Table.Briefing: China

Neuer China-Vorstand bei VW + Interview mit AHK-Chef Hildebrandt

  • Neuer China-Vorstand bei Volkswagen
  • Hildebrandt: Lieferkettengesetz stellt Unternehmen vor große Probleme
  • Didi zieht sich von US-Börse zurück
  • Logistikkonzern gegen Lieferketten-Probleme
  • Tools: Die Qualität der Zulieferer verbessern
Liebe Leserin, lieber Leser,

die Spitzenpersonalie für den China.Table ist heute nicht Olaf Scholz, sondern Ralf Brandstätter. Im VW-Vorstand ist er künftig für China zuständig. Damit soll er das Geschäft auf dem größten Automarkt der Welt wieder drehen. Dort drohte der Marktführer seine dominierende Position zu verlieren: Unter anderem verbaute er dringend benötigte Chips lieber zu Hause in Deutschland als in Fernost. Solche Entscheidungen über die Verteilung knapper Ressourcen fallen auf Vorstandsebene. Und dort war bisher Konzernchef Diess auch für China zuständig. Brandstätter soll nun Diess “entlasten” und für die richtigen Prioritäten sorgen. Christian Domke Seidel analysiert die Hintergründe des Personalkarussells an der VW-Spitze.

Die neue Bundesregierung legt einen stärkeren Schwerpunkt beim Schutz von Menschenrechten und freiheitlichen Werten als ihre Vorgängerin. Die alte Regierung hat ihr hier jedoch eine Steilvorlage hinterlassen: Das deutsche Lieferkettengesetz. Es soll Firmen dazu verpflichten, auf die Umstände zu achten, unter denen ihre Waren hergestellt werden. Was in der Theorie nobel klingt, dürfte in der Praxis auf Schwierigkeiten stoßen. Wer soll Menschenrechtsverletzungen feststellen und bewerten? Amelie Richter sprach darüber mit Jens Hildebrandt von der Deutschen Handelskammer in China. Und auch sonst geht es in der heutigen Ausgabe viel um Lieferketten.

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Ihr
Felix Lee
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Analyse

Ralf Brandstätter wird China-Vorstand von VW

Ralf Brandstätter wird Vorstand von VW China.

Es brodelt in Wolfsburg. Kurz vor der Aufsichtsratssitzung am Donnerstag (9. Dezember) des Volkswagen-Konzerns ist es dem Autogiganten jedoch gelungen, eines der größten Probleme aus der Welt zu schaffen. Ralf Brandstätter (53), bisher Chef der Kernmarke VW, soll zusätzlich China-Vorstand werden. Das erfuhr Table.Media aus Konzernkreisen. Damit entlastet er Konzernchef Herbert Diess, dem er diese Aufgabe abnimmt. Der angezählte Vorstandsvorsitzende behält damit vorerst seinen Posten. Er kann sich jedoch keineswegs sicher fühlen.

Brandstätter hatte erst im Sommer 2020 die Führung der Kernmarke Volkswagen von Diess übernommen. Im Nachhinein fällt ein Satz der damaligen Präsentation Brandstätters besonders auf: “Dr. Herbert Diess, der bisher beide Funktionen in Personalunion verantwortet hatte, erhält damit mehr Freiraum für seine Aufgaben als Konzernchef.” Denn diesen Satz können die Wolfsburger direkt wieder verwenden. Die erneute Beförderung Brandstätters bringt seinem Vorstandschef wieder einmal “mehr Freiraum”.

E-Autos und Halbleiter sind die wichtigsten Baustellen

Brandstätter muss als neuer China-Vorstand zwei zentrale Herausforderungen angehen. Zum einen gilt es, die Elektromobilität voranzutreiben. Volkswagen läuft den eigenen Ansprüchen in China hinterher. Stephan Wöllenstein musste deswegen seinen Job als Chef der Volkswagen Group China (VGC) bereits abgeben. Er sei am schlechten Timing gescheitert, erklärte Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer damals im Gespräch mit China.Table. Volkswagen habe in China schlicht nur europäische Autos im Angebot gehabt, es brauche aber SUV und Tesla-ähnliche Limousinen.

Die zweite Aufgabe ist das Ausbalancieren des Halbleitermangels. Im kommenden Jahr dürfte das nur auf Kosten des europäischen Marktes funktionieren. An Autos, die in China verkauft werden, verdient Volkswagen jedoch deutlich weniger als an Modellen in anderen Märkten. Das liegt auch an den Joint-Venture-Partnern SAIC und FAW, die selbstverständlich ihren Teil der Rendite beanspruchen. Als der Halbleitermangel auftrat, bevorzugte der Konzern deswegen die europäischen Fabriken bei der Zuteilung. Weil das zu massiven Verstimmungen in der Volksrepublik führte, dürften im kommenden Jahr die chinesischen Standorte deutlich besser behandelt werden. So will VW auch seine bedrohte Position als Marktführer halten. Ob die europäischen Fabriken dann noch genug Teile erhalten, ist noch offen.

Der Chipmangel wird Volkswagen jedenfalls auch 2022 zu schaffen machen. Mindestens das erste Halbjahr über werde es Engpässe geben, sagte Einkaufsvorstand Murat Aksel. Eine Task-Force versuche, die Versorgung aufrechtzuerhalten. Der Mangel an elektronischen Bauteilen hinterlässt jedoch weiterhin tiefe Spuren. Im Oktober waren die weltweiten Auslieferungen des Konzerns um ein Drittel gefallen, am stärksten eben in China und in Europa. In jedem Fall müsste Brandstätter sich erst einmal auf die Gemeinschaftsunternehmen mit FAW und SAIC konzentrieren. Dort hatte der Halbleitermangel für besonders viel Ärger gesorgt.

Erfahrener Auto-Mann ohne China-Hintergrund

Anders als Wöllenstein bringt Brandstätter keine China-Erfahrung mit. Dafür kennt er sich bestens im Konzern aus. Mehr als sein halbes Leben hat er dort die Karriereleiter erklommen: Im Jahr 1993 trat er in das Unternehmen ein, mit 30 leitete er ab 1998 bereits die wichtige Beschaffung von Metallen für Fahrwerks- und Antriebsteile. Keine fünf Jahre später war er schon zuständig für neue Fahrzeugprojekte. Danach rückte Brandstätter jeweils im Abstand von zwei bis drei Jahre auf einen neuen Chefposten auf. Auslandserfahrung sammelte er in Spanien bei Seat, erst in der Beschaffung, dann als Vorstandsmitglied.

Im Sommer 2020 war die Branche dann dennoch überrascht, als Brandstätter die Rolle als CEO der Kernmarke Volkswagen Pkw von Diess übernahm und sich dieser damit zum Teil entmachten ließ. Wie der aktuelle Karriereschritt zeigt, war das jedoch nur der Anfang einer deutlichen Ausweitung seiner Kompetenzen. Der steile Aufstieg lässt sich damit erklären, dass Brandstätter im Aufsichtsrat einen exzellenten Ruf genießt

Mehr Halbleiter für China = mehr Probleme für Diess?

Sollte jedoch in Europa nun auch der Absatz von Elektroautos wieder fallen – beispielsweise wegen fehlender Halbleiter, die in China verbaut werden – könnte es für Diess eng werden. Über seinen Job entscheiden die Familien Porsche und Piëch. Sie halten 53 Prozent der Stimmen in der Hauptversammlung. Neben dem Aktienkurs geht es Ihnen um gute Beziehungen zur Politik. Aktuell ist Stephan Weil Ministerpräsident in Niedersachsen. Der SPD-Mann steht dem Betriebsrat im Konzern nahe, der sich wiederum mit Diess überworfen hat. Das verheißt nichts Gutes für Diess.

Wöllenstein, der bisherige China-Chef vor Ort, soll unterdessen noch vor dem chinesischen Neujahr zum 1. Februar nach Wolfsburg zurückkehren. Was die Personalrochaden im VW-Vorstand für die Nachfolge Wöllensteins bedeuten, ist derweil noch unklar. In Fachkreisen kursieren zwei Möglichkeiten:

  • Entweder übernimmt Brandstätter diese Aufgabe selbst in Personalunion und geht dann möglicherweise sogar nach China, um das Geschäft vor Ort zu kontrollieren.
  • Oder Jochen Seitz, aktuell Mitglied im Markenvorstand Volkswagen im Bereich Controlling und Rechnungswesen, erhält den Job als Chef der Volkswagen Group China und berichtet an Brandstätter (China.Table berichtete).

Jürgen Unser: Neuer Präsident von Audi China

Der Posten des Präsidenten von Audi China konnte parallel deutlich geräuschloser neu vergeben werden. Jürgen Unser übernimmt die Steuerung des Geschäfts in der Volksrepublik und folgt damit auf Werner Eichhorn, der in den Ruhestand geht. Unser ist Maschinenbau-Ingenieur und seit dem Jahr 2004 im VW-Konzern tätig. Seit 2013 ist er Technical Vice President für Forschung und Entwicklung, Produktmanagement und Produktion sowie Vorstandsmitglied von FAW-Volkswagen in China.

Der VW-Vorstand erhält derweil noch drei neue Gesichter und wird damit auf elf Sitze vergrößert:

  • Hauke Stars, bis 2020 Vorstandsmitglied der Deutsche Börse AG, wird IT-Vorständin im Konzern.
  • Hildegard Wortmann, bislang Marketingchefin bei Audi, übernimmt das neue Ressort Vertrieb.
  • Der bisherige Chefjustiziar Manfred Döss übernimmt das Vorstandsressort “Integrität und Recht” von Hiltrud Werner, deren Vertrag im Februar 2022 endet.

Aus Sicht von Diess ist vor allem die letztgenannte Personalie spannend, weil es ursprünglich die Planungen gegeben haben soll, ihm die Aufgaben von Werner einfach zu übertragen. Doch scheinbar soll ihm auch hier der erwähnte “Freiraum” gelassen werden. Diess bekommt allerdings die Verantwortung beim Tochterunternehmen Cariad. In der Firma werden die Softwareaktivitäten des Konzerns gebündelt. Allerdings hinkt sie dem Zeitplan deutlich hinterher. Christian Domke Seidel/Ning Wang

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    Jens Hildebrandt: “Wer soll in einem System wie China Zwangsarbeit feststellen?”

    Jens Hildebrandt von der Deutschen Handelskammer in China
    Jens Hildebrandt von der Deutschen Handelskammer in China

    Das deutsche Lieferkettengesetz wird in gut einem Jahr in Kraft treten. Wie sind Unternehmen in China darauf vorbereitet?

    Das Lieferkettengesetz hat natürlich für viel Diskussionsstoff gesorgt und viele Fragen aufgeworfen. Nicht nur bei Unternehmen in China, sondern weltweit bei deutschen Unternehmen. Sie fragen sich, wie sie diese Prüfung und Kontrolle ihrer unmittelbaren Lieferkette bis in die tiefste Ebene, also bis zum Rohstofflieferanten, hinbekommen sollen. 

    Wie sich die Unternehmen bisher vorbereiten? Sie klären erstmal intern ab, wer zuständig ist. Bei Großunternehmen kümmern sich Compliance-Abteilungen. In kleinen Unternehmen stellt sich die Frage, ob das Thema beim Management, beim Einkauf oder bei Compliance liegt. Das ist schon mal die erste Herausforderung. Was die Unternehmen außerdem machen müssen: Risikomanagement aufsetzen, in dem sie eruieren und herauskriegen, wer in ihrer Lieferkette präsent ist. Wo sind die? Was machen die? Dieses Assessment läuft im Moment.

    Sollte ich aber nicht eigentlich von Haus aus wissen, wen ich in meiner Lieferkette habe? 

    In der Textil- und Automobilindustrie ist das der Fall. Das ist ein ganzes System, was hier aufeinander abgestimmt ist und ineinander passen muss. Viele Unternehmen kennen ihre Lieferketten in der Tiefe. Der klassische Mittelständler im Maschinenbau oder in anderen Bereichen, also die meisten kleinen und mittelständischen Unternehmen, kennen ihre Lieferkette in ihrem Bereich, also die Geschäftspartner, mit denen sie Verträge haben. Darüber hinaus kennen sie die Lieferketten noch bei wichtigen Komponenten, aber nicht in der Tiefe, vor allem kennen sie nicht alle Rohstofflieferanten.

    Für die meisten war es in der Vergangenheit nicht aktuell, zu wissen, wo der Rohstoff XY herkommt. Wir als AHK in China haben schon relativ zeitig, als das Lieferkettengesetz verabschiedet wurde, ein Muster für einen Code of Conduct entwickelt. An diesem können sich die Unternehmen orientieren und ihn an ihre Lieferanten weitergeben. Bei einigen Großunternehmen ist sowas überwiegend sowieso schon vorhanden. Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen ist das nicht immer der Fall. Das hängt davon ab, wie komplex die Produkte sind.

    Gibt es denn noch viel Unsicherheit?

    Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) muss noch die Durchführungsbestimmungen erlassen. Die gibt es aktuell noch nicht und darauf warten auch die Unternehmen. Im Moment sind wir tatsächlich in der Phase des Assessments, in der alle wissen: Okay, da kommt was, 2023 wird es eingeführt. Aber wir müssen erst mal Klarheit bekommen. Wie das dann mit der Umsetzung aussieht, wird sich zeigen. Es ist auch geplant, dass das BAFA Kontrollreisen macht. Und da muss man sehen, wie das funktionieren soll. Wie sollen sie denn zu Lieferanten in den Ländern kommen? Wir sprechen da nicht nur über China, sondern auch über andere Länder. Zudem stellt sich die Frage, wie sich das in den Joint Ventures umsetzen lässt. Die Durchführungsbestimmungen werden aber sicherlich eine Richtlinie geben.

    Reicht ein Jahr aus, alle Anforderungen umzusetzen, bis das Gesetz Anfang 2023 in Kraft tritt?

    Aus Sicht vieler Unternehmen ist die Zeit angesichts der Komplexität sehr, sehr eng. Im Moment kämpfen wir ja auch noch mit einer Pandemie, mit Rohstoffkrise und Logistikproblemen. Das ist eine extrem schwierige Lage. Aber: Es ist so, wie es ist. Wir erleben sehr große Anstrengungen und sind ja ein Teil davon. Es wird jedenfalls knapp werden, da wir noch nicht wissen, wann es nähere Hinweise zur Implementierung geben wird. 

    Wie wird die Kontrolle aussehen? Wird es Zertifikate geben?

    Es gibt ja bereits Zertifikate. Die Unternehmen machen Audits und Social Audits, gerade in der Automobilindustrie. Es stellt sich die große Frage, wer den Vorwurf der Zwangsarbeit in einem System wie China oder auch in anderen Ländern feststellen und dokumentieren soll. Mein Eindruck ist, dass es schwierig werden wird, Zertifizierungs-Institutionen zu finden, die das tun werden.

    Wer könnte das übernehmen?

    Das sind beispielsweise die großen zugelassenen Zertifizierungs-Unternehmen wie die TÜVs oder Bureau Veritas. Es gibt auch chinesische Firmen. Was aber auch ganz klar ist: Laut chinesischem Recht darf es keine Zwangsarbeit geben. Im Umkehrschluss kann man dann auch keine Zwangsarbeit feststellen. Deswegen ist es für mich schwierig, mir vorzustellen, wie ausländische oder chinesische Zertifizierer einen Vorwurf der Zwangsarbeit bestätigen oder dokumentieren wollen.

    Sie glauben also nicht, dass der TÜV in Xinjiang in irgendwelche Werkshallen darf, um dort zu überprüfen, wie es läuft?

    Das kann ich nicht beurteilen. Es war ja aber bereits in der Presse zu lesen, dass ausländische Zertifizierer nicht nach Xinjiang gehen.

    Gibt es denn Unternehmen, die in Xinjiang tätig sind und sagen “Mir wird es hier zu heikel, dann gehe ich lieber”? 

    Die deutsche Wirtschaft ist ja in der großen Masse an der Ostküste Chinas aktiv. Wir wissen von wahrscheinlich nicht mehr als zwei Handvoll deutscher Unternehmen, die in Xinjiang aktiv sind. Xinjiang hat auch keine ausreichende Industriestruktur, um in relevanten Bereichen als Zulieferer-Standort für die deutsche Wirtschaft infrage zu kommen. Wie dem auch sei, das Lieferkettengesetz verpflichtet die Unternehmen, in ihre Lieferketten reinzuschauen bis in die Tiefe. Und falls das in der Region der Fall ist, dann muss das Unternehmen für sich entscheiden, was es damit tut. Wir haben bisher von keinem Unternehmen gehört, dass ein Wegzug thematisiert wurde.

    Das EU-Lieferkettengesetz könnte schärfer ausfallen als das deutsche. Welche Herausforderungen würde das für Unternehmen in China bringen? 

    Hier stellt sich wieder die Frage der Umsetzung. er soll das verifizieren? Für die deutschen Unternehmen steht unternehmerische Verantwortung ganz oben auf der Agenda. Sie sind sich der Herausforderungen bewusst und deswegen laufen im Moment auch die Assessments zum Risikomanagement und im Compliance Management. Die Unternehmen werden sich ihre Lieferkette komplett anschauen. Klar wird das auch große Unternehmen noch mal eine ganz andere Herausforderung sein.

    Was erwarten Sie von chinesischer Seite?

    Das ist ein deutsches und europäisches Lieferkettengesetz, insofern hat das erstmal nichts mit der Involvierung der chinesischen Regierung zu tun. Was für die chinesische Regierung klar sein muss: Das Gesetz richtet sich nicht gegen China, ist also kein Lex Sinica. Das Lieferkettengesetz ist aus der Historie der unternehmerischen Verantwortung entstanden, die auf die weltweiten Aktivitäten deutscher Unternehmen abzielt.  

    Befürchten Sie, dass es Blockaden von chinesischen Behörden geben könnte?

    Es gibt einzelne Instrumente wie beispielsweise das Anti-Sanktionsgesetz der chinesischen Seite. Nach diesem Gesetz können ausländische Unternehmen theoretisch dafür belangt werden, wenn sie sich im Rahmen von Sanktionen von Geschäften mit chinesischen Unternehmen zurückziehen. Ich glaube aber, was den Unternehmen eher klar sein muss: Im B2C-Bereich, in Social Media, könnte es Shitstorms geben. Das haben wir schon gesehen. Unternehmen müssen sich darauf vorbereiten, wie sie damit umgehen wollen und wie man das gegebenenfalls managt.

    Shitstorms hat es in diesem Jahr schon gegen H&M oder Nike gesehen, primär wegen Xinjiang. Wie können sich Firmen darauf vorbereiten, dass Lieferketten zunehmend politisiert werden?

    Die Unternehmen sind sensibilisiert, dass sie im Prinzip in einer Situation sind, in der sie in beide Richtungen eine Verantwortung gegenüber dem europäischen Verbraucher, aber auch dem chinesischen Verbraucher haben. Das muss jeder in der Industrie für sich selbst austarieren. Dazu wird die Kommunikation mit europäischen, mit deutschen Stakeholdern und Regierungen notwendig sein, genauso aber auch auf chinesischer Seite. Da gibt es keine einfache Lösung für die Unternehmen. 

    Ist das Lieferkettengesetz ein Frosch, der von Unternehmen geschluckt werden muss? Oder ist man vielleicht nicht auch froh darüber, dass dieses Thema jetzt geregelt wird? 

    Deutsche Wirtschaftsverbände haben im Vorfeld ihre Einschätzungen zur Umsetzung eingebracht. Die Anforderungen, die in manchen Märkten gestellt werden, können extrem schwierig werden. Das wird die Kosten und die administrativen Anforderungen bei den Unternehmen erhöhen. Das ist schon etwas, was gerade vor allem kleine und mittelständische Unternehmen benachteiligt. Nichtsdestotrotz ist es für Unternehmen grundsätzlich klar, dass unternehmerische Verantwortung gilt. Da sind deutsche Unternehmen in China beispielhaft unterwegs. Wir fahren als Deutsche Handelskammer hier seit sechs Jahren eine CSR-Kampagne, an der sich deutsche Unternehmen beteiligen und zeigen, dass sie nicht nur zum Wirtschaften hier sind, sondern auch, um etwas in die Gesellschaft zurückzugeben. Dazu gehört, sich an Umweltstandards zu halten sowie sozial- und arbeitsrechtlich sauber zu sein.

    Jens Hildebrandt ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer in China für Nordchina (AHK).

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      News

      Didi zieht sich von Wall Street zurück

      Der chinesische Mitfahrdienst-Anbieter Didi Chuxing will sich nur fünf Monate nach seinem Börsengang in New York wieder von der Wall Street zurückziehen. Nach der Ankündigung fielen Didi-Titel am Freitag um mehr als 22 Prozent und kosteten mit rund sechs US-Dollar deutlich weniger als zum Börsendebüt Ende Juni. Der Ausgabepreis lag damals bei 14 US-Dollar. Das Unternehmen hatte seinerzeit rund 4,4 Milliarden US-Dollar erlöst. Das war der größte Börsengang eines chinesischen Konzerns in den USA seit dem IPO des E-Commerce-Giganten Alibaba.

      Didi hatte im Sommer entgegen der Aufforderung der chinesischen Behörden, die IPO-Pläne zu verschieben, den Börsengang in den USA durchgezogen. Seither steht das Unternehmen im Visier der Aufsichtsbehörden in der Volksrepublik (China.Table berichtete). Die Cyberspace-Behörde CAC hat inzwischen 25 Didi-Apps verboten und dem Unternehmen die Registrierung neuer Nutzer mit Verweis auf Datenschutzbedenken untersagt. Gegen den Konzern wird weiterhin ermittelt.

      Didi selbst begründete die Pläne für den Rückzug von der Wall Street nicht. Analysten sehen jedoch eine Reihe von Vorteilen für das Unternehmen. “Chinesische Hinterlegungsscheine (ADS) werden mit steigenden regulatorischen Herausforderungen von US-amerikanischen wie auch chinesischen Behörden konfrontiert”, sagte Fondsmanager Wang Qi von MegaTrust Investment. “Für die meisten Unternehmen ist es ein Tanz auf dem Vulkan, beide Seiten zufriedenzustellen. Ein Delisting macht alles einfacher.” Insidern zufolge will Didi das Delisting in New York bis spätestens Juni 2022 über die Bühne gebracht haben und schon innerhalb von drei Monaten an der Hongkonger Börse notiert sein. rtr

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        Neuer Logistikkonzern soll Probleme bei Lieferketten beheben

        China will mit der Fusion von fünf Unternehmen zu einem staatlichen Logistikkonzern Lieferketten-Probleme besser in den Griff bekommen. Der neue Konzern namens China Logistics Group solle internationale Handelsverbindungen und Frachtdienstleistungen entwickeln und so die globalen Lieferketten organisieren, berichtete der Staatssender CCTV am Montag.

        Zusammengeführt worden seien China Railway Materials, China National Materials Storage and Transportation Group, die Shenzhen-Tochter der Huamao International Freight Ltd, China Logistics und die China National Packaging Corporation. Zudem werden sich China Eastern Airlines, COSCO Shipping und China Merchants Group als strategische Partner beteiligen.

        Die Corona-Pandemie sorgt seit Monaten für Unterbrechungen und Engpässen bei den globalen Lieferketten (China.Table berichtete). Der neue staatliche Logistikriese ist dem Sender CCTV zufolge in 30 chinesischen Provinzen und allen fünf Kontinenten aktiv. rtr

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          Die Qualität von Zulieferern verbessern

          Von Renaud Anjoran, China Manufacturing Consultants (CMC)

          Eine Umfrage der American Society for Quality zeigte, dass die größte Hürde, mit der Einkäufer bei der Verbesserung der Lieferkettenqualität konfrontiert sind, darin besteht, “mit Lieferanten zusammenzuarbeiten, um die Leistung zu verbessern”. Das war 2016, und wir glauben, dass sich sehr wenig geändert hat.

          Viele Unternehmen haben verschiedene Ansätze ausprobiert, um ihre wichtigsten Lieferanten zu verbessern. Das ist besonders schwierig, wenn diese Unternehmen umsteigen müssen, um ein sogenanntes “Zero Defect”-, also “Null-Fehler”-Ziel, zu verfolgen, und ihre Lieferanten sich weigern, auch nur den ersten Schritt zu tun.

          Was ist Zero Defect?

          Zero Defect ist ein Qualitätsziel, das sich auf die Verbesserung der Fertigungssysteme bis zu dem Punkt bezieht, an dem null oder fast keine Fehler an die Käufer geliefert werden. Es ist eine Möglichkeit, nicht nur die Käufer zufriedenzustellen, sondern auch alle verschwendeten Aktivitäten und Materialien zu beseitigen, die mit einer fehlerhaften Herstellung verbunden sind. Zero Defect kann letztendlich zu einer Denkweise werden, bei der die gesamte Organisation keine Form von schlechter Qualität duldet.

          Basierend auf unserer Erfahrung, unsere Kunden durch Transformationsprojekte zu führen, finden Sie hier unsere praktischen Ratschläge. Es beginnt damit, dass der Käufer entschlossen handelt. Wenn Berater beteiligt sind, teilen wir auch einige gute Praktiken.

          Was der Käufer tun muss

          Wenn der Käufer keinen Einfluss auf den Lieferanten hat und wenn der Käufer nicht bereit ist, konsequente Entscheidungen zu treffen, ist der Wechsel zu Null-Fehler-Bedingungen nicht wahrscheinlich. Lassen Sie uns dies näher erläutern.

          Wir sollten erwähnen, dass es eine wichtige Voraussetzung gibt. Als Käufer möchten Sie, dass Ihr Lieferant Ihren Qualitätsstandard klar versteht, und Sie mit Ihrer Bewertung seiner Produktqualität einverstanden sind. Ohne diese Voraussetzung konzentrieren sich die Teams des Lieferanten auf Unterschiede in der Einschätzung dessen, was ein Defekt ist, anstatt an Verbesserungen zu arbeiten.

          Wir haben beobachtet, dass Einkäufer mehrere Ansätze verfolgen, die erfolgreich waren, um wichtige Lieferanten davon zu überzeugen, ein Qualitätsverbesserungs-Programm zu starten und letztendlich zu einer Null-Fehler-Denkweise überzugehen.

          Hier sind Beispiele für Ansätze, die funktioniert haben.

          Machen Sie dem Lieferanten bewusst, dass er Ihr Geschäft zu verlieren droht:

          • Entwickeln Sie mindestens eine Backup-Quelle und stellen Sie sicher, dass sie eine gute Qualität bieten können.
          • Sammeln Sie Daten über die Anzahl der PPM-Defekte (parts per million) und stellen Sie sicher, dass der Lieferant dies weiß. Machen Sie auch Ihr Ziel bekannt.
          • Warnen Sie den Lieferanten: Wenn in den nächsten sechs Monaten keine deutliche Verbesserung zu verzeichnen ist, reduzieren Sie sein Geschäft um X Prozent (z. B. um 20 Prozent nach sechs Monaten, dann um weitere 20 Prozent nach 10 Monaten usw.).
          • Parallel dazu bieten wir an, ihnen bei der Verbesserung ihrer Systeme und Prozesse zu helfen.

          Machen Sie die Situation für den Lieferanten ungemütlich:

          • Sichern Sie eine Backup-Quelle (wie es normalerweise in Automobillieferketten der Fall ist).
          • Sammeln Sie Daten über die Anzahl der PPM-Defekte, aber auch über alle Kosten, die es in Ihrer Organisation verursacht.
          • Stellen Sie dem Lieferanten einige/alle diese Kosten erneut in Rechnung.
          • Wenn Sie mehrere Defekte sehen, zwingen Sie den Lieferanten außerdem in die Eindämmung (das heißt, sie bezahlen eine Inspektionsagentur, um 100 Prozent der Teile/Produkte zu überprüfen, bis diese Agentur null Fehler findet).
          • Wechseln Sie von der klassischen Abnahmebeprobung (basierend auf AQL oder Acceptance Quality Limits) zu einem “Acceptance on Zero”-Plan. Ihre Inspektoren müssen dann weniger Proben überprüfen und Sie sparen Bewertungskosten.
          • Parallel dazu bieten wir an, ihnen bei der Verbesserung ihrer Systeme und Prozesse zu helfen.

          Es gibt Möglichkeiten, den Erfolg dieser Ansätze wahrscheinlicher zu machen:

          • Der Käufer teilt dem Lieferanten die Kosten mit, die ihm aufgrund von Mängeln entstehen.
          • Ein Käufervertreter (der ein Berater sein kann) verbringt ein paar Tage in der Fabrik und erklärt, wie schlechte Qualität die Kosten für das Endergebnis der Fabrik erhöht.
            Hinweis: Der Lieferant kann diese Bemerkungen nicht formell anerkennen, aus Angst, dass das Einkaufspersonal des Käufers diese Informationen verwendet, um die Preise zu drücken. In der Regel gilt: Wenn Vertreter der Einkaufsabteilung des Käufers beteiligt sind, ist der Lieferant weniger offen, liefert weniger Daten und ist weniger bereit und willens, die Ergebnisse zu bestätigen.
          • Ein Einkäufervertreter beginnt, dem Lieferanten bei einigen der Prozess- und Qualitätsentwicklungsarbeiten zu helfen, die zur Verbesserung der Qualität erforderlich sind. Dies kann in Form von Go/No-Go-Messgeräten, Prüfvorrichtungen, Fehlerschutzvorrichtungen usw. erfolgen. Der Lieferant widersetzt sich einer solchen Unterstützung selten, wenn es einen direkten und messbaren Einfluss auf den Anteil der Mängel gibt und wenn dies keine erheblichen Kosten in seinem Betrieb verursacht.
          • In einigen Fällen müssen die Designer des Käufers, um Zero Defect zu erreichen, erhebliche Änderungen an ihrer Arbeitsweise vornehmen. Auf die Schwierigkeiten in den Fabriken zu hören und einfachere Designs zu erstellen, kann einen großen Beitrag dazu leisten, guten Willen zu zeigen und einen Lieferanten zur Zusammenarbeit zu bewegen.

          Ein guter Prozess für Berater, um den Übergang zu unterstützen

          Wenn Sie sich entscheiden, Berater einzubeziehen, kann die Beherzigung einiger “Best Practices” ein großes Stück weiterhelfen.

          Der leitende Berater sollte ein Management-Meeting in der Fabrik arrangieren, um sein Team vorzustellen und zu erklären, wie er der Fabrik helfen kann, ihre Ziele zu erreichen.

          Gute Vorbereitung und gute Kommunikation sind sehr wichtig:

          • Das Management muss das Gefühl haben, dass die Berater ihre operativen Probleme verstehen (was eine ziemlich gründliche Ersteinschätzung erfordert) und über die Erfahrung verfügen, diese Probleme anzugehen.
          • Wenn sich das Management der Fabrik öffnet und ihre Herausforderungen und Ziele teilt, kann dies die Grundlage für einen erfolgreichen Plan sein. Es ist im Allgemeinen besser, in eine Richtung zu gehen, die dem Top-Management der Fabrik für ihre strategischen Ziele wichtig ist, wenn dies ein Weg ist, um Zero Defect sehr viel näherzukommen. Die Breite und Tiefe der Veränderungen, die in der Organisation erforderlich sind, ist nur machbar, wenn die vollständige Unterstützung durch ihre Eigentümer und Manager gegeben ist.

          Wie fange ich an?

          Vielen Unternehmen fehlt das Selbstbewusstsein, um einige ihrer wichtigsten Lieferanten wirklich nachdrücklich zu pushen. Das ist verständlich und nachvollziehbar.

          Ein guter Anfang ist es, direkt mit Ihren wichtigsten Lieferanten zu kommunizieren und einen Ansprechpartner zu finden, der motiviert ist – zum Beispiel ist sich das Top-Management bewusst, dass Änderungen erforderlich sind, und sie haben viel zusätzliches Geschäft zu gewinnen, wenn sich ihre Leistung verbessert.

          Sobald ein Projekt mit einem Lieferanten positive Ergebnisse gezeigt hat, haben Sie mehr Vertrauen, Ihre anderen Lieferanten stärker zu pushen. Und wenn Sie Erfahrung bei der Umsetzung betrieblicher Veränderungen in einem Teil Ihrer Lieferantenbasis sammeln, werden Sie besser darin sein, die richtigen Kandidaten auszuwählen und sie davon zu überzeugen, den gewünschten Weg zu gehen.

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            CHINA.TABLE REDAKTION

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              die Spitzenpersonalie für den China.Table ist heute nicht Olaf Scholz, sondern Ralf Brandstätter. Im VW-Vorstand ist er künftig für China zuständig. Damit soll er das Geschäft auf dem größten Automarkt der Welt wieder drehen. Dort drohte der Marktführer seine dominierende Position zu verlieren: Unter anderem verbaute er dringend benötigte Chips lieber zu Hause in Deutschland als in Fernost. Solche Entscheidungen über die Verteilung knapper Ressourcen fallen auf Vorstandsebene. Und dort war bisher Konzernchef Diess auch für China zuständig. Brandstätter soll nun Diess “entlasten” und für die richtigen Prioritäten sorgen. Christian Domke Seidel analysiert die Hintergründe des Personalkarussells an der VW-Spitze.

              Die neue Bundesregierung legt einen stärkeren Schwerpunkt beim Schutz von Menschenrechten und freiheitlichen Werten als ihre Vorgängerin. Die alte Regierung hat ihr hier jedoch eine Steilvorlage hinterlassen: Das deutsche Lieferkettengesetz. Es soll Firmen dazu verpflichten, auf die Umstände zu achten, unter denen ihre Waren hergestellt werden. Was in der Theorie nobel klingt, dürfte in der Praxis auf Schwierigkeiten stoßen. Wer soll Menschenrechtsverletzungen feststellen und bewerten? Amelie Richter sprach darüber mit Jens Hildebrandt von der Deutschen Handelskammer in China. Und auch sonst geht es in der heutigen Ausgabe viel um Lieferketten.

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              Ralf Brandstätter wird China-Vorstand von VW

              Ralf Brandstätter wird Vorstand von VW China.

              Es brodelt in Wolfsburg. Kurz vor der Aufsichtsratssitzung am Donnerstag (9. Dezember) des Volkswagen-Konzerns ist es dem Autogiganten jedoch gelungen, eines der größten Probleme aus der Welt zu schaffen. Ralf Brandstätter (53), bisher Chef der Kernmarke VW, soll zusätzlich China-Vorstand werden. Das erfuhr Table.Media aus Konzernkreisen. Damit entlastet er Konzernchef Herbert Diess, dem er diese Aufgabe abnimmt. Der angezählte Vorstandsvorsitzende behält damit vorerst seinen Posten. Er kann sich jedoch keineswegs sicher fühlen.

              Brandstätter hatte erst im Sommer 2020 die Führung der Kernmarke Volkswagen von Diess übernommen. Im Nachhinein fällt ein Satz der damaligen Präsentation Brandstätters besonders auf: “Dr. Herbert Diess, der bisher beide Funktionen in Personalunion verantwortet hatte, erhält damit mehr Freiraum für seine Aufgaben als Konzernchef.” Denn diesen Satz können die Wolfsburger direkt wieder verwenden. Die erneute Beförderung Brandstätters bringt seinem Vorstandschef wieder einmal “mehr Freiraum”.

              E-Autos und Halbleiter sind die wichtigsten Baustellen

              Brandstätter muss als neuer China-Vorstand zwei zentrale Herausforderungen angehen. Zum einen gilt es, die Elektromobilität voranzutreiben. Volkswagen läuft den eigenen Ansprüchen in China hinterher. Stephan Wöllenstein musste deswegen seinen Job als Chef der Volkswagen Group China (VGC) bereits abgeben. Er sei am schlechten Timing gescheitert, erklärte Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer damals im Gespräch mit China.Table. Volkswagen habe in China schlicht nur europäische Autos im Angebot gehabt, es brauche aber SUV und Tesla-ähnliche Limousinen.

              Die zweite Aufgabe ist das Ausbalancieren des Halbleitermangels. Im kommenden Jahr dürfte das nur auf Kosten des europäischen Marktes funktionieren. An Autos, die in China verkauft werden, verdient Volkswagen jedoch deutlich weniger als an Modellen in anderen Märkten. Das liegt auch an den Joint-Venture-Partnern SAIC und FAW, die selbstverständlich ihren Teil der Rendite beanspruchen. Als der Halbleitermangel auftrat, bevorzugte der Konzern deswegen die europäischen Fabriken bei der Zuteilung. Weil das zu massiven Verstimmungen in der Volksrepublik führte, dürften im kommenden Jahr die chinesischen Standorte deutlich besser behandelt werden. So will VW auch seine bedrohte Position als Marktführer halten. Ob die europäischen Fabriken dann noch genug Teile erhalten, ist noch offen.

              Der Chipmangel wird Volkswagen jedenfalls auch 2022 zu schaffen machen. Mindestens das erste Halbjahr über werde es Engpässe geben, sagte Einkaufsvorstand Murat Aksel. Eine Task-Force versuche, die Versorgung aufrechtzuerhalten. Der Mangel an elektronischen Bauteilen hinterlässt jedoch weiterhin tiefe Spuren. Im Oktober waren die weltweiten Auslieferungen des Konzerns um ein Drittel gefallen, am stärksten eben in China und in Europa. In jedem Fall müsste Brandstätter sich erst einmal auf die Gemeinschaftsunternehmen mit FAW und SAIC konzentrieren. Dort hatte der Halbleitermangel für besonders viel Ärger gesorgt.

              Erfahrener Auto-Mann ohne China-Hintergrund

              Anders als Wöllenstein bringt Brandstätter keine China-Erfahrung mit. Dafür kennt er sich bestens im Konzern aus. Mehr als sein halbes Leben hat er dort die Karriereleiter erklommen: Im Jahr 1993 trat er in das Unternehmen ein, mit 30 leitete er ab 1998 bereits die wichtige Beschaffung von Metallen für Fahrwerks- und Antriebsteile. Keine fünf Jahre später war er schon zuständig für neue Fahrzeugprojekte. Danach rückte Brandstätter jeweils im Abstand von zwei bis drei Jahre auf einen neuen Chefposten auf. Auslandserfahrung sammelte er in Spanien bei Seat, erst in der Beschaffung, dann als Vorstandsmitglied.

              Im Sommer 2020 war die Branche dann dennoch überrascht, als Brandstätter die Rolle als CEO der Kernmarke Volkswagen Pkw von Diess übernahm und sich dieser damit zum Teil entmachten ließ. Wie der aktuelle Karriereschritt zeigt, war das jedoch nur der Anfang einer deutlichen Ausweitung seiner Kompetenzen. Der steile Aufstieg lässt sich damit erklären, dass Brandstätter im Aufsichtsrat einen exzellenten Ruf genießt

              Mehr Halbleiter für China = mehr Probleme für Diess?

              Sollte jedoch in Europa nun auch der Absatz von Elektroautos wieder fallen – beispielsweise wegen fehlender Halbleiter, die in China verbaut werden – könnte es für Diess eng werden. Über seinen Job entscheiden die Familien Porsche und Piëch. Sie halten 53 Prozent der Stimmen in der Hauptversammlung. Neben dem Aktienkurs geht es Ihnen um gute Beziehungen zur Politik. Aktuell ist Stephan Weil Ministerpräsident in Niedersachsen. Der SPD-Mann steht dem Betriebsrat im Konzern nahe, der sich wiederum mit Diess überworfen hat. Das verheißt nichts Gutes für Diess.

              Wöllenstein, der bisherige China-Chef vor Ort, soll unterdessen noch vor dem chinesischen Neujahr zum 1. Februar nach Wolfsburg zurückkehren. Was die Personalrochaden im VW-Vorstand für die Nachfolge Wöllensteins bedeuten, ist derweil noch unklar. In Fachkreisen kursieren zwei Möglichkeiten:

              • Entweder übernimmt Brandstätter diese Aufgabe selbst in Personalunion und geht dann möglicherweise sogar nach China, um das Geschäft vor Ort zu kontrollieren.
              • Oder Jochen Seitz, aktuell Mitglied im Markenvorstand Volkswagen im Bereich Controlling und Rechnungswesen, erhält den Job als Chef der Volkswagen Group China und berichtet an Brandstätter (China.Table berichtete).

              Jürgen Unser: Neuer Präsident von Audi China

              Der Posten des Präsidenten von Audi China konnte parallel deutlich geräuschloser neu vergeben werden. Jürgen Unser übernimmt die Steuerung des Geschäfts in der Volksrepublik und folgt damit auf Werner Eichhorn, der in den Ruhestand geht. Unser ist Maschinenbau-Ingenieur und seit dem Jahr 2004 im VW-Konzern tätig. Seit 2013 ist er Technical Vice President für Forschung und Entwicklung, Produktmanagement und Produktion sowie Vorstandsmitglied von FAW-Volkswagen in China.

              Der VW-Vorstand erhält derweil noch drei neue Gesichter und wird damit auf elf Sitze vergrößert:

              • Hauke Stars, bis 2020 Vorstandsmitglied der Deutsche Börse AG, wird IT-Vorständin im Konzern.
              • Hildegard Wortmann, bislang Marketingchefin bei Audi, übernimmt das neue Ressort Vertrieb.
              • Der bisherige Chefjustiziar Manfred Döss übernimmt das Vorstandsressort “Integrität und Recht” von Hiltrud Werner, deren Vertrag im Februar 2022 endet.

              Aus Sicht von Diess ist vor allem die letztgenannte Personalie spannend, weil es ursprünglich die Planungen gegeben haben soll, ihm die Aufgaben von Werner einfach zu übertragen. Doch scheinbar soll ihm auch hier der erwähnte “Freiraum” gelassen werden. Diess bekommt allerdings die Verantwortung beim Tochterunternehmen Cariad. In der Firma werden die Softwareaktivitäten des Konzerns gebündelt. Allerdings hinkt sie dem Zeitplan deutlich hinterher. Christian Domke Seidel/Ning Wang

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                Jens Hildebrandt: “Wer soll in einem System wie China Zwangsarbeit feststellen?”

                Jens Hildebrandt von der Deutschen Handelskammer in China
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                Das deutsche Lieferkettengesetz wird in gut einem Jahr in Kraft treten. Wie sind Unternehmen in China darauf vorbereitet?

                Das Lieferkettengesetz hat natürlich für viel Diskussionsstoff gesorgt und viele Fragen aufgeworfen. Nicht nur bei Unternehmen in China, sondern weltweit bei deutschen Unternehmen. Sie fragen sich, wie sie diese Prüfung und Kontrolle ihrer unmittelbaren Lieferkette bis in die tiefste Ebene, also bis zum Rohstofflieferanten, hinbekommen sollen. 

                Wie sich die Unternehmen bisher vorbereiten? Sie klären erstmal intern ab, wer zuständig ist. Bei Großunternehmen kümmern sich Compliance-Abteilungen. In kleinen Unternehmen stellt sich die Frage, ob das Thema beim Management, beim Einkauf oder bei Compliance liegt. Das ist schon mal die erste Herausforderung. Was die Unternehmen außerdem machen müssen: Risikomanagement aufsetzen, in dem sie eruieren und herauskriegen, wer in ihrer Lieferkette präsent ist. Wo sind die? Was machen die? Dieses Assessment läuft im Moment.

                Sollte ich aber nicht eigentlich von Haus aus wissen, wen ich in meiner Lieferkette habe? 

                In der Textil- und Automobilindustrie ist das der Fall. Das ist ein ganzes System, was hier aufeinander abgestimmt ist und ineinander passen muss. Viele Unternehmen kennen ihre Lieferketten in der Tiefe. Der klassische Mittelständler im Maschinenbau oder in anderen Bereichen, also die meisten kleinen und mittelständischen Unternehmen, kennen ihre Lieferkette in ihrem Bereich, also die Geschäftspartner, mit denen sie Verträge haben. Darüber hinaus kennen sie die Lieferketten noch bei wichtigen Komponenten, aber nicht in der Tiefe, vor allem kennen sie nicht alle Rohstofflieferanten.

                Für die meisten war es in der Vergangenheit nicht aktuell, zu wissen, wo der Rohstoff XY herkommt. Wir als AHK in China haben schon relativ zeitig, als das Lieferkettengesetz verabschiedet wurde, ein Muster für einen Code of Conduct entwickelt. An diesem können sich die Unternehmen orientieren und ihn an ihre Lieferanten weitergeben. Bei einigen Großunternehmen ist sowas überwiegend sowieso schon vorhanden. Bei kleinen und mittelständischen Unternehmen ist das nicht immer der Fall. Das hängt davon ab, wie komplex die Produkte sind.

                Gibt es denn noch viel Unsicherheit?

                Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) muss noch die Durchführungsbestimmungen erlassen. Die gibt es aktuell noch nicht und darauf warten auch die Unternehmen. Im Moment sind wir tatsächlich in der Phase des Assessments, in der alle wissen: Okay, da kommt was, 2023 wird es eingeführt. Aber wir müssen erst mal Klarheit bekommen. Wie das dann mit der Umsetzung aussieht, wird sich zeigen. Es ist auch geplant, dass das BAFA Kontrollreisen macht. Und da muss man sehen, wie das funktionieren soll. Wie sollen sie denn zu Lieferanten in den Ländern kommen? Wir sprechen da nicht nur über China, sondern auch über andere Länder. Zudem stellt sich die Frage, wie sich das in den Joint Ventures umsetzen lässt. Die Durchführungsbestimmungen werden aber sicherlich eine Richtlinie geben.

                Reicht ein Jahr aus, alle Anforderungen umzusetzen, bis das Gesetz Anfang 2023 in Kraft tritt?

                Aus Sicht vieler Unternehmen ist die Zeit angesichts der Komplexität sehr, sehr eng. Im Moment kämpfen wir ja auch noch mit einer Pandemie, mit Rohstoffkrise und Logistikproblemen. Das ist eine extrem schwierige Lage. Aber: Es ist so, wie es ist. Wir erleben sehr große Anstrengungen und sind ja ein Teil davon. Es wird jedenfalls knapp werden, da wir noch nicht wissen, wann es nähere Hinweise zur Implementierung geben wird. 

                Wie wird die Kontrolle aussehen? Wird es Zertifikate geben?

                Es gibt ja bereits Zertifikate. Die Unternehmen machen Audits und Social Audits, gerade in der Automobilindustrie. Es stellt sich die große Frage, wer den Vorwurf der Zwangsarbeit in einem System wie China oder auch in anderen Ländern feststellen und dokumentieren soll. Mein Eindruck ist, dass es schwierig werden wird, Zertifizierungs-Institutionen zu finden, die das tun werden.

                Wer könnte das übernehmen?

                Das sind beispielsweise die großen zugelassenen Zertifizierungs-Unternehmen wie die TÜVs oder Bureau Veritas. Es gibt auch chinesische Firmen. Was aber auch ganz klar ist: Laut chinesischem Recht darf es keine Zwangsarbeit geben. Im Umkehrschluss kann man dann auch keine Zwangsarbeit feststellen. Deswegen ist es für mich schwierig, mir vorzustellen, wie ausländische oder chinesische Zertifizierer einen Vorwurf der Zwangsarbeit bestätigen oder dokumentieren wollen.

                Sie glauben also nicht, dass der TÜV in Xinjiang in irgendwelche Werkshallen darf, um dort zu überprüfen, wie es läuft?

                Das kann ich nicht beurteilen. Es war ja aber bereits in der Presse zu lesen, dass ausländische Zertifizierer nicht nach Xinjiang gehen.

                Gibt es denn Unternehmen, die in Xinjiang tätig sind und sagen “Mir wird es hier zu heikel, dann gehe ich lieber”? 

                Die deutsche Wirtschaft ist ja in der großen Masse an der Ostküste Chinas aktiv. Wir wissen von wahrscheinlich nicht mehr als zwei Handvoll deutscher Unternehmen, die in Xinjiang aktiv sind. Xinjiang hat auch keine ausreichende Industriestruktur, um in relevanten Bereichen als Zulieferer-Standort für die deutsche Wirtschaft infrage zu kommen. Wie dem auch sei, das Lieferkettengesetz verpflichtet die Unternehmen, in ihre Lieferketten reinzuschauen bis in die Tiefe. Und falls das in der Region der Fall ist, dann muss das Unternehmen für sich entscheiden, was es damit tut. Wir haben bisher von keinem Unternehmen gehört, dass ein Wegzug thematisiert wurde.

                Das EU-Lieferkettengesetz könnte schärfer ausfallen als das deutsche. Welche Herausforderungen würde das für Unternehmen in China bringen? 

                Hier stellt sich wieder die Frage der Umsetzung. er soll das verifizieren? Für die deutschen Unternehmen steht unternehmerische Verantwortung ganz oben auf der Agenda. Sie sind sich der Herausforderungen bewusst und deswegen laufen im Moment auch die Assessments zum Risikomanagement und im Compliance Management. Die Unternehmen werden sich ihre Lieferkette komplett anschauen. Klar wird das auch große Unternehmen noch mal eine ganz andere Herausforderung sein.

                Was erwarten Sie von chinesischer Seite?

                Das ist ein deutsches und europäisches Lieferkettengesetz, insofern hat das erstmal nichts mit der Involvierung der chinesischen Regierung zu tun. Was für die chinesische Regierung klar sein muss: Das Gesetz richtet sich nicht gegen China, ist also kein Lex Sinica. Das Lieferkettengesetz ist aus der Historie der unternehmerischen Verantwortung entstanden, die auf die weltweiten Aktivitäten deutscher Unternehmen abzielt.  

                Befürchten Sie, dass es Blockaden von chinesischen Behörden geben könnte?

                Es gibt einzelne Instrumente wie beispielsweise das Anti-Sanktionsgesetz der chinesischen Seite. Nach diesem Gesetz können ausländische Unternehmen theoretisch dafür belangt werden, wenn sie sich im Rahmen von Sanktionen von Geschäften mit chinesischen Unternehmen zurückziehen. Ich glaube aber, was den Unternehmen eher klar sein muss: Im B2C-Bereich, in Social Media, könnte es Shitstorms geben. Das haben wir schon gesehen. Unternehmen müssen sich darauf vorbereiten, wie sie damit umgehen wollen und wie man das gegebenenfalls managt.

                Shitstorms hat es in diesem Jahr schon gegen H&M oder Nike gesehen, primär wegen Xinjiang. Wie können sich Firmen darauf vorbereiten, dass Lieferketten zunehmend politisiert werden?

                Die Unternehmen sind sensibilisiert, dass sie im Prinzip in einer Situation sind, in der sie in beide Richtungen eine Verantwortung gegenüber dem europäischen Verbraucher, aber auch dem chinesischen Verbraucher haben. Das muss jeder in der Industrie für sich selbst austarieren. Dazu wird die Kommunikation mit europäischen, mit deutschen Stakeholdern und Regierungen notwendig sein, genauso aber auch auf chinesischer Seite. Da gibt es keine einfache Lösung für die Unternehmen. 

                Ist das Lieferkettengesetz ein Frosch, der von Unternehmen geschluckt werden muss? Oder ist man vielleicht nicht auch froh darüber, dass dieses Thema jetzt geregelt wird? 

                Deutsche Wirtschaftsverbände haben im Vorfeld ihre Einschätzungen zur Umsetzung eingebracht. Die Anforderungen, die in manchen Märkten gestellt werden, können extrem schwierig werden. Das wird die Kosten und die administrativen Anforderungen bei den Unternehmen erhöhen. Das ist schon etwas, was gerade vor allem kleine und mittelständische Unternehmen benachteiligt. Nichtsdestotrotz ist es für Unternehmen grundsätzlich klar, dass unternehmerische Verantwortung gilt. Da sind deutsche Unternehmen in China beispielhaft unterwegs. Wir fahren als Deutsche Handelskammer hier seit sechs Jahren eine CSR-Kampagne, an der sich deutsche Unternehmen beteiligen und zeigen, dass sie nicht nur zum Wirtschaften hier sind, sondern auch, um etwas in die Gesellschaft zurückzugeben. Dazu gehört, sich an Umweltstandards zu halten sowie sozial- und arbeitsrechtlich sauber zu sein.

                Jens Hildebrandt ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied der Deutschen Handelskammer in China für Nordchina (AHK).

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                  News

                  Didi zieht sich von Wall Street zurück

                  Der chinesische Mitfahrdienst-Anbieter Didi Chuxing will sich nur fünf Monate nach seinem Börsengang in New York wieder von der Wall Street zurückziehen. Nach der Ankündigung fielen Didi-Titel am Freitag um mehr als 22 Prozent und kosteten mit rund sechs US-Dollar deutlich weniger als zum Börsendebüt Ende Juni. Der Ausgabepreis lag damals bei 14 US-Dollar. Das Unternehmen hatte seinerzeit rund 4,4 Milliarden US-Dollar erlöst. Das war der größte Börsengang eines chinesischen Konzerns in den USA seit dem IPO des E-Commerce-Giganten Alibaba.

                  Didi hatte im Sommer entgegen der Aufforderung der chinesischen Behörden, die IPO-Pläne zu verschieben, den Börsengang in den USA durchgezogen. Seither steht das Unternehmen im Visier der Aufsichtsbehörden in der Volksrepublik (China.Table berichtete). Die Cyberspace-Behörde CAC hat inzwischen 25 Didi-Apps verboten und dem Unternehmen die Registrierung neuer Nutzer mit Verweis auf Datenschutzbedenken untersagt. Gegen den Konzern wird weiterhin ermittelt.

                  Didi selbst begründete die Pläne für den Rückzug von der Wall Street nicht. Analysten sehen jedoch eine Reihe von Vorteilen für das Unternehmen. “Chinesische Hinterlegungsscheine (ADS) werden mit steigenden regulatorischen Herausforderungen von US-amerikanischen wie auch chinesischen Behörden konfrontiert”, sagte Fondsmanager Wang Qi von MegaTrust Investment. “Für die meisten Unternehmen ist es ein Tanz auf dem Vulkan, beide Seiten zufriedenzustellen. Ein Delisting macht alles einfacher.” Insidern zufolge will Didi das Delisting in New York bis spätestens Juni 2022 über die Bühne gebracht haben und schon innerhalb von drei Monaten an der Hongkonger Börse notiert sein. rtr

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                    Neuer Logistikkonzern soll Probleme bei Lieferketten beheben

                    China will mit der Fusion von fünf Unternehmen zu einem staatlichen Logistikkonzern Lieferketten-Probleme besser in den Griff bekommen. Der neue Konzern namens China Logistics Group solle internationale Handelsverbindungen und Frachtdienstleistungen entwickeln und so die globalen Lieferketten organisieren, berichtete der Staatssender CCTV am Montag.

                    Zusammengeführt worden seien China Railway Materials, China National Materials Storage and Transportation Group, die Shenzhen-Tochter der Huamao International Freight Ltd, China Logistics und die China National Packaging Corporation. Zudem werden sich China Eastern Airlines, COSCO Shipping und China Merchants Group als strategische Partner beteiligen.

                    Die Corona-Pandemie sorgt seit Monaten für Unterbrechungen und Engpässen bei den globalen Lieferketten (China.Table berichtete). Der neue staatliche Logistikriese ist dem Sender CCTV zufolge in 30 chinesischen Provinzen und allen fünf Kontinenten aktiv. rtr

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                      Die Qualität von Zulieferern verbessern

                      Von Renaud Anjoran, China Manufacturing Consultants (CMC)

                      Eine Umfrage der American Society for Quality zeigte, dass die größte Hürde, mit der Einkäufer bei der Verbesserung der Lieferkettenqualität konfrontiert sind, darin besteht, “mit Lieferanten zusammenzuarbeiten, um die Leistung zu verbessern”. Das war 2016, und wir glauben, dass sich sehr wenig geändert hat.

                      Viele Unternehmen haben verschiedene Ansätze ausprobiert, um ihre wichtigsten Lieferanten zu verbessern. Das ist besonders schwierig, wenn diese Unternehmen umsteigen müssen, um ein sogenanntes “Zero Defect”-, also “Null-Fehler”-Ziel, zu verfolgen, und ihre Lieferanten sich weigern, auch nur den ersten Schritt zu tun.

                      Was ist Zero Defect?

                      Zero Defect ist ein Qualitätsziel, das sich auf die Verbesserung der Fertigungssysteme bis zu dem Punkt bezieht, an dem null oder fast keine Fehler an die Käufer geliefert werden. Es ist eine Möglichkeit, nicht nur die Käufer zufriedenzustellen, sondern auch alle verschwendeten Aktivitäten und Materialien zu beseitigen, die mit einer fehlerhaften Herstellung verbunden sind. Zero Defect kann letztendlich zu einer Denkweise werden, bei der die gesamte Organisation keine Form von schlechter Qualität duldet.

                      Basierend auf unserer Erfahrung, unsere Kunden durch Transformationsprojekte zu führen, finden Sie hier unsere praktischen Ratschläge. Es beginnt damit, dass der Käufer entschlossen handelt. Wenn Berater beteiligt sind, teilen wir auch einige gute Praktiken.

                      Was der Käufer tun muss

                      Wenn der Käufer keinen Einfluss auf den Lieferanten hat und wenn der Käufer nicht bereit ist, konsequente Entscheidungen zu treffen, ist der Wechsel zu Null-Fehler-Bedingungen nicht wahrscheinlich. Lassen Sie uns dies näher erläutern.

                      Wir sollten erwähnen, dass es eine wichtige Voraussetzung gibt. Als Käufer möchten Sie, dass Ihr Lieferant Ihren Qualitätsstandard klar versteht, und Sie mit Ihrer Bewertung seiner Produktqualität einverstanden sind. Ohne diese Voraussetzung konzentrieren sich die Teams des Lieferanten auf Unterschiede in der Einschätzung dessen, was ein Defekt ist, anstatt an Verbesserungen zu arbeiten.

                      Wir haben beobachtet, dass Einkäufer mehrere Ansätze verfolgen, die erfolgreich waren, um wichtige Lieferanten davon zu überzeugen, ein Qualitätsverbesserungs-Programm zu starten und letztendlich zu einer Null-Fehler-Denkweise überzugehen.

                      Hier sind Beispiele für Ansätze, die funktioniert haben.

                      Machen Sie dem Lieferanten bewusst, dass er Ihr Geschäft zu verlieren droht:

                      • Entwickeln Sie mindestens eine Backup-Quelle und stellen Sie sicher, dass sie eine gute Qualität bieten können.
                      • Sammeln Sie Daten über die Anzahl der PPM-Defekte (parts per million) und stellen Sie sicher, dass der Lieferant dies weiß. Machen Sie auch Ihr Ziel bekannt.
                      • Warnen Sie den Lieferanten: Wenn in den nächsten sechs Monaten keine deutliche Verbesserung zu verzeichnen ist, reduzieren Sie sein Geschäft um X Prozent (z. B. um 20 Prozent nach sechs Monaten, dann um weitere 20 Prozent nach 10 Monaten usw.).
                      • Parallel dazu bieten wir an, ihnen bei der Verbesserung ihrer Systeme und Prozesse zu helfen.

                      Machen Sie die Situation für den Lieferanten ungemütlich:

                      • Sichern Sie eine Backup-Quelle (wie es normalerweise in Automobillieferketten der Fall ist).
                      • Sammeln Sie Daten über die Anzahl der PPM-Defekte, aber auch über alle Kosten, die es in Ihrer Organisation verursacht.
                      • Stellen Sie dem Lieferanten einige/alle diese Kosten erneut in Rechnung.
                      • Wenn Sie mehrere Defekte sehen, zwingen Sie den Lieferanten außerdem in die Eindämmung (das heißt, sie bezahlen eine Inspektionsagentur, um 100 Prozent der Teile/Produkte zu überprüfen, bis diese Agentur null Fehler findet).
                      • Wechseln Sie von der klassischen Abnahmebeprobung (basierend auf AQL oder Acceptance Quality Limits) zu einem “Acceptance on Zero”-Plan. Ihre Inspektoren müssen dann weniger Proben überprüfen und Sie sparen Bewertungskosten.
                      • Parallel dazu bieten wir an, ihnen bei der Verbesserung ihrer Systeme und Prozesse zu helfen.

                      Es gibt Möglichkeiten, den Erfolg dieser Ansätze wahrscheinlicher zu machen:

                      • Der Käufer teilt dem Lieferanten die Kosten mit, die ihm aufgrund von Mängeln entstehen.
                      • Ein Käufervertreter (der ein Berater sein kann) verbringt ein paar Tage in der Fabrik und erklärt, wie schlechte Qualität die Kosten für das Endergebnis der Fabrik erhöht.
                        Hinweis: Der Lieferant kann diese Bemerkungen nicht formell anerkennen, aus Angst, dass das Einkaufspersonal des Käufers diese Informationen verwendet, um die Preise zu drücken. In der Regel gilt: Wenn Vertreter der Einkaufsabteilung des Käufers beteiligt sind, ist der Lieferant weniger offen, liefert weniger Daten und ist weniger bereit und willens, die Ergebnisse zu bestätigen.
                      • Ein Einkäufervertreter beginnt, dem Lieferanten bei einigen der Prozess- und Qualitätsentwicklungsarbeiten zu helfen, die zur Verbesserung der Qualität erforderlich sind. Dies kann in Form von Go/No-Go-Messgeräten, Prüfvorrichtungen, Fehlerschutzvorrichtungen usw. erfolgen. Der Lieferant widersetzt sich einer solchen Unterstützung selten, wenn es einen direkten und messbaren Einfluss auf den Anteil der Mängel gibt und wenn dies keine erheblichen Kosten in seinem Betrieb verursacht.
                      • In einigen Fällen müssen die Designer des Käufers, um Zero Defect zu erreichen, erhebliche Änderungen an ihrer Arbeitsweise vornehmen. Auf die Schwierigkeiten in den Fabriken zu hören und einfachere Designs zu erstellen, kann einen großen Beitrag dazu leisten, guten Willen zu zeigen und einen Lieferanten zur Zusammenarbeit zu bewegen.

                      Ein guter Prozess für Berater, um den Übergang zu unterstützen

                      Wenn Sie sich entscheiden, Berater einzubeziehen, kann die Beherzigung einiger “Best Practices” ein großes Stück weiterhelfen.

                      Der leitende Berater sollte ein Management-Meeting in der Fabrik arrangieren, um sein Team vorzustellen und zu erklären, wie er der Fabrik helfen kann, ihre Ziele zu erreichen.

                      Gute Vorbereitung und gute Kommunikation sind sehr wichtig:

                      • Das Management muss das Gefühl haben, dass die Berater ihre operativen Probleme verstehen (was eine ziemlich gründliche Ersteinschätzung erfordert) und über die Erfahrung verfügen, diese Probleme anzugehen.
                      • Wenn sich das Management der Fabrik öffnet und ihre Herausforderungen und Ziele teilt, kann dies die Grundlage für einen erfolgreichen Plan sein. Es ist im Allgemeinen besser, in eine Richtung zu gehen, die dem Top-Management der Fabrik für ihre strategischen Ziele wichtig ist, wenn dies ein Weg ist, um Zero Defect sehr viel näherzukommen. Die Breite und Tiefe der Veränderungen, die in der Organisation erforderlich sind, ist nur machbar, wenn die vollständige Unterstützung durch ihre Eigentümer und Manager gegeben ist.

                      Wie fange ich an?

                      Vielen Unternehmen fehlt das Selbstbewusstsein, um einige ihrer wichtigsten Lieferanten wirklich nachdrücklich zu pushen. Das ist verständlich und nachvollziehbar.

                      Ein guter Anfang ist es, direkt mit Ihren wichtigsten Lieferanten zu kommunizieren und einen Ansprechpartner zu finden, der motiviert ist – zum Beispiel ist sich das Top-Management bewusst, dass Änderungen erforderlich sind, und sie haben viel zusätzliches Geschäft zu gewinnen, wenn sich ihre Leistung verbessert.

                      Sobald ein Projekt mit einem Lieferanten positive Ergebnisse gezeigt hat, haben Sie mehr Vertrauen, Ihre anderen Lieferanten stärker zu pushen. Und wenn Sie Erfahrung bei der Umsetzung betrieblicher Veränderungen in einem Teil Ihrer Lieferantenbasis sammeln, werden Sie besser darin sein, die richtigen Kandidaten auszuwählen und sie davon zu überzeugen, den gewünschten Weg zu gehen.

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