Table.Briefing: China

Wagenknecht + Flugtaxis

Liebe Leserin, lieber Leser,

wenn sich eine neue, möglicherweise relevante Partei gründet, dann drängt sich für uns in der China-Community natürlich gleich die Frage auf: Wie schaut diese neue Gruppierung auf die Volksrepublik? Finn Mayer-Kuckuk hat sich also angesehen, wie sich die Gründerinnen und Gründer des “Bündnis Sahra Wagenknecht” – kurz BSW – bisher zu China geäußert haben.

Deutlich wird: Sie wünschen eine enge wirtschaftliche Kooperation mit der Volksrepublik; eine Abkehr vom China-Geschäft halten sie für unrealistisch oder gar schädlich. Wagenknecht selbst lobte einmal direkt die Industriepolitik Pekings. Im Ukraine-Krieg folgt das BSW dem chinesisch-russischen Narrativ, das die USA als Kriegstreiber und als Ursache der Eskalation sieht.

Hoch hinaus geht es möglicherweise bald über Chinas Südmetropole Shenzhen, und das im elektrischen Zweisitzer – ganz ohne Piloten. Das Unternehmen Ehang hat die offizielle Zertifizierung für sein erstes elektrisches Senkrechtstarter-Modell namens EH-216 erhalten. Die erste Lizenz dieser Art überhaupt in der Welt, wie Frank Sieren schreibt. Es gibt bereits 100 Bestellungen für das Modell, das demnächst auf einigen ausgewählten Strecken als Flugtaxi zum Einsatz kommen soll.

Ihre
Christiane Kühl
Bild von Christiane  Kühl

Analyse

Das denkt Sahra Wagenknecht über China

Sahra Wagenknecht nach Bekanntgabe der Vereinsgründung.

Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) erwähnt China in ihrem Gründungsmanifest zwar nicht direkt. Doch China wird zumindest implizit in einem ähnlichen Kontext genannt wie Russland: “Den Einsatz deutscher Soldaten in internationalen Kriegen lehnen wir ebenso ab wie ihre Stationierung an der russischen Grenze oder im Südchinesischen Meer.”

Das Papier folgt insofern dem chinesisch-russischen Narrativ, als es Kriegstreiberei der USA als Ursache für die aktuellen Konflikte identifiziert und Deutschland und die EU als hilflose Gefolgschaft Washingtons darstellt. Sanktionen lehnt das Bündnis generell ab.

Das BSW will darauf hinwirken, der EU eine eigenständige Positionierung zu verschaffen: “Unser Ziel ist ein eigenständiges Europa souveräner Demokratien in einer multipolaren Welt und keine neue Blockkonfrontation, in der Europa zwischen den USA und dem sich immer selbstbewusster formierenden neuen Machtblock um China und Russland zerrieben wird.”

Das BSW sieht sich in der Tradition Brandts

Die Weltsicht des BSW entspricht der immer wieder wiederholten Empfehlung aus Peking, die EU sollte sich aus der Umklammerung der USA befreien. Und ihren eigenen Weg gehen – möglichst auf China zu. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sich bereits ähnlich geäußert und dafür in Berlin und Brüssel reichlich Kritik zu hören bekommen.

Bemerkenswert ist aber zugleich, dass das Wagenknecht-Bündnis anerkennt, dass der “Machtblock um China” sich “immer selbstbewusster” formiert. Das beschreibt die Realität, auch wenn die BSW-Schlussfolgerung sich von der Mehrheitsposition in der Bundesregierung unterscheidet. Statt einer Konfrontation will das BSW Friedensverhandlungen, “Entspannung, Interessenausgleich und internationale Zusammenarbeit”. Es sieht sich damit nach eigener Aussage in der Tradition Willy Brandts.

China als Vorbild

Die Initiatorin des Projekts, Sahra Wagenknecht, hat in der Vergangenheit ähnliche Positionen zu China vertreten. “So robust die chinesische Konjunktur sein mag, so fragil sind die Handelsbeziehungen zu dem ostasiatischen Land. Gefahren gibt es hier insbesondere, wenn es Europa nicht gelingt, sich von den amerikanischen Wirtschaftskriegen unabhängig zu machen“, schrieb sie vor drei Jahren.

China stellt Wagenknecht in der Pandemie als Vorbild für gelungene Wirtschaftspolitik dar: “Dass China als einzige größere Volkswirtschaft dieses Jahr wächst, hat übrigens eine zentrale Ursache: eine entschlossene Industriepolitik und massive staatliche Investitionen.” Wagenknecht ist also ein Fan von Industriepolitik.

“BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit” ist eine Ausgründung aus der Partei Die Linke, die sich gegen die Aufnahme von Geflüchteten und für den Import von günstigem russischen Gas ausspricht. Führungsfigur ist die profilierte Bundestagsabgeordnete Wagenknecht. Bisher ist BSW lediglich ein eingetragener Verein, es ist aber die Gründung einer neuen Partei geplant. Vorsitzende des e.V. ist die Hamburger Bundestagsabgeordnete Amira Mohamed Ali.

Mohamed Ali will Partnerschaft mit China

Auch Mohamed Ali hat sich ausführlich zu China geäußert. Ihre Ansichten sind weitgehend auf einer Linie mit der Wagenknechts. Auch Mohamed Ali sieht im Zusammenrücken Chinas und Russlands durchaus keine positive Entwicklung, sondern eine Bedrohung. “Die Gefahr eines mächtigen Blockes, bestehend aus Russland, China, Indien und dem Iran, der die EU und die USA wirtschaftlich und geopolitisch an den Rand drängen kann, wächst.”

Amira Mohamed Ali lehnt den China-kritischen Kurs der Grünen ab.

Sie hat seinerzeit Kanzler Olaf Scholz dafür gelobt, das Gespräch mit Peking zu suchen, um Frieden für die Ukraine zu schaffen. Die Grünen kritisierte Mohamed Ali dagegen auf Twitter: “Wenn sich der grüne Anti-China-Kurs durchsetzt, bricht unsere Wirtschaft weiter ein. Arbeitsplätze verschwinden, die Kaufkraft sinkt rapide.”  

Mohamed Ali spricht von Menschenrechtsverletzungen

Die neue BSW-Vorsitzende erkennt zugleich an: “China ist kein demokratischer Staat. Es stimmt, dass dort gravierende Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind.” Sie sieht die deutsche Debatte jedoch von Washington beeinflusst: “Der Grund, warum die Menschenrechtsverletzungen in China jetzt so ein Thema sind, ist der Umstand, dass sich die Konkurrenzsituation zwischen den USA und China in Bezug auf die Frage verschärft hat, wer Weltmacht Nummer eins ist beziehungsweise wird.”

Die wertegeleitete Politik der grünen Außenministerin Annalena Baerbock hält Mohamed Ali für aussichtslos: “Wer glaubt, dass sich die Menschenrechtslage in China dadurch verbessert, dass Europa sich gegen China abschottet, ist einfach auf dem Holzweg.” Sie spricht sich klar für gute Wirtschaftsbeziehungen zu China aus: “Ein Wirtschaftskrieg mit China hätte verheerende Folgen für unser Land. Unzählige Arbeitsplätze wären in Gefahr. Das ist der falsche Kurs.”

Christian Leye will einen Wirtschaftskrieg verhindern

Auch der Abgeordnete Christian Leye, ebenfalls einer der Mitgründer des BSW, hat in den vergangenen Monaten ausgiebig zu China Stellung genommen. Es ist ihm ein besonderes Anliegen, eine handelspolitische Konfrontation zu vermeiden.

Christian Leye sorgt sich um die wirtschaftliche Abhängigkeit.

Aufgrund der großen Abhängigkeit von China insbesondere bei Rohstoffen könne Deutschland sich eine Auseinandersetzung nicht leisten. “Wir sind gut beraten, die Finger von einem weiteren Wirtschaftskrieg zu lassen, diesmal mit China”, sagte Leye im vergangenen Jahr. “Noch einen Handelskonflikt, diesmal härter und schlimmer als der mit Russland, wird die Bevölkerung nicht mitmachen, das hält sie nicht aus, meine Damen und Herren.”

Im Juni 2023 hatte Leye in einer kleinen Anfrage den Stand von Exportgarantien für das Chinageschäft abgefragt. Auf die Frage der Abgeordneten hatte das Wirtschaftsministerium beschieden, nur noch wenige Projekte mit kleinen Summen abzusichern. Leye leitete darauf Kritik an Wirtschaftsminister Robert Habeck ab, der durch seinen China-feindlichen Kurs den deutschen Erfolg gefährde.

  • Geopolitik
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Flug über Shenzhen bald ohne Pilot

Das unbemannte Flugtaxi EH-216 bei einem Demonstrationsflug in Raleigh, USA

China geht einen weiteren Schritt in Richtung kommerzieller Nutzung von Flugtaxis: Ehang (亿航), der südchinesische Hersteller autonom fliegender Passagier-Drohnen, hat eine Typ-Zertifizierung für ein sogenanntes eVTOL-Flugzeug erhalten – neun Jahre nachdem das Startup im südchinesischen Guangzhou gegründet wurde. Die Abkürzung bedeutet “Electric vertical take off and landing.” Die Zertifizierung gilt für das Modell EH-216.

Im Januar 2021 hatte Ehang den Antrag eingereicht. Es folgte der aufwendige Test der Civil Aviation Administration of China (“CAAC”). Nun, nach insgesamt rund 40.000 Testflügen, kann das Fluggerät theoretisch im Alltagsbetrieb eingesetzt werden. Testflüge als Dienstleistung könnten noch in diesem Jahr beginnen, hoffen die Hersteller. Damit ist das an der New Yorker Nasdaq-Börse gelistete Unternehmen weltweit führend in der Urban Air mobility (UAM) mit unbemannten Fluggeräten (Unmanned Aerial Vehicles/UAV). Der E-Hang-Aktienkurs an der Nasdaq legte bei der Nachricht über die Zertifizerung um rund 50 Prozent zu.

Ehang schloss Vertrag mit Shenzhen

Bereits im vergangenen Juli hat Ehang einen Kooperationsvertrag mit der südchinesischen Metropole Shenzhen unterzeichnet, um die eVTOLs kommerziell im Bao`an Distrikt einzusetzen. Noch bis Ende dieses Jahres will Distriktbürgermeister Meng Jinjin zehn Routen anbieten. Ob das so schnell hinhaut, muss sich allerdings erst zeigen. Insgesamt sind laut Berichten bereits 50 Routen mit 100 Landeplattformen geplant. Im Shenzhener Bao`an Distrikt, der mit seinen gut 4,5 Millionen Einwohnern größer als Berlin ist (3,8 Mio.), liegt auch der internationale Flughafen von Shenzhen, gegenüber von Hongkong.

Ehang hat nach Angaben des Fachmagazins eVTOL News im September bereits fünf EH-216 an die Shenzhen Boling Holding Group ausgeliefert. Boling hatte demnach unter Vorbehalt der Zertifizierung bis zu 100 Modelle bestellt und plant, in Kooperation mit der Bezirksregierung von Bao’an damit Lufttourismus und Sightseeing-Dienste. Später wolle man auch Flüge nach Hongkong, Macau und in die Provinzhauptstadt Guangzhou anbieten, erläutert der Boling-Vorsitzende Xu Guanshen.

Ende vergangener Woche hat Ehang zudem einen Vertrag mit der Stadtregierung von Hefei, der Hauptstadt der Provinz Anhui über 100 Taxidrohnen abgeschlossen. Die 12,5-Millionen-Stadt Hefei wird umgerechnet 100 Millionen US-Dollar in den Aufbau der neuen Branche investieren. Ein wichtiger Schritt für E-Hang, das allein zwischen 2020 und 2022 knapp eine Milliarde US-Dollar Verlust gemacht hat.

EH-216: sicheres Fluggerät mit 16 Propellern

Der EH-216 ist ein Zweisitzer, der bis zu 260 Kilogramm Nutzlast einschließlich dem Gepäck der Passagiere tragen kann. Mit seinen 5,16 Metern ist sein Radius etwa so groß wie ein 5er BMW lang ist. Der Flieger kostet derzeit rund 300 000 US-Dollar. Doch es ist zu erwarten, dass dieser Preis mit steigenden Stückzahlen fallen wird. Der EH-216 gilt mit seinen 16 Elektromotoren und ebenso vielen Propellern als sehr sicher, einfach autonom zu steuern. Auch ist er im Vergleich zu Hubschraubern sehr leise.

Mit seinen Batterien kann der EH-216 bei einer Spitzen-Geschwindigkeit von 130 Kilometern pro Stunde 30 Minuten in einem Umkreis von bis zu 35 Kilometern fliegen. Er ist damit ideal für den Einsatz in Chinas Megacities. Höchstgeschwindigkeit und maximale Flugdauert werden allerdings erstmal 25 Minuten mit 100km/h sein.

Vom EH-216 soll es später auch eine Feuerwehr-Version geben, die in der Lage ist, Hochhausbrände zu bekämpfen. Ebenso ist eine Krankentransportversion geplant, mit Platz für eine Liege und einen Arzt. E-Hang entwickelt zudem bereits einen Viersitzer des Modells.

China entwickelt Rahmenbedingungen für grünen Luftverkehr

Derweil arbeitet China als erstes Land der Welt an den Rahmenbedingungen für eine sogenannte Green Aerospace Industry. Diese soll bis 2035 aufgebaut werden. Nun wurde vergangene Woche ein erster Entwurf dafür vorgelegt, an dem vier Ministerien beteiligt waren: das Ministerium für Industrie und Informationstechnologie, das Ministerium für Wissenschaft und Technologie, das Finanzministerium und das Luftfahrtministerium. Peking hat ein großes Interesse daran, in den Megametropolen einen Teil des Straßenverkehrs in die Luft zu verlegen, um den Straßenverkehr zu entlasten.

Das autonome Fliegen gilt im Vergleich zum autonomen Fahren als weniger komplex, weil in der Luft vergleichsweise weniger sich gleichzeitig bewegende Objekte koordiniert werden müssen. 2022 haben das Transportministerium und das Wissenschaftsministerium die Industrie daher bereits ermuntert, sich in dieser Richtung zu entwickeln. Kein anderes Land fördert derzeit den Aufbau einer solchen Industrie so sehr wie China.

Auch andere Hersteller folgen Ehang. XPeng, Partner Volkswagens beim autonomen Fahren, hat im Januar von der chinesischen Luftaufsichtsbehörde die Erlaubnis bekommen, sein Modell namens X2 mit einem Piloten zu testen. Der X2, der auch in Dubai vorgeführt wurde, ähnelt von der Form mehr einem Auto als einem Hubschrauber und fliegt mit acht Rotoren.

Elektrische Senkrechtstarter: Neun-Billionen-Dollar Markt

Weltweit gibt es inzwischen über 800 Designkonzepte für die elektischen Senkrechtstarter. Eine Studie der Investmentbank Morgan Stanley geht davon aus, dass der eVTOL-Markt 2040 ein Volumen von einer Billion US-Dollar haben und zehn Jahre später bereits bei neun Billionen liegen wird.

China ist am weitesten, aber auch in anderen Weltregionen kommen nicht nur die traditionellen Hersteller Airbus und Boeing gut voran, sondern auch Startups wie peer Vertical Aerospace in England, SkyDrive in Japan oder Volocopter in Deutschland. Volocopter-CEO Dirk Hoke hatte ursprünglich gehofft, das erste eVTOL mit einer Lizenz zu bekommen, doch die Chinesen waren schneller. Dabei hatten Volocopter und Aerofugia, ein Tochterunternehmen des Autoherstellers Geely, bereits 2021 ein Gemeinschaftsunternehmen in Chengdu gegründet, um Volocopter in China einzuführen.

EVTOL-Startups in aller Welt

Auch in den USA gibt es Lufttaxi-Startups. Joby Aviation hat diesen Monat begonnen, einen Prototypen mit einem Piloten an Bord in Testflügen einzusetzen. Im Juni hat Klaus Loewe, Chef des jungen Unternehmens Lilium, mit der Shenzhener Eastern General Aviation Co., Ltd – auch bekannt als Heli-Eastern – einen Kooperationsvertrag unterschrieben. Demnach soll Heli-Eastern 100 Lilium E-Jets bestellen. Gleichzeitig gründete Lilium seine Asien-Pazifik Zentrale in Shenzhen.

2019 hatte das fünfsitzige elektrische Flugtaxi von Lilium in Oberpfaffenhofen bei München seinen Jungfernflug erfolgreich absolviert. Allerdings hat es bisher weder in Europa noch in China eine kommerzielle Lizenz. Mit seinen 36 elektrischen Jetmotoren soll das Fluggerät mit 300 Stundenkilometern eine Stunde lang fliegen können. Der Shenzhener IT- und Gaming-Konzern Tencent ist an dem Lilium beteiligt.

Und selbst Volkswagen hat vor einem Jahr den “Flying Tiger” vorgestellt, ein viersitziges Flugtaxi, das von der Vertical Mobility-Abteilung von VW entwickelt wurde. Es wird derzeit getestet. Die Wolfsburger werden sich beeilen müssen, wenn sie bei diesem neuen Trend mitspielen wollen.

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  • Drohnen
  • Mobilität
  • Start-ups
  • Technologie

Sinolytics Radar

China holt im KI-Rennen auf

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  • Die Erforschung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) in China schreiten rasant voran. Hilfreich für die Verbesserung der KI-Lernfähigkeit sind die umfangreichen Datensätze, die durch die Erfassung von Chinas riesiger Bevölkerung angehäuft wurden.
  • Unternehmen und Forschungsinstitute wie Baidu, Alibaba, die Tsinghua-Universität und die Pekinger Akademie für künstliche Intelligenz (BAAI) sind führend bei der Entwicklung eines sogenannten “Large Language Model”. Zudem veröffentlicht China nach wie vor die weltweit höchste Zahl von Forschungsarbeiten zum Thema KI.
  • So investiert beispielsweise der chinesische Smartphone-Hersteller Oppo erheblich in generative KI-Technologie. Dazu gehören auch Bemühungen, ein eigenes umfassendes Sprachmodell mit dem Namen AndesGPT zu entwickeln. Produkte wie ChatGPT werden in der hart umkämpften Smartphone-Branche inzwischen als potenzielle “disruptors” angesehen – also als Faktoren, die eine radikale Erneuerung auslösen.
  • Allerdings steuern in China Ideologie und Informationskontrolle als Schlüsselfaktoren die KI-Entwicklung. Seit dem 13. Juli 2023 untersteht die Veröffentlichung KI-generierter Content-Modelle einer Genehmigungspflicht. Die Behörden wollen damit sicherstellen, dass nur Algorithmen zugelassen werden, die sich in die allgemeinen politischen Rahmenbedingungen fügen.
  • Mitte Oktober legte das US-Handelsministerium einen Plan vor, wonach der Export hoch entwickelter KI-Chips nach China beschränkt werden soll, um so den Zugang zu Rechnerkapazitäten zu kontrollieren. Das könnte Chinas Fortschritte bei der Entwicklung von KI-Modellen der nächsten Generation erheblich bremsen.
  • Ausblick: Die chinesische Regierung agiert zwar vorsichtig, wenn es um die Schaffung von Inhalten durch künstliche Intelligenz geht. Im Gegensatz dazu ist sie aber entschlossen, die industriellen Anwendungen von KI-Modellen – wie autonomes Fahren und intelligente Logistik – massiv zu fördern. Darüber hinaus werden lokale Verwaltungen in China erhebliche finanzielle Unterstützung für örtliche KI-Schlüsselprojekte bereitstellen, darunter KI-Chips und Kernalgorithmen.

Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.

  • Künstliche Intelligenz
  • Technologie

News

Li Shangfu offiziell entlassen

Verteidigungsminister Li Shangfu
Seit Wochen verschwunden, nun offiziell entlassen: Ex-Verteidigungsminister Li Shangfu

Der seit rund zwei Monaten verschwundene Verteidigungsminister Li Shangfu (李尚福) ist offiziell entlassen worden. Der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses habe Li aus seinem Ministeramt sowie seiner Position als Staatsrat entlassen, berichtete der Staatssender CCTV am Dienstag. Auch der bereits entlassene Außenminister Qin Gang wurde seines Amtes als Staatsrat enthoben. Diese Nachricht war erwartet worden, seit Li Ende im August ebenso abrupt aus der Öffentlichkeit verschwunden war wie zuvor Qin Gang.

Spekulationen ranken sich seither um Korruption bei der Beschaffung von Militärausrüstung. Von 2017 bis 2022 leitete Li die Abteilung für Waffenentwicklung der Zentralen Militärkommission, die auch für den Einkauf von Waffen und Militärtechnik aus dem Ausland zuständig ist. Wegen Waffengeschäften mit Russland aus jener Zeit steht Li seit 2018 auf einer Sanktionsliste der USA.

In sozialen Medien fanden sich vorübergehend einzelne bissige Kommentare. “Die Alten hatten recht: Je weniger Worte, desto größer die Geschichte” (字越少,事越大。古人诚不欺我), schrieb etwa ein User auf einer Nachrichten-Plattform der Beijing Daily Newspaper Group. Der Beitrag wurde allerdings wenig später gelöscht.

Anders als zuvor bei Qin Gang – der von seinem Vorgänger Wang Yi ersetzt wurde – ernannte Peking zunächst keinen neuen Verteidigungsminister. Reuters hatte vor zwei Wochen unter Berufung auf fünf informierte Quellen Stabschef General Liu Zhenli als wahrscheinlichsten Nachfolger ins Spiel gebracht. Auch die South China Morning Post berichtete damals unter Berufung auf anonyme Quellen, General Liu werde als eine zentrale Figur bei dem internationalen Xiangshan-Sicherheitsforum Ende Oktober in Peking teilnehmen. Das Blatt wertete dies als Hinweis, dass Liu möglicher Nachfolger sein könnte.

Das Xiangshan-Forum ist eine Art chinesischer Shangri-La-Sicherheitsdialog. Dort wird eine US-Delegation teilnehmen, das erste Mal seit Suspendierung des Militärdialogs im August 2022. Wenn dort General Liu statt des sanktionierten Ex-Ministers der zentrale Ansprechpartner für die US-Delegation wäre, würde das die bilateralen Gespräche sicher vereinfachen. ck

  • Korruption
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  • Xiangshan-Forum

Wang Yi reist in die USA

Chinas Außenminister Wang Yi wird Ende der Woche in die USA reisen. Wang werde in Washington mit seinem Amtskollegen Antony Blinken sowie dem Nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan zusammentreffen, teilten Offizielle in den USA mit. Bei den Treffen ab Donnerstag Ortszeit dürfte es vor allem um den Krieg in Gaza sowie um die Vorbereitung eines Gipfels zwischen US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi Jinping gehen. Die Zahl hochrangiger Kontakte zwischen den beiden Supermächten nimmt derzeit wieder zu. Wang war erst vor wenigen Wochen auf Malta mit Sullivan zusammengekommen, Blinken hatte ihn im Sommer in Peking getroffen.

Zugleich wurde bekannt, dass Wang am Montag mit seinen Amtskollegen in Israel und Palästina telefoniert hat. “Jedes Land hat das Recht auf Selbstverteidigung, sollte sich aber an das humanitäre Völkerrecht halten und die Zivilbevölkerung schützen”, sagte Wang gegenüber seinem israelischen Amtskollegen Eli Cohen. China werde sein Möglichstes tun, um zur palästinensisch-israelischen Aussöhnung beizutragen.

In seinem Telefonat mit dem palästinensischen Außenminister Riyad al-Maliki betonte Wang, dass China “tiefstes Verständnis für die schwierige Situation der palästinensischen Seite hat, insbesondere der Menschen in Gaza”. Sein Land werde den Menschen im Gazastreifen weiterhin humanitäre Hilfe leisten. Die beiden Telefonate stellen Chinas höchstrangigen Kontakt mit Israel und Palästina seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober dar. Derzeit ist zudem Chinas Nahost-Sondergesandter Zhai Jun in der Region unterwegs. Bislang stellt sich China ebenso wie die arabischen Staaten eher an die Seite der Palästinenser. ck/rtr

  • Geopolitik
  • Wang Yi

EU-Ausschuss fordert Ausbau von Handel mit Taiwan

Der Handelsausschuss des EU-Parlaments hat sich für einen Ausbau der Handelsbeziehungen mit Taiwan ausgesprochen. Die EU-Abgeordneten forderten die EU-Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst (EEAS) zudem auf, “zügig mit der Arbeit an einem stabilen Lieferkettenabkommen mit Taiwan zu beginnen“. Der Ausschuss hat dieses in einer Resolution festgelegt, die im November auch im Plenum des Europaparlaments zur Abstimmung kommen soll. Resolutionen sind Standpunkte zu bestimmten Themen und nicht rechtlich bindend.

Auch rufen die EU-Parlamentarier rufen in dem Text die Kommission und den EEAS auf, ihre Unterstützung Taiwans zu verstärken, eine Präsenz in multilateralen und internationalen Foren zu erhalten. “Wir fordern eine weitere Stärkung der Beziehungen sowie konkrete Fortschritte bei wichtigen Initiativen wie dem Handels- und Investitionsdialog“, sagte der rumänische EU-Abgeordnete Iuliu Winkler. Das Europaparlament hat bereits mehrfach auch ein bilaterales Investitionsabkommen mit Taiwan vorgeschlagen – konkret passiert ist dazu vonseiten der EU-Kommission allerdings nichts.

China sieht Taiwan als abtrünnige Provinz. Die EU verfolgt in Bezug auf Taiwan eine “One China”-Politik, die offizielle diplomatische Beziehungen zu Taiwan ausschließt, bilaterale wirtschaftliche Beziehungen aber in gewissem Rahmen zulässt.

Der Handelsausschuss des EU-Parlaments gab am Dienstag zudem grünes Licht für das geplante Freihandelsabkommen mit Neuseeland. Das Parlament soll darüber ebenfalls im November abstimmen. Mit der Zustimmung des EU-Rats könnte das Abkommen Mitte 2024 in Kraft treten. Das Freihandelsabkommen ist ein wichtiger Schritt für die Zusammenarbeit mit Staaten in der Indopazifik-Region. ari

  • EEAS
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  • Neuseeland
  • Taiwan

US-Beschränkungen könnten EU-Firmen treffen

Die Europäische Union sorgt sich, dass die US-Regierung mit ihren auf China zielenden Beschränkungen für Auslandsinvestitionen auch Unternehmen in der EU treffen könnte. Das hätten hochrangige EU-Beamte ihren US-Amtskollegen deutlich mitgeteilt, berichtet Bloomberg unter Berufung auf informierte Personen und eingesehene Dokumente.

US-Präsident Joe Biden hatte im August eine Anordnung unterzeichnet, die den US-Finanzminister ermächtigt, US-Investitionen in chinesische Unternehmen zu verbieten, die in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Quantencomputer und hoch entwickelte Halbleiter tätig sind. Die Sorge ist nun, dass sich das auch auf in der EU ansässige Firmen mit US-Investoren auf der einen und chinesischen Eigentümern auf der anderen Seite auswirken könnte.

Eine Sprecherin des US-Finanzministeriums sagte, die Anordnung sei eng gefasst und konzentriere sich auf die nationalen Sicherheitsinteressen der USA. Die EU antwortete nicht sofort auf eine Bitte um Stellungnahme. cyb

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Presseschau

China entlässt Verteidigungsminister und weitere Regierungsmitglieder DERSTANDARD
China urges Israel to abide by international law and protect civilians in Gaza CNBC
China und der Nahe Osten: Israel ist für China nicht mehr wichtig genug ZEIT
China prescht im Schatten des Nahostkriegs im Südchinesischen Meer vor HANDELSBLATT
“Ungewollt Kriegspartei”: In Japan wächst die Angst vor einem Konflikt mit China MERKUR
Brüssel will die Windbranche vor China schützen FAZ
IEA: China und erneuerbare Energien entscheiden über Klima VDI-NACHRICHTEN
Gaspipeline Balticconnector: Finnland findet nach Pipeline-Schäden chinesischen Schiffsanker ZEIT
China missile edge over U.S. puts Japan at risk of threats: analyst NIKKEI
Australian journalist Cheng Lei describes her detention in China as psychological torture ABC
Uyghurs in China: Filmmaker’s Detention Shows That Arrests of Minority Continue SPIEGEL
China signals more support for struggling local governments CNBC
“Besondere Bedeutung”: Kölns OB Reker bei China-Reise in “positivem Austausch” mit Partnerstadt Peking KSTA
Das China-Paradox der deutschen Autohersteller HANDELSBLATT
Mitsubishi steigt bei Ampere ein und aus China aus FAZ
SVOLT plant weiteres Batteriewerk außerhalb von China ELECTRIVE
China Widens Lead Over US in AI Patents After Beijing Tech Drive BLOOMBERG
Wie die Immobilienkrise in China Existenzen vernichtet FAZ
China’s Xi makes first known visit to central bank REUTERS
Anti-Spionage-Gesetz: Polizei-Aktionen in China verunsichern ausländische Unternehmen WIWO
“Steve Jobs” biographer Walter Isaacson says Apple will be the company “most hurt” if economic tensions between US and China escalate BUSINESSINSIDER
Pekinger Ermittlungen gegen Foxconn könnten Wahl in Taiwan beeinflussen DERSTANDARD
China recruits Pakistan and Belarus for its planned moon base SPACE
Trotz Ende der Pandemie: Kaum ausländische Touristen in China SRF
Quantencomputer: So treibt China die Technologie in den USA an HANDELSBLATT
Declining Bering Sea ice linked to increasing wildfire hazard in northeast China PHYS
Ex-ASML worker accused of stealing chipmaking secrets for China is Huawei to a new job THEREGISTER
Chinese augmented reality firm Xreal launches next-gen glasses in challenge to Meta and Apple CNBC
‘Honest Mistake,’ Says U.S. Politician Arrested on Gun Charge in Hong Kong NYTIMES
Nachtclubs und Essen: Bestechungsvorwürfe gegen App-Store-Mitarbeiter in China HEISE

Heads

May-Britt Stumbaum – Sicherheitsexpertin mit Mathe-Talent

May-Britt Stumbaum forscht am Center for Intelligence and Security Studies (CISS) der Universität der Bundeswehr München. Sie ist Expertin für den Indopazifik mit Schwerpunkt auf China.

Auf die Frage, warum sich May-Britt Stumbaum, Forscherin am Center for Intelligence and Security Studies (CISS) der Bundeswehr Universität München, für Sicherheitspolitik interessiert, antwortet sie mit einem Lächeln: “Ich war immer recht gut in Mathe.” Worauf Stumbaum anspielt: Als sie Anfang der 1980-er Jahre zur Grundschule geht, müssen die Schüler regelmäßig Evakuierungsübungen für den atomaren Notfall mitmachen. Doch bei 1.200 Schülern und nur 100 verfügbaren Plätzen im Atombunker “war schnell klar, dass nicht alle hineinpassen würden”, sagt Stumbaum. Ein Anstoß, aus dem sich mit der Zeit eine Faszination für Politik und für die Frage entwickelt, die sie noch heute beschäftigt: warum Menschen welche Entscheidungen treffen.

Stumbaum studiert zunächst Politikwissenschaft und European Studies, bevor sie von 2002 bis 2008 zur Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) geht, wo die Wissenschaftlerin ihre Interessen für Asien – den Newcomern auf der Weltbühne – und für Sicherheitspolitik erstmals miteinander verbinden kann. Nach ihrer Promotion zieht es sie für ihren Postdoc weiter nach Harvard, auch weil sicherheitspolitische Aspekte bis vor wenigen Jahren in der Forschung in Europa nur schwer unterzubringen waren. Seitdem arbeitete sie in einer Reihe renommierter Thinktanks und Forschungsgruppen und ist nun seit März 2023 am CISS aktiv.

Anders noch als für ihre Eltern, die sich in der Friedensbewegung engagierten, steht für Stumbaum fest, dass man Soldaten braucht, um den Frieden zu bewahren – in der Hoffnung, sie am Ende eben nicht zu brauchen. Seit 2012 ist sie daher auch Oberstleutnant der Reserve bei der Luftwaffe. Zum einen, um Zugang zu Informationen und ein besseres Verständnis für Entscheidungsprozesse in der Bundeswehr zu bekommen; zum anderen auch, um Deutschland für die vielen Möglichkeiten, die sie bekommen hat, “effektiv etwas zurückzugeben.”

Mehr wissen, um besser zu entscheiden

Man muss sich auf einen Krieg vorbereiten, um ihn zu verhindern, sagt Stumbaum, besonders wenn man sich der Kommunistischen Partei Chinas gegenübersieht, die in einem Umfeld der Gewalt entstanden ist. Außerdem müssen wir dringend “mehr über China wissen, um besser entscheiden zu können”, sagt die Sicherheitsexpertin. Dabei gehe es keineswegs darum, die Politik der KPCh zu rechtfertigen – sondern darum, chinesische Entscheidungen nachvollziehen zu können.

In China gebe es zum Beispiel keine Unterscheidung zwischen einer zivilen oder militärischen Nutzung von Technologie wie hierzulande, weswegen der Export von Dual-Use-Gütern genau zu überprüfen sei. Andererseits müsse man auch genau zwischen der zivilen Bevölkerung in China und dem Willen der KPCh trennen. An ihrem neuen Posten am CISS will Stumbaum diese Expertise aufbauen, unter anderem mit nachrichtendienstlichen Studien und militärischen Planspielen. Diese soll als Business Intelligence auch für deutsche Unternehmen verfügbar gemacht werden.

Dabei sei es wichtig, die deutschen Interessen von vornherein zu definieren und die Naivität gegenüber der KPCh abzulegen. Denn spätestens seit 2012 – mit den Exportbeschränkungen für Seltene Erden seitens China gegenüber Japan und der Veröffentlichung des Dokuments Nr. 9 im Jahr darauf – sei zunehmend klargeworden, dass vom China unter der KPCh mehr Bedrohungen als Möglichkeiten ausgehen. Clemens Ruben

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Personalien

Lan Foan ist zum neuen chinesischen Finanzminister ernannt worden. Der 61-Jährige folgt auf Liu Kun, der seit 2018 Finanzminister war. Zuvor war Lan der Parteichef der nordchinesischen Provinz Shanxi.

Yin Hejun wurde zum Minister für Wissenschaft und Technologie ernannt. Von den Wechseln an den Spitzen der beiden Ministerien haben staatliche chinesische Medien am Dienstag berichtet.

Sun Guangyu wurde in der vergangenen Woche zum stellvertretenden Generalsekretär des Staatsrats ernannt, nachdem Wang Zhiqing aus diesem Amt entfernt wurde. Zuvor war Sun Vize-Minister für Notfallmanagement.

Chen Min bekleidet nun das Amt des Vize-Ministers für Wasserressourcen.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Flirrende 3D-Bilder in Bangkok: Hongkong präsentiert sich mit einer interaktiven Ausstellung namens “Immersive Hong Kong” in Thailands Hauptstadt. So will die Stadtregierung Besucher aus Thailand anlocken. Umgekehrt ist das tropische Land eines der beliebtesten Reiseziele für Touristen aus Hongkong und Festlandchina.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    Liebe Leserin, lieber Leser,

    wenn sich eine neue, möglicherweise relevante Partei gründet, dann drängt sich für uns in der China-Community natürlich gleich die Frage auf: Wie schaut diese neue Gruppierung auf die Volksrepublik? Finn Mayer-Kuckuk hat sich also angesehen, wie sich die Gründerinnen und Gründer des “Bündnis Sahra Wagenknecht” – kurz BSW – bisher zu China geäußert haben.

    Deutlich wird: Sie wünschen eine enge wirtschaftliche Kooperation mit der Volksrepublik; eine Abkehr vom China-Geschäft halten sie für unrealistisch oder gar schädlich. Wagenknecht selbst lobte einmal direkt die Industriepolitik Pekings. Im Ukraine-Krieg folgt das BSW dem chinesisch-russischen Narrativ, das die USA als Kriegstreiber und als Ursache der Eskalation sieht.

    Hoch hinaus geht es möglicherweise bald über Chinas Südmetropole Shenzhen, und das im elektrischen Zweisitzer – ganz ohne Piloten. Das Unternehmen Ehang hat die offizielle Zertifizierung für sein erstes elektrisches Senkrechtstarter-Modell namens EH-216 erhalten. Die erste Lizenz dieser Art überhaupt in der Welt, wie Frank Sieren schreibt. Es gibt bereits 100 Bestellungen für das Modell, das demnächst auf einigen ausgewählten Strecken als Flugtaxi zum Einsatz kommen soll.

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    Das denkt Sahra Wagenknecht über China

    Sahra Wagenknecht nach Bekanntgabe der Vereinsgründung.

    Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) erwähnt China in ihrem Gründungsmanifest zwar nicht direkt. Doch China wird zumindest implizit in einem ähnlichen Kontext genannt wie Russland: “Den Einsatz deutscher Soldaten in internationalen Kriegen lehnen wir ebenso ab wie ihre Stationierung an der russischen Grenze oder im Südchinesischen Meer.”

    Das Papier folgt insofern dem chinesisch-russischen Narrativ, als es Kriegstreiberei der USA als Ursache für die aktuellen Konflikte identifiziert und Deutschland und die EU als hilflose Gefolgschaft Washingtons darstellt. Sanktionen lehnt das Bündnis generell ab.

    Das BSW will darauf hinwirken, der EU eine eigenständige Positionierung zu verschaffen: “Unser Ziel ist ein eigenständiges Europa souveräner Demokratien in einer multipolaren Welt und keine neue Blockkonfrontation, in der Europa zwischen den USA und dem sich immer selbstbewusster formierenden neuen Machtblock um China und Russland zerrieben wird.”

    Das BSW sieht sich in der Tradition Brandts

    Die Weltsicht des BSW entspricht der immer wieder wiederholten Empfehlung aus Peking, die EU sollte sich aus der Umklammerung der USA befreien. Und ihren eigenen Weg gehen – möglichst auf China zu. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat sich bereits ähnlich geäußert und dafür in Berlin und Brüssel reichlich Kritik zu hören bekommen.

    Bemerkenswert ist aber zugleich, dass das Wagenknecht-Bündnis anerkennt, dass der “Machtblock um China” sich “immer selbstbewusster” formiert. Das beschreibt die Realität, auch wenn die BSW-Schlussfolgerung sich von der Mehrheitsposition in der Bundesregierung unterscheidet. Statt einer Konfrontation will das BSW Friedensverhandlungen, “Entspannung, Interessenausgleich und internationale Zusammenarbeit”. Es sieht sich damit nach eigener Aussage in der Tradition Willy Brandts.

    China als Vorbild

    Die Initiatorin des Projekts, Sahra Wagenknecht, hat in der Vergangenheit ähnliche Positionen zu China vertreten. “So robust die chinesische Konjunktur sein mag, so fragil sind die Handelsbeziehungen zu dem ostasiatischen Land. Gefahren gibt es hier insbesondere, wenn es Europa nicht gelingt, sich von den amerikanischen Wirtschaftskriegen unabhängig zu machen“, schrieb sie vor drei Jahren.

    China stellt Wagenknecht in der Pandemie als Vorbild für gelungene Wirtschaftspolitik dar: “Dass China als einzige größere Volkswirtschaft dieses Jahr wächst, hat übrigens eine zentrale Ursache: eine entschlossene Industriepolitik und massive staatliche Investitionen.” Wagenknecht ist also ein Fan von Industriepolitik.

    “BSW – Für Vernunft und Gerechtigkeit” ist eine Ausgründung aus der Partei Die Linke, die sich gegen die Aufnahme von Geflüchteten und für den Import von günstigem russischen Gas ausspricht. Führungsfigur ist die profilierte Bundestagsabgeordnete Wagenknecht. Bisher ist BSW lediglich ein eingetragener Verein, es ist aber die Gründung einer neuen Partei geplant. Vorsitzende des e.V. ist die Hamburger Bundestagsabgeordnete Amira Mohamed Ali.

    Mohamed Ali will Partnerschaft mit China

    Auch Mohamed Ali hat sich ausführlich zu China geäußert. Ihre Ansichten sind weitgehend auf einer Linie mit der Wagenknechts. Auch Mohamed Ali sieht im Zusammenrücken Chinas und Russlands durchaus keine positive Entwicklung, sondern eine Bedrohung. “Die Gefahr eines mächtigen Blockes, bestehend aus Russland, China, Indien und dem Iran, der die EU und die USA wirtschaftlich und geopolitisch an den Rand drängen kann, wächst.”

    Amira Mohamed Ali lehnt den China-kritischen Kurs der Grünen ab.

    Sie hat seinerzeit Kanzler Olaf Scholz dafür gelobt, das Gespräch mit Peking zu suchen, um Frieden für die Ukraine zu schaffen. Die Grünen kritisierte Mohamed Ali dagegen auf Twitter: “Wenn sich der grüne Anti-China-Kurs durchsetzt, bricht unsere Wirtschaft weiter ein. Arbeitsplätze verschwinden, die Kaufkraft sinkt rapide.”  

    Mohamed Ali spricht von Menschenrechtsverletzungen

    Die neue BSW-Vorsitzende erkennt zugleich an: “China ist kein demokratischer Staat. Es stimmt, dass dort gravierende Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind.” Sie sieht die deutsche Debatte jedoch von Washington beeinflusst: “Der Grund, warum die Menschenrechtsverletzungen in China jetzt so ein Thema sind, ist der Umstand, dass sich die Konkurrenzsituation zwischen den USA und China in Bezug auf die Frage verschärft hat, wer Weltmacht Nummer eins ist beziehungsweise wird.”

    Die wertegeleitete Politik der grünen Außenministerin Annalena Baerbock hält Mohamed Ali für aussichtslos: “Wer glaubt, dass sich die Menschenrechtslage in China dadurch verbessert, dass Europa sich gegen China abschottet, ist einfach auf dem Holzweg.” Sie spricht sich klar für gute Wirtschaftsbeziehungen zu China aus: “Ein Wirtschaftskrieg mit China hätte verheerende Folgen für unser Land. Unzählige Arbeitsplätze wären in Gefahr. Das ist der falsche Kurs.”

    Christian Leye will einen Wirtschaftskrieg verhindern

    Auch der Abgeordnete Christian Leye, ebenfalls einer der Mitgründer des BSW, hat in den vergangenen Monaten ausgiebig zu China Stellung genommen. Es ist ihm ein besonderes Anliegen, eine handelspolitische Konfrontation zu vermeiden.

    Christian Leye sorgt sich um die wirtschaftliche Abhängigkeit.

    Aufgrund der großen Abhängigkeit von China insbesondere bei Rohstoffen könne Deutschland sich eine Auseinandersetzung nicht leisten. “Wir sind gut beraten, die Finger von einem weiteren Wirtschaftskrieg zu lassen, diesmal mit China”, sagte Leye im vergangenen Jahr. “Noch einen Handelskonflikt, diesmal härter und schlimmer als der mit Russland, wird die Bevölkerung nicht mitmachen, das hält sie nicht aus, meine Damen und Herren.”

    Im Juni 2023 hatte Leye in einer kleinen Anfrage den Stand von Exportgarantien für das Chinageschäft abgefragt. Auf die Frage der Abgeordneten hatte das Wirtschaftsministerium beschieden, nur noch wenige Projekte mit kleinen Summen abzusichern. Leye leitete darauf Kritik an Wirtschaftsminister Robert Habeck ab, der durch seinen China-feindlichen Kurs den deutschen Erfolg gefährde.

    • Geopolitik
    Translation missing.

    Flug über Shenzhen bald ohne Pilot

    Das unbemannte Flugtaxi EH-216 bei einem Demonstrationsflug in Raleigh, USA

    China geht einen weiteren Schritt in Richtung kommerzieller Nutzung von Flugtaxis: Ehang (亿航), der südchinesische Hersteller autonom fliegender Passagier-Drohnen, hat eine Typ-Zertifizierung für ein sogenanntes eVTOL-Flugzeug erhalten – neun Jahre nachdem das Startup im südchinesischen Guangzhou gegründet wurde. Die Abkürzung bedeutet “Electric vertical take off and landing.” Die Zertifizierung gilt für das Modell EH-216.

    Im Januar 2021 hatte Ehang den Antrag eingereicht. Es folgte der aufwendige Test der Civil Aviation Administration of China (“CAAC”). Nun, nach insgesamt rund 40.000 Testflügen, kann das Fluggerät theoretisch im Alltagsbetrieb eingesetzt werden. Testflüge als Dienstleistung könnten noch in diesem Jahr beginnen, hoffen die Hersteller. Damit ist das an der New Yorker Nasdaq-Börse gelistete Unternehmen weltweit führend in der Urban Air mobility (UAM) mit unbemannten Fluggeräten (Unmanned Aerial Vehicles/UAV). Der E-Hang-Aktienkurs an der Nasdaq legte bei der Nachricht über die Zertifizerung um rund 50 Prozent zu.

    Ehang schloss Vertrag mit Shenzhen

    Bereits im vergangenen Juli hat Ehang einen Kooperationsvertrag mit der südchinesischen Metropole Shenzhen unterzeichnet, um die eVTOLs kommerziell im Bao`an Distrikt einzusetzen. Noch bis Ende dieses Jahres will Distriktbürgermeister Meng Jinjin zehn Routen anbieten. Ob das so schnell hinhaut, muss sich allerdings erst zeigen. Insgesamt sind laut Berichten bereits 50 Routen mit 100 Landeplattformen geplant. Im Shenzhener Bao`an Distrikt, der mit seinen gut 4,5 Millionen Einwohnern größer als Berlin ist (3,8 Mio.), liegt auch der internationale Flughafen von Shenzhen, gegenüber von Hongkong.

    Ehang hat nach Angaben des Fachmagazins eVTOL News im September bereits fünf EH-216 an die Shenzhen Boling Holding Group ausgeliefert. Boling hatte demnach unter Vorbehalt der Zertifizierung bis zu 100 Modelle bestellt und plant, in Kooperation mit der Bezirksregierung von Bao’an damit Lufttourismus und Sightseeing-Dienste. Später wolle man auch Flüge nach Hongkong, Macau und in die Provinzhauptstadt Guangzhou anbieten, erläutert der Boling-Vorsitzende Xu Guanshen.

    Ende vergangener Woche hat Ehang zudem einen Vertrag mit der Stadtregierung von Hefei, der Hauptstadt der Provinz Anhui über 100 Taxidrohnen abgeschlossen. Die 12,5-Millionen-Stadt Hefei wird umgerechnet 100 Millionen US-Dollar in den Aufbau der neuen Branche investieren. Ein wichtiger Schritt für E-Hang, das allein zwischen 2020 und 2022 knapp eine Milliarde US-Dollar Verlust gemacht hat.

    EH-216: sicheres Fluggerät mit 16 Propellern

    Der EH-216 ist ein Zweisitzer, der bis zu 260 Kilogramm Nutzlast einschließlich dem Gepäck der Passagiere tragen kann. Mit seinen 5,16 Metern ist sein Radius etwa so groß wie ein 5er BMW lang ist. Der Flieger kostet derzeit rund 300 000 US-Dollar. Doch es ist zu erwarten, dass dieser Preis mit steigenden Stückzahlen fallen wird. Der EH-216 gilt mit seinen 16 Elektromotoren und ebenso vielen Propellern als sehr sicher, einfach autonom zu steuern. Auch ist er im Vergleich zu Hubschraubern sehr leise.

    Mit seinen Batterien kann der EH-216 bei einer Spitzen-Geschwindigkeit von 130 Kilometern pro Stunde 30 Minuten in einem Umkreis von bis zu 35 Kilometern fliegen. Er ist damit ideal für den Einsatz in Chinas Megacities. Höchstgeschwindigkeit und maximale Flugdauert werden allerdings erstmal 25 Minuten mit 100km/h sein.

    Vom EH-216 soll es später auch eine Feuerwehr-Version geben, die in der Lage ist, Hochhausbrände zu bekämpfen. Ebenso ist eine Krankentransportversion geplant, mit Platz für eine Liege und einen Arzt. E-Hang entwickelt zudem bereits einen Viersitzer des Modells.

    China entwickelt Rahmenbedingungen für grünen Luftverkehr

    Derweil arbeitet China als erstes Land der Welt an den Rahmenbedingungen für eine sogenannte Green Aerospace Industry. Diese soll bis 2035 aufgebaut werden. Nun wurde vergangene Woche ein erster Entwurf dafür vorgelegt, an dem vier Ministerien beteiligt waren: das Ministerium für Industrie und Informationstechnologie, das Ministerium für Wissenschaft und Technologie, das Finanzministerium und das Luftfahrtministerium. Peking hat ein großes Interesse daran, in den Megametropolen einen Teil des Straßenverkehrs in die Luft zu verlegen, um den Straßenverkehr zu entlasten.

    Das autonome Fliegen gilt im Vergleich zum autonomen Fahren als weniger komplex, weil in der Luft vergleichsweise weniger sich gleichzeitig bewegende Objekte koordiniert werden müssen. 2022 haben das Transportministerium und das Wissenschaftsministerium die Industrie daher bereits ermuntert, sich in dieser Richtung zu entwickeln. Kein anderes Land fördert derzeit den Aufbau einer solchen Industrie so sehr wie China.

    Auch andere Hersteller folgen Ehang. XPeng, Partner Volkswagens beim autonomen Fahren, hat im Januar von der chinesischen Luftaufsichtsbehörde die Erlaubnis bekommen, sein Modell namens X2 mit einem Piloten zu testen. Der X2, der auch in Dubai vorgeführt wurde, ähnelt von der Form mehr einem Auto als einem Hubschrauber und fliegt mit acht Rotoren.

    Elektrische Senkrechtstarter: Neun-Billionen-Dollar Markt

    Weltweit gibt es inzwischen über 800 Designkonzepte für die elektischen Senkrechtstarter. Eine Studie der Investmentbank Morgan Stanley geht davon aus, dass der eVTOL-Markt 2040 ein Volumen von einer Billion US-Dollar haben und zehn Jahre später bereits bei neun Billionen liegen wird.

    China ist am weitesten, aber auch in anderen Weltregionen kommen nicht nur die traditionellen Hersteller Airbus und Boeing gut voran, sondern auch Startups wie peer Vertical Aerospace in England, SkyDrive in Japan oder Volocopter in Deutschland. Volocopter-CEO Dirk Hoke hatte ursprünglich gehofft, das erste eVTOL mit einer Lizenz zu bekommen, doch die Chinesen waren schneller. Dabei hatten Volocopter und Aerofugia, ein Tochterunternehmen des Autoherstellers Geely, bereits 2021 ein Gemeinschaftsunternehmen in Chengdu gegründet, um Volocopter in China einzuführen.

    EVTOL-Startups in aller Welt

    Auch in den USA gibt es Lufttaxi-Startups. Joby Aviation hat diesen Monat begonnen, einen Prototypen mit einem Piloten an Bord in Testflügen einzusetzen. Im Juni hat Klaus Loewe, Chef des jungen Unternehmens Lilium, mit der Shenzhener Eastern General Aviation Co., Ltd – auch bekannt als Heli-Eastern – einen Kooperationsvertrag unterschrieben. Demnach soll Heli-Eastern 100 Lilium E-Jets bestellen. Gleichzeitig gründete Lilium seine Asien-Pazifik Zentrale in Shenzhen.

    2019 hatte das fünfsitzige elektrische Flugtaxi von Lilium in Oberpfaffenhofen bei München seinen Jungfernflug erfolgreich absolviert. Allerdings hat es bisher weder in Europa noch in China eine kommerzielle Lizenz. Mit seinen 36 elektrischen Jetmotoren soll das Fluggerät mit 300 Stundenkilometern eine Stunde lang fliegen können. Der Shenzhener IT- und Gaming-Konzern Tencent ist an dem Lilium beteiligt.

    Und selbst Volkswagen hat vor einem Jahr den “Flying Tiger” vorgestellt, ein viersitziges Flugtaxi, das von der Vertical Mobility-Abteilung von VW entwickelt wurde. Es wird derzeit getestet. Die Wolfsburger werden sich beeilen müssen, wenn sie bei diesem neuen Trend mitspielen wollen.

    • Autonomes Fahren
    • Drohnen
    • Mobilität
    • Start-ups
    • Technologie

    Sinolytics Radar

    China holt im KI-Rennen auf

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    • Die Erforschung und Anwendung von Künstlicher Intelligenz (KI) in China schreiten rasant voran. Hilfreich für die Verbesserung der KI-Lernfähigkeit sind die umfangreichen Datensätze, die durch die Erfassung von Chinas riesiger Bevölkerung angehäuft wurden.
    • Unternehmen und Forschungsinstitute wie Baidu, Alibaba, die Tsinghua-Universität und die Pekinger Akademie für künstliche Intelligenz (BAAI) sind führend bei der Entwicklung eines sogenannten “Large Language Model”. Zudem veröffentlicht China nach wie vor die weltweit höchste Zahl von Forschungsarbeiten zum Thema KI.
    • So investiert beispielsweise der chinesische Smartphone-Hersteller Oppo erheblich in generative KI-Technologie. Dazu gehören auch Bemühungen, ein eigenes umfassendes Sprachmodell mit dem Namen AndesGPT zu entwickeln. Produkte wie ChatGPT werden in der hart umkämpften Smartphone-Branche inzwischen als potenzielle “disruptors” angesehen – also als Faktoren, die eine radikale Erneuerung auslösen.
    • Allerdings steuern in China Ideologie und Informationskontrolle als Schlüsselfaktoren die KI-Entwicklung. Seit dem 13. Juli 2023 untersteht die Veröffentlichung KI-generierter Content-Modelle einer Genehmigungspflicht. Die Behörden wollen damit sicherstellen, dass nur Algorithmen zugelassen werden, die sich in die allgemeinen politischen Rahmenbedingungen fügen.
    • Mitte Oktober legte das US-Handelsministerium einen Plan vor, wonach der Export hoch entwickelter KI-Chips nach China beschränkt werden soll, um so den Zugang zu Rechnerkapazitäten zu kontrollieren. Das könnte Chinas Fortschritte bei der Entwicklung von KI-Modellen der nächsten Generation erheblich bremsen.
    • Ausblick: Die chinesische Regierung agiert zwar vorsichtig, wenn es um die Schaffung von Inhalten durch künstliche Intelligenz geht. Im Gegensatz dazu ist sie aber entschlossen, die industriellen Anwendungen von KI-Modellen – wie autonomes Fahren und intelligente Logistik – massiv zu fördern. Darüber hinaus werden lokale Verwaltungen in China erhebliche finanzielle Unterstützung für örtliche KI-Schlüsselprojekte bereitstellen, darunter KI-Chips und Kernalgorithmen.

    Sinolytics ist ein europäisches Beratungs- und Analyseunternehmen, das sich auf China spezialisiert hat. Es berät europäische Unternehmen bei der strategischen Ausrichtung und den konkreten Geschäftsaktivitäten in der Volksrepublik.

    • Künstliche Intelligenz
    • Technologie

    News

    Li Shangfu offiziell entlassen

    Verteidigungsminister Li Shangfu
    Seit Wochen verschwunden, nun offiziell entlassen: Ex-Verteidigungsminister Li Shangfu

    Der seit rund zwei Monaten verschwundene Verteidigungsminister Li Shangfu (李尚福) ist offiziell entlassen worden. Der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses habe Li aus seinem Ministeramt sowie seiner Position als Staatsrat entlassen, berichtete der Staatssender CCTV am Dienstag. Auch der bereits entlassene Außenminister Qin Gang wurde seines Amtes als Staatsrat enthoben. Diese Nachricht war erwartet worden, seit Li Ende im August ebenso abrupt aus der Öffentlichkeit verschwunden war wie zuvor Qin Gang.

    Spekulationen ranken sich seither um Korruption bei der Beschaffung von Militärausrüstung. Von 2017 bis 2022 leitete Li die Abteilung für Waffenentwicklung der Zentralen Militärkommission, die auch für den Einkauf von Waffen und Militärtechnik aus dem Ausland zuständig ist. Wegen Waffengeschäften mit Russland aus jener Zeit steht Li seit 2018 auf einer Sanktionsliste der USA.

    In sozialen Medien fanden sich vorübergehend einzelne bissige Kommentare. “Die Alten hatten recht: Je weniger Worte, desto größer die Geschichte” (字越少,事越大。古人诚不欺我), schrieb etwa ein User auf einer Nachrichten-Plattform der Beijing Daily Newspaper Group. Der Beitrag wurde allerdings wenig später gelöscht.

    Anders als zuvor bei Qin Gang – der von seinem Vorgänger Wang Yi ersetzt wurde – ernannte Peking zunächst keinen neuen Verteidigungsminister. Reuters hatte vor zwei Wochen unter Berufung auf fünf informierte Quellen Stabschef General Liu Zhenli als wahrscheinlichsten Nachfolger ins Spiel gebracht. Auch die South China Morning Post berichtete damals unter Berufung auf anonyme Quellen, General Liu werde als eine zentrale Figur bei dem internationalen Xiangshan-Sicherheitsforum Ende Oktober in Peking teilnehmen. Das Blatt wertete dies als Hinweis, dass Liu möglicher Nachfolger sein könnte.

    Das Xiangshan-Forum ist eine Art chinesischer Shangri-La-Sicherheitsdialog. Dort wird eine US-Delegation teilnehmen, das erste Mal seit Suspendierung des Militärdialogs im August 2022. Wenn dort General Liu statt des sanktionierten Ex-Ministers der zentrale Ansprechpartner für die US-Delegation wäre, würde das die bilateralen Gespräche sicher vereinfachen. ck

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    • Xiangshan-Forum

    Wang Yi reist in die USA

    Chinas Außenminister Wang Yi wird Ende der Woche in die USA reisen. Wang werde in Washington mit seinem Amtskollegen Antony Blinken sowie dem Nationalen Sicherheitsberater Jake Sullivan zusammentreffen, teilten Offizielle in den USA mit. Bei den Treffen ab Donnerstag Ortszeit dürfte es vor allem um den Krieg in Gaza sowie um die Vorbereitung eines Gipfels zwischen US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi Jinping gehen. Die Zahl hochrangiger Kontakte zwischen den beiden Supermächten nimmt derzeit wieder zu. Wang war erst vor wenigen Wochen auf Malta mit Sullivan zusammengekommen, Blinken hatte ihn im Sommer in Peking getroffen.

    Zugleich wurde bekannt, dass Wang am Montag mit seinen Amtskollegen in Israel und Palästina telefoniert hat. “Jedes Land hat das Recht auf Selbstverteidigung, sollte sich aber an das humanitäre Völkerrecht halten und die Zivilbevölkerung schützen”, sagte Wang gegenüber seinem israelischen Amtskollegen Eli Cohen. China werde sein Möglichstes tun, um zur palästinensisch-israelischen Aussöhnung beizutragen.

    In seinem Telefonat mit dem palästinensischen Außenminister Riyad al-Maliki betonte Wang, dass China “tiefstes Verständnis für die schwierige Situation der palästinensischen Seite hat, insbesondere der Menschen in Gaza”. Sein Land werde den Menschen im Gazastreifen weiterhin humanitäre Hilfe leisten. Die beiden Telefonate stellen Chinas höchstrangigen Kontakt mit Israel und Palästina seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober dar. Derzeit ist zudem Chinas Nahost-Sondergesandter Zhai Jun in der Region unterwegs. Bislang stellt sich China ebenso wie die arabischen Staaten eher an die Seite der Palästinenser. ck/rtr

    • Geopolitik
    • Wang Yi

    EU-Ausschuss fordert Ausbau von Handel mit Taiwan

    Der Handelsausschuss des EU-Parlaments hat sich für einen Ausbau der Handelsbeziehungen mit Taiwan ausgesprochen. Die EU-Abgeordneten forderten die EU-Kommission und den Europäischen Auswärtigen Dienst (EEAS) zudem auf, “zügig mit der Arbeit an einem stabilen Lieferkettenabkommen mit Taiwan zu beginnen“. Der Ausschuss hat dieses in einer Resolution festgelegt, die im November auch im Plenum des Europaparlaments zur Abstimmung kommen soll. Resolutionen sind Standpunkte zu bestimmten Themen und nicht rechtlich bindend.

    Auch rufen die EU-Parlamentarier rufen in dem Text die Kommission und den EEAS auf, ihre Unterstützung Taiwans zu verstärken, eine Präsenz in multilateralen und internationalen Foren zu erhalten. “Wir fordern eine weitere Stärkung der Beziehungen sowie konkrete Fortschritte bei wichtigen Initiativen wie dem Handels- und Investitionsdialog“, sagte der rumänische EU-Abgeordnete Iuliu Winkler. Das Europaparlament hat bereits mehrfach auch ein bilaterales Investitionsabkommen mit Taiwan vorgeschlagen – konkret passiert ist dazu vonseiten der EU-Kommission allerdings nichts.

    China sieht Taiwan als abtrünnige Provinz. Die EU verfolgt in Bezug auf Taiwan eine “One China”-Politik, die offizielle diplomatische Beziehungen zu Taiwan ausschließt, bilaterale wirtschaftliche Beziehungen aber in gewissem Rahmen zulässt.

    Der Handelsausschuss des EU-Parlaments gab am Dienstag zudem grünes Licht für das geplante Freihandelsabkommen mit Neuseeland. Das Parlament soll darüber ebenfalls im November abstimmen. Mit der Zustimmung des EU-Rats könnte das Abkommen Mitte 2024 in Kraft treten. Das Freihandelsabkommen ist ein wichtiger Schritt für die Zusammenarbeit mit Staaten in der Indopazifik-Region. ari

    • EEAS
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    US-Beschränkungen könnten EU-Firmen treffen

    Die Europäische Union sorgt sich, dass die US-Regierung mit ihren auf China zielenden Beschränkungen für Auslandsinvestitionen auch Unternehmen in der EU treffen könnte. Das hätten hochrangige EU-Beamte ihren US-Amtskollegen deutlich mitgeteilt, berichtet Bloomberg unter Berufung auf informierte Personen und eingesehene Dokumente.

    US-Präsident Joe Biden hatte im August eine Anordnung unterzeichnet, die den US-Finanzminister ermächtigt, US-Investitionen in chinesische Unternehmen zu verbieten, die in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Quantencomputer und hoch entwickelte Halbleiter tätig sind. Die Sorge ist nun, dass sich das auch auf in der EU ansässige Firmen mit US-Investoren auf der einen und chinesischen Eigentümern auf der anderen Seite auswirken könnte.

    Eine Sprecherin des US-Finanzministeriums sagte, die Anordnung sei eng gefasst und konzentriere sich auf die nationalen Sicherheitsinteressen der USA. Die EU antwortete nicht sofort auf eine Bitte um Stellungnahme. cyb

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    Presseschau

    China entlässt Verteidigungsminister und weitere Regierungsmitglieder DERSTANDARD
    China urges Israel to abide by international law and protect civilians in Gaza CNBC
    China und der Nahe Osten: Israel ist für China nicht mehr wichtig genug ZEIT
    China prescht im Schatten des Nahostkriegs im Südchinesischen Meer vor HANDELSBLATT
    “Ungewollt Kriegspartei”: In Japan wächst die Angst vor einem Konflikt mit China MERKUR
    Brüssel will die Windbranche vor China schützen FAZ
    IEA: China und erneuerbare Energien entscheiden über Klima VDI-NACHRICHTEN
    Gaspipeline Balticconnector: Finnland findet nach Pipeline-Schäden chinesischen Schiffsanker ZEIT
    China missile edge over U.S. puts Japan at risk of threats: analyst NIKKEI
    Australian journalist Cheng Lei describes her detention in China as psychological torture ABC
    Uyghurs in China: Filmmaker’s Detention Shows That Arrests of Minority Continue SPIEGEL
    China signals more support for struggling local governments CNBC
    “Besondere Bedeutung”: Kölns OB Reker bei China-Reise in “positivem Austausch” mit Partnerstadt Peking KSTA
    Das China-Paradox der deutschen Autohersteller HANDELSBLATT
    Mitsubishi steigt bei Ampere ein und aus China aus FAZ
    SVOLT plant weiteres Batteriewerk außerhalb von China ELECTRIVE
    China Widens Lead Over US in AI Patents After Beijing Tech Drive BLOOMBERG
    Wie die Immobilienkrise in China Existenzen vernichtet FAZ
    China’s Xi makes first known visit to central bank REUTERS
    Anti-Spionage-Gesetz: Polizei-Aktionen in China verunsichern ausländische Unternehmen WIWO
    “Steve Jobs” biographer Walter Isaacson says Apple will be the company “most hurt” if economic tensions between US and China escalate BUSINESSINSIDER
    Pekinger Ermittlungen gegen Foxconn könnten Wahl in Taiwan beeinflussen DERSTANDARD
    China recruits Pakistan and Belarus for its planned moon base SPACE
    Trotz Ende der Pandemie: Kaum ausländische Touristen in China SRF
    Quantencomputer: So treibt China die Technologie in den USA an HANDELSBLATT
    Declining Bering Sea ice linked to increasing wildfire hazard in northeast China PHYS
    Ex-ASML worker accused of stealing chipmaking secrets for China is Huawei to a new job THEREGISTER
    Chinese augmented reality firm Xreal launches next-gen glasses in challenge to Meta and Apple CNBC
    ‘Honest Mistake,’ Says U.S. Politician Arrested on Gun Charge in Hong Kong NYTIMES
    Nachtclubs und Essen: Bestechungsvorwürfe gegen App-Store-Mitarbeiter in China HEISE

    Heads

    May-Britt Stumbaum – Sicherheitsexpertin mit Mathe-Talent

    May-Britt Stumbaum forscht am Center for Intelligence and Security Studies (CISS) der Universität der Bundeswehr München. Sie ist Expertin für den Indopazifik mit Schwerpunkt auf China.

    Auf die Frage, warum sich May-Britt Stumbaum, Forscherin am Center for Intelligence and Security Studies (CISS) der Bundeswehr Universität München, für Sicherheitspolitik interessiert, antwortet sie mit einem Lächeln: “Ich war immer recht gut in Mathe.” Worauf Stumbaum anspielt: Als sie Anfang der 1980-er Jahre zur Grundschule geht, müssen die Schüler regelmäßig Evakuierungsübungen für den atomaren Notfall mitmachen. Doch bei 1.200 Schülern und nur 100 verfügbaren Plätzen im Atombunker “war schnell klar, dass nicht alle hineinpassen würden”, sagt Stumbaum. Ein Anstoß, aus dem sich mit der Zeit eine Faszination für Politik und für die Frage entwickelt, die sie noch heute beschäftigt: warum Menschen welche Entscheidungen treffen.

    Stumbaum studiert zunächst Politikwissenschaft und European Studies, bevor sie von 2002 bis 2008 zur Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) geht, wo die Wissenschaftlerin ihre Interessen für Asien – den Newcomern auf der Weltbühne – und für Sicherheitspolitik erstmals miteinander verbinden kann. Nach ihrer Promotion zieht es sie für ihren Postdoc weiter nach Harvard, auch weil sicherheitspolitische Aspekte bis vor wenigen Jahren in der Forschung in Europa nur schwer unterzubringen waren. Seitdem arbeitete sie in einer Reihe renommierter Thinktanks und Forschungsgruppen und ist nun seit März 2023 am CISS aktiv.

    Anders noch als für ihre Eltern, die sich in der Friedensbewegung engagierten, steht für Stumbaum fest, dass man Soldaten braucht, um den Frieden zu bewahren – in der Hoffnung, sie am Ende eben nicht zu brauchen. Seit 2012 ist sie daher auch Oberstleutnant der Reserve bei der Luftwaffe. Zum einen, um Zugang zu Informationen und ein besseres Verständnis für Entscheidungsprozesse in der Bundeswehr zu bekommen; zum anderen auch, um Deutschland für die vielen Möglichkeiten, die sie bekommen hat, “effektiv etwas zurückzugeben.”

    Mehr wissen, um besser zu entscheiden

    Man muss sich auf einen Krieg vorbereiten, um ihn zu verhindern, sagt Stumbaum, besonders wenn man sich der Kommunistischen Partei Chinas gegenübersieht, die in einem Umfeld der Gewalt entstanden ist. Außerdem müssen wir dringend “mehr über China wissen, um besser entscheiden zu können”, sagt die Sicherheitsexpertin. Dabei gehe es keineswegs darum, die Politik der KPCh zu rechtfertigen – sondern darum, chinesische Entscheidungen nachvollziehen zu können.

    In China gebe es zum Beispiel keine Unterscheidung zwischen einer zivilen oder militärischen Nutzung von Technologie wie hierzulande, weswegen der Export von Dual-Use-Gütern genau zu überprüfen sei. Andererseits müsse man auch genau zwischen der zivilen Bevölkerung in China und dem Willen der KPCh trennen. An ihrem neuen Posten am CISS will Stumbaum diese Expertise aufbauen, unter anderem mit nachrichtendienstlichen Studien und militärischen Planspielen. Diese soll als Business Intelligence auch für deutsche Unternehmen verfügbar gemacht werden.

    Dabei sei es wichtig, die deutschen Interessen von vornherein zu definieren und die Naivität gegenüber der KPCh abzulegen. Denn spätestens seit 2012 – mit den Exportbeschränkungen für Seltene Erden seitens China gegenüber Japan und der Veröffentlichung des Dokuments Nr. 9 im Jahr darauf – sei zunehmend klargeworden, dass vom China unter der KPCh mehr Bedrohungen als Möglichkeiten ausgehen. Clemens Ruben

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    Personalien

    Lan Foan ist zum neuen chinesischen Finanzminister ernannt worden. Der 61-Jährige folgt auf Liu Kun, der seit 2018 Finanzminister war. Zuvor war Lan der Parteichef der nordchinesischen Provinz Shanxi.

    Yin Hejun wurde zum Minister für Wissenschaft und Technologie ernannt. Von den Wechseln an den Spitzen der beiden Ministerien haben staatliche chinesische Medien am Dienstag berichtet.

    Sun Guangyu wurde in der vergangenen Woche zum stellvertretenden Generalsekretär des Staatsrats ernannt, nachdem Wang Zhiqing aus diesem Amt entfernt wurde. Zuvor war Sun Vize-Minister für Notfallmanagement.

    Chen Min bekleidet nun das Amt des Vize-Ministers für Wasserressourcen.

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    Dessert

    Flirrende 3D-Bilder in Bangkok: Hongkong präsentiert sich mit einer interaktiven Ausstellung namens “Immersive Hong Kong” in Thailands Hauptstadt. So will die Stadtregierung Besucher aus Thailand anlocken. Umgekehrt ist das tropische Land eines der beliebtesten Reiseziele für Touristen aus Hongkong und Festlandchina.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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