am kommenden Sonntag jährt sich das Tian’anmen-Massaker. US-Fotograf Jeff Widener war 1989 in Peking, als sich die gewaltsame Niederschlagung der Studenten-Proteste anbahnte. Ihm gelang dort ein Foto, das in die Geschichte einging: Er lichtete den “Tank Man” ab. Mit Fabian Peltsch spricht Widener über die Entstehung der ikonischen Aufnahme und wie er die dramatischen Tage in Peking damals wahrgenommen hat.
Volkswagen wird voraussichtlich auf den Druck von Großanlegern, Menschenrechtsaktivisten und Politik reagieren und demnächst ein unabhängiges Audit seines Werks in Xinjiang ankündigen. Auf seiner Hauptversammlung im Mai hatte der Konzern noch darauf hingewiesen, dass eine solche unabhängige Untersuchung nicht möglich sei.
Inzwischen gehen Investoren davon aus, dass der Autohersteller seine Haltung ändern müsse, hat Marcel Grzanna erfahren. Ob es VW tatsächlich gelungen ist, den Joint-Venture-Partner SAIC davon zu überzeugen, könnte sich am 21. Juni herausstellen.
Wann ist Ihnen klargeworden, dass Ihnen mit dem Bild von dem Mann, der sich mutig dem Panzer entgegenstellt, eine Ikone der Fotografie gelungen ist?
Als ich das Foto machte, war ich tatsächlich wütend, dass dieser Typ mit seinen zwei Einkaufstüten auf den Panzer zuging. Ich dachte: Der wird mir meine Komposition vermasseln. Ich war sicher, dass er erschossen würde, und hielt weiter drauf. Doch es passierte nichts. Als ich das Bild nach der Entwicklung zum ersten Mal sah, fand ich es ganz okay. Es war nicht so scharf. Als ich aber am nächsten Tag ins Büro kam, sagte mein Redakteur: “Jeff, du hast ein paar Nachrichten aus New York erhalten.” Es waren Glückwünsche aus der ganzen Welt. Fast alle großen Zeitungen im Vereinigten Königreich hatten das Foto auf der Titelseite. Der Präsident von Associated Press (AP) gratulierte mir. Ich erhielt eine Nachricht vom Life-Magazin, sie wollten das Bild ebenfalls groß bringen.
Das Foto hat mir im Laufe meines Lebens viele Türen geöffnet. Aber die Erkenntnis, wie ikonisch das Foto wirklich war, kam erst Jahre später. Es muss so um das Jahr 1999 gewesen sein, als ich eine Nachrichtenseite durchstöberte. Dort gab es eine Rubrik mit dem Titel “Die zehn denkwürdigsten Fotos aller Zeiten”. Und da war dann meines darunter. Es traf mich wie ein Blitzschlag. Mir war damals wirklich etwas Großartiges gelungen.
Sie waren gerade zwei Wochen in Peking, als sich die Spannung zwischen den Demonstranten und der Regierung im Frühsommer 1989 dramatisch intensivierte. Was für eine Atmosphäre herrschte auf dem Tiananmen-Platz?
Ich ging jeden Morgen bei Sonnenaufgang auf den Platz und verfolgte, wie dort die Skulptur der Göttin der Demokratie erreichtet wurde, direkt vor dem großen Porträt von Mao! Die Atmosphäre war ausgelassen, fantastisch. Es war gut organisiert. Die Leute standen Schlange, um Essen zu bekommen. Sie hatten sogar eine eigene Druckmaschine, um die Menschen über die täglichen Ereignisse auf dem Laufenden zu halten. Das war gelebte Demokratie! Ich bewunderte den Mut der Studenten. Aber ich hatte auch das Gefühl, dass viele von ihnen die Diplomatie, die mit der Demokratie einhergeht, nicht ganz verstanden. Ich meine, wie sehr kann man die chinesische Regierung und das Militär demütigen? Die Leute haben sogar das heilige Porträt von Mao mit Farbe beworfen! Es war nur eine Frage der Zeit, bis etwas passieren würde.
Meiner Meinung nach hätten sich die Studentenführer zusammensetzen sollen, um einen Konsens darüber zu finden, was sie tun und was sie aus dieser Situation herausholen wollen. Dann hätte es eine Chance gegeben, sich neu zu formieren und später ernsthafte diplomatische Verhandlungen zu führen. Es war viel Streiterei und Ego im Spiel. Und dann hat die Regierung überreagiert.
Wie war es, sich auf einmal in der Mitte der Eskalationsspirale zu befinden?
Ich erinnere mich noch lebhaft daran. Ich musste die erste Nachtschicht für AP übernehmen. Ich fuhr mit meinem Reporter Dan Biers mit dem Fahrrad los. Ich sagte ihm, dass ich ein schlechtes Gefühl hätte. Es war gegen Mitternacht auf dem Platz des Himmlischen Friedens, als ich die Demonstranten mit Stahlbarrikaden aus dem Schatten kommen sah. Sie stellten sie mitten auf die Straße, um das Vorrücken von Militärfahrzeugen zu verhindern.
Wir verließen die Hauptstraße in der Nähe der Großen Halle des Volkes. Dann hörte ich Menschen schreien und sah sie rennen. Es gab ein lautes Geräusch, so als ob die Barrikaden von etwas Großem und Schnellem getroffen werden. Dann sah ich einen militärischen Mannschaftswagen mit montierten Maschinengewehren, der von Demonstranten verfolgt wurde. Ich bin zwar ein erfahrener Kriegsfotograf, aber in diesem Moment hatte ich Todesangst.
Was passierte dann?
Ich beschloss, zurück ins Büro zu fahren. Ich hatte bereits einige großartige Bilder, und ich hatte sie exklusiv. Also nahm ich ein Fahrrad und radelte zum anderen Ende des Chang’an-Boulevards zum Diplomatenviertel, wo sich unser Büro befand. Ich sah einen brennenden Panzerwagen und wollte ein Foto machen. Das Adrenalin schoss in die Höhe. Ich habe nicht nachgedacht. Plötzlich packte jemand meinen Kameragurt und zog mich damit am Hals. Dann sah ich einen Mob um mich herum, der an mir zerrte. Sie sahen nicht wie Studenten aus. Ich dachte, sie würden mich in Stücke reißen. Ich schnappte mir meinen amerikanischen Pass, hielt ihn über meinen Kopf und schrie: “Amerikaner, Amerikaner!”
Dann kam ein Typ, der offensichtlich eine Art Anführer war, und zeigte auf einen toten Soldaten, den ich bis dahin nicht gesehen hatte. Der Typ sagte: “Mach Foto, zeig der Welt”. Ich machte ein Foto und dann – bumm – traf mich ein Betonbrocken mitten ins Gesicht. Ich sah Sterne, wie in einem Zeichentrickfilm. Dann sprang ein anderer Typ aus dem Auto und hielt die Hände hoch, um sich zu ergeben. Seine Uniform sah tadellos aus, während man den Horror in seinem Gesicht sehen konnte. Dann stürzte sich der Mob auf ihn. Und ich sprang wieder auf mein Fahrrad. Es war nicht leicht, da wieder rauszukommen. Ich musste das Fahrrad immer wieder über Barrikaden wuchten.
Das berühmte Foto des “Tank Man” entstand am nächsten Tag. Dabei hatten Sie unerwartete Hilfe von einem Austauschstudenten…
Am nächsten Tag waren überall Trümmer und Blutflecken. Als ich zurück zum Tiananmen radelte, musste ich gegen die größte Mauer der Angst ankämpfen, die ich mir vorstellen konnte. Ich fuhr zum Beijing Hotel, weil ich wusste, dass ich von dort einen guten Überblick haben würde. Aber ich wusste auch, dass die Geheimpolizei Journalisten, die ihnen ihre Fotoausrüstung nicht aushändigen wollten, mit elektrischen Viehtreibern traktierte. In der Lobby war es dunkel, die Lichter waren ausgeschaltet.
Aber da war ein Junge, ein amerikanisch aussehender Typ. Sein Name war Kirk Martsen, er war Austauschstudent. Ich ging also auf ihn zu und tat so, als würde ich ihn kennen: “Hey Joe, wo bist du gewesen? Ich habe dich gesucht.” Dann flüsterte ich: “Ich bin von AP, kannst du mich in dein Zimmer lassen, damit ich ein Foto vom Platz machen kann?”
Er brachte Sie dann auf seinen Balkon im sechsten Stock.
Von dort oben sah ich, dass der ganze Platz des Himmlischen Friedens voller Panzer war. Da waren Lastwagenladungen von Soldaten, man hörte Schüsse. Ich wusste, dass die Kugeln auch mich erreichen konnten. Nach einer Weile gingen mir die Filme aus. Ich fragte Kirk, ob er runtergehen und versuchen könnte, einen neuen für mich zu finden, denn er sah ja wie ein Student aus, und würde weniger Aufmerksamkeit erregen, er war jünger und hatte ziemlich lange Haare. Und er hat es tatsächlich geschafft, einen Film von einem Touristen zu bekommen.
Lustigerweise wurde ich von diesem Touristen vor nicht langer Zeit in einer E-Mail kontaktiert, in der er schrieb, dass er den Film damals nicht an Kirk aushändigen wollte. Aber Kirk blieb hartnäckig. Später hat er meine Filme in seiner Unterhose aus dem Hotel geschmuggelt.
Kirk Martsen spielte also eine entscheidende Rolle für die Existenz des “Tank-Man”-Motivs. Stehen Sie noch in Kontakt mit ihm?
Das ist auch eine interessante Geschichte. Nachdem all das passiert war, und ich froh war, Peking lebend verlassen zu haben, verloren wir den Kontakt. Ich wollte mich immer bei ihm bedanken. Eines Tages bekam ich dann eine E-Mail, in der stand: “Hey Jeff, ich weiß nicht, ob du dich an mich erinnerst, ich war der Typ, der deine Filme in seiner Unterhose rausgeschmuggelt hat.” Das hat mich umgehauen. Wir standen eine Zeit lang wieder in Kontakt, planten sogar, zusammen in Talkshows zu gehen.
Dann ging er zurück nach China und gründete ein Unternehmen. Danach brach er unsere Kommunikation komplett ab. Meine E-Mails blieben unbeantwortet. Das Letzte, was ich gehört habe, war, dass er sehr erfolgreich geworden ist. Er wollte die Kommunisten eben nicht verärgern.
Hatten Sie selbst jemals Probleme mit der chinesischen Regierung? Haben sie Sie wieder ins Land gelassen?
Die Regierung mag mein Foto sicher nicht. Aber ich hatte eigentlich nie Probleme, ein Visum für China zu bekommen. Ich bin Journalist, das ist mein Beruf. Ich bin kein politischer Aktivist. Ich habe eine Meinung, ja, aber ich hebe keine Steine auf, um sie auf Leute zu werfen. Ich glaube, Journalismus sollte neutral und unvoreingenommen sein. Ich war damals für einen Auftrag in Peking. Und ich kehrte nach China zurück, um dort zu arbeiten und Urlaub zu machen. Als die BBC 2009 eine Doku zum Jahrestag drehte, habe ich dort sogar meine Frau kennengelernt.
Bei manchen Gelegenheiten folgte man mir bei der Arbeit. Aber ich erinnere mich auch an eine Situation während der Olympischen Spiele in Atlanta, als eine Gruppe chinesischer Staatsjournalisten von Xinhua Fotos mit mir machen wollte! Sie waren ganz aus dem Häuschen, als sie erfuhren, dass ich das berühmte Foto des “Tank Man” gemacht hatte. Ich glaube, viele haben eine Hass-Liebe zu diesem Foto. Die Regierung versucht, es auszulöschen. Aber ich bin mir sicher, dass dieses Foto noch lange Zeit zu sehen sein wird. Es ist ein Teil der Geschichte.
Am 5. Juni 1989 fotografierte Jeff Widener (66) für Associated Press einen bis heute unbekannten Mann, der sich während der Proteste auf dem Tiananmen-Platz vor einen anrückenden Panzer der Volksbefreiungsarmee stellte. Obwohl auch andere Fotografen den Moment festhielten, wurde Wideners Bild zur Freiheitsikone und 1990 für den Pulitzer-Preis nominiert. Nach einigen Jahren in Hamburg lebt der amerikanische Fotograf heute mit seiner deutschen Frau in Mexiko-Stadt.
Bei der Hauptversammlung am 10. Mai hatte Volkswagen noch darauf hingewiesen, dass man nicht in der Lage sei, eine unabhängige Untersuchung zum VW-Werk in Xinjiang einzuleiten. Die Konzernspitze begründete das mit vertraglichen Verpflichtungen gegenüber seinem Joint-Venture-Partner SAIC. Der staatliche chinesische Produzent müsse eine solche Entscheidung mittragen. Zumal Volkswagen in dieser Partnerschaft mit SAIC in politischen Fragen nur auf dem Beifahrersitz Platz nimmt.
Doch Volkswagen will sich gegen seinen anhaltenden Reputationsverlust stemmen. Möglicherweise wird der Konzern in Kürze ein unabhängiges Audit seines Werkes in Xinjiang verkünden. Dann könnte ein international anerkanntes Unternehmen eine Prüfung des viel kritisierten Standorts im Nordwesten Chinas vornehmen. Ob es Volkswagen tatsächlich gelungen ist, SAIC von der Dringlichkeit einer solchen Untersuchung zu überzeugen, wird sich wohl am 21. Juni herausstellen. Das Unternehmen könnte seinen Capital Markets Day am Hockenheimring als Gelegenheit zur Ankündigung nutzen.
Mit einem Audit würde Volkswagen die Forderung zahlreicher Großinvestoren erfüllen und sich etwas Luft verschaffen unter dem zunehmenden Druck durch Anleger, Menschenrechtsaktivisten und die Politik. Bei der Hauptversammlung im Mai hatten mehrere Fondsgesellschaften und Uiguren-Vertreter belastbare Belege dafür gefordert, dass Volkswagen nicht von Zwangsarbeit in Xinjiang profitiere.
Die VW-Fabrik in Xinjiang wird gemeinhin als politisches Entgegenkommen des Unternehmens an die autoritär regierende Kommunistische Partei interpretiert. Der Konzern betont zwar öffentlich die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit hinter der Investition, doch das abgelegene Werk besitzt in Wahrheit keine tragende Bedeutung für die Umsätze von Volkswagen in der Volksrepublik. Im Jahr 2021 wurden von ein paar Hundert Mitarbeitern in der Fabrik nur 5.355 Fahrzeuge gebaut.
Zu den Vorwürfen möglicher Menschenrechtsverletzungen hatte China-Chef Ralf Brandstätter bei der Hauptversammlung Stellung bezogen. Um kulturellen Bedürfnissen der Belegschaft gerecht zu werden, habe das Werk “ein inklusives Arbeitsumfeld geschaffen, das religiöse Überzeugungen und unterschiedliche Kulturen respektiert”. Zum Beispiel gebe es in der Kantine Halal-Gerichte für Muslime.
Die Fondsgesellschaft Deka hat Volkswagen-Titel bereits aus seinem Nachhaltigkeitsprogramm genommen, weil der Konzern die Vorwürfe einer Verstrickung nicht stichhaltig widerlegen kann. Die Deka reagierte mit ihrer Entscheidung auf die maximale Abwertung in der Kategorie Soziales durch die Ratingagentur MSCI. Diese als Red Flag bezeichnete Warnung war für die Deka ausreichend, um Volkswagen als “nicht mehr investierbar” im Nachhaltigkeitssegment einzustufen.
Bei Union Investment ist der Evaluierungsprozess noch nicht abgeschlossen. “Meine große Hoffnung ist, dass die Risiken in Sachen Menschenrechte lückenlos aufgeklärt werden”, sagt Janne Werning, Leiter ESG Capital Markets & Stewardship. Auch Union Investment könnte Volkswagen aus seinen nachhaltigen Fonds verbannen, wenn es den Wolfsburgern nicht gelingt, ausreichend glaubwürdige Distanz zur Zwangsarbeit herzustellen.
Angesichts der wachsenden Bedeutung von Nachhaltigkeitsprodukten an den Finanzmärkten gewinnt ein möglicher Verbleib von Volkswagen-Aktien im ESG-Programm von Union Investment für das Unternehmen an Relevanz. Zumal die Kategorisierung als “nicht investierbar” durch eine weitere Fondsgesellschaft sehr schnell einen Dominoeffekt auslösen könnte.
Die Einstufung von Unternehmen als nachhaltig ist eine komplexe Angelegenheit. Die ESG-Standards Umwelt- und Sozialverträglichkeit sowie Unternehmensführung werden gegeneinander abgewogen. Volkswagen kommt als Automobilhersteller, der Verbrennermotoren produziert, zugute, dass das Unternehmen in der Elektromobilität und der damit verbundenen Produktion von Batterien um Nachhaltigkeit bemüht ist. Umweltschützer und Menschenrechtsorganisationen halten diese Form der Bewertung für inkonsequent.
Chinas Staatspräsident und Parteichef Xi Jinping hat vor dem Hintergrund des neuen Spionageabwehrgesetzes eine düstere Bilanz gezogen. Angesichts der sich zusammenbrauenden Spannungen mit den USA bezeichnete er die Risiken für die nationale Sicherheit Chinas als “gefährliche Stürme”. Die Aussagen habe er während einer Sitzung der Nationalen Sicherheitskommission getroffen, wie Nikkei Asia nach einem Bericht der People’s Daily, der offiziellen Zeitung der Kommunistischen Partei, am Mittwoch schrieb.
“Die Komplexität und Schwere der nationalen Sicherheitsprobleme, mit denen unser Land konfrontiert ist, haben dramatisch zugenommen”, sagte Xi. “Wir müssen bereit sein, die große Prüfung durch starke Winde, kabbelige Gewässer und sogar gefährliche Stürme zu bestehen”. Während der Sitzung, die am Dienstag stattfand, erwähnte Xi auch die Notwendigkeit, schnell ein integriertes Frühwarnsystem aufzubauen, das Risiken in Echtzeit überwacht.
Xi legt seit langem einen politischen Fokus auf die nationale Sicherheit. Im Jahr 2014 rief er die dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei unterstellte Nationale Sicherheitskommission ins Leben. Das Thema durchdringt inzwischen alle Politikfelder, die Definition von Sicherheit ist dabei weit gefasst und oftmals verbunden mit breiteren nationalen und Entwicklungsinteressen. cyb
Die strengere Auslegung des geplanten EU-Lieferkettengesetz steht auf der Kippe. Innerhalb der größten Fraktion im EU-Parlament, der EVP, formiert sich derzeit Widerstand gegen den Bericht, über den am Donnerstag im Plenum abgestimmt werden soll. Auch die liberale Renew-Fraktion meldete teilweise Bedenken an. Das Papier soll die Verhandlungsgrundlage des Parlaments mit den anderen EU-Institutionen sein; das EU-Parlament hatte eigentlich eine strenge Auslegung anvisiert.
Das EU-Lieferkettengesetz wird künftig auch auf den Handel mit China Einfluss haben. Bei der Debatte geht es unter anderem um die Reichweite des geplanten Gesetzes und die Verantwortlichkeit der Vorstände von Unternehmen. “Wir als CDU/CSU-Gruppe werden am Donnerstag gegen den Bericht stimmen”, sagt der Co-Vorsitzende der EVP, Daniel Caspary, zu Table.Media. Er empfange auch aus den anderen großen EVP-Delegationen “klare Signale”, dass diese den Entwurf ebenfalls kritisch sähen, so der CDU-Politiker. Er warnte auch vor einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der EU. Das Gesetz verbessere so nicht die Bedingungen in ärmeren Ländern – sondern führe dazu, dass sich europäische Unternehmen zurückzögen und etwa chinesischen Konkurrenten das Feld überließen, sagte Caspary.
Sollte der Bericht am Donnerstag im Plenum durchfallen, wird er an den Ausschuss zurückverwiesen zur Nacharbeit. Die geplante EU-Gesetzgebung soll generell schärfer ausfallen als das deutsche Lieferkettengesetz. Beschlossen wird es im sogenannten Trilog: Beteiligt sind also neben dem EU-Parlament auch der EU-Rat und die EU-Kommission, die ihre eigenen Entwürfen einbringen. wir/ari
Der ehemalige Leiter des chinesischen Zentrums für Seuchenkontrolle (CDC), George Gao, schließt die Möglichkeit nicht aus, dass das Covid-Virus aus einem Labor ausgetreten ist. Das erklärte der Wissenschaftler in einem Podcast von BBC News. “Man darf immer alles vermuten. So ist das in der Wissenschaft. Schließe nichts aus”, erklärte Gao, der seit seinem Ausscheiden aus dem CDC als Vizepräsident der National Natural Science Foundation of China tätig ist.
Nach dem Ausbruch des Virus spielte Gaos Behörde eine Schlüsselrolle bei den Bemühungen, die Ursprünge des Virus zu ermitteln. Chinas Regierung weist bis heute jeden Verdacht zurück, dass die Krankheit in einem Labor in Wuhan entstanden sein könnte. Laut Gao habe die chinesische Regierung jedoch eine Art formale Untersuchung des Wuhan Institute of Virology (WIV) durchgeführt, was darauf hindeute, dass sie den Verdacht durchaus ernst genommen habe. Das CDC sei jedoch nicht in diese Untersuchung involviert gewesen. Er habe jedoch “gehört”, dass bei der Untersuchung “kein Fehlverhalten festgestellt” worden sei, erklärte Gao weiter. fpe
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat Berichte über die Inhaftierung eines uigurischen Wissenschaftlers in Hongkong zurückgezogen. Abuduwaili Abudureheman hat demnach am 30. Mai mit Amnesty International gesprochen und gesagt, er sei entgegen früherer Informationen nicht nach Hongkong gereist. Hongkong hatte die ursprünglichen Angaben der Menschenrechtsorganisation bestritten.
Zuvor hatten Bekannte Abudurehemans Amnesty International berichtet, dass er sich am 10. Mai per SMS gemeldet und eine Befragung durch die Hongkonger Polizei am Flughafen geschildert habe. Danach hätten sie nichts mehr von Abudureheman gehört, der seit mehreren Jahren in Südkorea lebt. Er stand Amnesty International zufolge auf einer “Beobachtungsliste” Pekings. Die Hongkonger Behörden hatten erklärt, es gebe keine Aufzeichnungen darüber, dass Abudureheman im Hoheitsgebiet angekommen oder ihm die Einreise verweigert worden sei. cyb
Das Ende der Geschäftsbeziehung mit Huawei wird für den dänischen Telekommunikationsriesen TDC Net aller Voraussicht nach teuer. Der Ausschluss des chinesischen Herstellers aus dem Glasfasergeschäft des Unternehmens könnte die Firma mindestens einen dreistelligen Millionenbetrag kosten, berichtete die dänische Finans unter Berufung auf Telekommunikationskreise. TDC hatte seit 2011 eng mit Huawei zusammenarbeitet und muss nun Hard- und Software ersetzen, nachdem die nationale Cybersicherheitsbehörde CFCS Huawei als Sicherheitsrisiko eingestuft hatte. CFCS hatte TDC Net Ende April angewiesen, die Zusammenarbeit mit Huawei bis Anfang 2027 auslaufen zu lassen. TDC Net betonte, dass weder das Unternehmen noch die Behörden jemals eine Sicherheitsverletzung festgestellt hätten. ari
“Für viele Menschen ist die Übersetzerin eine Maschine, die an einem Ende die Ausgangssprache frisst und am anderen die Zielsprache ausspuckt”, sagt Nelly Ma. “Wenn es nur so einfach wäre.”
Sie muss es wissen. Nach vielen Jahren als Dozentin für chinesische Sprache an der Universität Passau arbeitet Ma heute als Übersetzerin chinesischer Texte. Die größte Herausforderung liegt für sie dabei in der grundsätzlichen Verschiedenheit beider Sprachen: “Diese Fremdheit zeigt sich auf zwei Ebenen – der sprachlichen und der kulturellen”, sagt Ma. Je größer der Unterschied, desto reizvoller sei die Arbeit der Übertragung – die nicht nur den Text betreffe, sondern auch den literarischen Stil, die Atmosphäre, die Stimme und die Seele des Originals. Dass auch Übersetzende ihre eigene Stimme ins Werk bringen, das sei unumgänglich, sogar erwünscht: “Aber man muss seine Grenzen kennen.”
Dass Nelly Ma in der Literatur und der Sprache ihre Leidenschaft gefunden hat und sie bis heute ausleben darf, ist keine Selbstverständlichkeit: Ihr chinesischer Vater lernte ihre deutsche Mutter während des Studiums in München kennen. 1946 zog die Familie nach China; Ma wuchs in Peking auf und studierte schließlich an der dortigen Universität Romanistik. Aber das gewöhnliche Studium war nur von kurzer Dauer: “Nach dem ersten Studienjahr brach in China die Kulturrevolution aus”, erzählt Ma. “Zwei Jahre lang blieben die Studenten an der Universität und machten Revolution.” Gemeinsam mit ihren Kommilitonen wurde sie schließlich zur “Umerziehung” auf eine Militärfarm geschickt. “Mein Leben in dieser Zeit bestand aus Reisanbau und Klassenkampf.”
Nach der Militärfarm war es unmöglich, selbst den Beruf und den Arbeitsplatz zu bestimmen. Je nach Familienhintergrund wurde beides zugeteilt. Wer aus Arbeiter- und Bauernfamilien stammte oder Kind eines Parteifunktionärs war, bekam einen Job in der Großstadt, in Ministerien oder in der Armee. “Mir wurde aufgrund meiner ausländischen Mutter ein Arbeitsplatz in einer nordchinesischen Kleinstadt zugewiesen”, erzählt Ma. Dort lebte sie fünf Jahre und arbeitete in einer kleinen Fabrik, die landwirtschaftliche Geräte herstellte.
“In der Kulturrevolution wurde ich zum ersten Mal mit blutigem Terror, mit viel Leid und Qual konfrontiert”, sagt Ma. “Es keimten die ersten Zweifel an der Welt, in der ich lebte.” Ma konnte zwar schließlich nach Peking zurückkehren und erstmals als Übersetzerin arbeiten, aber es reifte der Wunsch, China den Rücken zu kehren. “Ende 1978 tat sich ein kleiner Spalt im Eisernen Vorhang auf, und ich konnte mit meinen Eltern für eine kurze Zeit nach Deutschland reisen.” Sie bekam ein Stipendium für ein Studium und nahm die Gelegenheit wahr: “Ich entkam einem Käfig und sah, dass das Leben auch ganz anders gelebt werden kann.”
Mehr als 40 Jahre liegt das nun zurück. 40 Jahre, in denen Ma in Deutschland ihre persönliche Freiheit lebte, als Universitätsdozentin, mit ihren Übersetzungen und als Co-Autorin mehrerer Ratgeber. “40 Jahre, in denen ich aus der Ferne beobachte, wie sich China rasant verändert. Und diese Wandlung ruft bei mir Sorge und Wut hervor.” Mittlerweile ist Ma im Ruhestand, schreibt und übersetzt aber immer noch. Und ein großes Projekt erscheint voraussichtlich in diesem Herbst: Ihre Autobiografie – in der sie natürlich auch auf ihr bewegtes Leben in China blickt. Svenja Napp
am kommenden Sonntag jährt sich das Tian’anmen-Massaker. US-Fotograf Jeff Widener war 1989 in Peking, als sich die gewaltsame Niederschlagung der Studenten-Proteste anbahnte. Ihm gelang dort ein Foto, das in die Geschichte einging: Er lichtete den “Tank Man” ab. Mit Fabian Peltsch spricht Widener über die Entstehung der ikonischen Aufnahme und wie er die dramatischen Tage in Peking damals wahrgenommen hat.
Volkswagen wird voraussichtlich auf den Druck von Großanlegern, Menschenrechtsaktivisten und Politik reagieren und demnächst ein unabhängiges Audit seines Werks in Xinjiang ankündigen. Auf seiner Hauptversammlung im Mai hatte der Konzern noch darauf hingewiesen, dass eine solche unabhängige Untersuchung nicht möglich sei.
Inzwischen gehen Investoren davon aus, dass der Autohersteller seine Haltung ändern müsse, hat Marcel Grzanna erfahren. Ob es VW tatsächlich gelungen ist, den Joint-Venture-Partner SAIC davon zu überzeugen, könnte sich am 21. Juni herausstellen.
Wann ist Ihnen klargeworden, dass Ihnen mit dem Bild von dem Mann, der sich mutig dem Panzer entgegenstellt, eine Ikone der Fotografie gelungen ist?
Als ich das Foto machte, war ich tatsächlich wütend, dass dieser Typ mit seinen zwei Einkaufstüten auf den Panzer zuging. Ich dachte: Der wird mir meine Komposition vermasseln. Ich war sicher, dass er erschossen würde, und hielt weiter drauf. Doch es passierte nichts. Als ich das Bild nach der Entwicklung zum ersten Mal sah, fand ich es ganz okay. Es war nicht so scharf. Als ich aber am nächsten Tag ins Büro kam, sagte mein Redakteur: “Jeff, du hast ein paar Nachrichten aus New York erhalten.” Es waren Glückwünsche aus der ganzen Welt. Fast alle großen Zeitungen im Vereinigten Königreich hatten das Foto auf der Titelseite. Der Präsident von Associated Press (AP) gratulierte mir. Ich erhielt eine Nachricht vom Life-Magazin, sie wollten das Bild ebenfalls groß bringen.
Das Foto hat mir im Laufe meines Lebens viele Türen geöffnet. Aber die Erkenntnis, wie ikonisch das Foto wirklich war, kam erst Jahre später. Es muss so um das Jahr 1999 gewesen sein, als ich eine Nachrichtenseite durchstöberte. Dort gab es eine Rubrik mit dem Titel “Die zehn denkwürdigsten Fotos aller Zeiten”. Und da war dann meines darunter. Es traf mich wie ein Blitzschlag. Mir war damals wirklich etwas Großartiges gelungen.
Sie waren gerade zwei Wochen in Peking, als sich die Spannung zwischen den Demonstranten und der Regierung im Frühsommer 1989 dramatisch intensivierte. Was für eine Atmosphäre herrschte auf dem Tiananmen-Platz?
Ich ging jeden Morgen bei Sonnenaufgang auf den Platz und verfolgte, wie dort die Skulptur der Göttin der Demokratie erreichtet wurde, direkt vor dem großen Porträt von Mao! Die Atmosphäre war ausgelassen, fantastisch. Es war gut organisiert. Die Leute standen Schlange, um Essen zu bekommen. Sie hatten sogar eine eigene Druckmaschine, um die Menschen über die täglichen Ereignisse auf dem Laufenden zu halten. Das war gelebte Demokratie! Ich bewunderte den Mut der Studenten. Aber ich hatte auch das Gefühl, dass viele von ihnen die Diplomatie, die mit der Demokratie einhergeht, nicht ganz verstanden. Ich meine, wie sehr kann man die chinesische Regierung und das Militär demütigen? Die Leute haben sogar das heilige Porträt von Mao mit Farbe beworfen! Es war nur eine Frage der Zeit, bis etwas passieren würde.
Meiner Meinung nach hätten sich die Studentenführer zusammensetzen sollen, um einen Konsens darüber zu finden, was sie tun und was sie aus dieser Situation herausholen wollen. Dann hätte es eine Chance gegeben, sich neu zu formieren und später ernsthafte diplomatische Verhandlungen zu führen. Es war viel Streiterei und Ego im Spiel. Und dann hat die Regierung überreagiert.
Wie war es, sich auf einmal in der Mitte der Eskalationsspirale zu befinden?
Ich erinnere mich noch lebhaft daran. Ich musste die erste Nachtschicht für AP übernehmen. Ich fuhr mit meinem Reporter Dan Biers mit dem Fahrrad los. Ich sagte ihm, dass ich ein schlechtes Gefühl hätte. Es war gegen Mitternacht auf dem Platz des Himmlischen Friedens, als ich die Demonstranten mit Stahlbarrikaden aus dem Schatten kommen sah. Sie stellten sie mitten auf die Straße, um das Vorrücken von Militärfahrzeugen zu verhindern.
Wir verließen die Hauptstraße in der Nähe der Großen Halle des Volkes. Dann hörte ich Menschen schreien und sah sie rennen. Es gab ein lautes Geräusch, so als ob die Barrikaden von etwas Großem und Schnellem getroffen werden. Dann sah ich einen militärischen Mannschaftswagen mit montierten Maschinengewehren, der von Demonstranten verfolgt wurde. Ich bin zwar ein erfahrener Kriegsfotograf, aber in diesem Moment hatte ich Todesangst.
Was passierte dann?
Ich beschloss, zurück ins Büro zu fahren. Ich hatte bereits einige großartige Bilder, und ich hatte sie exklusiv. Also nahm ich ein Fahrrad und radelte zum anderen Ende des Chang’an-Boulevards zum Diplomatenviertel, wo sich unser Büro befand. Ich sah einen brennenden Panzerwagen und wollte ein Foto machen. Das Adrenalin schoss in die Höhe. Ich habe nicht nachgedacht. Plötzlich packte jemand meinen Kameragurt und zog mich damit am Hals. Dann sah ich einen Mob um mich herum, der an mir zerrte. Sie sahen nicht wie Studenten aus. Ich dachte, sie würden mich in Stücke reißen. Ich schnappte mir meinen amerikanischen Pass, hielt ihn über meinen Kopf und schrie: “Amerikaner, Amerikaner!”
Dann kam ein Typ, der offensichtlich eine Art Anführer war, und zeigte auf einen toten Soldaten, den ich bis dahin nicht gesehen hatte. Der Typ sagte: “Mach Foto, zeig der Welt”. Ich machte ein Foto und dann – bumm – traf mich ein Betonbrocken mitten ins Gesicht. Ich sah Sterne, wie in einem Zeichentrickfilm. Dann sprang ein anderer Typ aus dem Auto und hielt die Hände hoch, um sich zu ergeben. Seine Uniform sah tadellos aus, während man den Horror in seinem Gesicht sehen konnte. Dann stürzte sich der Mob auf ihn. Und ich sprang wieder auf mein Fahrrad. Es war nicht leicht, da wieder rauszukommen. Ich musste das Fahrrad immer wieder über Barrikaden wuchten.
Das berühmte Foto des “Tank Man” entstand am nächsten Tag. Dabei hatten Sie unerwartete Hilfe von einem Austauschstudenten…
Am nächsten Tag waren überall Trümmer und Blutflecken. Als ich zurück zum Tiananmen radelte, musste ich gegen die größte Mauer der Angst ankämpfen, die ich mir vorstellen konnte. Ich fuhr zum Beijing Hotel, weil ich wusste, dass ich von dort einen guten Überblick haben würde. Aber ich wusste auch, dass die Geheimpolizei Journalisten, die ihnen ihre Fotoausrüstung nicht aushändigen wollten, mit elektrischen Viehtreibern traktierte. In der Lobby war es dunkel, die Lichter waren ausgeschaltet.
Aber da war ein Junge, ein amerikanisch aussehender Typ. Sein Name war Kirk Martsen, er war Austauschstudent. Ich ging also auf ihn zu und tat so, als würde ich ihn kennen: “Hey Joe, wo bist du gewesen? Ich habe dich gesucht.” Dann flüsterte ich: “Ich bin von AP, kannst du mich in dein Zimmer lassen, damit ich ein Foto vom Platz machen kann?”
Er brachte Sie dann auf seinen Balkon im sechsten Stock.
Von dort oben sah ich, dass der ganze Platz des Himmlischen Friedens voller Panzer war. Da waren Lastwagenladungen von Soldaten, man hörte Schüsse. Ich wusste, dass die Kugeln auch mich erreichen konnten. Nach einer Weile gingen mir die Filme aus. Ich fragte Kirk, ob er runtergehen und versuchen könnte, einen neuen für mich zu finden, denn er sah ja wie ein Student aus, und würde weniger Aufmerksamkeit erregen, er war jünger und hatte ziemlich lange Haare. Und er hat es tatsächlich geschafft, einen Film von einem Touristen zu bekommen.
Lustigerweise wurde ich von diesem Touristen vor nicht langer Zeit in einer E-Mail kontaktiert, in der er schrieb, dass er den Film damals nicht an Kirk aushändigen wollte. Aber Kirk blieb hartnäckig. Später hat er meine Filme in seiner Unterhose aus dem Hotel geschmuggelt.
Kirk Martsen spielte also eine entscheidende Rolle für die Existenz des “Tank-Man”-Motivs. Stehen Sie noch in Kontakt mit ihm?
Das ist auch eine interessante Geschichte. Nachdem all das passiert war, und ich froh war, Peking lebend verlassen zu haben, verloren wir den Kontakt. Ich wollte mich immer bei ihm bedanken. Eines Tages bekam ich dann eine E-Mail, in der stand: “Hey Jeff, ich weiß nicht, ob du dich an mich erinnerst, ich war der Typ, der deine Filme in seiner Unterhose rausgeschmuggelt hat.” Das hat mich umgehauen. Wir standen eine Zeit lang wieder in Kontakt, planten sogar, zusammen in Talkshows zu gehen.
Dann ging er zurück nach China und gründete ein Unternehmen. Danach brach er unsere Kommunikation komplett ab. Meine E-Mails blieben unbeantwortet. Das Letzte, was ich gehört habe, war, dass er sehr erfolgreich geworden ist. Er wollte die Kommunisten eben nicht verärgern.
Hatten Sie selbst jemals Probleme mit der chinesischen Regierung? Haben sie Sie wieder ins Land gelassen?
Die Regierung mag mein Foto sicher nicht. Aber ich hatte eigentlich nie Probleme, ein Visum für China zu bekommen. Ich bin Journalist, das ist mein Beruf. Ich bin kein politischer Aktivist. Ich habe eine Meinung, ja, aber ich hebe keine Steine auf, um sie auf Leute zu werfen. Ich glaube, Journalismus sollte neutral und unvoreingenommen sein. Ich war damals für einen Auftrag in Peking. Und ich kehrte nach China zurück, um dort zu arbeiten und Urlaub zu machen. Als die BBC 2009 eine Doku zum Jahrestag drehte, habe ich dort sogar meine Frau kennengelernt.
Bei manchen Gelegenheiten folgte man mir bei der Arbeit. Aber ich erinnere mich auch an eine Situation während der Olympischen Spiele in Atlanta, als eine Gruppe chinesischer Staatsjournalisten von Xinhua Fotos mit mir machen wollte! Sie waren ganz aus dem Häuschen, als sie erfuhren, dass ich das berühmte Foto des “Tank Man” gemacht hatte. Ich glaube, viele haben eine Hass-Liebe zu diesem Foto. Die Regierung versucht, es auszulöschen. Aber ich bin mir sicher, dass dieses Foto noch lange Zeit zu sehen sein wird. Es ist ein Teil der Geschichte.
Am 5. Juni 1989 fotografierte Jeff Widener (66) für Associated Press einen bis heute unbekannten Mann, der sich während der Proteste auf dem Tiananmen-Platz vor einen anrückenden Panzer der Volksbefreiungsarmee stellte. Obwohl auch andere Fotografen den Moment festhielten, wurde Wideners Bild zur Freiheitsikone und 1990 für den Pulitzer-Preis nominiert. Nach einigen Jahren in Hamburg lebt der amerikanische Fotograf heute mit seiner deutschen Frau in Mexiko-Stadt.
Bei der Hauptversammlung am 10. Mai hatte Volkswagen noch darauf hingewiesen, dass man nicht in der Lage sei, eine unabhängige Untersuchung zum VW-Werk in Xinjiang einzuleiten. Die Konzernspitze begründete das mit vertraglichen Verpflichtungen gegenüber seinem Joint-Venture-Partner SAIC. Der staatliche chinesische Produzent müsse eine solche Entscheidung mittragen. Zumal Volkswagen in dieser Partnerschaft mit SAIC in politischen Fragen nur auf dem Beifahrersitz Platz nimmt.
Doch Volkswagen will sich gegen seinen anhaltenden Reputationsverlust stemmen. Möglicherweise wird der Konzern in Kürze ein unabhängiges Audit seines Werkes in Xinjiang verkünden. Dann könnte ein international anerkanntes Unternehmen eine Prüfung des viel kritisierten Standorts im Nordwesten Chinas vornehmen. Ob es Volkswagen tatsächlich gelungen ist, SAIC von der Dringlichkeit einer solchen Untersuchung zu überzeugen, wird sich wohl am 21. Juni herausstellen. Das Unternehmen könnte seinen Capital Markets Day am Hockenheimring als Gelegenheit zur Ankündigung nutzen.
Mit einem Audit würde Volkswagen die Forderung zahlreicher Großinvestoren erfüllen und sich etwas Luft verschaffen unter dem zunehmenden Druck durch Anleger, Menschenrechtsaktivisten und die Politik. Bei der Hauptversammlung im Mai hatten mehrere Fondsgesellschaften und Uiguren-Vertreter belastbare Belege dafür gefordert, dass Volkswagen nicht von Zwangsarbeit in Xinjiang profitiere.
Die VW-Fabrik in Xinjiang wird gemeinhin als politisches Entgegenkommen des Unternehmens an die autoritär regierende Kommunistische Partei interpretiert. Der Konzern betont zwar öffentlich die wirtschaftliche Sinnhaftigkeit hinter der Investition, doch das abgelegene Werk besitzt in Wahrheit keine tragende Bedeutung für die Umsätze von Volkswagen in der Volksrepublik. Im Jahr 2021 wurden von ein paar Hundert Mitarbeitern in der Fabrik nur 5.355 Fahrzeuge gebaut.
Zu den Vorwürfen möglicher Menschenrechtsverletzungen hatte China-Chef Ralf Brandstätter bei der Hauptversammlung Stellung bezogen. Um kulturellen Bedürfnissen der Belegschaft gerecht zu werden, habe das Werk “ein inklusives Arbeitsumfeld geschaffen, das religiöse Überzeugungen und unterschiedliche Kulturen respektiert”. Zum Beispiel gebe es in der Kantine Halal-Gerichte für Muslime.
Die Fondsgesellschaft Deka hat Volkswagen-Titel bereits aus seinem Nachhaltigkeitsprogramm genommen, weil der Konzern die Vorwürfe einer Verstrickung nicht stichhaltig widerlegen kann. Die Deka reagierte mit ihrer Entscheidung auf die maximale Abwertung in der Kategorie Soziales durch die Ratingagentur MSCI. Diese als Red Flag bezeichnete Warnung war für die Deka ausreichend, um Volkswagen als “nicht mehr investierbar” im Nachhaltigkeitssegment einzustufen.
Bei Union Investment ist der Evaluierungsprozess noch nicht abgeschlossen. “Meine große Hoffnung ist, dass die Risiken in Sachen Menschenrechte lückenlos aufgeklärt werden”, sagt Janne Werning, Leiter ESG Capital Markets & Stewardship. Auch Union Investment könnte Volkswagen aus seinen nachhaltigen Fonds verbannen, wenn es den Wolfsburgern nicht gelingt, ausreichend glaubwürdige Distanz zur Zwangsarbeit herzustellen.
Angesichts der wachsenden Bedeutung von Nachhaltigkeitsprodukten an den Finanzmärkten gewinnt ein möglicher Verbleib von Volkswagen-Aktien im ESG-Programm von Union Investment für das Unternehmen an Relevanz. Zumal die Kategorisierung als “nicht investierbar” durch eine weitere Fondsgesellschaft sehr schnell einen Dominoeffekt auslösen könnte.
Die Einstufung von Unternehmen als nachhaltig ist eine komplexe Angelegenheit. Die ESG-Standards Umwelt- und Sozialverträglichkeit sowie Unternehmensführung werden gegeneinander abgewogen. Volkswagen kommt als Automobilhersteller, der Verbrennermotoren produziert, zugute, dass das Unternehmen in der Elektromobilität und der damit verbundenen Produktion von Batterien um Nachhaltigkeit bemüht ist. Umweltschützer und Menschenrechtsorganisationen halten diese Form der Bewertung für inkonsequent.
Chinas Staatspräsident und Parteichef Xi Jinping hat vor dem Hintergrund des neuen Spionageabwehrgesetzes eine düstere Bilanz gezogen. Angesichts der sich zusammenbrauenden Spannungen mit den USA bezeichnete er die Risiken für die nationale Sicherheit Chinas als “gefährliche Stürme”. Die Aussagen habe er während einer Sitzung der Nationalen Sicherheitskommission getroffen, wie Nikkei Asia nach einem Bericht der People’s Daily, der offiziellen Zeitung der Kommunistischen Partei, am Mittwoch schrieb.
“Die Komplexität und Schwere der nationalen Sicherheitsprobleme, mit denen unser Land konfrontiert ist, haben dramatisch zugenommen”, sagte Xi. “Wir müssen bereit sein, die große Prüfung durch starke Winde, kabbelige Gewässer und sogar gefährliche Stürme zu bestehen”. Während der Sitzung, die am Dienstag stattfand, erwähnte Xi auch die Notwendigkeit, schnell ein integriertes Frühwarnsystem aufzubauen, das Risiken in Echtzeit überwacht.
Xi legt seit langem einen politischen Fokus auf die nationale Sicherheit. Im Jahr 2014 rief er die dem Zentralkomitee der Kommunistischen Partei unterstellte Nationale Sicherheitskommission ins Leben. Das Thema durchdringt inzwischen alle Politikfelder, die Definition von Sicherheit ist dabei weit gefasst und oftmals verbunden mit breiteren nationalen und Entwicklungsinteressen. cyb
Die strengere Auslegung des geplanten EU-Lieferkettengesetz steht auf der Kippe. Innerhalb der größten Fraktion im EU-Parlament, der EVP, formiert sich derzeit Widerstand gegen den Bericht, über den am Donnerstag im Plenum abgestimmt werden soll. Auch die liberale Renew-Fraktion meldete teilweise Bedenken an. Das Papier soll die Verhandlungsgrundlage des Parlaments mit den anderen EU-Institutionen sein; das EU-Parlament hatte eigentlich eine strenge Auslegung anvisiert.
Das EU-Lieferkettengesetz wird künftig auch auf den Handel mit China Einfluss haben. Bei der Debatte geht es unter anderem um die Reichweite des geplanten Gesetzes und die Verantwortlichkeit der Vorstände von Unternehmen. “Wir als CDU/CSU-Gruppe werden am Donnerstag gegen den Bericht stimmen”, sagt der Co-Vorsitzende der EVP, Daniel Caspary, zu Table.Media. Er empfange auch aus den anderen großen EVP-Delegationen “klare Signale”, dass diese den Entwurf ebenfalls kritisch sähen, so der CDU-Politiker. Er warnte auch vor einem Verlust der Wettbewerbsfähigkeit der EU. Das Gesetz verbessere so nicht die Bedingungen in ärmeren Ländern – sondern führe dazu, dass sich europäische Unternehmen zurückzögen und etwa chinesischen Konkurrenten das Feld überließen, sagte Caspary.
Sollte der Bericht am Donnerstag im Plenum durchfallen, wird er an den Ausschuss zurückverwiesen zur Nacharbeit. Die geplante EU-Gesetzgebung soll generell schärfer ausfallen als das deutsche Lieferkettengesetz. Beschlossen wird es im sogenannten Trilog: Beteiligt sind also neben dem EU-Parlament auch der EU-Rat und die EU-Kommission, die ihre eigenen Entwürfen einbringen. wir/ari
Der ehemalige Leiter des chinesischen Zentrums für Seuchenkontrolle (CDC), George Gao, schließt die Möglichkeit nicht aus, dass das Covid-Virus aus einem Labor ausgetreten ist. Das erklärte der Wissenschaftler in einem Podcast von BBC News. “Man darf immer alles vermuten. So ist das in der Wissenschaft. Schließe nichts aus”, erklärte Gao, der seit seinem Ausscheiden aus dem CDC als Vizepräsident der National Natural Science Foundation of China tätig ist.
Nach dem Ausbruch des Virus spielte Gaos Behörde eine Schlüsselrolle bei den Bemühungen, die Ursprünge des Virus zu ermitteln. Chinas Regierung weist bis heute jeden Verdacht zurück, dass die Krankheit in einem Labor in Wuhan entstanden sein könnte. Laut Gao habe die chinesische Regierung jedoch eine Art formale Untersuchung des Wuhan Institute of Virology (WIV) durchgeführt, was darauf hindeute, dass sie den Verdacht durchaus ernst genommen habe. Das CDC sei jedoch nicht in diese Untersuchung involviert gewesen. Er habe jedoch “gehört”, dass bei der Untersuchung “kein Fehlverhalten festgestellt” worden sei, erklärte Gao weiter. fpe
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat Berichte über die Inhaftierung eines uigurischen Wissenschaftlers in Hongkong zurückgezogen. Abuduwaili Abudureheman hat demnach am 30. Mai mit Amnesty International gesprochen und gesagt, er sei entgegen früherer Informationen nicht nach Hongkong gereist. Hongkong hatte die ursprünglichen Angaben der Menschenrechtsorganisation bestritten.
Zuvor hatten Bekannte Abudurehemans Amnesty International berichtet, dass er sich am 10. Mai per SMS gemeldet und eine Befragung durch die Hongkonger Polizei am Flughafen geschildert habe. Danach hätten sie nichts mehr von Abudureheman gehört, der seit mehreren Jahren in Südkorea lebt. Er stand Amnesty International zufolge auf einer “Beobachtungsliste” Pekings. Die Hongkonger Behörden hatten erklärt, es gebe keine Aufzeichnungen darüber, dass Abudureheman im Hoheitsgebiet angekommen oder ihm die Einreise verweigert worden sei. cyb
Das Ende der Geschäftsbeziehung mit Huawei wird für den dänischen Telekommunikationsriesen TDC Net aller Voraussicht nach teuer. Der Ausschluss des chinesischen Herstellers aus dem Glasfasergeschäft des Unternehmens könnte die Firma mindestens einen dreistelligen Millionenbetrag kosten, berichtete die dänische Finans unter Berufung auf Telekommunikationskreise. TDC hatte seit 2011 eng mit Huawei zusammenarbeitet und muss nun Hard- und Software ersetzen, nachdem die nationale Cybersicherheitsbehörde CFCS Huawei als Sicherheitsrisiko eingestuft hatte. CFCS hatte TDC Net Ende April angewiesen, die Zusammenarbeit mit Huawei bis Anfang 2027 auslaufen zu lassen. TDC Net betonte, dass weder das Unternehmen noch die Behörden jemals eine Sicherheitsverletzung festgestellt hätten. ari
“Für viele Menschen ist die Übersetzerin eine Maschine, die an einem Ende die Ausgangssprache frisst und am anderen die Zielsprache ausspuckt”, sagt Nelly Ma. “Wenn es nur so einfach wäre.”
Sie muss es wissen. Nach vielen Jahren als Dozentin für chinesische Sprache an der Universität Passau arbeitet Ma heute als Übersetzerin chinesischer Texte. Die größte Herausforderung liegt für sie dabei in der grundsätzlichen Verschiedenheit beider Sprachen: “Diese Fremdheit zeigt sich auf zwei Ebenen – der sprachlichen und der kulturellen”, sagt Ma. Je größer der Unterschied, desto reizvoller sei die Arbeit der Übertragung – die nicht nur den Text betreffe, sondern auch den literarischen Stil, die Atmosphäre, die Stimme und die Seele des Originals. Dass auch Übersetzende ihre eigene Stimme ins Werk bringen, das sei unumgänglich, sogar erwünscht: “Aber man muss seine Grenzen kennen.”
Dass Nelly Ma in der Literatur und der Sprache ihre Leidenschaft gefunden hat und sie bis heute ausleben darf, ist keine Selbstverständlichkeit: Ihr chinesischer Vater lernte ihre deutsche Mutter während des Studiums in München kennen. 1946 zog die Familie nach China; Ma wuchs in Peking auf und studierte schließlich an der dortigen Universität Romanistik. Aber das gewöhnliche Studium war nur von kurzer Dauer: “Nach dem ersten Studienjahr brach in China die Kulturrevolution aus”, erzählt Ma. “Zwei Jahre lang blieben die Studenten an der Universität und machten Revolution.” Gemeinsam mit ihren Kommilitonen wurde sie schließlich zur “Umerziehung” auf eine Militärfarm geschickt. “Mein Leben in dieser Zeit bestand aus Reisanbau und Klassenkampf.”
Nach der Militärfarm war es unmöglich, selbst den Beruf und den Arbeitsplatz zu bestimmen. Je nach Familienhintergrund wurde beides zugeteilt. Wer aus Arbeiter- und Bauernfamilien stammte oder Kind eines Parteifunktionärs war, bekam einen Job in der Großstadt, in Ministerien oder in der Armee. “Mir wurde aufgrund meiner ausländischen Mutter ein Arbeitsplatz in einer nordchinesischen Kleinstadt zugewiesen”, erzählt Ma. Dort lebte sie fünf Jahre und arbeitete in einer kleinen Fabrik, die landwirtschaftliche Geräte herstellte.
“In der Kulturrevolution wurde ich zum ersten Mal mit blutigem Terror, mit viel Leid und Qual konfrontiert”, sagt Ma. “Es keimten die ersten Zweifel an der Welt, in der ich lebte.” Ma konnte zwar schließlich nach Peking zurückkehren und erstmals als Übersetzerin arbeiten, aber es reifte der Wunsch, China den Rücken zu kehren. “Ende 1978 tat sich ein kleiner Spalt im Eisernen Vorhang auf, und ich konnte mit meinen Eltern für eine kurze Zeit nach Deutschland reisen.” Sie bekam ein Stipendium für ein Studium und nahm die Gelegenheit wahr: “Ich entkam einem Käfig und sah, dass das Leben auch ganz anders gelebt werden kann.”
Mehr als 40 Jahre liegt das nun zurück. 40 Jahre, in denen Ma in Deutschland ihre persönliche Freiheit lebte, als Universitätsdozentin, mit ihren Übersetzungen und als Co-Autorin mehrerer Ratgeber. “40 Jahre, in denen ich aus der Ferne beobachte, wie sich China rasant verändert. Und diese Wandlung ruft bei mir Sorge und Wut hervor.” Mittlerweile ist Ma im Ruhestand, schreibt und übersetzt aber immer noch. Und ein großes Projekt erscheint voraussichtlich in diesem Herbst: Ihre Autobiografie – in der sie natürlich auch auf ihr bewegtes Leben in China blickt. Svenja Napp