Table.Briefing: China

Xinjiang und Lieferkette + Translation Movement

  • Lieferkettengesetze: Wie sauber sind Waren aus Xinjiang?
  • The Great Translation Movement: Dolmetschende Dissidenten
  • Sinolytics.Radar: Der Wasserstoff kommt
  • Salomonen unterschreiben Sicherheits-Abkommen
  • Mehr Corona-Tote in Shanghai
  • Honda-Marke Acura verlässt China
  • Fabriken in Liaoning und Jilin fahren wieder hoch
  • Porträt: Nils Schmid – außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion
Liebe Leserin, lieber Leser,

mit dem sogenannten Sorgfaltspflichtengesetz, das im nächsten Jahr in Kraft tritt, sollen deutsche Unternehmen verpflichtet werden, ihre Lieferketten auf Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Umweltverschmutzung abzuklopfen. Wer nicht nachhaltig und ethisch aufgestellt ist, riskiert hohe Geldstrafen und eines Tages vielleicht sogar Schadensersatzklagen von betroffenen Arbeitnehmern und ihren Familien.

Doch wie soll man überprüfen, ob einzelne Komponenten wirklich ethisch sauber sind? Im Fokus steht hier die immer wirtschaftsstärkere Region Xinjiang, deren Name schon zum Synonym für Menschenrechtsverletzungen geworden ist. Marcel Grzanna hat mit Experten über die praktische Umsetzung des Gesetzes gesprochen. Die Juristen sind sich sicher, dass vorgetäuschte Unwissenheit nicht vor Unannehmlichkeiten schützen wird. Das Risiko eines massiven Imageschadens sei einfach zu hoch.

Gegen die Unwissenheit anzukämpfen, ist auch das Ziel des “Great Translation Movement”. Das anonyme Kollektiv übersetzt auf seinem Twitter-Account Artikel chinesischer Staatsmedien und chinesische Social-Media-Kommentare in Sprachen wie Englisch und Französisch. Ganz im Gegensatz zum Bild der friedliebenden Nation, das Peking gerne nach außen kommuniziert, geht es hier stellenweise so menschenverachtend zu, dass einzelne Mitglieder der Übersetzungsgruppe immer wieder Pausen einlegen müssen, um ihre “geistige Gesundheit nicht zu gefährden”.

Die dolmetschenden Dissidenten haben mittlerweile so viele Follower, dass Chinas Staatsmedien ihren schrillen Nationalismus angeblich sogar etwas zurückgefahren haben, um einen noch größeren Imageschaden im Ausland zu vermeiden. Eine bemerkenswerte Wendung in einem autoritären Staat, der seine Bürger mit einem ausgeklügelten Überwachungsapparat seit Jahren zur Selbstzensur zwingt.

Ihr
Fabian Peltsch
Bild von Fabian  Peltsch

Analyse

Sorgfalt in der Lieferkette: Brennpunkt Xinjiang

Baumwollfeld in Shawan, Xinjiang. Aus der Region kommt ein Fünftel der weltweit geernteten Baumwolle. Das geplante Lieferkettengesetz soll Produkte aus Zwangsarbeit begrenzen.
Baumwollfeld in Shawan, Xinjiang. Aus der Region kommt ein Fünftel der weltweit geernteten Baumwolle.

Bei Pacifico Renewables Yield (PRY) gibt man sich keinen Illusionen hin. Die Firma mit Sitz in Grünwald bei München kauft und betreibt Solar- und Windparks in ganz Europa. Projekte, in die sie investiert, müssen hohen sozialen und ökologischen Standards entsprechen. Zur Finanzierung gibt die Firma grüne Anleihen heraus oder beschafft sich Kredite bei Nachhaltigkeitsbanken mit strengsten Maßstäben.

Doch wenn es um China und Nachhaltigkeit geht, vor allem in der Solarbranche, weiß Geschäftsführer Martin Siddiqui sehr genau, dass es keine Gewissheiten gibt. “Der Großteil der Komponenten kommt aus China, und dort gibt es Zulieferer, die mit fossiler Energie produzieren, oder deren Produkte durch Zwangsarbeit hergestellt werden”, sagt Siddiqui. Man arbeite so gut es ginge daran, Unternehmen entlang der Lieferketten weiter und präziser zurückzuverfolgen und zu prüfen, sagt der 37-Jährige. Eine Garantie könne er aber nicht abgeben, ob alle verbauten Module in den Parks seines Unternehmens zu einhundert Prozent nachhaltig hergestellt wurden.

Garantien will nicht einmal die Politik erzwingen, wenn im kommenden Jahr das deutsche Sorgfaltspflichtengesetz in Kraft tritt. Gemeinhin als Lieferkettengesetz bezeichnet, soll es Produkte, aber auch Dienstleistungen deutscher Unternehmen nachhaltiger machen. Zwangsarbeit, Menschenrechtsverletzungen, Korruption, Umweltverschmutzung – all das soll ab 2023 so weit wie möglich aus der Wertschöpfung verbannt werden, wenn deutsche Firmen beteiligt sind.

Jetzt fragen sich Unternehmen, die Solarmodule, Elektrokomponenten, Baumwolle oder Tomaten aus Xinjiang beziehen, wie es ihnen gelingen soll, ihre Lieferketten aufzuräumen. Die nordwestchinesische Autonome Region gilt als Synonym für die Verletzung von Menschenrechten. Die Internationale Arbeitsorganisation ILO der Vereinten Nationen spricht von einem “weit verbreiteten und systematischen” Zwangsarbeitsprogramm. Betroffen: vornehmlich Uiguren, aber auch türkische und andere muslimische Minderheiten.

Wenn jemand betrügen will, wird er Mittel und Wege finden.”

Doch manche Branchen sind so abhängig von Lieferungen aus Xinjiang, dass es für sie unmöglich ist, innerhalb weniger Jahre ihren Bedarf aus anderen Quellen zu decken. Ein Fünftel der globalen Baumwolle kommt von dort, keine Region der Welt pflanzt und erntet mehr Tomaten für den Weltmarkt, und auch die Photovoltaik-Industrie verlässt sich weitgehend auf Module aus China.

Was nun? “Verlässlich nachzuweisen, dass in einem der Risikoprodukte keine Zwangsarbeit steckt, ist nahezu unmöglich”, sagt Joachim Trebeck von der Kölner Anwaltskanzlei Trebeck & von Broich. Der Arbeitsrechtler hält das Gesetz dennoch für sinnvoll, weil Deutschland als “interessanter Markt seine Einflussnahme auf andere Länder” bündele. Doch Trebeck sagt auch: “Wenn ein Zulieferer betrügen will, dann wird er auch Mittel und Wege finden.”

Für die Solarpark-Betreiber von PRY ist das noch kein Grund, nervös zu werden. Das Lieferkettengesetz zielt zunächst nur auf die großen Akteure mit 3.000 Mitarbeitern aufwärts. 2024 wird die Geltung auf alle Firmen ab 1.000 Mitarbeitern erweitert. Erst wenn auch die Europäische Union ein europaweites Lieferkettengesetz implementiert, rückt der Rechtsrahmen an den Mittelstand heran. Der aktuell diskutierte Vorschlag für die EU-Richtlinie in den Risikosektoren Textil, Landwirtschaft und Bergbau liegt bei 250 Mitarbeitern und 40 Millionen Euro Jahresumsatz. Doch bis dahin vergehen wohl noch vier, vielleicht fünf Jahre.

Näherin in Yutian, Xinjiang. Die Autonome Region entwickelt derzeit arbeitsintensive Industriezweige - das Lieferkettengesetz soll für mehr Transparenz in der Wertschöpfungskette sorgen.
Näherin in Yutian, Xinjiang. Die Autonome Region entwickelt derzeit arbeitsintensive Industriezweige.

Zudem gilt die Bemühenspflicht, die besagt, dass Unternehmen die Verhinderung von Verstößen nicht garantieren müssen. “Wohl aber müssen sie alles Erforderliche tun, um ihren Sorgfaltspflichten nachzukommen. Nur so vermeiden sie eine Strafe”, sagt Christoph Schork von der Anwaltskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek, der seit zweieinhalb Jahren Klienten auf die Einführung des Lieferkettengesetzes vorbereitet. “Das bedeutet aber auch, dass ein Unternehmen unter Umständen an die Zulieferer zweiten, dritten oder vierten Grades heranmuss, wenn es konkrete Hinweise auf Zwangsarbeit gibt”, so Schork.

Es gibt keine Best-Practice-Lösung

Eine Mammutaufgabe. Je größer ein Unternehmen, desto breiter knüpft sich sein Netzwerk. Mehrere Tausend unmittelbare Zulieferer sind bei riesigen Konzerne mit Hunderttausenden Mitarbeitern keine Ausnahme, sondern die Regel. Die mühsame Kleinarbeit beginnt mit einer gründlichen Risikoanalyse. Jedes Risiko muss intern bewertet und seiner Dringlichkeit nach angegangen werden. Ganz oben auf den Listen: Zulieferer aus Xinjiang.

Das Gesetz setzt eine “substanziierende Kenntnis” voraus, ehe sich die Verantwortung der Unternehmen auch auf den mittelbaren Zulieferer in der Lieferkette erstreckt. Sprich: Es müssen ernstzunehmende und nachprüfbare Hinweise vorliegen auf Risiken für Verstöße. “Bei dem Thema Uiguren kann niemand sagen, er hätte davon nichts gewusst”, sagt Schork. Doch es wird andere Fälle geben, bei denen die Verdachtsmomente weniger offenbar sind und Firmen dazu verleitet sein könnten, Unkenntnis vorzugaukeln.

Anwalt Schork glaubt jedoch nicht, dass sich das Vortäuschen von Unwissenheit langfristig auszahlen wird. “Die Angst vor einem Imageschaden, der aus solcher Ignoranz entstehen kann, dürfte die meisten Firmen davon abhalten.” Zudem hätten die Unternehmen erkannt, dass sie von echter Nachhaltigkeit profitieren können, weil sie dem gesellschaftlichen Zeitgeist folgten. Einige seien bereits entsprechend fortgeschritten in ihren Vorbereitungen.

Vorerst sind aber auch Experten noch ratlos, was die konkrete Ausgestaltung angeht. “Zurzeit blicken wir alle noch in die Blackbox. Es gibt einfach keine Best-Practice-Lösung“, sagt Schork. Auch glaubt er, das zuständige Bundesamt für Ausfuhrkontrolle und Wirtschaft werde unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes “keine Welle der Sanktionen in Gang setzen”. Die Behörde mit Sitz in der Niederlausitz müsse sich zunächst sortieren. Werden Verstöße jedoch geahndet, kann sie Bußgelder bis zu acht Millionen Euro verhängen.

EU-Lieferkettengesetz ermöglicht auch Schadenersatzklagen

Entscheidende Unterstützung für die Unternehmen erhofft sich die Politik von Whistleblowern. Deutsche Firmen müssen niederschwellige Kanäle einrichten, über die Beschwerden aus aller Welt zu Verstößen gegen Arbeits- oder Menschenrechte abgesetzt werden können. Auch müssen die Firmen ihre Zulieferer nachdrücklich dazu auffordern, über die Existenz dieser Kanäle auch deren eigenen Zulieferer aufzuklären. “Bei der Umsetzung der Sorgfaltspflichten gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten. Denkbar sind Fragebögen, Audits, Schulungen – jede angemessene Maßnahme dient der Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen und sorgt für größere Sicherheit”, so Schork.

Den deutschen Unternehmen bietet die Einführung des Gesetzes einen Vorgeschmack auf die noch schärfere EU-Richtlinie in einigen Jahren. Sobald die EU die Norm setzt, drohen den Firmen nicht nur Bußgelder, sondern Schadenersatzklagen von betroffenen Arbeitnehmern oder deren Familien in Millionenhöhe. Dann müssen deutsche Firmen für die arbeitsrechtlichen Defizite bei ihren Zulieferern möglicherweise tief in die Tasche greifen, wenn sie nicht frühzeitig und konsequent gegen Risiken von Verstößen vorgehen.

  • Handel
  • ILO
  • Lieferketten
  • Menschenrechte
  • Zivilgesellschaft

Dolmetschende Dissidenten

Als Tiziano Terzani, der 2004 verstorbene ehemalige China-Korrespondent des Spiegel, einmal einen chinesischen Kader auf Mandarin ansprach, soll dieser sich zu seinen Untergebenen umgedreht und gefragt haben: “Welcher Verräter hat ihm unsere Sprache beigebracht?”

Ähnlich überfordert verhält sich die chinesische Regierung derzeit gegenüber einem Twitter-Account, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, chinesischen Content in verschiedene Sprachen zu übersetzen. Der Kanal, der unter dem Namen und Hashtag  #TheGreatTranslationMovement (大翻译运动官方推号) arbeitet, überträgt Beiträge aus offiziellen staatlichen Medien sowie chinesische Social-Media-Kommentare ins Englische, Japanische, Französische, Koreanische, Spanische und Arabische. Dabei werden vor allem Kommentare ausgewählt, die in China besonders viele Likes und Shares generiert haben.

Ziel sei, der Welt zu zeigen, wie arrogant, nationalistisch, empathielos, grausam und manchmal auch blutdürstig die öffentliche Meinung in China sein kann, erklärt ein anonymes Mitglied des Netzwerks in einem chinesischen Beitrag der Deutschen Welle. So findet sich auf dem Kanal etwa der Kommentar eines Shanghaier Universitätsdozenten der namhaften Fudan Universität, der auf Weibo erklärt hatte, dass das Butscha-Massaker nur eine inszenierte Show gewesen sei.

Ein übersetzter Bericht aus der Staatszeitung People’s Daily behauptet, die US-Armee habe Insassen einer psychiatrischen Klinik in der Ukraine als medizinische Versuchskaninchen benutzt. “Amerikanische Teufel” nennt sie ein Nutzer in den ebenfalls übersetzten Kommentaren. Ein anderer User ehrt Putin als “Kaiser”, dessen militärische Eingriffe den Weltfrieden bringen werden.

Hinter der Fassade wuchert der Hass

Die Beiträge von The Great Translation Movement zeigen, wie unter der vermeintlich moderaten Fassade der Staatspropaganda der Hass wuchern darf, ja wuchern soll. Ganz aktuell: Morddrohungen – so utopisch ihre Durchführung auch sein mag – gegen die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, wegen deren Besuchs in Taiwan.

Oder Russlands Invasion der Ukraine: Social-Media-Posts, die den Krieg verdammen oder ukrainische Positionen vertreten, werden in China rigide zensiert. Pro-russische Kommentare werden dagegen in der Regel stehengelassen. Selbst wenn sie so menschenverachtend sind wie jene, die die “Große Übersetzungsbewegung” einem nicht chinesisch sprechenden Publikum zugänglich macht. Während Peking nach außen versucht, im Ukraine-Krieg Neutralität zu wahren, sendet die Billigung solcher Kommentare eben doch eine Botschaft.

Und genau hier wird das Great Translation Movement, das mittlerweile knapp 194.000 Follower hat, für Peking zum Problem. Chinas Propagandaministerium unterscheidet klar, welche Botschaften es nach innen kommuniziert und welche es nach außen sendet. Je schriller der Nationalismus, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Botschaft für Chinesen auf dem Festland bestimmt ist. In seinen englischsprachigen Propagandamedien wählt die Volksrepublik meist einen diplomatischeren Ton, der gerne auch die eigene Opferrolle herauskehrt. Die aggressiven Entgleisungen, die der Twitter-Kanal täglich in Form von übersetzten Screenshots veröffentlicht, belasten Chinas Image im Ausland damit zusätzlich.

Chinas Image im Ausland nimmt Schaden

Mehrere Artikel in den chinesischen Staatsmedien haben sich bereits dem Twitter-Account gewidmet, und das, obwohl Twitter in China geblockt ist. Die englischsprachige Global Times spricht von einer “Hexenjagd”. Das Great Translation Movement gehe auf einige wenige frustrierte Chinesen zurück, die sich mit feindlichen Kräften aus dem Ausland zusammengetan hätten, um Hass gegen Chinas Bürger zu schüren. Nur durch solche Manöver könne sich der absteigende Westen noch immer kulturell überlegen gegenüber China fühlen, schreibt Wang Qiang, der ansonsten für militärische Angelegenheiten zuständige Autor des Artikels. Der Text, dem die Illustration eines mit Farbe beschmierten Pandabären beigefügt ist, endet mit der Drohung, dass man die IP-Adressen der Beteiligten “demaskieren” werde.

Ob sich die Macher von Great Translation Movement tatsächlich auf dem chinesischen Festland befinden, ist jedoch unklar. Im Interview mit der Deutschen Welle erklärt ein Mitglied, die Gruppe sei dezentral organisiert. Identitäten und Aufenthaltsorte würde man untereinander nicht kennen. Sicher ist, dass das Projekt seinen Ursprung auf der amerikanischen Plattform Reddit hatte, genauer gesagt im Sub-Reddit ChonglangTV, einem der größten chinesischsprachigen Online-Foren im Ausland mit mehr als 53.000 Mitgliedern. Anfang März wurde das Forum jedoch gesperrt, weil es Persönlichkeitsrechte verletzt haben soll, wie die Plattform mitteilte. Ausgelöst wurde die Translation-Kampagne durch sexistische Kommentare chinesischer User, die nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges angeboten hatten, sich um attraktive Ukrainerinnen “zu kümmern”.

Polarisierende Botschaften

Einige Kritiker sagen, die dolmetschenden Dissidenten des Great Translation Movement würden mit ihren selektiven Übersetzungen anti-chinesischen beziehungsweise anti-asiatischen Hass fördern. Die Plattform reagierte, indem sie neben politisch polarisierenden Kommentaren auch den alltäglichen Rassismus in China bloßstellt. Übersetzte Kommentare unter einer Werbung des Modehauses Gucci spekulieren etwa über die Baumwollpflück-Qualitäten und den Wert eines schwarzen Models auf dem Sklavenmarkt. Laut eigenen Angaben mussten Übersetzer des Translation Movement immer wieder Social-Media-Pausen einlegen, um die eigene “geistige Gesundheit nicht zu gefährden”.

Den Anspruch, die öffentlichen Meinung Chinas ausgewogen abzubilden, hat der Kanal ganz offenbar nicht. The Great Translation Movement karikiert vielmehr die Staatsmedien, die selbst in unterschiedlichen Sprachen präsent sind und auf diese Weise das offizielle Narrativ von China als friedliebender Nation in die Welt tragen wollen. Die Popularität des Accounts im Ausland habe die Medien und Behörden in China bereits dazu gedrängt, weniger hasserfüllten Content zu posten, schreibt die Übersetzergruppe auf Twitter. Es sei “ermutigend”, dass sie bereits immer weniger Übersetzungsmaterial fänden.

  • Gesellschaft
  • Zivilgesellschaft

Sinolytics.Radar

Der Markt für Wasserstoff-Antriebe ist heiß umkämpft

Dieser Inhalt ist Lizenznehmern unserer Vollversion vorbehalten.
  • Im Vergleich zur EU und Japan hat China bei der Entwicklung von Wasserstoff als Bestandteil seines künftigen Energiemixes nur langsame Fortschritte gemacht.
  • Dies ändert sich nun: Der kürzlich veröffentlichte “Langfristige Entwicklungsplan des Wasserstoffsektors für China 2021-2035” (NDRC, 24. März) setzt klare Vorgaben und hohe Erwartungen für den neuen Energiesektor. Wasserstoff soll ein wichtiger Bestandteil des künftigen Energiemixes werden.
  • Derzeit befindet sich der nationale Markt für Brennstoffzellenfahrzeuge noch in einem frühen Stadium der Entwicklung. 2022 sollen nur etwa 1.500 Fahrzeuge verkauft werden.
  • Dennoch haben einige internationale Unternehmen wie Toyota, Bosch und Ballard das große Marktpotenzial von Brennstoffzellenanwendungen in China erkannt. Sie sind frühzeitig in diesen Sektor eingestiegen.
  • Sie haben bereits in mehrere Bereiche der Wertschöpfungskette investiert, darunter Basismaterialien, Komponenten für Brennstoffzellen, Brennstoffzellenstacks/-systeme und Brennstoffzellenfahrzeuge.
  • Für den Markteintritt streben die meisten ausländischen Unternehmen Partnerschaften mit chinesischen Unternehmen wie Weichai, Sinohytec und Weifu an, entweder in Form eines Joint Ventures oder durch den Abschluss strategischer Kooperationsvereinbarungen. Chinesische Unternehmen verfügen in der Regel über umfangreiche Produktionskapazitäten und ein dichtes Vertriebsnetz, was ihren ausländischen Partnern die künftige Geschäftstätigkeit in China erleichtert.
  • Für andere Unternehmen, die auf dem chinesischen Wasserstoffmarkt Fuß fassen wollen, ist die Entwicklung einer optimalen Markteintrittsstrategie und die Wahl geeigneter Partner noch wichtiger geworden. Schließlich haben die Early Movers schon begonnen, den Markt zu prägen.

Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.

  • Nachhaltigkeit
  • Wasserstoff

News

Abkommen mit den Salomonen unterschrieben

Der Sicherheitsvertrag zwischen China und den Salomonen-Inseln ist in trockenen Tüchern. “Die Außenminister Chinas und der Salomonen haben den Rahmenvertrag über eine Sicherheitskooperation kürzlich unterschrieben”, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking am Dienstag bei der regulären Pressekonferenz. Der genaue Text des Abkommens ist nicht bekannt. Der Premier der Inselgruppe, Manasseh Sogavare, hatte im Vorfeld betont, dass China dort keine Militärbasis errichten werde. Ein durchgesickerter Vertragsentwurf sieht jedoch die Möglichkeit für Versorgungsstopps für chinesische Kriegsschiffe vor.

China hat betätigt, den umstrittenen Vertrag mit den Salomonen abgeschlossen zu haben.

Das Abkommen ist Gegenstand heftiger Debatten (China.Table berichtete). Australien und die USA befürchten, dass China seine Stellung im Pazifik dadurch entscheidend stärken kann. Im Jahr 2019 hatten die Salomonen sich als eines der letzten Länder diplomatisch von Taiwan abgewandt und die Volksrepublik als das eine China anerkannt. Daraufhin hatte es dort Ausschreitungen gegen Chinesen gegeben. Ein Teil des neuen Vertragswerks erlaubt es Peking nun offenbar, Sicherheitskräfte zum Schutz ethnischer Chinesen auf die Inseln zu entsenden. fin

  • Geopolitik
  • Taiwan

Sieben weitere Corona-Todesfälle in Shanghai

Shanghai hat am Dienstag sieben weitere Todesfälle gemeldet, die auf Coronavirus-Infektionen zurückgehen. Nach Angaben von Staatsmedien handele es sich bei den Verstorbenen um ungeimpfte Patienten zwischen 60 und 101 Jahren mit Vorerkrankungen, die in akuten Notzuständen ins Krankenhaus eingeliefert worden seien. Laut offiziellen Zahlen vom Dienstag hat der jüngste Omikron-Ausbruch in Shanghai nun insgesamt zehn Menschen das Leben gekostet.

Peking beharrt weiterhin auf seiner strikten Null-Covid-Strategie. Seit Ende März herrscht in Shanghai ein weitgehender Lockdown. Trotzdem gibt es täglich rund 20.000 neue Infektionen, die meisten davon asymptomatisch.

Vor allem ältere Menschen sollen durch die strikten Maßnahmen geschützt werden. Die Gesundheitsbehörden in Shanghai teilten am Sonntag mit, dass weniger als zwei Drittel der Einwohner über 60 Jahre zwei Dosen des chinesischen COVID-19-Impfstoffs und weniger als 40 Prozent einen Booster erhalten haben. fpe

  • Coronavirus
  • Gesundheit

Honda-Edelmarke Acura verlässt China

Die Honda-Luxus-Marke Acura wird sich nach sechs Jahren aus China verabschieden. Laut chinesischen Medienberichten wollen die Japaner den größten Automarkt der Welt ab 2023 verlassen.

Honda und sein lokaler Joint-Venture-Partner GAC haben Acura 2016 gegründet. Das lokale Angebot umfasste unter anderem den CDX, einen für den chinesischen Markt neu gestalteten Honda HR-V und die TLX-L-Limousine mit extra-langem Radstand. Seine besten Verkäufe erzielte Acura 2019. Damals konnte die Marke 14.701 Autos in China absetzen. Im vergangenen Jahr waren es nur noch etwas mehr als 6.500 Autos.

Honda will trotz des Abganges weiter in China investieren. In den kommenden fünf Jahren will der Autobauer hier zehn neue E-Modelle auf den Markt bringen. Außerdem will Honda verstärkt in Batterietechnik investieren. Für 2040 hat das Unternehmen den kompletten Abschied vom Verbrennungsmotor angekündigt. fpe

  • Autoindustrie

In Liaoning und Jilin fahren Fabriken wieder hoch

In den nordöstlich gelegenen Provinzen Jilin und Liaoning kommt nach Zwangspausen wegen Corona das Wirtschaftsleben wieder in Gang. In Jilin sind die Werke der 500 größten Unternehmen wieder in Betrieb, wie die Provinzregierung am Dienstag mitteilte. Dazu gehören die Werke von FAW in Changchun, einem wichtigen Partner von VW. Auch Bosch berichtet davon, dass sein Teilewerk vor Ort wiedereröffnen konnte.

Nach fast einmonatiger Produktionsunterbrechung hat auch BMW in zwei Werken am Standort Shenyang in Liaoning vor Ostern den Betrieb wieder aufgenommen. Zugleich wurde die Erweiterung des Werks Dadong zum ersten Mal genutzt, deren Einweihung sich wegen des Coronavirus verzögert hatte. Ein Drittel der Autos der Marke BMW kommt aus Shenyang. fin

  • Autoindustrie

Presseschau

China und Salomonen vereinbaren Zusammenarbeit ZEIT
U.S. team is off to Solomon Islands amid concern over draft security pact with China NPR
China to increase coordination with Russia, says senior Chinese diplomat REUTERS
Chinese diplomats head to eastern Europe as suspicions grow over Russia ties SCMP
As China and India stand by Russia over Ukraine war, why are their media not speaking in one voice? SCMP
Lockdown in Shanghai: Massenstau vor dem größten Containerhafen der Welt SPIEGEL
Hunger and anger in Shanghai’s unending lockdown nightmare CNN
China’s temp agencies recruit underemployed migrants to enforce lockdown restrictions NPR
China’s ‘Zero-Covid’ Crackdown Threatens Global Economy FORBES
China GDP: IMF slashes growth forecast as coronavirus outbreaks, zero-Covid policy ‘increase uncertainty’ SCMP
Produktion von Bosch und Tesla in China läuft wieder an WIWO
Weniger China, mehr USA: Volkswagen will Geschäft neu aufstellen NTV
China doubles down on coal NYTIMES
Taiwan seeks Indo-Pacific Economic Framework membership with U.S. REUTERS

Portrait

Nils Schmid – SPD-Außenpolitiker mit Blick auf den Indo-Pazifik

SPD-Politiker und Außenpolitik-Sprecher Nils Schmid

Die vergangenen Wochen beschreibt Nils Schmid als anstrengend und traurig. “Es ist frustrierend, dass die Diplomatie als Mittel zur Konfliktlösung gescheitert ist”, erklärt der SPD-Politiker, Bundestagsabgeordnete und außenpolitische Sprecher seiner Fraktion. Lange hatte der promovierte Jurist auf eine friedliche Lösung in der Ukraine-Krise gehofft, vergeblich.

Chinas Zurückhaltung in dem Konflikt sei enttäuschend – überrascht ihn aber nicht. “Das war erwartbar”, sagt der 48-Jährige. Das Land habe keine Erfahrung in der Vermittlung zwischen Kriegsparteien. Dass die chinesische Regierung jedoch nicht einmal klare Worte finde, sei eine verpasste Chance, sich in seiner internationalen Rolle zu profilieren.

“Berufspolitiker zu werden, war nicht Plan A”

Schmid wollte eigentlich Diplomat werden. Politisch interessiert sei er schon immer gewesen, mit 17 wurde er SPD-Mitglied und engagierte sich bei den Jusos. Aber: “Berufspolitiker zu werden, war nicht Plan A”, gibt er zu. Noch während seines Jura-Studiums zog er 1997 als Nachrücker überraschend in den Landtag von Baden-Württemberg ein.

Im Laufe seiner landespolitischen Karriere wurde er stellvertretender Ministerpräsident, Finanz- und Wirtschaftsminister. 2016 trat er als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl an und holte das bis dahin schlechteste Ergebnis der SPD im “Ländle”. “Das war sehr bitter, weil wir gute Regierungsarbeit geleistet hatten.” Gegen den beliebten Amtsinhaber Kretschmann und die durch die Flüchtlingskrise erstarkte AfD hatte er keine Chance. Er nutzte die Gelegenheit zur Reflexion, erst mit seinem Landesverband, dann für sich persönlich.

Fokus auf die Indo-Pazifik-Strategie

Und so nahm er das Angebot an, für den Bundestag zu kandidieren. Damit verbunden gewesen sei die Entscheidung, sich wieder stärker seiner Leidenschaft für internationale Politik zu widmen. Im Bundestag vertritt Schmid nun seit 2017 den Wahlkreis Nürtingen bei Stuttgart und seit 2018 die außenpolitischen Positionen seiner Fraktion. Bei seiner Arbeit unterstützen ihn neben den Mitarbeiter:innen in seinem Abgeordneten-Büro auch drei Referent:innen der Arbeitsgruppe Außenpolitik der SPD-Fraktion im Bundestag.

Der gebürtige Trierer ist überzeugt: “Man kann etwas bewegen.” In der aktuellen Legislaturperiode gehe es jetzt darum, die Indopazifik-Strategie mit Leben zu füllen. “Bekommen wir es hin, Partner wie Japan enger anzubinden? Können wir westlichen Staaten uns besser abstimmen gegenüber der chinesischen Offensive bei internationalen Standards?”, nennt Schmid einige Punkte auf seiner To-do-Liste.

Das Konzept Wandel durch Handel mit China sei gescheitert, stattdessen spricht er von einer “neuen Heiligen Dreifaltigkeit” aus System-Rivalität, Wettbewerb und Kooperation. Raum für Zusammenarbeit sei aber weiterhin wichtig, beispielsweise bei der Klimapolitik: “Dafür ist die Welt einfach zu zerbrechlich.” Paul Meerkamp

  • Geopolitik
  • Indopazifik
  • Japan
  • Klima

Personalien

Christine Soong wird Group Head Greater China bei der Schweizer Bankengruppe Julius Bär in Hongkong. Sie war in leitenden Positionen bei Standard Chartered Private Bank, Core Pacific, KGI Wealth Management und Taishin Holdings Hong Kong tätig. Bei Julius Bär war sie zuletzt als stellvertretende Gruppenleiterin für Greater China zuständig.

Mirko Jurkovic ist seit März General Manager bei der SMS Engineering China Ltd. Die Shanghaier Firma fertigt und vertreibt Maschinen für die Verarbeitung von Stahl und Nichteisenmetallen. Jurkovic war zuvor anderthalb Jahre als Deputy General Manager für SMS Siemag Technology Beijing tätig.

Dessert

Der große Lockdown von Shanghai bringt zahlreiche Memes hervor. Wie dieses Wortspiel zu der Frage, ob der Lockdown Ende Mai endet oder nicht.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Lieferkettengesetze: Wie sauber sind Waren aus Xinjiang?
    • The Great Translation Movement: Dolmetschende Dissidenten
    • Sinolytics.Radar: Der Wasserstoff kommt
    • Salomonen unterschreiben Sicherheits-Abkommen
    • Mehr Corona-Tote in Shanghai
    • Honda-Marke Acura verlässt China
    • Fabriken in Liaoning und Jilin fahren wieder hoch
    • Porträt: Nils Schmid – außenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    mit dem sogenannten Sorgfaltspflichtengesetz, das im nächsten Jahr in Kraft tritt, sollen deutsche Unternehmen verpflichtet werden, ihre Lieferketten auf Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Umweltverschmutzung abzuklopfen. Wer nicht nachhaltig und ethisch aufgestellt ist, riskiert hohe Geldstrafen und eines Tages vielleicht sogar Schadensersatzklagen von betroffenen Arbeitnehmern und ihren Familien.

    Doch wie soll man überprüfen, ob einzelne Komponenten wirklich ethisch sauber sind? Im Fokus steht hier die immer wirtschaftsstärkere Region Xinjiang, deren Name schon zum Synonym für Menschenrechtsverletzungen geworden ist. Marcel Grzanna hat mit Experten über die praktische Umsetzung des Gesetzes gesprochen. Die Juristen sind sich sicher, dass vorgetäuschte Unwissenheit nicht vor Unannehmlichkeiten schützen wird. Das Risiko eines massiven Imageschadens sei einfach zu hoch.

    Gegen die Unwissenheit anzukämpfen, ist auch das Ziel des “Great Translation Movement”. Das anonyme Kollektiv übersetzt auf seinem Twitter-Account Artikel chinesischer Staatsmedien und chinesische Social-Media-Kommentare in Sprachen wie Englisch und Französisch. Ganz im Gegensatz zum Bild der friedliebenden Nation, das Peking gerne nach außen kommuniziert, geht es hier stellenweise so menschenverachtend zu, dass einzelne Mitglieder der Übersetzungsgruppe immer wieder Pausen einlegen müssen, um ihre “geistige Gesundheit nicht zu gefährden”.

    Die dolmetschenden Dissidenten haben mittlerweile so viele Follower, dass Chinas Staatsmedien ihren schrillen Nationalismus angeblich sogar etwas zurückgefahren haben, um einen noch größeren Imageschaden im Ausland zu vermeiden. Eine bemerkenswerte Wendung in einem autoritären Staat, der seine Bürger mit einem ausgeklügelten Überwachungsapparat seit Jahren zur Selbstzensur zwingt.

    Ihr
    Fabian Peltsch
    Bild von Fabian  Peltsch

    Analyse

    Sorgfalt in der Lieferkette: Brennpunkt Xinjiang

    Baumwollfeld in Shawan, Xinjiang. Aus der Region kommt ein Fünftel der weltweit geernteten Baumwolle. Das geplante Lieferkettengesetz soll Produkte aus Zwangsarbeit begrenzen.
    Baumwollfeld in Shawan, Xinjiang. Aus der Region kommt ein Fünftel der weltweit geernteten Baumwolle.

    Bei Pacifico Renewables Yield (PRY) gibt man sich keinen Illusionen hin. Die Firma mit Sitz in Grünwald bei München kauft und betreibt Solar- und Windparks in ganz Europa. Projekte, in die sie investiert, müssen hohen sozialen und ökologischen Standards entsprechen. Zur Finanzierung gibt die Firma grüne Anleihen heraus oder beschafft sich Kredite bei Nachhaltigkeitsbanken mit strengsten Maßstäben.

    Doch wenn es um China und Nachhaltigkeit geht, vor allem in der Solarbranche, weiß Geschäftsführer Martin Siddiqui sehr genau, dass es keine Gewissheiten gibt. “Der Großteil der Komponenten kommt aus China, und dort gibt es Zulieferer, die mit fossiler Energie produzieren, oder deren Produkte durch Zwangsarbeit hergestellt werden”, sagt Siddiqui. Man arbeite so gut es ginge daran, Unternehmen entlang der Lieferketten weiter und präziser zurückzuverfolgen und zu prüfen, sagt der 37-Jährige. Eine Garantie könne er aber nicht abgeben, ob alle verbauten Module in den Parks seines Unternehmens zu einhundert Prozent nachhaltig hergestellt wurden.

    Garantien will nicht einmal die Politik erzwingen, wenn im kommenden Jahr das deutsche Sorgfaltspflichtengesetz in Kraft tritt. Gemeinhin als Lieferkettengesetz bezeichnet, soll es Produkte, aber auch Dienstleistungen deutscher Unternehmen nachhaltiger machen. Zwangsarbeit, Menschenrechtsverletzungen, Korruption, Umweltverschmutzung – all das soll ab 2023 so weit wie möglich aus der Wertschöpfung verbannt werden, wenn deutsche Firmen beteiligt sind.

    Jetzt fragen sich Unternehmen, die Solarmodule, Elektrokomponenten, Baumwolle oder Tomaten aus Xinjiang beziehen, wie es ihnen gelingen soll, ihre Lieferketten aufzuräumen. Die nordwestchinesische Autonome Region gilt als Synonym für die Verletzung von Menschenrechten. Die Internationale Arbeitsorganisation ILO der Vereinten Nationen spricht von einem “weit verbreiteten und systematischen” Zwangsarbeitsprogramm. Betroffen: vornehmlich Uiguren, aber auch türkische und andere muslimische Minderheiten.

    Wenn jemand betrügen will, wird er Mittel und Wege finden.”

    Doch manche Branchen sind so abhängig von Lieferungen aus Xinjiang, dass es für sie unmöglich ist, innerhalb weniger Jahre ihren Bedarf aus anderen Quellen zu decken. Ein Fünftel der globalen Baumwolle kommt von dort, keine Region der Welt pflanzt und erntet mehr Tomaten für den Weltmarkt, und auch die Photovoltaik-Industrie verlässt sich weitgehend auf Module aus China.

    Was nun? “Verlässlich nachzuweisen, dass in einem der Risikoprodukte keine Zwangsarbeit steckt, ist nahezu unmöglich”, sagt Joachim Trebeck von der Kölner Anwaltskanzlei Trebeck & von Broich. Der Arbeitsrechtler hält das Gesetz dennoch für sinnvoll, weil Deutschland als “interessanter Markt seine Einflussnahme auf andere Länder” bündele. Doch Trebeck sagt auch: “Wenn ein Zulieferer betrügen will, dann wird er auch Mittel und Wege finden.”

    Für die Solarpark-Betreiber von PRY ist das noch kein Grund, nervös zu werden. Das Lieferkettengesetz zielt zunächst nur auf die großen Akteure mit 3.000 Mitarbeitern aufwärts. 2024 wird die Geltung auf alle Firmen ab 1.000 Mitarbeitern erweitert. Erst wenn auch die Europäische Union ein europaweites Lieferkettengesetz implementiert, rückt der Rechtsrahmen an den Mittelstand heran. Der aktuell diskutierte Vorschlag für die EU-Richtlinie in den Risikosektoren Textil, Landwirtschaft und Bergbau liegt bei 250 Mitarbeitern und 40 Millionen Euro Jahresumsatz. Doch bis dahin vergehen wohl noch vier, vielleicht fünf Jahre.

    Näherin in Yutian, Xinjiang. Die Autonome Region entwickelt derzeit arbeitsintensive Industriezweige - das Lieferkettengesetz soll für mehr Transparenz in der Wertschöpfungskette sorgen.
    Näherin in Yutian, Xinjiang. Die Autonome Region entwickelt derzeit arbeitsintensive Industriezweige.

    Zudem gilt die Bemühenspflicht, die besagt, dass Unternehmen die Verhinderung von Verstößen nicht garantieren müssen. “Wohl aber müssen sie alles Erforderliche tun, um ihren Sorgfaltspflichten nachzukommen. Nur so vermeiden sie eine Strafe”, sagt Christoph Schork von der Anwaltskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek, der seit zweieinhalb Jahren Klienten auf die Einführung des Lieferkettengesetzes vorbereitet. “Das bedeutet aber auch, dass ein Unternehmen unter Umständen an die Zulieferer zweiten, dritten oder vierten Grades heranmuss, wenn es konkrete Hinweise auf Zwangsarbeit gibt”, so Schork.

    Es gibt keine Best-Practice-Lösung

    Eine Mammutaufgabe. Je größer ein Unternehmen, desto breiter knüpft sich sein Netzwerk. Mehrere Tausend unmittelbare Zulieferer sind bei riesigen Konzerne mit Hunderttausenden Mitarbeitern keine Ausnahme, sondern die Regel. Die mühsame Kleinarbeit beginnt mit einer gründlichen Risikoanalyse. Jedes Risiko muss intern bewertet und seiner Dringlichkeit nach angegangen werden. Ganz oben auf den Listen: Zulieferer aus Xinjiang.

    Das Gesetz setzt eine “substanziierende Kenntnis” voraus, ehe sich die Verantwortung der Unternehmen auch auf den mittelbaren Zulieferer in der Lieferkette erstreckt. Sprich: Es müssen ernstzunehmende und nachprüfbare Hinweise vorliegen auf Risiken für Verstöße. “Bei dem Thema Uiguren kann niemand sagen, er hätte davon nichts gewusst”, sagt Schork. Doch es wird andere Fälle geben, bei denen die Verdachtsmomente weniger offenbar sind und Firmen dazu verleitet sein könnten, Unkenntnis vorzugaukeln.

    Anwalt Schork glaubt jedoch nicht, dass sich das Vortäuschen von Unwissenheit langfristig auszahlen wird. “Die Angst vor einem Imageschaden, der aus solcher Ignoranz entstehen kann, dürfte die meisten Firmen davon abhalten.” Zudem hätten die Unternehmen erkannt, dass sie von echter Nachhaltigkeit profitieren können, weil sie dem gesellschaftlichen Zeitgeist folgten. Einige seien bereits entsprechend fortgeschritten in ihren Vorbereitungen.

    Vorerst sind aber auch Experten noch ratlos, was die konkrete Ausgestaltung angeht. “Zurzeit blicken wir alle noch in die Blackbox. Es gibt einfach keine Best-Practice-Lösung“, sagt Schork. Auch glaubt er, das zuständige Bundesamt für Ausfuhrkontrolle und Wirtschaft werde unmittelbar nach Inkrafttreten des Gesetzes “keine Welle der Sanktionen in Gang setzen”. Die Behörde mit Sitz in der Niederlausitz müsse sich zunächst sortieren. Werden Verstöße jedoch geahndet, kann sie Bußgelder bis zu acht Millionen Euro verhängen.

    EU-Lieferkettengesetz ermöglicht auch Schadenersatzklagen

    Entscheidende Unterstützung für die Unternehmen erhofft sich die Politik von Whistleblowern. Deutsche Firmen müssen niederschwellige Kanäle einrichten, über die Beschwerden aus aller Welt zu Verstößen gegen Arbeits- oder Menschenrechte abgesetzt werden können. Auch müssen die Firmen ihre Zulieferer nachdrücklich dazu auffordern, über die Existenz dieser Kanäle auch deren eigenen Zulieferer aufzuklären. “Bei der Umsetzung der Sorgfaltspflichten gibt es eine Vielzahl von Möglichkeiten. Denkbar sind Fragebögen, Audits, Schulungen – jede angemessene Maßnahme dient der Erfüllung der gesetzlichen Anforderungen und sorgt für größere Sicherheit”, so Schork.

    Den deutschen Unternehmen bietet die Einführung des Gesetzes einen Vorgeschmack auf die noch schärfere EU-Richtlinie in einigen Jahren. Sobald die EU die Norm setzt, drohen den Firmen nicht nur Bußgelder, sondern Schadenersatzklagen von betroffenen Arbeitnehmern oder deren Familien in Millionenhöhe. Dann müssen deutsche Firmen für die arbeitsrechtlichen Defizite bei ihren Zulieferern möglicherweise tief in die Tasche greifen, wenn sie nicht frühzeitig und konsequent gegen Risiken von Verstößen vorgehen.

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    Dolmetschende Dissidenten

    Als Tiziano Terzani, der 2004 verstorbene ehemalige China-Korrespondent des Spiegel, einmal einen chinesischen Kader auf Mandarin ansprach, soll dieser sich zu seinen Untergebenen umgedreht und gefragt haben: “Welcher Verräter hat ihm unsere Sprache beigebracht?”

    Ähnlich überfordert verhält sich die chinesische Regierung derzeit gegenüber einem Twitter-Account, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, chinesischen Content in verschiedene Sprachen zu übersetzen. Der Kanal, der unter dem Namen und Hashtag  #TheGreatTranslationMovement (大翻译运动官方推号) arbeitet, überträgt Beiträge aus offiziellen staatlichen Medien sowie chinesische Social-Media-Kommentare ins Englische, Japanische, Französische, Koreanische, Spanische und Arabische. Dabei werden vor allem Kommentare ausgewählt, die in China besonders viele Likes und Shares generiert haben.

    Ziel sei, der Welt zu zeigen, wie arrogant, nationalistisch, empathielos, grausam und manchmal auch blutdürstig die öffentliche Meinung in China sein kann, erklärt ein anonymes Mitglied des Netzwerks in einem chinesischen Beitrag der Deutschen Welle. So findet sich auf dem Kanal etwa der Kommentar eines Shanghaier Universitätsdozenten der namhaften Fudan Universität, der auf Weibo erklärt hatte, dass das Butscha-Massaker nur eine inszenierte Show gewesen sei.

    Ein übersetzter Bericht aus der Staatszeitung People’s Daily behauptet, die US-Armee habe Insassen einer psychiatrischen Klinik in der Ukraine als medizinische Versuchskaninchen benutzt. “Amerikanische Teufel” nennt sie ein Nutzer in den ebenfalls übersetzten Kommentaren. Ein anderer User ehrt Putin als “Kaiser”, dessen militärische Eingriffe den Weltfrieden bringen werden.

    Hinter der Fassade wuchert der Hass

    Die Beiträge von The Great Translation Movement zeigen, wie unter der vermeintlich moderaten Fassade der Staatspropaganda der Hass wuchern darf, ja wuchern soll. Ganz aktuell: Morddrohungen – so utopisch ihre Durchführung auch sein mag – gegen die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, wegen deren Besuchs in Taiwan.

    Oder Russlands Invasion der Ukraine: Social-Media-Posts, die den Krieg verdammen oder ukrainische Positionen vertreten, werden in China rigide zensiert. Pro-russische Kommentare werden dagegen in der Regel stehengelassen. Selbst wenn sie so menschenverachtend sind wie jene, die die “Große Übersetzungsbewegung” einem nicht chinesisch sprechenden Publikum zugänglich macht. Während Peking nach außen versucht, im Ukraine-Krieg Neutralität zu wahren, sendet die Billigung solcher Kommentare eben doch eine Botschaft.

    Und genau hier wird das Great Translation Movement, das mittlerweile knapp 194.000 Follower hat, für Peking zum Problem. Chinas Propagandaministerium unterscheidet klar, welche Botschaften es nach innen kommuniziert und welche es nach außen sendet. Je schriller der Nationalismus, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Botschaft für Chinesen auf dem Festland bestimmt ist. In seinen englischsprachigen Propagandamedien wählt die Volksrepublik meist einen diplomatischeren Ton, der gerne auch die eigene Opferrolle herauskehrt. Die aggressiven Entgleisungen, die der Twitter-Kanal täglich in Form von übersetzten Screenshots veröffentlicht, belasten Chinas Image im Ausland damit zusätzlich.

    Chinas Image im Ausland nimmt Schaden

    Mehrere Artikel in den chinesischen Staatsmedien haben sich bereits dem Twitter-Account gewidmet, und das, obwohl Twitter in China geblockt ist. Die englischsprachige Global Times spricht von einer “Hexenjagd”. Das Great Translation Movement gehe auf einige wenige frustrierte Chinesen zurück, die sich mit feindlichen Kräften aus dem Ausland zusammengetan hätten, um Hass gegen Chinas Bürger zu schüren. Nur durch solche Manöver könne sich der absteigende Westen noch immer kulturell überlegen gegenüber China fühlen, schreibt Wang Qiang, der ansonsten für militärische Angelegenheiten zuständige Autor des Artikels. Der Text, dem die Illustration eines mit Farbe beschmierten Pandabären beigefügt ist, endet mit der Drohung, dass man die IP-Adressen der Beteiligten “demaskieren” werde.

    Ob sich die Macher von Great Translation Movement tatsächlich auf dem chinesischen Festland befinden, ist jedoch unklar. Im Interview mit der Deutschen Welle erklärt ein Mitglied, die Gruppe sei dezentral organisiert. Identitäten und Aufenthaltsorte würde man untereinander nicht kennen. Sicher ist, dass das Projekt seinen Ursprung auf der amerikanischen Plattform Reddit hatte, genauer gesagt im Sub-Reddit ChonglangTV, einem der größten chinesischsprachigen Online-Foren im Ausland mit mehr als 53.000 Mitgliedern. Anfang März wurde das Forum jedoch gesperrt, weil es Persönlichkeitsrechte verletzt haben soll, wie die Plattform mitteilte. Ausgelöst wurde die Translation-Kampagne durch sexistische Kommentare chinesischer User, die nach dem Ausbruch des Ukraine-Krieges angeboten hatten, sich um attraktive Ukrainerinnen “zu kümmern”.

    Polarisierende Botschaften

    Einige Kritiker sagen, die dolmetschenden Dissidenten des Great Translation Movement würden mit ihren selektiven Übersetzungen anti-chinesischen beziehungsweise anti-asiatischen Hass fördern. Die Plattform reagierte, indem sie neben politisch polarisierenden Kommentaren auch den alltäglichen Rassismus in China bloßstellt. Übersetzte Kommentare unter einer Werbung des Modehauses Gucci spekulieren etwa über die Baumwollpflück-Qualitäten und den Wert eines schwarzen Models auf dem Sklavenmarkt. Laut eigenen Angaben mussten Übersetzer des Translation Movement immer wieder Social-Media-Pausen einlegen, um die eigene “geistige Gesundheit nicht zu gefährden”.

    Den Anspruch, die öffentlichen Meinung Chinas ausgewogen abzubilden, hat der Kanal ganz offenbar nicht. The Great Translation Movement karikiert vielmehr die Staatsmedien, die selbst in unterschiedlichen Sprachen präsent sind und auf diese Weise das offizielle Narrativ von China als friedliebender Nation in die Welt tragen wollen. Die Popularität des Accounts im Ausland habe die Medien und Behörden in China bereits dazu gedrängt, weniger hasserfüllten Content zu posten, schreibt die Übersetzergruppe auf Twitter. Es sei “ermutigend”, dass sie bereits immer weniger Übersetzungsmaterial fänden.

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    Sinolytics.Radar

    Der Markt für Wasserstoff-Antriebe ist heiß umkämpft

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    • Im Vergleich zur EU und Japan hat China bei der Entwicklung von Wasserstoff als Bestandteil seines künftigen Energiemixes nur langsame Fortschritte gemacht.
    • Dies ändert sich nun: Der kürzlich veröffentlichte “Langfristige Entwicklungsplan des Wasserstoffsektors für China 2021-2035” (NDRC, 24. März) setzt klare Vorgaben und hohe Erwartungen für den neuen Energiesektor. Wasserstoff soll ein wichtiger Bestandteil des künftigen Energiemixes werden.
    • Derzeit befindet sich der nationale Markt für Brennstoffzellenfahrzeuge noch in einem frühen Stadium der Entwicklung. 2022 sollen nur etwa 1.500 Fahrzeuge verkauft werden.
    • Dennoch haben einige internationale Unternehmen wie Toyota, Bosch und Ballard das große Marktpotenzial von Brennstoffzellenanwendungen in China erkannt. Sie sind frühzeitig in diesen Sektor eingestiegen.
    • Sie haben bereits in mehrere Bereiche der Wertschöpfungskette investiert, darunter Basismaterialien, Komponenten für Brennstoffzellen, Brennstoffzellenstacks/-systeme und Brennstoffzellenfahrzeuge.
    • Für den Markteintritt streben die meisten ausländischen Unternehmen Partnerschaften mit chinesischen Unternehmen wie Weichai, Sinohytec und Weifu an, entweder in Form eines Joint Ventures oder durch den Abschluss strategischer Kooperationsvereinbarungen. Chinesische Unternehmen verfügen in der Regel über umfangreiche Produktionskapazitäten und ein dichtes Vertriebsnetz, was ihren ausländischen Partnern die künftige Geschäftstätigkeit in China erleichtert.
    • Für andere Unternehmen, die auf dem chinesischen Wasserstoffmarkt Fuß fassen wollen, ist die Entwicklung einer optimalen Markteintrittsstrategie und die Wahl geeigneter Partner noch wichtiger geworden. Schließlich haben die Early Movers schon begonnen, den Markt zu prägen.

    Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.

    • Nachhaltigkeit
    • Wasserstoff

    News

    Abkommen mit den Salomonen unterschrieben

    Der Sicherheitsvertrag zwischen China und den Salomonen-Inseln ist in trockenen Tüchern. “Die Außenminister Chinas und der Salomonen haben den Rahmenvertrag über eine Sicherheitskooperation kürzlich unterschrieben”, sagte ein Sprecher des Außenministeriums in Peking am Dienstag bei der regulären Pressekonferenz. Der genaue Text des Abkommens ist nicht bekannt. Der Premier der Inselgruppe, Manasseh Sogavare, hatte im Vorfeld betont, dass China dort keine Militärbasis errichten werde. Ein durchgesickerter Vertragsentwurf sieht jedoch die Möglichkeit für Versorgungsstopps für chinesische Kriegsschiffe vor.

    China hat betätigt, den umstrittenen Vertrag mit den Salomonen abgeschlossen zu haben.

    Das Abkommen ist Gegenstand heftiger Debatten (China.Table berichtete). Australien und die USA befürchten, dass China seine Stellung im Pazifik dadurch entscheidend stärken kann. Im Jahr 2019 hatten die Salomonen sich als eines der letzten Länder diplomatisch von Taiwan abgewandt und die Volksrepublik als das eine China anerkannt. Daraufhin hatte es dort Ausschreitungen gegen Chinesen gegeben. Ein Teil des neuen Vertragswerks erlaubt es Peking nun offenbar, Sicherheitskräfte zum Schutz ethnischer Chinesen auf die Inseln zu entsenden. fin

    • Geopolitik
    • Taiwan

    Sieben weitere Corona-Todesfälle in Shanghai

    Shanghai hat am Dienstag sieben weitere Todesfälle gemeldet, die auf Coronavirus-Infektionen zurückgehen. Nach Angaben von Staatsmedien handele es sich bei den Verstorbenen um ungeimpfte Patienten zwischen 60 und 101 Jahren mit Vorerkrankungen, die in akuten Notzuständen ins Krankenhaus eingeliefert worden seien. Laut offiziellen Zahlen vom Dienstag hat der jüngste Omikron-Ausbruch in Shanghai nun insgesamt zehn Menschen das Leben gekostet.

    Peking beharrt weiterhin auf seiner strikten Null-Covid-Strategie. Seit Ende März herrscht in Shanghai ein weitgehender Lockdown. Trotzdem gibt es täglich rund 20.000 neue Infektionen, die meisten davon asymptomatisch.

    Vor allem ältere Menschen sollen durch die strikten Maßnahmen geschützt werden. Die Gesundheitsbehörden in Shanghai teilten am Sonntag mit, dass weniger als zwei Drittel der Einwohner über 60 Jahre zwei Dosen des chinesischen COVID-19-Impfstoffs und weniger als 40 Prozent einen Booster erhalten haben. fpe

    • Coronavirus
    • Gesundheit

    Honda-Edelmarke Acura verlässt China

    Die Honda-Luxus-Marke Acura wird sich nach sechs Jahren aus China verabschieden. Laut chinesischen Medienberichten wollen die Japaner den größten Automarkt der Welt ab 2023 verlassen.

    Honda und sein lokaler Joint-Venture-Partner GAC haben Acura 2016 gegründet. Das lokale Angebot umfasste unter anderem den CDX, einen für den chinesischen Markt neu gestalteten Honda HR-V und die TLX-L-Limousine mit extra-langem Radstand. Seine besten Verkäufe erzielte Acura 2019. Damals konnte die Marke 14.701 Autos in China absetzen. Im vergangenen Jahr waren es nur noch etwas mehr als 6.500 Autos.

    Honda will trotz des Abganges weiter in China investieren. In den kommenden fünf Jahren will der Autobauer hier zehn neue E-Modelle auf den Markt bringen. Außerdem will Honda verstärkt in Batterietechnik investieren. Für 2040 hat das Unternehmen den kompletten Abschied vom Verbrennungsmotor angekündigt. fpe

    • Autoindustrie

    In Liaoning und Jilin fahren Fabriken wieder hoch

    In den nordöstlich gelegenen Provinzen Jilin und Liaoning kommt nach Zwangspausen wegen Corona das Wirtschaftsleben wieder in Gang. In Jilin sind die Werke der 500 größten Unternehmen wieder in Betrieb, wie die Provinzregierung am Dienstag mitteilte. Dazu gehören die Werke von FAW in Changchun, einem wichtigen Partner von VW. Auch Bosch berichtet davon, dass sein Teilewerk vor Ort wiedereröffnen konnte.

    Nach fast einmonatiger Produktionsunterbrechung hat auch BMW in zwei Werken am Standort Shenyang in Liaoning vor Ostern den Betrieb wieder aufgenommen. Zugleich wurde die Erweiterung des Werks Dadong zum ersten Mal genutzt, deren Einweihung sich wegen des Coronavirus verzögert hatte. Ein Drittel der Autos der Marke BMW kommt aus Shenyang. fin

    • Autoindustrie

    Presseschau

    China und Salomonen vereinbaren Zusammenarbeit ZEIT
    U.S. team is off to Solomon Islands amid concern over draft security pact with China NPR
    China to increase coordination with Russia, says senior Chinese diplomat REUTERS
    Chinese diplomats head to eastern Europe as suspicions grow over Russia ties SCMP
    As China and India stand by Russia over Ukraine war, why are their media not speaking in one voice? SCMP
    Lockdown in Shanghai: Massenstau vor dem größten Containerhafen der Welt SPIEGEL
    Hunger and anger in Shanghai’s unending lockdown nightmare CNN
    China’s temp agencies recruit underemployed migrants to enforce lockdown restrictions NPR
    China’s ‘Zero-Covid’ Crackdown Threatens Global Economy FORBES
    China GDP: IMF slashes growth forecast as coronavirus outbreaks, zero-Covid policy ‘increase uncertainty’ SCMP
    Produktion von Bosch und Tesla in China läuft wieder an WIWO
    Weniger China, mehr USA: Volkswagen will Geschäft neu aufstellen NTV
    China doubles down on coal NYTIMES
    Taiwan seeks Indo-Pacific Economic Framework membership with U.S. REUTERS

    Portrait

    Nils Schmid – SPD-Außenpolitiker mit Blick auf den Indo-Pazifik

    SPD-Politiker und Außenpolitik-Sprecher Nils Schmid

    Die vergangenen Wochen beschreibt Nils Schmid als anstrengend und traurig. “Es ist frustrierend, dass die Diplomatie als Mittel zur Konfliktlösung gescheitert ist”, erklärt der SPD-Politiker, Bundestagsabgeordnete und außenpolitische Sprecher seiner Fraktion. Lange hatte der promovierte Jurist auf eine friedliche Lösung in der Ukraine-Krise gehofft, vergeblich.

    Chinas Zurückhaltung in dem Konflikt sei enttäuschend – überrascht ihn aber nicht. “Das war erwartbar”, sagt der 48-Jährige. Das Land habe keine Erfahrung in der Vermittlung zwischen Kriegsparteien. Dass die chinesische Regierung jedoch nicht einmal klare Worte finde, sei eine verpasste Chance, sich in seiner internationalen Rolle zu profilieren.

    “Berufspolitiker zu werden, war nicht Plan A”

    Schmid wollte eigentlich Diplomat werden. Politisch interessiert sei er schon immer gewesen, mit 17 wurde er SPD-Mitglied und engagierte sich bei den Jusos. Aber: “Berufspolitiker zu werden, war nicht Plan A”, gibt er zu. Noch während seines Jura-Studiums zog er 1997 als Nachrücker überraschend in den Landtag von Baden-Württemberg ein.

    Im Laufe seiner landespolitischen Karriere wurde er stellvertretender Ministerpräsident, Finanz- und Wirtschaftsminister. 2016 trat er als Spitzenkandidat bei der Landtagswahl an und holte das bis dahin schlechteste Ergebnis der SPD im “Ländle”. “Das war sehr bitter, weil wir gute Regierungsarbeit geleistet hatten.” Gegen den beliebten Amtsinhaber Kretschmann und die durch die Flüchtlingskrise erstarkte AfD hatte er keine Chance. Er nutzte die Gelegenheit zur Reflexion, erst mit seinem Landesverband, dann für sich persönlich.

    Fokus auf die Indo-Pazifik-Strategie

    Und so nahm er das Angebot an, für den Bundestag zu kandidieren. Damit verbunden gewesen sei die Entscheidung, sich wieder stärker seiner Leidenschaft für internationale Politik zu widmen. Im Bundestag vertritt Schmid nun seit 2017 den Wahlkreis Nürtingen bei Stuttgart und seit 2018 die außenpolitischen Positionen seiner Fraktion. Bei seiner Arbeit unterstützen ihn neben den Mitarbeiter:innen in seinem Abgeordneten-Büro auch drei Referent:innen der Arbeitsgruppe Außenpolitik der SPD-Fraktion im Bundestag.

    Der gebürtige Trierer ist überzeugt: “Man kann etwas bewegen.” In der aktuellen Legislaturperiode gehe es jetzt darum, die Indopazifik-Strategie mit Leben zu füllen. “Bekommen wir es hin, Partner wie Japan enger anzubinden? Können wir westlichen Staaten uns besser abstimmen gegenüber der chinesischen Offensive bei internationalen Standards?”, nennt Schmid einige Punkte auf seiner To-do-Liste.

    Das Konzept Wandel durch Handel mit China sei gescheitert, stattdessen spricht er von einer “neuen Heiligen Dreifaltigkeit” aus System-Rivalität, Wettbewerb und Kooperation. Raum für Zusammenarbeit sei aber weiterhin wichtig, beispielsweise bei der Klimapolitik: “Dafür ist die Welt einfach zu zerbrechlich.” Paul Meerkamp

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    Personalien

    Christine Soong wird Group Head Greater China bei der Schweizer Bankengruppe Julius Bär in Hongkong. Sie war in leitenden Positionen bei Standard Chartered Private Bank, Core Pacific, KGI Wealth Management und Taishin Holdings Hong Kong tätig. Bei Julius Bär war sie zuletzt als stellvertretende Gruppenleiterin für Greater China zuständig.

    Mirko Jurkovic ist seit März General Manager bei der SMS Engineering China Ltd. Die Shanghaier Firma fertigt und vertreibt Maschinen für die Verarbeitung von Stahl und Nichteisenmetallen. Jurkovic war zuvor anderthalb Jahre als Deputy General Manager für SMS Siemag Technology Beijing tätig.

    Dessert

    Der große Lockdown von Shanghai bringt zahlreiche Memes hervor. Wie dieses Wortspiel zu der Frage, ob der Lockdown Ende Mai endet oder nicht.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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