS

    30.10.2022, Brasilien
    Wahlen Stichwahl Präsidentschaftsamt
    Die Präsidentschaftswahl in Brasilien ist für das globale Klima entscheidend (siehe Analyse in diesem Climate Table).

    02.11.2022, 18-20 Uhr, Aachen
    Vortrag Zur Kritik des Green New Deal: “Klimaneutralität” und “grünes Wachstum” auf dem Prüfstand
    Die Berliner Ökonomin Birgit Mahnkopf zieht in ihrem Vortrag eine ernüchternde Bilanz zu den Green Deal Plänen der EU. Mit dem Green Deal werde das wachstumsorientierte Wirtschaftsmodell fortgesetzt, planetare Grenzen würden auch weiterhin nicht beachtet. Für echten Klimaschutz müsste es ihrer Ansicht nach weitreichendere Reformen geben. INFOS

    03.11.2022, 15-16 Uhr, online
    Veröffentlichung Bericht The State of Climate Action in 2022
    Der “State of Climate Action”-Report, der vom System Change Lab erstellt wurde, wird vom World Resources Institute veröffentlicht. Kurz vor der COP27 soll er auch als Orientierung für die Verhandlungen der Klimakonferenz dienen.  Zur Veröffentlichung gibt es eine Podiumsdiskussion von Expertinnen und Experten. INFOS

    07-18.11.2022, Sharm el-Sheikh, Ägypten
    UN-Klimakonferenz COP27
    Die UN-Klimakonferenz COP27 tagt ab 7.11. für zwei Wochen in Ägypten. Den Auftakt machen über 90 Staats- und Regierungsschefs. Climate Table widmet die nächste Ausgabe am 3.11. der Vorschau auf die Konferenz – und erscheint während der COP täglich. INFOS

    News

    Unklar vor der COP: Wer verhandelt für die EU-Staaten?

    Zehn Tage vor Beginn der COP27 im ägyptischen Sharm el-Sheikh ist plötzlich unklar, wer die Position der Mitgliedsländer der Europäischen Union auf der Klimakonferenz vertreten wird. Nach dem überraschenden Rücktritt der tschechischen Umweltministerin Anna Hubáčková ist in Brüssel und Prag nicht bekannt, wer ihre Nachfolge antritt. Auch in Brüsseler Kreisen hat die Nachricht von ihrem Ausscheiden bisher noch kaum die Runde gemacht.

    Als Vertreterin ihres Landes in der rotierenden EU-Ratspräsidentschaft sollte die tschechische Ministerin die Position der 27 Mitgliedstaaten vertreten. EU-Klimakommissar Frans Timmermans (siehe Porträt) hat nach den Regeln der Europäischen Union als Vertreter der EU-Kommission offiziell nur beratende Funktion bei den internationalen Verhandlungen.

    In den UN-Gremien sind die Regierungen der Länder die zuständigen Akteure, sodass der tschechischen Ratspräsidentschaft als Vertreterin der EU-Staaten die Hauptrolle zukommt. Eine kurzfristige Neubesetzung oder gar eine Vakanz auf ministerieller Ebene könnte eine Schwächung der Sprechfähigkeit der EU-Staaten auf der COP27 bedeuten.

    Ministerin Hubáčková überraschend zurückgetreten

    Hubáčková, Mitglied der christdemokratischen Partei KDU-ČSL, war Anfang Oktober aus gesundheitlichen Gründen überraschend zurückgetreten und scheidet Ende Oktober aus dem Amt. Zwar soll ab dem 1. November Arbeitsminister Marian Jurečka (KDU-ČSL) kommissarisch ihr Ressort übernehmen, doch ob er auch als zuständiger Minister zur COP27 reisen wird, steht offenbar noch nicht fest. Das Umweltministerium habe zwar einen dahingehenden Wunsch geäußert, erfuhr Table.Media aus dem Umfeld Hubáčkovás. Aber man wisse noch nicht, ob dies in den Zeitplan des Ministers passe, hieß es.

    Fest steht bislang, dass Tschechiens Premierminister Petr Fiala (ODS) beim High Level Segment zu Beginn der COP27 für die EU-Staaten sprechen wird und dass der stellvertretende Umweltminister Jan Dusík die Verhandlungsdelegation der Tschechen über die zweiwöchige Konferenz leiten wird. Das berührt aber nicht ihre Position als EU-Verhandlungsführerin auf ministerieller Ebene.

    Zunächst sollte Hubáčkovás Posten als tschechische Umweltministerin vom aktuellen Vize-Bürgermeister der Stadt Brno, Petr Hladík, übernommen werden. Doch seine Ernennung wurde aufgrund von polizeilichen Ermittlungen in seinem Umfeld vorübergehend auf Eis gelegt. Gegen Hladík selbst wird allerdings nicht ermittelt. Daher deuteten sowohl Jurečka als auch Premier Fiala zuletzt wieder an, dass Hladík den Posten als Umweltminister übernehmen wird.

    Ob das noch vor Beginn der COP27 am 7. November passiert, ist jedoch fraglich. Die EU will dort erste Ergebnisse ihres ehrgeizigen Fit-for-55-Programms präsentieren und sich für Fortschritte bei der Emissionsreduktion, Klimaanpassung und Klimafinanzierung einsetzen. Erst am Wochenbeginn hatte der Umweltrat beschlossen, dass eine mögliche Erhöhung des EU-Klimaplans (NDC) erst im kommenden Jahr erfolgen soll. luk

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    IEA und UN: Welt auf dem Weg zu 2,5 Grad

    Die Entwicklung auf den globalen Energiemärkten und die Klimapläne der UN-Staaten bringen die Welt auf einen Pfad hin zu einer Erwärmung von etwa 2,5 Grad Celsius bis 2100. Das ist ein gemeinsamer Nenner des aktuellen “NDC-Syntheseberichts” des UN-Klimasekretariats UNFCCC und des jährlichen “World Energy Outlook” (WEO) der Internationalen Energieagentur IEA, die am Mittwoch und Donnerstag veröffentlicht wurden. Beide Berichte erkennen im globalen Energieverbrauch, den Investitionen in saubere Energien und CO2-Ausstoß positive Trends in Richtung Klimaschutz. Doch sie seien viel zu langsam für die Einhaltung des 1,5-Grad-Klimaziels.

    IEA sieht erstmals fossilen Peak

    Der “World Energy Outlook” der IEA sagt erstmalig einen Höhepunkt für den globalen CO2-Ausstoß im Jahr 2025 und einen Gipfel im Verbrauch von Kohle, Gas und Öl für das nächste Jahrzehnt voraus. In dem Papier heißt es: Würden die bisherigen Planungen der Länder umgesetzt,

    • sinke die Kohlenutzung in den nächsten paar Jahren
    • erreiche der Bedarf an Erdgas am Ende des Jahrzehnts ein Plateau und
    • wachse der Ölverbrauch ab Mitte der 2030er Jahre nicht mehr.

    Demnach falle der Anteil der Fossilen am globalen Energiemix von derzeit etwa 80 bis zum Jahr 2050 auf knapp über 60 Prozent, und die energiebedingten CO2-Emissionen gingen von derzeit 37 Milliarden Tonnen jährlich auf etwa 32 Milliarden Tonnen in 2050 zurück. Allerdings “gibt es noch eine große Lücke zwischen den Versprechen von heute und der Stabilisierung des Temperaturanstiegs bei 1,5 Grad”, erklärte die IEA.

    Ukrainekrieg bringt Energiewende-Potenzial

    Die russische Invasion in der Ukraine habe “die Energiemärkte und Energiepolitik nicht nur derzeit verändert, sondern für die nächsten Jahrzehnte”, erklärte IEA-Exekutivdirektor Fatih Birol. Das biete das “Potenzial, den Übergang zu einem Energiesystem zu beschleunigen, das nachhaltiger und sicherer ist.” Dafür sei aber die Unterstützung der Politik nötig, heißt es im WEO. Der Bericht schätzt den gegenwärtigen Aufschwung der Kohle als kurzzeitig ein und sieht Wachstum bei den Erneuerbaren und der Atomkraft.

    Die Investitionen in erneuerbare Energien könnten laut Birol im Jahr 2030 bei zwei Billionen US-Dollar pro Jahr liegen, “mehr als 50 Prozent höher als heute”. Allerdings werde das Doppelte benötigt, vier Billionen Dollar Investitionen pro Jahr, um das IEA-Szenario “Net Zero Emissions” für 2050 zu erreichen.

    Emissionen wachsen langsamer, müssten aber sinken

    Der Trend ist leicht positiv, aber der Fortschritt viel zu langsam: Das ist auch das Fazit des UNFCCC-Exekutivdirektors Simon Stiell zu den Klimaschutzplänen (NDC) der UN-Mitgliedsstaaten. “Wir drücken die Kurve der Emissionen nach unten, aber wir sind einfach nicht gut genug“, sagte Stiell bei der Präsentation des “NDC-Syntheseberichts”, der einen Überblick über die Anstrengungen der Staaten gibt.

    Nach den nun vorgelegten Plänen würde der weltweite Ausstoß von Treibhausgasen bis 2030 um 10,6 Prozent zunehmen. Noch vor einem Jahr zeichnete sich dabei ein Wachstum von 13,7 Prozent ab. Es gibt also eine leichte Verbesserung. Doch um die 1,5-Grad-Obergrenze aus dem Pariser Klimaabkommen einzuhalten, müssten die Emissionen zwischen 2019 und 2030 um 43 Prozent sinken, so Stiell. “Jede Verzögerung bei der Reduktion kostet Leben, denn die Klimakrise ist real.”

    Nur 24 von 193 Staaten legten neue Pläne vor

    Bei der Klimakonferenz COP26 in Glasgow hatten die 193 teilnehmenden Staaten im vergangenen Jahr beschlossen, bis zur nächsten COP ihre NDC-Klimapläne zu stärken. Doch bis zum 23. September 2022 hätten das nur 24 Länder getan, erklärte der UNFCCC-Chef. Das sei enttäuschend. “Wir sind bei den Emissionsreduktionen noch nicht annähernd in der Nähe des Umfangs und der Geschwindigkeit, die uns auf den Pfad zu einer Welt von 1,5 Grad bringen”, so Stiell. “Um dieses Ziel am Leben zu erhalten, müssen die Regierungen ihre Klimapläne jetzt stärken und sie in den nächsten acht Jahren umsetzen.” bpo

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    • IEA
    • UNFCCC

    Fossile Subventionen auf Rekordniveau

    Noch nie haben die G20-Länder mehr Subventionen an die Produzenten von Öl, Gas und Kohle gezahlt als 2021: 64 Milliarden Dollar. Insgesamt unterstützten die 20 größten Länder, die für etwa 75 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen verantwortlich sind, die Produktion und den Verbrauch von fossilen Rohstoffen in diesem Jahr mit 190 Milliarden Dollar. Das ergab der “Climate Transparency Report” einer internationalen Kooperation von 16 Think-Tanks und Umweltgruppen auf Grundlage von Daten der OECD und der Internationalen Energieagentur (IEA).

    In absoluten Zahlen führen demnach China, Indonesien und Großbritannien die Liste an. Betrachtet man den Anteil der Staatshilfen im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung der jeweiligen Länder, liegen dagegen Indonesien, Südafrika, Mexiko und Argentinien weit vorn. Für Saudi-Arabien liegen zwar keine vergleichbaren Daten vor. Eine Rechnung der IEA taxiert die Staatshilfen für den fossilen Bereich dort allerdings auf etwa 17 Milliarden Dollar.

    Die umfangreichen Subventionen seien auch als Unterstützung für die fossilen Industrien in und nach der Covid-Pandemie und der folgenden Absatzschwäche zu sehen, heißt es im Bericht. Für 2022 erwarten die Autoren, dass das hohe Niveau der Subventionen wahrscheinlich bestehen bleibe, weil etwa europäische Länder ihre Bürger vor hohen Energiepreisen schützen wollen. 2009 hatten die G20-Staaten beschlossen, “ineffiziente Subventionen für fossile Brennstoffe, die zu verschwenderischem Verbrauch führen, mittelfristig auslaufen zu lassen”.

    Auch bei den öffentlichen Ausgaben, die keine Subventionen sind, zeigten die G20-Länder eine deutliche Vorliebe für fossile Energien. Mit Haushaltsgeld, Steuerausgaben und durch Kredite und Zuschüsse öffentlicher Banken unterstützten sie 2019 und 2020 mit jeweils etwa 62 Milliarden Dollar vor allem die Öl- und Gasbranche. An der Spitze standen dabei Japan, Südkorea und China.

    63 Prozent aller öffentlichen Ausgaben der G20-Staaten im Energiesektor flossen in fossile Industrien. Von der Gesamtsumme dieser Ausgaben von knapp 100 Milliarden Dollar gingen 20 Prozent an erneuerbare Energien wie Wind, Sonne und Geothermie, 18 Prozent flossen in Infrastruktur-Bereiche wie Stromleitungen, große Staudämme oder die Atomindustrie.

    Im Jahr 2021 hatten viele Staaten erklärt, diese Zahlungen an fossile Industrien zu drosseln. Die G7 und Südkorea beschlossen, ihre Entwicklungsbanken würden keine Kohle ohne CO2-Speicherung mehr unterstützen. Auch China will keine Kohlekraftwerke mehr im Ausland finanzieren. Auf der Klimakonferenz in Glasgow hatten 39 Staaten und Finanzinstitute erklärt, vollständig aus der Finanzierung von fossiler Infrastruktur im Ausland auszusteigen.

    Der “Climate Transparency Report” kritisiert, die Regierungen hätten bislang “nicht ausreichend klargemacht”, unter welchen “außergewöhnlichen Umständen” sie weiterhin etwa in die Gasproduktion investieren wollten. Solche Ausnahmen hätten sich im Licht der Energiekrise “beträchtlich ausgeweitet”, heißt es. bpo

    • Fossile Brennstoffe
    • G20
    • Subventionen

    Medizin-Studie: Erderhitzung bedroht Überleben

    Regierungen und Unternehmen weltweit gefährden mit ihren Strategien die Gesundheit und das Überleben aller heute lebenden Menschen und künftiger Generationen, heißt es im globalen Jahresbericht der medizinischen Fachzeitschrift Lancet. Der “Countdown on Health and Climate Change” beruht auf der Arbeit von rund 100 Experten aus 51 Institutionen, darunter die Weltgesundheitsorganisation und die Weltorganisation für Meteorologie.

    Fossile Energien verschärfen Krankheiten

    Durch die anhaltende Verbrennung von fossilen Brennstoffen werden laut Bericht Gesundheitsprobleme noch verschärft, darunter:

    • Hunger,
    • Infektionskrankheiten,
    • hitzebedingte Krankheiten,
    • Krankheiten aufgrund von Energiearmut und
    • Todesfälle aufgrund von Luftverschmutzung.

    Extreme Hitze, so der Bericht, wirke sich direkt auf die Gesundheit aus: Grunderkrankungen wie Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen verschlimmerten sich. Das könne zu Problemen wie Hitzschlag, Problemen in der Schwangerschaft, schlechterem Schlaf, schlechter psychischer Gesundheit und mehr verletzungsbedingten Todesfällen führen. Auch schränke Hitze die Arbeits- und Bewegungsfähigkeit der Menschen ein.

    “An einem kritischen Punkt angelangt”

    “Unser diesjähriger Bericht zeigt, dass wir an einem kritischen Punkt angelangt sind. Wir sehen, wie der Klimawandel überall auf der Welt schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit hat”, sagt Marina Romanello, Executive Director des Lancet Countdown am University College London.

    Am erstmals durchgeführten speziellen Lancet Countdown für Europa haben 44 europäische Forscherinnen und Forscher mitgewirkt. “Nach dem heißesten europäischen Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen wird sich Europa der Realität einer sich erwärmenden Welt bewusst, und was dies für unsere Gesundheit bedeutet”, sagt Rachel Lowe, Leiterin des Global Health Resilience Teams.

    Erster Bericht für Europa: Sterblichkeit hat zugenommen

    Die Ergebnisse für Europa:

    • Verglichen mit dem Zeitraum von 2000 bis 2010 sind die Menschen im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts um 57 Prozent häufiger Hitzewellen ausgesetzt. Lokal waren es sogar mehr als 250 Prozent.
    • Die hitzebedingte Sterblichkeit hat zwischen 2000 und 2020 um 15 jährliche Todesfälle pro Million Einwohner und Jahrzehnt zugenommen.
    • 55 Prozent aller europäischen Bürger litten zwischen 2010 und 2020 unter extremen bis außergewöhnlichen sommerlichen Dürren.
    • Die Veränderungen des Klimas begünstigen die Verbreitung von Infektionskrankheiten wie Denguefieber, Malaria und West-Nil-Virus.

    Fazit: Schneller Übergang zu sauberer Energie

    Der Bericht weist auch darauf hin, dass die höhere Belastung durch den Klimawandel in Europa auch energie- und wirtschaftspolitische Dimensionen hat:

    • In den letzten zehn Jahren gab es die höchsten wirtschaftlichen Verluste aufgrund von klimabedingten Extremereignissen im Jahr 2021. Der wirtschaftliche Verlust belief sich auf knapp 48 Milliarden Euro. Der größte Teil der Verluste entfiel im Jahr der Hochwasser-Katastrophe an der Ahr auf Deutschland mit gut 30 Milliarden Euro.
    • Trotz des schnellen Ausbaus von Wind- und Solarkraft zur Stromerzeugung in Ländern wie Dänemark, Großbritannien, Deutschland, Italien und Griechenland lag der Anteil der CO2-armen Energieversorgung in Europa 2020 bei 21 Prozent. Beim Strom waren es nur 17 Prozent.

    Der Lancet-Report mahnt: Eine Verlängerung der Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen in der aktuellen Energiekrise könnte eine fatal wärmere Zukunft bedeuten. Ein schnellerer Übergang zu sauberer Energie könne hingegen verhindern, dass die durch den Klimawandel bedingten Todesfälle und Krankheiten weiter ansteigen. nik

    • Erderhitzung
    • Gesundheit

    Presseschau

    Politikanalyse: Meloni macht die Klimakrise in Italien zu einem Thema für Rechte, Politico
    Nachricht: Finanzbehörden machen Greenwashing bei Investitionen in Großbritannien schwieriger, Financial Times
    Recherche: Können Ölkonzerne CO2-Abscheidung und -Speicherung (CCS) vorantreiben?, Financial Times
    Klimapolitik: Afrikanische Staaten fordern, dass reiche und industrialisierte Länder für die Klimakrise zahlen statt von ihnen Abkehr von Öl und Gas zu erwarten, Bloomberg
    Reportage: In Virginia in den Vereinigten Staaten wird aufbereitetes Abwasser zurück in den Wasserkreislauf gepumpt – als Strategie gegen Wassermangel, New York Times
    Analyse: Eine neue Studie zeigt, wie genau unsere Ernährung den Planeten beeinflusst, The Washington Post
    Interview: Wie ein Meeresschutzgebiet im Pazifik Fischbestände erhöht – und was die Götter damit zu tun haben, Der Spiegel
    Analyse: Kann der neue Premierminister Rishi Sunak die Klimaagenda von Großbritannien wiederaufbauen? The Guardian

    Heads

    Frans Timmermans – der Brückenbauer aus Brüssel

    Frans Timmermans ist Vizechef der EU-Kommission und Kommissar für den Green Deal

    Die UN-Klimakonferenz gehört zu den Highlights im politischen Jahreskalender von Frans Timmermans. Selten steht Klimaschutz so stark im weltweiten Fokus und der Exekutiv-Vizepräsident der EU-Kommission ist auf der großen diplomatischen Bühne voll in seinem Element. Der Klimazar der EU will auf der COP27 als selbsternannter Brückenbauer zwischen Industrie- und Entwicklungsländern glänzen.

    Und neue Brücken braucht es dringend, das weiß Timmermans. Es habe Rückschläge gegeben, viele unerfüllte Erwartungen, vor allem in den Entwicklungsländern, was die Klimaanpassung und die Frage der Verluste und Schäden angeht, sagte der Niederländer am Montag, als die EU-Staaten ihr Verhandlungsmandat für die COP27 beschlossen.

    Jenes Verhandlungsmandat bezeichnete der 61-Jährige schließlich nur als “akzeptabel” – ein Rüffel an die Ministerinnen und Minister des EU-Umweltrats. Denn noch immer erfüllen die Industrieländer das 100-Milliarden-Dollar-Versprechen zur Klimafinanzierung nicht. Erst 2023 soll es so weit sein, erwarten die EU-Mitgliedsländer. Timmermans dürfte es zudem enttäuscht haben, dass die EU-Staaten keine konkreten Lösungen zu den Forderungen der Entwicklungsländer nach mehr Unterstützung für Hilfe bei Klimaschäden (“Loss and Damage”) vorgelegt haben. Man wolle sich konstruktiv zu dem Thema austauschen, um mehr über die Bedürfnisse des globalen Südens zu erfahren, heißt es im EU-Mandat.

    Timmermans will Ergebnisse präsentieren

    Dabei sind die Bedürfnisse des globalen Südens längst bekannt. Die Entwicklungsländer fordern ein Finanzierungsinstrument für Loss and Damage und dass die Industrienationen als Hauptverursacher des Klimawandels für Verluste und Schäden auch finanziell Verantwortung übernehmen. Die USA und auch einige EU-Länder scheuen sich vor diesem Schritt, da sie fürchten, künftig für Verluste und Schäden in Folge des Klimawandels haftbar gemacht werden zu können.

    Auch bei der Erhöhung der bei der UN hinterlegten Klimaziele, im Jargon NDC genannt, sind die EU-Staaten zögerlich. Das Ziel der EU bleibt vorerst bei 55 Prozent weniger CO2-Emissionen bis 2030 im Vergleich zu 1990. Gerne wäre Timmermans mit einem neuen NDC nach Ägypten gereist, denn er betont stets die Vorbildrolle der EU beim Klimaschutz und lässt kaum eine Gelegenheit aus, andere Länder zu höheren Zielen aufzufordern.

    Also will Timmermans in Sharm el-Sheikh mit Fortschritten beim Fit-for-55-Paket, den Gesetzesvorschlägen zur Implementierung von Europas Klimazielen, imponieren. Darunter fallen unter anderem:

    • das Aus für neu zugelassene Verbrenner ab dem Jahr 2035,
    • eine erhöhte CO2-Senkleistung in der Land- und Forstwirtschaft
    • sowie höhere Emissionsreduktionsziele der Mitgliedstaaten.

    Derzeit liegen die drei Gesetzesvorschläge noch im Trilog, der abschließenden Verhandlungsrunde zwischen EU-Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten. Doch die drei Verhandlungsparteien haben sich darauf geeinigt, den Prozess dieser drei Dossiers zu beschleunigen, um bis zur COP die wesentlichen noch offenen Fragen zu klären. Würde dies gelingen, könne man mit konkreten Maßnahmen beweisen, dass man auf dem richtigen Weg sei, so Timmermans.

    Vom Wahlverlierer zum Klima-Workaholic

    “Die Welt schaut auf uns”, betont der 1961 in Maastricht als Diplomatensohn geborene Timmermans. Er studierte französische Literatur und Europarecht in den Niederlanden sowie im französischen Nancy. Er wurde unter anderem Staatssekretär für Europäische Angelegenheiten in Den Haag, dann Außenminister der Niederlande und wechselte schließlich 2014 nach Brüssel in die EU-Kommission, damals noch unter Jean-Claude Juncker.

    Nun ist Timmermans in der EU-Kommission die Nummer zwei hinter Präsidentin Ursula von der Leyen. Eigentlich hätte er gerne selbst den Job an der Spitze der Brüsseler Behörde gehabt. Bei den Europawahlen 2019 war er Spitzenkandidat der europäischen Sozialdemokraten und rechnete sich große Chancen aus, auch weil der konservative Sieger Manfred Weber im EU-Parlament keine Mehrheit bekam. Aber die Staats- und Regierungschefs übergingen die Spitzenkandidaten und zauberten Ursula von der Leyen aus dem Hut.

    Die Enttäuschung war groß und Timmermans brauchte einige Zeit, um wieder Tritt zu fassen und die Rolle hinter von der Leyen zu akzeptieren. Immerhin, als Erster Vizepräsident und Kommissar für Klimaschutz betraute von der Leyen ihn mit ihrem wichtigsten Projekt, dem Green Deal. Der Workaholic kennt sich aus im Dickicht der Gesetzesvorlagen. Timmermans spricht sieben Sprachen fließend und gilt als rhetorisches Supertalent.

    Dieses Talent wird er ganz sicher auch in Sharm el-Sheikh wieder nutzen und keinen Zweifel daran lassen, wer in Europa in Sachen Klimapolitik die Hosen anhat. Denn die UN-Klimakonferenz ist seine große Bühne. Lukas Scheid und Stephan Israel

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    Climate.Table Redaktion

    REDAKTION CLIMATE.TABLE

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