wenn diese Woche IWF und Weltbank tagen, wird ein Vorwurf die Beratungen überschatten: Die Chefin der Weltbank soll ein Länder-Ranking im Sinne Pekings manipuliert haben. Ob sich Kristalina Georgiewa der Manipulation schuldig gemacht hat, ist noch offen. Aber ihr Fall reiht sich ein in einen größeren Trend, wie Felix Lee analysiert: China bedient sich unlauterer Mittel, um seinen Einfluss in internationalen Institutionen wie den Vereinten Nationen geltend zu machen. So werden afrikanischen Ländern schon mal Schulden erlassen oder ein Kredit gewährt, wenn dafür dann das Abstimmungsverhalten im Sinne Pekings ausfällt.
Chinas Staatspräsident hat Taiwan zur einer “friedlichen Wiedervereinigung” eingeladen. Aggression und Hegemonie lägen nicht im Blut des chinesischen Volkes, ergänzte Xi zudem. Doch man sollte sich die Rede des Staatspräsidenten vom Wochenende bis zum Ende anhören. Denn sein vermeintlich friedvolles Angebot entpuppt sich schnell als eine Art Wolf im Schafspelz, wie Finn Mayer-Kuckuk analysiert. Die Positionen von Peking und Taipeh lagen noch nie derart weit auseinander. Wie kam es dazu? Und was bedeutet das für die Zukunft? Das erfahren Sie in unserer Analyse.
Ob Halbleiter oder Impfstoff – die Corona-Pandemie hat uns eindrücklich vor Augen geführt, wie fragil die globalen Lieferketten sind. Eine neue Studie aus Wien warnt nun vor den Folgen eines Handelskonflikts zwischen Europa und China. Vor allem Deutschland könnten davon hart getroffen werden. Deshalb sollte Europa dringend die Produktion von Medikamenten oder essenziellen Bestandteilen zukunftsweisender Technologien zurückholen.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Die Vorwürfe häufen sich: Chinas Führung soll systematisch Macht in internationalen Organisationen ausüben, um eigene Interessen durchzusetzen. So hatte beispielsweise die Weltgesundheitsorganisation WHO die Ausbreitungsgefahr von Covid-19 offenbar wochenlang heruntergespielt – im Sinne Pekings. Und auch bei den Vereinten Nationen beklagen sich immer wieder Diplomaten über Chinas zum Teil dreiste Einflussnahme. Nun steht auch IWF-Chefin Kristalina Georgiewa in der Kritik. Die bulgarische Ökonomin soll bei ihrer Arbeit für die Weltbank Studienergebnisse im Sinne Chinas verfälscht haben.
Die heutige Direktorin des Internationalen Währungsfonds hatte 2019 übergangsweise die Weltbank geleitet. Ihr wird vorgeworfen, in dieser Zeit ein wichtiges Länderranking zugunsten Chinas manipuliert zu haben. Hintergrund ist ein Untersuchungsbericht der US-Anwaltskanzlei WilmerHale. Georgiewa und andere führende Vertreter der Weltbank sollen “unangemessenen Druck” auf Mitarbeiter ausgeübt haben, damit China im Ranking des “Doing Business”-Berichts für 2018 besser abschneidet. Die Volksrepublik landete schlussendlich auf Platz 78, nachdem es in einem ersten Entwurf noch auf Rang 85 gelegen hatte. Die Kanzlei WilmerHale legt in ihrem Bericht nahe, dass Georgiewa als damalige Geschäftsführerin der Weltbank unlautere Mittel eingesetzt habe, um dieses Ergebnis herbeizuführen.
Die Weltbank selbst hat inzwischen die Methodik des Reports von einer Kommission überprüfen lassen. Die Experten haben erhebliche Schwächen aufgedeckt. Tatsächlich ist die Art der Auswertung anfällig für Interpretationen und unterschiedliche Gewichtungen. Als Konsequenz hat die Institution die Veröffentlichung des Berichts inzwischen eingestellt. Über die Vorwürfe gegen Georgiewa sagen diese Vorgänge jedoch ausdrücklich noch nichts.
Im Doing-Business-Report hat die Weltbank alljährlich sämtliche Länder nach deren Investitionsklima bewertet. Der Fokus liegt darauf, wie gut die jeweiligen regulatorischen Bedingungen für Unternehmen sind. Der Report diente als wichtiger Kompass sowohl für private Investoren als auch staatliche Geldgeber. Was den Verdacht der Datenmanipulation nährt: Im Jahr 2019 versuchte die Weltbank Unterstützung von der Führung in Peking für eine große Kapitalerhöhung zu erhalten.
US-Abgeordnete im Kongress haben in der vergangenen Woche deshalb die Eignung der 68-jährigen Ökonomin für den IWF-Posten infrage gestellt. Auch amerikanische Ökonomen, darunter der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Romer, der kurzzeitig auch Chefökonom der Weltbank war, erheben schwere Vorwürfe gegen Georgiewa. Die Zeitschrift “Economist” hat sogar ihren Rücktritt gefordert.
Die IWF-Chefin selbst hat die Anschuldigungen mehrfach zurückgewiesen. Ihre Anwälte bezeichnen die Manipulationsvorwürfe als “fehlerhaft”. Mehrere europäische Regierungen wollen sich nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters wohl hinter Georgiewa stellen und sie trotz der Vorwürfe unterstützen. Insider erklärten, dass neben Frankreich auch Großbritannien, Deutschland und Italien Georgiewa den Rücken stärken wollen. Die EU hatte die ehemalige Brüsseler Kommissarin seinerzeit für die IWF-Posten nominiert. Doch es finden sich noch weitere Unterstützer, beispielsweise der renommierte Entwicklungsökonom Jeffrey Sachs. Er schrieb in der Financial Times, hinter den Vorwürfen stecke “antichinesische Hysterie”.
Nach einem ersten Krisentreffen am vergangenen Freitag hatte der 24-köpfige Vorstand des IWF die Entscheidung über Georgiewa vertagt. Finanzminister, Zentralbanker, Vertreter der Finanzwirtschaft und der Entwicklungszusammenarbeit treffen sich seit diesem Montag zur Jahrestagung der Weltbank und des IWF. Eine Entscheidung über die berufliche Zukunft von Georgiewa soll im Laufe der nächsten Tage fallen.
Versucht Chinas kommunistische Führung, ihren wachsenden Einfluss auf internationale Organisationen für ihre Zwecke auszuspielen? Sollte sich gar die gezielte Manipulation eines renommierten Reports der wichtigsten Entwicklungsbank der Welt bestätigen, würde es sich um einen weiteren Beleg für diese Annahme handeln.
Es gibt indessen noch weitere Beispiele dafür, wie Peking auf der internationalen Bühne immer mehr Einfluss nimmt. Vor allem, wenn es um Taiwan geht oder Kritik etwa des UN-Menschenrechtsrates an Chinas anhaltende Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang und Hongkong, wird China aktiv. Die Zusammenarbeit vieler UN-Unterorganisationen mit Taiwan hat die kommunistische Führung bereits mehrfach behindert. Einige Kooperationen konnte sie gar komplett stoppen. Peking war es auch gelungen, einen Vertreter der unterdrückten uigurischen Minderheit von einem UN-Treffen auszuschließen.
Vier der insgesamt 15 UN-Sonderorganisationen werden inzwischen von Vertretern aus Peking geleitet. Was die Pflichtbeiträge betrifft, ist die Volksrepublik seit 2019 zwar zweitgrößter Beitragszahler der Vereinten Nationen und trägt zwölf Prozent der UN-Ausgaben. Mit 22 Prozent der gesamten Zahlungen sind die USA aber unangefochten die Nummer eins. Dennoch leitet China überproportional viele der Unterorganisationen.
Kein Wunder: Peking bedient sich durchaus unlautere Mittel, wenn es um die Besetzung von Positionen geht. Um etwa den Vorsitz der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation zu erlangen, erließ China dem Wall Street Journal zufolge dem afrikanischen Land Kamerun Schulden in Höhe von 78 Millionen US-Dollar. Prompt zog Kamerun seinen Kandidaten für den Vorsitz zurück. Bei der gleichen Wahl versprach Peking zudem Uganda Investitionen in Höhe von 25 Millionen Dollar für seine Stimme. Uganda stimmte daraufhin für den chinesischen Kandidaten. Zudem hatten Chinas Delegierte die eigentlich geheime Wahl auch noch gefilmt und fotografiert. So wollten sie sicherstellen, dass die Länder auch tatsächlich wie von der KP-Führung in Peking gewollt, abstimmten.
Der Widerspruch zwischen den beiden Botschaften in der Rede von Chinas Staatspräsident Xi Jinpings am vergangenen Wochenende war offensichtlich:
Aber jedem in der chinesischen Welt, der nicht die vergangenen sieben Jahrzehnte unter einem Stein verbracht hat, ist klar: Taiwan will sich nicht der Volksrepublik anschließen.
Bei Xis Ankündigung kann es sich also nur um eine friedliche Wiedervereinigung mit militärischen Mitteln handeln. Das stellte auch Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen umgehend klar. Sie interpretiert die Äußerungen Xis als Drohung einer “Annexion”, der sich Taiwan mit allen Mitteln widersetzen werde. Solche Antworten an China sind indessen reine Routine und wiederholen sich regelmäßig.
Wer sich die Ankündigungen Xis in Bezug auf Taiwan anschaut, erkennt auch in den markigen Worten von diesem Wochenende keine neue Verschärfung des Tons. Die Phrasen und Worte stellten allesamt bereits im Januar dieses Jahres die Sichtweise der Kommunistischen Partei dar. Damals waren sie sogar mit der Mahnung gepaart: formale Unabhängigkeit bedeute Krieg. Indem Xi jetzt abermals Chinas “Entschlossenheit” kundtut, das Taiwan-Problem ein für alle Mal zu lösen, nimmt er allerdings auch keine der bestehenden Drohungen zurück.
Dazu kommen nonverbale Botschaften. China hat Anfang des Monats derart große Geschwader an Kampfflugzeugen in den taiwanischen Luftraum geschickt, wie es zuvor noch nie der Fall war. Im Gesamtbild ergibt sich deshalb eine Steigerung des Bedrohungsgrades gegenüber Taiwan – und genau das entspricht der Agenda Xi Jinpings, China auf der internationalen Bühne stärker und selbstbewusster zu präsentieren.
Am Anfang der KP-Äußerungen gegenüber der Insel stand 1958 unter Mao der “Brief an unsere Landsleute in Taiwan“. Der Vorwurf lautete, Taipeh lasse sich von Amerika gegen das eigene Land instrumentalisieren. Unterzeichner war ein hochdekorierter General der Volksbefreiungsarmee, Peng Dehuai. Mao selbst hatte kurz zuvor die Formel von der “friedlichen Befreiung Taiwans” ausgegeben. Seitdem war der Slogan gebräuchlich: “Wir müssen und werden Taiwan unbedingt befreien!” (一定要解放台湾) Der Satz wurde sogar zu einem Liedtext. Das Narrativ war gesetzt und lautete: Taiwan ist von Amerika annektiert worden und bedarf der Befreiung. In dieser Zeit entwickelte die Volksrepublik auch die Angewohnheit, Taiwans vorgelagerte Inseln zu bombardieren.
Seitdem gab es zwei große Erneuerungen des Briefs an Taiwan: Eine im Jahr 1979 unter dem Reformer Deng Xiaoping und eine im Jahr 2019 durch Xi. Die Botschaft unter Deng war betont emotional abgefasst. Kernthema war die “Sehnsucht” nach gegenseitiger Kommunikation und nationaler Einheit, die beide Seiten verbinde. Damals hieß es aber schon: “Die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes ist eine Aufgabe, der sich niemand entziehen kann.” Die Verfasser lockten jedoch mit einer “strahlenden gemeinsamen Zukunft”. Sowohl die Wirtschaft als auch das internationale Ansehen befanden sich damals im Aufschwung.
Zwanzig Jahre nach dem ursprünglichen Taiwan-Brief drehte man den Ton unter Deng also ins Positive. Die Botschaft klang respektvoll, das Angebot einer Wiedervereinigung auf Augenhöhe wirkte geradezu aufrichtig. Von “Befreiung” war zu jener Zeit keine Rede, stattdessen ließ Deng das Wort “Wiedervereinigung” verwenden.
Weitere 30 Jahre später änderte Xi den Ton dann jedoch abermals – und nicht zum Freundlicheren. Selbst die wenigen verbliebenen respektvollen Elemente klingen nun wie Drohungen. Die wichtigsten Punkte der heute noch geltenden Xi-Doktrin von 2019 sind:
Sowohl friedliche Wiedervereinigung 和平统一 als auch ein Land, zwei Systeme 一国两制 gehören hier zu den “Grundprinzipien” des politischen Denkens der Partei. Die Formeln sind jedoch längst erstarrt und werden nur routinemäßig wiederholt. Im Jahr 2019 mag der Idee “ein Land, zwei Systeme” noch ein kleiner Rest von Glaubwürdigkeit angehaftet haben. Die Formel war jedoch ursprünglich für Hongkong erdacht worden. Seit der Durchsetzung des Sicherheitsgesetzes in Hongkong (China.Table berichtete) ist von den besagten zwei Systemen jedoch wenig geblieben: In Hongkong herrschen seither fast ebenso viel Willkür und Unterdrückung der Meinungsfreiheit wie in der übrigen Volksrepublik.
Die schwülstigen Appelle an Chinas Größe und die Botschaften an die “Volksgenossen” oder “Landsleute” auf der Insel gehen derweil völlig am dortigen Lebensgefühl vorbei. Junge Leute dort identifizieren sich als “Taiwaner”, nicht als “Taiwan-Chinesen” und schon gar nicht als “Chinesen”.
Sie sehen sich auch kulturell nicht in einer Kontinuität mit dem Festland. Deshalb haben sie auch Präsidentin Tsai ins Amt gewählt: Sie hat einen selbstbewussteren Kurs gegenüber Peking versprochen.
Tatsächlich sorgt Tsai gegenüber der Xi-Doktrin für eine klare Abgrenzung. Das zeigt auch ihre eindeutige Reaktion auf Xis Rede vom Wochenende. Sie nahm eine Militärparade ab und betonte die Verteidigungsbereitschaft ihres Landes. Doch auf diese Weise ist weiterhin kein Ausweg in Sicht, der beide Haltungen vereinen würde. Fest steht nur: Im Falle Taiwans bleibt die “friedliche Wiedervereinigung” ein Widerspruch in sich.
Unter Tsais Vorgängerregierungen der Guomindang (KMT) war ein Annäherungsszenario zumindest denkbar. Das galt insbesondere als die Führungsgeneration um Hu Jintao in Peking das Sagen hatte. Ihr konnte man eine Verwirklichung von “ein Land, zwei Systeme” noch grundsätzlich abnehmen. In den Amtszeiten von Xi und Tsai gehen die Vorstellungen nun jedoch so weit auseinander, dass es nur einen Weg in die Zukunft gibt: den Erhalt des Status quo. Wer genau hinhörte, fand diesen Ausdruck tatsächlich auch in der Gegenrede Tsais. Taiwan wolle kämpfen, um den Status quo zu erhalten, sagte sie am Sonntag.
Der chinesische Telekommunikationsausrüster Huawei und der britische Telekommunikationskonzern Vodafone bauen in Ungarn einen smarten 5G Bahnhof für Frachtzüge. Gemeinsam mit der ungarischen Logistikfirma East-West Gate Intermodal Logistics soll dieser auf einer Fläche von 85 Hektar in Fényeslitke im Osten des EU-Staats entstehen. Das berichten chinesische Staatsmedien.
Nach der Fertigstellung soll der Eisenbahnknotenpunkt der “größte intelligente multimodale” Bahnhof in Europa werden, der ein privates 5G-Netz für die interne Kommunikation und den Betrieb technologischer Geräte nutzt. In Fényeslitke soll das Netz beim Betrieb der selbstfahrenden Riesenkräne am Terminal zum Einsatz kommen. Die Arbeiter kontrollieren die Kräne und die Verladevorgänge demnach nur noch per Video und nicht mehr direkt vor Ort im Kran. Der Verladebahnhof soll dem Bericht zufolge bis zu eine Million Zwanzig-Fuß-Standardcontainer (TEU) pro Jahr abfertigen können. Der Baubeginn ist für das kommende Jahr geplant.
Der Einsatz von Huaweis 5G-Technologie wird von den Regierungen in mehreren EU-Ländern kritisch gesehen. Zun den Kritikern gehören Litauen und Schweden. Die ungarische Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán ist dagegen chinesischer Technologie gegenüber betont aufgeschlossen eingestellt.
Dass die Zusammenarbeit mit China nicht zum Nachteil Ungarns ist, muss das ungarische Außenministerium nun offenbar im Fall der Zugstrecke zwischen Budapest und Belgrad beweisen: Ein Gericht hatte vergangene Woche entschieden, dass das ungarische Ministerium den Kreditvertrag zu dem Bauprojekt veröffentlichen muss. Die Abgeordnete Bernadett Szél hatte auf die Veröffentlichung der Finanzierungsabmachung zwischen Budapest und Peking geklagt, da der Kredit für die Zugstrecke mit Steuergeldern finanziert wird. Das Ministerium hatte zuvor erklärt, der Vertrag werde nicht öffentlich zugänglich gemacht, weil dies Einfluss auf außenpolitische Interessen Ungarns hätte, wie Szél auf ihrer Facebook-Seite schrieb. Das Ministerium bekam vom Gericht nun eine Frist von 15 Tagen, um den Darlehensvertrag zu veröffentlichen. ari
Die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) überarbeitet ihre Negativliste für Investitionen in China. Das Ministerium bittet derzeit die Öffentlichkeit um Stellungnahmen und Vorschläge für die Überarbeitung des Dokuments. Streichungen von oder Hinzufügungen zu dieser Sperrliste haben weitreichende Folgen. In Branchen und Produktklassen, die auf der Liste genannt sind, dürfen weder ausländische noch chinesische Akteure investieren. Bereiche, die darin nicht aufgeführt werden, sind ohne weitere Prüfung offen für Investitionen.
Auf dem Entwurf der Neuauflage stehen 117 Positionen, sechs weniger als auf der Vorjahresversion. So sind beispielsweise Online-Versicherer weggefallen. Dafür ist ein eigener Abschnitt für Medienunternehmen hinzugekommen. Jede Sorte von Geschäftstätigkeit, die mit Recherche und Aufbereitung von Information zu tun hat, steht jetzt gebündelt auf der Liste. Das Magazin Caixin weist allerdings darauf hin, dass es sich hier eher um eine Neuordnung und Klärung vorhandener Einträge handele als um eine Hinzufügung. Zu den verbotenen Branchen könnte künftig auch alles gehören, was mit Krypto-Währungen wie Bitcoin zu tun hat. fin
Eine Studie des “Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche” (wiiw) warnt die Europäische Union vor einem Handelskonflikt mit China. Im Vergleich zu den wirklich brisanten Szenarien seien die aktuellen Unregelmäßigkeiten noch vergleichsweise harmlos. “Wirklich gefährlich wäre ein Stopp von Exporten aus politischen Gründen im Rahmen eines Handelskonfliktes, wie er derzeit zwischen den USA und China tobt”, meint Robert Stehrer, wissenschaftlicher Leiter des wiiw und Co-Autor der Studie “Learning from tumultous times: An analysis of vulnerable sectors in international trade in the context of the Corona health crisis“.
Aufgrund von US-Sanktionen haben chinesische Technologiefirmen den Zugang zu Chips und Software aus amerikanischer Herstellung verloren (China.Table berichtete). “Ähnliches könnte Europa eines Tages in umgekehrter Richtung drohen. Von den Auswirkungen eines bewaffneten Konflikts um Taiwan, das bei Halbleitern teilweise fast ein globales Produktionsmonopol hat, einmal ganz abgesehen”, sagt Stehrer.
Ein Drittel aller Importe in die Europäische Union seien anfällig für Turbulenzen im Welthandel. Vor allem Deutschlands Industrie sei demnach stark betroffen. “Insbesondere bei Hochtechnologie und Medizinprodukten stellen wir eine große Abhängigkeit von asiatischen Produzenten fest, allen voran aus China”, sagt Stehrer. China ist immerhin der zweitwichtigste Handelspartner der EU. Sein Anteil an den EU-Importen beträgt 48,8 Prozent.
Gemeinsam mit Oliver Reiter hat sich Stehrer angesehen, welche Produkte und Sektoren in der EU am anfälligsten für weltwirtschaftliche Schocks. Das Ergebnis: Von 4.700 untersuchten Gütern weisen knapp 10 Prozent ein erhebliches Verfügbarkeitsrisiko auf, da sie sehr konzentriert und oftmals außerhalb Europas hergestellt werden. Ein großer Teil davon entfällt auf Hightech-Produkte wie Elektronik oder Maschinen. Ihr Wertanteil am Warenhandel ist relativ hoch: In Deutschland sind es 35%, im EU-Schnitt immerhin 30%.
Bei Erzeugnissen wie Medikamenten oder grundlegenden Zulieferteilen zukunftsweisender Technologien wie Computerchips müsse Europa deshalb ernsthaft über ein Zurückholen der Produktion nachdenken, empfiehlt die Studie. “Nur wenn wir Schlüsselindustrien wie Halbleiter wieder selbst in der Hand haben, bleiben wir langfristig wettbewerbsfähig”, erklärt Stehrer. rad
Im chinesischen Kunming hat am Montag die Weltnaturkonferenz begonnen. Im Fokus der einwöchigen Veranstaltung stehen Beratungen zum Kampf gegen das rasante Artensterben. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) forderte die internationale Gemeinschaft zum Auftakt zum gemeinsamen Handeln auf. “Wir haben keine Zeit zu verlieren. Jeden Tag sterben 150 Arten aus”, sagte Müller am Montag laut einer Mitteilung seines Ministeriums. “Die Weltgemeinschaft muss endlich an einem Strang ziehen.” Vom Gipfel-Gastgeber China erwarte er eine Führungsrolle. Knapp 200 Vertragsstaaten der UN-Konvention für die biologische Vielfalt (CBD) nehmen teil. Das Treffen findet unter dem Vorsitz Chinas vor allem virtuell und mit örtlichen Vertretern aus Kunming statt. China will sich bei der Veranstaltung als führende Nation des Naturschutzes positionieren.
Experten für Biodiversität warnen, dass schon in den nächsten zehn Jahren eine Million Arten aussterben könnten. Das hätte dramatische Folgen für die Lebensgrundlagen der Menschen. Müller sagte dazu: “Je mehr natürliche Lebensräume vernichtet werden, umso größer wird auch die Gefahr, dass weitere Viren vom Tier auf den Menschen überspringen und schwere Krankheiten auslösen.” Der CSU-Politiker kritisierte, dass bisher nur acht Prozent der Meeres- und 17 Prozent aller Landflächen weltweit unter Schutz stünden. Er forderte eine Ausweitung der Schutzgebiete auf 30 Prozent der Meeres- und Landflächen. Auf der Konferenz soll ein neues Rahmenabkommen beschlossen werden, vergleichbar mit dem Pariser Klimaabkommen. Allerdings soll es weniger bindend sein.
Trotz der Dringlichkeit des Themas und der Notwendigkeit, rasch gegen das Artensterben vorzugehen, hegen die Teilnehmer nur geringe Erwartungen für die Beratungen. Auf dem Treffen soll zunächst nur eine “Erklärung von Kunming” verabschiedet werden. Es soll weitere Verhandlungen im Januar vorbereiten, bevor das endgültige Rahmenabkommen dann auf einem Präsenztreffen vom 25. April bis 8. Mai in Kunming verabschiedet werden soll. Ursprünglich war die Veranstaltung für Oktober 2020 geplant gewesen, wegen der Pandemie aber verschoben und aufgeteilt worden. rad

In den vergangenen 20 Jahren sind in China eine Reihe florierender Technologieunternehmen entstanden. Dies führte zu zahlreichen Spekulationen hinsichtlich der wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und technologischen Fähigkeiten Chinas sowie der Innovationsfähigkeit des Landes. Manche argumentieren, China sei den USA in diesen Bereichen dicht auf den Fersen und in einigen Sektoren bereits weltweit führend. Andere wiederum sind der Ansicht, China sei noch nicht so weit, wie es scheint, und die strenge Regulierung der Technologieunternehmen durch die Regierung würde den weiteren Fortschritt behindern. Was stimmt nun?
Diejenigen, die an Chinas Fortschritt zweifeln, betonen die Abhängigkeit des Landes von westlicher Technologie und verweisen darauf, dass chinesische Technologieunternehmen noch immer nicht mit ihren amerikanischen Pendants auf dem Weltmarkt konkurrieren können. China-Optimisten stellen hingegen fest, dass diese Unternehmen ihre rasche internationale Expansion fortsetzen, worin sich die außergewöhnliche Lernfähigkeit des Landes widerspiegele.
Das Lager der Optimisten hat nicht ganz unrecht. Tatsächlich besteht das Geheimnis des wirtschaftlichen Erfolgs Chinas in seiner Lernfähigkeit – und diese sagt mehr über Chinas Aussichten aus als darüber, wo das Land technologisch steht. Schließlich ist technologische Innovation weniger ein Input als vielmehr ein Output einer unternehmerisch geprägten, wirtschaftlichen Entwicklung. Durch den Aufbau florierender Unternehmen erhalten Unternehmer die Möglichkeit, neue Technologien und Anwendungen zu entwickeln.
Freilich war China in den vergangenen Jahren mit wachsenden externen Herausforderungen konfrontiert wie etwa dem rigorosen Vorgehen entwickelter Volkswirtschaften gegen die gemeinsame Nutzung von Technologien. Darüber hinaus sind die Bemühungen der chinesischen Regierung zur Aufrechterhaltung der inneren Wirtschaftsordnung und der Minderung finanzieller Risiken – wie beispielsweise durch eine stärkere Regulierung von Technologieunternehmen – auf dem Markt umstritten. Und einige ausländische Produktionsfirmen haben sich Berichten zufolge aus China zurückgezogen.
Doch die Wirtschaft ist dadurch nicht zum Stillstand gekommen. Im Gegenteil, der unternehmerische Impuls, der Chinas Entwicklung vorantreibt, präsentiert sich nach wie vor stark. Es ist hilfreich, dass China über einen riesigen Binnenmarkt mit 1,4 Milliarden Menschen verfügt, der über gut entwickelte Transportsysteme, fortschrittliche Kommunikationsnetze und flexible und effiziente Lieferketten verbunden ist.
Zwar sind viele ausländische Unternehmen gekommen und wieder gegangen, aber das war schon immer so. Der Grund dafür besteht nicht darin, dass Auswärtige auf dem chinesischen Markt unfair behandelt werden würden. Ausländische Unternehmen haben es einfach schwer, mit einheimischen Unternehmen zu konkurrieren, die erhebliche Vorteile genießen, weil sie unter anderem weniger bürokratischen Aufwand betreiben müssen und mit dem Markt besser vertraut sind. Außerdem kommen ausländische Unternehmen vielleicht mit einem leichten technologischen Vorsprung nach China, doch ist dieser in der Regel nur von kurzer Dauer, da chinesische Unternehmen sehr schnell lernen.
Heute gibt es in China eine erstaunliche Zahl an erfolgreichen kleineren und mittleren Unternehmen. Dabei handelt es sich nicht um bekannte Namen – tatsächlich werden sie als “unsichtbare Champions” bezeichnet – aber durch die Anwendung fortschrittlicher Technologien sorgen sie stetig für Innovationen. Und ihre Zahl wächst weiter.
Darüber hinaus gibt es eine große Zahl chinesischer Unternehmen, die Kunden in Übersee beliefern, wobei viele dieser Unternehmen in Europa und den Vereinigten Staaten weitaus stärker präsent sind als in China. Diese Firmen nutzen Chinas effiziente Lager-, Vertriebs- und Logistiksysteme sowie seine außergewöhnlichen Fähigkeiten in der Konzeption und Herstellung von Produkten, um ihre Wettbewerbsfähigkeit auf den Überseemärkten zu stärken.
Ein typisches Beispiel für ein derartiges Unternehmen ist Shein, ein im Jahr 2008 in Nanjing gegründeter Online-Händler für Fast-Fashion. Die Firma begann als grenzüberschreitendes E-Commerce-Unternehmen, das Kleidung über Plattformen wie Amazon und eBay verkaufte. Im Jahr 2014 schuf das Unternehmen allerdings seine eigene Marke und legte sich für die weltweiten Märkte von den USA und Europa bis in den Nahen Osten und Indien eine maßgeschneiderte Website und eine App zu.
Shein verkaufte preiswerte Kleidung direkt an die Verbraucher und hatte damit Erfolg. Schon bald war das Unternehmen – nach Amazon – die zweitbeliebteste E-Commerce-Website junger Menschen in Amerika. Laut Google Trends wurde in den USA – dem wichtigsten Markt für Shein – mehr als dreimal so oft nach Shein gesucht wie nach Zara.
Trotz eines geschätzten Firmenwerts von 15 Milliarden Dollar war Shein in China nicht sonderlich bekannt. Das änderte sich erst im vergangenen Jahr, als das Unternehmen als eines von Chinas Top-Ten-“Einhörnern” (Privatunternehmen mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde Dollar) an die Börse ging. Der Grund für diese Unbekanntheit liegt in der Tatsache begründet, dass das Unternehmen nicht auf dem chinesischen Markt operiert. Vielmehr hat man sich die Vorteile Chinas – das Ergebnis enormer staatlicher Investitionen in den vergangenen 20 Jahren – zunutze gemacht, um eine eigene, flexible Lieferkette aufzubauen, die in Guangdong, dem am weitesten entwickelten Produktionszentrum des Landes, ihren Mittelpunkt hat.
Aufgrund dieser Lieferkette soll Shein in der Lage sein, ein Produkt innerhalb von zehn Tagen vom Entwurf bis zur Fertigung zu bringen. Da kann die Konkurrenz aus der Fast-Fashion-Branche einfach nicht mithalten. In der Regel werden ihre Produkte in Europa entworfen, in Südostasien und China hergestellt, in die Lager an den europäischen Firmensitzen transportiert und dann auf globale Märkte verschickt. Auch Shein hat nun mit dem Bau von Lagerhäusern in einigen wichtigen Märkten begonnen.
Shein ist kein Ausnahmefall. In China gibt es eine Reihe weiterer grenzüberschreitender E-Commerce-Plattformen für Fast Fashion und insgesamt 251 Einhörner (Stand: 2020). Dazu gehören Social-Media-Apps wie TikTok, die die Welt im Sturm eroberten. Der Einfluss chinesischer Internetunternehmen ist groß und wächst auf europäischen, amerikanischen und südasiatischen Märkten weiter.
Das ist zum Teil der chinesischen Regierung zu verdanken. Nach dem Ausbruch von SARS im Jahr 2003 unterstützte sie die Expansion des Online-Handels. Um den Schock der globalen Finanzkrise von 2008 abzufedern, investierte das Land stetig in Internet-, Kommunikations- und Transportnetze, mobile Zahlungssysteme, Logistik- und Lagerkapazitäten sowie Lieferketten und förderte gleichzeitig die Verknüpfung von Sektoren. Diese Bemühungen haben dazu beigetragen, die Fundamente der innovativen Dynamik in der Wirtschaft zu stärken und zu erhalten.
Freilich leidet Chinas übergroße, rasch wachsende Wirtschaft unter Strukturproblemen, die offenbar nicht mit der ihr zugrunde liegenden Dynamik übereinstimmen. Diese offenkundige Diskrepanz ist ein Hinweis auf die Komplexität der Wirtschaft. Da der staatliche Sektor beispielsweise einen unverhältnismäßig hohen Anteil an Finanzmitteln beansprucht, wird er oft als Quelle von Fehlallokationen betrachtet. Aus aktuellen Studien geht jedoch hervor, dass staatliche Unternehmen möglicherweise als informeller Kanal zur Linderung der Finanzierungsprobleme kleiner und mittlerer Unternehmen gedient haben.
Wer sich zu sehr auf oberflächliche Phänomene konzentriert, wird die wirtschaftliche Widerstandskraft Chinas weiterhin unterschätzen. Man kann die chinesische Wirtschaft und ihre Aussichten nicht wirklich verstehen, ohne der ihr zugrunde liegenden unbändigen Dynamik Beachtung zu schenken.
Zhang Jun ist Dekan der Schule für Ökonomie an der Fudan-Universität und Direktor des China-Zentrums für Ökonomische Studien, einem Think-tank aus Shanghai. Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier.
Copyright: Project Syndicate, 2021.
www.project-syndicate.org
Angela Liu wird China-Chefin beim britischen Wertpapierhaus Barclays Capital. Sie kommt von der Deutschen Bank, wo sie den Firmenkunden-Bereich für China und Hongkong geleitet hat. Davor hatte sie bei Morgan Stanley gearbeitet.
Belinda Gan leitet seit 1. Oktober bei der US-Investmentfirma Capital Group von London aus das Geschäft mit europäischen und asiatischen Kunden im Bereich Investitionen in Geldanlagen mit hohen Standards für Umweltschutz, Soziales und gute Unternehmensführung (ESG).

Gemüse im Prada-Look ist der Verkaufshit unter jungen Shoppern in Shanghai. Die Modefirma hatte den Verkäufern auf dem traditionellen Wuzhong-Markt das edle Packpapier angeboten. Doch diese waren am Ende unzufrieden: Die Hipster kamen nur, um ein Selfie zu machen. Schweinefüße im Prada-Look wollten sie dann doch nicht kaufen.
wenn diese Woche IWF und Weltbank tagen, wird ein Vorwurf die Beratungen überschatten: Die Chefin der Weltbank soll ein Länder-Ranking im Sinne Pekings manipuliert haben. Ob sich Kristalina Georgiewa der Manipulation schuldig gemacht hat, ist noch offen. Aber ihr Fall reiht sich ein in einen größeren Trend, wie Felix Lee analysiert: China bedient sich unlauterer Mittel, um seinen Einfluss in internationalen Institutionen wie den Vereinten Nationen geltend zu machen. So werden afrikanischen Ländern schon mal Schulden erlassen oder ein Kredit gewährt, wenn dafür dann das Abstimmungsverhalten im Sinne Pekings ausfällt.
Chinas Staatspräsident hat Taiwan zur einer “friedlichen Wiedervereinigung” eingeladen. Aggression und Hegemonie lägen nicht im Blut des chinesischen Volkes, ergänzte Xi zudem. Doch man sollte sich die Rede des Staatspräsidenten vom Wochenende bis zum Ende anhören. Denn sein vermeintlich friedvolles Angebot entpuppt sich schnell als eine Art Wolf im Schafspelz, wie Finn Mayer-Kuckuk analysiert. Die Positionen von Peking und Taipeh lagen noch nie derart weit auseinander. Wie kam es dazu? Und was bedeutet das für die Zukunft? Das erfahren Sie in unserer Analyse.
Ob Halbleiter oder Impfstoff – die Corona-Pandemie hat uns eindrücklich vor Augen geführt, wie fragil die globalen Lieferketten sind. Eine neue Studie aus Wien warnt nun vor den Folgen eines Handelskonflikts zwischen Europa und China. Vor allem Deutschland könnten davon hart getroffen werden. Deshalb sollte Europa dringend die Produktion von Medikamenten oder essenziellen Bestandteilen zukunftsweisender Technologien zurückholen.
Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht
Die Vorwürfe häufen sich: Chinas Führung soll systematisch Macht in internationalen Organisationen ausüben, um eigene Interessen durchzusetzen. So hatte beispielsweise die Weltgesundheitsorganisation WHO die Ausbreitungsgefahr von Covid-19 offenbar wochenlang heruntergespielt – im Sinne Pekings. Und auch bei den Vereinten Nationen beklagen sich immer wieder Diplomaten über Chinas zum Teil dreiste Einflussnahme. Nun steht auch IWF-Chefin Kristalina Georgiewa in der Kritik. Die bulgarische Ökonomin soll bei ihrer Arbeit für die Weltbank Studienergebnisse im Sinne Chinas verfälscht haben.
Die heutige Direktorin des Internationalen Währungsfonds hatte 2019 übergangsweise die Weltbank geleitet. Ihr wird vorgeworfen, in dieser Zeit ein wichtiges Länderranking zugunsten Chinas manipuliert zu haben. Hintergrund ist ein Untersuchungsbericht der US-Anwaltskanzlei WilmerHale. Georgiewa und andere führende Vertreter der Weltbank sollen “unangemessenen Druck” auf Mitarbeiter ausgeübt haben, damit China im Ranking des “Doing Business”-Berichts für 2018 besser abschneidet. Die Volksrepublik landete schlussendlich auf Platz 78, nachdem es in einem ersten Entwurf noch auf Rang 85 gelegen hatte. Die Kanzlei WilmerHale legt in ihrem Bericht nahe, dass Georgiewa als damalige Geschäftsführerin der Weltbank unlautere Mittel eingesetzt habe, um dieses Ergebnis herbeizuführen.
Die Weltbank selbst hat inzwischen die Methodik des Reports von einer Kommission überprüfen lassen. Die Experten haben erhebliche Schwächen aufgedeckt. Tatsächlich ist die Art der Auswertung anfällig für Interpretationen und unterschiedliche Gewichtungen. Als Konsequenz hat die Institution die Veröffentlichung des Berichts inzwischen eingestellt. Über die Vorwürfe gegen Georgiewa sagen diese Vorgänge jedoch ausdrücklich noch nichts.
Im Doing-Business-Report hat die Weltbank alljährlich sämtliche Länder nach deren Investitionsklima bewertet. Der Fokus liegt darauf, wie gut die jeweiligen regulatorischen Bedingungen für Unternehmen sind. Der Report diente als wichtiger Kompass sowohl für private Investoren als auch staatliche Geldgeber. Was den Verdacht der Datenmanipulation nährt: Im Jahr 2019 versuchte die Weltbank Unterstützung von der Führung in Peking für eine große Kapitalerhöhung zu erhalten.
US-Abgeordnete im Kongress haben in der vergangenen Woche deshalb die Eignung der 68-jährigen Ökonomin für den IWF-Posten infrage gestellt. Auch amerikanische Ökonomen, darunter der Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Romer, der kurzzeitig auch Chefökonom der Weltbank war, erheben schwere Vorwürfe gegen Georgiewa. Die Zeitschrift “Economist” hat sogar ihren Rücktritt gefordert.
Die IWF-Chefin selbst hat die Anschuldigungen mehrfach zurückgewiesen. Ihre Anwälte bezeichnen die Manipulationsvorwürfe als “fehlerhaft”. Mehrere europäische Regierungen wollen sich nach Angaben der Nachrichtenagentur Reuters wohl hinter Georgiewa stellen und sie trotz der Vorwürfe unterstützen. Insider erklärten, dass neben Frankreich auch Großbritannien, Deutschland und Italien Georgiewa den Rücken stärken wollen. Die EU hatte die ehemalige Brüsseler Kommissarin seinerzeit für die IWF-Posten nominiert. Doch es finden sich noch weitere Unterstützer, beispielsweise der renommierte Entwicklungsökonom Jeffrey Sachs. Er schrieb in der Financial Times, hinter den Vorwürfen stecke “antichinesische Hysterie”.
Nach einem ersten Krisentreffen am vergangenen Freitag hatte der 24-köpfige Vorstand des IWF die Entscheidung über Georgiewa vertagt. Finanzminister, Zentralbanker, Vertreter der Finanzwirtschaft und der Entwicklungszusammenarbeit treffen sich seit diesem Montag zur Jahrestagung der Weltbank und des IWF. Eine Entscheidung über die berufliche Zukunft von Georgiewa soll im Laufe der nächsten Tage fallen.
Versucht Chinas kommunistische Führung, ihren wachsenden Einfluss auf internationale Organisationen für ihre Zwecke auszuspielen? Sollte sich gar die gezielte Manipulation eines renommierten Reports der wichtigsten Entwicklungsbank der Welt bestätigen, würde es sich um einen weiteren Beleg für diese Annahme handeln.
Es gibt indessen noch weitere Beispiele dafür, wie Peking auf der internationalen Bühne immer mehr Einfluss nimmt. Vor allem, wenn es um Taiwan geht oder Kritik etwa des UN-Menschenrechtsrates an Chinas anhaltende Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang und Hongkong, wird China aktiv. Die Zusammenarbeit vieler UN-Unterorganisationen mit Taiwan hat die kommunistische Führung bereits mehrfach behindert. Einige Kooperationen konnte sie gar komplett stoppen. Peking war es auch gelungen, einen Vertreter der unterdrückten uigurischen Minderheit von einem UN-Treffen auszuschließen.
Vier der insgesamt 15 UN-Sonderorganisationen werden inzwischen von Vertretern aus Peking geleitet. Was die Pflichtbeiträge betrifft, ist die Volksrepublik seit 2019 zwar zweitgrößter Beitragszahler der Vereinten Nationen und trägt zwölf Prozent der UN-Ausgaben. Mit 22 Prozent der gesamten Zahlungen sind die USA aber unangefochten die Nummer eins. Dennoch leitet China überproportional viele der Unterorganisationen.
Kein Wunder: Peking bedient sich durchaus unlautere Mittel, wenn es um die Besetzung von Positionen geht. Um etwa den Vorsitz der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation zu erlangen, erließ China dem Wall Street Journal zufolge dem afrikanischen Land Kamerun Schulden in Höhe von 78 Millionen US-Dollar. Prompt zog Kamerun seinen Kandidaten für den Vorsitz zurück. Bei der gleichen Wahl versprach Peking zudem Uganda Investitionen in Höhe von 25 Millionen Dollar für seine Stimme. Uganda stimmte daraufhin für den chinesischen Kandidaten. Zudem hatten Chinas Delegierte die eigentlich geheime Wahl auch noch gefilmt und fotografiert. So wollten sie sicherstellen, dass die Länder auch tatsächlich wie von der KP-Führung in Peking gewollt, abstimmten.
Der Widerspruch zwischen den beiden Botschaften in der Rede von Chinas Staatspräsident Xi Jinpings am vergangenen Wochenende war offensichtlich:
Aber jedem in der chinesischen Welt, der nicht die vergangenen sieben Jahrzehnte unter einem Stein verbracht hat, ist klar: Taiwan will sich nicht der Volksrepublik anschließen.
Bei Xis Ankündigung kann es sich also nur um eine friedliche Wiedervereinigung mit militärischen Mitteln handeln. Das stellte auch Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen umgehend klar. Sie interpretiert die Äußerungen Xis als Drohung einer “Annexion”, der sich Taiwan mit allen Mitteln widersetzen werde. Solche Antworten an China sind indessen reine Routine und wiederholen sich regelmäßig.
Wer sich die Ankündigungen Xis in Bezug auf Taiwan anschaut, erkennt auch in den markigen Worten von diesem Wochenende keine neue Verschärfung des Tons. Die Phrasen und Worte stellten allesamt bereits im Januar dieses Jahres die Sichtweise der Kommunistischen Partei dar. Damals waren sie sogar mit der Mahnung gepaart: formale Unabhängigkeit bedeute Krieg. Indem Xi jetzt abermals Chinas “Entschlossenheit” kundtut, das Taiwan-Problem ein für alle Mal zu lösen, nimmt er allerdings auch keine der bestehenden Drohungen zurück.
Dazu kommen nonverbale Botschaften. China hat Anfang des Monats derart große Geschwader an Kampfflugzeugen in den taiwanischen Luftraum geschickt, wie es zuvor noch nie der Fall war. Im Gesamtbild ergibt sich deshalb eine Steigerung des Bedrohungsgrades gegenüber Taiwan – und genau das entspricht der Agenda Xi Jinpings, China auf der internationalen Bühne stärker und selbstbewusster zu präsentieren.
Am Anfang der KP-Äußerungen gegenüber der Insel stand 1958 unter Mao der “Brief an unsere Landsleute in Taiwan“. Der Vorwurf lautete, Taipeh lasse sich von Amerika gegen das eigene Land instrumentalisieren. Unterzeichner war ein hochdekorierter General der Volksbefreiungsarmee, Peng Dehuai. Mao selbst hatte kurz zuvor die Formel von der “friedlichen Befreiung Taiwans” ausgegeben. Seitdem war der Slogan gebräuchlich: “Wir müssen und werden Taiwan unbedingt befreien!” (一定要解放台湾) Der Satz wurde sogar zu einem Liedtext. Das Narrativ war gesetzt und lautete: Taiwan ist von Amerika annektiert worden und bedarf der Befreiung. In dieser Zeit entwickelte die Volksrepublik auch die Angewohnheit, Taiwans vorgelagerte Inseln zu bombardieren.
Seitdem gab es zwei große Erneuerungen des Briefs an Taiwan: Eine im Jahr 1979 unter dem Reformer Deng Xiaoping und eine im Jahr 2019 durch Xi. Die Botschaft unter Deng war betont emotional abgefasst. Kernthema war die “Sehnsucht” nach gegenseitiger Kommunikation und nationaler Einheit, die beide Seiten verbinde. Damals hieß es aber schon: “Die Wiedervereinigung unseres Vaterlandes ist eine Aufgabe, der sich niemand entziehen kann.” Die Verfasser lockten jedoch mit einer “strahlenden gemeinsamen Zukunft”. Sowohl die Wirtschaft als auch das internationale Ansehen befanden sich damals im Aufschwung.
Zwanzig Jahre nach dem ursprünglichen Taiwan-Brief drehte man den Ton unter Deng also ins Positive. Die Botschaft klang respektvoll, das Angebot einer Wiedervereinigung auf Augenhöhe wirkte geradezu aufrichtig. Von “Befreiung” war zu jener Zeit keine Rede, stattdessen ließ Deng das Wort “Wiedervereinigung” verwenden.
Weitere 30 Jahre später änderte Xi den Ton dann jedoch abermals – und nicht zum Freundlicheren. Selbst die wenigen verbliebenen respektvollen Elemente klingen nun wie Drohungen. Die wichtigsten Punkte der heute noch geltenden Xi-Doktrin von 2019 sind:
Sowohl friedliche Wiedervereinigung 和平统一 als auch ein Land, zwei Systeme 一国两制 gehören hier zu den “Grundprinzipien” des politischen Denkens der Partei. Die Formeln sind jedoch längst erstarrt und werden nur routinemäßig wiederholt. Im Jahr 2019 mag der Idee “ein Land, zwei Systeme” noch ein kleiner Rest von Glaubwürdigkeit angehaftet haben. Die Formel war jedoch ursprünglich für Hongkong erdacht worden. Seit der Durchsetzung des Sicherheitsgesetzes in Hongkong (China.Table berichtete) ist von den besagten zwei Systemen jedoch wenig geblieben: In Hongkong herrschen seither fast ebenso viel Willkür und Unterdrückung der Meinungsfreiheit wie in der übrigen Volksrepublik.
Die schwülstigen Appelle an Chinas Größe und die Botschaften an die “Volksgenossen” oder “Landsleute” auf der Insel gehen derweil völlig am dortigen Lebensgefühl vorbei. Junge Leute dort identifizieren sich als “Taiwaner”, nicht als “Taiwan-Chinesen” und schon gar nicht als “Chinesen”.
Sie sehen sich auch kulturell nicht in einer Kontinuität mit dem Festland. Deshalb haben sie auch Präsidentin Tsai ins Amt gewählt: Sie hat einen selbstbewussteren Kurs gegenüber Peking versprochen.
Tatsächlich sorgt Tsai gegenüber der Xi-Doktrin für eine klare Abgrenzung. Das zeigt auch ihre eindeutige Reaktion auf Xis Rede vom Wochenende. Sie nahm eine Militärparade ab und betonte die Verteidigungsbereitschaft ihres Landes. Doch auf diese Weise ist weiterhin kein Ausweg in Sicht, der beide Haltungen vereinen würde. Fest steht nur: Im Falle Taiwans bleibt die “friedliche Wiedervereinigung” ein Widerspruch in sich.
Unter Tsais Vorgängerregierungen der Guomindang (KMT) war ein Annäherungsszenario zumindest denkbar. Das galt insbesondere als die Führungsgeneration um Hu Jintao in Peking das Sagen hatte. Ihr konnte man eine Verwirklichung von “ein Land, zwei Systeme” noch grundsätzlich abnehmen. In den Amtszeiten von Xi und Tsai gehen die Vorstellungen nun jedoch so weit auseinander, dass es nur einen Weg in die Zukunft gibt: den Erhalt des Status quo. Wer genau hinhörte, fand diesen Ausdruck tatsächlich auch in der Gegenrede Tsais. Taiwan wolle kämpfen, um den Status quo zu erhalten, sagte sie am Sonntag.
Der chinesische Telekommunikationsausrüster Huawei und der britische Telekommunikationskonzern Vodafone bauen in Ungarn einen smarten 5G Bahnhof für Frachtzüge. Gemeinsam mit der ungarischen Logistikfirma East-West Gate Intermodal Logistics soll dieser auf einer Fläche von 85 Hektar in Fényeslitke im Osten des EU-Staats entstehen. Das berichten chinesische Staatsmedien.
Nach der Fertigstellung soll der Eisenbahnknotenpunkt der “größte intelligente multimodale” Bahnhof in Europa werden, der ein privates 5G-Netz für die interne Kommunikation und den Betrieb technologischer Geräte nutzt. In Fényeslitke soll das Netz beim Betrieb der selbstfahrenden Riesenkräne am Terminal zum Einsatz kommen. Die Arbeiter kontrollieren die Kräne und die Verladevorgänge demnach nur noch per Video und nicht mehr direkt vor Ort im Kran. Der Verladebahnhof soll dem Bericht zufolge bis zu eine Million Zwanzig-Fuß-Standardcontainer (TEU) pro Jahr abfertigen können. Der Baubeginn ist für das kommende Jahr geplant.
Der Einsatz von Huaweis 5G-Technologie wird von den Regierungen in mehreren EU-Ländern kritisch gesehen. Zun den Kritikern gehören Litauen und Schweden. Die ungarische Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán ist dagegen chinesischer Technologie gegenüber betont aufgeschlossen eingestellt.
Dass die Zusammenarbeit mit China nicht zum Nachteil Ungarns ist, muss das ungarische Außenministerium nun offenbar im Fall der Zugstrecke zwischen Budapest und Belgrad beweisen: Ein Gericht hatte vergangene Woche entschieden, dass das ungarische Ministerium den Kreditvertrag zu dem Bauprojekt veröffentlichen muss. Die Abgeordnete Bernadett Szél hatte auf die Veröffentlichung der Finanzierungsabmachung zwischen Budapest und Peking geklagt, da der Kredit für die Zugstrecke mit Steuergeldern finanziert wird. Das Ministerium hatte zuvor erklärt, der Vertrag werde nicht öffentlich zugänglich gemacht, weil dies Einfluss auf außenpolitische Interessen Ungarns hätte, wie Szél auf ihrer Facebook-Seite schrieb. Das Ministerium bekam vom Gericht nun eine Frist von 15 Tagen, um den Darlehensvertrag zu veröffentlichen. ari
Die Nationale Entwicklungs- und Reformkommission (NDRC) überarbeitet ihre Negativliste für Investitionen in China. Das Ministerium bittet derzeit die Öffentlichkeit um Stellungnahmen und Vorschläge für die Überarbeitung des Dokuments. Streichungen von oder Hinzufügungen zu dieser Sperrliste haben weitreichende Folgen. In Branchen und Produktklassen, die auf der Liste genannt sind, dürfen weder ausländische noch chinesische Akteure investieren. Bereiche, die darin nicht aufgeführt werden, sind ohne weitere Prüfung offen für Investitionen.
Auf dem Entwurf der Neuauflage stehen 117 Positionen, sechs weniger als auf der Vorjahresversion. So sind beispielsweise Online-Versicherer weggefallen. Dafür ist ein eigener Abschnitt für Medienunternehmen hinzugekommen. Jede Sorte von Geschäftstätigkeit, die mit Recherche und Aufbereitung von Information zu tun hat, steht jetzt gebündelt auf der Liste. Das Magazin Caixin weist allerdings darauf hin, dass es sich hier eher um eine Neuordnung und Klärung vorhandener Einträge handele als um eine Hinzufügung. Zu den verbotenen Branchen könnte künftig auch alles gehören, was mit Krypto-Währungen wie Bitcoin zu tun hat. fin
Eine Studie des “Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche” (wiiw) warnt die Europäische Union vor einem Handelskonflikt mit China. Im Vergleich zu den wirklich brisanten Szenarien seien die aktuellen Unregelmäßigkeiten noch vergleichsweise harmlos. “Wirklich gefährlich wäre ein Stopp von Exporten aus politischen Gründen im Rahmen eines Handelskonfliktes, wie er derzeit zwischen den USA und China tobt”, meint Robert Stehrer, wissenschaftlicher Leiter des wiiw und Co-Autor der Studie “Learning from tumultous times: An analysis of vulnerable sectors in international trade in the context of the Corona health crisis“.
Aufgrund von US-Sanktionen haben chinesische Technologiefirmen den Zugang zu Chips und Software aus amerikanischer Herstellung verloren (China.Table berichtete). “Ähnliches könnte Europa eines Tages in umgekehrter Richtung drohen. Von den Auswirkungen eines bewaffneten Konflikts um Taiwan, das bei Halbleitern teilweise fast ein globales Produktionsmonopol hat, einmal ganz abgesehen”, sagt Stehrer.
Ein Drittel aller Importe in die Europäische Union seien anfällig für Turbulenzen im Welthandel. Vor allem Deutschlands Industrie sei demnach stark betroffen. “Insbesondere bei Hochtechnologie und Medizinprodukten stellen wir eine große Abhängigkeit von asiatischen Produzenten fest, allen voran aus China”, sagt Stehrer. China ist immerhin der zweitwichtigste Handelspartner der EU. Sein Anteil an den EU-Importen beträgt 48,8 Prozent.
Gemeinsam mit Oliver Reiter hat sich Stehrer angesehen, welche Produkte und Sektoren in der EU am anfälligsten für weltwirtschaftliche Schocks. Das Ergebnis: Von 4.700 untersuchten Gütern weisen knapp 10 Prozent ein erhebliches Verfügbarkeitsrisiko auf, da sie sehr konzentriert und oftmals außerhalb Europas hergestellt werden. Ein großer Teil davon entfällt auf Hightech-Produkte wie Elektronik oder Maschinen. Ihr Wertanteil am Warenhandel ist relativ hoch: In Deutschland sind es 35%, im EU-Schnitt immerhin 30%.
Bei Erzeugnissen wie Medikamenten oder grundlegenden Zulieferteilen zukunftsweisender Technologien wie Computerchips müsse Europa deshalb ernsthaft über ein Zurückholen der Produktion nachdenken, empfiehlt die Studie. “Nur wenn wir Schlüsselindustrien wie Halbleiter wieder selbst in der Hand haben, bleiben wir langfristig wettbewerbsfähig”, erklärt Stehrer. rad
Im chinesischen Kunming hat am Montag die Weltnaturkonferenz begonnen. Im Fokus der einwöchigen Veranstaltung stehen Beratungen zum Kampf gegen das rasante Artensterben. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) forderte die internationale Gemeinschaft zum Auftakt zum gemeinsamen Handeln auf. “Wir haben keine Zeit zu verlieren. Jeden Tag sterben 150 Arten aus”, sagte Müller am Montag laut einer Mitteilung seines Ministeriums. “Die Weltgemeinschaft muss endlich an einem Strang ziehen.” Vom Gipfel-Gastgeber China erwarte er eine Führungsrolle. Knapp 200 Vertragsstaaten der UN-Konvention für die biologische Vielfalt (CBD) nehmen teil. Das Treffen findet unter dem Vorsitz Chinas vor allem virtuell und mit örtlichen Vertretern aus Kunming statt. China will sich bei der Veranstaltung als führende Nation des Naturschutzes positionieren.
Experten für Biodiversität warnen, dass schon in den nächsten zehn Jahren eine Million Arten aussterben könnten. Das hätte dramatische Folgen für die Lebensgrundlagen der Menschen. Müller sagte dazu: “Je mehr natürliche Lebensräume vernichtet werden, umso größer wird auch die Gefahr, dass weitere Viren vom Tier auf den Menschen überspringen und schwere Krankheiten auslösen.” Der CSU-Politiker kritisierte, dass bisher nur acht Prozent der Meeres- und 17 Prozent aller Landflächen weltweit unter Schutz stünden. Er forderte eine Ausweitung der Schutzgebiete auf 30 Prozent der Meeres- und Landflächen. Auf der Konferenz soll ein neues Rahmenabkommen beschlossen werden, vergleichbar mit dem Pariser Klimaabkommen. Allerdings soll es weniger bindend sein.
Trotz der Dringlichkeit des Themas und der Notwendigkeit, rasch gegen das Artensterben vorzugehen, hegen die Teilnehmer nur geringe Erwartungen für die Beratungen. Auf dem Treffen soll zunächst nur eine “Erklärung von Kunming” verabschiedet werden. Es soll weitere Verhandlungen im Januar vorbereiten, bevor das endgültige Rahmenabkommen dann auf einem Präsenztreffen vom 25. April bis 8. Mai in Kunming verabschiedet werden soll. Ursprünglich war die Veranstaltung für Oktober 2020 geplant gewesen, wegen der Pandemie aber verschoben und aufgeteilt worden. rad

In den vergangenen 20 Jahren sind in China eine Reihe florierender Technologieunternehmen entstanden. Dies führte zu zahlreichen Spekulationen hinsichtlich der wirtschaftlichen, wissenschaftlichen und technologischen Fähigkeiten Chinas sowie der Innovationsfähigkeit des Landes. Manche argumentieren, China sei den USA in diesen Bereichen dicht auf den Fersen und in einigen Sektoren bereits weltweit führend. Andere wiederum sind der Ansicht, China sei noch nicht so weit, wie es scheint, und die strenge Regulierung der Technologieunternehmen durch die Regierung würde den weiteren Fortschritt behindern. Was stimmt nun?
Diejenigen, die an Chinas Fortschritt zweifeln, betonen die Abhängigkeit des Landes von westlicher Technologie und verweisen darauf, dass chinesische Technologieunternehmen noch immer nicht mit ihren amerikanischen Pendants auf dem Weltmarkt konkurrieren können. China-Optimisten stellen hingegen fest, dass diese Unternehmen ihre rasche internationale Expansion fortsetzen, worin sich die außergewöhnliche Lernfähigkeit des Landes widerspiegele.
Das Lager der Optimisten hat nicht ganz unrecht. Tatsächlich besteht das Geheimnis des wirtschaftlichen Erfolgs Chinas in seiner Lernfähigkeit – und diese sagt mehr über Chinas Aussichten aus als darüber, wo das Land technologisch steht. Schließlich ist technologische Innovation weniger ein Input als vielmehr ein Output einer unternehmerisch geprägten, wirtschaftlichen Entwicklung. Durch den Aufbau florierender Unternehmen erhalten Unternehmer die Möglichkeit, neue Technologien und Anwendungen zu entwickeln.
Freilich war China in den vergangenen Jahren mit wachsenden externen Herausforderungen konfrontiert wie etwa dem rigorosen Vorgehen entwickelter Volkswirtschaften gegen die gemeinsame Nutzung von Technologien. Darüber hinaus sind die Bemühungen der chinesischen Regierung zur Aufrechterhaltung der inneren Wirtschaftsordnung und der Minderung finanzieller Risiken – wie beispielsweise durch eine stärkere Regulierung von Technologieunternehmen – auf dem Markt umstritten. Und einige ausländische Produktionsfirmen haben sich Berichten zufolge aus China zurückgezogen.
Doch die Wirtschaft ist dadurch nicht zum Stillstand gekommen. Im Gegenteil, der unternehmerische Impuls, der Chinas Entwicklung vorantreibt, präsentiert sich nach wie vor stark. Es ist hilfreich, dass China über einen riesigen Binnenmarkt mit 1,4 Milliarden Menschen verfügt, der über gut entwickelte Transportsysteme, fortschrittliche Kommunikationsnetze und flexible und effiziente Lieferketten verbunden ist.
Zwar sind viele ausländische Unternehmen gekommen und wieder gegangen, aber das war schon immer so. Der Grund dafür besteht nicht darin, dass Auswärtige auf dem chinesischen Markt unfair behandelt werden würden. Ausländische Unternehmen haben es einfach schwer, mit einheimischen Unternehmen zu konkurrieren, die erhebliche Vorteile genießen, weil sie unter anderem weniger bürokratischen Aufwand betreiben müssen und mit dem Markt besser vertraut sind. Außerdem kommen ausländische Unternehmen vielleicht mit einem leichten technologischen Vorsprung nach China, doch ist dieser in der Regel nur von kurzer Dauer, da chinesische Unternehmen sehr schnell lernen.
Heute gibt es in China eine erstaunliche Zahl an erfolgreichen kleineren und mittleren Unternehmen. Dabei handelt es sich nicht um bekannte Namen – tatsächlich werden sie als “unsichtbare Champions” bezeichnet – aber durch die Anwendung fortschrittlicher Technologien sorgen sie stetig für Innovationen. Und ihre Zahl wächst weiter.
Darüber hinaus gibt es eine große Zahl chinesischer Unternehmen, die Kunden in Übersee beliefern, wobei viele dieser Unternehmen in Europa und den Vereinigten Staaten weitaus stärker präsent sind als in China. Diese Firmen nutzen Chinas effiziente Lager-, Vertriebs- und Logistiksysteme sowie seine außergewöhnlichen Fähigkeiten in der Konzeption und Herstellung von Produkten, um ihre Wettbewerbsfähigkeit auf den Überseemärkten zu stärken.
Ein typisches Beispiel für ein derartiges Unternehmen ist Shein, ein im Jahr 2008 in Nanjing gegründeter Online-Händler für Fast-Fashion. Die Firma begann als grenzüberschreitendes E-Commerce-Unternehmen, das Kleidung über Plattformen wie Amazon und eBay verkaufte. Im Jahr 2014 schuf das Unternehmen allerdings seine eigene Marke und legte sich für die weltweiten Märkte von den USA und Europa bis in den Nahen Osten und Indien eine maßgeschneiderte Website und eine App zu.
Shein verkaufte preiswerte Kleidung direkt an die Verbraucher und hatte damit Erfolg. Schon bald war das Unternehmen – nach Amazon – die zweitbeliebteste E-Commerce-Website junger Menschen in Amerika. Laut Google Trends wurde in den USA – dem wichtigsten Markt für Shein – mehr als dreimal so oft nach Shein gesucht wie nach Zara.
Trotz eines geschätzten Firmenwerts von 15 Milliarden Dollar war Shein in China nicht sonderlich bekannt. Das änderte sich erst im vergangenen Jahr, als das Unternehmen als eines von Chinas Top-Ten-“Einhörnern” (Privatunternehmen mit einer Bewertung von mehr als einer Milliarde Dollar) an die Börse ging. Der Grund für diese Unbekanntheit liegt in der Tatsache begründet, dass das Unternehmen nicht auf dem chinesischen Markt operiert. Vielmehr hat man sich die Vorteile Chinas – das Ergebnis enormer staatlicher Investitionen in den vergangenen 20 Jahren – zunutze gemacht, um eine eigene, flexible Lieferkette aufzubauen, die in Guangdong, dem am weitesten entwickelten Produktionszentrum des Landes, ihren Mittelpunkt hat.
Aufgrund dieser Lieferkette soll Shein in der Lage sein, ein Produkt innerhalb von zehn Tagen vom Entwurf bis zur Fertigung zu bringen. Da kann die Konkurrenz aus der Fast-Fashion-Branche einfach nicht mithalten. In der Regel werden ihre Produkte in Europa entworfen, in Südostasien und China hergestellt, in die Lager an den europäischen Firmensitzen transportiert und dann auf globale Märkte verschickt. Auch Shein hat nun mit dem Bau von Lagerhäusern in einigen wichtigen Märkten begonnen.
Shein ist kein Ausnahmefall. In China gibt es eine Reihe weiterer grenzüberschreitender E-Commerce-Plattformen für Fast Fashion und insgesamt 251 Einhörner (Stand: 2020). Dazu gehören Social-Media-Apps wie TikTok, die die Welt im Sturm eroberten. Der Einfluss chinesischer Internetunternehmen ist groß und wächst auf europäischen, amerikanischen und südasiatischen Märkten weiter.
Das ist zum Teil der chinesischen Regierung zu verdanken. Nach dem Ausbruch von SARS im Jahr 2003 unterstützte sie die Expansion des Online-Handels. Um den Schock der globalen Finanzkrise von 2008 abzufedern, investierte das Land stetig in Internet-, Kommunikations- und Transportnetze, mobile Zahlungssysteme, Logistik- und Lagerkapazitäten sowie Lieferketten und förderte gleichzeitig die Verknüpfung von Sektoren. Diese Bemühungen haben dazu beigetragen, die Fundamente der innovativen Dynamik in der Wirtschaft zu stärken und zu erhalten.
Freilich leidet Chinas übergroße, rasch wachsende Wirtschaft unter Strukturproblemen, die offenbar nicht mit der ihr zugrunde liegenden Dynamik übereinstimmen. Diese offenkundige Diskrepanz ist ein Hinweis auf die Komplexität der Wirtschaft. Da der staatliche Sektor beispielsweise einen unverhältnismäßig hohen Anteil an Finanzmitteln beansprucht, wird er oft als Quelle von Fehlallokationen betrachtet. Aus aktuellen Studien geht jedoch hervor, dass staatliche Unternehmen möglicherweise als informeller Kanal zur Linderung der Finanzierungsprobleme kleiner und mittlerer Unternehmen gedient haben.
Wer sich zu sehr auf oberflächliche Phänomene konzentriert, wird die wirtschaftliche Widerstandskraft Chinas weiterhin unterschätzen. Man kann die chinesische Wirtschaft und ihre Aussichten nicht wirklich verstehen, ohne der ihr zugrunde liegenden unbändigen Dynamik Beachtung zu schenken.
Zhang Jun ist Dekan der Schule für Ökonomie an der Fudan-Universität und Direktor des China-Zentrums für Ökonomische Studien, einem Think-tank aus Shanghai. Aus dem Englischen von Helga Klinger-Groier.
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Angela Liu wird China-Chefin beim britischen Wertpapierhaus Barclays Capital. Sie kommt von der Deutschen Bank, wo sie den Firmenkunden-Bereich für China und Hongkong geleitet hat. Davor hatte sie bei Morgan Stanley gearbeitet.
Belinda Gan leitet seit 1. Oktober bei der US-Investmentfirma Capital Group von London aus das Geschäft mit europäischen und asiatischen Kunden im Bereich Investitionen in Geldanlagen mit hohen Standards für Umweltschutz, Soziales und gute Unternehmensführung (ESG).

Gemüse im Prada-Look ist der Verkaufshit unter jungen Shoppern in Shanghai. Die Modefirma hatte den Verkäufern auf dem traditionellen Wuzhong-Markt das edle Packpapier angeboten. Doch diese waren am Ende unzufrieden: Die Hipster kamen nur, um ein Selfie zu machen. Schweinefüße im Prada-Look wollten sie dann doch nicht kaufen.