Analyse | Fossile Brennstoffe
Erscheinungsdatum: 13. November 2025

TAFF: Wie der Ausstieg aus den Fossilen zum zentralen Thema der COP wird

(251107) -- BELEM(BRAZIL), Nov. 7, 2025 -- Brazilian President Luiz Inacio Lula da Silva (L) greets Brazilian Environment and Climate Change Minister Marina Silva during the Belem Climate Summit ahead of the 30th Conference of the Parties (COP30) of the United Nations Framework Convention on Climate Change in Belem, Brazil, Nov. 6, 2025. UN Secretary-General Antonio Guterres and world leaders on Thursday urged governments to take immediate, decisive actions and make concerted efforts to combat climate change. (Photo by Xinhua) BRAZIL-BELEM-COP30-BELEM CLIMATE SUMMIT LucioxTavora
Präsident Lula und Umweltministerin Silva als Verbündete zum fossilen Ausstiegsfahrplan. (IMAGO / Xinhua)

Auf der COP30 macht eine Allianz von Vorreiterstaaten Druck für eine Entscheidung über einen Fahrplan zum fossilen Ausstieg. Das Thema ist umstritten und könnte die brasilianische COP-Präsidentschaft in Schwierigkeiten bringen.

Die Debatte über einen Zeitplan zum Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen entwickelt sich zu einem der zentralen Themen der COP30. Eine Gruppe von Ländern rund um Brasiliens Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva und die Umweltministerin Marina Silva, Kolumbien, Kenia und Deutschland, Frankreich, Großbritannien und Dänemark drängt hinter den Kulissen auf eine COP-Entscheidung zu TAFF („Transitioning Away from Fossil Fuels“). Eine solche Umsetzung von Artikel 28 der COP28-Entscheidung zum Global Stocktake von Dubai wäre ein deutlicher Erfolg der COP30. Sie stößt aber inhaltlich und formal auf Hindernisse.

Marina Silva hat den Gedanken für eine Roadmap zum fossilen Ausstieg schon länger verbreitet. Überraschend nahm Präsident Lula diesen Vorschlag bei der Eröffnung der COP auf. Er rief dazu auf, die „Abhängigkeit von den fossilen Energien zu beenden“ – obwohl seine Regierung gerade neue Öl- und Gaslizenzen verteilt hat.

Die Idee stößt bei den Vorreiterländern für eine globale Energiewende auf Zustimmung. Am Mittwoch erklärten hochrangige Delegationsleiter und Klimabeauftragte von Frankreich, Kolumbien, Großbritannien, Dänemark, Kenia und Deutschland bei einem demonstrativ gemeinsamen Auftritt im brasilianischen Pavillon ihre Unterstützung für Silvas Vorstoß: „Wir werden jede Entscheidung für einen Fahrplan für TAFF hier in Belém unterstützen“, sagte der deutsche Klima-Staatssekretär Jochen Flasbarth.

Am Rande der Verhandlungen suchen die Länder nun eine möglichst breite Unterstützung für diese Idee. Kolumbien hat dazu eine „Belém Erklärung zu TAFF“ verfasst, die Table.Briefings vorliegt. Sie nimmt Bezug auf die Meinung des Internationalen Gerichtshofs ICJ zur Verantwortung im Klimaschutz und versichert, man wolle gemeinsam für einen Übergang weg von den Fossilen arbeiten. Dabei müssten allerdings nationale Umstände betont und Übergangshilfen gewährt werden.

Am kommenden Dienstag will die kolumbianische Umweltministerin das Papier veröffentlichen. Je mehr Länder sich bis dahin hinter dem Vorstoß versammeln, desto größer sind die Chancen, dass die COP-Präsidentschaft den Vorschlag aufgreift. Gleichzeitig machen die fossilen Produzentenländer hinter den Kulissen deutlich, dass sie einen solchen Prozess ablehnen. Für sie wäre eine Fortschreibung des TAFF von der COP28 eine strategische Niederlage.

Der Ort für eine TAFF-Passage könnte eine allgemeine politische Erklärung („Cover Decision“) sein. Wir konkret ein Beschluss der COP30 aussehen kann, ist noch völlig offen.

  • Ein konkreter Fahrplan zum Ausstieg, etwa mit einem konkreten Enddatum, gilt als praktisch unmöglich.

  • Analog zur Finanz-„Roadmap Baku to Belém“ könnte die COP der Präsidentschaft allerdings den Auftrag erteilen, bis zur nächsten Konferenz die Grundzüge eines solchen Fahrplans für den Ausstieg zu entwerfen.

  • Als kleinste Lösung könnte die COP30 auch nur entscheiden, einen Dialogprozess für eine solche Roadmap zu beginnen.

Wichtig könnte die genaue Formulierung der COP28-TAFF-Entscheidung werden. In dem Text ist von einem „Transitioning away“ die Rede, und zwar „in a just, equitable, orderly manner“. Diese Forderung nach „gerechtem und ordentlichen Ablauf“ wiederum könnte finanzielle Hilfen oder Ausnahmen bedeuten, die manche fossilen Länder an Bord holen könnten. Sie könnten aber ebenso die Aussage stark verwässern und ihre Substanz beschädigen. Beispiel hier ist der G7-Beschluss von 2016 zum Ende von „ineffizienten fossilen Subventionen“ innerhalb von zehn Jahren. Das Ziel wurde nicht erreicht, denn im Zweifel gelten Subventionen als effizient und fallen deshalb nicht unter die Ausstiegsklausel.

Der Druck auf die COP30 steigt, einen Ausstieg aus den Brennstoffen zu beschließen, deren Verbrennung die Klimakrise verursacht. Außerhalb des UNFCCC-Rahmens gibt es dazu bereits laute Stimmen. Die „Initiative für einen Vertrag zur Nichtverbreitung von fossilen Brennstoffen“ etwa fordert einen internationalen Vertrag analog zu den Verträgen zur Ächtung von Landminen oder zur Nichtverbreitung von Atomwaffen. Kumi Naidoo, Kopf der Initiative und ehemaliger Chef von Greenpeace International, findet, die „Bedrohung durch Fossile ist größer als jene durch Atomwaffen.“

Naidoo begrüßt im Gespräch mit Table.Briefings die Initiative auf der COP, warnt aber auch vor Greenwashing: Zu häufig würden Länder Themen verbal besetzen und dann kaum Handlungen folgen lassen. Der Initiative gehören bisher 17 Staaten an, besonders aus den Inselstaaten, aber auch die fossilen Produzenten Pakistan, Osttimor und Kolumbien sind dabei. Kolumbien will das Thema im April 2026 mit einer internationalen Konferenz fördern, um für ein völkerrechtlich verbindlichen Abkommens zur Ächtung der Fossilen zu werben.

Die brasilianische COP30-Präsidentschaft ist bei dem Thema sehr vorsichtig und zurückhaltend. COP-Präsident Corrêa do Lago erklärte öffentlich, es „gibt eine beträchtliche Zahl von Ländern, die das gern diskutieren wollen“. Aber ebenso gebe es Staaten, deren Prioritäten andere seien – und wo etwa Finanzfragen deutlich vor den Minderungsfragen rangieren.

Der Vorstoß für eine TAFF-Deklaration birgt nämlich auch ein großes strategisches Risiko für die Präsidentschaft. Weil der Vorschlag vom brasilianischen Präsidenten und seiner Umweltministerin kommt, muss die COP-Präsidentschaft den Eindruck vermeiden, sie setze brasilianische Interessen durch. Eine möglichst breite Front von Ländern aus allen Gruppen und Kontinenten könnte diesen Vorwurf entkräften. Diese Front zusammenzubringen, wird für viele Delegationen die Aufgabe der nächsten Tage sein.

Außer den Staaten mit fossiler Exportwirtschaft werden sich diese Fossil-Gegner auch noch mit einem abwesenden Riesen befassen müssen: Ihnen könnte durchaus auch Gegenwind aus den USA drohen, deren Politik der globalen und fossilen „Energie-Dominanz“ einem COP-Prozess zum Ausstieg aus den Fossilen direkt entgegenläuft.

Letzte Aktualisierung: 13. November 2025

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