Table.Briefing: China

USA-China + Termine + Börsengänge + Indo-Pazifik + Chips + Johnny Erling

  • Angespannte Stimmung in Alaska
  • Termine der kommenden Woche
  • Fregatten nach Fernost: Westliche Strategien für den Indo-Pazifik
  • Rekordzahl an Börsengängen in Hongkong
  • China beginnt Prozess gegen inhaftierte Kanadier
  • Chips: SMIC plant Milliarden-Investition in Fabrik
  • Johnny Erling: Hi, Mom – Chinas goldene achtziger Jahre
Liebe Leserin, lieber Leser,

das verbale Säbelrasseln vor den US-China-Gesprächen in Alaska war groß. Noch am Mittwoch warf US-Außenminister Antony Blinken Peking erneut vor, die Menschenrechte in Xinjiang und Hongkong mit “Zwang und Aggression” zu untergraben. Peking wiederum ermahnte die Biden-Administration, sich nicht in die internen Angelegenheiten Chinas einzumischen. Frank Sieren analysiert, wie die Gespräche verliefen.

Im Südchinesischen Meer ist das Säbelrasseln hingegen nicht mehr nur verbal. Anfang 2021 hat Frankreich dort Manöver abgehalten. Auch Deutschland und Großbritannien planen, die Präsenz vor Ort zu erhöhen, um China einzudämmen. Wie sich das in die deutsche Indo-Pazifik-Strategie einfügt, zeigt Christiane Kühl. Auch die EU hat für April eine Strategie für die Region angekündigt.

Angesichts der Corona-Pandemie mag es erstaunen, doch 2020 war ein Boomjahr an der Hongkonger Börse. Bei 154 Börsengängen wurden mehr als 50 Milliarden US-Dollar eingesammelt. Dabei spielen auch der US-China-Handelskrieg und ein neues US-Gesetz eine Rolle. Gregor Koppenburg und Jörn Petring haben die Hintergründe.

Viel Spaß bei der Lektüre und ein schönes Wochenende wünscht,

Ihr
Nico Beckert
Bild von Nico  Beckert

Presseschau

China’s Tuya Is Poised to Raise $915 Million in U.S. IPO BLOOMBERG
Canadians to Stand Trial in China for Spying: What We Know NYT
China accuses outspoken scholar on Xinjiang of fabrication INDEPENDENT
Campaigners in China struggle to improve the lot of the disabled ECONOMIST
Coronavirus eroded China’s middle class, but India has fared much worse, new findings reveal SCMP
North Korean Threat Forces Biden Into Balancing Act With China NYT
Blinken fordert China auf, Einfluss auf Nordkorea auszuüben SPIEGEL
USA wachsen wie sonst nur China HANDELSBLATT
Baidu & Bilibili: Der Grund für das Zweitlisting in Hongkong DER AKTIONÄR
USA setzen auf Asien-Allianzen gegen China DW
Fast alle Schutzmasken kommen aus China FAZ
Meinung: Im Indo-Pazifik entscheidet sich die Zukunft der freien Weltordnung WELT

Analyse

Angespannte Stimmung in Alaska

Wie kompliziert die Beziehungen zwischen China und den USA sind, zeigt allein die Reiseroute von Außenminister Antony Blinken zum Verhandlungsort, wohin er über den amerikanischen Kontinent hinweg aus Washington über Japan und Südkorea zurückgeflogen ist. Es wäre leicht für den amerikanischen Außenminister gewesen, zwei Stunden weiter nach Peking zu reisen, um dort seinen Antrittsbesuch zu machen. Stattdessen jedoch fliegt Blinken zurück nach Alaska. Er zwingt damit Außenminister Wang zu einem Acht-Stunden-Flug und empfängt ihn auf amerikanischem Boden. China muss also in die USA reisen, obwohl sich eigentlich ein neu ins Amt gekommener Amerikaner vorstellen will. Bei diesem diplomatischen Spiel jedenfalls heißt es Eins zu Null für Washington.

Eins zu Null für Washington

Blinken, der vor dem Treffen in Alaska seine Antrittsbesuche bei den amerikanischen Alliierten Japan und Südkorea absolviert hatte, machte bereits beim Abflug in Seoul gestern deutlich, dass die USA “keinen Konflikt suche”. Er werde jedoch immer “unsere Prinzipien, unsere Menschen und Freunde verteidigen.” Seine Sprecherin Jen Plaski wiederum betonte in Alaska, man werde über “schwierige Themen” sprechen und dabei “offen” sein. Dazu gehörten der Umgang mit der muslimischen Minderheit in Xinjiang, die Einschränkungen der Demokratie in Hongkong, die Technologiekonflikte mit Huawei, aber auch Handelsfragen.

Dennoch sei man bereit, mit Ländern wie Russland und China “zusammenzuarbeiten, wenn dies im Interesse der USA ist.” Zu diesen Themenbereichen wiederum gehörten der Klimawandel, die Pandemie und die Frage, wie man Nordkorea überzeugen könne, abzurüsten.

Blinken kritisiert Pekings aggressives Verhalten

In Seoul war Blinken zuvor selbst noch deutlicher geworden: “Wir machen uns keine Illusionen über Pekings beharrliche Weigerung, sich an seine Vereinbarungen zu halten und wir haben darüber gesprochen, wie Pekings aggressives und autoritäres Verhalten die Stabilität, Sicherheit und Prosperität im Indo-Pazifik herausfordert”, sagte Blinken vor seiner Abreise. Die USA, werde “China, wenn nötig, zurückdrängen, wenn das Land Zwang oder Aggressivität einsetzt, um seinen Weg durchzusetzen.” Damit hält sich Blinken nicht an eine diplomatische Gepflogenheit, dass man in Gastländern nichts aus den Gesprächen über ein Drittland verlauten lässt.

Blinken zeigt damit, wie schwierig die Beziehungen mit China und Asien insgesamt sind. Denn mit dieser Äußerung setzt er seinen Alliierten, den südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in öffentlich unter Druck. Südkorea versucht sowohl sehr gute Beziehungen zu Peking, als auch zu Washington zu unterhalten.

Südkorea bezieht nicht klar Position

Moon war dann auch nur sehr wage und indirekt, als es um Kritik in Richtung Peking nach dem Gespräch mit Blinken ging: Mit den USA “teile man die Werte der Demokratie und der Menschenrechte.” Gleichzeitig begrüßte Moon, die Rückkehr eines “Denkens in Allianzen” und freue sich auf “die Führungskraft der Amerikaner inmitten großer Krisen.”

Zhao Lijian der Sprecher, des chinesischen Außenministeriums antwortete prompt auf Blinkens Ausführungen: “Es sei kein Raum für Kompromisse bei Themen, die die Sicherheit, die Souveränität und die Kerninteressen Chinas betreffen.”

Währenddessen gab sich Cui Tiankai, der chinesische Botschafter in Washington, vorsichtig optimistisch: “Selbstverständlich erwarten wir nicht, dass eine Dialogrunde alle schwierigen Fragen zwischen China und den USA lösen wird”, sagte er.

Man habe keine überzogenen Erwartungen an das Treffen. Seine Hoffnung sei jedoch, “dass ein Dialog in Gang kommen könnte, der offen, konstruktiv und realistisch ist.”

Während sich der chinesische Außenminister im Vorfeld des Treffens mit Blinken nicht äußerte, bezog dieser nicht nur in Seoul, sondern auch in Tokio ausführlich zu China Stellung. Im japanischen Fernsehen Nippon TV äußerte sich Blinken allerdings differenziert und zugleich dezidiert.

Blinken nimmt in Japan kein Blatt vor den Mund

Die Beziehungen zu China seien “sehr komplex” sie hätten ihre “gegnerischen Aspekte, ihre Wettbewerbs-Aspekte und Aspekte der Zusammenarbeit”. Bei allen diesen Bereichen müsse die USA sicherstellen, dass sie “aus einer Position der Stärke agiere.”

Die Stärke basiere auf Allianzen und Solidarität “weil das eine einzigartige Stärke ist, die wir haben und China nicht: die Kooperation mit gleichgesinnten Ländern”.

Aber auch Peking senkt die Hörner zum ersten großen Stierkampf in Anchorage. Am vergangenen Mittwoch bereits kritisierte Jiang Duan die Menschenrechtslage in den USA. Covid-19 hätte “Hunderttausende Menschen das Leben gekostet”. Hinzu kämen rassistische Diskriminierung, die Brutalität der Polizei und eine “teuflische Vergangenheit eines Völkermordes.”

Vier erfahrene Verhandler in Alaska

Die Chinesen treffen auf ein erfahrenes amerikanisches Team: Blinken war bereits zwischen 2009 und 2013 Nationaler Sicherheitsberater von Vizepräsident Joe Biden. Jake Sullivan war unter Außenministerin Hillary Clinton Vizepersonalchef. Er beriet sie unter anderem bei den Nukleargesprächen mit dem Iran, bei denen ihn vor allem der damalige deutsche SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier und sein chinesischer Counterpart Wang Yi gemeinsam die amerikanische Regierung davon überzeugen konnten, die Sanktionen gegen den Iran aufzuheben. Dies wurde später von US-Präsident Donald Trump rückgängig gemacht.

Blinkens Vorgänger Pompeo hingegen hatte überhaupt nur ein Jahr als CIA-Chef internationale Einblicke, bevor er Außenminister wurde, aber keinerlei Erfahrungen im diplomatischen Geschäft.

Wang Yi wiederum ist seit acht Jahren Außenminister. Das Politbüromitglied Yang Yiechi gilt zudem als der chinesische Politiker mit der längsten Erfahrung im Umgang mit dem Westen. Er studierte bereits während der Kulturevolution 1971 an der London School of Economics and Political Science und war insgesamt 13 Jahre Botschafter in den USA.

Das bedeutet: Die beiden Teams kennen sich gegenseitig lange und haben gemeinsam auch in schwierigen Verhandlungen Ergebnisse erzielen können. Insofern kann man davon ausgehen, dass die Beteiligten anders als Donald Trump pragmatisch handeln.

  • Alaska
  • Antony Blinken
  • Geopolitik
  • USA
  • Wang Yi

Termine

22.03.2021, 5:00-6:00 PM London Time
Webinar, SOAS London: China’s Changing National Security Strategy under Xi Jinping. Mehr

23.03.2021, 4:00-6:00 PM (EST)
Webinar, Harvard Center for Chinese Studies: Modern China Lecture-Presenting the Panda: The symbolic tranfsormation of Animal to Ambassador to Advocat. Mehr

24.03.2021, 12:30-1:45 PM (EST)
Webinar, Harvard Center for Chinese Studies: Critical issues confronting China series – China´s Military strategy in the new era. Mehr

26.03.2021, 9.30-14:30 Uhr
Jahrestagung, DGO: Verflechtungen und Abhängigkeiten: China – Osteuropa – Europäische Union. Mehr

26.03.2021, 19:00 Uhr
Kultursalon, KI Paderborn: Tik Tok – Eine Erfolgsgeschichte. Anmeldung

29.03.2021, 10:00-11:00 AM (EST)
Webinar, Harvard Center for Chinese Studies: Northern Europe´s response to China´s Belt and Road Initiative. Mehr

30.03.2021, 10:00-11:15 Uhr
Diskussion, Handelskammer Hamburg: Neuordnung von Lieferketten in Asien – Ist Taiwan “die” Alternative? Anmeldung

Fregatten nach Fernost: Westliche Strategien für den Indopazifik

Im August wird die Fregatte “Bayern” aus Wilhelmshaven nach Fernost aufbrechen. Auf der Reise soll das Schiff das Südchinesische Meer passieren. Frankreich hatte im Februar ein Atom-U-Boot in die Region geschickt und hielt dort Manöver mit den USA und Japan ab. Großbritannien will Ende 2021 den Flugzeugträger HMS Queen Elizabeth für ein paar Monate in den Indopazifik schicken. Auch US-Kriegsschiffe sind regelmäßig im Südchinesischen Meer unterwegs, etwa im Rahmen der amerikanischen Operation “Freedom of Navigation”, Freiheit der Seefahrt. Von den US-Schiffen wird sich die “Bayern” ebenso fernhalten wie von der Zwölf-Seemeilen-Zone um die von China kontrollierten Inseln in dem Gewässer. Es sind vorsichtige erste Schritte im Indopazifik, in dem die Bundeswehr bisher nicht aktiv war.

Bei aller Vorsicht signalisiert die Reise der “Bayern” aber ebenso wie der Einsatz der Schiffe anderer Nationen eine größere Bereitschaft Europas, in der Region Präsenz zu zeigen, auch gemeinsam. 2020 hatte Deutschland – ebenso wie Frankreich und die Niederlande – erstmals eine Indo-Pazifik-Strategie vorgelegt. Gemeinsam mit Frankreich will Deutschland laut dem Papier die geplante EU-Strategie für den Indopazifik erarbeiten.

Das deutsche Indo-Pazifik-Papier ist eher breit gefasst: Zu den deutschen Interessen zählen demnach etwa Frieden und Sicherheit, die Vertiefung regionaler Beziehungen, offene Schifffahrtsrouten, Freihandel und sogar Klimaschutz. Konkret will Deutschland die Kooperation mit dem südostasiatischen Staatenbund ASEAN intensivieren – etwa durch Unterstützung der Verhandlungen über einen rechtsverbindlichen Verhaltenskodex zwischen China und den ASEAN-Mitgliedstaaten für das Südchinesische Meer.

Die USA schreiben der Region seit Jahren eine wachsende Bedeutung zu, beginnend mit der “Hinwendung nach Asien” (“pivot to Asia”) unter Präsident Barack Obama. Die Trump-Regierung brachte 2017 eine Indo-Pazifik-Strategie heraus, die sich für “freie und offene Seewege” und gegen “Zwangsmaßnahmen individueller Länder” richtet – ein Ausdruck, den US-Beamte und auch Präsident Joe Biden oft im Zusammenhang mit China verwenden. Biden wird an der Strategie wohl festhalten. Er kündigte an, die US-Präsenz in Ost- und Südostasien strategisch neu aufzustellen – und schloss auch eine weitere Aufrüstung nicht aus.

Verteidigung der “regelbasierten Ordnung” gegenüber China

Das wichtigste Schlagwort der Strategien ist die Verteidigung einer “regelbasierten Ordnung” in der Region. Dazu gehört etwa die UN-Konvention über Seerecht (United Nations Convention on the Law of the Sea/UNCLOS). Der Elefant im Raum ist dabei – ungenannt – China. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) legte allerdings vergangene Woche auf Twitter nahe, dass Einsätze der Bundeswehr in der Region durchaus mit der Eindämmung Chinas zu tun haben. Schon 2019 hatte Kramp-Karrenbauer in einer Rede vor Studenten der Bundeswehr-Universität in München betont: “Unsere Partner im Indopazifischen Raum – allen voran Australien, Japan und Südkorea, aber auch Indien – fühlen sich von Chinas Machtanspruch zunehmend bedrängt. Sie wünschen sich ein klares Zeichen der Solidarität.”

Das sind durchaus neue Töne. In der Vergangenheit habe Deutschland dazu geneigt, den Indopazifik aus einer geografischen Perspektive zu betrachten, sagt Helena Legarda, Expertin für Chinas Sicherheits- und Außenpolitik beim Mercator Institute for China Studies (MERICS) zu China.Table. “Und diese Region schien sehr weit weg zu sein. Es gibt in Deutschland also einen neuen Ansatz und ein neues Verständnis für die Bedeutung dieser Region.”

Der größte Brennpunkt dort ist derzeit das Südchinesische Meer. China beansprucht praktisch das gesamte Gewässer. Auch Brunei, Indonesien, Malaysia, die Philippinen und Vietnam reklamieren teils überlappende Teile des Seegebiets für sich. Allen geht es dabei nicht zuletzt um reiche Fischereigründe und Rohstoffvorkommen. Die USA sehen Pekings Gebietsansprüche als illegal an und haben in der Vergangenheit bereits wiederholt Kriegsschiffe in das Gewässer entsandt, die manchmal von chinesischen Schiffen beschattet wurden.

China: Keine Kompromisse bei Fragen der Souveränität

China agiert in der Region derweil zunehmend selbstbewusst und nagt stückchenweise am Status Quo. So lässt Peking Riffe zu künstlichen Inseln aufschütten und errichtet darauf Militäranlagen. Peking lässt keinen Zweifel daran, dass es diese Inselchen verteidigen will. “Chinas neues Küstenwachen-Gesetz gibt der Küstenwache viel mehr Befugnisse, Chinas Gebietsansprüche durchzusetzen und gestattet es ihr, auf Schiffe in umstrittenen Gewässern zu schießen”, sagt Legarda. China zähle das Südchinesische Meer zu seinen “Kerninteressen”.

Legarda glaubt nicht, dass China einen Krieg provozieren will. “Aber es könnte auf verschiedene Weise einfach passieren – etwa durch Unfälle, Fehlkalkulationen oder Maßnahmen Chinas, die zu Vergeltungsmaßnahmen durch andere führen.” Die Situation ist kompliziert, da es keine klare Lösung gibt. “Möglicherweise werden einmal Kompromisse zu gemeinsamen Rohstofferkundungen oder Fischereien gefunden”, sagt Legarda. “Aber wenn es um die Souveränität geht, sehe ich keine Bereitschaft Chinas zum Kompromiss.”

Das gilt auch für Taiwan. Peking sieht die Insel als untrennbaren Teil der Volksrepublik China an und hat eine gewaltsame Wiedervereinigung nie ausgeschlossen. Die USA verkaufen Taipeh Verteidigungswaffen und schicken regelmäßig Schiffe durch die Taiwanstraße, zuletzt das Kriegsschiff “USS John Finn”. Der für den Asien-Pazifik-Raum zuständige US-Admiral Philip Davidson warnte gar vor einem chinesischen Angriff auf Taiwan bis 2027.

Peking fürchtet Allianzen in der Region

Dass sich neben den Amerikanern nun auch die Europäer in der Region engagieren, hat aus Sicht der Anrainerstaaten durchaus Gewicht. “Wenn die Europäer ihre Fähigkeit und Bereitschaft unter Beweis stellen, im Indo-Pazifik als Seemacht aufzutreten, hat China keine andere Wahl, als seine Einsatzpläne in Bezug auf Taiwan und das Südchinesische Meer zu ändern”, kommentiert etwa Hiroyuki Akita in der japanischen Zeitschrift Nikkei Asia. “Das chinesische Militär muss davon ausgehen, dass Großbritannien, Frankreich und Deutschland sowie Japan und Australien die US-Streitkräfte im Falle eines Konflikts in irgendeiner Form unterstützen werden.” Dies würde die Entscheidungsschwelle für chinesische Militärabenteuer erhöhen, glaubt Akita.

Genau diese Zusammenarbeit möchte Peking daher verhindern. “Eine der größten Sorgen Pekings ist das Potenzial einer Koalition westlicher Staaten, die gemeinsam China konfrontieren oder seinen Aufstieg eindämmen wollen”, sagt Legarda. “Dies ist einer der Gründe, warum China immer wieder die strategische Unabhängigkeit der EU betont.” Auch das Militär der Anrainerstaaten – Indien, Japan oder Südkorea – sei stärker als gemeinhin angenommen, schreibt Salvatore Babones vom Centre for Independent Studies in Sydney in der US-Fachzeitschrift Foreign Policy. “Die USA können Gerät, Technologie oder Ausbildungen anbieten”, so Babones. “Aber Chinas Nachbarn können und sollten die Führung übernehmen, um ihre eigene Nachbarschaft zu schützen.” Ein unaufhaltsames Vordringen Chinas ist also keineswegs ausgemacht. ck

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Hongkong: Weniger Demokratie, mehr Börsengänge

Der Crackdown gegen die Hongkonger Demokratie-Bewegung hat viele Hongkonger hart getroffen. Einige Umfragen kommen zu dem Ergebnis, dass Hunderttausende wegen Pekings harter Hand auswandern wollen oder zumindest darüber nachdenken. Keinen negativen Einfluss hat das politische Dauerbeben dagegen bislang an der Hongkonger Börse. Im Gegenteil: Trotz des neuen Sicherheitsgesetzes, das im vergangenen Juni verabschiedet wurde, sammelte Hongkongs Börsenbetreiber HKEX 2020 so viel Geld wie seit 2010 nicht mehr ein. Bei 154 Börsengängen konnten die Firmen demnach 51,3 Milliarden US-Dollar einsammeln

Die Unternehmensberatung KPMG geht davon aus, dass die asiatische Finanzmetropole auch in diesem Jahr eine “führende Position” bei neuen Börsengängen einnehmen wird. Unternehmen, die an die Börse wollen, argumentierten teilweise ganz anders als die Hongkonger Protestbewegung. Denn ein Großteil der Firmen, die an der Hongkonger Börse gelistet sind, stammen vom chinesischen Festland. Die wiederum sehen in dem neuen Sicherheitsgesetz keine Gefahr, sondern vielmehr eine Rückversicherung, dass für sie in Hongkong stabile Verhältnisse herrschen. Viel größere Sorgen bereitet ihnen dagegen die Unsicherheit im Verhältnis Chinas zu den USA. 

Vor allem Chinas erfolgreiche Tech-Firmen bevorzugen Börsennotierungen in Hongkong, seit ihnen in den USA immer mehr Misstrauen entgegenschlägt. Nicht nur die scharfen Attacken von Ex-Präsident Donald Trump, sondern auch ein im vergangenen Dezember in Kraft getretenes neues Gesetz lassen die Chinesen aufhorchen. 

Der Holding Foreign Companies Accountable Act wurde zwar für alle ausländischen Unternehmen geschrieben, nimmt aber insbesondere chinesische Firmen ins Visier. Demnach sollen Unternehmen bestätigen, dass sie sich “nicht im Besitz oder unter der Kontrolle einer ausländischen Regierung” befinden. Zudem sollen sie ihre Geschäftsbücher für die Börsenaufsichtsbehörde öffnen. Andernfalls würden Unternehmen nicht mehr gelistet werden.

Angst vor den USA

Die Debatte um die verschärfte Prüfung chinesischer Unternehmen hat in den USA auch wegen des Skandals um den chinesischen Starbucks-Konkurrenten Luckin Coffee Hochkonjunktur. Im vergangenen April hatte das chinesische Unternehmen zugeben müssen, Bilanzen gefälscht zu haben, worauf es von der Nasdaq ausgeschlossen wurde.

Viele Beobachter in China vermuten spätestens seit dem Ausbruch des Handelskriegs, dass es bald vorbei sein könnte mit dem Zugang zum amerikanischen Kapitalmarkt. Der in New York notierte E-Commerce-Konzern Alibaba hatte vorsorglich bereits im Herbst 2019 einen Ausweichplatz in Hongkong gefunden und bei einem Zweitlisting 13 Milliarden Dollar eingesammelt.

Zuletzt zogen auch die chinesischen Tech-Riesen Jd.com und NetEase mit Zweitnotierungen nach. Sie sammelten zusammen 6,6 Milliarden Dollar in Hongkong ein. Chinesische Firmen überlegen es sich derzeit zweimal, ob sie noch ein Risiko in New York eingehen wollen. Für Investmentbanker in Hongkong ist das eine gute Nachricht. 

Weitere Börsengänge geplant

So zeichnet sich auch für die kommenden Monate eine ganze Reihe weiterer Börsengänge ab. Anfang März erhielt der chinesische Suchmaschinen-Anbieter Baidu die Genehmigung für eine Zweitnotierung in Hongkong, bei der umgerechnet 3,5 Milliarden US-Dollar eingenommen werden sollen. Bisher ist Baidu nur in New York gelistet, genau wie die drei größten chinesischen E-Auto-Startups Nio, Li Auto und Xpeng. Nach einem Bericht von Reuters will auch dieses Trio so schnell es geht zusätzlich in der Sonderverwaltungsregion an die Börse.

Doch dass auch in Hongkong für chinesische Firmen Risiken lauern, musste im vergangenen Jahr die Alibaba-Tochter Ant Group schmerzhaft erfahren. Nachdem Unternehmensgründer Jack Ma in einer Rede die Defizite des chinesischen Finanzsystem anprangerte, ließ Peking den damals potentiell größten Börsengang des Jahres kurzerhand platzen. Insofern sehen chinesische Firmen in Hongkong kein neues Paradies, sondern lediglich die derzeit im Vergleich sicherere Alternative. Gregor Koppenburg/Jörn Petring

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News

China beginnt Prozess gegen inhaftierte Kanadier

In China beginnt heute das Gerichtsverfahren gegen zwei wegen Spionage-Vorwürfen inhaftierte Kanadier. Kanadas Außenminister Marc Garneau erklärte, die Botschaft in Peking sei “darüber informiert worden, dass Gerichtsverhandlungen für Michael Spavor und Michael Kovrig am 19. und 22. März stattfinden sollen“. Die beiden Kanadier sind seit Dezember 2018 inhaftiert und wurden im Juni letzten Jahres wegen Spionage angeklagt. “Wir glauben, dass diese Inhaftierungen willkürlich sind und sind nach wie vor zutiefst besorgt über die mangelnde Transparenz dieser Verfahren”, sagte Garneau. Kanadische Beamte unterstützten Spavor und Kovrig sowie deren Familien während “dieser inakzeptablen Tortur” konsularisch, so Kanadas Außenminister.

Chinesische Behörden werfen Kovrig, einem ehemaligen kanadischen Diplomaten, der für die International Crisis Group (ICG) arbeitete, vor, seit 2017 sensible Informationen in China gestohlen zu haben. Spavor, ein in Peking ansässiger Geschäftsmann, wird vorgeworfen, Kovrig Informationen zur Verfügung gestellt zu haben.

Beobachter werteten die Festsetzung der beiden Kanadier als eine Vergeltungsmaßnahme für die zuvor in Vancouver erfolgte Festnahme der Finanzchefin des Huawei-Konzerns, Meng Wanzhou. Gegen sie lag ein US-Haftbefehl vor, weil sie Banken gegenüber falsche Angaben über den Verkauf von Kommunikationstechnologie an den Iran gemacht haben soll. Meng, deren Auslieferungsverhandlung Medienberichten zufolge derzeit läuft, ist seit 2018 in Vancouver unter Hausarrest gestellt.

Der Beginn des Prozesses gegen Spavor fällt mit einem ersten hochrangigen Treffen zwischen Vertretern der USA und China in Alaska zusammen. ari

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SMIC plant Milliarden-Investition in Halbleiter-Fabrik

Der chinesische Halbleiterhersteller Semiconductor Manufacturing International Corporation (SMIC) plant, 1,95 Milliarden Euro in eine neue Chip-Fabrik zu investieren, wie Bloomberg berichtet. Das Unternehmen ist dazu ein Joint Venture mit der Stadt Shenzhen eingegangen, die zur Finanzierung der Fabrik beitragen wird. Die Produktion soll 2022 starten und 28-Nanometer-Halbleiterchips umfassen. Diese Technologie ist schon recht alt. TSMC aus Taiwan fertigt schon 5nm-Chips in Serie. 28nm-Chips werden derzeit beispielsweise noch im Autobau verwendet.

Im jüngst veröffentlichten Fünfjahresplan hat Peking den Ausbau der Chip-Industrie als wesentliches Ziel festgehalten, um die Abhängigkeit von externen Chip-Herstellern zu verringern. Unter dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump wurden mehrere chinesische Firmen, darunter auch SMIC, auf eine Schwarze Liste gesetzt und von US-amerikanischen Zulieferern abgeschnitten. Das erschwerte es auch, Maschinen zur Herstellung von Chips zu kaufen.

In der neuen SMIC-Fabrik sollen nach Angaben von Bloomberg auch Silizium-Wafer hergestellt werden – ein grundlegender Rohstoff in der Halbleiterfertigung. Laut chinesischen Industrievertretern ist die Wafer-Herstellung einer der Bereiche in Chinas Halbleiter-Lieferkette, der die geringste lokale Produktion aufweist. Insgesamt ist China im Chip-Bereich noch sehr abhängig vom Ausland. Im letzten Jahr wurden nur knapp 16 Prozent der in China verkauften Chips im Inland produziert. nib

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Standpunkt

Hi, Mom – Chinas goldene achtziger Jahre

Von Johnny Erling
Ein Bild von Johnny Erling aus dem Jahre 2017

China hat einen neuen Straßenfeger. Seit dem Frühlingsfest räumt der Kinofilm “Hi, Mom!” (你好, 李焕英) die Kinokassen im Land ab. Sie spielte bis vergangenen Dienstag in kaum fünf Wochen 5,27 Milliarden Yuan ein (rund 700 Millionen Euro) und soll international vertrieben werden.   

Der Film beginnt mit einer Rückblende auf einen schweren Verkehrsunfall vor 20 Jahren. Seine Hauptfigur Li Huanying radelt mit ihrer Tochter Jia Ling auf dem Rücksitz, als sie von einem Lastwagen erfasst werden. Die Mutter stirbt.

“Hi, Mom!” beruht auf einer wahren Geschichte. Tochter Jia Ling war 19 Jahre alt, als ihre Mutter 2001 verunglückte. Die in China für ihre Sketche und Klamauk gefeierte Bühnenkünstlerin schrieb nicht nur das Drehbuch. Sie führte auch Regie und spielt sich selbst in dem Film, den sie der Suche nach der Persönlichkeit ihrer Mutter widmet. Der Streifen schlug so stark ein, dass online sofort Raubkopien erschienen. Die Mitschnitte aus Kinos sind in miserabler Tonqualität mit Schatten von Zuschauern, die durchs Bild huschen.   

Eine Reise in die Vergangenheit

Die Story erzählt einen Trip zurück in die Vergangenheit. Jia Ling fällt buchstäblich vom Himmel auf die Erde hinab. Sie findet sich im China von 1981 wieder, gibt sich als Cousine bei der Mutter aus und wird so deren Vertraute. Jia will ihr Leben verbessern, versucht gar die noch unverheiratete Jungarbeiterin “mit einer guten Partie” zu verkuppeln.  

Das geht nicht ohne komische Komplikationen ab. Trotz seiner Slapstick-Einlagen ist der Film für europäischen Geschmack zu gefühlsduselig. Er drückt mit der dick aufgetragenen Hommage an die Mutter auf die Tränendrüsen. Das macht ihn zum Riesenerfolg unter jungen Chinesinnen aus den Generationen der in den 1990er- und 2000er Geborenen. Der britische “Guardian” schreibt, dass er ihren Nerv trifft, weil er eine Debatte über die Rolle der Frauen, über die Mutter- und Elternschaft ausgelöst hat. 

Aufbruchstimmung der Achtziger

Der Erfolg hat noch andere Väter. “Hi, Mom!” weckt mit dem Blick zurück bei den Eltern der Millenials, vor allem bei den über 50-Jährigen, nostalgische Gefühle an die “goldenen” achtziger Jahre. Jia fällt mitten hinein in die Aufbruchsstimmung nach der Kulturrevolution, dass es von nun an in China besser, freier und individueller zugeht und die Menschen auf dem Weg zu neuen Ufern sind. 

An diese Vorstellungen knüpfen viele Einblendungen an. Die Menschen genießen einfache Freuden. Nachbarn treffen sich vor dem ersten privat erworbenen Schwarz-Weiß-Fernseher, den Jia ihrer Mutter beschafft. Sie kauft ihr auch Kinokarten für ein arrangiertes Rendezvous, das aber missglückt. Im Kino läuft da gerade “Lushanlian”, Chinas erster Film, der sich traut, eine Kuss-Szene zu zeigen. Alles ist voller Farbtupfer, so wie das bunte Kleid der Mutter, die heraussticht aus der Schar der Fabrikarbeiter, die noch in der einfarbigen “Mao”-Kluft mit ihren Drillichhosen daherkommen.  

Ein Kinofilm zur inneren Flucht vor der Propaganda

Für junge Chinesen, denen Beijings schrille Propaganda mit nationalistischen Untertönen eintrichtert, dass sie in einem Land leben, dessen Zukunft als Weltmacht ausgemachte Sache ist, sind das fremde Bilder. Für ihre Elterngenerationen aber verstärkt der Film die seit wenigen Jahren in Mode gekommene Nostalgie für die Achtziger Jahre. Viele sind auf der inneren Flucht vor der Penetranz, mit der Chinas heutige Führung ihnen die “neue Ära des Sozialismus unter Xi Jinping” als “ihren Traum” aufdrängt. 

In Blogs und WeChat wird auffällig gefragt: “Warum denken Chinesen an die Achtziger Jahre zurück?” (为什么中国人开始怀念八十年代?). Freimütige Antworten werden rasch geteilt – oft im Katz- und Mausspiel mit der Zensur: “Die 1980er Jahre waren ein Zeitalter von Feuerwerk und Dichtkunst, von Offenheit und Toleranz, voll echter Gefühle und eine Ära des freien und nicht eingeschränkten Denkens.” Alles sei im Aufbruch-Modus gewesen, von der Kunst, Musik, den Filmen bis zur Literatur. Unter den Dutzenden aufgezählten Autoren werden auch Namen von heute offiziell geschmähten und verfemten Verfassern genannt. Etwa der Dichter Beidao, oder Fang Fang, die gerade ihr auf Chinas Index stehendes “Wuhaner Tagebuch” schrieb.  

Drei Begriffe hätten die Achtziger geprägt: “Jung, aufrichtig und unschuldig.” (年轻、真诚、单纯). Daran fehle es heute, kritisiert ein Blogger unter dem Pseudonym Nuipi Mingming, aus dessen Essay ein aufsässiger Geist blitzt: In seiner Hommage auf Chinas Rockstar Cui Jian, der zum spirituellen Jugendsymbol der achtziger Jahre wurde, schreibt er: “Im Vergleich zu den 1980er Jahren ist unser Zeitalter öde und langweilig, wird immer mehr materialistisch und utilitaristisch. Menschen mit Courage werden weniger, Realisten nehmen zu. Rebellische Geister nehmen ab.  Kniefällige, Schmeichler und Claqueure nehmen zu. Weniger werden nur die, die darüber nachdenken.”

Freies Denken? Unerwünscht!

Die Achtziger Jahre werden verklärt, wendet der kritische Politologe Zhang Lifan ein: “Nostalgische Erinnerungen bringen uns nicht zu ihnen zurück”. Ausrufe wie: “Was haben wir ein Glück gehabt, jene Zeit miterlebt zu haben,”  höre er oft von Intellektuellen und Menschen aus der Generation der 50- bis 65-Jährigen, sagt der literarische Übersetzer und deutsch-chinesische Kulturmittler Michael Kahn-Ackermann, der in Nanjing lebt. Und dazu die stolzen Worte, sie seien die Letzten, die eigenständig denken. Beijing habe daraus seine Schlussfolgerungen gezogen. Staat und Partei konzentrierten sich vor allem auf eine verstärkte ideologische Erziehung der Jungen: Vom Kindergarten bis zur Uni.   

Der komödiantische Rührfilm, der die Tochterliebe für die Mutter thematisiert, passt – ob gewollt oder ungewollt – zur Nostalgie vieler Intellektueller über die Anfangszeiten der chinesischen Reformen und ihren damaligen Sehnsüchten und Hoffnungen. Auch, weil er das tut, ist “Hi, Mom” mehr als nur ein Kassenschlager.   

  • Filmindustrie
  • Kultur

Dessert

Um in den Genuss eines All-You-Can-Eat-Sushi-Menüs zu kommen, haben Dutzende Menschen in Taiwan ihren Namen ändern lassen. Auslöser war die Werbeaktion einer Sushi-Restaurantkette. Sie hatte verkündet jeder, der “Gui Yu”, die chinesischen Zeichen für Lachs, im Namen trage, bekomme bei ihr ein Mahl, bei dem er und fünf seiner Freunde so viel essen dürften, wie sie wollten. Taiwans Bürger dürfen ihre Namen bis zu drei Mal offiziell ändern.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    Im Südchinesischen Meer ist das Säbelrasseln hingegen nicht mehr nur verbal. Anfang 2021 hat Frankreich dort Manöver abgehalten. Auch Deutschland und Großbritannien planen, die Präsenz vor Ort zu erhöhen, um China einzudämmen. Wie sich das in die deutsche Indo-Pazifik-Strategie einfügt, zeigt Christiane Kühl. Auch die EU hat für April eine Strategie für die Region angekündigt.

    Angesichts der Corona-Pandemie mag es erstaunen, doch 2020 war ein Boomjahr an der Hongkonger Börse. Bei 154 Börsengängen wurden mehr als 50 Milliarden US-Dollar eingesammelt. Dabei spielen auch der US-China-Handelskrieg und ein neues US-Gesetz eine Rolle. Gregor Koppenburg und Jörn Petring haben die Hintergründe.

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    Analyse

    Angespannte Stimmung in Alaska

    Wie kompliziert die Beziehungen zwischen China und den USA sind, zeigt allein die Reiseroute von Außenminister Antony Blinken zum Verhandlungsort, wohin er über den amerikanischen Kontinent hinweg aus Washington über Japan und Südkorea zurückgeflogen ist. Es wäre leicht für den amerikanischen Außenminister gewesen, zwei Stunden weiter nach Peking zu reisen, um dort seinen Antrittsbesuch zu machen. Stattdessen jedoch fliegt Blinken zurück nach Alaska. Er zwingt damit Außenminister Wang zu einem Acht-Stunden-Flug und empfängt ihn auf amerikanischem Boden. China muss also in die USA reisen, obwohl sich eigentlich ein neu ins Amt gekommener Amerikaner vorstellen will. Bei diesem diplomatischen Spiel jedenfalls heißt es Eins zu Null für Washington.

    Eins zu Null für Washington

    Blinken, der vor dem Treffen in Alaska seine Antrittsbesuche bei den amerikanischen Alliierten Japan und Südkorea absolviert hatte, machte bereits beim Abflug in Seoul gestern deutlich, dass die USA “keinen Konflikt suche”. Er werde jedoch immer “unsere Prinzipien, unsere Menschen und Freunde verteidigen.” Seine Sprecherin Jen Plaski wiederum betonte in Alaska, man werde über “schwierige Themen” sprechen und dabei “offen” sein. Dazu gehörten der Umgang mit der muslimischen Minderheit in Xinjiang, die Einschränkungen der Demokratie in Hongkong, die Technologiekonflikte mit Huawei, aber auch Handelsfragen.

    Dennoch sei man bereit, mit Ländern wie Russland und China “zusammenzuarbeiten, wenn dies im Interesse der USA ist.” Zu diesen Themenbereichen wiederum gehörten der Klimawandel, die Pandemie und die Frage, wie man Nordkorea überzeugen könne, abzurüsten.

    Blinken kritisiert Pekings aggressives Verhalten

    In Seoul war Blinken zuvor selbst noch deutlicher geworden: “Wir machen uns keine Illusionen über Pekings beharrliche Weigerung, sich an seine Vereinbarungen zu halten und wir haben darüber gesprochen, wie Pekings aggressives und autoritäres Verhalten die Stabilität, Sicherheit und Prosperität im Indo-Pazifik herausfordert”, sagte Blinken vor seiner Abreise. Die USA, werde “China, wenn nötig, zurückdrängen, wenn das Land Zwang oder Aggressivität einsetzt, um seinen Weg durchzusetzen.” Damit hält sich Blinken nicht an eine diplomatische Gepflogenheit, dass man in Gastländern nichts aus den Gesprächen über ein Drittland verlauten lässt.

    Blinken zeigt damit, wie schwierig die Beziehungen mit China und Asien insgesamt sind. Denn mit dieser Äußerung setzt er seinen Alliierten, den südkoreanischen Präsidenten Moon Jae-in öffentlich unter Druck. Südkorea versucht sowohl sehr gute Beziehungen zu Peking, als auch zu Washington zu unterhalten.

    Südkorea bezieht nicht klar Position

    Moon war dann auch nur sehr wage und indirekt, als es um Kritik in Richtung Peking nach dem Gespräch mit Blinken ging: Mit den USA “teile man die Werte der Demokratie und der Menschenrechte.” Gleichzeitig begrüßte Moon, die Rückkehr eines “Denkens in Allianzen” und freue sich auf “die Führungskraft der Amerikaner inmitten großer Krisen.”

    Zhao Lijian der Sprecher, des chinesischen Außenministeriums antwortete prompt auf Blinkens Ausführungen: “Es sei kein Raum für Kompromisse bei Themen, die die Sicherheit, die Souveränität und die Kerninteressen Chinas betreffen.”

    Währenddessen gab sich Cui Tiankai, der chinesische Botschafter in Washington, vorsichtig optimistisch: “Selbstverständlich erwarten wir nicht, dass eine Dialogrunde alle schwierigen Fragen zwischen China und den USA lösen wird”, sagte er.

    Man habe keine überzogenen Erwartungen an das Treffen. Seine Hoffnung sei jedoch, “dass ein Dialog in Gang kommen könnte, der offen, konstruktiv und realistisch ist.”

    Während sich der chinesische Außenminister im Vorfeld des Treffens mit Blinken nicht äußerte, bezog dieser nicht nur in Seoul, sondern auch in Tokio ausführlich zu China Stellung. Im japanischen Fernsehen Nippon TV äußerte sich Blinken allerdings differenziert und zugleich dezidiert.

    Blinken nimmt in Japan kein Blatt vor den Mund

    Die Beziehungen zu China seien “sehr komplex” sie hätten ihre “gegnerischen Aspekte, ihre Wettbewerbs-Aspekte und Aspekte der Zusammenarbeit”. Bei allen diesen Bereichen müsse die USA sicherstellen, dass sie “aus einer Position der Stärke agiere.”

    Die Stärke basiere auf Allianzen und Solidarität “weil das eine einzigartige Stärke ist, die wir haben und China nicht: die Kooperation mit gleichgesinnten Ländern”.

    Aber auch Peking senkt die Hörner zum ersten großen Stierkampf in Anchorage. Am vergangenen Mittwoch bereits kritisierte Jiang Duan die Menschenrechtslage in den USA. Covid-19 hätte “Hunderttausende Menschen das Leben gekostet”. Hinzu kämen rassistische Diskriminierung, die Brutalität der Polizei und eine “teuflische Vergangenheit eines Völkermordes.”

    Vier erfahrene Verhandler in Alaska

    Die Chinesen treffen auf ein erfahrenes amerikanisches Team: Blinken war bereits zwischen 2009 und 2013 Nationaler Sicherheitsberater von Vizepräsident Joe Biden. Jake Sullivan war unter Außenministerin Hillary Clinton Vizepersonalchef. Er beriet sie unter anderem bei den Nukleargesprächen mit dem Iran, bei denen ihn vor allem der damalige deutsche SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier und sein chinesischer Counterpart Wang Yi gemeinsam die amerikanische Regierung davon überzeugen konnten, die Sanktionen gegen den Iran aufzuheben. Dies wurde später von US-Präsident Donald Trump rückgängig gemacht.

    Blinkens Vorgänger Pompeo hingegen hatte überhaupt nur ein Jahr als CIA-Chef internationale Einblicke, bevor er Außenminister wurde, aber keinerlei Erfahrungen im diplomatischen Geschäft.

    Wang Yi wiederum ist seit acht Jahren Außenminister. Das Politbüromitglied Yang Yiechi gilt zudem als der chinesische Politiker mit der längsten Erfahrung im Umgang mit dem Westen. Er studierte bereits während der Kulturevolution 1971 an der London School of Economics and Political Science und war insgesamt 13 Jahre Botschafter in den USA.

    Das bedeutet: Die beiden Teams kennen sich gegenseitig lange und haben gemeinsam auch in schwierigen Verhandlungen Ergebnisse erzielen können. Insofern kann man davon ausgehen, dass die Beteiligten anders als Donald Trump pragmatisch handeln.

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    Termine

    22.03.2021, 5:00-6:00 PM London Time
    Webinar, SOAS London: China’s Changing National Security Strategy under Xi Jinping. Mehr

    23.03.2021, 4:00-6:00 PM (EST)
    Webinar, Harvard Center for Chinese Studies: Modern China Lecture-Presenting the Panda: The symbolic tranfsormation of Animal to Ambassador to Advocat. Mehr

    24.03.2021, 12:30-1:45 PM (EST)
    Webinar, Harvard Center for Chinese Studies: Critical issues confronting China series – China´s Military strategy in the new era. Mehr

    26.03.2021, 9.30-14:30 Uhr
    Jahrestagung, DGO: Verflechtungen und Abhängigkeiten: China – Osteuropa – Europäische Union. Mehr

    26.03.2021, 19:00 Uhr
    Kultursalon, KI Paderborn: Tik Tok – Eine Erfolgsgeschichte. Anmeldung

    29.03.2021, 10:00-11:00 AM (EST)
    Webinar, Harvard Center for Chinese Studies: Northern Europe´s response to China´s Belt and Road Initiative. Mehr

    30.03.2021, 10:00-11:15 Uhr
    Diskussion, Handelskammer Hamburg: Neuordnung von Lieferketten in Asien – Ist Taiwan “die” Alternative? Anmeldung

    Fregatten nach Fernost: Westliche Strategien für den Indopazifik

    Im August wird die Fregatte “Bayern” aus Wilhelmshaven nach Fernost aufbrechen. Auf der Reise soll das Schiff das Südchinesische Meer passieren. Frankreich hatte im Februar ein Atom-U-Boot in die Region geschickt und hielt dort Manöver mit den USA und Japan ab. Großbritannien will Ende 2021 den Flugzeugträger HMS Queen Elizabeth für ein paar Monate in den Indopazifik schicken. Auch US-Kriegsschiffe sind regelmäßig im Südchinesischen Meer unterwegs, etwa im Rahmen der amerikanischen Operation “Freedom of Navigation”, Freiheit der Seefahrt. Von den US-Schiffen wird sich die “Bayern” ebenso fernhalten wie von der Zwölf-Seemeilen-Zone um die von China kontrollierten Inseln in dem Gewässer. Es sind vorsichtige erste Schritte im Indopazifik, in dem die Bundeswehr bisher nicht aktiv war.

    Bei aller Vorsicht signalisiert die Reise der “Bayern” aber ebenso wie der Einsatz der Schiffe anderer Nationen eine größere Bereitschaft Europas, in der Region Präsenz zu zeigen, auch gemeinsam. 2020 hatte Deutschland – ebenso wie Frankreich und die Niederlande – erstmals eine Indo-Pazifik-Strategie vorgelegt. Gemeinsam mit Frankreich will Deutschland laut dem Papier die geplante EU-Strategie für den Indopazifik erarbeiten.

    Das deutsche Indo-Pazifik-Papier ist eher breit gefasst: Zu den deutschen Interessen zählen demnach etwa Frieden und Sicherheit, die Vertiefung regionaler Beziehungen, offene Schifffahrtsrouten, Freihandel und sogar Klimaschutz. Konkret will Deutschland die Kooperation mit dem südostasiatischen Staatenbund ASEAN intensivieren – etwa durch Unterstützung der Verhandlungen über einen rechtsverbindlichen Verhaltenskodex zwischen China und den ASEAN-Mitgliedstaaten für das Südchinesische Meer.

    Die USA schreiben der Region seit Jahren eine wachsende Bedeutung zu, beginnend mit der “Hinwendung nach Asien” (“pivot to Asia”) unter Präsident Barack Obama. Die Trump-Regierung brachte 2017 eine Indo-Pazifik-Strategie heraus, die sich für “freie und offene Seewege” und gegen “Zwangsmaßnahmen individueller Länder” richtet – ein Ausdruck, den US-Beamte und auch Präsident Joe Biden oft im Zusammenhang mit China verwenden. Biden wird an der Strategie wohl festhalten. Er kündigte an, die US-Präsenz in Ost- und Südostasien strategisch neu aufzustellen – und schloss auch eine weitere Aufrüstung nicht aus.

    Verteidigung der “regelbasierten Ordnung” gegenüber China

    Das wichtigste Schlagwort der Strategien ist die Verteidigung einer “regelbasierten Ordnung” in der Region. Dazu gehört etwa die UN-Konvention über Seerecht (United Nations Convention on the Law of the Sea/UNCLOS). Der Elefant im Raum ist dabei – ungenannt – China. Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) legte allerdings vergangene Woche auf Twitter nahe, dass Einsätze der Bundeswehr in der Region durchaus mit der Eindämmung Chinas zu tun haben. Schon 2019 hatte Kramp-Karrenbauer in einer Rede vor Studenten der Bundeswehr-Universität in München betont: “Unsere Partner im Indopazifischen Raum – allen voran Australien, Japan und Südkorea, aber auch Indien – fühlen sich von Chinas Machtanspruch zunehmend bedrängt. Sie wünschen sich ein klares Zeichen der Solidarität.”

    Das sind durchaus neue Töne. In der Vergangenheit habe Deutschland dazu geneigt, den Indopazifik aus einer geografischen Perspektive zu betrachten, sagt Helena Legarda, Expertin für Chinas Sicherheits- und Außenpolitik beim Mercator Institute for China Studies (MERICS) zu China.Table. “Und diese Region schien sehr weit weg zu sein. Es gibt in Deutschland also einen neuen Ansatz und ein neues Verständnis für die Bedeutung dieser Region.”

    Der größte Brennpunkt dort ist derzeit das Südchinesische Meer. China beansprucht praktisch das gesamte Gewässer. Auch Brunei, Indonesien, Malaysia, die Philippinen und Vietnam reklamieren teils überlappende Teile des Seegebiets für sich. Allen geht es dabei nicht zuletzt um reiche Fischereigründe und Rohstoffvorkommen. Die USA sehen Pekings Gebietsansprüche als illegal an und haben in der Vergangenheit bereits wiederholt Kriegsschiffe in das Gewässer entsandt, die manchmal von chinesischen Schiffen beschattet wurden.

    China: Keine Kompromisse bei Fragen der Souveränität

    China agiert in der Region derweil zunehmend selbstbewusst und nagt stückchenweise am Status Quo. So lässt Peking Riffe zu künstlichen Inseln aufschütten und errichtet darauf Militäranlagen. Peking lässt keinen Zweifel daran, dass es diese Inselchen verteidigen will. “Chinas neues Küstenwachen-Gesetz gibt der Küstenwache viel mehr Befugnisse, Chinas Gebietsansprüche durchzusetzen und gestattet es ihr, auf Schiffe in umstrittenen Gewässern zu schießen”, sagt Legarda. China zähle das Südchinesische Meer zu seinen “Kerninteressen”.

    Legarda glaubt nicht, dass China einen Krieg provozieren will. “Aber es könnte auf verschiedene Weise einfach passieren – etwa durch Unfälle, Fehlkalkulationen oder Maßnahmen Chinas, die zu Vergeltungsmaßnahmen durch andere führen.” Die Situation ist kompliziert, da es keine klare Lösung gibt. “Möglicherweise werden einmal Kompromisse zu gemeinsamen Rohstofferkundungen oder Fischereien gefunden”, sagt Legarda. “Aber wenn es um die Souveränität geht, sehe ich keine Bereitschaft Chinas zum Kompromiss.”

    Das gilt auch für Taiwan. Peking sieht die Insel als untrennbaren Teil der Volksrepublik China an und hat eine gewaltsame Wiedervereinigung nie ausgeschlossen. Die USA verkaufen Taipeh Verteidigungswaffen und schicken regelmäßig Schiffe durch die Taiwanstraße, zuletzt das Kriegsschiff “USS John Finn”. Der für den Asien-Pazifik-Raum zuständige US-Admiral Philip Davidson warnte gar vor einem chinesischen Angriff auf Taiwan bis 2027.

    Peking fürchtet Allianzen in der Region

    Dass sich neben den Amerikanern nun auch die Europäer in der Region engagieren, hat aus Sicht der Anrainerstaaten durchaus Gewicht. “Wenn die Europäer ihre Fähigkeit und Bereitschaft unter Beweis stellen, im Indo-Pazifik als Seemacht aufzutreten, hat China keine andere Wahl, als seine Einsatzpläne in Bezug auf Taiwan und das Südchinesische Meer zu ändern”, kommentiert etwa Hiroyuki Akita in der japanischen Zeitschrift Nikkei Asia. “Das chinesische Militär muss davon ausgehen, dass Großbritannien, Frankreich und Deutschland sowie Japan und Australien die US-Streitkräfte im Falle eines Konflikts in irgendeiner Form unterstützen werden.” Dies würde die Entscheidungsschwelle für chinesische Militärabenteuer erhöhen, glaubt Akita.

    Genau diese Zusammenarbeit möchte Peking daher verhindern. “Eine der größten Sorgen Pekings ist das Potenzial einer Koalition westlicher Staaten, die gemeinsam China konfrontieren oder seinen Aufstieg eindämmen wollen”, sagt Legarda. “Dies ist einer der Gründe, warum China immer wieder die strategische Unabhängigkeit der EU betont.” Auch das Militär der Anrainerstaaten – Indien, Japan oder Südkorea – sei stärker als gemeinhin angenommen, schreibt Salvatore Babones vom Centre for Independent Studies in Sydney in der US-Fachzeitschrift Foreign Policy. “Die USA können Gerät, Technologie oder Ausbildungen anbieten”, so Babones. “Aber Chinas Nachbarn können und sollten die Führung übernehmen, um ihre eigene Nachbarschaft zu schützen.” Ein unaufhaltsames Vordringen Chinas ist also keineswegs ausgemacht. ck

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    Hongkong: Weniger Demokratie, mehr Börsengänge

    Der Crackdown gegen die Hongkonger Demokratie-Bewegung hat viele Hongkonger hart getroffen. Einige Umfragen kommen zu dem Ergebnis, dass Hunderttausende wegen Pekings harter Hand auswandern wollen oder zumindest darüber nachdenken. Keinen negativen Einfluss hat das politische Dauerbeben dagegen bislang an der Hongkonger Börse. Im Gegenteil: Trotz des neuen Sicherheitsgesetzes, das im vergangenen Juni verabschiedet wurde, sammelte Hongkongs Börsenbetreiber HKEX 2020 so viel Geld wie seit 2010 nicht mehr ein. Bei 154 Börsengängen konnten die Firmen demnach 51,3 Milliarden US-Dollar einsammeln

    Die Unternehmensberatung KPMG geht davon aus, dass die asiatische Finanzmetropole auch in diesem Jahr eine “führende Position” bei neuen Börsengängen einnehmen wird. Unternehmen, die an die Börse wollen, argumentierten teilweise ganz anders als die Hongkonger Protestbewegung. Denn ein Großteil der Firmen, die an der Hongkonger Börse gelistet sind, stammen vom chinesischen Festland. Die wiederum sehen in dem neuen Sicherheitsgesetz keine Gefahr, sondern vielmehr eine Rückversicherung, dass für sie in Hongkong stabile Verhältnisse herrschen. Viel größere Sorgen bereitet ihnen dagegen die Unsicherheit im Verhältnis Chinas zu den USA. 

    Vor allem Chinas erfolgreiche Tech-Firmen bevorzugen Börsennotierungen in Hongkong, seit ihnen in den USA immer mehr Misstrauen entgegenschlägt. Nicht nur die scharfen Attacken von Ex-Präsident Donald Trump, sondern auch ein im vergangenen Dezember in Kraft getretenes neues Gesetz lassen die Chinesen aufhorchen. 

    Der Holding Foreign Companies Accountable Act wurde zwar für alle ausländischen Unternehmen geschrieben, nimmt aber insbesondere chinesische Firmen ins Visier. Demnach sollen Unternehmen bestätigen, dass sie sich “nicht im Besitz oder unter der Kontrolle einer ausländischen Regierung” befinden. Zudem sollen sie ihre Geschäftsbücher für die Börsenaufsichtsbehörde öffnen. Andernfalls würden Unternehmen nicht mehr gelistet werden.

    Angst vor den USA

    Die Debatte um die verschärfte Prüfung chinesischer Unternehmen hat in den USA auch wegen des Skandals um den chinesischen Starbucks-Konkurrenten Luckin Coffee Hochkonjunktur. Im vergangenen April hatte das chinesische Unternehmen zugeben müssen, Bilanzen gefälscht zu haben, worauf es von der Nasdaq ausgeschlossen wurde.

    Viele Beobachter in China vermuten spätestens seit dem Ausbruch des Handelskriegs, dass es bald vorbei sein könnte mit dem Zugang zum amerikanischen Kapitalmarkt. Der in New York notierte E-Commerce-Konzern Alibaba hatte vorsorglich bereits im Herbst 2019 einen Ausweichplatz in Hongkong gefunden und bei einem Zweitlisting 13 Milliarden Dollar eingesammelt.

    Zuletzt zogen auch die chinesischen Tech-Riesen Jd.com und NetEase mit Zweitnotierungen nach. Sie sammelten zusammen 6,6 Milliarden Dollar in Hongkong ein. Chinesische Firmen überlegen es sich derzeit zweimal, ob sie noch ein Risiko in New York eingehen wollen. Für Investmentbanker in Hongkong ist das eine gute Nachricht. 

    Weitere Börsengänge geplant

    So zeichnet sich auch für die kommenden Monate eine ganze Reihe weiterer Börsengänge ab. Anfang März erhielt der chinesische Suchmaschinen-Anbieter Baidu die Genehmigung für eine Zweitnotierung in Hongkong, bei der umgerechnet 3,5 Milliarden US-Dollar eingenommen werden sollen. Bisher ist Baidu nur in New York gelistet, genau wie die drei größten chinesischen E-Auto-Startups Nio, Li Auto und Xpeng. Nach einem Bericht von Reuters will auch dieses Trio so schnell es geht zusätzlich in der Sonderverwaltungsregion an die Börse.

    Doch dass auch in Hongkong für chinesische Firmen Risiken lauern, musste im vergangenen Jahr die Alibaba-Tochter Ant Group schmerzhaft erfahren. Nachdem Unternehmensgründer Jack Ma in einer Rede die Defizite des chinesischen Finanzsystem anprangerte, ließ Peking den damals potentiell größten Börsengang des Jahres kurzerhand platzen. Insofern sehen chinesische Firmen in Hongkong kein neues Paradies, sondern lediglich die derzeit im Vergleich sicherere Alternative. Gregor Koppenburg/Jörn Petring

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    China beginnt Prozess gegen inhaftierte Kanadier

    In China beginnt heute das Gerichtsverfahren gegen zwei wegen Spionage-Vorwürfen inhaftierte Kanadier. Kanadas Außenminister Marc Garneau erklärte, die Botschaft in Peking sei “darüber informiert worden, dass Gerichtsverhandlungen für Michael Spavor und Michael Kovrig am 19. und 22. März stattfinden sollen“. Die beiden Kanadier sind seit Dezember 2018 inhaftiert und wurden im Juni letzten Jahres wegen Spionage angeklagt. “Wir glauben, dass diese Inhaftierungen willkürlich sind und sind nach wie vor zutiefst besorgt über die mangelnde Transparenz dieser Verfahren”, sagte Garneau. Kanadische Beamte unterstützten Spavor und Kovrig sowie deren Familien während “dieser inakzeptablen Tortur” konsularisch, so Kanadas Außenminister.

    Chinesische Behörden werfen Kovrig, einem ehemaligen kanadischen Diplomaten, der für die International Crisis Group (ICG) arbeitete, vor, seit 2017 sensible Informationen in China gestohlen zu haben. Spavor, ein in Peking ansässiger Geschäftsmann, wird vorgeworfen, Kovrig Informationen zur Verfügung gestellt zu haben.

    Beobachter werteten die Festsetzung der beiden Kanadier als eine Vergeltungsmaßnahme für die zuvor in Vancouver erfolgte Festnahme der Finanzchefin des Huawei-Konzerns, Meng Wanzhou. Gegen sie lag ein US-Haftbefehl vor, weil sie Banken gegenüber falsche Angaben über den Verkauf von Kommunikationstechnologie an den Iran gemacht haben soll. Meng, deren Auslieferungsverhandlung Medienberichten zufolge derzeit läuft, ist seit 2018 in Vancouver unter Hausarrest gestellt.

    Der Beginn des Prozesses gegen Spavor fällt mit einem ersten hochrangigen Treffen zwischen Vertretern der USA und China in Alaska zusammen. ari

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    SMIC plant Milliarden-Investition in Halbleiter-Fabrik

    Der chinesische Halbleiterhersteller Semiconductor Manufacturing International Corporation (SMIC) plant, 1,95 Milliarden Euro in eine neue Chip-Fabrik zu investieren, wie Bloomberg berichtet. Das Unternehmen ist dazu ein Joint Venture mit der Stadt Shenzhen eingegangen, die zur Finanzierung der Fabrik beitragen wird. Die Produktion soll 2022 starten und 28-Nanometer-Halbleiterchips umfassen. Diese Technologie ist schon recht alt. TSMC aus Taiwan fertigt schon 5nm-Chips in Serie. 28nm-Chips werden derzeit beispielsweise noch im Autobau verwendet.

    Im jüngst veröffentlichten Fünfjahresplan hat Peking den Ausbau der Chip-Industrie als wesentliches Ziel festgehalten, um die Abhängigkeit von externen Chip-Herstellern zu verringern. Unter dem ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump wurden mehrere chinesische Firmen, darunter auch SMIC, auf eine Schwarze Liste gesetzt und von US-amerikanischen Zulieferern abgeschnitten. Das erschwerte es auch, Maschinen zur Herstellung von Chips zu kaufen.

    In der neuen SMIC-Fabrik sollen nach Angaben von Bloomberg auch Silizium-Wafer hergestellt werden – ein grundlegender Rohstoff in der Halbleiterfertigung. Laut chinesischen Industrievertretern ist die Wafer-Herstellung einer der Bereiche in Chinas Halbleiter-Lieferkette, der die geringste lokale Produktion aufweist. Insgesamt ist China im Chip-Bereich noch sehr abhängig vom Ausland. Im letzten Jahr wurden nur knapp 16 Prozent der in China verkauften Chips im Inland produziert. nib

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    Standpunkt

    Hi, Mom – Chinas goldene achtziger Jahre

    Von Johnny Erling
    Ein Bild von Johnny Erling aus dem Jahre 2017

    China hat einen neuen Straßenfeger. Seit dem Frühlingsfest räumt der Kinofilm “Hi, Mom!” (你好, 李焕英) die Kinokassen im Land ab. Sie spielte bis vergangenen Dienstag in kaum fünf Wochen 5,27 Milliarden Yuan ein (rund 700 Millionen Euro) und soll international vertrieben werden.   

    Der Film beginnt mit einer Rückblende auf einen schweren Verkehrsunfall vor 20 Jahren. Seine Hauptfigur Li Huanying radelt mit ihrer Tochter Jia Ling auf dem Rücksitz, als sie von einem Lastwagen erfasst werden. Die Mutter stirbt.

    “Hi, Mom!” beruht auf einer wahren Geschichte. Tochter Jia Ling war 19 Jahre alt, als ihre Mutter 2001 verunglückte. Die in China für ihre Sketche und Klamauk gefeierte Bühnenkünstlerin schrieb nicht nur das Drehbuch. Sie führte auch Regie und spielt sich selbst in dem Film, den sie der Suche nach der Persönlichkeit ihrer Mutter widmet. Der Streifen schlug so stark ein, dass online sofort Raubkopien erschienen. Die Mitschnitte aus Kinos sind in miserabler Tonqualität mit Schatten von Zuschauern, die durchs Bild huschen.   

    Eine Reise in die Vergangenheit

    Die Story erzählt einen Trip zurück in die Vergangenheit. Jia Ling fällt buchstäblich vom Himmel auf die Erde hinab. Sie findet sich im China von 1981 wieder, gibt sich als Cousine bei der Mutter aus und wird so deren Vertraute. Jia will ihr Leben verbessern, versucht gar die noch unverheiratete Jungarbeiterin “mit einer guten Partie” zu verkuppeln.  

    Das geht nicht ohne komische Komplikationen ab. Trotz seiner Slapstick-Einlagen ist der Film für europäischen Geschmack zu gefühlsduselig. Er drückt mit der dick aufgetragenen Hommage an die Mutter auf die Tränendrüsen. Das macht ihn zum Riesenerfolg unter jungen Chinesinnen aus den Generationen der in den 1990er- und 2000er Geborenen. Der britische “Guardian” schreibt, dass er ihren Nerv trifft, weil er eine Debatte über die Rolle der Frauen, über die Mutter- und Elternschaft ausgelöst hat. 

    Aufbruchstimmung der Achtziger

    Der Erfolg hat noch andere Väter. “Hi, Mom!” weckt mit dem Blick zurück bei den Eltern der Millenials, vor allem bei den über 50-Jährigen, nostalgische Gefühle an die “goldenen” achtziger Jahre. Jia fällt mitten hinein in die Aufbruchsstimmung nach der Kulturrevolution, dass es von nun an in China besser, freier und individueller zugeht und die Menschen auf dem Weg zu neuen Ufern sind. 

    An diese Vorstellungen knüpfen viele Einblendungen an. Die Menschen genießen einfache Freuden. Nachbarn treffen sich vor dem ersten privat erworbenen Schwarz-Weiß-Fernseher, den Jia ihrer Mutter beschafft. Sie kauft ihr auch Kinokarten für ein arrangiertes Rendezvous, das aber missglückt. Im Kino läuft da gerade “Lushanlian”, Chinas erster Film, der sich traut, eine Kuss-Szene zu zeigen. Alles ist voller Farbtupfer, so wie das bunte Kleid der Mutter, die heraussticht aus der Schar der Fabrikarbeiter, die noch in der einfarbigen “Mao”-Kluft mit ihren Drillichhosen daherkommen.  

    Ein Kinofilm zur inneren Flucht vor der Propaganda

    Für junge Chinesen, denen Beijings schrille Propaganda mit nationalistischen Untertönen eintrichtert, dass sie in einem Land leben, dessen Zukunft als Weltmacht ausgemachte Sache ist, sind das fremde Bilder. Für ihre Elterngenerationen aber verstärkt der Film die seit wenigen Jahren in Mode gekommene Nostalgie für die Achtziger Jahre. Viele sind auf der inneren Flucht vor der Penetranz, mit der Chinas heutige Führung ihnen die “neue Ära des Sozialismus unter Xi Jinping” als “ihren Traum” aufdrängt. 

    In Blogs und WeChat wird auffällig gefragt: “Warum denken Chinesen an die Achtziger Jahre zurück?” (为什么中国人开始怀念八十年代?). Freimütige Antworten werden rasch geteilt – oft im Katz- und Mausspiel mit der Zensur: “Die 1980er Jahre waren ein Zeitalter von Feuerwerk und Dichtkunst, von Offenheit und Toleranz, voll echter Gefühle und eine Ära des freien und nicht eingeschränkten Denkens.” Alles sei im Aufbruch-Modus gewesen, von der Kunst, Musik, den Filmen bis zur Literatur. Unter den Dutzenden aufgezählten Autoren werden auch Namen von heute offiziell geschmähten und verfemten Verfassern genannt. Etwa der Dichter Beidao, oder Fang Fang, die gerade ihr auf Chinas Index stehendes “Wuhaner Tagebuch” schrieb.  

    Drei Begriffe hätten die Achtziger geprägt: “Jung, aufrichtig und unschuldig.” (年轻、真诚、单纯). Daran fehle es heute, kritisiert ein Blogger unter dem Pseudonym Nuipi Mingming, aus dessen Essay ein aufsässiger Geist blitzt: In seiner Hommage auf Chinas Rockstar Cui Jian, der zum spirituellen Jugendsymbol der achtziger Jahre wurde, schreibt er: “Im Vergleich zu den 1980er Jahren ist unser Zeitalter öde und langweilig, wird immer mehr materialistisch und utilitaristisch. Menschen mit Courage werden weniger, Realisten nehmen zu. Rebellische Geister nehmen ab.  Kniefällige, Schmeichler und Claqueure nehmen zu. Weniger werden nur die, die darüber nachdenken.”

    Freies Denken? Unerwünscht!

    Die Achtziger Jahre werden verklärt, wendet der kritische Politologe Zhang Lifan ein: “Nostalgische Erinnerungen bringen uns nicht zu ihnen zurück”. Ausrufe wie: “Was haben wir ein Glück gehabt, jene Zeit miterlebt zu haben,”  höre er oft von Intellektuellen und Menschen aus der Generation der 50- bis 65-Jährigen, sagt der literarische Übersetzer und deutsch-chinesische Kulturmittler Michael Kahn-Ackermann, der in Nanjing lebt. Und dazu die stolzen Worte, sie seien die Letzten, die eigenständig denken. Beijing habe daraus seine Schlussfolgerungen gezogen. Staat und Partei konzentrierten sich vor allem auf eine verstärkte ideologische Erziehung der Jungen: Vom Kindergarten bis zur Uni.   

    Der komödiantische Rührfilm, der die Tochterliebe für die Mutter thematisiert, passt – ob gewollt oder ungewollt – zur Nostalgie vieler Intellektueller über die Anfangszeiten der chinesischen Reformen und ihren damaligen Sehnsüchten und Hoffnungen. Auch, weil er das tut, ist “Hi, Mom” mehr als nur ein Kassenschlager.   

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    Dessert

    Um in den Genuss eines All-You-Can-Eat-Sushi-Menüs zu kommen, haben Dutzende Menschen in Taiwan ihren Namen ändern lassen. Auslöser war die Werbeaktion einer Sushi-Restaurantkette. Sie hatte verkündet jeder, der “Gui Yu”, die chinesischen Zeichen für Lachs, im Namen trage, bekomme bei ihr ein Mahl, bei dem er und fünf seiner Freunde so viel essen dürften, wie sie wollten. Taiwans Bürger dürfen ihre Namen bis zu drei Mal offiziell ändern.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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