Table.Briefing: China

Modemarke Shein auf Siegeszug + Arbeitsfront der KP

  • Shein erobert mit günstigen Klamotten den Weltmarkt
  • KP-Serie: Die Arbeitsfront – Xi Jinpings verdeckte Armee
  • Stoltenberg: China teilt nicht “unsere Werte”
  • Heiko Maas will mehr transatlantische Kooperation
  • USA streben Freihandel mit Taiwan an
  • Rumänien beschränkt Marktzugang für Huawei
  • Dutzende neue Impfstoffe in Entwicklung
  • Im Portrait: Matthias Claussen von C. Melchers
Liebe Leserin, lieber Leser,

der älteren Generation ist der Name Shein wohl zu einem großen Teil unbekannt, während die Marke unter Jüngeren der Renner ist: Als besonders günstiger Mode-Anbieter setzt sich das Unternehmen weltweit in einem Markt durch, den H&M, Primark, Zara und Uniqlo eigentlich längst unter sich aufgeteilt hatten. Das Geheimnis liegt im digitalen Verkaufsmodell. Die chinesische Firma beherrscht die Nutzung von KI einfach besser als die Konkurrenz, schreibt Frank Sieren. Die Arbeitsbedingungen, zu denen T-Shirts für 1,99 Euro entstehen? Kennt keiner. Shein ist für seine Intransparenz bekannt.

Auch die Arbeitsfront der Kommunistischen Partei agiert lieber im Verborgenen. Ihre Aufgabe ist es, im Ausland für chinesische Positionen zu werben und Zweifel an den Aussagen von Kritikern zu sähen. Marcel Grzanna beschreibt in unserer Serie zum hundertjährigen Bestehen der KP das Wirken der geheimnisvollen Organisation. Er warnt: Auch in Deutschland und Europa gewinnt sie an Einfluss.

Die USA stellen sich deutlich sichtbar hinter Taiwan. Außenminister Blinken kündigte vor dem G7-Gipfel Ende der Woche nun Gespräche über freien Handel mit der Insel an und betonte, sie müsse sich verteidigen können. Das entlarvt die Fiktion, dass beide Länder keine diplomatischen Beziehungen unterhalten. Peking reagierte dementsprechend mit einem Aufschrei – genau wie von der China-kritischen Regierung Biden erwartet.

Ihr
Finn Mayer-Kuckuk
Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

Analyse

Shein, der geheimnisvolle Mode-Gigant

Marktbeobachter sprechen bereits vom “Tiktok des E-Commerce”. Dabei vollzog sich der globale Siegeszug der chinesischen Modeplattform Shein für viele fast unbemerkt. Unter weiblichen Teenagern ist die App allerdings längst die erste Wahl, wenn es darum geht, preiswerte und trendige Kleidung im Internet zu kaufen. 

Im Mai überholte Shein erstmals Amazon als die meist-installierte Shopping-App in den USA. Nach Daten der App-Tracking-Firmen App Annie und Sensor Tower belegte Shein Mitte Mai im App-Store von Apple in 54 Ländern bereits Platz eins der am meisten heruntergeladenen Apps. Auf der konkurrierenden Android-Plattform war das immerhin in 13 Ländern der Fall. 

Shein verkauft vor allem Damenmode, die preislich meist zwischen fünf und 20 US-Dollar pro Kleidungsstück liegt. Diese Preise sind möglich, da das Unternehmen beim Einkauf von der schnell und preiswert arbeitenden Textilindustrie Chinas und Südostasiens profitiert. Und selbst in der Welt der Fast Fashion setzt die Plattform neue Tempo-Maßstäbe: Während Inditex, der weltweit größte Modekonzern aus Spanien und Eigentümer von Zara, innerhalb von drei Wochen neue Bekleidungslinien vom Reißbrett in die Regale bringt, schafft Shein das laut Angaben seiner Lieferanten bereits in fünf bis sieben Tagen.

Und während Inditex jedes Jahr rund 50.000 neue Modedesigns für seine Marken kreiert, entwarf sein chinesischer Rivale laut einer Daten-Analyse des Wirtschaftsmagazins Caixin allein in einer Woche im Mai mehr als 30.000 neue Kleidungsstücke.

Big Data und Online-Marketing als Erfolgsrezept

Die Produkte werden mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) auf Basis von Echtzeitdaten immer wieder variiert. So treffen sie den Geschmack in verschiedenen Regionen in kürzester Zeit immer besser. Erweist sich ein Design als besonders beliebt, fährt der Algorithmus das Produktionsvolumen innerhalb weniger Tage hochMatthew Brennan, Experte für chinesische Mobiltechnologie und Autor des Buches “Attention Factory: The Story of Tiktok and China’s Bytedance” nennt dieses disruptive Geschäftsmodell “real time retail”. Das Unternehmen habe ein “einheitliches System geschaffen, bei dem Aktivitäten auf der Website weltweit erfasst und in ein zentralisiertes System eingespeist werden”, erklärt er gegenüber Caixin. Die App bietet in kleinem Rahmen auch günstige Haushaltsprodukte, Herrenbekleidung und Elektronikgüter an.

Besonders interessant ist: Shein produziert fast ausschließlich für den Überseemarkt. In der Heimat China kennt man das Unternehmen kaum. Es liefere bereits regelmäßig in 220 Länder, meldet das Unternehmen auf seiner Webseite. Neben seinem Hauptquartier in Nanjing und einem großen Büro in Guangzhou unterhält Shein Niederlassungen in den USA, Belgien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Im Oktober berichtete Reuters unter Berufung auf Daten des Marktforschungsunternehmens Euromonitor, dass Shein gemessen am Verkauf von Eigenmarkenprodukten mittlerweile das größte reine Online-Modeunternehmen der Welt sei. Sein enormes Bestellvolumen ermöglicht es Shein, die Versandkosten niedrig zu halten.

Läden unterhält der Konzern nicht. Stattdessen investiert die Firma stark in Online-Marketing und wirbt in verschiedenen Sprachen auf Plattformen wie Facebook, Tiktok und Instagram. Im vergangenen Jahr verpflichtete Shein zudem internationale Stars wie Katy Perry und Rita Ora für eine vierstündige Covid-Benefiz-Veranstaltung namens “Shein Together”. Noch wichtiger als die A-Prominenz ist für den Retailer jedoch sein riesiges Netzwerk an Influencern. Darunter sind viele sogenannte Mikro-Influencer, die eine Followerzahl von 1000 bis 100.000 aufweisen und punktuell für Shein werben.

Auch in Deutschland ist Shein aktiv. Zu den Werbe-Gimmicks der Website gehören Blitzangebote, die mit einer rückwärtslaufenden Uhr angeboten werden – und auslaufen, wenn der Countdown vorbei ist. Darunter sind Blusen für 2,49 Euro, T-Shirts für 3,31 Euro, Jeans für 10 Euro oder Schuhe für 25 Euro. Der Versand ist allerdings erst ab 39 Euro Bestellwert kostenlos. Die Kleidung ist ausführlich fotografiert, sieht zumindest auf der Website wertig aus und hat ausführliche Angaben zu den jeweiligen Größen. Das Design ist zeitgemäß, jung und hip – und ähnelt damit weniger dem von Kik, sondern eher noch dem bei H&M. Nicht die Designer bestimmen die Entwicklungsrichtung, sondern die meist weiblichen Käuferinnen. 

Intransparenz als Strategie

Über seine Unternehmensaktivitäten hält Shein sich allerdings sehr bedeckt. Offizielle Angaben zum Absatz oder zu Geldgebern macht die Firma nicht. Laut der chinesischen Tech-News-Site LatePost hat Shein in einem internen Meeting bekannt gegeben, dass der Umsatz im vergangenen Jahr 40 Milliarden Yuan (5,6 Milliarden US-Dollar) überschritten habe. Der Manager eines Private-Equity-Konzerns mit Verbindungen zu Shein erklärte gegenüber Caixin, dass der Umsatz in Nordamerika 2020 bei zehn Milliarden US-Dollar lag und damit um mehr als 200 Prozent gewachsen sei. Laut Insidern setzt Shein in Deutschland bereits rund 300 Millionen Euro um. 

Als nicht börsennotiertes Unternehmen ist Shein auch nicht dazu verpflichtet, seine Finanzen offenzulegen. Pläne, sich auf einen Börsengang vorzubereiten, hat der E-Commerce-Gigant bislang dementiert. Seit seiner letzten E-Finanzierungsrunde im vergangenen Jahr wird der Wert des Unternehmens auf 15 Milliarden US-Dollar geschätzt, was es zu einem der wertvollsten Technologie-Startups der Welt machen würde. Zu den Geldgebern gehören laut chinesischen Medienberichten JAFCO Asia, Greenwoods Asset Management, IDG Capital, Sequoia Capital China oder Tiger Global. Außerdem ist der von den Xiaomi-Gründern Lei Jun und Tuck Lye Koh ins Leben gerufene Venture Capital Fund Shunwei Capital dabei.

Auch über die Firmengeschichte ist wenig bekannt. Angeblich startete Shein 2008 als Großhändler für Hochzeitskleider. Chris Xu (Xu Yiangtian), ein in Amerika geborener chinesischstämmiger Absolvent der Washington University wird als Firmengründer genannt. 2012 habe Xu sein Hochzeitskleidergeschäft aufgegeben, um Onlinehändler zu werden: Er erwarb die Website Sheinside.com. Drei Jahre später nannte er die Firma in Shein um.

Wem gehört der neue Mode-Riese?

Wer heute bei Shein das Sagen hat, lässt sich ebenfalls nicht sagen. Weder die App noch die Website gehen näher auf die Eigentumsverhältnisse ein. Dort wird nicht einmal erwähnt, dass es sich um ein chinesisches Unternehmen handelt. Möglicherweise will Shein auf diese Weise vermeiden, wie andere Unternehmen aus China ins Fadenkreuz der USA zu geraten. Erst diese Woche gab Joe Biden bekannt, den Handel mit Aktien von 59 chinesischen Firmen zu verbieten, die angeblich mit Chinas Militär kooperieren (wie China.Table berichtete). Shein entging allerdings trotz seiner großen Präsenz in den USA bislang dem Verdacht, eng mit Chinas Machthabern verbandelt zu sein. Anders in Indien: Dort wurde die App 2020 zusammen mit weiteren 59 Apps aus China infolge politischer Spannungen verboten. 

Auch bei den Produktionsabläufen herrscht Intransparenz. Beschwerden über die teils minderwertige Qualität und die langen Lieferzeiten kommentiert das Unternehmen kaum. Wer Kleidung für wenig Geld bestellt, erwartet ja auch nicht unbedingt die beste Ware. Was Shein jedoch bei einer immer umweltbewussteren jungen Kundschaft Probleme bereiten könnte: Über die Arbeitsbedingungen und die Nachhaltigkeit der Produktion ist fast nichts bekannt. Konkurrent Inditex hat publikumswirksam bekanntgegeben, dass alle seine Marken, darunter Zara, Pull & Bear und Bershka, ab 2025 nur noch nachhaltige Kleidung verkaufen werden.

Auch Shein betont auf seiner Website, dass es den Einsatz von Kinder- oder Zwangsarbeit in seinen Lieferketten verbietet, von seinen Lieferanten eine faire Bezahlung der Arbeiter verlangt und das Müllaufkommen sowie den Stromverbrauch minimiert. Die Umsetzung dieser Versprechen bleibt jedoch angesichts der Geheimhaltungsstrategie des Unternehmens im Dunkeln. 

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Leise und kaum sichtbar: Das unterschätzte Wirken der Einheitsfront

Chinas militärisches Arsenal hat nach jahrzehntelanger Aufrüstung ein technisch höchst anspruchsvolles Niveau mit erheblicher Zerstörungskraft erreicht. Zur “magischen Waffe” allerdings erklärte Staatspräsident Xi Jinping weder Interkontinentalrakete, noch Tarnkappen-Bomber oder Flugzeugträger. Die “magische Waffe” der Volksrepublik, so formulierte es Xi vor einigen Jahren, sei die Vereinigte Arbeitsfront.

Serie: 100 Jahre Kommunistische Partei Chinas

Diese Abteilung, auch als Einheitsfront bezeichnet und angegliedert an das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei, ist eine Waffe anderer Art, die nicht zerstört oder tötet, sondern im Gegenteil: Sie gestaltet. Nämlich die Wahrnehmung des politischen Systems der Volksrepublik und die öffentliche Meinung über die Politik der Partei im In- und Ausland. Die Einheitsfront ist fast so alt wie die Partei selbst und kommt intensiv dort zum Einsatz, wo Zweifel aufkommen an der Legitimität der KP, wo Kritik laut wird an ihrer Politik und wo Widerstand droht gegen ihre autoritäre Herrschaft. Sie operiert über eine Verästelung von Organisationen, die unmittelbar oder indirekt an den Parteistaat angegliedert sind, sowie über internationale Kontakte in einflussreiche Ebenen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Ihre Struktur vereint 13 Unterabteilungen, die sich verschiedenen Schwerpunkten und Zielgruppen widmen – darunter Religion, Ethnien, Außenpolitik, Intellektuelle, Hongkong und Taiwan. Seit 2017 ist You Quan als Direktor verantwortlich für die Einheitsfront. Er ist Mitglied im Zentralkomitee der KP und steht seit Januar dieses Jahres auf der Sanktionsliste des US-Außenministeriums für seine Rolle, die ihm bei der Umsetzung des Nationalen Sicherheitsgesetzes für Hongkong zugeschrieben wird.

Die Arbeitsfront will negative Stimmen neutralisieren

Vor allem Wissenschaftler:innen sehen sich häufig mit dem Wirken der geheimnisvollen Organisation konfrontiert. “Die Einheitsfront ist eine Art Management-Instrument der KP Chinas, um sicherzustellen, dass einerseits Nicht-Mitglieder auf Parteilinie gebracht und andererseits negative Stimmen marginalisiert werden”, sagt Ralph Weber, Professor am Europainstitut der Universität in Basel. Er selbst machte diese Erfahrung unmittelbar nach der Veröffentlichung einer Studie Ende vergangenen Jahres.

Darin hatte Weber den wachsenden Einflussbereich der Einheitsfront und ihre Methoden in seiner Schweizer Heimat analysiert: Wie ein “Wurzelgeflecht” binden sich chinesische Akteur:innen demnach in das schweizerische System ein und schaffen Abhängigkeit mit wirtschaftlichen Verträgen und Gefälligkeiten. Die chinesische Botschaft in der Schweiz bezeichnete daraufhin als hinterhältig. Staatsmedien in China berichteten über Weber und beschuldigten ihn, mit der Studie die Beziehungen zwischen beiden Ländern zu beschädigen.

Die Bedeutung der Einheitsfront als Werkzeug der KP hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen: mehr Geld, mehr Personal. 2018 wurde ihr das Auslandsbüro für chinesische Angelegenheiten, ein weiteres Organ des Parteistaats, unterstellt. Damit einher ging die Kontrolle über den China News Service – einer Nachrichtenagentur, deren Größe nur noch vom Haupt-Presseorgan Xinhua übertroffen wird.

Parteichef Xi betonte die wachsende Notwendigkeit der Einheitsfront als Reaktion auf die Neugestaltung der globalen Sicherheitsarchitektur. “Gegenwärtig haben sich unsere Situation und unsere Mission erheblich verändert. Je größer die Veränderung, desto mehr muss die Einheitsfront unter der neuen Situation entwickelt werden, desto mehr Einheitsfrontarbeit muss geleistet werden”, sagte Xi. Beispielsweise soll die Organisation “die verantwortlichen Repräsentanten der sozialen Medien” ins Visier nehmen, um denen die Möglichkeit zu geben, “für die Reinigung des Cyberspace zu kämpfen”. Gemeint ist damit die unbedingte Kontrolle von Inhalten und Zugängen im Internet.

Mit wachsender geostrategischer Ausrichtung der Volksrepublik zieht es auch die Einheitsfront längst in alle Winkel der Erde. “Im Ausland will die Einheitsfront die chinesische Diaspora für das Mutterland begeistern und dem Rest der Welt die autoritäre Volksrepublik als normalen und vertrauenswürdigen Partner skizzieren”, sagt Weber. Ihr ginge es etwa darum, die Grenzen zwischen demokratischen und autoritären Systemen so weit zu verwischen, dass es immer schwieriger fällt, Ansatzpunkte für Kritik an der Diktatur zu finden, die nicht auf das eigene politische System zurückfällt. Das gelte prinzipiell für Deutschland genauso wie für die Schweiz, allerdings in unterschiedlichen Ausprägungen.

Hier und dort ist die Einheitsfront subtil tätig. Sie wirft nicht mit Propaganda-Parolen um sich und provoziert keine Konfrontationen mit Kritikern. Ihre Strategie besteht in dem Aufbau von engen Beziehungen zu ausländischen Persönlichkeiten mit Meinungsmacht. Dabei tritt sie nicht unbedingt selbst auf, sondern bedient sich der Hilfe von chinesischen Organisationen und Verbänden, die im Gastland tätig sind. Für chinesische Studierende oder Geschäftsleute setzt sie dagegen einen Ordnungsrahmen und sorgt für die entsprechende Überwachung durch ein enges Netz an Informant:innen. Wenn sie es für nötig hält, schaltet sie andere Institutionen des Machtapparats ein.

Selbst hochrangige Diplomaten werden instrumentalisiert

Menschenrechtsanwälte warnen vor diesem unsichtbaren Arm des Apparats. “Die Einheitsfront kooperiert bei Bedarf mit Agenten der chinesischen Staatssicherheit, die den Druck auf die Kritiker:innen erhöhen können. Das funktioniere zum Beispiel, indem sie Auslandschines:innen daran erinnern, dass diese noch Verwandte in China haben”, sagt der chinesische Anwalt Teng Biao, der in den USA im Exil lebt, gegenüber China.Table. Teng zufolge sei die Einheitsfront sehr effektiv in ihrem Bemühen. Ihr gelinge es, unter Auslandschinesen möglichen Dissens mit dem System weitgehend zu neutralisieren und wichtige ausländische Persönlichkeiten für die Imagepflege zu gewinnen.

Dies geschehe oftmals, ohne dass die Betroffenen überhaupt wissen, dass sie der Einheitsfront wertvolle Dienste leisten. “Eine beliebte Taktik ist es, Ausländer:innen so lange Honig um den Bart zu schmieren und sie als wahre Freunde Chinas zu bezeichnen, bis man sie als Fürsprecher für die eigenen Zwecke einsetzen kann”, sagt Teng. Viele Ausländer:innen bekommen gar nicht mit, dass sie ein Werkzeug der chinesischen Propaganda sind. “Ihnen wird glaubhaft vermittelt, sie gehörten zu den Wenigen, die Chinas vermeintlich wahre Anliegen wirklich verstehen.”

Die Zielpersonen werden psychologisch beeinflusst, indem man sie in chinesische Angelegenheiten involviert und ihnen dabei das Gefühl vermittelt, besonders sie seien es, die mit ihrem Engagement eine für alle vorteilhafte Lösung schaffen. Selbst hochrangige Diplomaten werden überzeugt, “dass ihr einzigartiges Verständnis von China sich in ihrer Fähigkeit zeigt, die Dinge ruhig und ungestört zu halten. Sie tun dies, weil es funktioniert – für China”, sagte der frühere kanadische Botschafter in China, David Mulroney, zum Fall seines Nachfolgers John McCallum. McCallum hatte die Position der kanadischen Regierung untergraben, als er die damalige Festnahme der Huawei-Managerin Meng Wanzhou in Kanada öffentlich als “politisch motiviert” bezeichnete. Meng war im Auftrag der USA wegen Spionagevorwürfen festgenommen worden und befindet sich seither im Hausarrest.

Auch enge, persönliche Geschäftsbeziehungen von Ausländern nach China nutzt die Einheitsfront dabei zu ihren Gunsten. In der Praxis sieht das dann so aus wie im Fall der chinesisch-schwedischen Verlegertochter Angela Gui. Deren Vater sitzt in China im Gefängnis, obwohl er schwedischer Staatsbürger ist – weil er parteikritische Bücher in Hongkong veröffentlichte. Nach einigen Interviews mit schwedischen Medien zum Verschwinden ihres Vaters wurde Angela Gui von einem Geschäftsmann aus Sri Lanka, der in Skandinavien lebt und enge geschäftliche Verbindungen nach China pflegt, vor weiteren Gesprächen mit Medien gewarnt. Sie würde ihren Vater nie wieder sehen, lautete der angeblich gut gemeinte “Rat”. Gui aber verstand das als Drohung.

Anwesend bei jenem Gespräch in einem Hotel in Stockholm waren auch der chinesische Geschäftspartner des Mannes aus Sri Lanka und die frühere schwedische Botschafterin in Peking, Anna Lindstedt. Lindstedt hatte das Treffen arrangiert und riet Angela Gui zum Einverständnis. Dafür musste sich die Diplomatin im vergangenen Jahr vor einem schwedischen Gericht verantworten – wurde aber von der Schuld freigesprochen, ihre Zuständigkeit als Botschafterin überschritten zu haben. Man nahm ihr ab, dass sie mit besten Absichten gehandelt habe, um einem schwedischen Staatsbürger aus chinesischer Haft zu verhelfen. Dass sie gleichzeitig die Interessen der Volksrepublik vertrat, spielte bei der Verhandlung keine Rolle.

Forscher empfehlen mehr Analyse durch Regierungen

Auch Regierungsstellen werden inzwischen aufmerksam. “Es liegt in der Natur der Einheitsfront, Einfluss durch das Knüpfen von Verbindungen zu nehmen, deren Existenz öffentlich schwer nachweisbar ist”, urteilt ein Bericht der US-China Commission aus dem Jahr 2018. “All jene, die versuchen, die negativen Auswirkungen eines solchen Einflusses zu identifizieren, bieten Angriffsfläche für Anschuldigungen, sie bedienten Vorurteile.”

Das Australian Strategic Policy Institute (ASPI) spricht von einer “spaltenden Wirkung der Arbeitsfront” und empfiehlt Regierungen, sich intensiver mit den Mitteln der Einmischung durch chinesische Akteure zu befassen. Sie sollten die Strategie dahinter besser verstehen und entsprechend damit umgehen können. “Gegenmaßnahmen sollten Strafverfolgung, Gesetzesreform, Abschreckung und Kapazitätsaufbau in allen relevanten Regierungsbereichen umfassen“, schlägt ASPI vor.

Die Regierungen haben zweifellos jahrelang viel zu naiv die Analyse des chinesischen Apparats mit all seinen Verästelungen vernachlässigt. Doch der Umgang mit der Einheitsfront ist keineswegs allein ihre Sache. Zu sehr berührt die Arbeitsfront die Beziehungen ganz normaler Menschen untereinander. Losgetreten hat diese Entwicklung die Kommunistische Partei selbst. Xi Jinping beispielsweise erklärte chinesische Auslandsstudenten zu einer wertvollen Ressource für die Einheitsfrontarbeit. Dass deswegen alle chinesischen Studenten die Interessen der Partei verträten, sei schlichtweg falsch, sagt Forscher Ralph Weber. “Das Tragische ist, dass durch die Einflussnahme der Einheitsfront ganz viele Chinesen im Ausland unter Generalverdacht gestellt werden. Das ist perfid und falsch.” Für die Einheitsfront jedoch ist das ein durchaus wünschenswertes Ergebnis. Denn wo sich Menschen weniger vertrauen, öffnet sich großer Spielraum für Manipulationen.

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News

Nato-Chef Stoltenberg: China teilt nicht “unsere Werte”

Kurz vor dem Nato-Gipfel haben sich Generalsekretär Jens Stoltenberg und US-Präsident Joe Biden über die Haltung gegenüber China abgestimmt. Die Führung in Peking teile nicht “unsere Werte”, sagte Stoltenberg Medienberichten zufolge nach einem Treffen mit Biden in Washington. Das sehe man daran, wie China demokratische Proteste in Hongkong niederschlage, und wie es mit Minderheiten umgehe oder seine Nachbarn unter Druck setze, so der Nato-Generalsekretär. China bedrohe zudem Taiwan, sagte Stoltenberg.

Der Nato-Gipfel ist für den kommenden Montag (14. Juni) in Brüssel geplant. Das Verteidigungsbündnis will sich dabei mit den Mitgliedsstaaten über seine Strategie bis 2030 abstimmen, in der China eine herausragende Rolle einnehmen wird. “Wir werden Entscheidungen über unsere inhaltliche und zukunftsgerichtete NATO-Agenda 2030 treffen, um die Herausforderungen von heute und morgen zu bewältigen”, hatte die Nato Mitte April zur Ankündigung des Gipfels mitgeteilt. Zu diesen gehöre neben Russland, der Bedrohung durch Terrorismus und Cyber-Angriffe auch der “Aufstieg Chinas”. Im Gespräch ist unter anderem ein spezielles Nato-Gremium, das sich nur mit China beschäftigt. ari

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Heiko Maas fordert Schulterschluss mit Washington

Kurz vor der Europareise von US-Präsident Joe Biden hat Außenminister Heiko Maas zu einer verstärkten transatlantischen Zusammenarbeit aufgerufen: “Jetzt ist die Zeit für einen engen, wirtschafts- und handelspolitischen Schulterschluss mit den USA. Offene Streitigkeiten sollten wir dafür schnell hinter uns lassen.” Mit Biden sei es möglich, “endlich wieder gemeinsam multilaterale Verantwortung zu übernehmen”, erklärte Maas laut einem Bericht der Nachrichtenagentur AFP. Er verwies unter anderem auf die Notwendigkeit einer “transatlantisch abgestimmten Politik” gegenüber Russland, China oder Weißrussland (China.Table berichtete zum Zusammenschluss Russlands und Chinas) Als Ideen für transatlantische Projekte nannte Maas vor den Chefs und Chefinnen der deutschen Auslandsvertretungen eine Zusammenarbeit bei Exportkontrolle und Investitionsprüfung oder den von der EU vorgeschlagenen EU-US-Handels- und Technologierat, in dem beide Seiten gemeinsam Standards für Technologiekonzerne entwickeln könnten.

Maas kritisierte zudem die Lage für Firmen in China. Es sei inakzeptabel, wenn “deutsche Unternehmen, die ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nachkommen, in China unter Boykott-Druck gesetzt werden. Wer so etwas rechtzeitig verhindern will, der darf nicht wegsehen, wenn Zivilgesellschaft unterdrückt, Völkerrecht gebrochen und Menschenrechte verletzt werden”, so der Minister. “Und ich bin dankbar für die Bereitschaft der deutschen Wirtschaft, diesen Weg aus Überzeugung mitzugehen.”

Biden reist zu einem Gipfelmarathon nach Europa, der am Freitag mit dem G7-Gipfel im britischen Cornwall beginnt. Montag steht der Nato-Gipfel in Brüssel an, am Dienstag folgt der EU-USA-Gipfel. Danach trifft Biden Russlands Präsidenten Wladimir Putin in Genf. Biden will in Europa auch darüber sprechen, wie die Verbündeten gemeinsam Schwachstellen in den globalen Lieferketten verringern – und damit unabhängiger von Rivalen wie China werden können. ck

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USA streben Handelsabkommen mit Taiwan an

Die USA haben Gespräche über ein Handelsabkommen mit Taiwan angekündigt. Die Verhandlungen über eine Rahmenvereinbarung würden bald beginnen, sagte US-Außenminister Antony Blinken am Montag bei einer Kongress-Anhörung in Washington. Die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai werde künftig Details zu den möglichen Verhandlungen erklären, so Blinken. Washington unterhält keine diplomatischen Beziehungen mit Taipeh. Die USA sind dennoch der wichtigste internationale Verbündete Taiwans. Die USA unterstützten das Land auch mit Rüstungsexporten. Taiwan müsse in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen, betonte Blinken. Er äußerte sich besorgt über die “zunehmende Aggressivität” Chinas gegenüber Taipeh.

Eine Antwort Pekings auf die Pläne Washingtons erfolgte prompt: Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Zhao Lijian, forderte die USA auf, “jede Form des offiziellen Austauschs mit Taiwan einzustellen”. Er warnte Washington, “vorsichtig” mit dem Thema Taiwan umzugehen und keine “falschen Signale” an die “taiwanesischen Unabhängigkeitsbestrebungen” zu senden, wie mehrere Medien berichteten. Eine US-Delegation hatte zu Beginn der Woche Taiwan besucht und dem Inselstaat eine Spende von rund 750.000 Dosen Corona-Impfstoff zugesagt. ari

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Rumänischer Senat verabschiedet Gesetzesentwurf gegen Huawei

Das rumänische Parlament hat ein Gesetz zur Regulierung von Telekommunikationsnetzen und -infrastruktur verabschiedet, das Huawei vom Zugang zu seinen künftigen 5G-Mobilfunknetzen ausschließen könnte. Telekommunikationsunternehmen benötigten eine “Freigabe” des Obersten Verteidigungsrates (CSAT) des Landes, um Technologien, Ausrüstung oder Software für kritische Infrastruktur und die 5G-Netze bereitzustellen, heißt es Berichten zufolge in einem am Montag vom Senat verabschiedeten Gesetzesentwurf. Sollte Huawei die Freigabe des CSAT nicht erhalten, müssten rumänische Telekommunikationsunternehmen innerhalb von fünf bis sieben Jahren alle Huawei-Produkte aus ihren Netzen entfernen, berichtete die rumänische Nachrichtenplattform Economedia

Rumäniens Präsident Klaus Iohannis, der auch Vorsitzender des Verteidigungsrates ist, muss das Gesetz laut den Berichten noch unterzeichnen. Sobald es Gesetz in Kraft tritt, könnte Rumänien die 5G-Frequenzauktionen starten. Die Regierung schätzt den Berichten zufolge, dass sie mit dem Verkauf von 5G-Lizenzen 500 Millionen Euro verdienen könnte. ari

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Sinovac-Impfstoff für Kinder unter zwölf zugelassen

China hat die Zulassung für den Impfstoff von Sinovac auf Kinder ab drei Jahren ausgeweitet. Das berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Damit erhält weltweit zum ersten Mal ein Wirkstoff die Genehmigung für den Einsatz bei Kindern untern zwölf Jahren. Es handelt sich um eine Notfallzulassung. Sinovac will zeitnah im renommierten Fachblatt “The Lancet” über erste Ergebnisse laufender Studien an Kindern und Jugendlichen berichten.

Die Behörden haben sich indessen nicht dazu geäußert, wann die Impfungen der jüngsten Bevölkerungsgruppen tatsächlich beginnen können. Darüber werde die Nationale Gesundheitskommission “entsprechend Chinas gegenwärtigen Anforderungen für die Epidemiekontrolle und der Impfstoffbelieferung” entscheiden, erklärte Sinovac.

Auch in anderen Bereichen gibt China der Impfstoffforschung einen kräftigen Schub. Zuletzt sind 21 weitere Wirkstoffe in klinische Studien eingetreten, wie ein Beamter der Nationalen Gesundheitskommission Chinas der Nachrichtenagentur Xinhua sagte. Bisher haben in China vier Impfstoffe eine bedingte Marktzulassung. Zudem laufen derzeit klinische Studien mit Nasensprays: Impfstoffe sollen sich künftig unkompliziert einatmen lassen. fin

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Presseschau

China hosts Southeast Asian ministers as it competes with US INDEPENDENT
Chinese banks urged to divest from firms linked to deforestation THE GUARDIAN
‘Do We Need to Be in Hong Kong?’ Global Companies Are Eying the Exits WSJ
Senate Poised to Pass Huge Industrial Policy Bill to Counter China NYTIMES
Will Europe sign up to Joe Biden’s plan to counter China? FT
China Policies to Cut Uyghur Numbers by One-Third, Report Says BLOOMBERG
Sichuan takes lenient stance on bitcoin mining amid national crackdown to deal with rainy season’s excess hydropower SCMP
Draft bill on anti-foreign sanctions sent to China’s top legislature for deliberation GLOBALTIMES
Chinas Exporte wachsen weniger stark als erwartet T-ONLINE
Daimler baut Produktionskapazitäten in China deutlich aus HANDELSBLATT
Tausende demonstrieren gegen von China gesteuertes Uni-Projekt FAZ

Portrait

Matthias Claussen – Händler mit Erfolgsrezept

Matthias Claussen - Gesellschafter des Handelshauses C. Melchers in Bremen.
Matthias Claussen, Gesellschafter des Handelshauses C. Melchers aus Bremen

Es ist jetzt knapp 32 Jahre her. Matthias Claussen stand mit dem Vizebürgermeister von Shanghai auf einer Dachterrasse, und die Männer blickten über den Huangpu-Fluss in Richtung Pudong. “Was wir sahen”, erinnert sich Claussen, glich einem “Sumpf quakender Frösche”. Und die Geschäftsleute aus Deutschland lächelten milde, als der Shanghaier Beamte ihnen prophezeite, dass in Pudong eines der modernsten Wohn- und Geschäftszentren der Welt entstehen werde. “Mir fehlte damals die Fantasie dafür”, sagt Claussen heute – und verhehlt nicht seine Hochachtung für die Aufbauleistung der Chines:innen in den vergangenen drei Jahrzehnten. “Sie haben es geschafft, aus einem bitterarmen Land eine Weltmacht zu bauen”.

Das Handelshaus Melchers, in dem Matthias Claussen bis zu seiner Pensionierung geschäftsführender Gesellschafter war, hat diesen Prozess wie kaum ein zweites deutschen Unternehmen miterlebt. Zunächst in Honkong angesiedelt, eröffnete Melchers 1980, ein Jahr nach der Öffnung Chinas durch Deng Xiaoping, sein erstes Büro in Peking. Nur Mannesmann war vor Melchers da. Und das Geschäft brummte vom ersten Tag an. “Die Chinesen rannten uns die Bude ein, wollten Maschinen, Geräte, Ersatzteile”, gestand Claussen einmal öffentlich. Mit rund 1300 Mitarbeiter:innen in Asien macht Melchers heute etwa die Hälfte seines Umsatzes in China, rund 300 Millionen Euro. Das Geschäft besteht aus Importen, Exporten, eigenen Marken und der Begleitung von vor allem mittelständischen Unternehmen jeder Art in die Volksrepublik und in den gesamten asiatischen Raum.

Das Erfolgsrezept des 1806 gegründeten und bis heute inhabergeführten Unternehmens: Permanente Anpassung an sich verändernde Marktbedingungen und intensive Pflege von Netzwerken. Hat Melchers zunächst große Marken wie Sony in China gehandelt und direkte Exporte aus dem Land heraus gemanagt, komplettieren heute immer mehr Service-Dienstleistungen rund um den Globus das Geschäft.

150 Jahre der Höhen und Tiefen in China

Wie macht man Geschäfte mit Kommunisten? Der erfahrene Händler Matthias Claussen, heute 68 Jahre alt, sieht das erwartbar pragmatisch. Er hat die Chines:innen als verlässliche Geschäftsleute kennengelernt, das zählt für ihn. Und aus der Politik, da hält einer wie er sich heraus. Obwohl sie ihm nicht gleichgültig ist. Dass sich ein sozialistisches Regime in den achtziger Jahren aufmachen könne, ein so riesiges Land zu industrialisieren – und ihm das ganz offensichtlich gelungen ist, hielt der Marktwirtschaftler Claussen lange Zeit für undenkbar. Markt und Demokratie bedingten sich für ihn einander.

Skeptisch blickt Matthias Claussen heute auf die zunehmende Machtzentralisierung der “Ein-Mann-Diktatur” von Xi Jinping. Auch kritisiert er den Umgang des Regimes mit der Minderheit der Uiguren. Von einem Rückzug der westlichen Unternehmen aus politischen und moralischen Gründen sowie von Sanktionen gegen Peking hält Claussen indes nicht viel. Würde eine Politik, die zu immer weiterer Entfremdung führt, den Menschen vor Ort nützen, fragt Claussen und hat die Antwort für sich gegeben: “Sie nützt niemandem.”

Gelassen blickt der Bremer Kaufmann denn auch auf die aktuellen Spannungen im Verhältnis Europas mit China. Sein Unternehmen ist seit 1866 in China, hat zwei Weltkriege und die Abschottung unter Mao Zedong überstanden. “Wir haben alle Höhen und Tiefen erlebt”, sagt Claussen. Antje Sirleschtov

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Personalien

Stephan Mayer will become the new CEO of the mechanical engineering division at the technology company Trumpf on July 1, 2021. Mayer has already been responsible for all of the company’s activities in China from Shanghai since 2019.

Sven-Kristian Henz is moving from BMW China to Fisker Automotive, a specialist in electric and hybrid drives. He is responsible for quality control.

Dessert

Die Herde wilder Asiatischer Elefanten, die derzeit in der südwestchinesischen Provinz Yunnan unterwegs ist, hat kurz vor der Millionenmetropole Kunming eine Pause eingelegt und sich ein Nickerchen im Gras gegönnt. Von den insgesamt 15 Elefanten befindet sich derzeit nach Behördenangaben ein Männchen abseits der Herde. Die Dickhäuter haben auf ihrer mehr als 500 Kilometer langen Route schon zahlreiche Felder zerstört und immer wieder Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Wann genau und warum die Tiere ihren Lebensraum im Mengyangzi-Naturreservat in Xishuangbanna verlassen haben, ist unklar. Asiatische Elefanten stehen in China unter staatlichem Schutz. Hunderte von Sicherheitskräften versuchen, die Herde umzuleiten.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
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    der älteren Generation ist der Name Shein wohl zu einem großen Teil unbekannt, während die Marke unter Jüngeren der Renner ist: Als besonders günstiger Mode-Anbieter setzt sich das Unternehmen weltweit in einem Markt durch, den H&M, Primark, Zara und Uniqlo eigentlich längst unter sich aufgeteilt hatten. Das Geheimnis liegt im digitalen Verkaufsmodell. Die chinesische Firma beherrscht die Nutzung von KI einfach besser als die Konkurrenz, schreibt Frank Sieren. Die Arbeitsbedingungen, zu denen T-Shirts für 1,99 Euro entstehen? Kennt keiner. Shein ist für seine Intransparenz bekannt.

    Auch die Arbeitsfront der Kommunistischen Partei agiert lieber im Verborgenen. Ihre Aufgabe ist es, im Ausland für chinesische Positionen zu werben und Zweifel an den Aussagen von Kritikern zu sähen. Marcel Grzanna beschreibt in unserer Serie zum hundertjährigen Bestehen der KP das Wirken der geheimnisvollen Organisation. Er warnt: Auch in Deutschland und Europa gewinnt sie an Einfluss.

    Die USA stellen sich deutlich sichtbar hinter Taiwan. Außenminister Blinken kündigte vor dem G7-Gipfel Ende der Woche nun Gespräche über freien Handel mit der Insel an und betonte, sie müsse sich verteidigen können. Das entlarvt die Fiktion, dass beide Länder keine diplomatischen Beziehungen unterhalten. Peking reagierte dementsprechend mit einem Aufschrei – genau wie von der China-kritischen Regierung Biden erwartet.

    Ihr
    Finn Mayer-Kuckuk
    Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

    Analyse

    Shein, der geheimnisvolle Mode-Gigant

    Marktbeobachter sprechen bereits vom “Tiktok des E-Commerce”. Dabei vollzog sich der globale Siegeszug der chinesischen Modeplattform Shein für viele fast unbemerkt. Unter weiblichen Teenagern ist die App allerdings längst die erste Wahl, wenn es darum geht, preiswerte und trendige Kleidung im Internet zu kaufen. 

    Im Mai überholte Shein erstmals Amazon als die meist-installierte Shopping-App in den USA. Nach Daten der App-Tracking-Firmen App Annie und Sensor Tower belegte Shein Mitte Mai im App-Store von Apple in 54 Ländern bereits Platz eins der am meisten heruntergeladenen Apps. Auf der konkurrierenden Android-Plattform war das immerhin in 13 Ländern der Fall. 

    Shein verkauft vor allem Damenmode, die preislich meist zwischen fünf und 20 US-Dollar pro Kleidungsstück liegt. Diese Preise sind möglich, da das Unternehmen beim Einkauf von der schnell und preiswert arbeitenden Textilindustrie Chinas und Südostasiens profitiert. Und selbst in der Welt der Fast Fashion setzt die Plattform neue Tempo-Maßstäbe: Während Inditex, der weltweit größte Modekonzern aus Spanien und Eigentümer von Zara, innerhalb von drei Wochen neue Bekleidungslinien vom Reißbrett in die Regale bringt, schafft Shein das laut Angaben seiner Lieferanten bereits in fünf bis sieben Tagen.

    Und während Inditex jedes Jahr rund 50.000 neue Modedesigns für seine Marken kreiert, entwarf sein chinesischer Rivale laut einer Daten-Analyse des Wirtschaftsmagazins Caixin allein in einer Woche im Mai mehr als 30.000 neue Kleidungsstücke.

    Big Data und Online-Marketing als Erfolgsrezept

    Die Produkte werden mithilfe Künstlicher Intelligenz (KI) auf Basis von Echtzeitdaten immer wieder variiert. So treffen sie den Geschmack in verschiedenen Regionen in kürzester Zeit immer besser. Erweist sich ein Design als besonders beliebt, fährt der Algorithmus das Produktionsvolumen innerhalb weniger Tage hochMatthew Brennan, Experte für chinesische Mobiltechnologie und Autor des Buches “Attention Factory: The Story of Tiktok and China’s Bytedance” nennt dieses disruptive Geschäftsmodell “real time retail”. Das Unternehmen habe ein “einheitliches System geschaffen, bei dem Aktivitäten auf der Website weltweit erfasst und in ein zentralisiertes System eingespeist werden”, erklärt er gegenüber Caixin. Die App bietet in kleinem Rahmen auch günstige Haushaltsprodukte, Herrenbekleidung und Elektronikgüter an.

    Besonders interessant ist: Shein produziert fast ausschließlich für den Überseemarkt. In der Heimat China kennt man das Unternehmen kaum. Es liefere bereits regelmäßig in 220 Länder, meldet das Unternehmen auf seiner Webseite. Neben seinem Hauptquartier in Nanjing und einem großen Büro in Guangzhou unterhält Shein Niederlassungen in den USA, Belgien und den Vereinigten Arabischen Emiraten. Im Oktober berichtete Reuters unter Berufung auf Daten des Marktforschungsunternehmens Euromonitor, dass Shein gemessen am Verkauf von Eigenmarkenprodukten mittlerweile das größte reine Online-Modeunternehmen der Welt sei. Sein enormes Bestellvolumen ermöglicht es Shein, die Versandkosten niedrig zu halten.

    Läden unterhält der Konzern nicht. Stattdessen investiert die Firma stark in Online-Marketing und wirbt in verschiedenen Sprachen auf Plattformen wie Facebook, Tiktok und Instagram. Im vergangenen Jahr verpflichtete Shein zudem internationale Stars wie Katy Perry und Rita Ora für eine vierstündige Covid-Benefiz-Veranstaltung namens “Shein Together”. Noch wichtiger als die A-Prominenz ist für den Retailer jedoch sein riesiges Netzwerk an Influencern. Darunter sind viele sogenannte Mikro-Influencer, die eine Followerzahl von 1000 bis 100.000 aufweisen und punktuell für Shein werben.

    Auch in Deutschland ist Shein aktiv. Zu den Werbe-Gimmicks der Website gehören Blitzangebote, die mit einer rückwärtslaufenden Uhr angeboten werden – und auslaufen, wenn der Countdown vorbei ist. Darunter sind Blusen für 2,49 Euro, T-Shirts für 3,31 Euro, Jeans für 10 Euro oder Schuhe für 25 Euro. Der Versand ist allerdings erst ab 39 Euro Bestellwert kostenlos. Die Kleidung ist ausführlich fotografiert, sieht zumindest auf der Website wertig aus und hat ausführliche Angaben zu den jeweiligen Größen. Das Design ist zeitgemäß, jung und hip – und ähnelt damit weniger dem von Kik, sondern eher noch dem bei H&M. Nicht die Designer bestimmen die Entwicklungsrichtung, sondern die meist weiblichen Käuferinnen. 

    Intransparenz als Strategie

    Über seine Unternehmensaktivitäten hält Shein sich allerdings sehr bedeckt. Offizielle Angaben zum Absatz oder zu Geldgebern macht die Firma nicht. Laut der chinesischen Tech-News-Site LatePost hat Shein in einem internen Meeting bekannt gegeben, dass der Umsatz im vergangenen Jahr 40 Milliarden Yuan (5,6 Milliarden US-Dollar) überschritten habe. Der Manager eines Private-Equity-Konzerns mit Verbindungen zu Shein erklärte gegenüber Caixin, dass der Umsatz in Nordamerika 2020 bei zehn Milliarden US-Dollar lag und damit um mehr als 200 Prozent gewachsen sei. Laut Insidern setzt Shein in Deutschland bereits rund 300 Millionen Euro um. 

    Als nicht börsennotiertes Unternehmen ist Shein auch nicht dazu verpflichtet, seine Finanzen offenzulegen. Pläne, sich auf einen Börsengang vorzubereiten, hat der E-Commerce-Gigant bislang dementiert. Seit seiner letzten E-Finanzierungsrunde im vergangenen Jahr wird der Wert des Unternehmens auf 15 Milliarden US-Dollar geschätzt, was es zu einem der wertvollsten Technologie-Startups der Welt machen würde. Zu den Geldgebern gehören laut chinesischen Medienberichten JAFCO Asia, Greenwoods Asset Management, IDG Capital, Sequoia Capital China oder Tiger Global. Außerdem ist der von den Xiaomi-Gründern Lei Jun und Tuck Lye Koh ins Leben gerufene Venture Capital Fund Shunwei Capital dabei.

    Auch über die Firmengeschichte ist wenig bekannt. Angeblich startete Shein 2008 als Großhändler für Hochzeitskleider. Chris Xu (Xu Yiangtian), ein in Amerika geborener chinesischstämmiger Absolvent der Washington University wird als Firmengründer genannt. 2012 habe Xu sein Hochzeitskleidergeschäft aufgegeben, um Onlinehändler zu werden: Er erwarb die Website Sheinside.com. Drei Jahre später nannte er die Firma in Shein um.

    Wem gehört der neue Mode-Riese?

    Wer heute bei Shein das Sagen hat, lässt sich ebenfalls nicht sagen. Weder die App noch die Website gehen näher auf die Eigentumsverhältnisse ein. Dort wird nicht einmal erwähnt, dass es sich um ein chinesisches Unternehmen handelt. Möglicherweise will Shein auf diese Weise vermeiden, wie andere Unternehmen aus China ins Fadenkreuz der USA zu geraten. Erst diese Woche gab Joe Biden bekannt, den Handel mit Aktien von 59 chinesischen Firmen zu verbieten, die angeblich mit Chinas Militär kooperieren (wie China.Table berichtete). Shein entging allerdings trotz seiner großen Präsenz in den USA bislang dem Verdacht, eng mit Chinas Machthabern verbandelt zu sein. Anders in Indien: Dort wurde die App 2020 zusammen mit weiteren 59 Apps aus China infolge politischer Spannungen verboten. 

    Auch bei den Produktionsabläufen herrscht Intransparenz. Beschwerden über die teils minderwertige Qualität und die langen Lieferzeiten kommentiert das Unternehmen kaum. Wer Kleidung für wenig Geld bestellt, erwartet ja auch nicht unbedingt die beste Ware. Was Shein jedoch bei einer immer umweltbewussteren jungen Kundschaft Probleme bereiten könnte: Über die Arbeitsbedingungen und die Nachhaltigkeit der Produktion ist fast nichts bekannt. Konkurrent Inditex hat publikumswirksam bekanntgegeben, dass alle seine Marken, darunter Zara, Pull & Bear und Bershka, ab 2025 nur noch nachhaltige Kleidung verkaufen werden.

    Auch Shein betont auf seiner Website, dass es den Einsatz von Kinder- oder Zwangsarbeit in seinen Lieferketten verbietet, von seinen Lieferanten eine faire Bezahlung der Arbeiter verlangt und das Müllaufkommen sowie den Stromverbrauch minimiert. Die Umsetzung dieser Versprechen bleibt jedoch angesichts der Geheimhaltungsstrategie des Unternehmens im Dunkeln. 

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    Leise und kaum sichtbar: Das unterschätzte Wirken der Einheitsfront

    Chinas militärisches Arsenal hat nach jahrzehntelanger Aufrüstung ein technisch höchst anspruchsvolles Niveau mit erheblicher Zerstörungskraft erreicht. Zur “magischen Waffe” allerdings erklärte Staatspräsident Xi Jinping weder Interkontinentalrakete, noch Tarnkappen-Bomber oder Flugzeugträger. Die “magische Waffe” der Volksrepublik, so formulierte es Xi vor einigen Jahren, sei die Vereinigte Arbeitsfront.

    Serie: 100 Jahre Kommunistische Partei Chinas

    Diese Abteilung, auch als Einheitsfront bezeichnet und angegliedert an das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei, ist eine Waffe anderer Art, die nicht zerstört oder tötet, sondern im Gegenteil: Sie gestaltet. Nämlich die Wahrnehmung des politischen Systems der Volksrepublik und die öffentliche Meinung über die Politik der Partei im In- und Ausland. Die Einheitsfront ist fast so alt wie die Partei selbst und kommt intensiv dort zum Einsatz, wo Zweifel aufkommen an der Legitimität der KP, wo Kritik laut wird an ihrer Politik und wo Widerstand droht gegen ihre autoritäre Herrschaft. Sie operiert über eine Verästelung von Organisationen, die unmittelbar oder indirekt an den Parteistaat angegliedert sind, sowie über internationale Kontakte in einflussreiche Ebenen von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

    Ihre Struktur vereint 13 Unterabteilungen, die sich verschiedenen Schwerpunkten und Zielgruppen widmen – darunter Religion, Ethnien, Außenpolitik, Intellektuelle, Hongkong und Taiwan. Seit 2017 ist You Quan als Direktor verantwortlich für die Einheitsfront. Er ist Mitglied im Zentralkomitee der KP und steht seit Januar dieses Jahres auf der Sanktionsliste des US-Außenministeriums für seine Rolle, die ihm bei der Umsetzung des Nationalen Sicherheitsgesetzes für Hongkong zugeschrieben wird.

    Die Arbeitsfront will negative Stimmen neutralisieren

    Vor allem Wissenschaftler:innen sehen sich häufig mit dem Wirken der geheimnisvollen Organisation konfrontiert. “Die Einheitsfront ist eine Art Management-Instrument der KP Chinas, um sicherzustellen, dass einerseits Nicht-Mitglieder auf Parteilinie gebracht und andererseits negative Stimmen marginalisiert werden”, sagt Ralph Weber, Professor am Europainstitut der Universität in Basel. Er selbst machte diese Erfahrung unmittelbar nach der Veröffentlichung einer Studie Ende vergangenen Jahres.

    Darin hatte Weber den wachsenden Einflussbereich der Einheitsfront und ihre Methoden in seiner Schweizer Heimat analysiert: Wie ein “Wurzelgeflecht” binden sich chinesische Akteur:innen demnach in das schweizerische System ein und schaffen Abhängigkeit mit wirtschaftlichen Verträgen und Gefälligkeiten. Die chinesische Botschaft in der Schweiz bezeichnete daraufhin als hinterhältig. Staatsmedien in China berichteten über Weber und beschuldigten ihn, mit der Studie die Beziehungen zwischen beiden Ländern zu beschädigen.

    Die Bedeutung der Einheitsfront als Werkzeug der KP hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen: mehr Geld, mehr Personal. 2018 wurde ihr das Auslandsbüro für chinesische Angelegenheiten, ein weiteres Organ des Parteistaats, unterstellt. Damit einher ging die Kontrolle über den China News Service – einer Nachrichtenagentur, deren Größe nur noch vom Haupt-Presseorgan Xinhua übertroffen wird.

    Parteichef Xi betonte die wachsende Notwendigkeit der Einheitsfront als Reaktion auf die Neugestaltung der globalen Sicherheitsarchitektur. “Gegenwärtig haben sich unsere Situation und unsere Mission erheblich verändert. Je größer die Veränderung, desto mehr muss die Einheitsfront unter der neuen Situation entwickelt werden, desto mehr Einheitsfrontarbeit muss geleistet werden”, sagte Xi. Beispielsweise soll die Organisation “die verantwortlichen Repräsentanten der sozialen Medien” ins Visier nehmen, um denen die Möglichkeit zu geben, “für die Reinigung des Cyberspace zu kämpfen”. Gemeint ist damit die unbedingte Kontrolle von Inhalten und Zugängen im Internet.

    Mit wachsender geostrategischer Ausrichtung der Volksrepublik zieht es auch die Einheitsfront längst in alle Winkel der Erde. “Im Ausland will die Einheitsfront die chinesische Diaspora für das Mutterland begeistern und dem Rest der Welt die autoritäre Volksrepublik als normalen und vertrauenswürdigen Partner skizzieren”, sagt Weber. Ihr ginge es etwa darum, die Grenzen zwischen demokratischen und autoritären Systemen so weit zu verwischen, dass es immer schwieriger fällt, Ansatzpunkte für Kritik an der Diktatur zu finden, die nicht auf das eigene politische System zurückfällt. Das gelte prinzipiell für Deutschland genauso wie für die Schweiz, allerdings in unterschiedlichen Ausprägungen.

    Hier und dort ist die Einheitsfront subtil tätig. Sie wirft nicht mit Propaganda-Parolen um sich und provoziert keine Konfrontationen mit Kritikern. Ihre Strategie besteht in dem Aufbau von engen Beziehungen zu ausländischen Persönlichkeiten mit Meinungsmacht. Dabei tritt sie nicht unbedingt selbst auf, sondern bedient sich der Hilfe von chinesischen Organisationen und Verbänden, die im Gastland tätig sind. Für chinesische Studierende oder Geschäftsleute setzt sie dagegen einen Ordnungsrahmen und sorgt für die entsprechende Überwachung durch ein enges Netz an Informant:innen. Wenn sie es für nötig hält, schaltet sie andere Institutionen des Machtapparats ein.

    Selbst hochrangige Diplomaten werden instrumentalisiert

    Menschenrechtsanwälte warnen vor diesem unsichtbaren Arm des Apparats. “Die Einheitsfront kooperiert bei Bedarf mit Agenten der chinesischen Staatssicherheit, die den Druck auf die Kritiker:innen erhöhen können. Das funktioniere zum Beispiel, indem sie Auslandschines:innen daran erinnern, dass diese noch Verwandte in China haben”, sagt der chinesische Anwalt Teng Biao, der in den USA im Exil lebt, gegenüber China.Table. Teng zufolge sei die Einheitsfront sehr effektiv in ihrem Bemühen. Ihr gelinge es, unter Auslandschinesen möglichen Dissens mit dem System weitgehend zu neutralisieren und wichtige ausländische Persönlichkeiten für die Imagepflege zu gewinnen.

    Dies geschehe oftmals, ohne dass die Betroffenen überhaupt wissen, dass sie der Einheitsfront wertvolle Dienste leisten. “Eine beliebte Taktik ist es, Ausländer:innen so lange Honig um den Bart zu schmieren und sie als wahre Freunde Chinas zu bezeichnen, bis man sie als Fürsprecher für die eigenen Zwecke einsetzen kann”, sagt Teng. Viele Ausländer:innen bekommen gar nicht mit, dass sie ein Werkzeug der chinesischen Propaganda sind. “Ihnen wird glaubhaft vermittelt, sie gehörten zu den Wenigen, die Chinas vermeintlich wahre Anliegen wirklich verstehen.”

    Die Zielpersonen werden psychologisch beeinflusst, indem man sie in chinesische Angelegenheiten involviert und ihnen dabei das Gefühl vermittelt, besonders sie seien es, die mit ihrem Engagement eine für alle vorteilhafte Lösung schaffen. Selbst hochrangige Diplomaten werden überzeugt, “dass ihr einzigartiges Verständnis von China sich in ihrer Fähigkeit zeigt, die Dinge ruhig und ungestört zu halten. Sie tun dies, weil es funktioniert – für China”, sagte der frühere kanadische Botschafter in China, David Mulroney, zum Fall seines Nachfolgers John McCallum. McCallum hatte die Position der kanadischen Regierung untergraben, als er die damalige Festnahme der Huawei-Managerin Meng Wanzhou in Kanada öffentlich als “politisch motiviert” bezeichnete. Meng war im Auftrag der USA wegen Spionagevorwürfen festgenommen worden und befindet sich seither im Hausarrest.

    Auch enge, persönliche Geschäftsbeziehungen von Ausländern nach China nutzt die Einheitsfront dabei zu ihren Gunsten. In der Praxis sieht das dann so aus wie im Fall der chinesisch-schwedischen Verlegertochter Angela Gui. Deren Vater sitzt in China im Gefängnis, obwohl er schwedischer Staatsbürger ist – weil er parteikritische Bücher in Hongkong veröffentlichte. Nach einigen Interviews mit schwedischen Medien zum Verschwinden ihres Vaters wurde Angela Gui von einem Geschäftsmann aus Sri Lanka, der in Skandinavien lebt und enge geschäftliche Verbindungen nach China pflegt, vor weiteren Gesprächen mit Medien gewarnt. Sie würde ihren Vater nie wieder sehen, lautete der angeblich gut gemeinte “Rat”. Gui aber verstand das als Drohung.

    Anwesend bei jenem Gespräch in einem Hotel in Stockholm waren auch der chinesische Geschäftspartner des Mannes aus Sri Lanka und die frühere schwedische Botschafterin in Peking, Anna Lindstedt. Lindstedt hatte das Treffen arrangiert und riet Angela Gui zum Einverständnis. Dafür musste sich die Diplomatin im vergangenen Jahr vor einem schwedischen Gericht verantworten – wurde aber von der Schuld freigesprochen, ihre Zuständigkeit als Botschafterin überschritten zu haben. Man nahm ihr ab, dass sie mit besten Absichten gehandelt habe, um einem schwedischen Staatsbürger aus chinesischer Haft zu verhelfen. Dass sie gleichzeitig die Interessen der Volksrepublik vertrat, spielte bei der Verhandlung keine Rolle.

    Forscher empfehlen mehr Analyse durch Regierungen

    Auch Regierungsstellen werden inzwischen aufmerksam. “Es liegt in der Natur der Einheitsfront, Einfluss durch das Knüpfen von Verbindungen zu nehmen, deren Existenz öffentlich schwer nachweisbar ist”, urteilt ein Bericht der US-China Commission aus dem Jahr 2018. “All jene, die versuchen, die negativen Auswirkungen eines solchen Einflusses zu identifizieren, bieten Angriffsfläche für Anschuldigungen, sie bedienten Vorurteile.”

    Das Australian Strategic Policy Institute (ASPI) spricht von einer “spaltenden Wirkung der Arbeitsfront” und empfiehlt Regierungen, sich intensiver mit den Mitteln der Einmischung durch chinesische Akteure zu befassen. Sie sollten die Strategie dahinter besser verstehen und entsprechend damit umgehen können. “Gegenmaßnahmen sollten Strafverfolgung, Gesetzesreform, Abschreckung und Kapazitätsaufbau in allen relevanten Regierungsbereichen umfassen“, schlägt ASPI vor.

    Die Regierungen haben zweifellos jahrelang viel zu naiv die Analyse des chinesischen Apparats mit all seinen Verästelungen vernachlässigt. Doch der Umgang mit der Einheitsfront ist keineswegs allein ihre Sache. Zu sehr berührt die Arbeitsfront die Beziehungen ganz normaler Menschen untereinander. Losgetreten hat diese Entwicklung die Kommunistische Partei selbst. Xi Jinping beispielsweise erklärte chinesische Auslandsstudenten zu einer wertvollen Ressource für die Einheitsfrontarbeit. Dass deswegen alle chinesischen Studenten die Interessen der Partei verträten, sei schlichtweg falsch, sagt Forscher Ralph Weber. “Das Tragische ist, dass durch die Einflussnahme der Einheitsfront ganz viele Chinesen im Ausland unter Generalverdacht gestellt werden. Das ist perfid und falsch.” Für die Einheitsfront jedoch ist das ein durchaus wünschenswertes Ergebnis. Denn wo sich Menschen weniger vertrauen, öffnet sich großer Spielraum für Manipulationen.

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    Nato-Chef Stoltenberg: China teilt nicht “unsere Werte”

    Kurz vor dem Nato-Gipfel haben sich Generalsekretär Jens Stoltenberg und US-Präsident Joe Biden über die Haltung gegenüber China abgestimmt. Die Führung in Peking teile nicht “unsere Werte”, sagte Stoltenberg Medienberichten zufolge nach einem Treffen mit Biden in Washington. Das sehe man daran, wie China demokratische Proteste in Hongkong niederschlage, und wie es mit Minderheiten umgehe oder seine Nachbarn unter Druck setze, so der Nato-Generalsekretär. China bedrohe zudem Taiwan, sagte Stoltenberg.

    Der Nato-Gipfel ist für den kommenden Montag (14. Juni) in Brüssel geplant. Das Verteidigungsbündnis will sich dabei mit den Mitgliedsstaaten über seine Strategie bis 2030 abstimmen, in der China eine herausragende Rolle einnehmen wird. “Wir werden Entscheidungen über unsere inhaltliche und zukunftsgerichtete NATO-Agenda 2030 treffen, um die Herausforderungen von heute und morgen zu bewältigen”, hatte die Nato Mitte April zur Ankündigung des Gipfels mitgeteilt. Zu diesen gehöre neben Russland, der Bedrohung durch Terrorismus und Cyber-Angriffe auch der “Aufstieg Chinas”. Im Gespräch ist unter anderem ein spezielles Nato-Gremium, das sich nur mit China beschäftigt. ari

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    Heiko Maas fordert Schulterschluss mit Washington

    Kurz vor der Europareise von US-Präsident Joe Biden hat Außenminister Heiko Maas zu einer verstärkten transatlantischen Zusammenarbeit aufgerufen: “Jetzt ist die Zeit für einen engen, wirtschafts- und handelspolitischen Schulterschluss mit den USA. Offene Streitigkeiten sollten wir dafür schnell hinter uns lassen.” Mit Biden sei es möglich, “endlich wieder gemeinsam multilaterale Verantwortung zu übernehmen”, erklärte Maas laut einem Bericht der Nachrichtenagentur AFP. Er verwies unter anderem auf die Notwendigkeit einer “transatlantisch abgestimmten Politik” gegenüber Russland, China oder Weißrussland (China.Table berichtete zum Zusammenschluss Russlands und Chinas) Als Ideen für transatlantische Projekte nannte Maas vor den Chefs und Chefinnen der deutschen Auslandsvertretungen eine Zusammenarbeit bei Exportkontrolle und Investitionsprüfung oder den von der EU vorgeschlagenen EU-US-Handels- und Technologierat, in dem beide Seiten gemeinsam Standards für Technologiekonzerne entwickeln könnten.

    Maas kritisierte zudem die Lage für Firmen in China. Es sei inakzeptabel, wenn “deutsche Unternehmen, die ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nachkommen, in China unter Boykott-Druck gesetzt werden. Wer so etwas rechtzeitig verhindern will, der darf nicht wegsehen, wenn Zivilgesellschaft unterdrückt, Völkerrecht gebrochen und Menschenrechte verletzt werden”, so der Minister. “Und ich bin dankbar für die Bereitschaft der deutschen Wirtschaft, diesen Weg aus Überzeugung mitzugehen.”

    Biden reist zu einem Gipfelmarathon nach Europa, der am Freitag mit dem G7-Gipfel im britischen Cornwall beginnt. Montag steht der Nato-Gipfel in Brüssel an, am Dienstag folgt der EU-USA-Gipfel. Danach trifft Biden Russlands Präsidenten Wladimir Putin in Genf. Biden will in Europa auch darüber sprechen, wie die Verbündeten gemeinsam Schwachstellen in den globalen Lieferketten verringern – und damit unabhängiger von Rivalen wie China werden können. ck

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    USA streben Handelsabkommen mit Taiwan an

    Die USA haben Gespräche über ein Handelsabkommen mit Taiwan angekündigt. Die Verhandlungen über eine Rahmenvereinbarung würden bald beginnen, sagte US-Außenminister Antony Blinken am Montag bei einer Kongress-Anhörung in Washington. Die US-Handelsbeauftragte Katherine Tai werde künftig Details zu den möglichen Verhandlungen erklären, so Blinken. Washington unterhält keine diplomatischen Beziehungen mit Taipeh. Die USA sind dennoch der wichtigste internationale Verbündete Taiwans. Die USA unterstützten das Land auch mit Rüstungsexporten. Taiwan müsse in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen, betonte Blinken. Er äußerte sich besorgt über die “zunehmende Aggressivität” Chinas gegenüber Taipeh.

    Eine Antwort Pekings auf die Pläne Washingtons erfolgte prompt: Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Zhao Lijian, forderte die USA auf, “jede Form des offiziellen Austauschs mit Taiwan einzustellen”. Er warnte Washington, “vorsichtig” mit dem Thema Taiwan umzugehen und keine “falschen Signale” an die “taiwanesischen Unabhängigkeitsbestrebungen” zu senden, wie mehrere Medien berichteten. Eine US-Delegation hatte zu Beginn der Woche Taiwan besucht und dem Inselstaat eine Spende von rund 750.000 Dosen Corona-Impfstoff zugesagt. ari

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    Rumänischer Senat verabschiedet Gesetzesentwurf gegen Huawei

    Das rumänische Parlament hat ein Gesetz zur Regulierung von Telekommunikationsnetzen und -infrastruktur verabschiedet, das Huawei vom Zugang zu seinen künftigen 5G-Mobilfunknetzen ausschließen könnte. Telekommunikationsunternehmen benötigten eine “Freigabe” des Obersten Verteidigungsrates (CSAT) des Landes, um Technologien, Ausrüstung oder Software für kritische Infrastruktur und die 5G-Netze bereitzustellen, heißt es Berichten zufolge in einem am Montag vom Senat verabschiedeten Gesetzesentwurf. Sollte Huawei die Freigabe des CSAT nicht erhalten, müssten rumänische Telekommunikationsunternehmen innerhalb von fünf bis sieben Jahren alle Huawei-Produkte aus ihren Netzen entfernen, berichtete die rumänische Nachrichtenplattform Economedia

    Rumäniens Präsident Klaus Iohannis, der auch Vorsitzender des Verteidigungsrates ist, muss das Gesetz laut den Berichten noch unterzeichnen. Sobald es Gesetz in Kraft tritt, könnte Rumänien die 5G-Frequenzauktionen starten. Die Regierung schätzt den Berichten zufolge, dass sie mit dem Verkauf von 5G-Lizenzen 500 Millionen Euro verdienen könnte. ari

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    Sinovac-Impfstoff für Kinder unter zwölf zugelassen

    China hat die Zulassung für den Impfstoff von Sinovac auf Kinder ab drei Jahren ausgeweitet. Das berichtet die Nachrichtenagentur AFP. Damit erhält weltweit zum ersten Mal ein Wirkstoff die Genehmigung für den Einsatz bei Kindern untern zwölf Jahren. Es handelt sich um eine Notfallzulassung. Sinovac will zeitnah im renommierten Fachblatt “The Lancet” über erste Ergebnisse laufender Studien an Kindern und Jugendlichen berichten.

    Die Behörden haben sich indessen nicht dazu geäußert, wann die Impfungen der jüngsten Bevölkerungsgruppen tatsächlich beginnen können. Darüber werde die Nationale Gesundheitskommission “entsprechend Chinas gegenwärtigen Anforderungen für die Epidemiekontrolle und der Impfstoffbelieferung” entscheiden, erklärte Sinovac.

    Auch in anderen Bereichen gibt China der Impfstoffforschung einen kräftigen Schub. Zuletzt sind 21 weitere Wirkstoffe in klinische Studien eingetreten, wie ein Beamter der Nationalen Gesundheitskommission Chinas der Nachrichtenagentur Xinhua sagte. Bisher haben in China vier Impfstoffe eine bedingte Marktzulassung. Zudem laufen derzeit klinische Studien mit Nasensprays: Impfstoffe sollen sich künftig unkompliziert einatmen lassen. fin

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    Presseschau

    China hosts Southeast Asian ministers as it competes with US INDEPENDENT
    Chinese banks urged to divest from firms linked to deforestation THE GUARDIAN
    ‘Do We Need to Be in Hong Kong?’ Global Companies Are Eying the Exits WSJ
    Senate Poised to Pass Huge Industrial Policy Bill to Counter China NYTIMES
    Will Europe sign up to Joe Biden’s plan to counter China? FT
    China Policies to Cut Uyghur Numbers by One-Third, Report Says BLOOMBERG
    Sichuan takes lenient stance on bitcoin mining amid national crackdown to deal with rainy season’s excess hydropower SCMP
    Draft bill on anti-foreign sanctions sent to China’s top legislature for deliberation GLOBALTIMES
    Chinas Exporte wachsen weniger stark als erwartet T-ONLINE
    Daimler baut Produktionskapazitäten in China deutlich aus HANDELSBLATT
    Tausende demonstrieren gegen von China gesteuertes Uni-Projekt FAZ

    Portrait

    Matthias Claussen – Händler mit Erfolgsrezept

    Matthias Claussen - Gesellschafter des Handelshauses C. Melchers in Bremen.
    Matthias Claussen, Gesellschafter des Handelshauses C. Melchers aus Bremen

    Es ist jetzt knapp 32 Jahre her. Matthias Claussen stand mit dem Vizebürgermeister von Shanghai auf einer Dachterrasse, und die Männer blickten über den Huangpu-Fluss in Richtung Pudong. “Was wir sahen”, erinnert sich Claussen, glich einem “Sumpf quakender Frösche”. Und die Geschäftsleute aus Deutschland lächelten milde, als der Shanghaier Beamte ihnen prophezeite, dass in Pudong eines der modernsten Wohn- und Geschäftszentren der Welt entstehen werde. “Mir fehlte damals die Fantasie dafür”, sagt Claussen heute – und verhehlt nicht seine Hochachtung für die Aufbauleistung der Chines:innen in den vergangenen drei Jahrzehnten. “Sie haben es geschafft, aus einem bitterarmen Land eine Weltmacht zu bauen”.

    Das Handelshaus Melchers, in dem Matthias Claussen bis zu seiner Pensionierung geschäftsführender Gesellschafter war, hat diesen Prozess wie kaum ein zweites deutschen Unternehmen miterlebt. Zunächst in Honkong angesiedelt, eröffnete Melchers 1980, ein Jahr nach der Öffnung Chinas durch Deng Xiaoping, sein erstes Büro in Peking. Nur Mannesmann war vor Melchers da. Und das Geschäft brummte vom ersten Tag an. “Die Chinesen rannten uns die Bude ein, wollten Maschinen, Geräte, Ersatzteile”, gestand Claussen einmal öffentlich. Mit rund 1300 Mitarbeiter:innen in Asien macht Melchers heute etwa die Hälfte seines Umsatzes in China, rund 300 Millionen Euro. Das Geschäft besteht aus Importen, Exporten, eigenen Marken und der Begleitung von vor allem mittelständischen Unternehmen jeder Art in die Volksrepublik und in den gesamten asiatischen Raum.

    Das Erfolgsrezept des 1806 gegründeten und bis heute inhabergeführten Unternehmens: Permanente Anpassung an sich verändernde Marktbedingungen und intensive Pflege von Netzwerken. Hat Melchers zunächst große Marken wie Sony in China gehandelt und direkte Exporte aus dem Land heraus gemanagt, komplettieren heute immer mehr Service-Dienstleistungen rund um den Globus das Geschäft.

    150 Jahre der Höhen und Tiefen in China

    Wie macht man Geschäfte mit Kommunisten? Der erfahrene Händler Matthias Claussen, heute 68 Jahre alt, sieht das erwartbar pragmatisch. Er hat die Chines:innen als verlässliche Geschäftsleute kennengelernt, das zählt für ihn. Und aus der Politik, da hält einer wie er sich heraus. Obwohl sie ihm nicht gleichgültig ist. Dass sich ein sozialistisches Regime in den achtziger Jahren aufmachen könne, ein so riesiges Land zu industrialisieren – und ihm das ganz offensichtlich gelungen ist, hielt der Marktwirtschaftler Claussen lange Zeit für undenkbar. Markt und Demokratie bedingten sich für ihn einander.

    Skeptisch blickt Matthias Claussen heute auf die zunehmende Machtzentralisierung der “Ein-Mann-Diktatur” von Xi Jinping. Auch kritisiert er den Umgang des Regimes mit der Minderheit der Uiguren. Von einem Rückzug der westlichen Unternehmen aus politischen und moralischen Gründen sowie von Sanktionen gegen Peking hält Claussen indes nicht viel. Würde eine Politik, die zu immer weiterer Entfremdung führt, den Menschen vor Ort nützen, fragt Claussen und hat die Antwort für sich gegeben: “Sie nützt niemandem.”

    Gelassen blickt der Bremer Kaufmann denn auch auf die aktuellen Spannungen im Verhältnis Europas mit China. Sein Unternehmen ist seit 1866 in China, hat zwei Weltkriege und die Abschottung unter Mao Zedong überstanden. “Wir haben alle Höhen und Tiefen erlebt”, sagt Claussen. Antje Sirleschtov

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    Personalien

    Stephan Mayer will become the new CEO of the mechanical engineering division at the technology company Trumpf on July 1, 2021. Mayer has already been responsible for all of the company’s activities in China from Shanghai since 2019.

    Sven-Kristian Henz is moving from BMW China to Fisker Automotive, a specialist in electric and hybrid drives. He is responsible for quality control.

    Dessert

    Die Herde wilder Asiatischer Elefanten, die derzeit in der südwestchinesischen Provinz Yunnan unterwegs ist, hat kurz vor der Millionenmetropole Kunming eine Pause eingelegt und sich ein Nickerchen im Gras gegönnt. Von den insgesamt 15 Elefanten befindet sich derzeit nach Behördenangaben ein Männchen abseits der Herde. Die Dickhäuter haben auf ihrer mehr als 500 Kilometer langen Route schon zahlreiche Felder zerstört und immer wieder Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Wann genau und warum die Tiere ihren Lebensraum im Mengyangzi-Naturreservat in Xishuangbanna verlassen haben, ist unklar. Asiatische Elefanten stehen in China unter staatlichem Schutz. Hunderte von Sicherheitskräften versuchen, die Herde umzuleiten.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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