Table.Briefing: China

Rückblick 2023 + China-Podcasts und -Filme für die Feiertage

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Redaktion des China.Table wünscht Ihnen ein schönes Weihnachtsfest. Freie Tage mit Kochen und Chillen – das ist eine gute Zeit, sich mit Podcasts und Filmen zu beschäftigen. Statt zum Jahresende Bücher zu besprechen, stellen wir in diesem Jahr andere Medien zu China vor.

Darunter finden sich Podcasts wie China ungeschminkt mit einem hohen Informationsgehalt zu aktuellen Themen. Weniger theoretisch sind die Einblicke aus Dokus wie Eat Bitter. Der Film geht nah an die Personen hinter Chinas Aktivitäten in Afrika heran.

Wir blicken zudem heute noch einmal auf 2023 zurück. Der Tod von Li Keqiang, Deutschlands China-Strategie, Zoff im Südchinesischen Meer, die formale Insolvenz von Evergrande, die Wiederaufnahme des Dialogs mit den USA – das waren nur einige der Ereignisse, die das alte Jahr prägten.

Zwischen den Feiertagen erscheinen wir dann nur bei Bedarf, wenn wichtige Ereignisse losbrechen. Die nächste reguläre Ausgabe erhalten Sie am Dienstag nach Neujahr – mit unserem Ausblick und den Vorhersagen für 2024.

Einen guten Rutsch und einen erfolgreichen Start ins neue Jahr wünscht

Ihr
Finn Mayer-Kuckuk
Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

Analyse

Gipfeltreffen und verschwundene Minister – das China-Jahr 2023 im Rückblick

Höhenballon Spionage China USA
Februar: Das US-Militär sichtet einen chinesischen Spionageballon über dem Norden der USA.

Januar: Am 21. Januar wird das erste Chinesische Neujahr ohne Corona-Beschränkungen in der Volksrepublik gefeiert. Die offiziellen Beschränkungen waren Anfang Dezember nach Protesten in Peking und Shanghai plötzlich aufgehoben worden. Darauf folgte eine massive Corona-Welle in China. Das Jahr des Hasen soll dem Land nach Wunsch der Führung in Peking wieder die wirtschaftliche Dynamik entfalten wie in der Zeit vor Covid. Doch der Aufschwung bleibt aus.

Februar: Am 4. Februar schießen die USA einen chinesischen Beobachtungsballon an der Ostküste ab. Zuvor machten Fotos des weißen Riesen-Ballons die Runde in US-Sozialmedien. Peking weist Vorwürfe der Spionage zurück und erklärt, bei dem Flugobjekt handele es sich um einen Wetter-Ballon. US-Außenminister Antony Blinken verschiebt seine China-Reise wegen des Vorfalls.

Präsident auf Lebenszeit und Spannungen um Taiwan

März: Der Nationale Volkskongress bestätigt Xi Jinping als Präsidenten. Der Staats- und Parteichef wird damit zur wichtigsten Führungsfigur seit Mao. Den Weg zur dritten Amtszeit hatte sich Xi bereits 2018 durch eine Änderung in der Begrenzung für die Regierungsdauer geebnet. Neuer Premier wird Li Qiang. Er folgt auf Li Keqiang, der nicht Xis Lager angehörte und nach zwei Amtsperioden ausschied. Li Keqiang stirbt im Oktober, als Todesursache wird ein Herzinfarkt angegeben.

April: Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen reist in die USA. Sie trifft dort den damaligen Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy. Er ist die Nummer drei in der US-Regierung. Ein Treffen auf dieser Ebene hatte es auf US-Gebiet seit 1979 nicht mehr gegeben. Das chinesische Außenministerium verurteilte das Treffen Tsais mit McCarthy als “geheime Absprache”.

Chinas damaliger Außenminister Qin Gang im Mai in Berlin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Annalena Baerbock. Ende Juni verschwindet Qin dann spurlos.

Mai: Chinas erstes selbst entwickeltes Passagierflugzeug, die C919 von Commercial Aircraft Corporation of China (Comac), hebt ab zum Jungfernflug zwischen Shanghai und Peking. Für die Strecke von Shanghai Hongqiao bis zum Hauptstadt-Flughafen braucht die C919 gut zwei Stunden. Für China ist der Linienflug der Comac-Maschine Meilenstein und Prestigeprojekt zugleich. Peking will sich mit der C919 unabhängig von westlicher Technologie machen, langfristig aber auch das Duopol von Boeing und Airbus brechen.

Verschwindende Minister und Deutschlands China-Strategie

Juni: Am 25. Juni tritt der damalige Außenminister Qin Gang zum letzten Mal öffentlich auf – seither fehlt von ihm jede Spur. Im Juli wird er seines Amtes enthoben, im Oktober dann auch seines Amtes als Mitglied des chinesischen Staatsrats. Zu seinem Verbleib gibt es keine öffentliche Erklärung. Meinungsverschiedenheiten über die Ausrichtung der chinesischen Außenpolitik und eine außereheliche Affäre während seiner Zeit als Botschafter in Washington sollen hinter der Absetzung stecken. Qins Nachfolger wird sein Vorgänger Wang Yi.

Juli: Die Bundesregierung stellt Deutschlands erste China-Strategie vor. “China hat sich verändert – dies und die politischen Entscheidungen Chinas machen eine Veränderung unseres Umgangs mit China erforderlich”, heißt es gleich zu Beginn des 64-seitigen Papiers. Einer der zentralen Aspekte der Strategie ist das De-Risking, also Risiken im China-Geschäft abzubauen und Klumpenrisiken bei der Fokussierung auf einen großen Markt stärker einzupreisen.

Immobilien-Pleiten und Wirtschaftskrise

August: Der einstige Immobilienriese Evergrande muss Mitte des Monats Gläubigerschutz in den USA beantragen. Die Aktien von Evergrande fallen daraufhin ins Bodenlose. Evergrande gilt als das am höchsten verschuldete Immobilienunternehmen der Welt. Es hat Schulden in Höhe von mehr als 300 Milliarden US-Dollar angehäuft. Im Januar 2022 kündigte der Konzern einen Restrukturierungsplan an, konnte sich aber seitdem nicht mit seinen Gläubigern einigen. Zuletzt konnte Evergrande abermals eine Vertagung seines Liquidationsverfahrens erreichen. Die Anhörung soll nun am 29. Januar 2024 stattfinden.

Die Fahrzeugmesse IAA in München stand ganz im Zeichen von E-Mobilität – chinesische Hersteller konnten hier auftrumpfen.

September: In München findet die IAA statt – und wird zur Supershow der chinesischen Hersteller. BYD stellt das Premierenfahrzeug Seal vor. Auch XPeng, Nio und AVATR sind mit dabei und kommen beim deutschen Publikum gut an. Deutschlands größter Autohersteller Volkswagen – bis vergangenes Jahr noch die Nummer 1 auch in China – wird vom Treppchen gestoßen. Vor allem in der Elektro-Sparte hängt VW die chinesische Konkurrenz ab. Um den Anschluss nicht zu verlieren, geht der Wolfsburger Autohersteller eine Zusammenarbeit mit dem chinesischen Start-up Xpeng ein. Bis vor Kurzem noch schauten die chinesischen Partner zu Volkswagen auf. Nun ist es umgekehrt.

Dialog mit Washington und Brüssel

Oktober: Im Oktober erwischt es einen zweiten Minister. Li Shangfu wird als Verteidigungsminister entlassen. Spekulationen ranken sich seither um Korruption bei der Beschaffung von Militärausrüstung. Von 2017 bis 2022 leitete Li die Abteilung für Waffenentwicklung der Zentralen Militärkommission, die auch für den Einkauf von Waffen und Militärtechnik aus dem Ausland zuständig ist. Wegen Waffengeschäften mit Russland aus jener Zeit steht Li seit 2018 auf einer Sanktionsliste der USA. Seit Lis Entlassung ist die Stelle vakant.

EU-Ratschef Charles Michel, Chinas Staatschef Xi Jinping und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen im Dezember beim ersten persönlichen EU-China-Gipfel in Peking.

November: Tauwetter zwischen Peking und Washington – US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi treffen sich in San Francisco. Sie einigen sich unter anderem auf eine Wiederaufnahme des direkten Dialogs zwischen den Militärs. China stimmt außerdem zu, gegen den Export von FentanylVorläuferchemikalien vorzugehen. Biden wiederholt bei einer Pressekonferenz die Aussage, dass Xi ein Diktator sei. Xi wiederum informiert Biden unverblümt, sich Taiwan einverleiben zu wollen. Nur den Zeitpunkt lässt Xi noch offen.

Dezember: Anfang des Monats findet der erste persönliche EU-China-Gipfel seit Ende der Corona-Pandemie statt. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, EU-Ratschef Charles Michel und EU-Außenchef Josep Borrell reisen gemeinsam nach Peking. Ihre Botschaft: Das wachsende Ungleichgewicht im Handel mit China muss kleiner werden. Peking versuchte, mit kleinen Zugeständnissen zu besänftigen: Ab dem 1. Dezember können Staatsbürger aus fünf EU-Ländern, inklusive Deutschland und Frankreich, für 15 Tage ohne Visum einreisen.

  • Geopolitik
  • Handel

Podcasts und China-Dokus für die Feiertage

Chinesisch-afrikanische Zweckfreundschaft: Bilder aus der Doku “Eat Bitter”

Dokumentarfilm: “Eat Bitter”

“Chi ku”, “Bitternis essen”, sagt man im Chinesischen, um ein entbehrungsreiches Leben zu beschreiben. Im gleichnamigen Film der Regisseurinnen Pascale Appora-Gnekindy und Ningyi Sun wird die Geschichte zweier Männer erzählt, die jeder auf ihre Art einiges davon kosten müssen.

Der Ort der Handlung ist die Zentralafrikanische Republik, einer der ärmsten Staaten der Erde. Thomas ist ein Arbeiter, der nach Sand taucht und ihn als Baumaterial an den chinesischen Bauherrn Luan verkauft, der damit eine chinesische Bankfiliale in der Hauptstadt Bangui errichten soll. Oft kreuzen sich ihre Wege nicht. Und doch sind beide auf der Suche nach einem besseren Leben in eine Spirale der Selbstausbeutung geraten.

“Eat Bitter” bricht Xi Jinpings Neue Seidenstraße auf einen Mikrokosmos herunter. Und zeigt: Der Mensch ist zu komplex, um bloßes Humankapital in einer globalen Erfolgsgeschichte zu sein – einer Geschichte, aus der hier ohnehin nur einer als erfolgreicher Sieger hervorgehen kann. fpe

Podcast: “China ungeschminkt”

Der ideale Podcast für China-Profis. Klaus Mühlhahn, Anja Blanke und Julia Haes informieren in China ungschminkt immer gegen Ende des Monats detailliert über das, was im Lande so läuft.

Mühlhahn ist Sinologie-Professor, doch der Ton ist durchaus podcastig, inklusive Ansprache per Du, auch wenn einige Abschnitte etwas abgelesen klingen. Es geht meist um die relevanten Top-Themen wie Elektromobilität, das Militär, Xinjiang oder Chinas Verhältnis zu Russland. Auch Fragen wie anti-asiatischen Rassismus packt das Trio an. fin

ZDF-Dokumentation: “Im Rachen des Drachen”

“Im Rachen des Drachen”: Lassen Sie sich bitte nicht von diesem klamaukigen Titel abschrecken. Die ZDF-Dokumentation ist sehenswert. Sie ist spannend, informativ und betrachtet die komplizierten Beziehungen zwischen China und Deutschland aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Denn was bedeutet eigentlich die Idee des “De-Risking”, wie sie derzeit vielerorts proklamiert wird? Ist Deutschland wirklich so abhängig von China?

In dem einstündigen Film kommen mahnende Politiker genauso zu Wort wie Unternehmer, die weiterhin auf China setzen. Und Normalbürger, die entsetzt feststellen, dass überlebenswichtige Medikamente fehlen – wenn China nicht liefert. Penicillin wurde lange Zeit in Höchst hergestellt, Germanium sogar bis 2017 in Stade. Inzwischen kommt beides aus China.

Deutschland ist tatsächlich in vielen Bereichen von China abhängig. Das wollten wir so. Denn die Beziehungen beider Länder waren komplementär, und die Preise in China unschlagbar. Nun stellt sich die Frage: Wollen wir das auch in Zukunft so? Die ZDF-Doku hilft, sich eine eigene Meinung zu bilden. rad

Dokumentarfilm: “Total Trust”

Der Dokumentarfilm “Total Trust” zeigt auf beeindruckende und bedrückende Weise, wie China KI zur Überwachung der Bevölkerung einsetzt. Die chinesische Regisseurin Zhang Jialing folgt unter anderem dem Kampf der Ehefrau und des Sohnes des inhaftierten Menschenrechtsanwalts Chang Weiping. An seinem und weiteren Schicksalen zeigt der Film, wie sich Chinas virtuelle Überwachung in eine reale Bedrohung entwickeln kann, von Psychoterror bis zu körperlicher Gewalt.

Die zum großen Teil heimlich gedrehten Aufnahmen rütteln den Zuschauer auf und sensibilisieren für den zunehmenden Einsatz von KI für mutmaßliche Sicherheitszwecke auch in anderen Staaten der Welt. Auf der Homepage zu “Total Trust” gibt es eine Übersicht aktueller Vorführungen des Films. ari

Podcast: “Welt.Macht.China”

China geht uns alle an. Das zeigt seit nunmehr 30 Folgen der im Schnitt einmal im Monat erscheinende Podcast “Welt.Macht.China“. Jede Folge ist einem Thema gewidmet, etwa Chinas Rolle im Nahen Osten. Wie chinesische Forscher das Wissen deutscher Unis abschöpfen. Ob wir schon bald alle chinesische E-Autos fahren werden. Oder wie die Shopping-Apps Temu und Shein uns dazu verleiten, mit Billigware aus der Volksrepublik überschwemmt zu werden. Anschaulich, nahe am Geschehen und warnend.

Die Idee für diesen Podcast hatten die ehemaligen China-Korrespondentinnen Astrid Freyeisen und Ruth Kirchner, die derzeitige ARD-Korrespondentin in Shanghai, Eva Lamby-Schmitt, sowie Ciu Mu von der Deutschen Welle. Einbezogen ist aber die gesamte China-Expertise aus dem ARD-Verbund. Wie aus internen Kreisen zu vernehmen ist, ist die Sendeleitung selbst überrascht von den hohen Zugriffszahlen.

Dieser Erfolg kommt nicht von ungefähr. Einer der besten Podcasts im Öffentlich-Rechtlichem Rundfunk. Und: Geballte China-Kompetenz at its best! flee

Plattform: “China Unofficial Archive”

Man muss schon einen tiefen Zugang zu China besitzen, um zu unabhängigen und kritischen Dokumentarfilmen, Texten und Büchern vorzudringen, die jenseits der staatlichen Kontrolle existieren. Seit dem 13. Dezember gibt es eine Schatztruhe, in der sich viele solcher Zeitdokumente finden: das China Unofficial Archive.

Auf der Plattform gibt es einen Haufen Bücher, viele Ausgaben von Untergrund-Magazinen und knapp 20 Dokumentarfilme – alles auf Chinesisch, aber einige der Filme haben auch englische Untertitel. Es geht um eine große Bandbreite an Themen, wie Feminismus, die Kulturrevolution, Erlebnisse im Arbeitslager oder das Leben von Obdachlosen in Peking.

Hinter dem Projekt steckt Ian Johnson, ehemaliger Journalist und Senior Fellow am Council on Foreign Relations. Die Idee zum China Unofficial Archive kam ihm, als er sein Buch “Sparks: China’s Underground. Historians and Their Battle for the Future” schrieb. Selbsterklärtes Ziel der Plattform: Die wichtigsten Dokumente, Filme, Blogs und Veröffentlichungen einer Bewegung von Chinesen, die die Geschichte ihres Landes zurückfordern, sollen zugänglich gemacht werden.

Johnson sieht einen Bedarf für ein unabhängiges, zuverlässiges und unparteiisches Zuhause für dieses Material. Johnson: “Viele Menschen außerhalb Chinas glauben, dass das unabhängige Denken im Lande unterdrückt wurde. Dieses Archiv zeigt, dass dies nicht der Fall ist.” jul

  • De-Risking
  • Gesellschaft
  • Neue Seidenstraße
  • Wirtschaft

Termine

27.12.2023, 14:30 Uhr Beijing time
German Chamber of Commerce in China, HR Roundtable (in Guangzhou): Exchange among Professionals in the South China Mehr

28.12.2023, 18:30 Uhr Beijing time
German Chamber of Commerce in China (in Suzhou): Deutscher Stammtisch Dezember Mehr

06.01.2024, 14:00 Uhr
Konfuzius-Institut Düsseldorf: 2024 New Year Tea Event Mehr

08.01.2024, 14:00 Uhr (21:00 Uhr Beijing time)
SOAS University of London, Talk: Among the Braves: Hope, Struggle and Exile in the Battle for Hong Kong and the Future of Global Democracy Mehr

12.01.2024, 19:30 Uhr
Konfuzius-Institut München, Jour Fixe der Stiftung ex oriente: Die hohe Kunst des Übersetzens: Hans van Ess und die “Gespräche des Konfuzius” Mehr

11.01.2024, 14:00 Uhr Beijing time
AHK Greater China Shanghai, Knowledge Hub: Automation, Digitalization and Green Logistics – Highlights in the 2024 Supply Chain Trend Monitor Mehr

13.01.2024, 10:30 Uhr
Konfuzius-Institut Metropole Ruhr e.V., Workshop-Reihe für Kinder: Beijing und die Peking-Oper Mehr

14.01.2024, 13:00 Uhr
Georg-August-Universität Göttingen, Contemporary Theater Arts Lecture Series: Curatorial Consciousness in Ergao Dance Production Group Mehr

15.01.2024, 18:00 Uhr
Konfuzius-Institut Nürnberg-Erlangen, Vortrag: Deutsch-chinesische Beziehungen im globalen Kontext Mehr

15.01.2024, 18:00 Uhr
SOAS University of London, Reading: Scents of China Mehr

16.01.2024, 18:00 Uhr
Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen, Diskussion/Vortrag (in Gera): China als Konkurent des Westens und die Sorge um neue Konflikte Mehr

16.01.2024, 19:30 Uhr
Konfuzius-Institut Trier, Vortrag von Doris Fischer: Entwicklungszusammenarbeit: chinesische Ansätze für nationale und internationale Regionalförderung Mehr

16.01.2024, 10:00 Uhr (17:00 Uhr Beijing time)
Deutsch-Chinesische Wirtschaftsvereinigung, Business-Gespräch China: Making the Right Move: Smart Relocation Choices in China and Seizing ASEAN Opportunities Mehr

17.01.2024, 12:00 Uhr
Mercator Institute for China Studies, Konferenz: MERICS China Forecast 2024 Mehr

News

USA erwägen höhere Zölle auf chinesische E-Autos

Die US-Regierung erwägt dem “Wall Street Journal” zufolge höhere Zölle für einige Waren aus China, darunter Elektrofahrzeuge. Anfang nächsten Jahres solle eine Überprüfung der Zölle abgeschlossen werden, berichtet das Blatt unter Berufung auf anonyme Quellen. Eine Gruppe von US-Abgeordneten hatte die Regierung im November aufgefordert, die Zölle auf in China hergestellte Autos zu erhöhen. Auch solle geprüft werden, ob chinesische Unternehmen daran gehindert werden können, Waren von Mexiko aus in die Vereinigten Staaten zu exportieren.

Chinas Fahrzeugexporte steigen aufgrund von Überkapazitäten und einer nachlassenden Inlandsnachfrage seit Jahren. Und die China Merchants Bank International erwartet, dass sie 2024 um 25 Prozent auf 5,3 Millionen Autos wachsen.

Die USA erheben derzeit Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Autos aus China. Diese waren während der Präsidentschaft von Donald Trump eingeführt worden; sein Nachfolger Joe Biden verlängerte sie. Die Regierung erwägt dem Bericht zufolge auch die Senkung der Zölle auf einige chinesische Konsumgüter, die als strategisch unwichtig angesehen werden.

Auch ausländische Autohersteller, darunter das US-Unternehmen Tesla, nutzen China als wichtiges Exportzentrum. US-Abgeordnete haben bereits früher darauf hingewiesen, dass die Einfuhren von US-Marken aus chinesischer Fertigung ein Zeichen dafür seien, dass die derzeitigen Einfuhrzölle nicht ausreichten.

Auch die EU-Kommission sieht die heimische Autobranche durch günstigere E-Autos aus China in Gefahr. Sie prüft deshalb Anti-Dumping-Zölle. Brüssel erwartet wegen des Kostenvorteils einen Anstieg des Marktanteils chinesischer Autobauer bei Elektroautos in Europa von derzeit acht Prozent auf 15 Prozent in zwei Jahren. rtr

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  • EU
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Ausfuhrverbot für Technologien zur Verarbeitung Seltener Erden

China stoppt die Ausfuhr einer Reihe von Technologien zur Verarbeitung Seltener Erden. Damit könnte es für die USA und andere westliche Länder schwieriger werden, ihre Versorgung mit strategischen Rohstoffen zu verbessern. Das berichtet Bloomberg.

Peking hat die Technologie zur Herstellung von Metallen und Magneten auf Basis Seltener Erden auf eine Liste von Gütern gesetzt, die nicht ins Ausland exportiert werden dürfen. Das geht aus einem Dokument des Handelsministeriums hervor. Die Volksrepublik ist der weltweit führende Anbieter dieser Mineralien – einer Gruppe von 17 Elementen, die bei der Produktion von Windturbinen über militärische Ausrüstung bis hin zu Elektrofahrzeugen benötigt werden. Die Entscheidung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Chinas geopolitischen Rivalen versuchen, weniger abhängig von dessen Gütern zu werden.

Bereits im Sommer hatte das chinesische Handelsministerium strengere Ausfuhrkontrollen für Seltene Erden verkündet. Begründet wurde dies mit dem Schutz der nationalen Sicherheit und nationaler Interessen. Die neuen Vorschriften könnten nun die Bemühungen anderer Länder vereiteln, die Industrie außerhalb Chinas auf- und auszubauen. Bis vor relativ kurzer Zeit gab es außerhalb Chinas kaum Raffinerien für Seltene Erden. cyb

  • Export
  • Handelspolitik
  • Seltene Erden

Militärs nehmen hochrangigen Dialog mit den USA wieder auf

Der US-Generalstabschef, Luftwaffengeneral Charles Q. Brown, und sein chinesischer Amtskollege General Liu Zhenli haben ein virtuelles Treffen abgehalten, wie das Pentagon bekannt gab. Es ist die erste derartige Unterhaltung seit 16 Monaten. Die Biden-Administration wertet das Gespräch als Zeichen, dass sich die Militärbeziehungen der beiden Staaten wieder normalisieren.

Der Videocall folgte auf eine Vereinbarung zwischen US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi Jinping vom November, diese Beziehungen wieder aufzunehmen. Peking hatte sie im August 2022 nach dem Taiwan-Besuch der damaligen Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, abgebrochen. 

Die beiden Generäle erörterten bei ihrem Gespräch “eine Reihe globaler und regionaler Sicherheitsfragen”, wie Browns Büro mitteilte. Washington und Peking sind in vielen Themen zerstritten, von der Zukunft des demokratisch regierten Taiwan bis hin zu Gebietsansprüchen im Südchinesischen Meer.

General Liu ist als Chef der Abteilung für den Gemeinsamen Stab der Zentralen Militärkommission (CMC) für Planung und Durchführung von Chinas Kampfeinsätzen zuständig. Er gilt als Spitzenkandidat für die Nachfolge von Chinas Verteidigungsminister, General Li Shangfu, der im vergangenen Monat entlassen wurde. Ein neuer Verteidigungsminister könnte im März beim Plenum des Nationalen Volkskongresses ernannt werden. rtr/jul

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Xi hat gegenüber Biden die Angliederung Taiwans angekündigt

Staatschef Xi Jinping hat US-Präsident Joe Biden während ihres Gipfeltreffens im November mitgeteilt, dass Peking Taiwan mit dem chinesischen Festland wiedervereinigen werde. Allerdings stehe der Zeitpunkt noch nicht fest. Das berichtet NBC unter Berufung auf drei derzeitige und ehemalige US-Beamte.

China wolle Taiwan lieber friedlich als mit Gewalt einnehmen, sagte Xi demnach zu Biden bei einem Gruppentreffen, an dem ein Dutzend amerikanischer und chinesischer Beamter teilnahmen. Er habe sich dabei auch auf öffentliche Vorhersagen von US-Militärs bezogen, wonach Peking die Einnahme Taiwans im Jahr 2025 oder 2027 plane. Xi soll Biden den Beamten zufolge gesagt haben, diese Prognosen seien falsch. Er habe keinen Zeitrahmen festgelegt.

Das Gipfeltreffen hatte dazu dienen sollen, die Spannungen zwischen den beiden Großmächten zu verringern. Xis Aussage gegenüber Biden unterscheidet sich zwar nicht wesentlich von seinen früheren öffentlichen Äußerungen zu Taiwan. Sie fiel aber auf einen Zeitpunkt, zu dem Chinas Verhalten gegenüber Taiwan als zunehmend aggressiv angesehen wird – sowie vor Taiwans richtungsweisender Präsidentschaftswahl

Die Beamten beschrieben den chinesischen Führer gegenüber NBC als unverblümt und offen, aber nicht konfrontativ. “Seine Sprache war nicht anders als das, was er immer gesagt hat. In Bezug auf Taiwan ist er immer hart. Er hat schon immer eine harte Linie vertreten”, sagte einer der US-Beamten dem Sender. cyb

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Presseschau

USA und China nehmen militärischen Dialog wieder auf ORF
China verbietet Ausfuhr von Technologien zur Verarbeitung Seltener Erden HANDELSBLATT
E-Autos und Solarprodukte: USA erwägen neue Zölle auf Waren aus China N-TV
Tschechien: Das Land, das von einer klaren Haltung gegen China profitiert WELT
Spionageaffäre “Chinagate” erschüttert die belgische Politik SPIEGEL
Streit um Hoheitsrechte: Peking droht Manila mit “entschlossener Reaktion” N-TV
China uses AI to generate propaganda on YouTube, report finds RFA
Was sich im Kampf gegen Fake News von Taiwan lernen lässt SUEDDEUTSCHE
Boeing kurz vor Wiederaufnahme der 737-Max-Auslieferungen nach China AEROTELEGRAPH
Chinesischer Flughafenbetreiber verweigert Rossija Annahme und Durchführung der Flüge N-TV

Kolumne

Als Chinas Meisterspione noch romantische Revolutionäre waren

Von Johnny Erling
Johnny Erling schreibt die Kolumne für die China.Table Professional Briefings

Zhao Lei, Vizeleiter des Instituts für Internationale Strategie an der Zentralen Parteihochschule des ZK (中央党校), hat offenbar von ausländischen Korrespondenten in Peking gelernt: Wenn diese am ideologischen Kauderwelsch von Xi Jinpings ellenlangen Reden verzweifeln, zählen sie nach, welchen Begriff er am häufigsten nennt. Darauf komme es wohl an.

Zhao Lei fand heraus, dass Xi in seiner 30.000 Schriftzeichen langen Rede, mit der er Ende 2022 den zwanzigsten Parteitag eröffnete, das Wort Sicherheit (安全) 91 Mal wiederholte, und dabei 29 Mal von der Sicherheit des Staates sprach (国家安全”一词出现29次). Der Forscher schloss messerscharf, dass dieser Frage künftig eine “noch herausragendere Bedeutung” zukommen wird (国家安全工作被摆在更加突出的位置).

Zwar ist die Phobie des Parteichefs seit langem bekannt, überall Krisen und Feinde zu wittern, die auf Regimechange aus sind, oder wie die USA Chinas Weltmachtaufstieg stoppen wollten. Doch inzwischen ist für Xi daraus eine Obsession geworden. Seit er 2014 die Zentrale Kommission für Staatliche Sicherheit (中央国家安全委) gründen ließ, der er bis heute vorsitzt, hat er ein Dutzend Gesetze zum Schutz Chinas gegen Subversion, Spionage, Sabotage, Terrorismus und Sanktionen von außen auf den Weg gebracht. Zudem zwang Peking auch Hongkong ein Nationales Sicherheitsgesetz auf.

Schutz der nationalen Sicherheit steht über allem

Schon auf der ersten Sitzung seiner Kommission identifizierte Xi 16 sicherheitsrelevante Bereiche als Schwachstellen der Volksrepublik. Er verlangte nach einem gesamtstaatlichen Sicherheitskonzept, um ein “sicheres China” (平安中国) zu gewährleisten. Das war am 15. April 2014. Das Datum wird nun jährlich als “Tag der Erziehung in Nationaler Sicherheit” begangen.

Auf der jüngsten Sitzung seiner Kommission im Mai 2023 warnte Xi, dass die Sicherheitsprobleme “noch komplexer und schwieriger” geworden seien. Er forderte die Behörden auf, sich “darum zu kümmern”. Zwei Monate später meldete der Minister für Staatssicherheit, Chen Yixin, (陈一新) Vollzug. “Wir haben in Umfang, technischen Kapazitäten und Ressourcen zugelegt”, weil China bedroht werde und sich “proaktiv” gegen Spione verteidigen müsse. Aus Anlass des am 1. Juli in Kraft getretenen, neu erweiterten “Anti-Spionagegesetzes” verlangte er aufzurüsten, mit mehr “Big Data, Blockchain und KI”.

Chinas neue Antispionage-Kampagne, nachdem am 1. Juli das erweiterte Antispionagegesetz in Kraft getreten war. Propagandatafeln fordern die Bevölkerung zur Mitarbeit und Denunziation von Spionen auf. Auf dem Plakat links steht die Nummer der Hotline 12339, um Verdächtige zu melden.

In Chinas “neuer Ära des Sozialismus”, wie Xi seine Herrschaft seit seiner dritten Wiederwahl auf dem zwanzigsten Parteitag nennen lässt, muss sich heute alles dem Schutz der nationalen Sicherheit unterordnen. Der dafür zuständige Staatsschutz gewinnt an politischem Einfluss.

DDR-Auslandsspion Markus Wolf

Mao besetzte einst Chinas Schaltstellen der Parteimacht mit Altrevolutionären, Reformer Deng Xiaoping mit Technokraten. Xi holt sich offenbar immer mehr Sicherheitsfunktionäre an Bord, die einst seine loyalen, langjährigen Gefolgsleute waren, fand die neue Winteranalyse 2023 des China Leadership Monitor heraus. Zehn der 15 Mitglieder im Politbüro brächten so einen Hintergrund mit, ebenso fast die Hälfte der Beamten im Staatsrat. Neue Minister der Sicherheitsbehörden oder der ZK-Kommissionen für Politik und Recht zeigen selbstbewusst Gesicht.

Ich musste daran denken, als ich jüngst in dem Buch “Der Mann ohne Gesicht” (隐面人) blätterte, eine chinesische Übersetzung der Memoiren des früheren Chefs der Auslandsspionage der untergegangenen DDR, Markus Wolf. Im Oktober 2000 schenkte mir Wolf in Peking das Buch, das in Chinas einschlägigem “Verlag für Internationale Kultur” erschien. Dessen Leiter Zhang Guilai hatte sich getraut, Wolf zur Buchvorstellung einzuladen und erlaubte auch mir, daran teilzunehmen. China hatte die Rechte vom US-Verlag gekauft, der das Buch druckte, während Wolfs westdeutscher Verlag abwartete, bevor er es dann auch unter dem Titel; “Spionagechef im geheimen Krieg” verlegte.

Markus Wolf durfte einst sein Buch auch in China persönlich vorstellen. Es wurde zum Bestseller, wird heute nicht mehr vertrieben.

Denn Wolf war in der Bundesrepublik hochumstritten. Viele nahmen ihm seine kritischen Reflexionen über das DDR-System nicht ab. In China, wo unter Xis Zensur heute ein solches Buch nicht mehr erscheinen dürfte, stießen Wolfs “Mann ohne Gesicht” und später auch sein Buch “Troika” auf “neugierigen Zuspruch”, sagte mir damals Verlagsleiter Zhang. “Weil er so ganz anders schrieb, als die Leser es sich vorstellten”. Diese lobten Wolf: Weil er zwar “sein Gesicht versteckte”, aber seine “Persönlichkeit und Mut zum Querdenken” gezeigt habe.   

Wolf wuchs in seiner deutschen Künstlerfamilie in Moskau voll idealistischer Begeisterung für die Sowjetmacht auf und fühlte sich auch China verbunden. Sein Vorbild war der sowjetisch-deutsche Spion Richard Sorge. Der hatte heimlich in Shanghai einen Spionagering organisiert und von Japan aus Stalin vor dem Überfall Hitlers gewarnt. Zu Wolfs lebenslangen Freunden gehörte auch die aus Moskau gekommene Deutsche Eva Xiao, die mit ihrem Mann, dem Dichter Emi Xiao, in Peking lebte. Sie besuchte Wolf am 5. Juni 1989 in Berlin, einen Tag nach dem Tiananmen-Massaker, das ihn entsetzt hatte. Da war er schon lange seines Amtes in der DDR entbunden.

Eine von Markus Wolf in Peking 2000 benutzte Visitenkarte. Wolf notierte  auch die Mailadresse seiner dritten Frau Andrea, die ihn nach Peking begleitete.

Wolf, der 2006 starb, erlebte 2000 noch ein China, das auf der Suche nach seinem Weg war. Er verstand die Botschaft, als ihm der Verlag nach seiner Buchpräsentation ein Rollbild mit dem Motiv eines Meihua-Schneeflockenstrauchs schenkte: “Die Meihua-Blüte lässt sich nicht vorschreiben, auf den Frühling zu warten. Sie duftet, wann sie will …”

Spione der 1940er: Romantische Revolutionäre

Wie Richard Sorge gehörte Wolf zu einer Spezies von Geheimdienstlern, zu der sich auch viele chinesische Aktivisten der 1940er-Jahre rechneten. China-Historiker Stephen R. MacKinnon nennt sie “romantische Revolutionäre” und widmete sein neues Buch “China’s last romantic revolutionary” einer Legende in ihren Reihen.

Er zeichnet darin ein Portrait des chinesischen Meisterspions Chen Hansheng (1897-2004). Der wurde als Sozialwissenschaftler und Agrarforscher mit seinen Feldstudien über Chinas Bauern weltberühmt. Chen promovierte nach Studien an den Universitäten Pomona und Harvard 1924 als Historiker in Berlin. In Peking berief ihn der Erziehungsreformer Cai Yuanpei zum jüngsten Professor an Pekings National-Universität. Doch Chen war zugleich der erfolgreichste internationale Einflussagent. 1926 wurde er vom Mitbegründer der KP China, Li Dachao, in die Komintern gebracht. In Peking und Shanghai knüpfte Chen mit Richard Sorge ein weitreichendes Spionagenetz. Er freundete sich mit der progressiven Journalistin Agnes Smedley an.

Spione hatten große Netzwerke

Die damaligen Netzwerke der willentlichen Spione und Agenten mit unwissenden Unterstützern und Sympathisanten von Moskau über Peking, Tokio bis in die USA harren noch ihrer systematischen Erforschung. Ein Beispiel grub jüngst der britische Historiker Owen Matthews in seinem neuen Buch “Stalins Meisterspion – Richard Sorge” aus. Bevor Sorge von Berlin aus nach Shanghai ging, half ihm der marxistische Chinaforscher Karl August Wittfogel. Der promovierte am Frankfurter Institut für Sozialforschung. Einer seiner Gutachter war der einflussreiche Sinologe Richard Wilhelm, der gerade sein Frankfurter Institut für Chinakunde gegründet hatte. Wittfogel soll ihn überredet haben, Sorge ein Empfehlungsschreiben für sinologische Studien in Shanghai auszustellen. Das half Sorge, Fuß zu fassen und öffnete viele Türen.

Chen Hanshengs Kontakte reichten von Sun Yat-sens Witwe Soong Qingling bis tief ins Umfeld von US-Präsident Franklin D. Roosevelt. Zwischen 1945 und 1950 durfte er an großen US-Universitäten lehren. Er nutzte seinen Einfluss, um chinesische Wissenschaftstalente zur Rückkehr nach China zu bewegen, darunter später wichtige Atom- und Raketenforscher in der Volksrepublik.

Hohe Regierungsämter in Peking zu übernehmen, lehnte Chen nach 1950 ab, tief enttäuscht von Maos zuerst stalinistischer und später feudalistischer Herrschaft. Chen starb erblindet als Spätfolge barbarischer Verfolgungen während der Kulturrevolution, bei der 1968 seine Frau ums Leben kam.

Xis Agenda für wichtigste Probleme

Fast alle der “romantischen” Agenten überwarfen sich später mit ihren Regimen, denen sie so loyal dienten. Die heutigen geheimdienstlichen Apparatschiks überziehen China dagegen mit virtuellen Kampagnen, im Juli stellte dazu das Ministerium für Staatssicherheit seine erste öffentliche Weixin-Webseite ins Netz, unter dem Leitspruch: “Das Ministerium für Staatssicherheit ist die Grundlage für die nationale Wiedererneuerung Chinas.”

Grafik auf der WeChat-Seite der Staatssicherheit. Sie zeigt, wie sich die Verfügbarkeit strategischer Rohstoffe zwischen China (oben), USA (links) und Europa (rechts) überschneidet. China hat die Nase vorn, in 21 Kategorien überlappt es sich aber mit den USA und in 17 mit Europa.

Die bisher 80 Analysen und Kommentare auf der Webseite richten sich danach, was Xi Jinping in seiner jeweiligen Agenda gerade für Chinas wichtigstes Problem hält, um seine Großmachtentwicklung auf Kurs zu halten. Auch das lässt sich anhand der Worte in seinen Reden abzählen. Im November war es der Schutz von Chinas Monopol bei strategischen Mineralien wie Seltene Erden. Das sei “die neue Arena des Wettbewerbs zwischen den Weltmächten”, meldete die Staatssicherheit.

Mitte Dezember änderte sich die Priorität. Nun drohe Gefahr, weil Chinas Wirtschaftslage derzeit von feindlichen Kräften schlecht geredet und verleumdet wird. Die Behörden der Staatssicherheit “müssen dagegen wirtschaftliche Schutzbarrieren errichten” (国家安全机关坚决筑牢经济安全屏障) hieß die Überschrift der Webseite: “Die aktuelle Wirtschaftslage wird immer mehr zu einem wichtigen Schlachtfeld im Wettbewerb der Großmächte.”

Auf die Attacke der Geheimdienste, die gegen alle mobil machen wollen, die Chinas Wirtschaftslage unter Xi schlechtreden, reagierten Blogger feixend so: “Andere Länder setzen auf drei Pferde, um den Wirtschaftskarren aus dem Schlamm zu ziehen – auf Investitionen, Außenhandel und Konsum. China spannt dagegen drei neue Pferde vor seinen Karren: das Statistische Amt, (um die Zahlen zu schönen), die Propaganda, (um zu lügen) und das Sicherheitsministerium (um zu drohen).” Markus Wolf und Chen Hansheng hätten darüber wohl auch nur gelacht.

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Personalien

Abel Luo hat seine eigene Firma gegründet: Luo Consulting mit Sitz in St Gallen. Er kommt aus der Textilbranche und hatte vor zehn Jahren in Shenzhen die Firma Shenzhen Ingenue Clothing Co. gegründet, zuvor war er Mitbesitzer von Yuan Garment in Jiangmen.

Ivanka Liu ist als Managerin für digitale Transformation zur Lufthansa gewechselt. Sie hat zuvor für die LSG Group gearbeitet, einen Luftfahrt-Caterer, der früher der Lufthansa gehörte. Davor war sie im Sales bei Heidelberger Druck auf dem asiatischen Markt tätig.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Kids in Hongkong auf dem Weihnachtsmarkt. Die christlichen Traditionen aus 156 Jahren britischer Herrschaft haben in der südlichen Hafenstadt ihre Spuren hinterlassen. Ebenso die Pandemie: Die Erkältungswelle rollt, Masken sollen Ansteckungen in der Gruppe verhindern.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die Redaktion des China.Table wünscht Ihnen ein schönes Weihnachtsfest. Freie Tage mit Kochen und Chillen – das ist eine gute Zeit, sich mit Podcasts und Filmen zu beschäftigen. Statt zum Jahresende Bücher zu besprechen, stellen wir in diesem Jahr andere Medien zu China vor.

    Darunter finden sich Podcasts wie China ungeschminkt mit einem hohen Informationsgehalt zu aktuellen Themen. Weniger theoretisch sind die Einblicke aus Dokus wie Eat Bitter. Der Film geht nah an die Personen hinter Chinas Aktivitäten in Afrika heran.

    Wir blicken zudem heute noch einmal auf 2023 zurück. Der Tod von Li Keqiang, Deutschlands China-Strategie, Zoff im Südchinesischen Meer, die formale Insolvenz von Evergrande, die Wiederaufnahme des Dialogs mit den USA – das waren nur einige der Ereignisse, die das alte Jahr prägten.

    Zwischen den Feiertagen erscheinen wir dann nur bei Bedarf, wenn wichtige Ereignisse losbrechen. Die nächste reguläre Ausgabe erhalten Sie am Dienstag nach Neujahr – mit unserem Ausblick und den Vorhersagen für 2024.

    Einen guten Rutsch und einen erfolgreichen Start ins neue Jahr wünscht

    Ihr
    Finn Mayer-Kuckuk
    Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

    Analyse

    Gipfeltreffen und verschwundene Minister – das China-Jahr 2023 im Rückblick

    Höhenballon Spionage China USA
    Februar: Das US-Militär sichtet einen chinesischen Spionageballon über dem Norden der USA.

    Januar: Am 21. Januar wird das erste Chinesische Neujahr ohne Corona-Beschränkungen in der Volksrepublik gefeiert. Die offiziellen Beschränkungen waren Anfang Dezember nach Protesten in Peking und Shanghai plötzlich aufgehoben worden. Darauf folgte eine massive Corona-Welle in China. Das Jahr des Hasen soll dem Land nach Wunsch der Führung in Peking wieder die wirtschaftliche Dynamik entfalten wie in der Zeit vor Covid. Doch der Aufschwung bleibt aus.

    Februar: Am 4. Februar schießen die USA einen chinesischen Beobachtungsballon an der Ostküste ab. Zuvor machten Fotos des weißen Riesen-Ballons die Runde in US-Sozialmedien. Peking weist Vorwürfe der Spionage zurück und erklärt, bei dem Flugobjekt handele es sich um einen Wetter-Ballon. US-Außenminister Antony Blinken verschiebt seine China-Reise wegen des Vorfalls.

    Präsident auf Lebenszeit und Spannungen um Taiwan

    März: Der Nationale Volkskongress bestätigt Xi Jinping als Präsidenten. Der Staats- und Parteichef wird damit zur wichtigsten Führungsfigur seit Mao. Den Weg zur dritten Amtszeit hatte sich Xi bereits 2018 durch eine Änderung in der Begrenzung für die Regierungsdauer geebnet. Neuer Premier wird Li Qiang. Er folgt auf Li Keqiang, der nicht Xis Lager angehörte und nach zwei Amtsperioden ausschied. Li Keqiang stirbt im Oktober, als Todesursache wird ein Herzinfarkt angegeben.

    April: Taiwans Präsidentin Tsai Ing-wen reist in die USA. Sie trifft dort den damaligen Sprecher des US-Repräsentantenhauses, Kevin McCarthy. Er ist die Nummer drei in der US-Regierung. Ein Treffen auf dieser Ebene hatte es auf US-Gebiet seit 1979 nicht mehr gegeben. Das chinesische Außenministerium verurteilte das Treffen Tsais mit McCarthy als “geheime Absprache”.

    Chinas damaliger Außenminister Qin Gang im Mai in Berlin bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Annalena Baerbock. Ende Juni verschwindet Qin dann spurlos.

    Mai: Chinas erstes selbst entwickeltes Passagierflugzeug, die C919 von Commercial Aircraft Corporation of China (Comac), hebt ab zum Jungfernflug zwischen Shanghai und Peking. Für die Strecke von Shanghai Hongqiao bis zum Hauptstadt-Flughafen braucht die C919 gut zwei Stunden. Für China ist der Linienflug der Comac-Maschine Meilenstein und Prestigeprojekt zugleich. Peking will sich mit der C919 unabhängig von westlicher Technologie machen, langfristig aber auch das Duopol von Boeing und Airbus brechen.

    Verschwindende Minister und Deutschlands China-Strategie

    Juni: Am 25. Juni tritt der damalige Außenminister Qin Gang zum letzten Mal öffentlich auf – seither fehlt von ihm jede Spur. Im Juli wird er seines Amtes enthoben, im Oktober dann auch seines Amtes als Mitglied des chinesischen Staatsrats. Zu seinem Verbleib gibt es keine öffentliche Erklärung. Meinungsverschiedenheiten über die Ausrichtung der chinesischen Außenpolitik und eine außereheliche Affäre während seiner Zeit als Botschafter in Washington sollen hinter der Absetzung stecken. Qins Nachfolger wird sein Vorgänger Wang Yi.

    Juli: Die Bundesregierung stellt Deutschlands erste China-Strategie vor. “China hat sich verändert – dies und die politischen Entscheidungen Chinas machen eine Veränderung unseres Umgangs mit China erforderlich”, heißt es gleich zu Beginn des 64-seitigen Papiers. Einer der zentralen Aspekte der Strategie ist das De-Risking, also Risiken im China-Geschäft abzubauen und Klumpenrisiken bei der Fokussierung auf einen großen Markt stärker einzupreisen.

    Immobilien-Pleiten und Wirtschaftskrise

    August: Der einstige Immobilienriese Evergrande muss Mitte des Monats Gläubigerschutz in den USA beantragen. Die Aktien von Evergrande fallen daraufhin ins Bodenlose. Evergrande gilt als das am höchsten verschuldete Immobilienunternehmen der Welt. Es hat Schulden in Höhe von mehr als 300 Milliarden US-Dollar angehäuft. Im Januar 2022 kündigte der Konzern einen Restrukturierungsplan an, konnte sich aber seitdem nicht mit seinen Gläubigern einigen. Zuletzt konnte Evergrande abermals eine Vertagung seines Liquidationsverfahrens erreichen. Die Anhörung soll nun am 29. Januar 2024 stattfinden.

    Die Fahrzeugmesse IAA in München stand ganz im Zeichen von E-Mobilität – chinesische Hersteller konnten hier auftrumpfen.

    September: In München findet die IAA statt – und wird zur Supershow der chinesischen Hersteller. BYD stellt das Premierenfahrzeug Seal vor. Auch XPeng, Nio und AVATR sind mit dabei und kommen beim deutschen Publikum gut an. Deutschlands größter Autohersteller Volkswagen – bis vergangenes Jahr noch die Nummer 1 auch in China – wird vom Treppchen gestoßen. Vor allem in der Elektro-Sparte hängt VW die chinesische Konkurrenz ab. Um den Anschluss nicht zu verlieren, geht der Wolfsburger Autohersteller eine Zusammenarbeit mit dem chinesischen Start-up Xpeng ein. Bis vor Kurzem noch schauten die chinesischen Partner zu Volkswagen auf. Nun ist es umgekehrt.

    Dialog mit Washington und Brüssel

    Oktober: Im Oktober erwischt es einen zweiten Minister. Li Shangfu wird als Verteidigungsminister entlassen. Spekulationen ranken sich seither um Korruption bei der Beschaffung von Militärausrüstung. Von 2017 bis 2022 leitete Li die Abteilung für Waffenentwicklung der Zentralen Militärkommission, die auch für den Einkauf von Waffen und Militärtechnik aus dem Ausland zuständig ist. Wegen Waffengeschäften mit Russland aus jener Zeit steht Li seit 2018 auf einer Sanktionsliste der USA. Seit Lis Entlassung ist die Stelle vakant.

    EU-Ratschef Charles Michel, Chinas Staatschef Xi Jinping und EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen im Dezember beim ersten persönlichen EU-China-Gipfel in Peking.

    November: Tauwetter zwischen Peking und Washington – US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi treffen sich in San Francisco. Sie einigen sich unter anderem auf eine Wiederaufnahme des direkten Dialogs zwischen den Militärs. China stimmt außerdem zu, gegen den Export von FentanylVorläuferchemikalien vorzugehen. Biden wiederholt bei einer Pressekonferenz die Aussage, dass Xi ein Diktator sei. Xi wiederum informiert Biden unverblümt, sich Taiwan einverleiben zu wollen. Nur den Zeitpunkt lässt Xi noch offen.

    Dezember: Anfang des Monats findet der erste persönliche EU-China-Gipfel seit Ende der Corona-Pandemie statt. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen, EU-Ratschef Charles Michel und EU-Außenchef Josep Borrell reisen gemeinsam nach Peking. Ihre Botschaft: Das wachsende Ungleichgewicht im Handel mit China muss kleiner werden. Peking versuchte, mit kleinen Zugeständnissen zu besänftigen: Ab dem 1. Dezember können Staatsbürger aus fünf EU-Ländern, inklusive Deutschland und Frankreich, für 15 Tage ohne Visum einreisen.

    • Geopolitik
    • Handel

    Podcasts und China-Dokus für die Feiertage

    Chinesisch-afrikanische Zweckfreundschaft: Bilder aus der Doku “Eat Bitter”

    Dokumentarfilm: “Eat Bitter”

    “Chi ku”, “Bitternis essen”, sagt man im Chinesischen, um ein entbehrungsreiches Leben zu beschreiben. Im gleichnamigen Film der Regisseurinnen Pascale Appora-Gnekindy und Ningyi Sun wird die Geschichte zweier Männer erzählt, die jeder auf ihre Art einiges davon kosten müssen.

    Der Ort der Handlung ist die Zentralafrikanische Republik, einer der ärmsten Staaten der Erde. Thomas ist ein Arbeiter, der nach Sand taucht und ihn als Baumaterial an den chinesischen Bauherrn Luan verkauft, der damit eine chinesische Bankfiliale in der Hauptstadt Bangui errichten soll. Oft kreuzen sich ihre Wege nicht. Und doch sind beide auf der Suche nach einem besseren Leben in eine Spirale der Selbstausbeutung geraten.

    “Eat Bitter” bricht Xi Jinpings Neue Seidenstraße auf einen Mikrokosmos herunter. Und zeigt: Der Mensch ist zu komplex, um bloßes Humankapital in einer globalen Erfolgsgeschichte zu sein – einer Geschichte, aus der hier ohnehin nur einer als erfolgreicher Sieger hervorgehen kann. fpe

    Podcast: “China ungeschminkt”

    Der ideale Podcast für China-Profis. Klaus Mühlhahn, Anja Blanke und Julia Haes informieren in China ungschminkt immer gegen Ende des Monats detailliert über das, was im Lande so läuft.

    Mühlhahn ist Sinologie-Professor, doch der Ton ist durchaus podcastig, inklusive Ansprache per Du, auch wenn einige Abschnitte etwas abgelesen klingen. Es geht meist um die relevanten Top-Themen wie Elektromobilität, das Militär, Xinjiang oder Chinas Verhältnis zu Russland. Auch Fragen wie anti-asiatischen Rassismus packt das Trio an. fin

    ZDF-Dokumentation: “Im Rachen des Drachen”

    “Im Rachen des Drachen”: Lassen Sie sich bitte nicht von diesem klamaukigen Titel abschrecken. Die ZDF-Dokumentation ist sehenswert. Sie ist spannend, informativ und betrachtet die komplizierten Beziehungen zwischen China und Deutschland aus unterschiedlichen Blickwinkeln. Denn was bedeutet eigentlich die Idee des “De-Risking”, wie sie derzeit vielerorts proklamiert wird? Ist Deutschland wirklich so abhängig von China?

    In dem einstündigen Film kommen mahnende Politiker genauso zu Wort wie Unternehmer, die weiterhin auf China setzen. Und Normalbürger, die entsetzt feststellen, dass überlebenswichtige Medikamente fehlen – wenn China nicht liefert. Penicillin wurde lange Zeit in Höchst hergestellt, Germanium sogar bis 2017 in Stade. Inzwischen kommt beides aus China.

    Deutschland ist tatsächlich in vielen Bereichen von China abhängig. Das wollten wir so. Denn die Beziehungen beider Länder waren komplementär, und die Preise in China unschlagbar. Nun stellt sich die Frage: Wollen wir das auch in Zukunft so? Die ZDF-Doku hilft, sich eine eigene Meinung zu bilden. rad

    Dokumentarfilm: “Total Trust”

    Der Dokumentarfilm “Total Trust” zeigt auf beeindruckende und bedrückende Weise, wie China KI zur Überwachung der Bevölkerung einsetzt. Die chinesische Regisseurin Zhang Jialing folgt unter anderem dem Kampf der Ehefrau und des Sohnes des inhaftierten Menschenrechtsanwalts Chang Weiping. An seinem und weiteren Schicksalen zeigt der Film, wie sich Chinas virtuelle Überwachung in eine reale Bedrohung entwickeln kann, von Psychoterror bis zu körperlicher Gewalt.

    Die zum großen Teil heimlich gedrehten Aufnahmen rütteln den Zuschauer auf und sensibilisieren für den zunehmenden Einsatz von KI für mutmaßliche Sicherheitszwecke auch in anderen Staaten der Welt. Auf der Homepage zu “Total Trust” gibt es eine Übersicht aktueller Vorführungen des Films. ari

    Podcast: “Welt.Macht.China”

    China geht uns alle an. Das zeigt seit nunmehr 30 Folgen der im Schnitt einmal im Monat erscheinende Podcast “Welt.Macht.China“. Jede Folge ist einem Thema gewidmet, etwa Chinas Rolle im Nahen Osten. Wie chinesische Forscher das Wissen deutscher Unis abschöpfen. Ob wir schon bald alle chinesische E-Autos fahren werden. Oder wie die Shopping-Apps Temu und Shein uns dazu verleiten, mit Billigware aus der Volksrepublik überschwemmt zu werden. Anschaulich, nahe am Geschehen und warnend.

    Die Idee für diesen Podcast hatten die ehemaligen China-Korrespondentinnen Astrid Freyeisen und Ruth Kirchner, die derzeitige ARD-Korrespondentin in Shanghai, Eva Lamby-Schmitt, sowie Ciu Mu von der Deutschen Welle. Einbezogen ist aber die gesamte China-Expertise aus dem ARD-Verbund. Wie aus internen Kreisen zu vernehmen ist, ist die Sendeleitung selbst überrascht von den hohen Zugriffszahlen.

    Dieser Erfolg kommt nicht von ungefähr. Einer der besten Podcasts im Öffentlich-Rechtlichem Rundfunk. Und: Geballte China-Kompetenz at its best! flee

    Plattform: “China Unofficial Archive”

    Man muss schon einen tiefen Zugang zu China besitzen, um zu unabhängigen und kritischen Dokumentarfilmen, Texten und Büchern vorzudringen, die jenseits der staatlichen Kontrolle existieren. Seit dem 13. Dezember gibt es eine Schatztruhe, in der sich viele solcher Zeitdokumente finden: das China Unofficial Archive.

    Auf der Plattform gibt es einen Haufen Bücher, viele Ausgaben von Untergrund-Magazinen und knapp 20 Dokumentarfilme – alles auf Chinesisch, aber einige der Filme haben auch englische Untertitel. Es geht um eine große Bandbreite an Themen, wie Feminismus, die Kulturrevolution, Erlebnisse im Arbeitslager oder das Leben von Obdachlosen in Peking.

    Hinter dem Projekt steckt Ian Johnson, ehemaliger Journalist und Senior Fellow am Council on Foreign Relations. Die Idee zum China Unofficial Archive kam ihm, als er sein Buch “Sparks: China’s Underground. Historians and Their Battle for the Future” schrieb. Selbsterklärtes Ziel der Plattform: Die wichtigsten Dokumente, Filme, Blogs und Veröffentlichungen einer Bewegung von Chinesen, die die Geschichte ihres Landes zurückfordern, sollen zugänglich gemacht werden.

    Johnson sieht einen Bedarf für ein unabhängiges, zuverlässiges und unparteiisches Zuhause für dieses Material. Johnson: “Viele Menschen außerhalb Chinas glauben, dass das unabhängige Denken im Lande unterdrückt wurde. Dieses Archiv zeigt, dass dies nicht der Fall ist.” jul

    • De-Risking
    • Gesellschaft
    • Neue Seidenstraße
    • Wirtschaft

    Termine

    27.12.2023, 14:30 Uhr Beijing time
    German Chamber of Commerce in China, HR Roundtable (in Guangzhou): Exchange among Professionals in the South China Mehr

    28.12.2023, 18:30 Uhr Beijing time
    German Chamber of Commerce in China (in Suzhou): Deutscher Stammtisch Dezember Mehr

    06.01.2024, 14:00 Uhr
    Konfuzius-Institut Düsseldorf: 2024 New Year Tea Event Mehr

    08.01.2024, 14:00 Uhr (21:00 Uhr Beijing time)
    SOAS University of London, Talk: Among the Braves: Hope, Struggle and Exile in the Battle for Hong Kong and the Future of Global Democracy Mehr

    12.01.2024, 19:30 Uhr
    Konfuzius-Institut München, Jour Fixe der Stiftung ex oriente: Die hohe Kunst des Übersetzens: Hans van Ess und die “Gespräche des Konfuzius” Mehr

    11.01.2024, 14:00 Uhr Beijing time
    AHK Greater China Shanghai, Knowledge Hub: Automation, Digitalization and Green Logistics – Highlights in the 2024 Supply Chain Trend Monitor Mehr

    13.01.2024, 10:30 Uhr
    Konfuzius-Institut Metropole Ruhr e.V., Workshop-Reihe für Kinder: Beijing und die Peking-Oper Mehr

    14.01.2024, 13:00 Uhr
    Georg-August-Universität Göttingen, Contemporary Theater Arts Lecture Series: Curatorial Consciousness in Ergao Dance Production Group Mehr

    15.01.2024, 18:00 Uhr
    Konfuzius-Institut Nürnberg-Erlangen, Vortrag: Deutsch-chinesische Beziehungen im globalen Kontext Mehr

    15.01.2024, 18:00 Uhr
    SOAS University of London, Reading: Scents of China Mehr

    16.01.2024, 18:00 Uhr
    Rosa-Luxemburg-Stiftung Thüringen, Diskussion/Vortrag (in Gera): China als Konkurent des Westens und die Sorge um neue Konflikte Mehr

    16.01.2024, 19:30 Uhr
    Konfuzius-Institut Trier, Vortrag von Doris Fischer: Entwicklungszusammenarbeit: chinesische Ansätze für nationale und internationale Regionalförderung Mehr

    16.01.2024, 10:00 Uhr (17:00 Uhr Beijing time)
    Deutsch-Chinesische Wirtschaftsvereinigung, Business-Gespräch China: Making the Right Move: Smart Relocation Choices in China and Seizing ASEAN Opportunities Mehr

    17.01.2024, 12:00 Uhr
    Mercator Institute for China Studies, Konferenz: MERICS China Forecast 2024 Mehr

    News

    USA erwägen höhere Zölle auf chinesische E-Autos

    Die US-Regierung erwägt dem “Wall Street Journal” zufolge höhere Zölle für einige Waren aus China, darunter Elektrofahrzeuge. Anfang nächsten Jahres solle eine Überprüfung der Zölle abgeschlossen werden, berichtet das Blatt unter Berufung auf anonyme Quellen. Eine Gruppe von US-Abgeordneten hatte die Regierung im November aufgefordert, die Zölle auf in China hergestellte Autos zu erhöhen. Auch solle geprüft werden, ob chinesische Unternehmen daran gehindert werden können, Waren von Mexiko aus in die Vereinigten Staaten zu exportieren.

    Chinas Fahrzeugexporte steigen aufgrund von Überkapazitäten und einer nachlassenden Inlandsnachfrage seit Jahren. Und die China Merchants Bank International erwartet, dass sie 2024 um 25 Prozent auf 5,3 Millionen Autos wachsen.

    Die USA erheben derzeit Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Autos aus China. Diese waren während der Präsidentschaft von Donald Trump eingeführt worden; sein Nachfolger Joe Biden verlängerte sie. Die Regierung erwägt dem Bericht zufolge auch die Senkung der Zölle auf einige chinesische Konsumgüter, die als strategisch unwichtig angesehen werden.

    Auch ausländische Autohersteller, darunter das US-Unternehmen Tesla, nutzen China als wichtiges Exportzentrum. US-Abgeordnete haben bereits früher darauf hingewiesen, dass die Einfuhren von US-Marken aus chinesischer Fertigung ein Zeichen dafür seien, dass die derzeitigen Einfuhrzölle nicht ausreichten.

    Auch die EU-Kommission sieht die heimische Autobranche durch günstigere E-Autos aus China in Gefahr. Sie prüft deshalb Anti-Dumping-Zölle. Brüssel erwartet wegen des Kostenvorteils einen Anstieg des Marktanteils chinesischer Autobauer bei Elektroautos in Europa von derzeit acht Prozent auf 15 Prozent in zwei Jahren. rtr

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    Ausfuhrverbot für Technologien zur Verarbeitung Seltener Erden

    China stoppt die Ausfuhr einer Reihe von Technologien zur Verarbeitung Seltener Erden. Damit könnte es für die USA und andere westliche Länder schwieriger werden, ihre Versorgung mit strategischen Rohstoffen zu verbessern. Das berichtet Bloomberg.

    Peking hat die Technologie zur Herstellung von Metallen und Magneten auf Basis Seltener Erden auf eine Liste von Gütern gesetzt, die nicht ins Ausland exportiert werden dürfen. Das geht aus einem Dokument des Handelsministeriums hervor. Die Volksrepublik ist der weltweit führende Anbieter dieser Mineralien – einer Gruppe von 17 Elementen, die bei der Produktion von Windturbinen über militärische Ausrüstung bis hin zu Elektrofahrzeugen benötigt werden. Die Entscheidung kommt zu einem Zeitpunkt, an dem Chinas geopolitischen Rivalen versuchen, weniger abhängig von dessen Gütern zu werden.

    Bereits im Sommer hatte das chinesische Handelsministerium strengere Ausfuhrkontrollen für Seltene Erden verkündet. Begründet wurde dies mit dem Schutz der nationalen Sicherheit und nationaler Interessen. Die neuen Vorschriften könnten nun die Bemühungen anderer Länder vereiteln, die Industrie außerhalb Chinas auf- und auszubauen. Bis vor relativ kurzer Zeit gab es außerhalb Chinas kaum Raffinerien für Seltene Erden. cyb

    • Export
    • Handelspolitik
    • Seltene Erden

    Militärs nehmen hochrangigen Dialog mit den USA wieder auf

    Der US-Generalstabschef, Luftwaffengeneral Charles Q. Brown, und sein chinesischer Amtskollege General Liu Zhenli haben ein virtuelles Treffen abgehalten, wie das Pentagon bekannt gab. Es ist die erste derartige Unterhaltung seit 16 Monaten. Die Biden-Administration wertet das Gespräch als Zeichen, dass sich die Militärbeziehungen der beiden Staaten wieder normalisieren.

    Der Videocall folgte auf eine Vereinbarung zwischen US-Präsident Joe Biden und Chinas Staatschef Xi Jinping vom November, diese Beziehungen wieder aufzunehmen. Peking hatte sie im August 2022 nach dem Taiwan-Besuch der damaligen Sprecherin des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, abgebrochen. 

    Die beiden Generäle erörterten bei ihrem Gespräch “eine Reihe globaler und regionaler Sicherheitsfragen”, wie Browns Büro mitteilte. Washington und Peking sind in vielen Themen zerstritten, von der Zukunft des demokratisch regierten Taiwan bis hin zu Gebietsansprüchen im Südchinesischen Meer.

    General Liu ist als Chef der Abteilung für den Gemeinsamen Stab der Zentralen Militärkommission (CMC) für Planung und Durchführung von Chinas Kampfeinsätzen zuständig. Er gilt als Spitzenkandidat für die Nachfolge von Chinas Verteidigungsminister, General Li Shangfu, der im vergangenen Monat entlassen wurde. Ein neuer Verteidigungsminister könnte im März beim Plenum des Nationalen Volkskongresses ernannt werden. rtr/jul

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    Xi hat gegenüber Biden die Angliederung Taiwans angekündigt

    Staatschef Xi Jinping hat US-Präsident Joe Biden während ihres Gipfeltreffens im November mitgeteilt, dass Peking Taiwan mit dem chinesischen Festland wiedervereinigen werde. Allerdings stehe der Zeitpunkt noch nicht fest. Das berichtet NBC unter Berufung auf drei derzeitige und ehemalige US-Beamte.

    China wolle Taiwan lieber friedlich als mit Gewalt einnehmen, sagte Xi demnach zu Biden bei einem Gruppentreffen, an dem ein Dutzend amerikanischer und chinesischer Beamter teilnahmen. Er habe sich dabei auch auf öffentliche Vorhersagen von US-Militärs bezogen, wonach Peking die Einnahme Taiwans im Jahr 2025 oder 2027 plane. Xi soll Biden den Beamten zufolge gesagt haben, diese Prognosen seien falsch. Er habe keinen Zeitrahmen festgelegt.

    Das Gipfeltreffen hatte dazu dienen sollen, die Spannungen zwischen den beiden Großmächten zu verringern. Xis Aussage gegenüber Biden unterscheidet sich zwar nicht wesentlich von seinen früheren öffentlichen Äußerungen zu Taiwan. Sie fiel aber auf einen Zeitpunkt, zu dem Chinas Verhalten gegenüber Taiwan als zunehmend aggressiv angesehen wird – sowie vor Taiwans richtungsweisender Präsidentschaftswahl

    Die Beamten beschrieben den chinesischen Führer gegenüber NBC als unverblümt und offen, aber nicht konfrontativ. “Seine Sprache war nicht anders als das, was er immer gesagt hat. In Bezug auf Taiwan ist er immer hart. Er hat schon immer eine harte Linie vertreten”, sagte einer der US-Beamten dem Sender. cyb

    • Gipfel
    • Joe Biden
    • Taiwan
    • Xi Jinping

    Presseschau

    USA und China nehmen militärischen Dialog wieder auf ORF
    China verbietet Ausfuhr von Technologien zur Verarbeitung Seltener Erden HANDELSBLATT
    E-Autos und Solarprodukte: USA erwägen neue Zölle auf Waren aus China N-TV
    Tschechien: Das Land, das von einer klaren Haltung gegen China profitiert WELT
    Spionageaffäre “Chinagate” erschüttert die belgische Politik SPIEGEL
    Streit um Hoheitsrechte: Peking droht Manila mit “entschlossener Reaktion” N-TV
    China uses AI to generate propaganda on YouTube, report finds RFA
    Was sich im Kampf gegen Fake News von Taiwan lernen lässt SUEDDEUTSCHE
    Boeing kurz vor Wiederaufnahme der 737-Max-Auslieferungen nach China AEROTELEGRAPH
    Chinesischer Flughafenbetreiber verweigert Rossija Annahme und Durchführung der Flüge N-TV

    Kolumne

    Als Chinas Meisterspione noch romantische Revolutionäre waren

    Von Johnny Erling
    Johnny Erling schreibt die Kolumne für die China.Table Professional Briefings

    Zhao Lei, Vizeleiter des Instituts für Internationale Strategie an der Zentralen Parteihochschule des ZK (中央党校), hat offenbar von ausländischen Korrespondenten in Peking gelernt: Wenn diese am ideologischen Kauderwelsch von Xi Jinpings ellenlangen Reden verzweifeln, zählen sie nach, welchen Begriff er am häufigsten nennt. Darauf komme es wohl an.

    Zhao Lei fand heraus, dass Xi in seiner 30.000 Schriftzeichen langen Rede, mit der er Ende 2022 den zwanzigsten Parteitag eröffnete, das Wort Sicherheit (安全) 91 Mal wiederholte, und dabei 29 Mal von der Sicherheit des Staates sprach (国家安全”一词出现29次). Der Forscher schloss messerscharf, dass dieser Frage künftig eine “noch herausragendere Bedeutung” zukommen wird (国家安全工作被摆在更加突出的位置).

    Zwar ist die Phobie des Parteichefs seit langem bekannt, überall Krisen und Feinde zu wittern, die auf Regimechange aus sind, oder wie die USA Chinas Weltmachtaufstieg stoppen wollten. Doch inzwischen ist für Xi daraus eine Obsession geworden. Seit er 2014 die Zentrale Kommission für Staatliche Sicherheit (中央国家安全委) gründen ließ, der er bis heute vorsitzt, hat er ein Dutzend Gesetze zum Schutz Chinas gegen Subversion, Spionage, Sabotage, Terrorismus und Sanktionen von außen auf den Weg gebracht. Zudem zwang Peking auch Hongkong ein Nationales Sicherheitsgesetz auf.

    Schutz der nationalen Sicherheit steht über allem

    Schon auf der ersten Sitzung seiner Kommission identifizierte Xi 16 sicherheitsrelevante Bereiche als Schwachstellen der Volksrepublik. Er verlangte nach einem gesamtstaatlichen Sicherheitskonzept, um ein “sicheres China” (平安中国) zu gewährleisten. Das war am 15. April 2014. Das Datum wird nun jährlich als “Tag der Erziehung in Nationaler Sicherheit” begangen.

    Auf der jüngsten Sitzung seiner Kommission im Mai 2023 warnte Xi, dass die Sicherheitsprobleme “noch komplexer und schwieriger” geworden seien. Er forderte die Behörden auf, sich “darum zu kümmern”. Zwei Monate später meldete der Minister für Staatssicherheit, Chen Yixin, (陈一新) Vollzug. “Wir haben in Umfang, technischen Kapazitäten und Ressourcen zugelegt”, weil China bedroht werde und sich “proaktiv” gegen Spione verteidigen müsse. Aus Anlass des am 1. Juli in Kraft getretenen, neu erweiterten “Anti-Spionagegesetzes” verlangte er aufzurüsten, mit mehr “Big Data, Blockchain und KI”.

    Chinas neue Antispionage-Kampagne, nachdem am 1. Juli das erweiterte Antispionagegesetz in Kraft getreten war. Propagandatafeln fordern die Bevölkerung zur Mitarbeit und Denunziation von Spionen auf. Auf dem Plakat links steht die Nummer der Hotline 12339, um Verdächtige zu melden.

    In Chinas “neuer Ära des Sozialismus”, wie Xi seine Herrschaft seit seiner dritten Wiederwahl auf dem zwanzigsten Parteitag nennen lässt, muss sich heute alles dem Schutz der nationalen Sicherheit unterordnen. Der dafür zuständige Staatsschutz gewinnt an politischem Einfluss.

    DDR-Auslandsspion Markus Wolf

    Mao besetzte einst Chinas Schaltstellen der Parteimacht mit Altrevolutionären, Reformer Deng Xiaoping mit Technokraten. Xi holt sich offenbar immer mehr Sicherheitsfunktionäre an Bord, die einst seine loyalen, langjährigen Gefolgsleute waren, fand die neue Winteranalyse 2023 des China Leadership Monitor heraus. Zehn der 15 Mitglieder im Politbüro brächten so einen Hintergrund mit, ebenso fast die Hälfte der Beamten im Staatsrat. Neue Minister der Sicherheitsbehörden oder der ZK-Kommissionen für Politik und Recht zeigen selbstbewusst Gesicht.

    Ich musste daran denken, als ich jüngst in dem Buch “Der Mann ohne Gesicht” (隐面人) blätterte, eine chinesische Übersetzung der Memoiren des früheren Chefs der Auslandsspionage der untergegangenen DDR, Markus Wolf. Im Oktober 2000 schenkte mir Wolf in Peking das Buch, das in Chinas einschlägigem “Verlag für Internationale Kultur” erschien. Dessen Leiter Zhang Guilai hatte sich getraut, Wolf zur Buchvorstellung einzuladen und erlaubte auch mir, daran teilzunehmen. China hatte die Rechte vom US-Verlag gekauft, der das Buch druckte, während Wolfs westdeutscher Verlag abwartete, bevor er es dann auch unter dem Titel; “Spionagechef im geheimen Krieg” verlegte.

    Markus Wolf durfte einst sein Buch auch in China persönlich vorstellen. Es wurde zum Bestseller, wird heute nicht mehr vertrieben.

    Denn Wolf war in der Bundesrepublik hochumstritten. Viele nahmen ihm seine kritischen Reflexionen über das DDR-System nicht ab. In China, wo unter Xis Zensur heute ein solches Buch nicht mehr erscheinen dürfte, stießen Wolfs “Mann ohne Gesicht” und später auch sein Buch “Troika” auf “neugierigen Zuspruch”, sagte mir damals Verlagsleiter Zhang. “Weil er so ganz anders schrieb, als die Leser es sich vorstellten”. Diese lobten Wolf: Weil er zwar “sein Gesicht versteckte”, aber seine “Persönlichkeit und Mut zum Querdenken” gezeigt habe.   

    Wolf wuchs in seiner deutschen Künstlerfamilie in Moskau voll idealistischer Begeisterung für die Sowjetmacht auf und fühlte sich auch China verbunden. Sein Vorbild war der sowjetisch-deutsche Spion Richard Sorge. Der hatte heimlich in Shanghai einen Spionagering organisiert und von Japan aus Stalin vor dem Überfall Hitlers gewarnt. Zu Wolfs lebenslangen Freunden gehörte auch die aus Moskau gekommene Deutsche Eva Xiao, die mit ihrem Mann, dem Dichter Emi Xiao, in Peking lebte. Sie besuchte Wolf am 5. Juni 1989 in Berlin, einen Tag nach dem Tiananmen-Massaker, das ihn entsetzt hatte. Da war er schon lange seines Amtes in der DDR entbunden.

    Eine von Markus Wolf in Peking 2000 benutzte Visitenkarte. Wolf notierte  auch die Mailadresse seiner dritten Frau Andrea, die ihn nach Peking begleitete.

    Wolf, der 2006 starb, erlebte 2000 noch ein China, das auf der Suche nach seinem Weg war. Er verstand die Botschaft, als ihm der Verlag nach seiner Buchpräsentation ein Rollbild mit dem Motiv eines Meihua-Schneeflockenstrauchs schenkte: “Die Meihua-Blüte lässt sich nicht vorschreiben, auf den Frühling zu warten. Sie duftet, wann sie will …”

    Spione der 1940er: Romantische Revolutionäre

    Wie Richard Sorge gehörte Wolf zu einer Spezies von Geheimdienstlern, zu der sich auch viele chinesische Aktivisten der 1940er-Jahre rechneten. China-Historiker Stephen R. MacKinnon nennt sie “romantische Revolutionäre” und widmete sein neues Buch “China’s last romantic revolutionary” einer Legende in ihren Reihen.

    Er zeichnet darin ein Portrait des chinesischen Meisterspions Chen Hansheng (1897-2004). Der wurde als Sozialwissenschaftler und Agrarforscher mit seinen Feldstudien über Chinas Bauern weltberühmt. Chen promovierte nach Studien an den Universitäten Pomona und Harvard 1924 als Historiker in Berlin. In Peking berief ihn der Erziehungsreformer Cai Yuanpei zum jüngsten Professor an Pekings National-Universität. Doch Chen war zugleich der erfolgreichste internationale Einflussagent. 1926 wurde er vom Mitbegründer der KP China, Li Dachao, in die Komintern gebracht. In Peking und Shanghai knüpfte Chen mit Richard Sorge ein weitreichendes Spionagenetz. Er freundete sich mit der progressiven Journalistin Agnes Smedley an.

    Spione hatten große Netzwerke

    Die damaligen Netzwerke der willentlichen Spione und Agenten mit unwissenden Unterstützern und Sympathisanten von Moskau über Peking, Tokio bis in die USA harren noch ihrer systematischen Erforschung. Ein Beispiel grub jüngst der britische Historiker Owen Matthews in seinem neuen Buch “Stalins Meisterspion – Richard Sorge” aus. Bevor Sorge von Berlin aus nach Shanghai ging, half ihm der marxistische Chinaforscher Karl August Wittfogel. Der promovierte am Frankfurter Institut für Sozialforschung. Einer seiner Gutachter war der einflussreiche Sinologe Richard Wilhelm, der gerade sein Frankfurter Institut für Chinakunde gegründet hatte. Wittfogel soll ihn überredet haben, Sorge ein Empfehlungsschreiben für sinologische Studien in Shanghai auszustellen. Das half Sorge, Fuß zu fassen und öffnete viele Türen.

    Chen Hanshengs Kontakte reichten von Sun Yat-sens Witwe Soong Qingling bis tief ins Umfeld von US-Präsident Franklin D. Roosevelt. Zwischen 1945 und 1950 durfte er an großen US-Universitäten lehren. Er nutzte seinen Einfluss, um chinesische Wissenschaftstalente zur Rückkehr nach China zu bewegen, darunter später wichtige Atom- und Raketenforscher in der Volksrepublik.

    Hohe Regierungsämter in Peking zu übernehmen, lehnte Chen nach 1950 ab, tief enttäuscht von Maos zuerst stalinistischer und später feudalistischer Herrschaft. Chen starb erblindet als Spätfolge barbarischer Verfolgungen während der Kulturrevolution, bei der 1968 seine Frau ums Leben kam.

    Xis Agenda für wichtigste Probleme

    Fast alle der “romantischen” Agenten überwarfen sich später mit ihren Regimen, denen sie so loyal dienten. Die heutigen geheimdienstlichen Apparatschiks überziehen China dagegen mit virtuellen Kampagnen, im Juli stellte dazu das Ministerium für Staatssicherheit seine erste öffentliche Weixin-Webseite ins Netz, unter dem Leitspruch: “Das Ministerium für Staatssicherheit ist die Grundlage für die nationale Wiedererneuerung Chinas.”

    Grafik auf der WeChat-Seite der Staatssicherheit. Sie zeigt, wie sich die Verfügbarkeit strategischer Rohstoffe zwischen China (oben), USA (links) und Europa (rechts) überschneidet. China hat die Nase vorn, in 21 Kategorien überlappt es sich aber mit den USA und in 17 mit Europa.

    Die bisher 80 Analysen und Kommentare auf der Webseite richten sich danach, was Xi Jinping in seiner jeweiligen Agenda gerade für Chinas wichtigstes Problem hält, um seine Großmachtentwicklung auf Kurs zu halten. Auch das lässt sich anhand der Worte in seinen Reden abzählen. Im November war es der Schutz von Chinas Monopol bei strategischen Mineralien wie Seltene Erden. Das sei “die neue Arena des Wettbewerbs zwischen den Weltmächten”, meldete die Staatssicherheit.

    Mitte Dezember änderte sich die Priorität. Nun drohe Gefahr, weil Chinas Wirtschaftslage derzeit von feindlichen Kräften schlecht geredet und verleumdet wird. Die Behörden der Staatssicherheit “müssen dagegen wirtschaftliche Schutzbarrieren errichten” (国家安全机关坚决筑牢经济安全屏障) hieß die Überschrift der Webseite: “Die aktuelle Wirtschaftslage wird immer mehr zu einem wichtigen Schlachtfeld im Wettbewerb der Großmächte.”

    Auf die Attacke der Geheimdienste, die gegen alle mobil machen wollen, die Chinas Wirtschaftslage unter Xi schlechtreden, reagierten Blogger feixend so: “Andere Länder setzen auf drei Pferde, um den Wirtschaftskarren aus dem Schlamm zu ziehen – auf Investitionen, Außenhandel und Konsum. China spannt dagegen drei neue Pferde vor seinen Karren: das Statistische Amt, (um die Zahlen zu schönen), die Propaganda, (um zu lügen) und das Sicherheitsministerium (um zu drohen).” Markus Wolf und Chen Hansheng hätten darüber wohl auch nur gelacht.

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    Personalien

    Abel Luo hat seine eigene Firma gegründet: Luo Consulting mit Sitz in St Gallen. Er kommt aus der Textilbranche und hatte vor zehn Jahren in Shenzhen die Firma Shenzhen Ingenue Clothing Co. gegründet, zuvor war er Mitbesitzer von Yuan Garment in Jiangmen.

    Ivanka Liu ist als Managerin für digitale Transformation zur Lufthansa gewechselt. Sie hat zuvor für die LSG Group gearbeitet, einen Luftfahrt-Caterer, der früher der Lufthansa gehörte. Davor war sie im Sales bei Heidelberger Druck auf dem asiatischen Markt tätig.

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    Dessert

    Kids in Hongkong auf dem Weihnachtsmarkt. Die christlichen Traditionen aus 156 Jahren britischer Herrschaft haben in der südlichen Hafenstadt ihre Spuren hinterlassen. Ebenso die Pandemie: Die Erkältungswelle rollt, Masken sollen Ansteckungen in der Gruppe verhindern.

    China.Table Redaktion

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