Vor der Abstimmung über das Klimaschutzgesetz hatten renommierte Umweltjuristinnen und -juristen die Novelle hart kritisiert und die Abgeordneten aufgefordert, den Entwurf abzulehnen. Dennoch hat der Bundestag das neue Gesetz verabschiedet – und damit steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass Klagen dagegen erhoben werden.
Offiziell prüfen die großen Umweltverbände zwar noch. Ihre Entscheidung wollen sie erst dann bekannt geben, wenn das Gesetz durch den Bundesrat ist und auch vom Bundespräsidenten unterschrieben wurde. Doch hinter den Kulissen ist zu hören, dass man die Veränderungen wohl nicht hinnehmen werde.
Zwischen den Zeilen war die Absicht schon auf einer Pressekonferenz am vergangenen Donnerstag deutlich geworden: Die geplante Gesetzesvorlage sei voraussichtlich verfassungswidrig, in zentralen Punkten nicht mit dem Klimabeschluss des Bundesverfassungsgerichts vereinbar, und sie stehe auch im Widerspruch zum jüngsten Klima-Urteil des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs (EGMR): Das sagten die Klimaanwältinnen und -anwälte Remo Klinger, Franziska Heß, Roda Verheyen und Felix Ekardt auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), der Deutschen Umwelthilfe (DUH), Germanwatch, Greenpeace, Fridays for Future und dem Solarenergie-Förderverein Deutschland.
Explizit wurden auch auf dieser Veranstaltung zwar keine Klagen angekündigt – aber es wurde sehr klar, wie intensiv und detailliert die beteiligten Juristinnen und Juristen den Sachverhalt bereits prüfen.
Auch Politiker der Union hatten vor der Abstimmung im Parlament deutliche Kritik an der Abschaffung der verbindlichen Sektorziele geübt. Mit der „Entkernung“ des Gesetzes verspielten die Grünen ihre klimapolitische Glaubwürdigkeit, kritisierte Unions-Vize Andreas Jung. Grünen-Fraktionschefin Katharina Dröge hatte den „Kompromiss“, wie sie ihn nannte, vor der Abstimmung wortreich verteidigt.
Doch mindestens elf Grünen-Abgeordnete sprachen sich ebenfalls gegen die Neufassung aus, darunter sämtliche Mitglieder der von Stefan Gelbhaar geleiteten Grünen-Arbeitsgruppe Mobilität, die Klimaexpertinnen Lisa Badum und Kathrin Henneberger sowie die Parteilinken Anton Hofreiter, Canan Bayram und Jamila Schäfer. Sie veröffentlichten persönliche Erklärungen, in denen sie darstellten, warum sie der Gesetzesänderung nicht zustimmen könnten. Hofreiter kritisierte beispielsweise unter Anspielung auf Volker Wissing, die Änderung sende die „gefährliche Botschaft aus, dass für Minister, die sich nicht an geltendes Recht halten, einfach die Gesetze geändert werden“.
Enthaltungen oder Nein-Stimmen aus der Grünen-Fraktion gab es trotz dieser Erklärungen nicht. Stattdessen blieben die Kritikerinnen und Kritiker der Abstimmung fern, teils verließen sie unmittelbar davor den Plenarsaal. Als Grund dafür wurde angegeben, dass die Union – wohl mit Rücksicht auf den am Freitag startenden FDP-Parteitag – keine namentliche Abstimmung beantragt hatte. Bei einfachen Abstimmungen, bei denen sehr viel weniger Abgeordnete anwesend sind, ist von der Fraktionsmeinung abweichendes Stimmverhalten unüblich, um die Mehrheit nicht zu gefährden. Stattdessen sei es dann „Gepflogenheit, eine persönliche Erklärung abzugeben“, erklärte Badum gegenüber Table.Briefings. ae/mkr