Table.Briefing: China

Regierungskonsultationen + Subventionen + VW + Continental + Chips

  • Gespräche in Zeiten von Sanktionen
  • Sprungbrett internationale Schulen
  • Meituan plant Mitarbeiter durch Lieferroboter zu ersetzen
  • EU greift gegen chinesische Subventionen durch
  • Zensus zeigt Bevölkerungsrückgang
  • Baubeginn für neues VW-Werk in Anhui
  • Autonomes Fahren: Continental kooperiert mit Horizon Robotics
  • Automobil-Chips: TSMC plant Milliarden-Investition in China
  • Im Portrait: Christian Ude
Liebe Leserin, lieber Leser,

heute starten die deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen. In der Vergangenheit waren sie häufig ein PR-Erfolg für Peking, bemängeln Kritiker. Außenpolitiker aus Koalition und Opposition fordern die Bundesregierung auf, auch kritische Fragen zu Menschenrechten, Sanktionen und dem Investitionsabkommen CAI zu thematisieren, analysiert Finn Mayer-Kuckuk. Es wäre ein Fortschritt. Denn vor knapp zwei Wochen hatte Angela Merkel mit Xi Jinping telefoniert und kaum kritische Themen angesprochen.

Frank Sieren hat sich einen Zweig des chinesischen Bildungssystems genauer angeschaut: Internationale Schulen. Bei wohlhabenden Chines:innen gelten sie als ein Grundstein für die erfolgreiche Karriere ihrer Kinder. Denn auf dem Arbeitsmarkt wird häufig auch mit Zertifikaten statt mit Fähigkeiten konkurriert.

Am anderen Ende der “sozialen Leiter” stehen häufig auch Lieferboten. In China boomt beispielsweise der Markt für Essenslieferungen. Jörn Petring und Gregor Koppenburg haben sich die Pläne des Marktführers Meituan angeschaut, Mitarbeiter durch autonome Lieferroboter zu ersetzen. Setzt sich die neue Technologie durch, könnten hunderttausende Menschen arbeitslos werden, die auf dem zunehmend umkämpften Arbeitsmarkt Chinas immer weniger Chancen haben.

Einige neue Entwicklungen gab es auch im Automobilsektor. Volkswagen hat mit dem Bau einer neuen E-Auto-Fabrik in Hefei begonnen. Der Zulieferer Continental gründet ein Joint Venture im Bereich des autonomen Fahrens. Und der Chip-Riese TSMC will die Produktion von Halbleitern für die Autoindustrie ausweiten. Mehr dazu in den News.

Ihr
Nico Beckert
Bild von Nico  Beckert

Presseschau

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Analyse

Gespräche in Zeiten von Sanktionen

Am heutigen Mittwoch werden Premier Li Keqiang, Kanzlerin Angela Merkel und ein Großteil der Minister:innen ihrer Regierungen zu Videogesprächen zusammengeschaltet. Dieses Gipfeltreffen nennt sich “deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen” und findet zum sechsten Mal statt. Merkel als erfahrene Regierungschefin konnte im Verlauf des Formats seit 2011 in Echtzeit beobachten, wie China an Selbstbewusstsein gewonnen hat. Ihre Ansprechpartner haben damals Großmachtambitionen noch ausdrücklich zurückgewiesen, heute treten deren Nachfolger mit dem Anspruch an, das Weltgeschehen zu bestimmen.

Das heutige China ist jedoch nicht nur sendungsbewusst und zuweilen auch richtig bissig – es ist nach Ansicht der Opposition auch scheinheiliger. “China hat viele Gesichter – ein diplomatisches für uns Europäer und eines nach innen”, sagt Bijan Djir-Sarai, der für die FDP Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags ist, am Dienstag auf einer Veranstaltung des Forschungsinstituts Merics. Während China auf der einen Seite transparente Regeln für Investitionen verspreche, erschwere es in der Praxis den Marktzugang.

Die deutsche Regierung zeigt sich jedoch insgesamt optimistisch, dass die Konsultationen unter dem Strich etwas bringen. “Wir schätzen die Möglichkeit, die ein solches Format gibt, um Fortschritte bei Themen, die für beide Seiten wichtig sind zu erzielen”, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Konkret nannte er den Schutz des Klimas, Wirtschaftsfragen und Corona als mögliche Gesprächsthemen. Die Haltung Deutschlands zu Bürger- und Menschenrechten sei “bekannt”. Es säßen “vollkommen unterschiedliche Gesellschaftssysteme hier miteinander am Tisch.”

Die Regierungskonsultationen finden normalerweise abwechselnd in Peking und in Berlin statt, diesmal aber natürlich virtuell. Neben einer großen Runde mit allen Minister:innen, in der Li und Merkel den Ton angeben, gibt es noch Einzelgespräche der jeweiligen Fachkolleg:innen. Von besonderem Interesse sind hier die Gespräche der Wirtschafts-, Finanz-, Umwelt- und Justizminister:innen. Dazu kommt eine Runde mit Wirtschaftsleuten.

Das Format ist in internationalen Beziehungen eher die Ausnahme. Deutschland pflegt solche Konsultationen nur mit den europäischen Nachbarn wie Frankreich, Italien und Polen. Ausnahmen sind Russland, Israel, Indien und eben China. Die Konsultationen gelten daher immer wieder als Beleg für die besonderen Beziehungen der Wirtschaftspartner China und Deutschland. Kritiker bemängeln jedoch schon länger, dass die Konsultationen vor allem für China ein PR-Erfolg sind – und die kommunistische Führung einfach weghört, wenn es um schwierige Fragen wie die Menschenrechte geht.

Eintreten für Werte – im Sinne der Wirtschaft

Die Vertreter aller Bundestagsfraktionen auf der Merics-Veranstaltung zur deutschen Chinapolitik waren sich einig, dass die kürzlich verhängten Sanktionen ein Thema der Konsultationen sein sollten – und dass die Regierung hier Klartext reden muss. Von einem “Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit” sprach der SPD-Außenpolitikexperte Nils Schmid im Hinblick darauf, dass auch Merics selbst betroffen ist. Die deutsche Seite sollte auch die Auswirkungen des Schritts auf die noch ausstehende Bestätigung des Investitionsabkommens CAI ansprechen. “Sie sollte bilateral klar machen, dass so etwas nicht in die Zeit passt”, so Schmid. “Wenn Europaparlamentarier sanktioniert werden, kann China nicht erwarten, dass das noch etwas wird mit dem Abkommen.”

Die Grünen stimmen zu: “Es geht nicht, dass Institutionen wie Merics und das EU-Parlament sanktioniert werden und das dann nicht auf oberer Ebene wie den Regierungskonsultationen angesprochen wird”, sagte Omid Nouripour, der außenpolitische Sprecher der Fraktion. Auch die FDP befürwortet hier einen eindeutigen Kurs. “Ein Schweigen zu so etwas wie den Sanktionen würde als Schwäche ausgelegt”, sagt Djir-Sarai.

Eine ähnliche Logik wendet die FDP auch auf das Thema Menschenrechte an. “Dass die Bundesregierung hier die Initiative ergreift, dürfte im Sinne vieler Teilnehmer aus der Wirtschaft sein”, sagte Gyde Jensen, FDP-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. “Denen können nämlich durch den Verdacht, schwere Menschenrechtsverletzungen in der eigenen Lieferkette zumindest zu tolerieren, nachhaltige Reputationsschäden entstehen.” Es habe dagegen keinen Sinn, alle Probleme einfach mit Hinweis auf unterschiedliche Gesellschaftssysteme wegzuwischen.

Der Maschinenbau-Verband VDMA forderte derweil von der Regierung, bei den Gesprächen unnachgiebig zu sein, wo es um den Marktzugang geht. Die Regierung sollte von China fordern, sich an die Regeln der Welthandelsorganisation zu halten, deutsche Fachleute einfacher ins Land zu lassen und europäische Firmen mehr bei Ausschreibungen zu berücksichtigen. Das sind allerdings die üblichen Forderungen der Verbände vor Gipfeltreffen mit China.

  • Angela Merkel
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Sprungbrett internationale Schulen

China betrachtet sich traditionell als Meritokratie. Über die Bildungschancen soll allein die Leistung entscheiden. In der Praxis ist das nicht immer der Fall. Für viele Chinesen gilt die Ausbildung im Ausland noch immer als Wohlstandsgarant. Die weit verbreitete Annahme: Wer ein paar Semester an einer renommierten ausländischen Bildungseinrichtung genossen hat, hat am Ende auch die besten Jobaussichten. Und oft trifft das auch nach wie vor zu. Auf dem chinesischen Arbeitsmarkt konkurrieren viele Absolventinnen und Absolventen heute noch immer eher mit Diplomen und Zertifikaten als mit ihren Fähigkeiten.

Britische Exzellenz für die chinesische Mittelschicht

Bekannte ausländische Franchise-Unternehmen profitieren davon, insbesondere jene aus Großbritannien, was auch damit zusammenhängt, dass britische Universitäten in China nach wie vor ein exzellentes Ansehen genießen.  So hat sich das Angebot von Bildungs-Institutionen wie Harrow, Dulwich und Wellington in China laut Angaben des britischen Ministeriums für internationalen Handel (DIT) in den letzten fünf Jahren verdreifacht. Vor allem in der sogenannten Greater Bay Area (GBA), einem Wirtschafts-Cluster um die wohlhabenden Städte Guangzhou-Hongkong-Macau, stieg die Nachfrage rasant. Nach Angaben von NewSchool Insight Media, einer Plattform für Bildungsdienstleistungen, wurden von den 53 neu eröffneten internationalen Schulen zwölf in der Provinz Guangdong eröffnet. Und allein in diesem Jahr sollen elf neue internationale Schulen in der Tech-Metropole Shenzhen eröffnen. 

Während solche Eliteschulen in den vergangenen Jahren vor allem in Städten wie Peking und Schanghai zur Bildungsinfrastruktur gehörten, werden nun auch kleinere Städte und weniger wohlhabende Regionen von dem Boom erfasst. Neue Schulplätze sind hier oft in Windeseile vergeben. Die chinesische Mittelschicht wächst und will mehr denn je in eine gute Ausbildung investieren. Durch die jahrzehntelange Ein-Kind-Politik wollen viele Eltern keine Gelegenheit auslassen, wenn es um die Bildungschancen ihrer Kinder geht. Noch immer sind die Qualitätsunterschiede zwischen Schulen auf dem Land und denen der Boom-Metropolen enorm. Jungen Menschen aus der Provinz fehlt oft das ökonomische, soziale und kulturelle Kapital, um sich später an den klassenbewussten Elite Unis zu behaupten. 

In diese Lücke wollen die Schulanbieter, allen voran die britischen, vorstoßen. In den Provinzen Guangdong, Fujian, Hunan, Guangxi, Jiangxi und Hainan haben seit Anfang 2020 zehn unabhängige britische Schulen Standorte errichtet. Dulwich und Harrow sind zum Beispiel nach Zhuhai gezogen, einer Zwei-Millionen-Einwohner-Stadt in der direkten Nachbarschaft von Macao. Die Lady Eleanor Holles School, eine Mädchenschule mit 300-jähriger Geschichte, hat in Foshan, einer Industriestadt mit sieben Millionen Einwohnern, einen Campus errichtet. Bis 2025 könnten rund 20 britische Schul-Marken an rund 31 Standorten in der Region aktiv sein, schreibt das chinesische Wirtschaftsmagazin Caixin. Die meisten von ihnen verfahren dabei nach dem “Management Contract”-System, bei dem ein chinesischer Partner in den Bau und Betrieb der Einrichtung investiert, während die britische Seite die Verantwortung für die akademische Qualität übernimmt.

Langfristige Investitionen

Andersherum dringen auch chinesische Investoren immer mehr in den britischen Bildungsmarkt vor, indem sie Schulen im Land aufkaufen. Mindestens 17 britische Privatschulen, darunter die traditionsreiche Bournemouth Collegiate School und die Riddlesworth Hall sind in den letzten Jahren ganz oder teilweise in chinesischen Besitz übergegangen. Da viele Schulen sich durch die Covid-Pandemie in finanzieller Not befinden, dürfte dieser Trend anhalten. Die Investoren generieren aus dem Betrieb der Schulen einen stetigen Cashflow und erhalten darüber hinaus die Möglichkeit, die bewährten Bildungskonzepte in eigene Schulprojekte in China zu übernehmen. Die Gewinnspannen sind dank der stetig steigenden Studiengebühren hoch. Laut einer Analyse von Essence Securities hat das Unternehmen Maple Leaf Educational Systems, das 120 Schulen in 30 chinesischen Städten betreibt, im vergangenen Jahr eine Nettogewinnmarge von 33,3 Prozent erzielt.

Auch für Immobilienfirmen ist der Bildungsmarkt interessant. Li Peng, ein internationaler Bildungsinvestor, erklärt gegenüber Caixin, dass internationale Schulen stabile Cashflows generieren und gleichzeitig das Branding der Immobilienfirmen verbessern. Das vielleicht bekannteste Unternehmen, das die Kluft zwischen Immobilien- und Schulsektor überbrückt, ist Bright Scholar Education Holdings Ltd., das unter dem Namen Country Garden sieben internationale Schulen, 15 zweisprachige Schulen, 58 Kindergärten und 19 Englisch-Ausbildungszentren in zehn chinesischen Provinzen betreibt.

Stärkung des heimischen Bildungsmarktes

Das passt zu Pekings Plänen, seine Schüler und Top-Studenten in Zukunft mehr und mehr zuhause auszubilden. Laut einer Studie der National Science Foundation arbeiten 90 Prozent der chinesischen Auslandsstudierenden von MINT-Fächern zehn Jahre nach dem Abschluss noch immer in den USA. Um sie zurück in ihre Heimat zu locken, hat Peking attraktive Rückholprogramme mit üppigen Forschungsbudgets aufgelegt. Auch investiert Peking seit einigen Jahren verstärkt in eigene Eliteuniversitäten. Die Zahl jener, die nach dem Abschluss nach China zurückkehren, ist zwischen 2009 und 2018 bereits von 40 auf rund 80 Prozent gestiegen. Der in den Augen Chinas nicht gerade souveräne Umgang des Westens mit der Covid-19-Pandemie wird die Abkehr der chinesischen Studierenden noch beschleunigen. “Ich halte es für gut möglich, dass mehr und mehr junge Leute aus China künftig im eigenen Land bleiben, statt für einige Zeit im Ausland zu studieren”, sagt die Studienberaterin Guan Yan, die in Shanghai für die University of Edinburgh arbeitet.

  • Bildung
  • Coronavirus
  • Gesellschaft
  • Gesundheit

Meituan plant Mitarbeiter durch Lieferroboter zu ersetzen

Meituan schickt sich an, das Straßenbild in Peking zu verändern. In Teilen der Hauptstadt hat der Konzern, der ein gelbes Känguru als Maskottchen nutzt, die Erlaubnis erhalten, eine Flotte autonomer Lieferroboter zu testen. Der Essenslieferdienst begann bereits im Februar 2020 mit dem Pilotprojekt und sendete auf diese Art während der Corona-Pandemie Lebensmittelbestellungen an seine Kunden. Seitdem hat das Unternehmen rund 35.000 Bestellungen mit autonomen Lieferfahrzeugen in 20 Pekinger Wohnblocks verschickt. 

Der Robo-Bote manövriert routiniert durch Pekings dichten Straßenverkehr. Von Autos, die ihn links und rechts überholen, hält der etwa ein Meter lange und bis zu den Schultern reichende Kastenwagen auf seinen vier Gummirädern genügend Abstand. Und auch Fußgängern, die den autonomen Lieferwagen auf die Probe stellen wollen und direkt vor ihm auf die Straße treten, weicht das gelb lackierte Gefährt gekonnt aus.

Autonome Robo-Boten verändern das Stadtbild

Nach der ersten Testphase geht es nun in die zweite Runde. So kündigte Meituan kürzlich an, von Investoren die Rekordsumme von umgerechnet zehn Milliarden Dollar eingesammelt zu haben, auch, um seine autonomen Liefer-Fähigkeiten mit weiteren Robotern und Drohnen voranzubringen. Dazu passt, dass der Konzern vergangene Woche die zweite Generation seiner selbstfahrenden Lieferfahrzeuge vorstellte. Sie sollen bis zu einem Radius von 150 Metern Hindernisse in ihrer Umgebung erkennen und eine Strecke von 80 Kilometern mit einer Ladekapazität von 150 Kilogramm zurücklegen können. 

Hand in Hand mit der Ankündigung von Meituan veröffentlichte die Pekinger Stadtregierung ein Dokument, in dem es zusätzliche Gebiete für die Nutzung unbemannter Lieferfahrzeuge für qualifizierte Unternehmen auswies. Die inländischen E-Commerce-Giganten Alibaba und JD.com haben ebenfalls Ambitionen für autonome Logistikdienstleistungen. Im September 2020 stellte Alibaba einen autonomen Logistikroboter namens Xiaomanlv vor, der Lieferwege planen, Hindernisse identifizieren und die Bewegungen von Fußgängern vorhersagen kann. Bereits seit 2018 testet JD.com Lieferroboter und Drohnen

Was wird aus den Arbeitern?

Wenig begeistert von den Bemühungen der Konzerne, autonome Lieferungen voranzubringen, dürften deren Mitarbeiter im Straßeneinsatz sein. Allein Meituan beschäftigt laut Schätzungen vier Millionen Lieferboten, für die der harte Job oft der einzige Weg ist, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Vor zehn Jahren konnte man sich nicht vorstellen, wie sich das Pekinger Straßenbild durch die nun überall präsenten Boten auf ihren Elektrorollern verändern würde. Zehn Jahre in die Zukunft gedacht, dürfte sich das Bild erneut verändert haben, wenn kleine autonome Lieferfahrzeuge überall herumflitzen. 

Daraus, dass die Tech-Riesen in Zukunft am liebsten keine menschlichen Lieferboten mehr beschäftigen würden, machen sie selbst kein Geheimnis. “Ich hoffe, dass es in meiner Firma eines Tages keine Menschen mehr gibt. Alles soll zu 100 Prozent von Robotern und Künstlicher Intelligenz betrieben werden”, sagte etwa JD-Chef Richard Liu vor drei Jahren auf einer Technologie-Konferenz. Bei diesen Plänen wird allerdings auch die Regierung noch ein Wörtchen mitreden wollen.

Kartellermittlungen gegen Meituan

Der lange Arm der Behörden wurde am Montag sichtbar. Die chinesische Kartellbehörde teilte mit, Ermittlungen gegen den Pekinger Tech-Riesen eingeleitet zu haben. Nach Alibaba trifft es also den nächsten Tech-Riesen. Überrascht hat dieser Schritt in der Branche kaum jemanden. Denn dort weiß man, dass die Rekordstrafe, die die Aufseher vor einigen Wochen gegen Alibaba verhängt hatten, eben nicht ausschließlich Alibaba-Gründer Jack Ma treffen sollte, wie gelegentlich berichtet wird. 

Das Vorgehen der Kartellbehörde war eben nicht, oder zumindest nich primär, als persönlicher Rachefeldzug gegen Ma angelegt, weil dieser sich zuvor in einer Rede kritisch an Chinas Staatsbanken abgearbeitet hatte. Vielmehr ist eine breit angelegte Aufräumaktion in Chinas Technologie-Sektor in Gange, dessen Unternehmen lange davon profitierten, deutlich schwächer reguliert zu sein als Konkurrenten im Westen. Oft auch zum Nachteil der Kunden. 

Wie schon Alibaba wird Meituan die Praxis “er xuan yi” vorgeworfen, übersetzt “wähle eine von zweien”. Gemeint ist, dass Händler oder Restaurants zum Teil gezwungen werden, nur auf einer Bestellplattform aktiv zu sein und damit ihre Waren nicht bei der Konkurrenz anbieten dürfen. 

Alibaba musste dafür umgerechnet eine Strafe von 2,3 Milliarden Euro zahlen. Auch Meituan wird voraussichtlich Geld an die Regierung überweisen müssen. Allerdings wird es sich ebenso wie bei Alibaba aller Voraussicht nach nicht um eine existenzbedrohende Summe handeln.

Die Regierung will zwar mehr Aufsicht über die Tech-Giganten, aber gleichzeitig auch erreichen, dass diese weiterhin florieren. Der Aktienkurs von Meituan, das rund zwei Drittel des chinesischen Marktes für Essenslieferungen beherrscht, stieg am Dienstag an der Hongkonger Börse um mehr als zwei Prozent. Anleger nahmen die Kartell-Ermittlungen also gelassen. Gregor Koppenburg/Jörn Petring

  • Autoindustrie
  • Autonomes Fahren
  • Meituan
  • Robotik

News

EU greift gegen chinesische Subventionen durch

Die EU-Kommission will verhindern, dass europäische Firmen von hoch subventionierten ausländischen Unternehmen übernommen werden – der entsprechende Gesetzesvorschlag soll nun am kommenden Mittwoch vorgelegt werden, bestätigte eine Sprecherin der Generaldirektion für Wettbewerb China.Table. Brüssel will damit auch unterbinden, dass mit Staatsgeld unterstützte Unternehmen aus dem Ausland europäischen Konkurrenten öffentliche Aufträge wegnehmen. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hatte bereits im vergangenen Jahr in einem Weißbuch Vorschläge gemacht.

Die erwartete Gesetzesvorlage soll Medienberichten zufolge nun weitgehend den Ideen des Weißbuchs folgen. Demnach wäre die Europäische Kommission befugt, bei Übernahmen von EU-Unternehmen oder Angeboten für öffentliche Aufträge einzugreifen, wenn diese durch staatliche Subventionen von außerhalb der EU angetrieben werden. Zudem ist vorgesehen, dass besonders große Übernahmen von Firmen oder Ausschreibungen künftig der Kommission im Voraus mitgeteilt werden müssen. Richtwerte dabei seien geplante Übernahmen von Unternehmen im Wert von mindestens 500 Millionen Euro oder Ausschreibungsverträge im Wert von mindestens 250 Millionen Euro, zitiert die Financial Times zwei nicht genauer benannte EU-Quellen. Demnach sollen die neuen Regeln auch europäische Unternehmen betreffen, wenn festgestellt würde, dass sie Subventionen von außerhalb der EU erhalten.

Unternehmen könnten zudem mit Geldstrafen oder einem Vetorecht aus Brüssel konfrontiert werden, wenn sie die EU-Kommission nicht benachrichtigen. Angedacht ist auch, dass Firmen, die bereits in der EU vertreten sind und über einen Zeitraum von drei Jahren Subventionen in Höhe von mehr als 200.000 Euro erhalten, den Betrag der Kommission melden müssen.

Wenn der Gesetzesentwurf der Brüsseler Behörde veröffentlicht ist, wird er den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament zur Prüfung vorgelegt. Es könnte jedoch einige Jahre dauern, bis die Verordnung in Kraft tritt. Details des Vorschlags können sich auch noch ändern. Beobachter:innen erwarten, dass der EU-Vorstoß in Peking als Protektionismus gesehen werden wird. ari

  • EU
  • Finanzen
  • Subventionen

Zensus zeigt Bevölkerungsrückgang

China könnte den ersten Bevölkerungsrückgang seit Beginn der Datenerhebung im Jahr 1949 verzeichnen. Die Gesamtbevölkerung der Volksrepublik liege wieder bei unter 1,4 Milliarden Menschen. Das habe der neue Zensus ergeben, berichtet die Financial Times unter Bezugnahme auf informierte Kreise. Bisher sind die Daten noch nicht öffentlich. Die Volkszählung wurde schon im Dezember 2020 abgeschlossen und sollte der FT zufolge schon Anfang April veröffentlicht werden.

Laut Quellen der FT würden die Zahlen als sehr sensibel angesehen und müssten von mehreren Regierungsstellen begutachtet werden, bevor sie veröffentlicht werden. Huang Wenzheng, ein Mitarbeiter des Center for China and Globalization, einer in Peking ansässigen Denkfabrik, sagte der FT: “Die Ergebnisse der Volkszählung werden einen großen Einfluss darauf haben, wie die Chinesen ihr Land sehen und wie verschiedene Regierungsabteilungen arbeiten. Sie müssen sehr sorgfältig behandelt werden.”

Der demografische Wandel gilt als eine der größten Herausforderungen Chinas. Die Ein-Kind-Politik hat das Bevölkerungswachstum zu stark gebremst. Die Aufhebung der Ein-Kind-Politik hat nur im ersten Jahr zu einem Anstieg der Geburtenrate beitragen, seitdem sank sie weiter. Hohe Kosten für die Gesundheitsversorgung, Bildung und Wohnraum sowie fehlende Kita-Plätze spielen für immer mehr Chines:innen eine Rolle, sich gegen ein zweites Kind zu entscheiden. Und auch die eigene Karriere gilt als Faktor (China.Table berichtete).

Erst Mitte April hatten Forscher der chinesischen Zentralbank die Politik aufgefordert, die Geburtenpolitik komplett zu liberalisieren und auch mehr als zwei Kinder zu erlauben, wie die South China Morning Post berichtete. In einer Studie der Zentralbank hieß es, man müsse auch für mehr Gleichberechtigung sorgen: “Wir müssen ein geburtenfreundliches Umfeld schaffen und die Probleme lösen, die Frauen während der Schwangerschaft, bei der Geburt, im Kindergarten und bei der Einschulung haben.” Schließlich sei Chinas schnelles Wirtschaftswachstum der letzten vier Jahrzehnte vor allem auf die demografische Dividende zurückzuführen, eine Situation, in der die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren größer ist als der Anteil der nicht arbeitenden Bürger, so die Forscher der Zentralbank. nib

  • Demografie
  • Ein-Kind-Politik
  • Gesellschaft

Baubeginn für neues VW-Werk in Anhui

Volkswagen hat mit dem Bau einer neuen Fabrik für Elektroautos in Hefei begonnen. Die 500.000 Quadratmeter große Fabrik solle Mitte 2022 fertiggestellt werden, teilte die Volkswagen Group China am Dienstag mit. In der zweiten Jahreshälfte 2023 sollen dort die ersten Elektroautos vom Band laufen. Das Werk mit einer künftig maximalen Kapazität von 350.000 Autos im Jahr wird zum Elektro-Joint Venture Volkswagen Anhui gehören, das VW zu einer E-Mobilitäts-Drehscheibe ausbauen will. Hefei ist die Provinzhauptstadt Anhuis.

Die neue Fabrik wird die dritte in China sein, in der Volkswagen Elektroautos auf seiner modularen Elektro-Antriebs-Plattform MEB produzieren wird. Die beiden anderen befinden sich beim Joint Venture mit Shanghai Automotive (SAIC VW) im Shanghaier Vorort Anting sowie beim zweiten Joint Venture FAW VW im südchinesischen Foshan. Bis 2025 will Volkswagen in China pro Jahr bis zu 1,5 Millionen neue Elektroautos der verschiedenen Konzernmarken ausliefern. Auf der MEB-Plattform sind Karosserie und Fahrgestell voneinander getrennt, sodass laut VW jede Marke ihre eigenen Modelle in unterschiedlichen Größen und Designs darauf platzieren kann.

Erneuerbare Energien als Teil von Volkswagens Umweltstrategie

Das neue Werk werde von Anfang an mit erneuerbaren Energien betrieben, kündigte VW-China-Chef Stephan Wöllenstein an. Er bezeichnete den Standort als “Eckpfeiler der Dekarbonisierungsstrategie des Konzerns.” Die neue Anlage werde eine Reihe von Energiesparstrategien beinhalten, um die CO2-Emissionen zu reduzieren, teilte VW mit. Dazu gehörten Produktionsanlagen mit niedrigem Energieverbrauch. Eine Reihe von Unternehmen, darunter auch BASF, planen derzeit Produktionen, die mit Ökostrom laufen. Im Automobilsektor etwa betreibt zum Beispiel Volvo sein Werk im nordchinesischen Daqing bereits heute nach eigenen Angaben zu 100 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Energien.

Seit September 2019 verkauft VW mit dem Joint Venture-Partner Jianghuai Automobile (JAC) den kompakten Elektrowagen SOL E20X, der eine Weiterentwicklung eines JAC-Elektromodells ist. Im Dezember 2020 hatte Volkswagen die Managementkontrolle sowie 75 Prozent der Anteile des Joint Ventures übernommen, das vormals JAC Volkswagen hieß. Das neue, auf der MEB-Plattform gefertigte Produktportfolio von Volkswagen Anhui wird sich laut VW künftig an jüngere Kunden richten. Zudem gründete VW an dem Standort auch ein Forschungs- und Entwicklungszentrum für Elektromobilität, das im Dezember 2020 eingeweiht wurde. In der Gegend um die Fabrik soll laut VW zudem ein Zuliefererpark für Batterie- und Komponentenhersteller gebaut werden. ck

  • Autoindustrie
  • Elektromobilität
  • Erneuerbare Energien
  • Volkswagen

Autonomes Fahren: Continental kooperiert mit Horizon Robotics

Der chinesische Chipentwickler Horizon Robotics hat mit dem deutschen Autozulieferer Continental AG ein Joint Venture für autonomes Fahren gegründet. Beide Partner wollen ihre Position auf dem Smart-Vehicle-Markt dadurch stärken, wie es in einer gemeinsamen Absichtsklärung heißt.

Die Ankündigung kommt, nachdem beide bereits im vergangenen September eine Zusammenarbeit aufnahmen und Horizon Robotics angefangen hatte, seine “Journey KI-Chips” in die Fahrerassistenzsysteme von Continental zu integrieren.

Laut dem Wirtschaftsmagazin Caixin hat Horizon Robotics angekündigt, einen neuen “Journey 5-Chip” mit einer Rechenleistung von 96 Billionen Operationen pro Sekunde auf den Markt bringen zu wollen. Der neue Chip soll Autonomie der Stufe 4 ermöglichen, die zweithöchste autonome Fahrfähigkeit gemäß den Standards der US-amerikanischen Society of Automotive Engineers.

Für den heimischen Markt hat das Unternehmen aus Peking im Februar einen Vertrag mit dem Autohersteller SAIC Motor geschlossen, wonach Horizon Robotics seine gesamte Palette an KI-Chips, Fahrerassistenzsystemen und visueller Wahrnehmungstechnologie in die intelligenten Fahrzeuge von SAIC installiert. niw

  • Autoindustrie
  • Autonomes Fahren
  • SAIC

Automobil-Chips: TSMC plant Milliarden-Investition in China

Der taiwanische Chiphersteller Taiwan Semiconductor Manufacturing will umgerechnet 2,3 Milliarden Euro in Nanjing investieren, um die Chipproduktion für den Automobilsektor auszuweiten. Bis 2023 sollen neue Produktionslinien entstehen, um die hohe Nachfrage nach 28-Nanometer-Chips zu befriedigen, berichtet das Portal NikkeiAsia.

Demzufolge ist es die erste Investition von TSMC in China seit dem Jahr 2015, als man die Fabrik in Nanjing baute. Monatlich sollen bis zu 40.000 Wafer produziert werden. Die 28-Nanometer-Technologie ist zwar schon einige Generationen alt, wird in der Autoindustrie jedoch noch stark nachgefragt (China.Table berichtete). nib

  • Chips
  • Halbleiter
  • Nanjing
  • Taiwan
  • Technologie
  • TSMC

Portrait

Christian Ude

Ehemaliger Oberbürgermeister von München und Beirat im Chinaforum Bayern e.V.

Genau kann Christian Ude es nicht benennen, wie sein Interesse an China begonnen hat. “Bei meiner Frau und mir gab es schon ganz lange ein diffuses Interesse an dieser alten chinesischen Hochkultur, die wir so wenig kannten”, erzählt der ehemalige Münchner Oberbürgermeister. So diffus dieses Interesse zuerst gewesen sein mag, für den SPD-Politiker und seine Frau war es Grund genug, sich das Rauchen abzugewöhnen.

Das gesparte Geld sollte dann eine Reise nach China finanzieren. Bis es allerdings tatsächlich zur ersten Reise ins Reich der Mitte kam, war Ude bereits Oberbürgermeister Münchens. Und nach gut 20 Jahren an der Spitze der bayerischen Landeshauptstadt sind die Verbindungen des 73-Jährigen nach China mittlerweile so gut, dass ihn nur das Coronavirus von einer geplanten Reise abhalten kann.

Noch während seiner aktiven Zeit als Oberbürgermeister übernahm Christian Ude einen Sitz im Beirat des Chinaforums Bayern. Der Verein bietet eine Plattform zum Austausch für Wirtschaft und Politik aus Bayern und China, vermittelt Kontakte, veranstaltet Vorträge. Ude bringt vor allem Kontakte aus dem wissenschaftlichen Bereich ein. Verschiedene chinesische Universitäten luden den damaligen Oberbürgermeister als Gastprofessor ein – auch die renommierte Tongji-Universität in Shanghai. Seine Erfahrungen als Dozent in China sind gespalten. Es gebe eine große akademische Freiheit an den chinesischen Hochschulen. Wer aus dem Ausland kommt, sollte sich aber davor hüten, den Chinesen Empfehlungen auszusprechen: “Ich wurde sofort belehrt, dass es nicht zu meinem Thema gehöre”, gibt Ude zu.

Shanghai war auch zuvor schon Christian Udes erster Berührungspunkt mit China, als er als Aufsichtsratsvorsitzender der Messe München Ende der Neunzigerjahre die Entwicklung des Shanghai New International Expo Centre begleitete. Das chinesische Deutschlandbild sei geprägt von Bayern, meint Ude: “Die Studenten kennen die Spielaufstellungen des FC Bayern vom vergangenen Spieltag und vom kommenden. Die Unternehmen, die sie kennen, sind die großen bayerischen Unternehmen Siemens und BMW”. Auf die Frage, warum Bayern die Nase unter den Bundesländern vorn hat, stimmt Christian Ude ein unerwartetes Loblied an: “Es hängt auch mit dem internationalen Anspruch der CSU zusammen, die sich nicht als regionale Partei versteht. Franz Josef Strauß traf sich mit Mao als erster westdeutscher Politiker.”

Vom Wirtschaftspragmatismus der Christsozialen profitiert man in Bayern was das Thema China angeht immer noch und das sieht Christian Ude heute ähnlich, wenn es um das Spannungsfeld zwischen Wirtschaft und Politik geht: “Ich empfinde die Debatte als scheinheilig. Einerseits saudisches Öl zu importieren, die dortige Folter zu akzeptieren, und gleichzeitig zu fordern, den Handel mit China einzustellen, weil dort die Menschenrechte nicht unseren Werten entsprechen.” Trotzdem hat Ude das Spannungsverhältnis selbst erfahren, als er vom chinesischen Konsulat scharf dafür kritisiert wurde, dass er als Oberbürgermeister den Dalai Lama nach München einlud. Gerade aber in der Corona-Pandemie habe sich auch gezeigt, dass der chinesische Markt viele Unternehmen hierzulande gerettet hat. David Renke

  • Deutschland
  • Gesellschaft

Dessert

Sammelbild mit Klingel – zig tausende Leihfahrräder wurden in China mittlerweile ausrangiert und auf Sammelstellen außerhalb der Städte gelagert. Auf den Seiten der StraitsTimes gibt es weitere Bilder.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    Am heutigen Mittwoch werden Premier Li Keqiang, Kanzlerin Angela Merkel und ein Großteil der Minister:innen ihrer Regierungen zu Videogesprächen zusammengeschaltet. Dieses Gipfeltreffen nennt sich “deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen” und findet zum sechsten Mal statt. Merkel als erfahrene Regierungschefin konnte im Verlauf des Formats seit 2011 in Echtzeit beobachten, wie China an Selbstbewusstsein gewonnen hat. Ihre Ansprechpartner haben damals Großmachtambitionen noch ausdrücklich zurückgewiesen, heute treten deren Nachfolger mit dem Anspruch an, das Weltgeschehen zu bestimmen.

    Das heutige China ist jedoch nicht nur sendungsbewusst und zuweilen auch richtig bissig – es ist nach Ansicht der Opposition auch scheinheiliger. “China hat viele Gesichter – ein diplomatisches für uns Europäer und eines nach innen”, sagt Bijan Djir-Sarai, der für die FDP Mitglied im Auswärtigen Ausschuss des Bundestags ist, am Dienstag auf einer Veranstaltung des Forschungsinstituts Merics. Während China auf der einen Seite transparente Regeln für Investitionen verspreche, erschwere es in der Praxis den Marktzugang.

    Die deutsche Regierung zeigt sich jedoch insgesamt optimistisch, dass die Konsultationen unter dem Strich etwas bringen. “Wir schätzen die Möglichkeit, die ein solches Format gibt, um Fortschritte bei Themen, die für beide Seiten wichtig sind zu erzielen”, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Konkret nannte er den Schutz des Klimas, Wirtschaftsfragen und Corona als mögliche Gesprächsthemen. Die Haltung Deutschlands zu Bürger- und Menschenrechten sei “bekannt”. Es säßen “vollkommen unterschiedliche Gesellschaftssysteme hier miteinander am Tisch.”

    Die Regierungskonsultationen finden normalerweise abwechselnd in Peking und in Berlin statt, diesmal aber natürlich virtuell. Neben einer großen Runde mit allen Minister:innen, in der Li und Merkel den Ton angeben, gibt es noch Einzelgespräche der jeweiligen Fachkolleg:innen. Von besonderem Interesse sind hier die Gespräche der Wirtschafts-, Finanz-, Umwelt- und Justizminister:innen. Dazu kommt eine Runde mit Wirtschaftsleuten.

    Das Format ist in internationalen Beziehungen eher die Ausnahme. Deutschland pflegt solche Konsultationen nur mit den europäischen Nachbarn wie Frankreich, Italien und Polen. Ausnahmen sind Russland, Israel, Indien und eben China. Die Konsultationen gelten daher immer wieder als Beleg für die besonderen Beziehungen der Wirtschaftspartner China und Deutschland. Kritiker bemängeln jedoch schon länger, dass die Konsultationen vor allem für China ein PR-Erfolg sind – und die kommunistische Führung einfach weghört, wenn es um schwierige Fragen wie die Menschenrechte geht.

    Eintreten für Werte – im Sinne der Wirtschaft

    Die Vertreter aller Bundestagsfraktionen auf der Merics-Veranstaltung zur deutschen Chinapolitik waren sich einig, dass die kürzlich verhängten Sanktionen ein Thema der Konsultationen sein sollten – und dass die Regierung hier Klartext reden muss. Von einem “Angriff auf die Wissenschaftsfreiheit” sprach der SPD-Außenpolitikexperte Nils Schmid im Hinblick darauf, dass auch Merics selbst betroffen ist. Die deutsche Seite sollte auch die Auswirkungen des Schritts auf die noch ausstehende Bestätigung des Investitionsabkommens CAI ansprechen. “Sie sollte bilateral klar machen, dass so etwas nicht in die Zeit passt”, so Schmid. “Wenn Europaparlamentarier sanktioniert werden, kann China nicht erwarten, dass das noch etwas wird mit dem Abkommen.”

    Die Grünen stimmen zu: “Es geht nicht, dass Institutionen wie Merics und das EU-Parlament sanktioniert werden und das dann nicht auf oberer Ebene wie den Regierungskonsultationen angesprochen wird”, sagte Omid Nouripour, der außenpolitische Sprecher der Fraktion. Auch die FDP befürwortet hier einen eindeutigen Kurs. “Ein Schweigen zu so etwas wie den Sanktionen würde als Schwäche ausgelegt”, sagt Djir-Sarai.

    Eine ähnliche Logik wendet die FDP auch auf das Thema Menschenrechte an. “Dass die Bundesregierung hier die Initiative ergreift, dürfte im Sinne vieler Teilnehmer aus der Wirtschaft sein”, sagte Gyde Jensen, FDP-Bundestagsabgeordnete und Vorsitzende des Menschenrechtsausschusses, gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. “Denen können nämlich durch den Verdacht, schwere Menschenrechtsverletzungen in der eigenen Lieferkette zumindest zu tolerieren, nachhaltige Reputationsschäden entstehen.” Es habe dagegen keinen Sinn, alle Probleme einfach mit Hinweis auf unterschiedliche Gesellschaftssysteme wegzuwischen.

    Der Maschinenbau-Verband VDMA forderte derweil von der Regierung, bei den Gesprächen unnachgiebig zu sein, wo es um den Marktzugang geht. Die Regierung sollte von China fordern, sich an die Regeln der Welthandelsorganisation zu halten, deutsche Fachleute einfacher ins Land zu lassen und europäische Firmen mehr bei Ausschreibungen zu berücksichtigen. Das sind allerdings die üblichen Forderungen der Verbände vor Gipfeltreffen mit China.

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    Sprungbrett internationale Schulen

    China betrachtet sich traditionell als Meritokratie. Über die Bildungschancen soll allein die Leistung entscheiden. In der Praxis ist das nicht immer der Fall. Für viele Chinesen gilt die Ausbildung im Ausland noch immer als Wohlstandsgarant. Die weit verbreitete Annahme: Wer ein paar Semester an einer renommierten ausländischen Bildungseinrichtung genossen hat, hat am Ende auch die besten Jobaussichten. Und oft trifft das auch nach wie vor zu. Auf dem chinesischen Arbeitsmarkt konkurrieren viele Absolventinnen und Absolventen heute noch immer eher mit Diplomen und Zertifikaten als mit ihren Fähigkeiten.

    Britische Exzellenz für die chinesische Mittelschicht

    Bekannte ausländische Franchise-Unternehmen profitieren davon, insbesondere jene aus Großbritannien, was auch damit zusammenhängt, dass britische Universitäten in China nach wie vor ein exzellentes Ansehen genießen.  So hat sich das Angebot von Bildungs-Institutionen wie Harrow, Dulwich und Wellington in China laut Angaben des britischen Ministeriums für internationalen Handel (DIT) in den letzten fünf Jahren verdreifacht. Vor allem in der sogenannten Greater Bay Area (GBA), einem Wirtschafts-Cluster um die wohlhabenden Städte Guangzhou-Hongkong-Macau, stieg die Nachfrage rasant. Nach Angaben von NewSchool Insight Media, einer Plattform für Bildungsdienstleistungen, wurden von den 53 neu eröffneten internationalen Schulen zwölf in der Provinz Guangdong eröffnet. Und allein in diesem Jahr sollen elf neue internationale Schulen in der Tech-Metropole Shenzhen eröffnen. 

    Während solche Eliteschulen in den vergangenen Jahren vor allem in Städten wie Peking und Schanghai zur Bildungsinfrastruktur gehörten, werden nun auch kleinere Städte und weniger wohlhabende Regionen von dem Boom erfasst. Neue Schulplätze sind hier oft in Windeseile vergeben. Die chinesische Mittelschicht wächst und will mehr denn je in eine gute Ausbildung investieren. Durch die jahrzehntelange Ein-Kind-Politik wollen viele Eltern keine Gelegenheit auslassen, wenn es um die Bildungschancen ihrer Kinder geht. Noch immer sind die Qualitätsunterschiede zwischen Schulen auf dem Land und denen der Boom-Metropolen enorm. Jungen Menschen aus der Provinz fehlt oft das ökonomische, soziale und kulturelle Kapital, um sich später an den klassenbewussten Elite Unis zu behaupten. 

    In diese Lücke wollen die Schulanbieter, allen voran die britischen, vorstoßen. In den Provinzen Guangdong, Fujian, Hunan, Guangxi, Jiangxi und Hainan haben seit Anfang 2020 zehn unabhängige britische Schulen Standorte errichtet. Dulwich und Harrow sind zum Beispiel nach Zhuhai gezogen, einer Zwei-Millionen-Einwohner-Stadt in der direkten Nachbarschaft von Macao. Die Lady Eleanor Holles School, eine Mädchenschule mit 300-jähriger Geschichte, hat in Foshan, einer Industriestadt mit sieben Millionen Einwohnern, einen Campus errichtet. Bis 2025 könnten rund 20 britische Schul-Marken an rund 31 Standorten in der Region aktiv sein, schreibt das chinesische Wirtschaftsmagazin Caixin. Die meisten von ihnen verfahren dabei nach dem “Management Contract”-System, bei dem ein chinesischer Partner in den Bau und Betrieb der Einrichtung investiert, während die britische Seite die Verantwortung für die akademische Qualität übernimmt.

    Langfristige Investitionen

    Andersherum dringen auch chinesische Investoren immer mehr in den britischen Bildungsmarkt vor, indem sie Schulen im Land aufkaufen. Mindestens 17 britische Privatschulen, darunter die traditionsreiche Bournemouth Collegiate School und die Riddlesworth Hall sind in den letzten Jahren ganz oder teilweise in chinesischen Besitz übergegangen. Da viele Schulen sich durch die Covid-Pandemie in finanzieller Not befinden, dürfte dieser Trend anhalten. Die Investoren generieren aus dem Betrieb der Schulen einen stetigen Cashflow und erhalten darüber hinaus die Möglichkeit, die bewährten Bildungskonzepte in eigene Schulprojekte in China zu übernehmen. Die Gewinnspannen sind dank der stetig steigenden Studiengebühren hoch. Laut einer Analyse von Essence Securities hat das Unternehmen Maple Leaf Educational Systems, das 120 Schulen in 30 chinesischen Städten betreibt, im vergangenen Jahr eine Nettogewinnmarge von 33,3 Prozent erzielt.

    Auch für Immobilienfirmen ist der Bildungsmarkt interessant. Li Peng, ein internationaler Bildungsinvestor, erklärt gegenüber Caixin, dass internationale Schulen stabile Cashflows generieren und gleichzeitig das Branding der Immobilienfirmen verbessern. Das vielleicht bekannteste Unternehmen, das die Kluft zwischen Immobilien- und Schulsektor überbrückt, ist Bright Scholar Education Holdings Ltd., das unter dem Namen Country Garden sieben internationale Schulen, 15 zweisprachige Schulen, 58 Kindergärten und 19 Englisch-Ausbildungszentren in zehn chinesischen Provinzen betreibt.

    Stärkung des heimischen Bildungsmarktes

    Das passt zu Pekings Plänen, seine Schüler und Top-Studenten in Zukunft mehr und mehr zuhause auszubilden. Laut einer Studie der National Science Foundation arbeiten 90 Prozent der chinesischen Auslandsstudierenden von MINT-Fächern zehn Jahre nach dem Abschluss noch immer in den USA. Um sie zurück in ihre Heimat zu locken, hat Peking attraktive Rückholprogramme mit üppigen Forschungsbudgets aufgelegt. Auch investiert Peking seit einigen Jahren verstärkt in eigene Eliteuniversitäten. Die Zahl jener, die nach dem Abschluss nach China zurückkehren, ist zwischen 2009 und 2018 bereits von 40 auf rund 80 Prozent gestiegen. Der in den Augen Chinas nicht gerade souveräne Umgang des Westens mit der Covid-19-Pandemie wird die Abkehr der chinesischen Studierenden noch beschleunigen. “Ich halte es für gut möglich, dass mehr und mehr junge Leute aus China künftig im eigenen Land bleiben, statt für einige Zeit im Ausland zu studieren”, sagt die Studienberaterin Guan Yan, die in Shanghai für die University of Edinburgh arbeitet.

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    Meituan plant Mitarbeiter durch Lieferroboter zu ersetzen

    Meituan schickt sich an, das Straßenbild in Peking zu verändern. In Teilen der Hauptstadt hat der Konzern, der ein gelbes Känguru als Maskottchen nutzt, die Erlaubnis erhalten, eine Flotte autonomer Lieferroboter zu testen. Der Essenslieferdienst begann bereits im Februar 2020 mit dem Pilotprojekt und sendete auf diese Art während der Corona-Pandemie Lebensmittelbestellungen an seine Kunden. Seitdem hat das Unternehmen rund 35.000 Bestellungen mit autonomen Lieferfahrzeugen in 20 Pekinger Wohnblocks verschickt. 

    Der Robo-Bote manövriert routiniert durch Pekings dichten Straßenverkehr. Von Autos, die ihn links und rechts überholen, hält der etwa ein Meter lange und bis zu den Schultern reichende Kastenwagen auf seinen vier Gummirädern genügend Abstand. Und auch Fußgängern, die den autonomen Lieferwagen auf die Probe stellen wollen und direkt vor ihm auf die Straße treten, weicht das gelb lackierte Gefährt gekonnt aus.

    Autonome Robo-Boten verändern das Stadtbild

    Nach der ersten Testphase geht es nun in die zweite Runde. So kündigte Meituan kürzlich an, von Investoren die Rekordsumme von umgerechnet zehn Milliarden Dollar eingesammelt zu haben, auch, um seine autonomen Liefer-Fähigkeiten mit weiteren Robotern und Drohnen voranzubringen. Dazu passt, dass der Konzern vergangene Woche die zweite Generation seiner selbstfahrenden Lieferfahrzeuge vorstellte. Sie sollen bis zu einem Radius von 150 Metern Hindernisse in ihrer Umgebung erkennen und eine Strecke von 80 Kilometern mit einer Ladekapazität von 150 Kilogramm zurücklegen können. 

    Hand in Hand mit der Ankündigung von Meituan veröffentlichte die Pekinger Stadtregierung ein Dokument, in dem es zusätzliche Gebiete für die Nutzung unbemannter Lieferfahrzeuge für qualifizierte Unternehmen auswies. Die inländischen E-Commerce-Giganten Alibaba und JD.com haben ebenfalls Ambitionen für autonome Logistikdienstleistungen. Im September 2020 stellte Alibaba einen autonomen Logistikroboter namens Xiaomanlv vor, der Lieferwege planen, Hindernisse identifizieren und die Bewegungen von Fußgängern vorhersagen kann. Bereits seit 2018 testet JD.com Lieferroboter und Drohnen

    Was wird aus den Arbeitern?

    Wenig begeistert von den Bemühungen der Konzerne, autonome Lieferungen voranzubringen, dürften deren Mitarbeiter im Straßeneinsatz sein. Allein Meituan beschäftigt laut Schätzungen vier Millionen Lieferboten, für die der harte Job oft der einzige Weg ist, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

    Vor zehn Jahren konnte man sich nicht vorstellen, wie sich das Pekinger Straßenbild durch die nun überall präsenten Boten auf ihren Elektrorollern verändern würde. Zehn Jahre in die Zukunft gedacht, dürfte sich das Bild erneut verändert haben, wenn kleine autonome Lieferfahrzeuge überall herumflitzen. 

    Daraus, dass die Tech-Riesen in Zukunft am liebsten keine menschlichen Lieferboten mehr beschäftigen würden, machen sie selbst kein Geheimnis. “Ich hoffe, dass es in meiner Firma eines Tages keine Menschen mehr gibt. Alles soll zu 100 Prozent von Robotern und Künstlicher Intelligenz betrieben werden”, sagte etwa JD-Chef Richard Liu vor drei Jahren auf einer Technologie-Konferenz. Bei diesen Plänen wird allerdings auch die Regierung noch ein Wörtchen mitreden wollen.

    Kartellermittlungen gegen Meituan

    Der lange Arm der Behörden wurde am Montag sichtbar. Die chinesische Kartellbehörde teilte mit, Ermittlungen gegen den Pekinger Tech-Riesen eingeleitet zu haben. Nach Alibaba trifft es also den nächsten Tech-Riesen. Überrascht hat dieser Schritt in der Branche kaum jemanden. Denn dort weiß man, dass die Rekordstrafe, die die Aufseher vor einigen Wochen gegen Alibaba verhängt hatten, eben nicht ausschließlich Alibaba-Gründer Jack Ma treffen sollte, wie gelegentlich berichtet wird. 

    Das Vorgehen der Kartellbehörde war eben nicht, oder zumindest nich primär, als persönlicher Rachefeldzug gegen Ma angelegt, weil dieser sich zuvor in einer Rede kritisch an Chinas Staatsbanken abgearbeitet hatte. Vielmehr ist eine breit angelegte Aufräumaktion in Chinas Technologie-Sektor in Gange, dessen Unternehmen lange davon profitierten, deutlich schwächer reguliert zu sein als Konkurrenten im Westen. Oft auch zum Nachteil der Kunden. 

    Wie schon Alibaba wird Meituan die Praxis “er xuan yi” vorgeworfen, übersetzt “wähle eine von zweien”. Gemeint ist, dass Händler oder Restaurants zum Teil gezwungen werden, nur auf einer Bestellplattform aktiv zu sein und damit ihre Waren nicht bei der Konkurrenz anbieten dürfen. 

    Alibaba musste dafür umgerechnet eine Strafe von 2,3 Milliarden Euro zahlen. Auch Meituan wird voraussichtlich Geld an die Regierung überweisen müssen. Allerdings wird es sich ebenso wie bei Alibaba aller Voraussicht nach nicht um eine existenzbedrohende Summe handeln.

    Die Regierung will zwar mehr Aufsicht über die Tech-Giganten, aber gleichzeitig auch erreichen, dass diese weiterhin florieren. Der Aktienkurs von Meituan, das rund zwei Drittel des chinesischen Marktes für Essenslieferungen beherrscht, stieg am Dienstag an der Hongkonger Börse um mehr als zwei Prozent. Anleger nahmen die Kartell-Ermittlungen also gelassen. Gregor Koppenburg/Jörn Petring

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    EU greift gegen chinesische Subventionen durch

    Die EU-Kommission will verhindern, dass europäische Firmen von hoch subventionierten ausländischen Unternehmen übernommen werden – der entsprechende Gesetzesvorschlag soll nun am kommenden Mittwoch vorgelegt werden, bestätigte eine Sprecherin der Generaldirektion für Wettbewerb China.Table. Brüssel will damit auch unterbinden, dass mit Staatsgeld unterstützte Unternehmen aus dem Ausland europäischen Konkurrenten öffentliche Aufträge wegnehmen. EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager hatte bereits im vergangenen Jahr in einem Weißbuch Vorschläge gemacht.

    Die erwartete Gesetzesvorlage soll Medienberichten zufolge nun weitgehend den Ideen des Weißbuchs folgen. Demnach wäre die Europäische Kommission befugt, bei Übernahmen von EU-Unternehmen oder Angeboten für öffentliche Aufträge einzugreifen, wenn diese durch staatliche Subventionen von außerhalb der EU angetrieben werden. Zudem ist vorgesehen, dass besonders große Übernahmen von Firmen oder Ausschreibungen künftig der Kommission im Voraus mitgeteilt werden müssen. Richtwerte dabei seien geplante Übernahmen von Unternehmen im Wert von mindestens 500 Millionen Euro oder Ausschreibungsverträge im Wert von mindestens 250 Millionen Euro, zitiert die Financial Times zwei nicht genauer benannte EU-Quellen. Demnach sollen die neuen Regeln auch europäische Unternehmen betreffen, wenn festgestellt würde, dass sie Subventionen von außerhalb der EU erhalten.

    Unternehmen könnten zudem mit Geldstrafen oder einem Vetorecht aus Brüssel konfrontiert werden, wenn sie die EU-Kommission nicht benachrichtigen. Angedacht ist auch, dass Firmen, die bereits in der EU vertreten sind und über einen Zeitraum von drei Jahren Subventionen in Höhe von mehr als 200.000 Euro erhalten, den Betrag der Kommission melden müssen.

    Wenn der Gesetzesentwurf der Brüsseler Behörde veröffentlicht ist, wird er den Mitgliedstaaten und dem Europäischen Parlament zur Prüfung vorgelegt. Es könnte jedoch einige Jahre dauern, bis die Verordnung in Kraft tritt. Details des Vorschlags können sich auch noch ändern. Beobachter:innen erwarten, dass der EU-Vorstoß in Peking als Protektionismus gesehen werden wird. ari

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    Zensus zeigt Bevölkerungsrückgang

    China könnte den ersten Bevölkerungsrückgang seit Beginn der Datenerhebung im Jahr 1949 verzeichnen. Die Gesamtbevölkerung der Volksrepublik liege wieder bei unter 1,4 Milliarden Menschen. Das habe der neue Zensus ergeben, berichtet die Financial Times unter Bezugnahme auf informierte Kreise. Bisher sind die Daten noch nicht öffentlich. Die Volkszählung wurde schon im Dezember 2020 abgeschlossen und sollte der FT zufolge schon Anfang April veröffentlicht werden.

    Laut Quellen der FT würden die Zahlen als sehr sensibel angesehen und müssten von mehreren Regierungsstellen begutachtet werden, bevor sie veröffentlicht werden. Huang Wenzheng, ein Mitarbeiter des Center for China and Globalization, einer in Peking ansässigen Denkfabrik, sagte der FT: “Die Ergebnisse der Volkszählung werden einen großen Einfluss darauf haben, wie die Chinesen ihr Land sehen und wie verschiedene Regierungsabteilungen arbeiten. Sie müssen sehr sorgfältig behandelt werden.”

    Der demografische Wandel gilt als eine der größten Herausforderungen Chinas. Die Ein-Kind-Politik hat das Bevölkerungswachstum zu stark gebremst. Die Aufhebung der Ein-Kind-Politik hat nur im ersten Jahr zu einem Anstieg der Geburtenrate beitragen, seitdem sank sie weiter. Hohe Kosten für die Gesundheitsversorgung, Bildung und Wohnraum sowie fehlende Kita-Plätze spielen für immer mehr Chines:innen eine Rolle, sich gegen ein zweites Kind zu entscheiden. Und auch die eigene Karriere gilt als Faktor (China.Table berichtete).

    Erst Mitte April hatten Forscher der chinesischen Zentralbank die Politik aufgefordert, die Geburtenpolitik komplett zu liberalisieren und auch mehr als zwei Kinder zu erlauben, wie die South China Morning Post berichtete. In einer Studie der Zentralbank hieß es, man müsse auch für mehr Gleichberechtigung sorgen: “Wir müssen ein geburtenfreundliches Umfeld schaffen und die Probleme lösen, die Frauen während der Schwangerschaft, bei der Geburt, im Kindergarten und bei der Einschulung haben.” Schließlich sei Chinas schnelles Wirtschaftswachstum der letzten vier Jahrzehnte vor allem auf die demografische Dividende zurückzuführen, eine Situation, in der die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter zwischen 15 und 64 Jahren größer ist als der Anteil der nicht arbeitenden Bürger, so die Forscher der Zentralbank. nib

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    Baubeginn für neues VW-Werk in Anhui

    Volkswagen hat mit dem Bau einer neuen Fabrik für Elektroautos in Hefei begonnen. Die 500.000 Quadratmeter große Fabrik solle Mitte 2022 fertiggestellt werden, teilte die Volkswagen Group China am Dienstag mit. In der zweiten Jahreshälfte 2023 sollen dort die ersten Elektroautos vom Band laufen. Das Werk mit einer künftig maximalen Kapazität von 350.000 Autos im Jahr wird zum Elektro-Joint Venture Volkswagen Anhui gehören, das VW zu einer E-Mobilitäts-Drehscheibe ausbauen will. Hefei ist die Provinzhauptstadt Anhuis.

    Die neue Fabrik wird die dritte in China sein, in der Volkswagen Elektroautos auf seiner modularen Elektro-Antriebs-Plattform MEB produzieren wird. Die beiden anderen befinden sich beim Joint Venture mit Shanghai Automotive (SAIC VW) im Shanghaier Vorort Anting sowie beim zweiten Joint Venture FAW VW im südchinesischen Foshan. Bis 2025 will Volkswagen in China pro Jahr bis zu 1,5 Millionen neue Elektroautos der verschiedenen Konzernmarken ausliefern. Auf der MEB-Plattform sind Karosserie und Fahrgestell voneinander getrennt, sodass laut VW jede Marke ihre eigenen Modelle in unterschiedlichen Größen und Designs darauf platzieren kann.

    Erneuerbare Energien als Teil von Volkswagens Umweltstrategie

    Das neue Werk werde von Anfang an mit erneuerbaren Energien betrieben, kündigte VW-China-Chef Stephan Wöllenstein an. Er bezeichnete den Standort als “Eckpfeiler der Dekarbonisierungsstrategie des Konzerns.” Die neue Anlage werde eine Reihe von Energiesparstrategien beinhalten, um die CO2-Emissionen zu reduzieren, teilte VW mit. Dazu gehörten Produktionsanlagen mit niedrigem Energieverbrauch. Eine Reihe von Unternehmen, darunter auch BASF, planen derzeit Produktionen, die mit Ökostrom laufen. Im Automobilsektor etwa betreibt zum Beispiel Volvo sein Werk im nordchinesischen Daqing bereits heute nach eigenen Angaben zu 100 Prozent mit Strom aus erneuerbaren Energien.

    Seit September 2019 verkauft VW mit dem Joint Venture-Partner Jianghuai Automobile (JAC) den kompakten Elektrowagen SOL E20X, der eine Weiterentwicklung eines JAC-Elektromodells ist. Im Dezember 2020 hatte Volkswagen die Managementkontrolle sowie 75 Prozent der Anteile des Joint Ventures übernommen, das vormals JAC Volkswagen hieß. Das neue, auf der MEB-Plattform gefertigte Produktportfolio von Volkswagen Anhui wird sich laut VW künftig an jüngere Kunden richten. Zudem gründete VW an dem Standort auch ein Forschungs- und Entwicklungszentrum für Elektromobilität, das im Dezember 2020 eingeweiht wurde. In der Gegend um die Fabrik soll laut VW zudem ein Zuliefererpark für Batterie- und Komponentenhersteller gebaut werden. ck

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    Autonomes Fahren: Continental kooperiert mit Horizon Robotics

    Der chinesische Chipentwickler Horizon Robotics hat mit dem deutschen Autozulieferer Continental AG ein Joint Venture für autonomes Fahren gegründet. Beide Partner wollen ihre Position auf dem Smart-Vehicle-Markt dadurch stärken, wie es in einer gemeinsamen Absichtsklärung heißt.

    Die Ankündigung kommt, nachdem beide bereits im vergangenen September eine Zusammenarbeit aufnahmen und Horizon Robotics angefangen hatte, seine “Journey KI-Chips” in die Fahrerassistenzsysteme von Continental zu integrieren.

    Laut dem Wirtschaftsmagazin Caixin hat Horizon Robotics angekündigt, einen neuen “Journey 5-Chip” mit einer Rechenleistung von 96 Billionen Operationen pro Sekunde auf den Markt bringen zu wollen. Der neue Chip soll Autonomie der Stufe 4 ermöglichen, die zweithöchste autonome Fahrfähigkeit gemäß den Standards der US-amerikanischen Society of Automotive Engineers.

    Für den heimischen Markt hat das Unternehmen aus Peking im Februar einen Vertrag mit dem Autohersteller SAIC Motor geschlossen, wonach Horizon Robotics seine gesamte Palette an KI-Chips, Fahrerassistenzsystemen und visueller Wahrnehmungstechnologie in die intelligenten Fahrzeuge von SAIC installiert. niw

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    Automobil-Chips: TSMC plant Milliarden-Investition in China

    Der taiwanische Chiphersteller Taiwan Semiconductor Manufacturing will umgerechnet 2,3 Milliarden Euro in Nanjing investieren, um die Chipproduktion für den Automobilsektor auszuweiten. Bis 2023 sollen neue Produktionslinien entstehen, um die hohe Nachfrage nach 28-Nanometer-Chips zu befriedigen, berichtet das Portal NikkeiAsia.

    Demzufolge ist es die erste Investition von TSMC in China seit dem Jahr 2015, als man die Fabrik in Nanjing baute. Monatlich sollen bis zu 40.000 Wafer produziert werden. Die 28-Nanometer-Technologie ist zwar schon einige Generationen alt, wird in der Autoindustrie jedoch noch stark nachgefragt (China.Table berichtete). nib

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    Portrait

    Christian Ude

    Ehemaliger Oberbürgermeister von München und Beirat im Chinaforum Bayern e.V.

    Genau kann Christian Ude es nicht benennen, wie sein Interesse an China begonnen hat. “Bei meiner Frau und mir gab es schon ganz lange ein diffuses Interesse an dieser alten chinesischen Hochkultur, die wir so wenig kannten”, erzählt der ehemalige Münchner Oberbürgermeister. So diffus dieses Interesse zuerst gewesen sein mag, für den SPD-Politiker und seine Frau war es Grund genug, sich das Rauchen abzugewöhnen.

    Das gesparte Geld sollte dann eine Reise nach China finanzieren. Bis es allerdings tatsächlich zur ersten Reise ins Reich der Mitte kam, war Ude bereits Oberbürgermeister Münchens. Und nach gut 20 Jahren an der Spitze der bayerischen Landeshauptstadt sind die Verbindungen des 73-Jährigen nach China mittlerweile so gut, dass ihn nur das Coronavirus von einer geplanten Reise abhalten kann.

    Noch während seiner aktiven Zeit als Oberbürgermeister übernahm Christian Ude einen Sitz im Beirat des Chinaforums Bayern. Der Verein bietet eine Plattform zum Austausch für Wirtschaft und Politik aus Bayern und China, vermittelt Kontakte, veranstaltet Vorträge. Ude bringt vor allem Kontakte aus dem wissenschaftlichen Bereich ein. Verschiedene chinesische Universitäten luden den damaligen Oberbürgermeister als Gastprofessor ein – auch die renommierte Tongji-Universität in Shanghai. Seine Erfahrungen als Dozent in China sind gespalten. Es gebe eine große akademische Freiheit an den chinesischen Hochschulen. Wer aus dem Ausland kommt, sollte sich aber davor hüten, den Chinesen Empfehlungen auszusprechen: “Ich wurde sofort belehrt, dass es nicht zu meinem Thema gehöre”, gibt Ude zu.

    Shanghai war auch zuvor schon Christian Udes erster Berührungspunkt mit China, als er als Aufsichtsratsvorsitzender der Messe München Ende der Neunzigerjahre die Entwicklung des Shanghai New International Expo Centre begleitete. Das chinesische Deutschlandbild sei geprägt von Bayern, meint Ude: “Die Studenten kennen die Spielaufstellungen des FC Bayern vom vergangenen Spieltag und vom kommenden. Die Unternehmen, die sie kennen, sind die großen bayerischen Unternehmen Siemens und BMW”. Auf die Frage, warum Bayern die Nase unter den Bundesländern vorn hat, stimmt Christian Ude ein unerwartetes Loblied an: “Es hängt auch mit dem internationalen Anspruch der CSU zusammen, die sich nicht als regionale Partei versteht. Franz Josef Strauß traf sich mit Mao als erster westdeutscher Politiker.”

    Vom Wirtschaftspragmatismus der Christsozialen profitiert man in Bayern was das Thema China angeht immer noch und das sieht Christian Ude heute ähnlich, wenn es um das Spannungsfeld zwischen Wirtschaft und Politik geht: “Ich empfinde die Debatte als scheinheilig. Einerseits saudisches Öl zu importieren, die dortige Folter zu akzeptieren, und gleichzeitig zu fordern, den Handel mit China einzustellen, weil dort die Menschenrechte nicht unseren Werten entsprechen.” Trotzdem hat Ude das Spannungsverhältnis selbst erfahren, als er vom chinesischen Konsulat scharf dafür kritisiert wurde, dass er als Oberbürgermeister den Dalai Lama nach München einlud. Gerade aber in der Corona-Pandemie habe sich auch gezeigt, dass der chinesische Markt viele Unternehmen hierzulande gerettet hat. David Renke

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    Sammelbild mit Klingel – zig tausende Leihfahrräder wurden in China mittlerweile ausrangiert und auf Sammelstellen außerhalb der Städte gelagert. Auf den Seiten der StraitsTimes gibt es weitere Bilder.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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