wie mag die Gefühlswelt eines Menschen aussehen, der schon vor Prozessbeginn weiß, dass das Gericht in seinem Verfahren auf Seiten der Anklage steht? Ein Prozess, in dem der Richter durch die Regierung bestimmt wird, deren Staatsfeind man ist. Basierend auf einem Gesetz, das keinen rechtsstaatlichen Ansprüchen genügt.
Jimmy Lai ist nicht der erste und beileibe nicht der letzte Angeklagte, der von einem autokratischen System durch vermeintlich ordnungsgemäße Rechtssprechung ausgeschaltet werden soll. Sicherlich gehört der 76-jährige Verleger jedoch zu den prominentesten Zielen. Seit Montag läuft der Prozess.
Sein Widerstand gegen die schleichende Übernahme seiner Heimatstadt Hongkong durch die Kommunistische Partei China symbolisierte den demokratischen Überlebenswillen einer Bevölkerung, die nur mit Gewalt zum Ende ihres Aufbegehrens bewegt werden konnte. Jörn Petring fasst erste Eindrücke und Reaktionen zusammen.
Gewalt gegen die eigene Bevölkerung ist auch in Myanmar ein Mittel, um politischen Willen durchzusetzen. Die regierende Militärjunta kämpft im Norden des Landes gegen Rebellen.
Für China ist die unruhige Lage ein Problem. Myanmar ist ein wichtiger Transitstaat zum Indischen Ozean. Peking will es sich deshalb mit keiner Kriegspartei verscherzen, schreibt Michael Radunski. Ein klassisches Dilemma von interessengeleiteter Außenpolitik.
Ihr Marcel Grzanna
Analyse
Prozess gegen Hongkonger Verleger Lai beginnt – Westen protestiert
Nach einer Handvoll Verurteilungen und bereits drei Jahren Haft wird es für den Hongkonger Verleger Jimmy Lai nun wirklich ernst. Seit Montag sitzt der 76-Jährige wegen vermeintlicher Verstöße gegen das Nationale Sicherheitsgesetz auf der Anklagebank. Seine Verurteilung gilt unter Beobachtern als sicher. Lai droht ein Lebensabend hinter Gittern.
Ihm wird vorgeworfen, sich mit ausländischen Kräften verschworen und Aufruhr in der Bevölkerung angezettelt zu haben, um die Stadt ins Chaos zu stürzen. Der Prozess hätte eigentlich schon vor gut einem Jahr beginnen sollen, wurde aber immer wieder verschoben. Bis klar ist, wie es mit Lai weitergeht, dürften wohl noch Monate vergehen. Denn nach dem Auftakt am Montag sollen die Verhandlungen bis zu 80 Tage andauern.
Hunderte Polizisten sicherten am Montag das Gericht im Stadtteil West Kowloon, um mögliche Proteste oder pro-demokratische Aktionen zu verhindern. Unterstützer von Lai hatten bereits am frühen Morgen angestanden, um sich einen Platz im Saal zu sichern.
Lai sitzt bereits seit drei Jahren in Haft
Der 76-jährige Lai wurde rund zwei Stunden vor Prozessbeginn aus seinem Gefängnis in einem Polizeitransporter zum Gericht gefahren. Lai war bereits zuvor zu drei Haftstrafen verurteilt worden und sitzt seit drei Jahren in Haft. Sollte er, wie erwartet, auch in diesem Prozess schuldig gesprochen werden, droht ihm im schlimmsten Fall eine lebenslange Haftstrafe.
Der Verleger gilt als einer der wichtigen Unterstützer der Hongkonger Demokratiebewegung und ist für Peking ein rotes Tuch. Lai ist Gründer der prodemokratischen Hongkonger Zeitung “Apple Daily”. Das Boulevardblatt wurde 2021 zwangsweise eingestellt, nachdem es wegen angeblicher Verstöße gegen das Sicherheitsgesetz ins Visier der Behörden geraten war.
Das Sicherheitsgesetz, das 2020 in Folge der Massenproteste für mehr Demokratie in Kraft trat, richtet sich gegen die Opposition und gegen Aktivitäten, die Peking als umstürzlerisch, separatistisch, terroristisch oder verschwörerisch ansieht. Zahlreiche Aktivisten wurden seit dem Ende der Proteste bereits verurteilt oder sind ins Ausland geflohen.
Peking unbeeindruckt von Kritik
Der Prozessauftakt am Montag ging mit einem diplomatischen Schlagabtausch zwischen Peking und Vertretern westlicher Regierungen einher. Die britische Regierung forderte die sofortige Freilassung des Verlegers. Die politisch motivierte Strafverfolgung des 76-Jährigen, der auch einen britischen Pass hat, müsse umgehend eingestellt werden, sagte Außenminister David Cameron. China breche damit seine internationalen Verpflichtungen.
Die USA forderten die Behörden in Hongkong und Peking auf, die Pressefreiheit zu respektieren. Ein Sprecher desAußenministeriumsa sagte: “Wir fordern die Behörden in Hongkong auf, Jimmy Lai und alle anderen, die wegen der Verteidigung ihrer Rechte inhaftiert wurden, unverzüglich freizulassen.” Die Europäische Union bedauerte die Anschuldigungen gegen Lai und erklärte, der Prozess untergrabe das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit der Stadt und schade ihrer Attraktivität als internationales Finanzzentrum.
Erwartungsgemäß wehrte ein Sprecher des Pekinger Außenministeriums die Kritik am Montag ab. Laisei der “Hauptplaner der antichinesischen Unruhen” und “die treibende Kraft hinter dem Chaos in Hongkong.” Andere Staaten sollten sich nicht in die inneren Angelegenheiten Chinas und Hongkongs einmischen.
Nüchtern betrachtet weist Lee seit seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr eine schwache Bilanz vor: Hongkongs Wirtschaft kommt nicht richtig in Schwung, und gleichzeitig herrscht in der Stadt politische Apathie. Bei den Bezirkswahlen vergangene Woche erreichte die Wahlbeteiligung mit 27,5 Prozent ein Rekordtief. Doch sowohl für John Lee als auch für Xi scheinen andere Faktoren wichtiger.
Hongkong
Jimmy Lai
Nationales Sicherheitsgesetz
Rechtsstaatlichkeit
Lokale Kämpfe in Myanmar: China steht vor der Wahl zwischen Einfluss oder Stabilität
Traditionell eigentlich eng verbunden: Myanmars heutiger Staatspräsident Myint Swe (li.) und Chinas Staatschef Xi Jinping (Archivbild von 2020).
Es genügten wenige Tage, um Chinas Macht und Ohnmacht im Umgang mit seinem Nachbarn Myanmar zu demonstrieren. Zu Beginn der vergangenen Woche herrschte in Peking noch Erleichterung: Die Rebellen der Three Brotherhood Alliance (TBA) und Myanmars Militärjunta trafen sich zu Verhandlungen. Peking hatte die Zusammenkunft der beiden Kriegsparteien eingefädelt – und entsprechend zufrieden zeigte sich das chinesische Außenministerium.
Doch schon zwei Tage später folgte die große Ernüchterung: Die Aufständischen verkündeten, dass man auch weiterhin die Militärherrschaft im Land zu Fall bringen wolle. Ein Ende der Kämpfe in Myanmar ist also nicht in Sicht.
Für Peking ist das eine schmerzhafte Erkenntnis, denn Myanmar ist von großer Bedeutung für die Volksrepublik – wirtschaftlich und geostrategisch.
Wirtschaftlich: Seit Jahren investiert Peking Milliarden in den Bau von Eisenbahnlinien sowie Öl- und Gas-Pipelines. Der China-Myanmar-Wirtschaftskorridor ist der burmesische Teil des Pekinger Prestigeprojekts Neue Seidenstraße.
Geostrategisch: Myanmar dient als wichtiger Transporthub. Über den Nachbarn erhält China Zugang zum Indischen Ozean. Es kann Waren und Rohstoffe über diese Route ein- und ausführen und dabei das Nadelöhr der Straße von Malakka umgehen.
Entsprechend gute Beziehungen pflegte Peking zur Militärjunta in der Hauptstadt Naypyidaw. Zumindest bislang.
Aufstand an der Grenze zu China
Doch seit einigen Wochen herrscht Bürgerkrieg in Myanmar, genauer gesagt im nördlichen Staat Shan. An der Grenze zu China hat sich die TBA gegen das Militär erhoben. Nach eigenen Angaben eroberte sie mehr als 160 Militärstützpunkte und brachte mehrere Ortschaften und Grenzposten unter ihre Kontrolle.
Die lokalen Kämpfe können sehr schnell zu einem Problem für die ganze Region werden. Seit ihrem Beginn am 27. Oktober sind UN-Schätzungen zufolge mehr als 300.000 Menschen auf der Flucht. Zudem verlaufen wichtige Handelsrouten durch Kampfgebiete, Drogen- und Menschenhandel nehmen zu.
“Myanmar steht an einem entscheidenden Wendepunkt: Wenn man ihn einmal erreicht hat, kann man nicht mehr zurück”, sagte Miemie Byrd im Gespräch mit Table.Media. Die Professorin am Asia Pacific Center for Security Studies auf Hawaii war erst kürzlich in der Region und hat viele Gespräche mit Akteuren geführt. Ihr Fazit: “Die Militärjunta steht vor dem Zusammenbruch.”
Tatsächlich scheint die Junta zum ersten Mal seit ihrem Coup 2021 ernsthaft in Bedrängnis. Staatspräsident Myint Swe warnte unlängst: Wenn man den Aufstand nicht in den Griff bekomme, werde das Land auseinanderbrechen.
China zögert mit Unterstützung für Junta
Die Junta ist auch deshalb alarmiert, weil sich der traditionelle Partner China sich dieses Mal ungewöhnlich verhält. Offiziell zeigte sich Peking vom TBA-Aufstand überrascht. Doch angesichts der traditionell sehr guten Kontakte und engen Verbindungen scheint das wenig glaubwürdig zu sein. “Man kann davon ausgehen, dass die Aktion mit Duldung Chinas erfolgt ist”, sagt Marco Bünte, Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg, zu Table.Media.Denn China sei unzufrieden mit der Junta.
Grund dafür sind vor allem die kriminellen Umtriebe der sogenannten Cybergangs. Das Grenzgebiet zwischen China und Myanmar ist zu einem der wichtigsten Zentren der organisierten Betrugs-Industrie aufgestiegen. Kriminelle Netzwerke betreiben dort regelrechte Betrugsfabriken mit Tausenden Beschäftigten – ein Milliardengeschäft: Allein die USA meldeten im vergangenen Jahr Schäden von mehr als zwei Milliarden Dollar durch Online-Betrugsfälle, die dort koordiniert und ausgeführt worden sein sollen.
Die Rebellen schreiten gegen Betrügerbanden ein
Die meisten Opfer der organisierten Digital-Betrüger finden sich jedoch in China. Peking forderte deshalb die Junta mehrfach zum Einschreiten auf – ohne Erfolg. “Die Junta konnte nichts tun, und sie wollte auch nichts tun”, sagt Myanmar-Expertin Byrd. “Denn die Militärs sind eng mit diesen Gangs verbunden und profitieren finanziell sehr stark von diesen Machenschaften.”
Die Rebellengruppen erkannten ihre Chance – und schlagen damit zwei Fliegen mit einer Klappe: Indem sie gegen die Cyberbanden vorgehen, kappen sie zum einen eine wichtige Finanzquelle der Junta. Zum anderen inszenieren sie sich als Unterstützer chinesischer Interessen.
Peking muss wählen: Einfluss oder Stabilität
So steckt China plötzlich in der Zwickmühle und muss eine schwierige Entscheidung treffen: Einfluss oder Stabilität? Für mehr Einfluss steht die Zusammenarbeit mit der Junta, für mehr Stabilität ein Schwenk in Richtung der Rebellen.
Jahrelang machte Peking großen Einfluss auf die Militärjunta geltend. “China kann aber nicht offen für das Militär eintreten, da die Bevölkerung schon nach dem Militär-Putsch 2021 – und Chinas damaliger Unterstützung – auf die Straßen gegangen ist, und die Stimmung in Myanmar leicht kippen könnte”, erklärt Bünte von der Uni Erlangen. Schon damals gab es Anschläge auf die gemeinsamen Gas-Pipelines.
Aktuell ist die Stimmung noch eindeutiger: Laut Byrd lehnen 92 Prozent der Bevölkerung die Junta ab. Und damit sind auch Chinas Milliardeninvestitionen und geostrategischen Interessen in Gefahr.
Die Rebellen sind auch keine Lösung
Doch auch die Aufständischen stellen für Peking keine optimale Lösung dar. Mögen sie auch derzeit den Interessen Chinas nutzen, so tun sie dies vor allem, um gegen das Militär Erfolg zu haben. “Wenn diese Bedrohung weg ist, glaube ich nicht, dass sie China so sehr folgen werden, wie China es möchte”, sagt Byrd. Dessen ist sich Peking wohl durchaus bewusst. “Deshalb wäre es auch falsch, das Schweigen Chinas als einseitige Unterstützung der Rebellen zu sehen”, sagt Bünte.
China hat also keinen echten Verbündeten, sondern folgt ausschließlich seinen Interessen. Die sind klar: Um seine wirtschaftlichen und geostrategischen Ziele zu erreichen, muss Peking eine Ausweitung der Kämpfe verhindern. Doch: Die Rolle des Friedensboten mit eigenen Interessen zu verknüpfen, bedarf eines ausgeprägten Fingerspitzengefühls – eine Qualität, die Peking in der internationalen Diplomatie bislang vermissen lässt.
Geopolitik
Militär
Myanmar
Neue Seidenstraße
News
Trotz Raketentests – Peking sucht Schulterschluss mit Nordkorea
Nordkorea hat zu Wochenbeginn innerhalb von wenigen Stunden zwei ballistische Raketen getestet. Während der Westen mit scharfer Kritik reagiert, hat Chinas Außenminister Wang Yi dem Regime von Kim Jong-un demonstrativ den Rücken gestärkt. Die traditionelle Freundschaft zwischen China und Nordkorea sei ein “wertvolles Gut für beide Seiten”, sagte Wang am Montag in Peking dem nordkoreanischen Vize-Außenminister Pak Myong Ho.
China und Nordkorea hätten angesichts der turbulenten Weltlage einander stets fest unterstützt und vertraut und die strategische Bedeutung einer freundschaftlichen bilateralen Zusammenarbeit gezeigt, sagte Wang einer Mitteilung des chinesischen Außenministeriums zufolge. Nordkoreas Vize-Außenminister Pak Myong Ho leitet eine Delegation, die derzeit in Peking zu Besuch ist. In Gespräche gehe es um die Stärkung der Zusammenarbeit, berichten nordkoreanische Staatsmedien.
Es sind erste Zeichen dafür, dass Nordkorea nach der COVID-19-Pandemie langsam seine Grenzen wieder öffnet und den Handel mit seinen Nachbarn wieder aufnimmt. Pak Myong Ho hatte schon am Freitag mit seinem chinesischen Amtskollegen Sun Weidong über die Stärkung der strategischen Zusammenarbeit und der bilateralen Beziehungen gesprochen.
Am Sonntag und Montag hatte Nordkorea zwei Raketentests durchgeführt: Abgefeuert wurden nach südkoreanischen Angaben zunächst eine ballistische Kurzstreckenrakete und später nach japanischen Angaben eine ballistische Interkontinentalrakete mit einer Reichweite von mehr als 15.000 Kilometern. Sie könnte somit theoretisch jeden Teil des Staatsgebiets der USA treffen. rad/rtr
Geopolitik
Interkontinentalrakete
Militär
Nordkorea
Chinesische Ballons über Taiwan gesichtet
Taiwan hat am Montag bekannt gegeben, zwei chinesische Ballons entdeckt zu haben. Wie das Verteidigungsministerium mitteilte, hätten die Ballons die Taiwanstraße überquert und seien am Sonntag etwa 110 Seemeilen (204 Kilometer) nordwestlich der Stadt Keelung ausgemacht worden.
Chinas unterhält seit 2019 ein großes Ballon-Programm. Es ist Teil der Erneuerung der Luftstreitkräfte im Auftrag von Xi Jinping. Experten zufolge sei das Programm derart groß, um mit unzähligen Überwachungsballons mehrere Jahre lang Geheimdienstmissionen in dutzenden Ländern durchzuführen.
Ob es sich bei dem Zwischenfall am Wochenende um Spionageballons gehandelt habe, ließ das taiwanische Ministerium allerdings offen. Zuletzt war am 7. Dezember ein chinesischer Ballon in der Nähe Taiwans entdeckt worden. Anfang des Jahres hatte ein mutmaßlicher Spionageballon über den USA für eine Krise zwischen China und den USA geführt. Damals versicherte Peking, es habe sich um einen vom Weg abgekommenen Wetterballon gehandelt. Die USA hingegen schossen den Ballon ab.
China äußerte sich am Montag nicht zu dem Ballon-Zwischenfall vor Taiwan. Stattdessen kritisierte Peking amerikanische Waffenverkäufe an Taiwan. “China ist damit äußerst unzufrieden und lehnt es entschieden ab”, sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin am Montag in Peking. Man fordere die USA dringend auf, die Bewaffnung Taiwans einzustellen und keine Spannungen in der Taiwanstraße zu erzeugen. Peking werde Maßnahmen gegen relevante Unternehmen ergreifen werde, die an den Waffenverkäufen an Taiwan beteiligt seien. rad/rtr
Geopolitik
Militär
Spionage
Taiwan
Nio erhält Geld aus den Emiraten
Der Elektroautohersteller Nio hat sich eine große Investition aus den Vereinigten Arabischen Emiraten gesichert. Das teilte das Unternehmen am Montag mit. Der Fonds CYVN aus Abu Dhabi kauft neue Nio-Aktien für 2,2 Milliarden Dollar. Der Fonds erhält damit das Recht, Aufsichtsratsmitglieder zu entsenden. Er besitzt nach Abschluss der Transaktion 20,1 Prozent des E-Auto-Startups.
Das junge Unternehmen Nio verfügt über aussichtsreiche Technik, verdient aber bisher kein Geld. Kürzlich musste es sogar Mitarbeiter entlassen. Der Konkurrenzkampf um Marktanteile ist auf Chinas Markt für E-Autos besonders hart, zugleich ist er besonders aussichtsreich. fin
Autoindustrie
Nio
Nahe Guangzhou fällt Schnee
Seltene Schneefälle haben am Montag die südchinesische Provinz Guangdong überrascht. Der Niederschlag wurde in Höhenlagen unweit der Provinzhauptstadt Guangzhou gemeldet und war die Folge ungewöhnlich niedriger Temperaturen in der Region. Das Thermometer sank in Guangzhou auf lediglich acht Grad Celsius und blieb damit unter den typischen Frühwinter-Temperaturen im zweistelligen Bereich. Die Durchschnittswerte für Januar liegen in der Region normalerweise bei 14 Grad Celsius.
Die Behörden in Guangzhou riefen zu Vorsichtsmaßnahmen auf, vor allem für alte und junge Menschen, die bei fortschreitendem Winter anfällig für “Kältewellenkrankheiten” sein könnten. Im benachbarten Guangxi wurde für einige Städte ungewöhnlicher Schneeregen vorhergesagt.
Der Norden Chinas hatte bereits im vergangenen Monat einen ungewöhnlich frühen Kälteeinbruch erlebt, mit Temperaturen, die im zweistelligen Minusbereich lagen. rtr/grz
Guangzhou
Klima
Presseschau
USA besorgt über chinesisch-russische Militärmanöver RND Südkorea startet Militär-Jets nach Vorstoß Russlands und Chinas MERKUR Behörden alarmiert: Chinas Manöver rund um das US-Militär könnten Teil eines langjährigen Plans sein BUSINESS INSIDER China: Risse in der Neuen Seidenstraße DW Chinas Wirtschaft geht es schlechter, als die Regierung öffentlich einräumen will NZZ Neue Subvention für Solarbranche: Habeck sagt Chinas Solar-Dumping den Kampf an FR Keine Förderung mehr: Frankreich sperrt China-Autos aus AUTOMOBILWOCHE Importeinschränkungen der Türkei für chinesische Elektroautos ELEKTROAUTO NEWS China’s New Oriental fires live-streaming e-commerce platform CEO, promotes top influencer after corporate infighting SCMP Temu klagt Shein an: Chinesische Modegiganten im Streit NAU Etihad und China Eastern planen Zusammenarbeit: Von Codeshare über Fracht bis Wartung AEROTELEGRAPH Jimmy Lai, Hong Kong media mogul and free speech advocate who challenged China, goes on trial CBS NEWS Panda-Brüder in Chengdu gelandet: So leben Pit und Paule sich jetzt in China ein BZ BERLIN
Heads
Lu Mei – Neue Möglichkeiten der Kunst
Lu Mei ist Direktorin der Galerie Migrant Bird Space.
Galeristin Lu Mei will im “Migrant Bird Space” Brücken schlagen zwischen den Kunstwelten Europas und Chinas. Am Koppenplatz im Herzen Berlins ist die Galerie der Pekinger Kuratorin umgeben von Kunsthallen und Museen. Doch asiatische oder gar chinesische Künstler waren dort lange eine Seltenheit – bis Lu Mei 2014 die Lücke schloss und seither chinesischen Künstlern einen Ort bietet, um deren Arbeiten in der deutschen Hauptstadt auszustellen.
In den 1990er-Jahren studierte Lu Mei in Amsterdam und Utrecht. Europa begeisterte sie. Am Pekinger Institut für Modedesign hatte sie eine sehr traditionelle Vorstellung davon entwickelt, was Kunst sein soll. “80 Prozent waren damals traditionelle Kalligrafie und Tuschezeichnungen. In Europa dagegen konnte ich mich endlich der modernen Kunst widmen.”
Interesse für asiatische Kunst
Nach ihrem Postgraduiertenstudium der Kunstgeschichte und Kunstvermittlung in den Niederlanden arbeitete sie in Wien und Paris. In all den Jahren reifte ihr Wille, eine eigene Galerie zu eröffnen. Auf der Suche nach einem geeigneten Ort erinnerte sie sich an einen Besuch in Berlin im Jahr 1999. Damals waren ihr die Vielzahl an Künstlergruppen und das allgemeine Interesse für asiatische Kunst aufgefallen. Diese Erfahrung gab den Ausschlag für den Standort des Migrant Bird Space. Heute ist Stadt für sie ein neues Zuhause: “Berlin ist für mich irgendwo zwischen Peking und Amsterdam – nicht zu groß und nicht zu klein.”
Mittlerweile arbeitet sie seit fast zehn Jahren als Galeristin und Kuratorin und zusätzlich in einem Beratungsbüro in Peking für Kunstsammler. Zu ihren ersten Kunden zählten Pekinger Luxushotels. Ging es damals vor allem um Raumgestaltung und Dekoration, vermittelt Lu heute Mixed Media, Gemälde und Skulpturen als Teil von Kunstsammlungen von Hotels, Versicherungen oder Privatbanken.
Ihre gewandelte Rolle spiegelt auch die Entwicklungen in China wider: Vor zehn Jahren seien Kunstsammler in China wenig vertraut mit den Geschmäckern auf dem internationalen Markt gewesen. “Aber sie lernen sehr schnell: Heute agieren sie stark systematisch und unterscheiden sich in ihren Entscheidungen kaum von westlichen Sammlern.”
Boy Boys Boys
Wie sehr Lu Mei es vermag, Horizonte zu erweitern, spürt sie vor allem in ihrer Rolle als Beraterin: So stattete sie Hotels mit Papierlampen aus, die es so ähnlich in China gibt. Ihre jedoch waren koreanisch. “Die meisten Besucher aus China wussten gar nicht, dass es so etwas auch anderswo gibt und waren prompt beeindruckt”, sagt sie.
Als Kuratorin, die versucht, mit Kunst Brücken zu bauen, organisierte sie im Sommer dieses Jahres die Ausstellung “Boys Boys Boys” des Fotografen Lin Zhipeng. Queere Fotografie aus dem für queere Themen und Subkulturen eher intoleranten China verbinde junge Leute aus aller Welt. So sei in Peking und Berlin das Publikum besonders jung gewesen.
Den Ratschlag, mehr politische Kunst auszustellen, den manche deutsche Kuratoren ihr seit Beginn der geopolitischen Spannungen zwischen China und Europa gaben, befolgte Lu jedoch nicht: “Politik in den Vordergrund zu rücken, sehe ich nicht als Aufgabe der Kunst.” Wenn Künstler für sich entschieden, politisch zu sein, sei das legitim. Auf eine politische Rolle reduzieren lassen, möchte sie sich aber nicht.
“Natürlich ist die Rolle als Vermittlerin zwischen den beiden Kunstwelten durch die wachsenden Missverständnisse zwischen China und Deutschland schwieriger geworden”, räumt Lu ein. Wichtig ist ihr jedoch auch, dass daraus viele neue Möglichkeiten entstehen. Brückenbauerinnen wie sie nehmen dadurch eine immer wichtigere Rolle ein. Carlos Hanke Barajas
Kunst
Personalien
Daniel Liu ist neuer Chief Representative China Desk beim Bankhaus Hauck Aufhäuser Lampe, das zum Mischkonzern Fosun gehört.
Marius Ullrich ist seit Anfang Dezember Head of Project Management Asia-Pacific bei dem Lüfterhersteller Ebm-Papst am Standort Shanghai.
Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!
Fosun
Dessert
Wer sich schon immer gefragt, hat, weshalb der Gelbe Fluss seinen Namen trägt, der bekommt auf diesem Bild die Antwort. Die schneebedeckten Ufer des Huang He, wie der zweitlängste Fluss des Landes auf Mandarin heißt, bilden einen markanten Kontrast zur gefrorerenen Wasseroberfläche. Die Färbung ensteht durch abgetragenes Löss, der über Zuflüsse in den Hauptlauf gespült wird. Der Huang He hat eine Länge von 4845 Kilometern. Hier befindet er sich auf seiner letzten Etappe in der Küstenprovinz Shandong vor seiner Mündung im Golf von Bohai.
wie mag die Gefühlswelt eines Menschen aussehen, der schon vor Prozessbeginn weiß, dass das Gericht in seinem Verfahren auf Seiten der Anklage steht? Ein Prozess, in dem der Richter durch die Regierung bestimmt wird, deren Staatsfeind man ist. Basierend auf einem Gesetz, das keinen rechtsstaatlichen Ansprüchen genügt.
Jimmy Lai ist nicht der erste und beileibe nicht der letzte Angeklagte, der von einem autokratischen System durch vermeintlich ordnungsgemäße Rechtssprechung ausgeschaltet werden soll. Sicherlich gehört der 76-jährige Verleger jedoch zu den prominentesten Zielen. Seit Montag läuft der Prozess.
Sein Widerstand gegen die schleichende Übernahme seiner Heimatstadt Hongkong durch die Kommunistische Partei China symbolisierte den demokratischen Überlebenswillen einer Bevölkerung, die nur mit Gewalt zum Ende ihres Aufbegehrens bewegt werden konnte. Jörn Petring fasst erste Eindrücke und Reaktionen zusammen.
Gewalt gegen die eigene Bevölkerung ist auch in Myanmar ein Mittel, um politischen Willen durchzusetzen. Die regierende Militärjunta kämpft im Norden des Landes gegen Rebellen.
Für China ist die unruhige Lage ein Problem. Myanmar ist ein wichtiger Transitstaat zum Indischen Ozean. Peking will es sich deshalb mit keiner Kriegspartei verscherzen, schreibt Michael Radunski. Ein klassisches Dilemma von interessengeleiteter Außenpolitik.
Ihr Marcel Grzanna
Analyse
Prozess gegen Hongkonger Verleger Lai beginnt – Westen protestiert
Nach einer Handvoll Verurteilungen und bereits drei Jahren Haft wird es für den Hongkonger Verleger Jimmy Lai nun wirklich ernst. Seit Montag sitzt der 76-Jährige wegen vermeintlicher Verstöße gegen das Nationale Sicherheitsgesetz auf der Anklagebank. Seine Verurteilung gilt unter Beobachtern als sicher. Lai droht ein Lebensabend hinter Gittern.
Ihm wird vorgeworfen, sich mit ausländischen Kräften verschworen und Aufruhr in der Bevölkerung angezettelt zu haben, um die Stadt ins Chaos zu stürzen. Der Prozess hätte eigentlich schon vor gut einem Jahr beginnen sollen, wurde aber immer wieder verschoben. Bis klar ist, wie es mit Lai weitergeht, dürften wohl noch Monate vergehen. Denn nach dem Auftakt am Montag sollen die Verhandlungen bis zu 80 Tage andauern.
Hunderte Polizisten sicherten am Montag das Gericht im Stadtteil West Kowloon, um mögliche Proteste oder pro-demokratische Aktionen zu verhindern. Unterstützer von Lai hatten bereits am frühen Morgen angestanden, um sich einen Platz im Saal zu sichern.
Lai sitzt bereits seit drei Jahren in Haft
Der 76-jährige Lai wurde rund zwei Stunden vor Prozessbeginn aus seinem Gefängnis in einem Polizeitransporter zum Gericht gefahren. Lai war bereits zuvor zu drei Haftstrafen verurteilt worden und sitzt seit drei Jahren in Haft. Sollte er, wie erwartet, auch in diesem Prozess schuldig gesprochen werden, droht ihm im schlimmsten Fall eine lebenslange Haftstrafe.
Der Verleger gilt als einer der wichtigen Unterstützer der Hongkonger Demokratiebewegung und ist für Peking ein rotes Tuch. Lai ist Gründer der prodemokratischen Hongkonger Zeitung “Apple Daily”. Das Boulevardblatt wurde 2021 zwangsweise eingestellt, nachdem es wegen angeblicher Verstöße gegen das Sicherheitsgesetz ins Visier der Behörden geraten war.
Das Sicherheitsgesetz, das 2020 in Folge der Massenproteste für mehr Demokratie in Kraft trat, richtet sich gegen die Opposition und gegen Aktivitäten, die Peking als umstürzlerisch, separatistisch, terroristisch oder verschwörerisch ansieht. Zahlreiche Aktivisten wurden seit dem Ende der Proteste bereits verurteilt oder sind ins Ausland geflohen.
Peking unbeeindruckt von Kritik
Der Prozessauftakt am Montag ging mit einem diplomatischen Schlagabtausch zwischen Peking und Vertretern westlicher Regierungen einher. Die britische Regierung forderte die sofortige Freilassung des Verlegers. Die politisch motivierte Strafverfolgung des 76-Jährigen, der auch einen britischen Pass hat, müsse umgehend eingestellt werden, sagte Außenminister David Cameron. China breche damit seine internationalen Verpflichtungen.
Die USA forderten die Behörden in Hongkong und Peking auf, die Pressefreiheit zu respektieren. Ein Sprecher desAußenministeriumsa sagte: “Wir fordern die Behörden in Hongkong auf, Jimmy Lai und alle anderen, die wegen der Verteidigung ihrer Rechte inhaftiert wurden, unverzüglich freizulassen.” Die Europäische Union bedauerte die Anschuldigungen gegen Lai und erklärte, der Prozess untergrabe das Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit der Stadt und schade ihrer Attraktivität als internationales Finanzzentrum.
Erwartungsgemäß wehrte ein Sprecher des Pekinger Außenministeriums die Kritik am Montag ab. Laisei der “Hauptplaner der antichinesischen Unruhen” und “die treibende Kraft hinter dem Chaos in Hongkong.” Andere Staaten sollten sich nicht in die inneren Angelegenheiten Chinas und Hongkongs einmischen.
Nüchtern betrachtet weist Lee seit seinem Amtsantritt im vergangenen Jahr eine schwache Bilanz vor: Hongkongs Wirtschaft kommt nicht richtig in Schwung, und gleichzeitig herrscht in der Stadt politische Apathie. Bei den Bezirkswahlen vergangene Woche erreichte die Wahlbeteiligung mit 27,5 Prozent ein Rekordtief. Doch sowohl für John Lee als auch für Xi scheinen andere Faktoren wichtiger.
Hongkong
Jimmy Lai
Nationales Sicherheitsgesetz
Rechtsstaatlichkeit
Lokale Kämpfe in Myanmar: China steht vor der Wahl zwischen Einfluss oder Stabilität
Traditionell eigentlich eng verbunden: Myanmars heutiger Staatspräsident Myint Swe (li.) und Chinas Staatschef Xi Jinping (Archivbild von 2020).
Es genügten wenige Tage, um Chinas Macht und Ohnmacht im Umgang mit seinem Nachbarn Myanmar zu demonstrieren. Zu Beginn der vergangenen Woche herrschte in Peking noch Erleichterung: Die Rebellen der Three Brotherhood Alliance (TBA) und Myanmars Militärjunta trafen sich zu Verhandlungen. Peking hatte die Zusammenkunft der beiden Kriegsparteien eingefädelt – und entsprechend zufrieden zeigte sich das chinesische Außenministerium.
Doch schon zwei Tage später folgte die große Ernüchterung: Die Aufständischen verkündeten, dass man auch weiterhin die Militärherrschaft im Land zu Fall bringen wolle. Ein Ende der Kämpfe in Myanmar ist also nicht in Sicht.
Für Peking ist das eine schmerzhafte Erkenntnis, denn Myanmar ist von großer Bedeutung für die Volksrepublik – wirtschaftlich und geostrategisch.
Wirtschaftlich: Seit Jahren investiert Peking Milliarden in den Bau von Eisenbahnlinien sowie Öl- und Gas-Pipelines. Der China-Myanmar-Wirtschaftskorridor ist der burmesische Teil des Pekinger Prestigeprojekts Neue Seidenstraße.
Geostrategisch: Myanmar dient als wichtiger Transporthub. Über den Nachbarn erhält China Zugang zum Indischen Ozean. Es kann Waren und Rohstoffe über diese Route ein- und ausführen und dabei das Nadelöhr der Straße von Malakka umgehen.
Entsprechend gute Beziehungen pflegte Peking zur Militärjunta in der Hauptstadt Naypyidaw. Zumindest bislang.
Aufstand an der Grenze zu China
Doch seit einigen Wochen herrscht Bürgerkrieg in Myanmar, genauer gesagt im nördlichen Staat Shan. An der Grenze zu China hat sich die TBA gegen das Militär erhoben. Nach eigenen Angaben eroberte sie mehr als 160 Militärstützpunkte und brachte mehrere Ortschaften und Grenzposten unter ihre Kontrolle.
Die lokalen Kämpfe können sehr schnell zu einem Problem für die ganze Region werden. Seit ihrem Beginn am 27. Oktober sind UN-Schätzungen zufolge mehr als 300.000 Menschen auf der Flucht. Zudem verlaufen wichtige Handelsrouten durch Kampfgebiete, Drogen- und Menschenhandel nehmen zu.
“Myanmar steht an einem entscheidenden Wendepunkt: Wenn man ihn einmal erreicht hat, kann man nicht mehr zurück”, sagte Miemie Byrd im Gespräch mit Table.Media. Die Professorin am Asia Pacific Center for Security Studies auf Hawaii war erst kürzlich in der Region und hat viele Gespräche mit Akteuren geführt. Ihr Fazit: “Die Militärjunta steht vor dem Zusammenbruch.”
Tatsächlich scheint die Junta zum ersten Mal seit ihrem Coup 2021 ernsthaft in Bedrängnis. Staatspräsident Myint Swe warnte unlängst: Wenn man den Aufstand nicht in den Griff bekomme, werde das Land auseinanderbrechen.
China zögert mit Unterstützung für Junta
Die Junta ist auch deshalb alarmiert, weil sich der traditionelle Partner China sich dieses Mal ungewöhnlich verhält. Offiziell zeigte sich Peking vom TBA-Aufstand überrascht. Doch angesichts der traditionell sehr guten Kontakte und engen Verbindungen scheint das wenig glaubwürdig zu sein. “Man kann davon ausgehen, dass die Aktion mit Duldung Chinas erfolgt ist”, sagt Marco Bünte, Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg, zu Table.Media.Denn China sei unzufrieden mit der Junta.
Grund dafür sind vor allem die kriminellen Umtriebe der sogenannten Cybergangs. Das Grenzgebiet zwischen China und Myanmar ist zu einem der wichtigsten Zentren der organisierten Betrugs-Industrie aufgestiegen. Kriminelle Netzwerke betreiben dort regelrechte Betrugsfabriken mit Tausenden Beschäftigten – ein Milliardengeschäft: Allein die USA meldeten im vergangenen Jahr Schäden von mehr als zwei Milliarden Dollar durch Online-Betrugsfälle, die dort koordiniert und ausgeführt worden sein sollen.
Die Rebellen schreiten gegen Betrügerbanden ein
Die meisten Opfer der organisierten Digital-Betrüger finden sich jedoch in China. Peking forderte deshalb die Junta mehrfach zum Einschreiten auf – ohne Erfolg. “Die Junta konnte nichts tun, und sie wollte auch nichts tun”, sagt Myanmar-Expertin Byrd. “Denn die Militärs sind eng mit diesen Gangs verbunden und profitieren finanziell sehr stark von diesen Machenschaften.”
Die Rebellengruppen erkannten ihre Chance – und schlagen damit zwei Fliegen mit einer Klappe: Indem sie gegen die Cyberbanden vorgehen, kappen sie zum einen eine wichtige Finanzquelle der Junta. Zum anderen inszenieren sie sich als Unterstützer chinesischer Interessen.
Peking muss wählen: Einfluss oder Stabilität
So steckt China plötzlich in der Zwickmühle und muss eine schwierige Entscheidung treffen: Einfluss oder Stabilität? Für mehr Einfluss steht die Zusammenarbeit mit der Junta, für mehr Stabilität ein Schwenk in Richtung der Rebellen.
Jahrelang machte Peking großen Einfluss auf die Militärjunta geltend. “China kann aber nicht offen für das Militär eintreten, da die Bevölkerung schon nach dem Militär-Putsch 2021 – und Chinas damaliger Unterstützung – auf die Straßen gegangen ist, und die Stimmung in Myanmar leicht kippen könnte”, erklärt Bünte von der Uni Erlangen. Schon damals gab es Anschläge auf die gemeinsamen Gas-Pipelines.
Aktuell ist die Stimmung noch eindeutiger: Laut Byrd lehnen 92 Prozent der Bevölkerung die Junta ab. Und damit sind auch Chinas Milliardeninvestitionen und geostrategischen Interessen in Gefahr.
Die Rebellen sind auch keine Lösung
Doch auch die Aufständischen stellen für Peking keine optimale Lösung dar. Mögen sie auch derzeit den Interessen Chinas nutzen, so tun sie dies vor allem, um gegen das Militär Erfolg zu haben. “Wenn diese Bedrohung weg ist, glaube ich nicht, dass sie China so sehr folgen werden, wie China es möchte”, sagt Byrd. Dessen ist sich Peking wohl durchaus bewusst. “Deshalb wäre es auch falsch, das Schweigen Chinas als einseitige Unterstützung der Rebellen zu sehen”, sagt Bünte.
China hat also keinen echten Verbündeten, sondern folgt ausschließlich seinen Interessen. Die sind klar: Um seine wirtschaftlichen und geostrategischen Ziele zu erreichen, muss Peking eine Ausweitung der Kämpfe verhindern. Doch: Die Rolle des Friedensboten mit eigenen Interessen zu verknüpfen, bedarf eines ausgeprägten Fingerspitzengefühls – eine Qualität, die Peking in der internationalen Diplomatie bislang vermissen lässt.
Geopolitik
Militär
Myanmar
Neue Seidenstraße
News
Trotz Raketentests – Peking sucht Schulterschluss mit Nordkorea
Nordkorea hat zu Wochenbeginn innerhalb von wenigen Stunden zwei ballistische Raketen getestet. Während der Westen mit scharfer Kritik reagiert, hat Chinas Außenminister Wang Yi dem Regime von Kim Jong-un demonstrativ den Rücken gestärkt. Die traditionelle Freundschaft zwischen China und Nordkorea sei ein “wertvolles Gut für beide Seiten”, sagte Wang am Montag in Peking dem nordkoreanischen Vize-Außenminister Pak Myong Ho.
China und Nordkorea hätten angesichts der turbulenten Weltlage einander stets fest unterstützt und vertraut und die strategische Bedeutung einer freundschaftlichen bilateralen Zusammenarbeit gezeigt, sagte Wang einer Mitteilung des chinesischen Außenministeriums zufolge. Nordkoreas Vize-Außenminister Pak Myong Ho leitet eine Delegation, die derzeit in Peking zu Besuch ist. In Gespräche gehe es um die Stärkung der Zusammenarbeit, berichten nordkoreanische Staatsmedien.
Es sind erste Zeichen dafür, dass Nordkorea nach der COVID-19-Pandemie langsam seine Grenzen wieder öffnet und den Handel mit seinen Nachbarn wieder aufnimmt. Pak Myong Ho hatte schon am Freitag mit seinem chinesischen Amtskollegen Sun Weidong über die Stärkung der strategischen Zusammenarbeit und der bilateralen Beziehungen gesprochen.
Am Sonntag und Montag hatte Nordkorea zwei Raketentests durchgeführt: Abgefeuert wurden nach südkoreanischen Angaben zunächst eine ballistische Kurzstreckenrakete und später nach japanischen Angaben eine ballistische Interkontinentalrakete mit einer Reichweite von mehr als 15.000 Kilometern. Sie könnte somit theoretisch jeden Teil des Staatsgebiets der USA treffen. rad/rtr
Geopolitik
Interkontinentalrakete
Militär
Nordkorea
Chinesische Ballons über Taiwan gesichtet
Taiwan hat am Montag bekannt gegeben, zwei chinesische Ballons entdeckt zu haben. Wie das Verteidigungsministerium mitteilte, hätten die Ballons die Taiwanstraße überquert und seien am Sonntag etwa 110 Seemeilen (204 Kilometer) nordwestlich der Stadt Keelung ausgemacht worden.
Chinas unterhält seit 2019 ein großes Ballon-Programm. Es ist Teil der Erneuerung der Luftstreitkräfte im Auftrag von Xi Jinping. Experten zufolge sei das Programm derart groß, um mit unzähligen Überwachungsballons mehrere Jahre lang Geheimdienstmissionen in dutzenden Ländern durchzuführen.
Ob es sich bei dem Zwischenfall am Wochenende um Spionageballons gehandelt habe, ließ das taiwanische Ministerium allerdings offen. Zuletzt war am 7. Dezember ein chinesischer Ballon in der Nähe Taiwans entdeckt worden. Anfang des Jahres hatte ein mutmaßlicher Spionageballon über den USA für eine Krise zwischen China und den USA geführt. Damals versicherte Peking, es habe sich um einen vom Weg abgekommenen Wetterballon gehandelt. Die USA hingegen schossen den Ballon ab.
China äußerte sich am Montag nicht zu dem Ballon-Zwischenfall vor Taiwan. Stattdessen kritisierte Peking amerikanische Waffenverkäufe an Taiwan. “China ist damit äußerst unzufrieden und lehnt es entschieden ab”, sagte Außenamtssprecher Wang Wenbin am Montag in Peking. Man fordere die USA dringend auf, die Bewaffnung Taiwans einzustellen und keine Spannungen in der Taiwanstraße zu erzeugen. Peking werde Maßnahmen gegen relevante Unternehmen ergreifen werde, die an den Waffenverkäufen an Taiwan beteiligt seien. rad/rtr
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Nio erhält Geld aus den Emiraten
Der Elektroautohersteller Nio hat sich eine große Investition aus den Vereinigten Arabischen Emiraten gesichert. Das teilte das Unternehmen am Montag mit. Der Fonds CYVN aus Abu Dhabi kauft neue Nio-Aktien für 2,2 Milliarden Dollar. Der Fonds erhält damit das Recht, Aufsichtsratsmitglieder zu entsenden. Er besitzt nach Abschluss der Transaktion 20,1 Prozent des E-Auto-Startups.
Das junge Unternehmen Nio verfügt über aussichtsreiche Technik, verdient aber bisher kein Geld. Kürzlich musste es sogar Mitarbeiter entlassen. Der Konkurrenzkampf um Marktanteile ist auf Chinas Markt für E-Autos besonders hart, zugleich ist er besonders aussichtsreich. fin
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Nahe Guangzhou fällt Schnee
Seltene Schneefälle haben am Montag die südchinesische Provinz Guangdong überrascht. Der Niederschlag wurde in Höhenlagen unweit der Provinzhauptstadt Guangzhou gemeldet und war die Folge ungewöhnlich niedriger Temperaturen in der Region. Das Thermometer sank in Guangzhou auf lediglich acht Grad Celsius und blieb damit unter den typischen Frühwinter-Temperaturen im zweistelligen Bereich. Die Durchschnittswerte für Januar liegen in der Region normalerweise bei 14 Grad Celsius.
Die Behörden in Guangzhou riefen zu Vorsichtsmaßnahmen auf, vor allem für alte und junge Menschen, die bei fortschreitendem Winter anfällig für “Kältewellenkrankheiten” sein könnten. Im benachbarten Guangxi wurde für einige Städte ungewöhnlicher Schneeregen vorhergesagt.
Der Norden Chinas hatte bereits im vergangenen Monat einen ungewöhnlich frühen Kälteeinbruch erlebt, mit Temperaturen, die im zweistelligen Minusbereich lagen. rtr/grz
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USA besorgt über chinesisch-russische Militärmanöver RND Südkorea startet Militär-Jets nach Vorstoß Russlands und Chinas MERKUR Behörden alarmiert: Chinas Manöver rund um das US-Militär könnten Teil eines langjährigen Plans sein BUSINESS INSIDER China: Risse in der Neuen Seidenstraße DW Chinas Wirtschaft geht es schlechter, als die Regierung öffentlich einräumen will NZZ Neue Subvention für Solarbranche: Habeck sagt Chinas Solar-Dumping den Kampf an FR Keine Förderung mehr: Frankreich sperrt China-Autos aus AUTOMOBILWOCHE Importeinschränkungen der Türkei für chinesische Elektroautos ELEKTROAUTO NEWS China’s New Oriental fires live-streaming e-commerce platform CEO, promotes top influencer after corporate infighting SCMP Temu klagt Shein an: Chinesische Modegiganten im Streit NAU Etihad und China Eastern planen Zusammenarbeit: Von Codeshare über Fracht bis Wartung AEROTELEGRAPH Jimmy Lai, Hong Kong media mogul and free speech advocate who challenged China, goes on trial CBS NEWS Panda-Brüder in Chengdu gelandet: So leben Pit und Paule sich jetzt in China ein BZ BERLIN
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Lu Mei – Neue Möglichkeiten der Kunst
Lu Mei ist Direktorin der Galerie Migrant Bird Space.
Galeristin Lu Mei will im “Migrant Bird Space” Brücken schlagen zwischen den Kunstwelten Europas und Chinas. Am Koppenplatz im Herzen Berlins ist die Galerie der Pekinger Kuratorin umgeben von Kunsthallen und Museen. Doch asiatische oder gar chinesische Künstler waren dort lange eine Seltenheit – bis Lu Mei 2014 die Lücke schloss und seither chinesischen Künstlern einen Ort bietet, um deren Arbeiten in der deutschen Hauptstadt auszustellen.
In den 1990er-Jahren studierte Lu Mei in Amsterdam und Utrecht. Europa begeisterte sie. Am Pekinger Institut für Modedesign hatte sie eine sehr traditionelle Vorstellung davon entwickelt, was Kunst sein soll. “80 Prozent waren damals traditionelle Kalligrafie und Tuschezeichnungen. In Europa dagegen konnte ich mich endlich der modernen Kunst widmen.”
Interesse für asiatische Kunst
Nach ihrem Postgraduiertenstudium der Kunstgeschichte und Kunstvermittlung in den Niederlanden arbeitete sie in Wien und Paris. In all den Jahren reifte ihr Wille, eine eigene Galerie zu eröffnen. Auf der Suche nach einem geeigneten Ort erinnerte sie sich an einen Besuch in Berlin im Jahr 1999. Damals waren ihr die Vielzahl an Künstlergruppen und das allgemeine Interesse für asiatische Kunst aufgefallen. Diese Erfahrung gab den Ausschlag für den Standort des Migrant Bird Space. Heute ist Stadt für sie ein neues Zuhause: “Berlin ist für mich irgendwo zwischen Peking und Amsterdam – nicht zu groß und nicht zu klein.”
Mittlerweile arbeitet sie seit fast zehn Jahren als Galeristin und Kuratorin und zusätzlich in einem Beratungsbüro in Peking für Kunstsammler. Zu ihren ersten Kunden zählten Pekinger Luxushotels. Ging es damals vor allem um Raumgestaltung und Dekoration, vermittelt Lu heute Mixed Media, Gemälde und Skulpturen als Teil von Kunstsammlungen von Hotels, Versicherungen oder Privatbanken.
Ihre gewandelte Rolle spiegelt auch die Entwicklungen in China wider: Vor zehn Jahren seien Kunstsammler in China wenig vertraut mit den Geschmäckern auf dem internationalen Markt gewesen. “Aber sie lernen sehr schnell: Heute agieren sie stark systematisch und unterscheiden sich in ihren Entscheidungen kaum von westlichen Sammlern.”
Boy Boys Boys
Wie sehr Lu Mei es vermag, Horizonte zu erweitern, spürt sie vor allem in ihrer Rolle als Beraterin: So stattete sie Hotels mit Papierlampen aus, die es so ähnlich in China gibt. Ihre jedoch waren koreanisch. “Die meisten Besucher aus China wussten gar nicht, dass es so etwas auch anderswo gibt und waren prompt beeindruckt”, sagt sie.
Als Kuratorin, die versucht, mit Kunst Brücken zu bauen, organisierte sie im Sommer dieses Jahres die Ausstellung “Boys Boys Boys” des Fotografen Lin Zhipeng. Queere Fotografie aus dem für queere Themen und Subkulturen eher intoleranten China verbinde junge Leute aus aller Welt. So sei in Peking und Berlin das Publikum besonders jung gewesen.
Den Ratschlag, mehr politische Kunst auszustellen, den manche deutsche Kuratoren ihr seit Beginn der geopolitischen Spannungen zwischen China und Europa gaben, befolgte Lu jedoch nicht: “Politik in den Vordergrund zu rücken, sehe ich nicht als Aufgabe der Kunst.” Wenn Künstler für sich entschieden, politisch zu sein, sei das legitim. Auf eine politische Rolle reduzieren lassen, möchte sie sich aber nicht.
“Natürlich ist die Rolle als Vermittlerin zwischen den beiden Kunstwelten durch die wachsenden Missverständnisse zwischen China und Deutschland schwieriger geworden”, räumt Lu ein. Wichtig ist ihr jedoch auch, dass daraus viele neue Möglichkeiten entstehen. Brückenbauerinnen wie sie nehmen dadurch eine immer wichtigere Rolle ein. Carlos Hanke Barajas
Kunst
Personalien
Daniel Liu ist neuer Chief Representative China Desk beim Bankhaus Hauck Aufhäuser Lampe, das zum Mischkonzern Fosun gehört.
Marius Ullrich ist seit Anfang Dezember Head of Project Management Asia-Pacific bei dem Lüfterhersteller Ebm-Papst am Standort Shanghai.
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Fosun
Dessert
Wer sich schon immer gefragt, hat, weshalb der Gelbe Fluss seinen Namen trägt, der bekommt auf diesem Bild die Antwort. Die schneebedeckten Ufer des Huang He, wie der zweitlängste Fluss des Landes auf Mandarin heißt, bilden einen markanten Kontrast zur gefrorerenen Wasseroberfläche. Die Färbung ensteht durch abgetragenes Löss, der über Zuflüsse in den Hauptlauf gespült wird. Der Huang He hat eine Länge von 4845 Kilometern. Hier befindet er sich auf seiner letzten Etappe in der Küstenprovinz Shandong vor seiner Mündung im Golf von Bohai.