Table.Briefing: China

Peking verprellt Israel + Wasserstoffzüge

Liebe Leserin, lieber Leser,

mit Chinas wachsendem Anspruch, den Lauf der Dinge in der Welt erheblich mitzubestimmen, wächst auch die internationale Aufmerksamkeit für Haltungen und Positionen des Landes. In Israel zum Beispiel sind die Forderungen Pekings nach einer Zwei-Staaten-Lösung in der Palästina-Frage sehr bitter aufgestoßen. Sicherlich ist der Vorschlag aus chinesischer Sicht legitim. Aber er folgte unmittelbar nach einem Bombenhagel auf israelisches Staatsgebiet.

Ohne Empathie, ohne Gespür für die Tragik des Augenblicks und ohne die Fähigkeit, seine eigenen Interessen für den Moment zurückzustellen, wird es Peking schwer haben, irgendwann einmal als verantwortungsbewusste Weltmacht wahrgenommen zu werden. Viel tapsiger kann man seine Außenpolitik wahrlich nicht in die Welt posaunen. Michael Radunski hat in Israel nachgehört, was die Stellungnahme für das israelisch-chinesische Verhältnis bedeutet.

Die Debatte um eine mögliche Vereinnahmung der deutschen Sinologie durch den chinesischen Staat geht derweil in die nächste Runde. Während der Sinologen-Verband hierzulande die China-Forschenden an ihre Verantwortung erinnert, stellt der Weltkongress der Uiguren im heutigen Standpunkt klar, dass ihre Volksgruppe in Xinjiang unter ständiger Angst lebt. Der eine oder andere Sinologe scheint das zuletzt völlig übersehen zu haben.

Ihr
Marcel Grzanna
Bild von Marcel  Grzanna

Analyse

Schwerer Schlag für die Beziehungen zwischen China und Israel

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu liebäugelte lange mit Xi Jinping als neuem Partner. Nun ist der Ärger über Chinas Zurückhaltung groß.

Die israelische Reaktion ist eindeutig. “Wenn Menschen auf der Straße ermordet und abgeschlachtet werden, ist es nicht an der Zeit, eine Zwei-Staaten-Lösung zu fordern”, schreibt Yuval Waks, ein ranghoher Vertreter der israelischen Botschaft in Peking, beim Kurznachrichtendienst X. Israel erwarte von China eine stärkere Verurteilung der Hamas – schließlich habe China Israel doch sogar als Freund bezeichnet.

Israel befindet sich seit dem Angriff der Hamas am Samstag im Krieg. Aber die Klarheit von Waks Worten ist doch etwas überraschend. Waks ist als “deputy chief of mission” der wichtigste Mann hinter dem israelischen Botschafter in Peking. Seine Aufgabe ist es, die Beziehungen zwischen Israel und der Volksrepublik zu pflegen. Und das gelang zuletzt äußerst gut.

Während China vor allem an Hightech und Rüstung aus Israel interessiert ist, nutzte Benjamin Netanjahu den Partner aus Asien für eine Diversifizierung seiner Außenpolitik. So wurden grundlegende politische Unterschiede übertüncht – bis zum Angriff der Hamas auf Israel und vor allem bis zur anschließenden Reaktion aus China.

Traum von China als neuer Ordnungsmacht

Denn diese fiel alles andere als eindeutig aus. Vielmehr forderte das chinesische Außenministerium am Sonntag die betroffenen Parteien dazu auf, Ruhe zu bewahren und die Feindseligkeiten sofort zu beenden. “Der grundlegende Ausweg aus dem Konflikt liegt in der Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung und der Gründung eines unabhängigen Staates Palästina”, sagte der Außenamtssprecher.

Seither ist nicht nur der Deputy Chief of Mission der israelischen Botschaft erbost. Auch Chuck Schumer, demokratischer Mehrheitsführer des US-Senats, zeigte sich am Montag in Peking enttäuscht: “Ich fordere Sie und das chinesische Volk auf, an der Seite des israelischen Volkes zu stehen und die feigen und bösartigen Angriffe zu verurteilen”, sagte Schumer zu Partei- und Staatschef Xi Jinping. “Ich sage das mit Respekt, aber ich war von der Erklärung des Außenministers enttäuscht, der in diesen schwierigen Zeiten keinerlei Sympathie oder Unterstützung für das israelische Volk zeigte”, fügte Schumer hinzu.

“Pekings Reaktion ist ein Schlag für die Beziehungen zwischen China und Israel”, urteilt Galia Lavi vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv im Gespräch mit Table.Media. “Einige Leute in Israel haben bereits vorgeschlagen, dass China die USA als Ordnungsmacht im Nahen Osten ablösen könnte”, erklärt der Wissenschaftler. “Aber das Bild von China als verantwortungsbewusster Macht hat sich erledigt.”

Vom Feind zum engen Partner

Der Start war mehr als holprig. Obwohl Israel das erste Land im Nahen Osten war, das die Volksrepublik als legitimen Vertreter Chinas anerkannte, unterstützte Peking seinerseits die arabischen Regierungen und nationalen Befreiungsbewegungen wie in Palästina. Erst 1979 kam es zu einer vorsichtigen Annäherung – auch dank des Transfers israelischer Verteidigungstechnologie nach Peking.

Seit der offiziellen Aufnahme diplomatischer Beziehungen 1992 haben sich die Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und Israel allerdings erheblich ausgeweitet: Aus 50 Millionen US-Dollar im Jahr 1992 wurde ein Handelsvolumen von mehr als 22 Milliarden US-Dollar. China stiegt zum drittwichtigsten Handelspartner auf, hinter der EU und den USA.

Vor allem Benjamin Netanjahu suchte eine neue Balance zwischen dem alten Partner USA und dem neuen China. Als Israels Ministerpräsident 2017 nach Peking reiste, verkündeten die beiden Länder eine umfassende innovative Partnerschaft auf Basis technologischer Zusammenarbeit. Zudem schloss sich Israel der “Belt-and-Road-Initiative” an, dem Prestigeprojekt des chinesischen Staatsführers Xi Jinping.

China will Israels Hightech

Die Partnerschaft erhöhte nochmals Chinas Investitionen. Das wohl bekannteste Projekt ist der Hafen von Haifa. In Israels größtem und wichtigstem Hafen betreibt die “Shanghai International Port Group” einen Containerterminal.

Wissenschaftlerin Lavi führt zwei weitere Aspekte an: Israel ist ein Hightech-Land. China habe großes Interesse an neuester Technologie, sagt sie. Zudem diene Israel als Brücke in den Westen. “China will in Israel zeigen, wie gut es auch mit entwickelten Demokratien zusammenarbeiten kann.” Das argumentative Kalkül dahinter: Wenn es in Israel klappt, wird es auch in Deutschland oder Frankreich funktionieren. Und dabei spielt keine Rolle, ob es um Häfen geht, Straßenbahnen oder digitale Infrastruktur.

Israels Probleme mit China: Iran

Doch hier liegen auch die Probleme: Viele israelische Start-ups sind in den Bereichen Rüstung und Cybersicherheit engagiert. Sie arbeiten eng mit dem israelischen Verteidigungsministerium zusammen – und das wiederum mit den USA. Seit Jahren warnen deshalb amerikanische Sicherheitsbehörden, China könnte durch seine Investitionen in Israel an sensible Informationen aus den USA kommen. 

Zudem unterhält China enge Kontakte zum israelischen Erzfeind Iran. Es hat die palästinensischen Gebiete früh als Staat anerkannt und stimmt bei den Vereinten Nationen regelmäßig für die Verurteilung Israels, etwa wegen der Siedlungspolitik.

Lavieren wie im Ukraine-Krieg

Jetzt droht eine Abkehr von Israels Kurs in Richtung China. “Israel hat zwar seit 2020 keine Projekte für Infrastrukturmanagement an China vergeben. Aber in letzter Zeit hat vor allem Netanyahu nach einem neuen Gleichgewicht zwischen China und den USA gesucht“, erklärt Lavi. Dieses Vorhaben wird nun überdacht. “China möchte als verantwortungsvolle Weltmacht gesehen werden, aber diese schwache Reaktion auf offensichtlich terroristische Aktionen zeigt das Gegenteil.”

Und in der Tat erinnert Chinas Reaktion stark an Pekinger Erklärungen rund um den Ukraine-Krieg. Obwohl die Angreifer in beiden Fällen eindeutig zu benennen sind, scheut China eine klare Haltung. Ausschließlich das Ende der Feindseligkeiten zu fordern, wirkt sowohl auf Israel als auch die Ukraine nicht verantwortungsbewusst, sondern eher selbstbezogen und nur den eigenen Interessen verpflichtet.

  • Geopolitik
  • Israel
  • Transfer
  • USA

Wasserstoffzüge ersetzen fast alle Dieselloks

Das Modell eines wasserstoffbetriebenen Vorortzugs auf der Messe International Transportation Technology and Equipment in Peking.

Anfang dieses Jahres wurde in China der nach Herstellerangaben schnellste Wasserstoff-Regionalzug weltweit vorgestellt. Er fährt 160 Kilometer pro Stunde und kommt mit einer Tankfüllung 600 Kilometer weit. Einen großen Teil seiner Technologie teilt der Zug mit der bewährten Fuxing-Familie von Hochgeschwindigkeitszügen, einem Arbeitspferd des chinesischen Fernverkehrs.

Entwickelt wurde der Wasserstoff-Zug in einem Joint Venture zwischen der Changchun Railway Company (CRRC) und Chengdu Rail Transit. Der große Vorteil eines Wasserstoff-Zuges: Er kann auch noch nicht elektrifizierte Strecken umweltfreundlich nutzen, ohne dass dafür große Umbauten an der Strecke nötig wären. Er bietet sich damit vor allem als Alternative zur Diesellok an. Im Juli wurde der erste Zug ins Ausland exportiert. Er fährt künftig in Malaysia, wo er in der Stadt Kuching getestet wird.

Der stärkste Wasserstoffzug der Welt

Den ersten Wasserstoffzug überhaupt, der im Alltagsbetrieb läuft, hat der französische Konzern Alstom entwickelt. Doch China überholt nun als Konkurrenz. Seit Juni berfndet sich in der Volksrepublik mit dem Ningdong der stärkste Wasserstoffzug der Welt im Regelbetrieb. Er hat mit einer Leistungsabgabe von 800 Kilowatt die kräftigste Brennstoffzelle an Bord, die je in eine Lokomotive verbaut wurde. Die Leistung übertrifft damit die der meisten Dieselloks.

Hersteller des Ningdong ist der Staatsbetrieb China Railway Rolling Stock Corporation (CRRC). Mit 270 Kilogramm Wasserstoff kann die Lok 190 Stunden fahren. China will 90 Prozent seiner 7.800 Dieselloks durch Wasserstoff-Lokomotiven ersetzen.

Um Dieselloks zu ersetzen, ist Wasserstoff derzeit die erste Wahl. Es gibt zwar Züge mit reinem Batteriebetrieb. Doch während ein Batterie-Zug je nach Größe und Passagierzahl nur zwischen 50 und 100 Kilometer weit kommt, sind es mit Wasserstoff rund 800 Kilometer. Und Steigungen sind, anders als bei Batteriezügen, kein Problem. Die Brennstoffzelle kann Leistungsspitzen besser abfangen.

Grüner Wasserstoff aus der Inneren Mongolei

China ist für einen Übergang zur Wasserstoffwirtschaft gut aufgestellt. Das Land stellt derzeit weltweit die meisten und billigsten Elektrolyseure her, für 200 Dollar pro Kilowatt Leistung, und ist damit 80 Prozent billiger als die Europäer mit der norwegischen NEL, der Münchner Linde AG, Thyssen-Krupp Uhde oder der französischen Air Liquide, die führend sind bei innovativen Technologien für grünen Wasserstoff. Nur mit Hilfe staatlicher Subventionen wird es den Europäern gelingen, aus dieser Defensive herauszukommen und ein ebenso günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis anzubieten wie die Chinesen.

Die Konzentration auf grünen Wasserstoff sowie die mangelnde Koordination in Brüssel lassen Europa in der allgemeinen Wasserstoffforschung immer weiter zurückfallen. Besonders Deutschland. Und die Chinesen warten nicht auf uns. Sie bauen die Wasserstoffproduktion zügig aus: Ausgerechnet in der Inneren Mongolei, Chinas zweitgrößter Kohleabbauregion, entsteht eine der beiden weltweit größten Anlagen für grünen Wasserstoff. Sie geht noch in diesem Jahr in Betrieb und soll 680 Millionen Liter Benzin pro Jahr ersetzen.

Günstiger Wasserstoff aus Xinjiang

Die nächstgrößere Anlage der Welt entsteht in der muslimisch geprägten Region Xinjiang im Westen des Landes. Im Juli wurde dort bereits eine Testanlage eröffnet, die erstmals Wasserstoff aus Solarenergie erzeugt. Allein diese Anlage mit einer Kapazität von zunächst 10.000, dann 20.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr soll die CO₂-Emissionen Chinas um 500.000 Tonnen pro Jahr senken.

Der Wasserstoff soll in Xinjiang mit Hilfe von Solar- und Windenergie hergestellt werden. Die Solaranlage wird so groß sein wie 900 Fußballfelder. Der hier produzierte Wasserstoff soll als Flüssiggas über Pipelines in andere Landesteile transportiert werden. Die Kosten sind beeindruckend niedrig: rund 2,70 Dollar pro Kilo.

Auch brauner und grauer Wasserstoff willkommen

China setzt jedoch nicht allein auf grünen Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen, sondern will zunächst einmal möglichst schnell möglichst viel Knowhow in der Wasserstoffwirtschaft aufbauen. Es kommt also zunächst auch grauer Wasserstoff zum Einsatz. Dieser entsteht mithilfe von Kohlestrom oder wird von Erdgas abgespalten.

Wichtig ist zunächst, Anwendungen wie die Züge entstehen zu lassen, während die Produktion von Wasserstoff billiger und effizienter wird. Deshalb wird sie in großem Stil ausgerollt, auch wenn sie zunächst und auf den ersten Blick widersinnig oft noch auf Kohle basiert. Erst ein kleiner Teil des chinesischen Wasserstoffs ist bisher grün. Wenn die Technologie dann ausgereifter und billiger ist, so die Überlegung, lässt sich die Energiequelle in einem zweiten Schritt leicht von Kohle auf Solar, Wasser oder Wind umstellen.

Deutschland blockiert sich selbst

Damit fährt China eine andere Strategie als Deutschland: Dort will man sich nur auf den Ausbau von grünem Wasserstoff konzentrieren. Deshalb geht es langsamer voran, weil es länger dauert, große Herstellungskapazitäten für grünen Wasserstoff aufzubauen. Diese unterschiedlichen Strategien waren eine der Herausforderungen der Absichtserklärungen zur Green Transition bei den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen im vergangenen Juni in Berlin.

Das Ziel Chinas: Wenn das Land bis 2060 klimaneutral sein soll, müssten zwischen hundert und 130 Millionen Tonnen Wasserstoff jährlich hergestellt werden. Das Electric Power Planning Design General Institute geht davon aus, dass Wasserstoff aus Wasserkraft den größten Anteil an der Wasserstoffproduktion halten wird. Insgesamt soll Wasserstoff einen Anteil von 20 Prozent der Stromversorgung in China erreichen.

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News

Xi empfängt US-Senatoren

Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping hat zu Wochenbeginn eine Gruppe von US-Senatoren in Peking getroffen. Als ranghöchster US-Politiker war der Mehrheitsführer der Demokraten im US-Senat Chuck Schumer dabei. Xi zeigte sich bei dem Treffen in der Großen Halle des Volkes in Peking äußerst diplomatisch.

“Wie China und die USA in einer Welt voller Veränderungen und Aufruhr miteinander auskommen, wird die Zukunft und das Schicksal der Menschheit bestimmen“, sagte Xi am Montag. “Ich habe oft gesagt, auch zu mehreren Präsidenten, dass wir tausend Gründe haben, die Beziehungen zwischen China und den USA zu verbessern, aber keinen einzigen Grund, sie zu ruinieren.” Das Verhältnis zwischen Peking und Washington sei “die wichtigste bilaterale Beziehung der Welt”.

Auch Schumer ist überzeugt, dass “unsere Länder gemeinsam dieses Jahrhundert gestalten werden”. Deshalb müsse man die Beziehung verantwortungsvoll und respektvoll gestalten. Schumer leitet eine Delegation von US-Senatoren, an der sowohl demokratische als auch republikanische Abgeordnete teilnehmen.

Die Gruppe war am Samstag zunächst in die chinesische Wirtschaftsmetropole Shanghai gereist. Vor dem Treffen mit Xi war die Delegation am Montag mit dem chinesischen Außenminister Wang Yi zusammengekommen. Wang äußerte die Hoffnung, Beziehungen “wieder auf den Weg einer gesunden Entwicklung zu bringen”. Das Verhältnis zwischen China und den USA ist seit Monaten sehr angespannt. Zuletzt versuchte vor allem Washington, die Arbeitsbeziehung zu Peking zu verbessern. rad

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  • USA

EU-Kommission erwägt Vorgehen gegen Windturbinen aus China

Die EU-Kommission prüft, eine Anti-Subventionsuntersuchung gegen chinesische Windkraftunternehmen einzuleiten. In dem Sektor gebe es Konkurrenz aus China bei bestimmten Komponenten, sagte der amtierende Wettbewerbskommissar Didier Reynders am Freitag im französischen Fernsehen. “Wenn wir dort erneut womöglich zu hohe chinesische Hilfen feststellen sollten, könnten wir eine vergleichbare Untersuchung einleiten.”

Die Brüsseler Behörde hatte vergangene Woche wie angekündigt eine Untersuchung wegen staatlicher Förderung für chinesische Elektroautos begonnen. Industriekommissar Thierry Breton hatte sich bereits vor Wochen dafür ausgesprochen, auch in Sachen Windindustrie aktiv zu werden. Chinesische Hersteller von Windkraftanlagen verfolgten “eine aggressive Strategie, um auf den europäischen Markt zu gelangen”, schrieb der Franzose. So böten chinesische Unternehmen europäischen Projektentwicklern um 15 bis 55 Prozent niedrigere Preise für Windturbinen an als europäische Konkurrenten, und zugleich einen Zahlungsaufschub von bis zu drei Jahren.

Eine Anti-Subventionsuntersuchung könnte Teil des Maßnahmenpakets für die Windkraft sein, das die Kommission am 24. Oktober vorstellen will. Ein solcher Schritt dürfte aber weitere Spannungen mit Peking und womöglich Gegenmaßnahmen auslösen. Die chinesische Regierung hatte bereits das Verfahren zu Elektroautos als “blanken Protektionismus” kritisiert. tho

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  • Subventionen
  • Windkraft

Country Garden vor Umschuldung

Der strauchelnde chinesische Immobilienkonzern Country Garden könnte bald einen Umschuldungsplan für seine ausländischen Verbindlichkeiten ankündigen. Grund sind ausstehende Zahlungen. Dies berichten chinesische Medien am Montag. Das Unternehmen wollte sich weder zu diesem Thema noch zu möglichen Überweisungen an seine Gläubiger äußern.

Am Montag wurden Zinsen für zwei Anleihen in Höhe von insgesamt 66,8 Millionen Dollar fällig. Im vergangenen Monat hatte der größte private Immobilienentwickler der Volksrepublik bereits Zahlungen über 15 beziehungsweise 40 Millionen Dollar verpasst.

Vor einem Monat konnte Country Garden einen Zahlungsausfall noch abwenden. Sollte der Konzern nun aber die erste Summe nicht bis zum Ablauf der Nachfrist am 17. Oktober überweisen, könnten sämtliche Auslandsverbindlichkeiten als Zahlungsausfall gewertet werden. Diese belaufen sich auf insgesamt 11,96 Milliarden Dollar.

Unterdessen steuert China Evergrande, der mit gut 300 Milliarden Dollar weltweit am höchsten verschuldete Immobilienkonzern, nach Einschätzung einiger Gläubiger auf seine Liquidation zu. Eine wichtige Interessen-Vertretung äußerte sich überrascht, dass der Umschuldungsplan ins Stocken geraten ist. Die Bond-Halter riefen Evergrande dazu auf, mit den Behörden nach einer Lösung zu suchen. Der Konzern wollte sich zu diesem Thema nicht äußern. Die Immobilienkrise in China hat längst auch den Finanzsektor erfasst. Erste Schattenbanken geraten in Zahlungsprobleme. rad/rtr

  • Immobilienkrise

Nordkorea liefert möglicherweise Munition nach Russland

Über die “Brücke der Freundschaft” über den Fluss Tjumen zwischen Nordkorea und Russland könnten schon bald Güterzüge rollen – und möglicherweise Waffen und Munition transportieren. Das ist die Vermutung des US-Think-Tanks CSIS, der eine Ansammlung von Güterwaggons auf dem nordkoreanischen Grenzbahnhof Tumangang entdeckt hat. So berichtet es das Portal Beyond Parallel.

Auf Satellitenbildern sei aktuell mehr Betrieb zu erkennen als jemals in den vergangenen fünf Jahren, stellen die Forschenden fest. Dass Nordkorea Russland mit Waffen und Munition für den Krieg gegen die Ukraine versorgen könnte oder bereits versorgt, wird schon seit Monaten vermutet. Die abgedeckten Container, die auf den Satellitenbildern zu erkennen sind, erlauben jedoch keinen Rückschluss auf den Inhalt.

Die neue Geschäftigkeit auf dem Grenzbahnhof folgt auf den Staatsbesuch von Kim Jong-Un Mitte September in Russland. Sein Programm enthielt den Besuch des Weltraumbahnhofs Wostotschny, Waffenschau sowie Treffen mit Rüstungsherstellern.

Kim versteht es, die internationale Isolation Russlands für sich zu nutzen und durch die aufgewärmte Partnerschaft die eigene Isolation aufzubrechen. Bei seinem Besuch in Russland betonte er stärker als der russische Präsident Wladimir Putin die “strategisch-taktische Kooperation”. Putin sprach von “Kameradschaft und guter Nachbarschaft”. Für Pjöngjang könnte die neue Nähe ein größerer Vorteil sein als für Moskau, weil es mehr Sicherheit bedeute. Zugleich würde das den Bruch von UN-Sanktionen gegen die Atommacht Nordkorea bedeuten, betont der Analyst Artyom Lukin auf 38North.orgvf

  • Geopolitik
  • Nordkorea
  • Russland

Sinologen-Verband warnt deutsche Forscher

Die Deutsche Vereinigung für Chinastudien (DVCS) fürchtet eine Teilabhängigkeit deutscher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gegenüber dem chinesischen Staat. In einer Stellungnahme zur Debatte um die Position deutscher Sinologen zur Situation in Xinjiang mahnt der Verband: “Vertreterinnen und Vertreter der Sinologie tragen eine ganz besondere Verantwortung, ihrer öffentlichen Rolle gerecht zu werden, indem sie sich gegen den Verdacht der Vereinnahmung verwahren.”

Die DVCS erinnert daran, dass in der Volksrepublik China und in Hongkong “keine umfängliche wissenschaftliche Freiheit” existiere. Dies hatte der Verband in der Vergangenheit mehrfach öffentlich unterstrichen. “Der Vorstand der DVCS fühlt sich durch ähnliche Empfehlungen, etwa jenen der Human Rights Watch von 2019 oder jenen der Hochschulrektoren-Konferenz von 2020, sowie durch die China-Strategie der Bundesregierung 2023, in ihrem Ansatz bestätigt”, heißt es in der Stellungnahme.

Anlass für das Schreiben lieferte die Debatte um die Unabhängigkeit der deutschen China-Wissenschaften, die durch einen Zeitungsbeitrag der Sinologen Thomas Heberer und Helwig Scmidt-Glintzer angefacht worden war. Die beiden emeritierten Professoren hatten ohne wissenschaftliche Basis eine Normalisierung der Menschenrechtslage in Xinjiang ausgemacht und dafür herbe Kritik aus großen Teilen der Disziplin geerntet. Schmidt-Glintzer war von 2007 bis 2013 selbst Vorsitzender der DVCS. grz

  • China-Kompetenz
  • Forschung
  • Sinologie

Statue of Liberty steht jetzt in Frankfurt

Eine zwei Meter hohe Statue als Symbol für die Massenproteste in Hongkong hat in Frankfurt ein neues Zuhause gefunden. Die Statue of Liberty war im Jahr 2020 an mehreren Standorten in Hongkong als Zeichen der Solidarität mit den Demonstranten ausgestellt, aber binnen kürzester Zeit von den örtlichen Behörden verboten worden.

Vor wenigen Tagen wurde die Statue in der Eventlocation Massif Central im Rahmen einer feierlichen Zeremonie der Öffentlichkeit in Frankfurt vorgestellt. Mit ihrer Verlegung von Hongkong nach Deutschland soll dem Kampf der Stadt für Freiheit und Menschenrechte gedacht werden.

Die Statue of Liberty war damals die Idee von zwei deutschen Studenten und wurde per Crowdfunding durch Spender aus 27 Länder finanziert. Zunächst hatte sie auf dem Campus der Technischen Universität Hongkong gestanden, ehe sie in Einkaufszentren und Restaurant mit pro-demokratischen Managements ausgestellt wurde. Bis zu ihrem geheimen Export nach Deutschland war sie in einer Lagerhalle versteckt worden. grz

  • Hongkong
  • Proteste

Presseschau

Nach Angriff der Hamas auf Israel: Peking bezieht nicht eindeutig Stellung TAGESSCHAU
Xi Jinping empfängt US-Delegation in Peking ZEIT
Schumer Confronts Xi on Israel-Hamas Stance in Rare Meeting BLOOMBERG
Xi to senators: US-China ties impact ‘destiny of mankind’ DW
Asienspiele in China: Xi applaudiert Taiwan TAZ
China urged not to politicize trade amid probe into Taiwan barriers FOCUSTAIWAN
Taiwans großes Tabu ist die Todesstrafe FR
Tesla: Schlechte Zahlen aus China DERAKTIONAER
Chinas E-Autos kommen, und Europa darf nicht naiv sein DERSTANDARD
Ex-VW-Designer Klaus Zyciora wechselt zu chinesischem Autobauer Changan HANDELSBLATT
Milliardengeschäft: Der Kampf um Huawei WELT
HSBC/Citi: taking over China wealth unit is easy win FT
Chinesische Immobilienfirma Country Garden vor Umschuldung HANDELSBLATT
Taifun Koinu: Börse in Hongkong geschlossen N-TV
Über die Niederschlagung der Proteste in Hongkong: 3sat zeigt Dokumentarfilm “Voices from Hong Kong” PRESSEPORTAL
China’s domestic tourism is finally back to pre-pandemic levels CNBC
Neue Attraktion für China: Bau von Legoland in Shanghai begonnen RND

Standpunkt

Angst regiert das Leben der Uiguren

Von Haiyuer Kuerban und Eva Stocker

Knapp ein Monat ist seit der Veröffentlichung des verharmlosenden Reiseberichts der beiden deutschen Sinologen Thomas Heberer und Helwig Schmidt-Glintzer über die uigurische Region in der Neuen Zürcher Zeitung vergangen. Schon folgte vergangene Woche ein weiterer Artikel, den die KPCh nicht besser hätte verfassen können, diesmal in der Berliner Zeitung.

Hintergrund war eine von der chinesischen Regierung organisierte Propaganda-Tour für Journalisten durch die uigurische Region, bei der Deutschland nur von der Berliner Zeitung vertreten wurde. Diese von staatlicher Seite sorgfältig inszenierte Tour beinhaltete das Bestaunen von Fabriken, des Landhafens in Ürümchi und auch den Besuch einer uigurischen Bauernfamilie. 

Der Artikel überschüttet die chinesische “Wirtschaftsoffensive” in der uigurischen Region Ostturkistan nur so mit Lob. Dass nach wie vor Tausende von Uiguren und Angehörige anderer Turkvölker im Rahmen von staatlicher Zwangsarbeit in Fabriken und auf Feldern arbeiten müssen, ignoriert er dabei.

Dabei genügt schon ein Blick in die offiziellen Zahlen der chinesischen Regierung: 14,33 Millionen Menschen wurden laut chinesischen Behörden im Rahmen von Programmen zur “Vermittlung von überschüssiger Arbeit”, ein chinesischer Euphemismus für Zwangsarbeit, zwischen 2016 und 2021 vermittelt. Letztes Jahr allein waren es 3,03 Millionen.

Der Völkermord an den Uiguren geht unvermindert weiter, nur die Strategie der KPCh ändert sich. So verlagert sich die Überwachung der Region immer stärker in den digitalen Raum, wodurch Straßenkontrollstellen immer weniger relevant werden. Auch mögen manche Internierungslager aufgelöst worden sein, lange Haftstrafen gegen Uiguren nehmen hingegen massiv zu.

Erst kürzlich wurde bekannt, dass die zu uigurischen Traditionen forschende Professorin Rahile Dawut zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Das Gutachten der vorherigen Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte spricht 2022 in diesem Zusammenhang von potenziellen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Viele Parlamente, wie die Niederlande und Großbritannien, gehen noch weiter und stufen die schwerwiegenden Vergehen der chinesischen Regierung als Völkermord ein.

Aber um Fakten und ausgewogene Berichterstattung geht es der Berliner Zeitung nicht, sondern um die ungefilterte Verbreitung der chinesischen Propaganda. Besonders schockierend an dem Bericht ist der Besuch einer uigurischen Bauernfamilie, die, umzingelt von Vertretern des chinesischen Staates und internationalen Journalisten, das glückliche Bauernleben mit frischen Früchten vorspielen musste.

Der Zynismus dieser Posse ist kaum zu übertreffen. Nach sieben Jahren brutalster “Umerziehung” ist dieser Familie klar, dass ein falsches Wort, eine falsche Bewegung für sie das Schlimmste bedeutet. Erdrückende Angst regiert das Leben der Uiguren. Zu jeder Stunde können Sie oder ihre Verwandten von den chinesischen Behörden in die brutalen Folterkammern der Gefängnisse oder Internierungslager abgeführt werden.   

Andere an der Tour beteiligte Medien wie ABC NEWS Australia berichteten kritisch über die ständige Überwachung während der Reise. Auch sei es nicht möglich gewesen, frei mit Uiguren zu sprechen oder die Internierungslager zu besuchen. Die chinesische Regierung blockiert nach wie vor jegliche investigative Recherche in der Region.

Aktuell gibt es mehr als fünfzehn Anfragen von UN-Experten zur Durchführung einer unabhängigen Untersuchung in Ostturkestan. Manche wurden innerhalb von 20 Jahren mehrmals gestellt, ohne jemals eine Genehmigung von chinesischer Seite zu erhalten. Statt die Methoden der chinesischen Desinformationskampagne zu enthüllen, lässt sich die Berliner Zeitung hemmungslos als Propagandasprachrohr der KPCh instrumentalisieren.

  • Desinformation
  • KP Chinas
  • Medien
  • Propaganda
  • Weltkongress der Uiguren
  • Xinjiang

Personalien

Xi Jinping hat eine Reihe neuer Botschafter ernannt. Darunter:

Zhao Xing wird Botschafter der Volksrepublik China in Afghanistan und ersetzt damit Wang Yu. 

Jiang Zaidong vertritt zukünftig China in der Islamischen Republik Pakistan und ersetzt Nong Rong. 

Gong Tao wurde zum Botschafter der Volksrepublik China in Ungarn ernannt und ersetzt Qi Dayu.

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Dessert

Die 15 riesigen Getreidesilos in Huai’an in der ostchinesischen Provinz Jiangsu aus der Vogelperspektive: Die Silos haben einen Durchmesser von jeweils rund 30 Metern und sind Teil einer gewaltigen Lagerungslogistik. Insgesamt hat China Lagerkapazitäten von 700 Millionen Tonnen Getreide.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    mit Chinas wachsendem Anspruch, den Lauf der Dinge in der Welt erheblich mitzubestimmen, wächst auch die internationale Aufmerksamkeit für Haltungen und Positionen des Landes. In Israel zum Beispiel sind die Forderungen Pekings nach einer Zwei-Staaten-Lösung in der Palästina-Frage sehr bitter aufgestoßen. Sicherlich ist der Vorschlag aus chinesischer Sicht legitim. Aber er folgte unmittelbar nach einem Bombenhagel auf israelisches Staatsgebiet.

    Ohne Empathie, ohne Gespür für die Tragik des Augenblicks und ohne die Fähigkeit, seine eigenen Interessen für den Moment zurückzustellen, wird es Peking schwer haben, irgendwann einmal als verantwortungsbewusste Weltmacht wahrgenommen zu werden. Viel tapsiger kann man seine Außenpolitik wahrlich nicht in die Welt posaunen. Michael Radunski hat in Israel nachgehört, was die Stellungnahme für das israelisch-chinesische Verhältnis bedeutet.

    Die Debatte um eine mögliche Vereinnahmung der deutschen Sinologie durch den chinesischen Staat geht derweil in die nächste Runde. Während der Sinologen-Verband hierzulande die China-Forschenden an ihre Verantwortung erinnert, stellt der Weltkongress der Uiguren im heutigen Standpunkt klar, dass ihre Volksgruppe in Xinjiang unter ständiger Angst lebt. Der eine oder andere Sinologe scheint das zuletzt völlig übersehen zu haben.

    Ihr
    Marcel Grzanna
    Bild von Marcel  Grzanna

    Analyse

    Schwerer Schlag für die Beziehungen zwischen China und Israel

    Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu liebäugelte lange mit Xi Jinping als neuem Partner. Nun ist der Ärger über Chinas Zurückhaltung groß.

    Die israelische Reaktion ist eindeutig. “Wenn Menschen auf der Straße ermordet und abgeschlachtet werden, ist es nicht an der Zeit, eine Zwei-Staaten-Lösung zu fordern”, schreibt Yuval Waks, ein ranghoher Vertreter der israelischen Botschaft in Peking, beim Kurznachrichtendienst X. Israel erwarte von China eine stärkere Verurteilung der Hamas – schließlich habe China Israel doch sogar als Freund bezeichnet.

    Israel befindet sich seit dem Angriff der Hamas am Samstag im Krieg. Aber die Klarheit von Waks Worten ist doch etwas überraschend. Waks ist als “deputy chief of mission” der wichtigste Mann hinter dem israelischen Botschafter in Peking. Seine Aufgabe ist es, die Beziehungen zwischen Israel und der Volksrepublik zu pflegen. Und das gelang zuletzt äußerst gut.

    Während China vor allem an Hightech und Rüstung aus Israel interessiert ist, nutzte Benjamin Netanjahu den Partner aus Asien für eine Diversifizierung seiner Außenpolitik. So wurden grundlegende politische Unterschiede übertüncht – bis zum Angriff der Hamas auf Israel und vor allem bis zur anschließenden Reaktion aus China.

    Traum von China als neuer Ordnungsmacht

    Denn diese fiel alles andere als eindeutig aus. Vielmehr forderte das chinesische Außenministerium am Sonntag die betroffenen Parteien dazu auf, Ruhe zu bewahren und die Feindseligkeiten sofort zu beenden. “Der grundlegende Ausweg aus dem Konflikt liegt in der Umsetzung der Zwei-Staaten-Lösung und der Gründung eines unabhängigen Staates Palästina”, sagte der Außenamtssprecher.

    Seither ist nicht nur der Deputy Chief of Mission der israelischen Botschaft erbost. Auch Chuck Schumer, demokratischer Mehrheitsführer des US-Senats, zeigte sich am Montag in Peking enttäuscht: “Ich fordere Sie und das chinesische Volk auf, an der Seite des israelischen Volkes zu stehen und die feigen und bösartigen Angriffe zu verurteilen”, sagte Schumer zu Partei- und Staatschef Xi Jinping. “Ich sage das mit Respekt, aber ich war von der Erklärung des Außenministers enttäuscht, der in diesen schwierigen Zeiten keinerlei Sympathie oder Unterstützung für das israelische Volk zeigte”, fügte Schumer hinzu.

    “Pekings Reaktion ist ein Schlag für die Beziehungen zwischen China und Israel”, urteilt Galia Lavi vom Institut für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) in Tel Aviv im Gespräch mit Table.Media. “Einige Leute in Israel haben bereits vorgeschlagen, dass China die USA als Ordnungsmacht im Nahen Osten ablösen könnte”, erklärt der Wissenschaftler. “Aber das Bild von China als verantwortungsbewusster Macht hat sich erledigt.”

    Vom Feind zum engen Partner

    Der Start war mehr als holprig. Obwohl Israel das erste Land im Nahen Osten war, das die Volksrepublik als legitimen Vertreter Chinas anerkannte, unterstützte Peking seinerseits die arabischen Regierungen und nationalen Befreiungsbewegungen wie in Palästina. Erst 1979 kam es zu einer vorsichtigen Annäherung – auch dank des Transfers israelischer Verteidigungstechnologie nach Peking.

    Seit der offiziellen Aufnahme diplomatischer Beziehungen 1992 haben sich die Wirtschaftsbeziehungen zwischen China und Israel allerdings erheblich ausgeweitet: Aus 50 Millionen US-Dollar im Jahr 1992 wurde ein Handelsvolumen von mehr als 22 Milliarden US-Dollar. China stiegt zum drittwichtigsten Handelspartner auf, hinter der EU und den USA.

    Vor allem Benjamin Netanjahu suchte eine neue Balance zwischen dem alten Partner USA und dem neuen China. Als Israels Ministerpräsident 2017 nach Peking reiste, verkündeten die beiden Länder eine umfassende innovative Partnerschaft auf Basis technologischer Zusammenarbeit. Zudem schloss sich Israel der “Belt-and-Road-Initiative” an, dem Prestigeprojekt des chinesischen Staatsführers Xi Jinping.

    China will Israels Hightech

    Die Partnerschaft erhöhte nochmals Chinas Investitionen. Das wohl bekannteste Projekt ist der Hafen von Haifa. In Israels größtem und wichtigstem Hafen betreibt die “Shanghai International Port Group” einen Containerterminal.

    Wissenschaftlerin Lavi führt zwei weitere Aspekte an: Israel ist ein Hightech-Land. China habe großes Interesse an neuester Technologie, sagt sie. Zudem diene Israel als Brücke in den Westen. “China will in Israel zeigen, wie gut es auch mit entwickelten Demokratien zusammenarbeiten kann.” Das argumentative Kalkül dahinter: Wenn es in Israel klappt, wird es auch in Deutschland oder Frankreich funktionieren. Und dabei spielt keine Rolle, ob es um Häfen geht, Straßenbahnen oder digitale Infrastruktur.

    Israels Probleme mit China: Iran

    Doch hier liegen auch die Probleme: Viele israelische Start-ups sind in den Bereichen Rüstung und Cybersicherheit engagiert. Sie arbeiten eng mit dem israelischen Verteidigungsministerium zusammen – und das wiederum mit den USA. Seit Jahren warnen deshalb amerikanische Sicherheitsbehörden, China könnte durch seine Investitionen in Israel an sensible Informationen aus den USA kommen. 

    Zudem unterhält China enge Kontakte zum israelischen Erzfeind Iran. Es hat die palästinensischen Gebiete früh als Staat anerkannt und stimmt bei den Vereinten Nationen regelmäßig für die Verurteilung Israels, etwa wegen der Siedlungspolitik.

    Lavieren wie im Ukraine-Krieg

    Jetzt droht eine Abkehr von Israels Kurs in Richtung China. “Israel hat zwar seit 2020 keine Projekte für Infrastrukturmanagement an China vergeben. Aber in letzter Zeit hat vor allem Netanyahu nach einem neuen Gleichgewicht zwischen China und den USA gesucht“, erklärt Lavi. Dieses Vorhaben wird nun überdacht. “China möchte als verantwortungsvolle Weltmacht gesehen werden, aber diese schwache Reaktion auf offensichtlich terroristische Aktionen zeigt das Gegenteil.”

    Und in der Tat erinnert Chinas Reaktion stark an Pekinger Erklärungen rund um den Ukraine-Krieg. Obwohl die Angreifer in beiden Fällen eindeutig zu benennen sind, scheut China eine klare Haltung. Ausschließlich das Ende der Feindseligkeiten zu fordern, wirkt sowohl auf Israel als auch die Ukraine nicht verantwortungsbewusst, sondern eher selbstbezogen und nur den eigenen Interessen verpflichtet.

    • Geopolitik
    • Israel
    • Transfer
    • USA

    Wasserstoffzüge ersetzen fast alle Dieselloks

    Das Modell eines wasserstoffbetriebenen Vorortzugs auf der Messe International Transportation Technology and Equipment in Peking.

    Anfang dieses Jahres wurde in China der nach Herstellerangaben schnellste Wasserstoff-Regionalzug weltweit vorgestellt. Er fährt 160 Kilometer pro Stunde und kommt mit einer Tankfüllung 600 Kilometer weit. Einen großen Teil seiner Technologie teilt der Zug mit der bewährten Fuxing-Familie von Hochgeschwindigkeitszügen, einem Arbeitspferd des chinesischen Fernverkehrs.

    Entwickelt wurde der Wasserstoff-Zug in einem Joint Venture zwischen der Changchun Railway Company (CRRC) und Chengdu Rail Transit. Der große Vorteil eines Wasserstoff-Zuges: Er kann auch noch nicht elektrifizierte Strecken umweltfreundlich nutzen, ohne dass dafür große Umbauten an der Strecke nötig wären. Er bietet sich damit vor allem als Alternative zur Diesellok an. Im Juli wurde der erste Zug ins Ausland exportiert. Er fährt künftig in Malaysia, wo er in der Stadt Kuching getestet wird.

    Der stärkste Wasserstoffzug der Welt

    Den ersten Wasserstoffzug überhaupt, der im Alltagsbetrieb läuft, hat der französische Konzern Alstom entwickelt. Doch China überholt nun als Konkurrenz. Seit Juni berfndet sich in der Volksrepublik mit dem Ningdong der stärkste Wasserstoffzug der Welt im Regelbetrieb. Er hat mit einer Leistungsabgabe von 800 Kilowatt die kräftigste Brennstoffzelle an Bord, die je in eine Lokomotive verbaut wurde. Die Leistung übertrifft damit die der meisten Dieselloks.

    Hersteller des Ningdong ist der Staatsbetrieb China Railway Rolling Stock Corporation (CRRC). Mit 270 Kilogramm Wasserstoff kann die Lok 190 Stunden fahren. China will 90 Prozent seiner 7.800 Dieselloks durch Wasserstoff-Lokomotiven ersetzen.

    Um Dieselloks zu ersetzen, ist Wasserstoff derzeit die erste Wahl. Es gibt zwar Züge mit reinem Batteriebetrieb. Doch während ein Batterie-Zug je nach Größe und Passagierzahl nur zwischen 50 und 100 Kilometer weit kommt, sind es mit Wasserstoff rund 800 Kilometer. Und Steigungen sind, anders als bei Batteriezügen, kein Problem. Die Brennstoffzelle kann Leistungsspitzen besser abfangen.

    Grüner Wasserstoff aus der Inneren Mongolei

    China ist für einen Übergang zur Wasserstoffwirtschaft gut aufgestellt. Das Land stellt derzeit weltweit die meisten und billigsten Elektrolyseure her, für 200 Dollar pro Kilowatt Leistung, und ist damit 80 Prozent billiger als die Europäer mit der norwegischen NEL, der Münchner Linde AG, Thyssen-Krupp Uhde oder der französischen Air Liquide, die führend sind bei innovativen Technologien für grünen Wasserstoff. Nur mit Hilfe staatlicher Subventionen wird es den Europäern gelingen, aus dieser Defensive herauszukommen und ein ebenso günstiges Preis-Leistungs-Verhältnis anzubieten wie die Chinesen.

    Die Konzentration auf grünen Wasserstoff sowie die mangelnde Koordination in Brüssel lassen Europa in der allgemeinen Wasserstoffforschung immer weiter zurückfallen. Besonders Deutschland. Und die Chinesen warten nicht auf uns. Sie bauen die Wasserstoffproduktion zügig aus: Ausgerechnet in der Inneren Mongolei, Chinas zweitgrößter Kohleabbauregion, entsteht eine der beiden weltweit größten Anlagen für grünen Wasserstoff. Sie geht noch in diesem Jahr in Betrieb und soll 680 Millionen Liter Benzin pro Jahr ersetzen.

    Günstiger Wasserstoff aus Xinjiang

    Die nächstgrößere Anlage der Welt entsteht in der muslimisch geprägten Region Xinjiang im Westen des Landes. Im Juli wurde dort bereits eine Testanlage eröffnet, die erstmals Wasserstoff aus Solarenergie erzeugt. Allein diese Anlage mit einer Kapazität von zunächst 10.000, dann 20.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr soll die CO₂-Emissionen Chinas um 500.000 Tonnen pro Jahr senken.

    Der Wasserstoff soll in Xinjiang mit Hilfe von Solar- und Windenergie hergestellt werden. Die Solaranlage wird so groß sein wie 900 Fußballfelder. Der hier produzierte Wasserstoff soll als Flüssiggas über Pipelines in andere Landesteile transportiert werden. Die Kosten sind beeindruckend niedrig: rund 2,70 Dollar pro Kilo.

    Auch brauner und grauer Wasserstoff willkommen

    China setzt jedoch nicht allein auf grünen Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen, sondern will zunächst einmal möglichst schnell möglichst viel Knowhow in der Wasserstoffwirtschaft aufbauen. Es kommt also zunächst auch grauer Wasserstoff zum Einsatz. Dieser entsteht mithilfe von Kohlestrom oder wird von Erdgas abgespalten.

    Wichtig ist zunächst, Anwendungen wie die Züge entstehen zu lassen, während die Produktion von Wasserstoff billiger und effizienter wird. Deshalb wird sie in großem Stil ausgerollt, auch wenn sie zunächst und auf den ersten Blick widersinnig oft noch auf Kohle basiert. Erst ein kleiner Teil des chinesischen Wasserstoffs ist bisher grün. Wenn die Technologie dann ausgereifter und billiger ist, so die Überlegung, lässt sich die Energiequelle in einem zweiten Schritt leicht von Kohle auf Solar, Wasser oder Wind umstellen.

    Deutschland blockiert sich selbst

    Damit fährt China eine andere Strategie als Deutschland: Dort will man sich nur auf den Ausbau von grünem Wasserstoff konzentrieren. Deshalb geht es langsamer voran, weil es länger dauert, große Herstellungskapazitäten für grünen Wasserstoff aufzubauen. Diese unterschiedlichen Strategien waren eine der Herausforderungen der Absichtserklärungen zur Green Transition bei den deutsch-chinesischen Regierungskonsultationen im vergangenen Juni in Berlin.

    Das Ziel Chinas: Wenn das Land bis 2060 klimaneutral sein soll, müssten zwischen hundert und 130 Millionen Tonnen Wasserstoff jährlich hergestellt werden. Das Electric Power Planning Design General Institute geht davon aus, dass Wasserstoff aus Wasserkraft den größten Anteil an der Wasserstoffproduktion halten wird. Insgesamt soll Wasserstoff einen Anteil von 20 Prozent der Stromversorgung in China erreichen.

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    Xi empfängt US-Senatoren

    Chinas Partei- und Staatschef Xi Jinping hat zu Wochenbeginn eine Gruppe von US-Senatoren in Peking getroffen. Als ranghöchster US-Politiker war der Mehrheitsführer der Demokraten im US-Senat Chuck Schumer dabei. Xi zeigte sich bei dem Treffen in der Großen Halle des Volkes in Peking äußerst diplomatisch.

    “Wie China und die USA in einer Welt voller Veränderungen und Aufruhr miteinander auskommen, wird die Zukunft und das Schicksal der Menschheit bestimmen“, sagte Xi am Montag. “Ich habe oft gesagt, auch zu mehreren Präsidenten, dass wir tausend Gründe haben, die Beziehungen zwischen China und den USA zu verbessern, aber keinen einzigen Grund, sie zu ruinieren.” Das Verhältnis zwischen Peking und Washington sei “die wichtigste bilaterale Beziehung der Welt”.

    Auch Schumer ist überzeugt, dass “unsere Länder gemeinsam dieses Jahrhundert gestalten werden”. Deshalb müsse man die Beziehung verantwortungsvoll und respektvoll gestalten. Schumer leitet eine Delegation von US-Senatoren, an der sowohl demokratische als auch republikanische Abgeordnete teilnehmen.

    Die Gruppe war am Samstag zunächst in die chinesische Wirtschaftsmetropole Shanghai gereist. Vor dem Treffen mit Xi war die Delegation am Montag mit dem chinesischen Außenminister Wang Yi zusammengekommen. Wang äußerte die Hoffnung, Beziehungen “wieder auf den Weg einer gesunden Entwicklung zu bringen”. Das Verhältnis zwischen China und den USA ist seit Monaten sehr angespannt. Zuletzt versuchte vor allem Washington, die Arbeitsbeziehung zu Peking zu verbessern. rad

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    EU-Kommission erwägt Vorgehen gegen Windturbinen aus China

    Die EU-Kommission prüft, eine Anti-Subventionsuntersuchung gegen chinesische Windkraftunternehmen einzuleiten. In dem Sektor gebe es Konkurrenz aus China bei bestimmten Komponenten, sagte der amtierende Wettbewerbskommissar Didier Reynders am Freitag im französischen Fernsehen. “Wenn wir dort erneut womöglich zu hohe chinesische Hilfen feststellen sollten, könnten wir eine vergleichbare Untersuchung einleiten.”

    Die Brüsseler Behörde hatte vergangene Woche wie angekündigt eine Untersuchung wegen staatlicher Förderung für chinesische Elektroautos begonnen. Industriekommissar Thierry Breton hatte sich bereits vor Wochen dafür ausgesprochen, auch in Sachen Windindustrie aktiv zu werden. Chinesische Hersteller von Windkraftanlagen verfolgten “eine aggressive Strategie, um auf den europäischen Markt zu gelangen”, schrieb der Franzose. So böten chinesische Unternehmen europäischen Projektentwicklern um 15 bis 55 Prozent niedrigere Preise für Windturbinen an als europäische Konkurrenten, und zugleich einen Zahlungsaufschub von bis zu drei Jahren.

    Eine Anti-Subventionsuntersuchung könnte Teil des Maßnahmenpakets für die Windkraft sein, das die Kommission am 24. Oktober vorstellen will. Ein solcher Schritt dürfte aber weitere Spannungen mit Peking und womöglich Gegenmaßnahmen auslösen. Die chinesische Regierung hatte bereits das Verfahren zu Elektroautos als “blanken Protektionismus” kritisiert. tho

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    Country Garden vor Umschuldung

    Der strauchelnde chinesische Immobilienkonzern Country Garden könnte bald einen Umschuldungsplan für seine ausländischen Verbindlichkeiten ankündigen. Grund sind ausstehende Zahlungen. Dies berichten chinesische Medien am Montag. Das Unternehmen wollte sich weder zu diesem Thema noch zu möglichen Überweisungen an seine Gläubiger äußern.

    Am Montag wurden Zinsen für zwei Anleihen in Höhe von insgesamt 66,8 Millionen Dollar fällig. Im vergangenen Monat hatte der größte private Immobilienentwickler der Volksrepublik bereits Zahlungen über 15 beziehungsweise 40 Millionen Dollar verpasst.

    Vor einem Monat konnte Country Garden einen Zahlungsausfall noch abwenden. Sollte der Konzern nun aber die erste Summe nicht bis zum Ablauf der Nachfrist am 17. Oktober überweisen, könnten sämtliche Auslandsverbindlichkeiten als Zahlungsausfall gewertet werden. Diese belaufen sich auf insgesamt 11,96 Milliarden Dollar.

    Unterdessen steuert China Evergrande, der mit gut 300 Milliarden Dollar weltweit am höchsten verschuldete Immobilienkonzern, nach Einschätzung einiger Gläubiger auf seine Liquidation zu. Eine wichtige Interessen-Vertretung äußerte sich überrascht, dass der Umschuldungsplan ins Stocken geraten ist. Die Bond-Halter riefen Evergrande dazu auf, mit den Behörden nach einer Lösung zu suchen. Der Konzern wollte sich zu diesem Thema nicht äußern. Die Immobilienkrise in China hat längst auch den Finanzsektor erfasst. Erste Schattenbanken geraten in Zahlungsprobleme. rad/rtr

    • Immobilienkrise

    Nordkorea liefert möglicherweise Munition nach Russland

    Über die “Brücke der Freundschaft” über den Fluss Tjumen zwischen Nordkorea und Russland könnten schon bald Güterzüge rollen – und möglicherweise Waffen und Munition transportieren. Das ist die Vermutung des US-Think-Tanks CSIS, der eine Ansammlung von Güterwaggons auf dem nordkoreanischen Grenzbahnhof Tumangang entdeckt hat. So berichtet es das Portal Beyond Parallel.

    Auf Satellitenbildern sei aktuell mehr Betrieb zu erkennen als jemals in den vergangenen fünf Jahren, stellen die Forschenden fest. Dass Nordkorea Russland mit Waffen und Munition für den Krieg gegen die Ukraine versorgen könnte oder bereits versorgt, wird schon seit Monaten vermutet. Die abgedeckten Container, die auf den Satellitenbildern zu erkennen sind, erlauben jedoch keinen Rückschluss auf den Inhalt.

    Die neue Geschäftigkeit auf dem Grenzbahnhof folgt auf den Staatsbesuch von Kim Jong-Un Mitte September in Russland. Sein Programm enthielt den Besuch des Weltraumbahnhofs Wostotschny, Waffenschau sowie Treffen mit Rüstungsherstellern.

    Kim versteht es, die internationale Isolation Russlands für sich zu nutzen und durch die aufgewärmte Partnerschaft die eigene Isolation aufzubrechen. Bei seinem Besuch in Russland betonte er stärker als der russische Präsident Wladimir Putin die “strategisch-taktische Kooperation”. Putin sprach von “Kameradschaft und guter Nachbarschaft”. Für Pjöngjang könnte die neue Nähe ein größerer Vorteil sein als für Moskau, weil es mehr Sicherheit bedeute. Zugleich würde das den Bruch von UN-Sanktionen gegen die Atommacht Nordkorea bedeuten, betont der Analyst Artyom Lukin auf 38North.orgvf

    • Geopolitik
    • Nordkorea
    • Russland

    Sinologen-Verband warnt deutsche Forscher

    Die Deutsche Vereinigung für Chinastudien (DVCS) fürchtet eine Teilabhängigkeit deutscher Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler gegenüber dem chinesischen Staat. In einer Stellungnahme zur Debatte um die Position deutscher Sinologen zur Situation in Xinjiang mahnt der Verband: “Vertreterinnen und Vertreter der Sinologie tragen eine ganz besondere Verantwortung, ihrer öffentlichen Rolle gerecht zu werden, indem sie sich gegen den Verdacht der Vereinnahmung verwahren.”

    Die DVCS erinnert daran, dass in der Volksrepublik China und in Hongkong “keine umfängliche wissenschaftliche Freiheit” existiere. Dies hatte der Verband in der Vergangenheit mehrfach öffentlich unterstrichen. “Der Vorstand der DVCS fühlt sich durch ähnliche Empfehlungen, etwa jenen der Human Rights Watch von 2019 oder jenen der Hochschulrektoren-Konferenz von 2020, sowie durch die China-Strategie der Bundesregierung 2023, in ihrem Ansatz bestätigt”, heißt es in der Stellungnahme.

    Anlass für das Schreiben lieferte die Debatte um die Unabhängigkeit der deutschen China-Wissenschaften, die durch einen Zeitungsbeitrag der Sinologen Thomas Heberer und Helwig Scmidt-Glintzer angefacht worden war. Die beiden emeritierten Professoren hatten ohne wissenschaftliche Basis eine Normalisierung der Menschenrechtslage in Xinjiang ausgemacht und dafür herbe Kritik aus großen Teilen der Disziplin geerntet. Schmidt-Glintzer war von 2007 bis 2013 selbst Vorsitzender der DVCS. grz

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    Statue of Liberty steht jetzt in Frankfurt

    Eine zwei Meter hohe Statue als Symbol für die Massenproteste in Hongkong hat in Frankfurt ein neues Zuhause gefunden. Die Statue of Liberty war im Jahr 2020 an mehreren Standorten in Hongkong als Zeichen der Solidarität mit den Demonstranten ausgestellt, aber binnen kürzester Zeit von den örtlichen Behörden verboten worden.

    Vor wenigen Tagen wurde die Statue in der Eventlocation Massif Central im Rahmen einer feierlichen Zeremonie der Öffentlichkeit in Frankfurt vorgestellt. Mit ihrer Verlegung von Hongkong nach Deutschland soll dem Kampf der Stadt für Freiheit und Menschenrechte gedacht werden.

    Die Statue of Liberty war damals die Idee von zwei deutschen Studenten und wurde per Crowdfunding durch Spender aus 27 Länder finanziert. Zunächst hatte sie auf dem Campus der Technischen Universität Hongkong gestanden, ehe sie in Einkaufszentren und Restaurant mit pro-demokratischen Managements ausgestellt wurde. Bis zu ihrem geheimen Export nach Deutschland war sie in einer Lagerhalle versteckt worden. grz

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    Presseschau

    Nach Angriff der Hamas auf Israel: Peking bezieht nicht eindeutig Stellung TAGESSCHAU
    Xi Jinping empfängt US-Delegation in Peking ZEIT
    Schumer Confronts Xi on Israel-Hamas Stance in Rare Meeting BLOOMBERG
    Xi to senators: US-China ties impact ‘destiny of mankind’ DW
    Asienspiele in China: Xi applaudiert Taiwan TAZ
    China urged not to politicize trade amid probe into Taiwan barriers FOCUSTAIWAN
    Taiwans großes Tabu ist die Todesstrafe FR
    Tesla: Schlechte Zahlen aus China DERAKTIONAER
    Chinas E-Autos kommen, und Europa darf nicht naiv sein DERSTANDARD
    Ex-VW-Designer Klaus Zyciora wechselt zu chinesischem Autobauer Changan HANDELSBLATT
    Milliardengeschäft: Der Kampf um Huawei WELT
    HSBC/Citi: taking over China wealth unit is easy win FT
    Chinesische Immobilienfirma Country Garden vor Umschuldung HANDELSBLATT
    Taifun Koinu: Börse in Hongkong geschlossen N-TV
    Über die Niederschlagung der Proteste in Hongkong: 3sat zeigt Dokumentarfilm “Voices from Hong Kong” PRESSEPORTAL
    China’s domestic tourism is finally back to pre-pandemic levels CNBC
    Neue Attraktion für China: Bau von Legoland in Shanghai begonnen RND

    Standpunkt

    Angst regiert das Leben der Uiguren

    Von Haiyuer Kuerban und Eva Stocker

    Knapp ein Monat ist seit der Veröffentlichung des verharmlosenden Reiseberichts der beiden deutschen Sinologen Thomas Heberer und Helwig Schmidt-Glintzer über die uigurische Region in der Neuen Zürcher Zeitung vergangen. Schon folgte vergangene Woche ein weiterer Artikel, den die KPCh nicht besser hätte verfassen können, diesmal in der Berliner Zeitung.

    Hintergrund war eine von der chinesischen Regierung organisierte Propaganda-Tour für Journalisten durch die uigurische Region, bei der Deutschland nur von der Berliner Zeitung vertreten wurde. Diese von staatlicher Seite sorgfältig inszenierte Tour beinhaltete das Bestaunen von Fabriken, des Landhafens in Ürümchi und auch den Besuch einer uigurischen Bauernfamilie. 

    Der Artikel überschüttet die chinesische “Wirtschaftsoffensive” in der uigurischen Region Ostturkistan nur so mit Lob. Dass nach wie vor Tausende von Uiguren und Angehörige anderer Turkvölker im Rahmen von staatlicher Zwangsarbeit in Fabriken und auf Feldern arbeiten müssen, ignoriert er dabei.

    Dabei genügt schon ein Blick in die offiziellen Zahlen der chinesischen Regierung: 14,33 Millionen Menschen wurden laut chinesischen Behörden im Rahmen von Programmen zur “Vermittlung von überschüssiger Arbeit”, ein chinesischer Euphemismus für Zwangsarbeit, zwischen 2016 und 2021 vermittelt. Letztes Jahr allein waren es 3,03 Millionen.

    Der Völkermord an den Uiguren geht unvermindert weiter, nur die Strategie der KPCh ändert sich. So verlagert sich die Überwachung der Region immer stärker in den digitalen Raum, wodurch Straßenkontrollstellen immer weniger relevant werden. Auch mögen manche Internierungslager aufgelöst worden sein, lange Haftstrafen gegen Uiguren nehmen hingegen massiv zu.

    Erst kürzlich wurde bekannt, dass die zu uigurischen Traditionen forschende Professorin Rahile Dawut zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Das Gutachten der vorherigen Hohen Kommissarin der Vereinten Nationen für Menschenrechte spricht 2022 in diesem Zusammenhang von potenziellen Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Viele Parlamente, wie die Niederlande und Großbritannien, gehen noch weiter und stufen die schwerwiegenden Vergehen der chinesischen Regierung als Völkermord ein.

    Aber um Fakten und ausgewogene Berichterstattung geht es der Berliner Zeitung nicht, sondern um die ungefilterte Verbreitung der chinesischen Propaganda. Besonders schockierend an dem Bericht ist der Besuch einer uigurischen Bauernfamilie, die, umzingelt von Vertretern des chinesischen Staates und internationalen Journalisten, das glückliche Bauernleben mit frischen Früchten vorspielen musste.

    Der Zynismus dieser Posse ist kaum zu übertreffen. Nach sieben Jahren brutalster “Umerziehung” ist dieser Familie klar, dass ein falsches Wort, eine falsche Bewegung für sie das Schlimmste bedeutet. Erdrückende Angst regiert das Leben der Uiguren. Zu jeder Stunde können Sie oder ihre Verwandten von den chinesischen Behörden in die brutalen Folterkammern der Gefängnisse oder Internierungslager abgeführt werden.   

    Andere an der Tour beteiligte Medien wie ABC NEWS Australia berichteten kritisch über die ständige Überwachung während der Reise. Auch sei es nicht möglich gewesen, frei mit Uiguren zu sprechen oder die Internierungslager zu besuchen. Die chinesische Regierung blockiert nach wie vor jegliche investigative Recherche in der Region.

    Aktuell gibt es mehr als fünfzehn Anfragen von UN-Experten zur Durchführung einer unabhängigen Untersuchung in Ostturkestan. Manche wurden innerhalb von 20 Jahren mehrmals gestellt, ohne jemals eine Genehmigung von chinesischer Seite zu erhalten. Statt die Methoden der chinesischen Desinformationskampagne zu enthüllen, lässt sich die Berliner Zeitung hemmungslos als Propagandasprachrohr der KPCh instrumentalisieren.

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    Personalien

    Xi Jinping hat eine Reihe neuer Botschafter ernannt. Darunter:

    Zhao Xing wird Botschafter der Volksrepublik China in Afghanistan und ersetzt damit Wang Yu. 

    Jiang Zaidong vertritt zukünftig China in der Islamischen Republik Pakistan und ersetzt Nong Rong. 

    Gong Tao wurde zum Botschafter der Volksrepublik China in Ungarn ernannt und ersetzt Qi Dayu.

    Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

    Dessert

    Die 15 riesigen Getreidesilos in Huai’an in der ostchinesischen Provinz Jiangsu aus der Vogelperspektive: Die Silos haben einen Durchmesser von jeweils rund 30 Metern und sind Teil einer gewaltigen Lagerungslogistik. Insgesamt hat China Lagerkapazitäten von 700 Millionen Tonnen Getreide.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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