Table.Briefing: China

Jahrestag in Hongkong + Kriminelle Manager nutzen Null-Covid

  • Ernüchternde Demokratie-Bilanz zur Übergabe-Feier in Hongkong
  • Abschottung: Zentralen verlieren Kontrolle über Hongkong-Töchter
  • Corona-Lockerungen in der Reise-App
  • Nato: China ist Herausforderung
  • US-Behörde bringt Verbot von Tiktok ins Spiel
  • Grüne Schifffahrt hätte geringe Preiswirkung
  • Audi baut neues E-Auto-Werk
  • Buchauszug: Quarantäne-Eindrücke von Christian Y. Schmidt
Liebe Leserin, lieber Leser,

Hongkong war einst einer der Lieblingsorte für Firmen, Touristen und Bewohner der Volksrepublik, die einmal in freiheitlicher Luft durchatmen wollten. Heute, vor dem 25. Jahrestag der Rückgabe an China, haben wir nur wenig Gutes von der Lage in der südchinesischen Metropole zu berichten. Denn am 1. Juli tritt auch der neue Chief Executive John Lee sein Amt an. Schon seine Vorgängerin und deren Vorgänger waren streng auf Pekinger Linie. Lee bringt nun zusätzlich als Sicherheitsmann den Geruch des Polizeistaats mit, schreibt Marcel Grzanna.

Der deutschen Wirtschaft vor Ort droht in der Auflösung der Rechtsstaatlichkeit langfristig ein großes Problem, doch kurzfristig – und ganz praktisch – wiegt die Abriegelung wegen Covid schwerer. Unser Korrespondenten-Team hat Fällen nachgespürt, in denen das Management vor Ort sich verselbständigt hat und Firmengeld verschwunden ist. Die Zentrale hat in solchen Fällen erst spät gemerkt, was läuft. Schließlich konnte monatelang niemand vor Ort nach dem Rechten sehen. Das Unbehagen am Standort Hongkong wächst also. Dabei handelte es sich vor nicht allzu langer Zeit um eine der wirtschaftsfreundlichsten Städte der Welt.

Trotz alldem bleibt der Rückzug des Empire aus Asien für sich genommen ein Jubiläum, ein Tag zum Feiern. Die Briten waren Kolonialisten, die sich das Gebiet in Südchina gewaltsam angeeignet und dann 155 Jahre lang undemokratisch beherrscht haben. Nur der Kontrast lässt die Kolonialzeit heute in einem guten Licht erscheinen. Während die Briten immerhin ein Minimum an Rechtsstaat und Meinungsfreiheit hochgehalten haben, fällt Hongkong heute sogar hinter diese grundsätzlichen Maßstäbe an Bürgerrechten zurück.

Ihr
Finn Mayer-Kuckuk
Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

Analyse

Hongkong am Jahrestag: Peking-rot statt autonom

Hongkong begeht seinen Jahrestag - hier wird deutlich, wie viel Autonomie aufgegeben wurde und wie nah die Metropole an Peking gerückt ist.

Ein Vierteljahrhundert liegt zwischen Vision und Wirklichkeit. Wenn sich am Freitag die Rückgabe Hongkongs von Großbritannien an die Volksrepublik China zum 25. Mal jährt, stehen die demokratischen Kräfte der Metropole vor dem Scherbenhaufen ihrer politischen Ziele. Statt freier Wahlen ihres Regierungschefs und Parlaments, wie einst erhofft, bekommen die rund 7,5 Millionen Einwohner zum Jubiläumstag eine Peking-hörige Führungsriege vor die Nase gesetzt.

Exemplarisch dafür steht die Anwesenheit von Chinas Staatspräsident Xi Jinping, der im Rahmen eines zweitägigen Besuchs die 25-Jahr-Feierlichkeiten begleiten wird. Er will sich die erfolgreiche Niederschlagung der demokratischen Opposition in Hongkong offenbar als persönlichen Triumph ans Revers heften. Denn Hongkong bedeutet für Xi eine wichtige Trophäe, um sich zusätzliche Rückdeckung in der Kommunistischen Partei zu sichern. Im Herbst will der Präsident seinen Plan für die Fortsetzung seiner Amtszeit als Staatschef vollenden. Dass es ihm gelungen ist, eine jahrelang rebellische Gesellschaft gefügig zu machen, ist ein wertvolles Argument, um die Begrenzung seiner Amtszeit aufzuheben.

So kollidiert das Jubiläum am 1. Juli mit dem Amtsantritt des ehemaligen Polizeichefs John Lee als neuem Chief Executive. Die Personalie symbolisiert den Höhepunkt der Horrorszenarien all jener, die vor 25 Jahren noch fest an das chinesische Versprechen “ein Land, zwei Systeme” geglaubt haben. Denn die Überzeugung, am Rockzipfel der autoritären Volksrepublik ein liberales politisches System aufrechterhalten und das zugesagte “hohe Maß an Autonomie” bewahren zu können, erwies sich als Illusion.

Chris Patten hatte geglaubt, China halte Wort

Großbritanniens letzter Kolonial-Statthalter, Chris Patten, gestand in der vergangenen Woche, dass auch er falsch gelegen habe. Patten sagte der Nachrichtenagentur AP: “Ich hatte an die Möglichkeit geglaubt, dass China sein Wort halten werde. Es tut mir leid, dass es das nicht getan hat.” Der Rückgabe-Vertrag nach 155-jähriger britischer Herrschaft von den Opiumkriegen bis 1997 hatte der Stadt ein “hohe Maß an Autonomie” über die Dauer von 50 Jahren zugesagt.

Nicht einmal die Hälfte der Zeit bewahrte die Volksrepublik den Schein, sich an die Abmachung halten zu wollen. Schrittweise höhlte Peking die Autonomie in den vergangenen Jahren aus, stets begleitet von Protesten und Demonstrationen, bis am Ende nichts mehr übrigblieb, was die Bezeichnung ‘demokratisch’ verdient hätte.

Der neue Regierungschef John Lee ist der Wunschkandidat der Pekinger Zentralregierung. Dieser ist es mithilfe einer umstrittenen Wahlrechtsreform gelungen, Volkes Wille an den Urnen zu marginalisieren und politischen Dissens durch die Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes im Keim zu ersticken. Die chinesische Regierung wolle für Hongkong eine Herrschaft der Sicherheitskräfte und benötige jemanden, der diese Sicherheitskräfte im Griff hat, hatte der Ex-Parlamentarier Ted Hui im Gespräch mit China.Table gesagt. Lee sei eine emotionslose Maschine. “Er ist genau das, was Peking benötigt”, so Hui.

Der neue oberste Statthalter Pekinger Interessen definiert die Entwicklung Hongkongs als Erfolgsgeschichte, die es nun in der Welt “richtig darzustellen” gelte. Der 64-Jährige beklagt Panikmache und politische Manöver aus dem Ausland, deren Ziel es sei, schlecht zu reden, was Hongkong erreicht habe. Lee verspricht Fortschritt und Stabilität. Welchen Charakter dieser Fortschritt haben dürfte, zeigt jedoch die Zusammensetzung des künftigen Kabinetts.

Verständnis für Pekings Politik durch Bildungsreform

Ein Beispiel ist Bildungsministerin Choi Yuk Lin. Schon 2012 wollte Choi dem Bildungswesen ihren Stempel aufdrücken, als sie die Lehrinhalte an Hongkonger Schulen “reformieren” wollte. In ihrer Vorlage wurde die Kommunistische Partei Chinas als eine “vereint herrschende Gruppe” etikettiert, die selbstlos handle. Schulbücher sollten nach ihrer Vorstellung Mehr-Parteien-Systeme als Wurzel für Chaos und Unruhe darstellen, und das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens als einschneidendes Ereignis der jüngeren chinesischen Geschichte aus der Erinnerung verbannt werden.

“Wir können davon ausgehen, dass Choi eine Agenda der ‘nationalen Bildung’ vorantreiben wird, die der Jugend Hongkongs beibringt, was es bedeutet, ‘moralische Qualitäten zu entwickeln’, und ‘nationale Identität’ zu fördern”, kommentierte Lokman Tsui vom Citizenlab der Universität Toronto, der unter anderem zu Menschenrechtsentwicklungen in Hongkong forscht.

Auch hatte Choi vor einigen Jahren schon einmal ins Spiel gebracht, die kantonesische Muttersprache der Hongkonger im Bildungswesen durch Mandarin zu ersetzen. Nach einem Aufschrei in der Bevölkerung sprach die Regierung schließlich von einem Missverständnis. “Wir missverstehen, was am 4. Juni 1989 geschehen ist. Wir missverstehen, was in Xinjiang vor sich geht. Wir missverstehen die Kommunistische Partei. Würden wir sie verstehen, würden wir begreifen, dass die Absichten der KP rein und gut sind”, so der gebürtige Hongkonger Tsui sarkastisch. Chois Mission sei es, Hongkong dieses Verständnis als Bildungsministerin zu vermitteln.

Auch die Wissenschaft schwenkt auf Linie

Einen Fingerzeig gibt auch die Ernennung von Sun Dong als neuen Minister für Innovationen, Technologie und Industrie. Sun hatte sich der Kritik chinesischer Staatsmedien an der University Grants Commission (UGC) angeschlossen. Das unabhängige Gremium, das sich aus Experten aus aller Welt zusammen setzt, nimmt Einfluss auf die Finanzierung von Forschungsprojekten Hongkonger Universitäten und Einrichtungen. Der ausländische Einfluss auf die UGC sei “ein Überbleibsel der Briten”, sagte Sun. Die Aussichten für den Forschungsstandort Hongkong trüben sich.

Und so blickt die Stadt auch auf eine ungewisse Zukunft, was ihren Stellenwert als Handels- und Finanzzentrum der Welt angeht. Eine Umfrage im März hatte ergeben, dass viele westliche Unternehmen ihr Personal oder zumindest Teile davon aus Hongkong abziehen wollen. Denn es wird immer schwieriger, nicht nur geeignetes Personal zu finden, das in Hongkong leben möchte. Auch Talente vor Ort werden zunehmend rarer, weil Zehntausende gebürtige Hongkonger die Stadt im Zuge der politischen Säuberung verlassen haben. Eine Perspektive, bald in ihre Heimat zurückzugehen, sehen die meisten nicht. Zumindest bleibt ihnen die triumphale Inszenierung am 1. Juli durch die KP im Exil erspart.

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Null-Covid: Kriminelle nutzen Abschottung Hongkongs

Das gefürchtete Quarantäne-Lager Penny's Bay. Deutsche Manager reisen kaum noch nach Hongkong. Mitarbeiter nutzen die Abwesenheit teils für kriminelle Machenschaften.
Das gefürchtete Quarantäne-Lager Penny’s Bay. Deutsche Manager reisen kaum noch nach Hongkong. Mitarbeiter nutzen die Abwesenheit teils für kriminelle Machenschaften.

Hongkong putzt sich für sein großes Jubiläum heraus. An diesem Freitag begeht die Stadt den 25. Jahrestag der Rückgabe an China. “Eine neue Ära. Stabilität, Prosperität, Chancen”, ist auf Plakaten zu lesen, die überall im Stadtgebiet hängen und den Jahrestag bewerben. Der Slogan entspricht jedoch nicht dem, was Stefan Schmierer derzeit in der Finanzmetropole erlebt.

Für den deutschen Wirtschaftsanwalt ist Hongkong nicht mehr das, was es einmal war. Die Stadt hat eine turbulente Zeit hinter sich. Zuerst die Massenproteste, dann das strenge Durchgreifen Pekings, das seiner Sonderverwaltungsregion ein Sicherheitsgesetz mit weitreichenden Folgen für die Demokratie-Bewegung verordnet hat. Für seine Mandanten sei jedoch die Coronavirus-Pandemie die mit Abstand größte Katastrophe, berichtet Schmierer. “Das Sicherheitsgesetz hat international hohe Wellen geschlagen, aber es hat die Wirtschaft hier mehr oder weniger unberührt gelassen”, so Schmierer. Wegen Corona sei die Stadt nun jedoch schon seit zwei Jahren nahezu “kaltgestellt”. 

Der Partner der in Hongkong ansässigen Rechtsanwaltskanzlei Ravenscroft & Schmierer ist gerade erst von einer Reise zurückgekehrt. Er weiß somit genau, wie schwierig es geworden ist, in die asiatische Metropole zu kommen, die noch vor einigen Jahren das Ranking der weltweit freisten Wirtschaftsstandorte anführte. 

Seit drei Jahren nicht mehr eingereist

Wer heute nach Hongkong will, muss zunächst hoffen, dass der Flug nicht kurzfristig gestrichen wird. Fluggesellschaften, die zu viele Corona-Infizierte in die Stadt bringen, werden immer wieder mit Flugverboten bestraft. Dann sind da die Quarantäne-Hotels. Wer positiv getestet wird, dem droht ein Krankenhausaufenthalt. Oder Penny’s Bay. Vor dem berüchtigten Quarantäne-Lager, in dem Insassen in spartanischen Containern untergebracht werden, graut es der ganzen Stadt. Erst eine langwierige Quarantäne vor jeder Geschäftsreise? “Die Aussage meiner Mandanten ist klar: Das ist Käse und muss weg”, sagt Schmierer. 

Mandanten des Anwalts, die eigentlich regelmäßig nach Hongkong kamen, um ihre Niederlassungen in der Stadt oder auf dem chinesischen Festland zu besuchen, haben aus all dem ihre Schlüsse gezogen. “Seit drei Jahren war kein einziges Management-Mitglied aus Deutschland weder hier in Hongkong noch in China”, sagt Schmierer. 

Besonders bitter sei es für seine Mandanten, dass das chinesische Festland für sie kaum noch erreichbar ist. Denn auch wer schon in Hongkong ist, muss eine weitere Quarantäne über sich ergehen lassen, um dorthin zu kommen. Die chinesischen Niederlassungen deutscher Firmen und Partner nutzen die fehlenden Kontrollbesuche laut Schmierer nicht selten schamlos aus. 

Betrug in chinesischen Niederlassungen

Der Anwalt berichtet von dem Fall eines deutschen Unternehmens, dessen Niederlassung in China außer Kontrolle geriet. Die chinesische Finanzchefin vor Ort hatte begonnen, systematisch Geld abzuzweigen. Auch für Erste-Klasse-Flüge und sündhaft teure Restaurants bezahlte sie plötzlich mit Firmengeld. Der Betrug flog erst sehr spät auf, weil für so lange Zeit kein Manager aus Deutschland mehr nach dem Rechten sehen konnte. “Da werden Verwandte eingestellt, da wird Zweitbusiness betrieben, da wird Geld aus dem Unternehmen herausgezogen. Alles in der Hoffnung, dass die in Deutschland schon nichts merken”, zählt Schmierer weitere Probleme auf.

Deutlich zu spüren bekam zuletzt auch Wolfgang Ehmann, Chef der Auslandshandelskammerdie schlechte Stimmung bei seinen Mitgliedsfirmen. “Der Frust und die Verständnislosigkeit ist groß angesichts der andauernden Maßnahmen, zumal andere Standorte in der Region gerade erfolgreich vormachen, dass es auch anders gehen kann”, berichtet Ehmann. “Klar ist: Unter den geltenden Einschränkungen droht Hongkong dauerhaft den Anschluss zu verlieren.

Weder Anwalt Schmierer noch Kammer-Chef Ehmann halten es jedoch für zu früh, Hongkong komplett abzuschreiben. “Die Kombination aus geografischer Lage, effizienter Infrastruktur und gutem Geschäftsumfeld ist zumindest auf absehbare Zeit in einer vergleichbaren Konstellation nirgendwo sonst zu finden”, glaubt Ehmann. Aber alle Standortvorteile, die Hongkong weiterhin hat, seien hinfällig, solange die Reisebeschränkungen in Kraft bleiben. Jörn Petring/Gregor Koppenburg

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News

Weitere Covid-Lockerungen

Die Online-Suchen nach chinesischen Flugtickets auf nationalen und internationalen Strecken haben am Mittwoch massiv zugenommen, nachdem die Nationale Gesundheitskommission angekündigt hatte, Änderungen an einer staatlich vorgeschriebenen mobilen App für lokale Reisen vorzunehmen. Das Industrieministerium teilte mit, die in China obligatorische Corona-App, die anzeigt, ob eine Person in ein von Covid-betroffenes Gebieten gereist war, werde dies nicht mehr mit einem Sternchen markieren.

Erst einen Tag zuvor hatten die Behörden die vorgeschriebene Quarantäne bei Einreisende aus dem Ausland verkürzt. Sie müssen sich nur noch sieben Tage in einem Hotel oder einer zentralen Quarantäne-Einrichtung isolieren und anschließend drei Tage zu Hause. Zuvor war die Quarantäne in den meisten Städten mindestens doppelt so lang (China.Table berichtete). Noch sei die neue Regelung aber nicht in allen Landesteilen in Kraft, teilten Vertreter der EU-Handelskammer am Mittwoch mit. Problematisch seien weiterhin auch die extrem hohen Flugkosten oder dass gar keine Verbindungen nach Europa angeboten würden, berichteten die Kammer-Mitarbeiter.

Der chinesische Präsident Xi Jinping verteidigt trotz hoher wirtschaftlicher Kosten auch weiter den Null-Covid-Ansatz im Kampf gegen die Pandemie. Diese Strategie sei “richtig und wirksam” und solle unbedingt beibehalten werden, zitierte ihn die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua am Mittwoch. Die Volksrepublik würde eher vorübergehende negative Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung in Kauf nehmen, als zuzulassen, dass das Leben und die Gesundheit der Menschen Schaden nehmen. China mit seiner großen Bevölkerung hätte “unvorstellbare Konsequenzen” aushalten müssen, wenn eine Strategie des “Stillhaltens” verfolgt worden wäre. Xi hatte zuvor die zentral gelegene Stadt Wuhan besucht, wo das Virus Ende 2019 erstmals entdeckt wurde.

Im April und Mai traf es Shanghai mit ihren mehr als 25 Millionen Einwohnern. Fast zwei Monate lang durften die meisten Fabriken und Geschäfte nicht öffnen, was die weltweiten Lieferengpässe noch mal massiv verschärfte. Ökonomen zufolge dürfte die Regierung es deshalb schwer haben, ihr Wachstumsziel zu erreichen. Sie strebt einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes von etwa 5,5 Prozent in diesem Jahr an.

Bei ausländischen Handelspartnern wird die chinesische Coronavirus-Politik weiter kritisch gesehen. So befürchtet der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) schwierige Monate mit anhaltenden Versorgungsengpässen. Die Volksrepublik ist der mit Abstand wichtigste Handelspartner mit einem Warenaustausch von zuletzt 245 Milliarden Euro im Jahr 2021. rtr/nib/flee

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Nato geht China hart an

Die Nato-Staaten haben ein neues strategisches Konzept beschlossen. China wird darin erstmals explizit genannt. In dem Grundlagendokument für politische und militärische Planungen wird zwar Russland als “größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten und für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum” bezeichnet. Die Volksrepublik wird darin jedoch als “Herausforderung” für die Interessen, Sicherheit und Werte der Nato angeführt.

Formulierungen direkt zu China sind zwar neu im Strategie-Konzept, aber nur wenig überraschend in der Ausführung. Die Nato-Staaten hatten China bereits beim Gipfel im vergangenen Jahr eine “systemische Herausforderung” genannt (China.Table berichtete).

China sind in dem neuen Strategie-Papier gleich mehrere Absätze gewidmet:

  • Die Volksrepublik sei “undurchsichtig in Bezug auf ihre Strategie, Absichten und ihren militärischen Aufbau” und versuche, “wichtige technologische und industrielle Sektoren, kritische Infrastrukturen sowie strategische Materialien und Lieferketten zu kontrollieren”.
  • China nutze wirtschaftlichen Druck, um Einfluss zu gewinnen, und strebe danach, “die regelbasierte internationale Ordnung zu untergraben, inklusive in Weltraum-, Cyber- und maritimen Bereichen.” Die 30 Nato-Staaten werfen Peking vor, “böswillige” Hybrid- und Cyberoperationen vorzunehmen und mit konfrontativer Rhetorik und Desinformation Mitgliedsstaaten anzugehen.
  • Russland und China vertieften ihre “strategische Partnerschaft” und versuchten, die auf Regeln basierende internationale Ordnung zu untergraben.
  • China baue sein Nukleararsenal schnell aus und entwickle immer ausgefeiltere Trägersysteme. Die Nato-Staaten werfen China auch hier vor, nicht transparent zu sein. Peking beteilige sich nicht an “Rüstungskontrolle oder Risikominderung”.

Die Nato-Staaten betonten jedoch, dass sie offen bleiben wollen für einen “konstruktiven Austausch mit der Regierung in Peking”. Die Allianz bleibe zugleich wachsam bezüglich Bemühungen, das Verteidigungsbündnis zu spalten. 

Die Passage zu China hatte im Vorfeld für Diskussionen gesorgt und war bis kurz vor der Veröffentlichung noch verhandelt worden. Die USA forderten, unterstützt von Großbritannien, eine klare Sprache, um das aggressive Machtstreben der chinesischen Staatsführung zu umschreiben. Deutschland und Frankreich hätten auch mit Blick auf wirtschaftliche Interessen auf eine nuancierte Charakterisierung gedrängt, hieß es in Teilnehmerkreisen. China könne demnach nicht mit Russland auf gleicher Stufe als Gegner beschrieben werden. Dass China jetzt zwei Abschnitte gewidmet werden, ist ein Einschnitt in der Geschichte der transatlantischen Allianz. ari/sti

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US-Behörde: Tiktok soll aus App-Stores entfernt werden

Ein hochrangiger Vertreter einer US-Behörde hat Apple und Google dazu aufgefordert, Tiktok aus den App-Stores der beiden Unternehmen zu entfernen. Brendan Carr, Commissioner der für Kommunikation zuständigen Behörde FCC, hat die Unternehmen in einem Brief darauf hingewiesen, dass Tiktok gegen Datensicherheits-Regeln verstoße.

Die Anwendung sei nicht mit den App-Store-Richtlinien der beiden Unternehmen vereinbar, so Carr. Ihm zufolge sammelt Tiktok “Such- und Browserverläufe, Tastendruckmuster, biometrische Identifikatoren, Nachrichtenentwürfe und Metadaten sowie Texte, Bilder und Videos”. Carr hat den beiden Unternehmen eine Frist bis zum 8. Juli gesetzt. Sollten sie Tiktok bis dann nicht aus den Stores entfernt haben, sollen sie sich schriftlich erklären. Tiktok ist eine Marke des chinesischen Unternehmens Bytedance.

“Tiktok fungiert als ausgeklügeltes Überwachungsinstrument, das umfangreiche Mengen an persönlichen und sensiblen Daten sammelt”, schreibt Carr in seinem Brief an die beiden US-Tech-Riesen. Carr wurde vom ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump in das Amt des FCC-Commissioners berufen. Trump hatte Tiktok damals als eines seiner Ziele seiner China-Politik ausgewählt. Durch eine Executive Order wollte er die Nutzung von Tiktok in den USA einschränken lassen.

Das Unternehmen ging in den USA vor Gericht und bekam Recht. Tiktok hatte erst diesen Monat bekannt gegeben, die US-Nutzerdaten mittlerweile auf Servern von Oracle zu speichern. “100 Prozent des Datenverkehrs der US-Nutzer wird an die Oracle Cloud Infrastructure weitergeleitet”, so ein Unternehmens-Statement. In Zukunft wolle man alle die privaten Daten von US-Nutzern aus den eigenen Rechenzentren löschen. Zuvor hatte Buzzfeed darüber berichtet, dass Mitarbeiter von Bytedance in China noch Anfang dieses Jahres wiederholt auf US-Nutzerdaten zugegriffen hätten. Laut Buzzfeed könnte Tiktok die US-Öffentlichkeit in die Irre geführt haben, “indem es heruntergespielt hat, dass in den USA gespeicherte Daten auch von Mitarbeitern in China eingesehen werden können.” nib

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Studie: Schifffahrt mit E-Fuels hat geringe Auswirkung auf Verbraucherpreise

Würden Schiffe ausschließlich mit umweltfreundlichen E-Fuels betrieben, würde sich der Preis für ein Paar Turnschuhe aus China um weniger als zehn Cent erhöhen. Das ergibt eine neue Studie der europäischen Umweltorganisation Transport&Environment (T&E) über die Kosten der Dekarbonisierung der Schifffahrt. Analysiert wurde dafür die Fahrt eines durchschnittlichen Containerschiffs vom chinesischen Shenzhen nach Belgien. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die wahrscheinlichen Auswirkungen auf die Seetransportkosten vernachlässigbar wären.

Die NGO will damit nach eigenen Angaben den Behauptungen der Schifffahrtsindustrie kontern, dass die Ökologisierung der Branche zu hohen Preissteigerungen für die Verbraucher führe. Die geringe Kostenerhöhung spiegele die Größenvorteile durch globale Lieferketten wider, die nicht übermäßig empfindlich auf die Treibstoffkosten reagierten, erklärte die NGO. Im schlimmsten Fall würden sich die Transportkosten für Frachtunternehmen um ein bis 1,7 Prozent erhöhen, wenn sie nur E-Fuels nutzen. Die Studie sieht sich unterschiedliche Produkte an: Die Preiserhöhung eines Paar Turnschuhen kommt demnach auf acht Cent, die für einen Kühlschrank auf acht Euro.

Die EU arbeitet derzeit an zwei Vorschlägen, die die Schifffahrtsbranche nachhaltig verändern würden: Der erste ist eine Ausweitung des Emissionshandels auf die Schifffahrt. Das Europäische Parlament hat diesen Schritt in der vergangenen Woche bereits befürwortet. Im zweiten Vorschlag geht es um ein Gesetz über Schiffskraftstoffe. Dieser würde bis 2030 den Einsatz von umweltfreundlichen E-Kraftstoffen in geringem Umfang verbindlich vorschreiben. ari

  • E-Fuels
  • Handel
  • Klima
  • Schifffahrt
  • Umwelt

Audi legt Grundstein für E-Auto-Werk

Audi hat mit dem Bau einer neuen E-Auto-Fabrik in der nordostchinesischen Industriemetropole Changchun begonnen. Das Unternehmen ist dort schon seit 1988 mit einem Gemeinschaftswerk mit FAW vertreten. Ab 2024 sollen dort auf Basis der mit Porsche entwickelten Luxus-Plattform PPE jährlich bis zu 150.000 Elektroautos für den chinesischen Markt gebaut werden, verkündete Vorstandschef Markus Duesmann, der auch für das China-Geschäft verantwortlich ist. Mit dem neuen Kooperationsunternehmen zwischen Audi und FAW, der NEV Company, bringe Audi die PPE-Plattform nach China.

Die Volkswagen-Tochter investiert nach eigenen Angaben mehr als 2,6 Milliarden Euro in das neue Werk. Etwa 3.000 Arbeitsplätze sollen entstehen. Es handelt sich um das erste Kooperationsunternehmen mit Mehrheitsbeteiligung von Audi in der Volksrepublik.

Die neue Fabrik soll größer werden als das Audi-Werk in Neckarsulm. Neben einem Presswerk, dem Karosseriebau, einer Lackiererei und der Fahrzeugmontage wird es den Angaben nach auch eine Batteriemontage geben. Produziert werden sollen zunächst drei Modelle der Baureihen Audi A6 e-tron und Audi Q6 e-tron. flee

  • Autoindustrie

Presseschau

China und die NATO: Warnung vor der Expansion der Anderen TAGESSCHAU
Neue Waffen für Kiew und Angst vor China: Das sind die wichtigsten Themen beim Nato-Gipfel HANDELSBLATT
Europe sees China through a Russian lens, and Beijing is not happy CNN
The U.S. accused Chinese companies of supporting Russia’s military. NYTIMES
Hongkong ist nur noch ein Schatten seiner selbst FAZ
In Hong Kong, Hopes Fade Among What Some Call the Cursed Generation, 25 Years After Handover From Britain WSJ
China throws media shield around Xi’s visit to Hong Kong CNN
Image verschlechtert sich: Fast zwei Drittel der Deutschen haben negative Ansicht zu China HANDELSBLATT
Russen kaufen zunehmend chinesische Smartphones SPIEGEL
Wie sich die teilstaatliche OMV in der chinesischen Uigurenprovinz engagiert DERSTANDARD
Chinese invasion of Taiwan ‘would be catastrophic miscalculation’ THEGUARDIAN
South China Sea: Philippines protests over Taiwan’s live-fire drills SCMP
China cuts travel quarantine but retains zero-Covid approach CNN
Chinesische Zwillingsschwestern tauschen Reisepässe, um Visa zu erhalten – nun wurden sie verhaftet STERN

Buchauszug

Quarantäne Updates Shanghai

Von Christian Y. Schmidt
Christian Y. Schmidts neues Buch "Quarantäne Update Shanghai" ist erschienen. Das Foto ist aus der Quarantäne des Autors entstanden.
Der Autor in der Quarantäne

Es ist Sonntag, der 7. November 2021, 14:04 Uhr, auf dem Flughafen Shanghai-Pudong. Der erste Checkpoint: Ein Tisch vom chinesischen Zoll, der offensichtlich mit dem Gesundheitsmonitoring internationaler Flüge beauftragt ist. Verstehe jetzt, warum ich den zusätzlichen Health Declaration Code vom Zoll schon in Frankfurt herunterladen musste, den ich für ein bisschen redundant hielt. Am Checkpoint stehen und sitzen einige Männer, selbstverständlich in Hazmat-Anzügen. In diesem Moment wird mir klar, dass ich in den nächsten zwei Wochen keinen normal gekleideten Menschen mehr zu Gesicht bekommen werde, jedenfalls in meiner unmittelbaren Nähe. Momentane Ausnahme noch: Meine Mitpassagiere, soweit sie sich nicht selbst verpackt haben.

[…]

Montag, den 8. November 2021, Tag 1

10:12 Uhr. Nehme mir die Papiere vor, die ich gestern noch nicht gelesen habe, weil ich zu erschöpft war. Das wichtigste ist offenbar ein DIN-A-4-Blatt mit der Überschrift “Notice”, das zweiseitig bedruckt ist. Auf der ersten werden mehrere Gesetze zitiert, auf die man sich stützt. Dann kommt man zum fettgedruckten Punkt: “All those who have traveled to or lived in severly affected countries within the previous 14 days are required to have the body temperature checked upon the arrival and to take 14-day home quarantine or centralized quarantine observation.” Anschließend wird erklärt, dass die staatlichen Organe Zwangsmaßnahmen gegen die ergreifen können, die sich nicht an die angeordneten Maßnahmen halten. Zum Schluss wird es noch einmal fettgedruckt und sogar gesperrt: “LAST AND NOT LEAST, DO NOT leave your room without any permission. Otherwise, you will probably get prosecuted and fined, according to the Chinese legislation, for committing the crime of endagering public security.” Verstanden, wenn ich das Zimmer verlassen, begehe ich ein Verbrechen. 

11:27 Uhr. Immer noch deutlich zu kalt im Zimmer. Versuche, die Rezeption telefonisch zu erreichen, stelle mich aber zu dumm an. Ziehe meinen Mantel an. Kurze Befürchtung, ihn zwei Wochen lang zu tragen. 

11:32 Uhr. Am rechten und am linken Fenster zwei kleine Grashüpfer. Pappen von außen an der Scheibe und bewegen sich nicht. Taufe den linken Pit und den rechten Knorr. Warum, weiß ich nicht. 

11:34 Uhr. Hüpfer bringen mich auf die Idee, die Oberlichter zu überprüfen. Obwohl sie zwei Klinken haben, die sich auch bewegen lassen, kann man sie nicht öffnen. Sie sind offenbar mit Kreuzschlitzschrauben fixiert worden und ich habe keinen Schraubendreher. Notiz an mich selbst: Bei der nächsten Quarantäne an Werkzeug denken.

Mittwoch, 10. November 2021, Tag 3

17:45 Uhr. Abendessen. Als ich die Tür öffne, stinkt es stark nach Chlor. Seetang mit etwas Hackfleisch. Karotten mit Tofu. Grünes Gemüse. Rindfleischgulasch in Sternanissauce. Eierstichsuppe mit Karottenstreifen. Jogurt. Apfel.

18:50 Uhr. Netflix. Doku über “Exodus”, eine klerikale Organisation in den USA, die Homosexualität für heilbar hielt und Propaganda für Konversionstherapien machte. Plötzlich tanzen Schatten über dem Bett. Was ist denn jetzt los? Ist das der berüchtigte Lagerkoller? Werde ich verrückt? Minutenlang suche ich nach der Ursache für die tanzenden Schatten, bis ich eine Motte unter dem Halogenstrahler an der Zimmerdecke ausmache. Nehme die aktuelle Konkret und schlage den illegalen Mitbewohner kurzerhand tot. Titel des Heftes: “Ist das noch Sozialismus? China und die Linke.”

Donnerstag, 11. November 2021, Tag 4

15:41 Uhr. Entdecke verschiedene Geräte in dem Shared-Verzeichnis auf meinem MacBook. Sie heißen: hp-pc, kuo-yuan, pe112sa, r9900015747, Kailun MacBook Pro, MacBookPro (2) und dirksmobile. Wer, verdammt noch mal, ist Dirk? Gibt es andere Sprachen als das Deutsche, in denen Dirk ein Name ist? Dirk, je länger ich über den Namen nachdenke, desto lächerlicher erscheint er mir. Dirk. Wie kann man nur so heißen? Ist das nicht auch der echte Vorname von Tex Rubinowitz? Ich googele. Dirk ist angeblich eine Kurzform von Theoderich. Der legendäre König der Ostgoten ist hier in Quarantäne? König Dirk? Aufhören, sofort mit dem Scheiß aufhören, sonst bekomme ich tatsächlich einen Quarantänekoller. 

Samstag, 13. November 2021, 6. Tag

16:49 Uhr. Ein Apfelstück bleibt in der Speiseröhre stecken. Bekomme nicht einmal mehr Wasser runter. Sehr unangenehm. Wenn das jetzt so bleibt? Muss ich eventuell sterben?

16:53 Uhr. Bin mir recht sicher, dass ich sterben muss. Google, was ich tun soll. Bekomme nur Quatsch-Tipps zu lesen (“Brot essen”). 

17:02 Uhr. Würge über der Kloschüssel das Apfelstück bröckchenweise wieder raus. Sieht sehr, äh, ungesund aus, weil von ordentlich Schleim und Speichel begleitet. Gut, dass es im Zimmer keine Überwachungskamera gibt. Würde jemand beobachten, was ich hier treibe, würden sie mich sofort herausholen und in eine Klinik stecken. 

Freitag, 19. November 2021, Tag 12

0:10 Uhr. Öffne die Tür wieder. Sehe, dass das Zimmer, das mir genau gegenüberliegt, erstmals geöffnet ist. Wohnt da Personal mit uns in der Corona-Bubble? Ein Hazmati bringt Plastiktüten. Darin: Zwei Röhrchen, mehrere Latexhandschuhe und Teststäbchen in Verpackung. Er legt alles auf mein Tischchen. 

0:15 Uhr. Lautes Klopfen. Es geht los. Ein Hazmati, wie immer im doppelten Schutzanzug. Er zieht sich das Paar Latexhandschuhe vom Tischchen an, und zwar über die Latexhandschuhe, die er sowieso schon trägt. Wieder wird mit dem ersten Stäbchen zunächst im Rachen ein Abstrich gemacht. Das zweite ist für die Nase. “Relax”, sagt der Hazmati. Als er fertig ist, bedeutet er mir, im Türrahmen stehenzubleiben. 

0:17 Uhr. Dem Mann folgt eine Frau. Sie wiederholt genau die gleiche Prozedur, inklusive “Relax”. Der einzige Unterschied: Bei ihr brennt das Stäbchen auf der Nasenschleimhaut. Interessant. Das waren jetzt offenbar zwei PCR-Tests hintereinander, alles im Quarantäne-Paket eingeschlossen. 

Samstag, 20. November 2021, Tag 13

11:27 Uhr. Klopfen. Ein Brief liegt auf dem Tischchen. Er enthält Anweisungen für die Entlassung und ist mit “Dear Friend” überschrieben. “We sincerely thank you for your support and understanding and thank you for your contribution and sacrifice to the epidemic prevention and control in the past 14 days.”

Dann folgen fünf Punkte:

1) Bevor Sie das Zimmer verlassen, bitte den ganzen Müll in schwarze Plastiksäcke packen.

2) Die Route, auf der Sie das Hotel verlassen, ist dieselbe, auf der Sie gekommen sind. Bitte warten Sie geduldig, bis der Doktor sie aufruft. Verlassen Sie den Raum nicht vorher.

3) Wenn Sie gehen, lassen Sie die Tür geöffnet.

4) Geben Sie ihre Zimmerkarte dem Doktor oder legen Sie sie in den Desinfektionseimer im Erdgeschoss. Halten Sie ihren Pass bereit. Der Doktor wird ihnen ihre Entlassungspapiere, ihr Testergebnis und ihre Rechnung geben. Bewahren Sie alles gut auf.

5) Ihr Gesundheitscode wird wahrscheinlich nicht sofort grün werden, deshalb brauchen Sie auf jeden Fall Ihr Entlassungszertifikat und Ihr Testergebnis für Ihre Fahrt.

Once again, thank you for sour support and understanding. All the best! Holiday Inn Express Epidemic Prevention Team.

Sonntag, 21. November 2021, Tag 14

14:30 Uhr. Rufe meine Frau an. Sie ist gerade aus dem Taxi gestiegen und steht vor dem Hotel. Versteht nicht, wo ich bin. Versuche es, ihr zu erklären. 

14:31 Uhr. Yingxin biegt mit einem blauen Rollkoffer um die Ecke. Stürmt auf mich zu. Ist sie es wirklich? Bin ICH wirklich? Bin ich nicht in Zimmer 5038 gestorben? Letzte Woche oder so?

14:33 Uhr. Wir liegen uns in den Armen. Doch, das ist wirklich, so etwas fühlt man nicht als Gespenst. Ich schlucke, Yingxin weint ein bisschen. Küssen können wir uns nicht, weil wir beide Masken tragen. Es ist genau 648 Tage her, dass wir uns nicht mehr berührt haben. 1 Jahr, 9 Monate, 1 Woche, 2 Tage.

Das Umschlagbild von "Quarantäne Updates Shanghai"
Das Umschlagbild von “Quarantäne Updates Shanghai”

Christian Y. Schmidt ist Buchautor und Kolumnist. Er lebt in Peking. Zu seinen früheren China-Büchern gehören “Allein unter 1,3 Milliarden”, “Bliefe von dlüben”, “Im Jahr des Tigerochsen” und “Im Jahr des Hasendrachen”. Im Jahr 2018 erschien sein Roman “Der letzte Huelsenbeck” bei Rowohlt. Bis Mitte der 90er-Jahre war er Redakteur der Zeitschrift Titanic. “Quarantäne Updates Shanghai. Ein Feldforschungsbericht” erschien 2022 im Hybriden-Verlag und lässt sich auch dort bestellen.

Im ersten Pandemie-Jahr 2020 scheiterte Christian Y. Schmidt an der Rückreise aus Deutschland und konnte 20 Monate lang nicht zu seiner Frau in Peking zurückkehren. Nachdem er im November 2021 endlich zurück nach China fliegen konnte, steckten ihn die Behörden erst einmal in die Hotelquarantäne. Das vorliegende Buch entstand in dieser Zeit.

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Personalien

Alexander Näher ist für Audi nach China gewechselt. Näher koordiniert in Peking den Bereich Validation and Verification. Er war zuvor mehr als sechs Jahre als Ingenieur bei Audi in Ingolstadt.

Li Qiang ist als Chef der Kommunistischen Partei Shanghais bestätigt worden. Ob der 62-Jährige beim großen Stühlerücken der Partei im Herbst befördert wird, ist noch offen. Der chaotische Lockdown in der Millionen-Metropole hatte für viel Kritik auch an den Partei-Funktionären geführt.

  • Audi

Dessert

Shrek? Nein, bei diesem “Pferd” handelt es sich nicht um den Helden eines Animationsfilms. Das Foto zeigt eine Touristin und einen Mitarbeiter eines Souvenir-Ladens des “Provinz-Museums von Gansu”. Die Pferde-Maske ist an eine grün-bronzene Pferde-Statue angelehnt, die 1960 ausgegraben wurde und im Museum in Gansu ausgestellt wird.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    • Ernüchternde Demokratie-Bilanz zur Übergabe-Feier in Hongkong
    • Abschottung: Zentralen verlieren Kontrolle über Hongkong-Töchter
    • Corona-Lockerungen in der Reise-App
    • Nato: China ist Herausforderung
    • US-Behörde bringt Verbot von Tiktok ins Spiel
    • Grüne Schifffahrt hätte geringe Preiswirkung
    • Audi baut neues E-Auto-Werk
    • Buchauszug: Quarantäne-Eindrücke von Christian Y. Schmidt
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    Hongkong war einst einer der Lieblingsorte für Firmen, Touristen und Bewohner der Volksrepublik, die einmal in freiheitlicher Luft durchatmen wollten. Heute, vor dem 25. Jahrestag der Rückgabe an China, haben wir nur wenig Gutes von der Lage in der südchinesischen Metropole zu berichten. Denn am 1. Juli tritt auch der neue Chief Executive John Lee sein Amt an. Schon seine Vorgängerin und deren Vorgänger waren streng auf Pekinger Linie. Lee bringt nun zusätzlich als Sicherheitsmann den Geruch des Polizeistaats mit, schreibt Marcel Grzanna.

    Der deutschen Wirtschaft vor Ort droht in der Auflösung der Rechtsstaatlichkeit langfristig ein großes Problem, doch kurzfristig – und ganz praktisch – wiegt die Abriegelung wegen Covid schwerer. Unser Korrespondenten-Team hat Fällen nachgespürt, in denen das Management vor Ort sich verselbständigt hat und Firmengeld verschwunden ist. Die Zentrale hat in solchen Fällen erst spät gemerkt, was läuft. Schließlich konnte monatelang niemand vor Ort nach dem Rechten sehen. Das Unbehagen am Standort Hongkong wächst also. Dabei handelte es sich vor nicht allzu langer Zeit um eine der wirtschaftsfreundlichsten Städte der Welt.

    Trotz alldem bleibt der Rückzug des Empire aus Asien für sich genommen ein Jubiläum, ein Tag zum Feiern. Die Briten waren Kolonialisten, die sich das Gebiet in Südchina gewaltsam angeeignet und dann 155 Jahre lang undemokratisch beherrscht haben. Nur der Kontrast lässt die Kolonialzeit heute in einem guten Licht erscheinen. Während die Briten immerhin ein Minimum an Rechtsstaat und Meinungsfreiheit hochgehalten haben, fällt Hongkong heute sogar hinter diese grundsätzlichen Maßstäbe an Bürgerrechten zurück.

    Ihr
    Finn Mayer-Kuckuk
    Bild von Finn  Mayer-Kuckuk

    Analyse

    Hongkong am Jahrestag: Peking-rot statt autonom

    Hongkong begeht seinen Jahrestag - hier wird deutlich, wie viel Autonomie aufgegeben wurde und wie nah die Metropole an Peking gerückt ist.

    Ein Vierteljahrhundert liegt zwischen Vision und Wirklichkeit. Wenn sich am Freitag die Rückgabe Hongkongs von Großbritannien an die Volksrepublik China zum 25. Mal jährt, stehen die demokratischen Kräfte der Metropole vor dem Scherbenhaufen ihrer politischen Ziele. Statt freier Wahlen ihres Regierungschefs und Parlaments, wie einst erhofft, bekommen die rund 7,5 Millionen Einwohner zum Jubiläumstag eine Peking-hörige Führungsriege vor die Nase gesetzt.

    Exemplarisch dafür steht die Anwesenheit von Chinas Staatspräsident Xi Jinping, der im Rahmen eines zweitägigen Besuchs die 25-Jahr-Feierlichkeiten begleiten wird. Er will sich die erfolgreiche Niederschlagung der demokratischen Opposition in Hongkong offenbar als persönlichen Triumph ans Revers heften. Denn Hongkong bedeutet für Xi eine wichtige Trophäe, um sich zusätzliche Rückdeckung in der Kommunistischen Partei zu sichern. Im Herbst will der Präsident seinen Plan für die Fortsetzung seiner Amtszeit als Staatschef vollenden. Dass es ihm gelungen ist, eine jahrelang rebellische Gesellschaft gefügig zu machen, ist ein wertvolles Argument, um die Begrenzung seiner Amtszeit aufzuheben.

    So kollidiert das Jubiläum am 1. Juli mit dem Amtsantritt des ehemaligen Polizeichefs John Lee als neuem Chief Executive. Die Personalie symbolisiert den Höhepunkt der Horrorszenarien all jener, die vor 25 Jahren noch fest an das chinesische Versprechen “ein Land, zwei Systeme” geglaubt haben. Denn die Überzeugung, am Rockzipfel der autoritären Volksrepublik ein liberales politisches System aufrechterhalten und das zugesagte “hohe Maß an Autonomie” bewahren zu können, erwies sich als Illusion.

    Chris Patten hatte geglaubt, China halte Wort

    Großbritanniens letzter Kolonial-Statthalter, Chris Patten, gestand in der vergangenen Woche, dass auch er falsch gelegen habe. Patten sagte der Nachrichtenagentur AP: “Ich hatte an die Möglichkeit geglaubt, dass China sein Wort halten werde. Es tut mir leid, dass es das nicht getan hat.” Der Rückgabe-Vertrag nach 155-jähriger britischer Herrschaft von den Opiumkriegen bis 1997 hatte der Stadt ein “hohe Maß an Autonomie” über die Dauer von 50 Jahren zugesagt.

    Nicht einmal die Hälfte der Zeit bewahrte die Volksrepublik den Schein, sich an die Abmachung halten zu wollen. Schrittweise höhlte Peking die Autonomie in den vergangenen Jahren aus, stets begleitet von Protesten und Demonstrationen, bis am Ende nichts mehr übrigblieb, was die Bezeichnung ‘demokratisch’ verdient hätte.

    Der neue Regierungschef John Lee ist der Wunschkandidat der Pekinger Zentralregierung. Dieser ist es mithilfe einer umstrittenen Wahlrechtsreform gelungen, Volkes Wille an den Urnen zu marginalisieren und politischen Dissens durch die Einführung des Nationalen Sicherheitsgesetzes im Keim zu ersticken. Die chinesische Regierung wolle für Hongkong eine Herrschaft der Sicherheitskräfte und benötige jemanden, der diese Sicherheitskräfte im Griff hat, hatte der Ex-Parlamentarier Ted Hui im Gespräch mit China.Table gesagt. Lee sei eine emotionslose Maschine. “Er ist genau das, was Peking benötigt”, so Hui.

    Der neue oberste Statthalter Pekinger Interessen definiert die Entwicklung Hongkongs als Erfolgsgeschichte, die es nun in der Welt “richtig darzustellen” gelte. Der 64-Jährige beklagt Panikmache und politische Manöver aus dem Ausland, deren Ziel es sei, schlecht zu reden, was Hongkong erreicht habe. Lee verspricht Fortschritt und Stabilität. Welchen Charakter dieser Fortschritt haben dürfte, zeigt jedoch die Zusammensetzung des künftigen Kabinetts.

    Verständnis für Pekings Politik durch Bildungsreform

    Ein Beispiel ist Bildungsministerin Choi Yuk Lin. Schon 2012 wollte Choi dem Bildungswesen ihren Stempel aufdrücken, als sie die Lehrinhalte an Hongkonger Schulen “reformieren” wollte. In ihrer Vorlage wurde die Kommunistische Partei Chinas als eine “vereint herrschende Gruppe” etikettiert, die selbstlos handle. Schulbücher sollten nach ihrer Vorstellung Mehr-Parteien-Systeme als Wurzel für Chaos und Unruhe darstellen, und das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens als einschneidendes Ereignis der jüngeren chinesischen Geschichte aus der Erinnerung verbannt werden.

    “Wir können davon ausgehen, dass Choi eine Agenda der ‘nationalen Bildung’ vorantreiben wird, die der Jugend Hongkongs beibringt, was es bedeutet, ‘moralische Qualitäten zu entwickeln’, und ‘nationale Identität’ zu fördern”, kommentierte Lokman Tsui vom Citizenlab der Universität Toronto, der unter anderem zu Menschenrechtsentwicklungen in Hongkong forscht.

    Auch hatte Choi vor einigen Jahren schon einmal ins Spiel gebracht, die kantonesische Muttersprache der Hongkonger im Bildungswesen durch Mandarin zu ersetzen. Nach einem Aufschrei in der Bevölkerung sprach die Regierung schließlich von einem Missverständnis. “Wir missverstehen, was am 4. Juni 1989 geschehen ist. Wir missverstehen, was in Xinjiang vor sich geht. Wir missverstehen die Kommunistische Partei. Würden wir sie verstehen, würden wir begreifen, dass die Absichten der KP rein und gut sind”, so der gebürtige Hongkonger Tsui sarkastisch. Chois Mission sei es, Hongkong dieses Verständnis als Bildungsministerin zu vermitteln.

    Auch die Wissenschaft schwenkt auf Linie

    Einen Fingerzeig gibt auch die Ernennung von Sun Dong als neuen Minister für Innovationen, Technologie und Industrie. Sun hatte sich der Kritik chinesischer Staatsmedien an der University Grants Commission (UGC) angeschlossen. Das unabhängige Gremium, das sich aus Experten aus aller Welt zusammen setzt, nimmt Einfluss auf die Finanzierung von Forschungsprojekten Hongkonger Universitäten und Einrichtungen. Der ausländische Einfluss auf die UGC sei “ein Überbleibsel der Briten”, sagte Sun. Die Aussichten für den Forschungsstandort Hongkong trüben sich.

    Und so blickt die Stadt auch auf eine ungewisse Zukunft, was ihren Stellenwert als Handels- und Finanzzentrum der Welt angeht. Eine Umfrage im März hatte ergeben, dass viele westliche Unternehmen ihr Personal oder zumindest Teile davon aus Hongkong abziehen wollen. Denn es wird immer schwieriger, nicht nur geeignetes Personal zu finden, das in Hongkong leben möchte. Auch Talente vor Ort werden zunehmend rarer, weil Zehntausende gebürtige Hongkonger die Stadt im Zuge der politischen Säuberung verlassen haben. Eine Perspektive, bald in ihre Heimat zurückzugehen, sehen die meisten nicht. Zumindest bleibt ihnen die triumphale Inszenierung am 1. Juli durch die KP im Exil erspart.

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    Null-Covid: Kriminelle nutzen Abschottung Hongkongs

    Das gefürchtete Quarantäne-Lager Penny's Bay. Deutsche Manager reisen kaum noch nach Hongkong. Mitarbeiter nutzen die Abwesenheit teils für kriminelle Machenschaften.
    Das gefürchtete Quarantäne-Lager Penny’s Bay. Deutsche Manager reisen kaum noch nach Hongkong. Mitarbeiter nutzen die Abwesenheit teils für kriminelle Machenschaften.

    Hongkong putzt sich für sein großes Jubiläum heraus. An diesem Freitag begeht die Stadt den 25. Jahrestag der Rückgabe an China. “Eine neue Ära. Stabilität, Prosperität, Chancen”, ist auf Plakaten zu lesen, die überall im Stadtgebiet hängen und den Jahrestag bewerben. Der Slogan entspricht jedoch nicht dem, was Stefan Schmierer derzeit in der Finanzmetropole erlebt.

    Für den deutschen Wirtschaftsanwalt ist Hongkong nicht mehr das, was es einmal war. Die Stadt hat eine turbulente Zeit hinter sich. Zuerst die Massenproteste, dann das strenge Durchgreifen Pekings, das seiner Sonderverwaltungsregion ein Sicherheitsgesetz mit weitreichenden Folgen für die Demokratie-Bewegung verordnet hat. Für seine Mandanten sei jedoch die Coronavirus-Pandemie die mit Abstand größte Katastrophe, berichtet Schmierer. “Das Sicherheitsgesetz hat international hohe Wellen geschlagen, aber es hat die Wirtschaft hier mehr oder weniger unberührt gelassen”, so Schmierer. Wegen Corona sei die Stadt nun jedoch schon seit zwei Jahren nahezu “kaltgestellt”. 

    Der Partner der in Hongkong ansässigen Rechtsanwaltskanzlei Ravenscroft & Schmierer ist gerade erst von einer Reise zurückgekehrt. Er weiß somit genau, wie schwierig es geworden ist, in die asiatische Metropole zu kommen, die noch vor einigen Jahren das Ranking der weltweit freisten Wirtschaftsstandorte anführte. 

    Seit drei Jahren nicht mehr eingereist

    Wer heute nach Hongkong will, muss zunächst hoffen, dass der Flug nicht kurzfristig gestrichen wird. Fluggesellschaften, die zu viele Corona-Infizierte in die Stadt bringen, werden immer wieder mit Flugverboten bestraft. Dann sind da die Quarantäne-Hotels. Wer positiv getestet wird, dem droht ein Krankenhausaufenthalt. Oder Penny’s Bay. Vor dem berüchtigten Quarantäne-Lager, in dem Insassen in spartanischen Containern untergebracht werden, graut es der ganzen Stadt. Erst eine langwierige Quarantäne vor jeder Geschäftsreise? “Die Aussage meiner Mandanten ist klar: Das ist Käse und muss weg”, sagt Schmierer. 

    Mandanten des Anwalts, die eigentlich regelmäßig nach Hongkong kamen, um ihre Niederlassungen in der Stadt oder auf dem chinesischen Festland zu besuchen, haben aus all dem ihre Schlüsse gezogen. “Seit drei Jahren war kein einziges Management-Mitglied aus Deutschland weder hier in Hongkong noch in China”, sagt Schmierer. 

    Besonders bitter sei es für seine Mandanten, dass das chinesische Festland für sie kaum noch erreichbar ist. Denn auch wer schon in Hongkong ist, muss eine weitere Quarantäne über sich ergehen lassen, um dorthin zu kommen. Die chinesischen Niederlassungen deutscher Firmen und Partner nutzen die fehlenden Kontrollbesuche laut Schmierer nicht selten schamlos aus. 

    Betrug in chinesischen Niederlassungen

    Der Anwalt berichtet von dem Fall eines deutschen Unternehmens, dessen Niederlassung in China außer Kontrolle geriet. Die chinesische Finanzchefin vor Ort hatte begonnen, systematisch Geld abzuzweigen. Auch für Erste-Klasse-Flüge und sündhaft teure Restaurants bezahlte sie plötzlich mit Firmengeld. Der Betrug flog erst sehr spät auf, weil für so lange Zeit kein Manager aus Deutschland mehr nach dem Rechten sehen konnte. “Da werden Verwandte eingestellt, da wird Zweitbusiness betrieben, da wird Geld aus dem Unternehmen herausgezogen. Alles in der Hoffnung, dass die in Deutschland schon nichts merken”, zählt Schmierer weitere Probleme auf.

    Deutlich zu spüren bekam zuletzt auch Wolfgang Ehmann, Chef der Auslandshandelskammerdie schlechte Stimmung bei seinen Mitgliedsfirmen. “Der Frust und die Verständnislosigkeit ist groß angesichts der andauernden Maßnahmen, zumal andere Standorte in der Region gerade erfolgreich vormachen, dass es auch anders gehen kann”, berichtet Ehmann. “Klar ist: Unter den geltenden Einschränkungen droht Hongkong dauerhaft den Anschluss zu verlieren.

    Weder Anwalt Schmierer noch Kammer-Chef Ehmann halten es jedoch für zu früh, Hongkong komplett abzuschreiben. “Die Kombination aus geografischer Lage, effizienter Infrastruktur und gutem Geschäftsumfeld ist zumindest auf absehbare Zeit in einer vergleichbaren Konstellation nirgendwo sonst zu finden”, glaubt Ehmann. Aber alle Standortvorteile, die Hongkong weiterhin hat, seien hinfällig, solange die Reisebeschränkungen in Kraft bleiben. Jörn Petring/Gregor Koppenburg

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    News

    Weitere Covid-Lockerungen

    Die Online-Suchen nach chinesischen Flugtickets auf nationalen und internationalen Strecken haben am Mittwoch massiv zugenommen, nachdem die Nationale Gesundheitskommission angekündigt hatte, Änderungen an einer staatlich vorgeschriebenen mobilen App für lokale Reisen vorzunehmen. Das Industrieministerium teilte mit, die in China obligatorische Corona-App, die anzeigt, ob eine Person in ein von Covid-betroffenes Gebieten gereist war, werde dies nicht mehr mit einem Sternchen markieren.

    Erst einen Tag zuvor hatten die Behörden die vorgeschriebene Quarantäne bei Einreisende aus dem Ausland verkürzt. Sie müssen sich nur noch sieben Tage in einem Hotel oder einer zentralen Quarantäne-Einrichtung isolieren und anschließend drei Tage zu Hause. Zuvor war die Quarantäne in den meisten Städten mindestens doppelt so lang (China.Table berichtete). Noch sei die neue Regelung aber nicht in allen Landesteilen in Kraft, teilten Vertreter der EU-Handelskammer am Mittwoch mit. Problematisch seien weiterhin auch die extrem hohen Flugkosten oder dass gar keine Verbindungen nach Europa angeboten würden, berichteten die Kammer-Mitarbeiter.

    Der chinesische Präsident Xi Jinping verteidigt trotz hoher wirtschaftlicher Kosten auch weiter den Null-Covid-Ansatz im Kampf gegen die Pandemie. Diese Strategie sei “richtig und wirksam” und solle unbedingt beibehalten werden, zitierte ihn die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua am Mittwoch. Die Volksrepublik würde eher vorübergehende negative Folgen für die wirtschaftliche Entwicklung in Kauf nehmen, als zuzulassen, dass das Leben und die Gesundheit der Menschen Schaden nehmen. China mit seiner großen Bevölkerung hätte “unvorstellbare Konsequenzen” aushalten müssen, wenn eine Strategie des “Stillhaltens” verfolgt worden wäre. Xi hatte zuvor die zentral gelegene Stadt Wuhan besucht, wo das Virus Ende 2019 erstmals entdeckt wurde.

    Im April und Mai traf es Shanghai mit ihren mehr als 25 Millionen Einwohnern. Fast zwei Monate lang durften die meisten Fabriken und Geschäfte nicht öffnen, was die weltweiten Lieferengpässe noch mal massiv verschärfte. Ökonomen zufolge dürfte die Regierung es deshalb schwer haben, ihr Wachstumsziel zu erreichen. Sie strebt einen Anstieg des Bruttoinlandsproduktes von etwa 5,5 Prozent in diesem Jahr an.

    Bei ausländischen Handelspartnern wird die chinesische Coronavirus-Politik weiter kritisch gesehen. So befürchtet der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) schwierige Monate mit anhaltenden Versorgungsengpässen. Die Volksrepublik ist der mit Abstand wichtigste Handelspartner mit einem Warenaustausch von zuletzt 245 Milliarden Euro im Jahr 2021. rtr/nib/flee

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    Nato geht China hart an

    Die Nato-Staaten haben ein neues strategisches Konzept beschlossen. China wird darin erstmals explizit genannt. In dem Grundlagendokument für politische und militärische Planungen wird zwar Russland als “größte und unmittelbarste Bedrohung für die Sicherheit der Verbündeten und für Frieden und Stabilität im euro-atlantischen Raum” bezeichnet. Die Volksrepublik wird darin jedoch als “Herausforderung” für die Interessen, Sicherheit und Werte der Nato angeführt.

    Formulierungen direkt zu China sind zwar neu im Strategie-Konzept, aber nur wenig überraschend in der Ausführung. Die Nato-Staaten hatten China bereits beim Gipfel im vergangenen Jahr eine “systemische Herausforderung” genannt (China.Table berichtete).

    China sind in dem neuen Strategie-Papier gleich mehrere Absätze gewidmet:

    • Die Volksrepublik sei “undurchsichtig in Bezug auf ihre Strategie, Absichten und ihren militärischen Aufbau” und versuche, “wichtige technologische und industrielle Sektoren, kritische Infrastrukturen sowie strategische Materialien und Lieferketten zu kontrollieren”.
    • China nutze wirtschaftlichen Druck, um Einfluss zu gewinnen, und strebe danach, “die regelbasierte internationale Ordnung zu untergraben, inklusive in Weltraum-, Cyber- und maritimen Bereichen.” Die 30 Nato-Staaten werfen Peking vor, “böswillige” Hybrid- und Cyberoperationen vorzunehmen und mit konfrontativer Rhetorik und Desinformation Mitgliedsstaaten anzugehen.
    • Russland und China vertieften ihre “strategische Partnerschaft” und versuchten, die auf Regeln basierende internationale Ordnung zu untergraben.
    • China baue sein Nukleararsenal schnell aus und entwickle immer ausgefeiltere Trägersysteme. Die Nato-Staaten werfen China auch hier vor, nicht transparent zu sein. Peking beteilige sich nicht an “Rüstungskontrolle oder Risikominderung”.

    Die Nato-Staaten betonten jedoch, dass sie offen bleiben wollen für einen “konstruktiven Austausch mit der Regierung in Peking”. Die Allianz bleibe zugleich wachsam bezüglich Bemühungen, das Verteidigungsbündnis zu spalten. 

    Die Passage zu China hatte im Vorfeld für Diskussionen gesorgt und war bis kurz vor der Veröffentlichung noch verhandelt worden. Die USA forderten, unterstützt von Großbritannien, eine klare Sprache, um das aggressive Machtstreben der chinesischen Staatsführung zu umschreiben. Deutschland und Frankreich hätten auch mit Blick auf wirtschaftliche Interessen auf eine nuancierte Charakterisierung gedrängt, hieß es in Teilnehmerkreisen. China könne demnach nicht mit Russland auf gleicher Stufe als Gegner beschrieben werden. Dass China jetzt zwei Abschnitte gewidmet werden, ist ein Einschnitt in der Geschichte der transatlantischen Allianz. ari/sti

    • Geopolitik
    • Nato
    • Sicherheit

    US-Behörde: Tiktok soll aus App-Stores entfernt werden

    Ein hochrangiger Vertreter einer US-Behörde hat Apple und Google dazu aufgefordert, Tiktok aus den App-Stores der beiden Unternehmen zu entfernen. Brendan Carr, Commissioner der für Kommunikation zuständigen Behörde FCC, hat die Unternehmen in einem Brief darauf hingewiesen, dass Tiktok gegen Datensicherheits-Regeln verstoße.

    Die Anwendung sei nicht mit den App-Store-Richtlinien der beiden Unternehmen vereinbar, so Carr. Ihm zufolge sammelt Tiktok “Such- und Browserverläufe, Tastendruckmuster, biometrische Identifikatoren, Nachrichtenentwürfe und Metadaten sowie Texte, Bilder und Videos”. Carr hat den beiden Unternehmen eine Frist bis zum 8. Juli gesetzt. Sollten sie Tiktok bis dann nicht aus den Stores entfernt haben, sollen sie sich schriftlich erklären. Tiktok ist eine Marke des chinesischen Unternehmens Bytedance.

    “Tiktok fungiert als ausgeklügeltes Überwachungsinstrument, das umfangreiche Mengen an persönlichen und sensiblen Daten sammelt”, schreibt Carr in seinem Brief an die beiden US-Tech-Riesen. Carr wurde vom ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump in das Amt des FCC-Commissioners berufen. Trump hatte Tiktok damals als eines seiner Ziele seiner China-Politik ausgewählt. Durch eine Executive Order wollte er die Nutzung von Tiktok in den USA einschränken lassen.

    Das Unternehmen ging in den USA vor Gericht und bekam Recht. Tiktok hatte erst diesen Monat bekannt gegeben, die US-Nutzerdaten mittlerweile auf Servern von Oracle zu speichern. “100 Prozent des Datenverkehrs der US-Nutzer wird an die Oracle Cloud Infrastructure weitergeleitet”, so ein Unternehmens-Statement. In Zukunft wolle man alle die privaten Daten von US-Nutzern aus den eigenen Rechenzentren löschen. Zuvor hatte Buzzfeed darüber berichtet, dass Mitarbeiter von Bytedance in China noch Anfang dieses Jahres wiederholt auf US-Nutzerdaten zugegriffen hätten. Laut Buzzfeed könnte Tiktok die US-Öffentlichkeit in die Irre geführt haben, “indem es heruntergespielt hat, dass in den USA gespeicherte Daten auch von Mitarbeitern in China eingesehen werden können.” nib

    • ByteDance
    • Handel
    • Technologie
    • Tiktok

    Studie: Schifffahrt mit E-Fuels hat geringe Auswirkung auf Verbraucherpreise

    Würden Schiffe ausschließlich mit umweltfreundlichen E-Fuels betrieben, würde sich der Preis für ein Paar Turnschuhe aus China um weniger als zehn Cent erhöhen. Das ergibt eine neue Studie der europäischen Umweltorganisation Transport&Environment (T&E) über die Kosten der Dekarbonisierung der Schifffahrt. Analysiert wurde dafür die Fahrt eines durchschnittlichen Containerschiffs vom chinesischen Shenzhen nach Belgien. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass die wahrscheinlichen Auswirkungen auf die Seetransportkosten vernachlässigbar wären.

    Die NGO will damit nach eigenen Angaben den Behauptungen der Schifffahrtsindustrie kontern, dass die Ökologisierung der Branche zu hohen Preissteigerungen für die Verbraucher führe. Die geringe Kostenerhöhung spiegele die Größenvorteile durch globale Lieferketten wider, die nicht übermäßig empfindlich auf die Treibstoffkosten reagierten, erklärte die NGO. Im schlimmsten Fall würden sich die Transportkosten für Frachtunternehmen um ein bis 1,7 Prozent erhöhen, wenn sie nur E-Fuels nutzen. Die Studie sieht sich unterschiedliche Produkte an: Die Preiserhöhung eines Paar Turnschuhen kommt demnach auf acht Cent, die für einen Kühlschrank auf acht Euro.

    Die EU arbeitet derzeit an zwei Vorschlägen, die die Schifffahrtsbranche nachhaltig verändern würden: Der erste ist eine Ausweitung des Emissionshandels auf die Schifffahrt. Das Europäische Parlament hat diesen Schritt in der vergangenen Woche bereits befürwortet. Im zweiten Vorschlag geht es um ein Gesetz über Schiffskraftstoffe. Dieser würde bis 2030 den Einsatz von umweltfreundlichen E-Kraftstoffen in geringem Umfang verbindlich vorschreiben. ari

    • E-Fuels
    • Handel
    • Klima
    • Schifffahrt
    • Umwelt

    Audi legt Grundstein für E-Auto-Werk

    Audi hat mit dem Bau einer neuen E-Auto-Fabrik in der nordostchinesischen Industriemetropole Changchun begonnen. Das Unternehmen ist dort schon seit 1988 mit einem Gemeinschaftswerk mit FAW vertreten. Ab 2024 sollen dort auf Basis der mit Porsche entwickelten Luxus-Plattform PPE jährlich bis zu 150.000 Elektroautos für den chinesischen Markt gebaut werden, verkündete Vorstandschef Markus Duesmann, der auch für das China-Geschäft verantwortlich ist. Mit dem neuen Kooperationsunternehmen zwischen Audi und FAW, der NEV Company, bringe Audi die PPE-Plattform nach China.

    Die Volkswagen-Tochter investiert nach eigenen Angaben mehr als 2,6 Milliarden Euro in das neue Werk. Etwa 3.000 Arbeitsplätze sollen entstehen. Es handelt sich um das erste Kooperationsunternehmen mit Mehrheitsbeteiligung von Audi in der Volksrepublik.

    Die neue Fabrik soll größer werden als das Audi-Werk in Neckarsulm. Neben einem Presswerk, dem Karosseriebau, einer Lackiererei und der Fahrzeugmontage wird es den Angaben nach auch eine Batteriemontage geben. Produziert werden sollen zunächst drei Modelle der Baureihen Audi A6 e-tron und Audi Q6 e-tron. flee

    • Autoindustrie

    Presseschau

    China und die NATO: Warnung vor der Expansion der Anderen TAGESSCHAU
    Neue Waffen für Kiew und Angst vor China: Das sind die wichtigsten Themen beim Nato-Gipfel HANDELSBLATT
    Europe sees China through a Russian lens, and Beijing is not happy CNN
    The U.S. accused Chinese companies of supporting Russia’s military. NYTIMES
    Hongkong ist nur noch ein Schatten seiner selbst FAZ
    In Hong Kong, Hopes Fade Among What Some Call the Cursed Generation, 25 Years After Handover From Britain WSJ
    China throws media shield around Xi’s visit to Hong Kong CNN
    Image verschlechtert sich: Fast zwei Drittel der Deutschen haben negative Ansicht zu China HANDELSBLATT
    Russen kaufen zunehmend chinesische Smartphones SPIEGEL
    Wie sich die teilstaatliche OMV in der chinesischen Uigurenprovinz engagiert DERSTANDARD
    Chinese invasion of Taiwan ‘would be catastrophic miscalculation’ THEGUARDIAN
    South China Sea: Philippines protests over Taiwan’s live-fire drills SCMP
    China cuts travel quarantine but retains zero-Covid approach CNN
    Chinesische Zwillingsschwestern tauschen Reisepässe, um Visa zu erhalten – nun wurden sie verhaftet STERN

    Buchauszug

    Quarantäne Updates Shanghai

    Von Christian Y. Schmidt
    Christian Y. Schmidts neues Buch "Quarantäne Update Shanghai" ist erschienen. Das Foto ist aus der Quarantäne des Autors entstanden.
    Der Autor in der Quarantäne

    Es ist Sonntag, der 7. November 2021, 14:04 Uhr, auf dem Flughafen Shanghai-Pudong. Der erste Checkpoint: Ein Tisch vom chinesischen Zoll, der offensichtlich mit dem Gesundheitsmonitoring internationaler Flüge beauftragt ist. Verstehe jetzt, warum ich den zusätzlichen Health Declaration Code vom Zoll schon in Frankfurt herunterladen musste, den ich für ein bisschen redundant hielt. Am Checkpoint stehen und sitzen einige Männer, selbstverständlich in Hazmat-Anzügen. In diesem Moment wird mir klar, dass ich in den nächsten zwei Wochen keinen normal gekleideten Menschen mehr zu Gesicht bekommen werde, jedenfalls in meiner unmittelbaren Nähe. Momentane Ausnahme noch: Meine Mitpassagiere, soweit sie sich nicht selbst verpackt haben.

    […]

    Montag, den 8. November 2021, Tag 1

    10:12 Uhr. Nehme mir die Papiere vor, die ich gestern noch nicht gelesen habe, weil ich zu erschöpft war. Das wichtigste ist offenbar ein DIN-A-4-Blatt mit der Überschrift “Notice”, das zweiseitig bedruckt ist. Auf der ersten werden mehrere Gesetze zitiert, auf die man sich stützt. Dann kommt man zum fettgedruckten Punkt: “All those who have traveled to or lived in severly affected countries within the previous 14 days are required to have the body temperature checked upon the arrival and to take 14-day home quarantine or centralized quarantine observation.” Anschließend wird erklärt, dass die staatlichen Organe Zwangsmaßnahmen gegen die ergreifen können, die sich nicht an die angeordneten Maßnahmen halten. Zum Schluss wird es noch einmal fettgedruckt und sogar gesperrt: “LAST AND NOT LEAST, DO NOT leave your room without any permission. Otherwise, you will probably get prosecuted and fined, according to the Chinese legislation, for committing the crime of endagering public security.” Verstanden, wenn ich das Zimmer verlassen, begehe ich ein Verbrechen. 

    11:27 Uhr. Immer noch deutlich zu kalt im Zimmer. Versuche, die Rezeption telefonisch zu erreichen, stelle mich aber zu dumm an. Ziehe meinen Mantel an. Kurze Befürchtung, ihn zwei Wochen lang zu tragen. 

    11:32 Uhr. Am rechten und am linken Fenster zwei kleine Grashüpfer. Pappen von außen an der Scheibe und bewegen sich nicht. Taufe den linken Pit und den rechten Knorr. Warum, weiß ich nicht. 

    11:34 Uhr. Hüpfer bringen mich auf die Idee, die Oberlichter zu überprüfen. Obwohl sie zwei Klinken haben, die sich auch bewegen lassen, kann man sie nicht öffnen. Sie sind offenbar mit Kreuzschlitzschrauben fixiert worden und ich habe keinen Schraubendreher. Notiz an mich selbst: Bei der nächsten Quarantäne an Werkzeug denken.

    Mittwoch, 10. November 2021, Tag 3

    17:45 Uhr. Abendessen. Als ich die Tür öffne, stinkt es stark nach Chlor. Seetang mit etwas Hackfleisch. Karotten mit Tofu. Grünes Gemüse. Rindfleischgulasch in Sternanissauce. Eierstichsuppe mit Karottenstreifen. Jogurt. Apfel.

    18:50 Uhr. Netflix. Doku über “Exodus”, eine klerikale Organisation in den USA, die Homosexualität für heilbar hielt und Propaganda für Konversionstherapien machte. Plötzlich tanzen Schatten über dem Bett. Was ist denn jetzt los? Ist das der berüchtigte Lagerkoller? Werde ich verrückt? Minutenlang suche ich nach der Ursache für die tanzenden Schatten, bis ich eine Motte unter dem Halogenstrahler an der Zimmerdecke ausmache. Nehme die aktuelle Konkret und schlage den illegalen Mitbewohner kurzerhand tot. Titel des Heftes: “Ist das noch Sozialismus? China und die Linke.”

    Donnerstag, 11. November 2021, Tag 4

    15:41 Uhr. Entdecke verschiedene Geräte in dem Shared-Verzeichnis auf meinem MacBook. Sie heißen: hp-pc, kuo-yuan, pe112sa, r9900015747, Kailun MacBook Pro, MacBookPro (2) und dirksmobile. Wer, verdammt noch mal, ist Dirk? Gibt es andere Sprachen als das Deutsche, in denen Dirk ein Name ist? Dirk, je länger ich über den Namen nachdenke, desto lächerlicher erscheint er mir. Dirk. Wie kann man nur so heißen? Ist das nicht auch der echte Vorname von Tex Rubinowitz? Ich googele. Dirk ist angeblich eine Kurzform von Theoderich. Der legendäre König der Ostgoten ist hier in Quarantäne? König Dirk? Aufhören, sofort mit dem Scheiß aufhören, sonst bekomme ich tatsächlich einen Quarantänekoller. 

    Samstag, 13. November 2021, 6. Tag

    16:49 Uhr. Ein Apfelstück bleibt in der Speiseröhre stecken. Bekomme nicht einmal mehr Wasser runter. Sehr unangenehm. Wenn das jetzt so bleibt? Muss ich eventuell sterben?

    16:53 Uhr. Bin mir recht sicher, dass ich sterben muss. Google, was ich tun soll. Bekomme nur Quatsch-Tipps zu lesen (“Brot essen”). 

    17:02 Uhr. Würge über der Kloschüssel das Apfelstück bröckchenweise wieder raus. Sieht sehr, äh, ungesund aus, weil von ordentlich Schleim und Speichel begleitet. Gut, dass es im Zimmer keine Überwachungskamera gibt. Würde jemand beobachten, was ich hier treibe, würden sie mich sofort herausholen und in eine Klinik stecken. 

    Freitag, 19. November 2021, Tag 12

    0:10 Uhr. Öffne die Tür wieder. Sehe, dass das Zimmer, das mir genau gegenüberliegt, erstmals geöffnet ist. Wohnt da Personal mit uns in der Corona-Bubble? Ein Hazmati bringt Plastiktüten. Darin: Zwei Röhrchen, mehrere Latexhandschuhe und Teststäbchen in Verpackung. Er legt alles auf mein Tischchen. 

    0:15 Uhr. Lautes Klopfen. Es geht los. Ein Hazmati, wie immer im doppelten Schutzanzug. Er zieht sich das Paar Latexhandschuhe vom Tischchen an, und zwar über die Latexhandschuhe, die er sowieso schon trägt. Wieder wird mit dem ersten Stäbchen zunächst im Rachen ein Abstrich gemacht. Das zweite ist für die Nase. “Relax”, sagt der Hazmati. Als er fertig ist, bedeutet er mir, im Türrahmen stehenzubleiben. 

    0:17 Uhr. Dem Mann folgt eine Frau. Sie wiederholt genau die gleiche Prozedur, inklusive “Relax”. Der einzige Unterschied: Bei ihr brennt das Stäbchen auf der Nasenschleimhaut. Interessant. Das waren jetzt offenbar zwei PCR-Tests hintereinander, alles im Quarantäne-Paket eingeschlossen. 

    Samstag, 20. November 2021, Tag 13

    11:27 Uhr. Klopfen. Ein Brief liegt auf dem Tischchen. Er enthält Anweisungen für die Entlassung und ist mit “Dear Friend” überschrieben. “We sincerely thank you for your support and understanding and thank you for your contribution and sacrifice to the epidemic prevention and control in the past 14 days.”

    Dann folgen fünf Punkte:

    1) Bevor Sie das Zimmer verlassen, bitte den ganzen Müll in schwarze Plastiksäcke packen.

    2) Die Route, auf der Sie das Hotel verlassen, ist dieselbe, auf der Sie gekommen sind. Bitte warten Sie geduldig, bis der Doktor sie aufruft. Verlassen Sie den Raum nicht vorher.

    3) Wenn Sie gehen, lassen Sie die Tür geöffnet.

    4) Geben Sie ihre Zimmerkarte dem Doktor oder legen Sie sie in den Desinfektionseimer im Erdgeschoss. Halten Sie ihren Pass bereit. Der Doktor wird ihnen ihre Entlassungspapiere, ihr Testergebnis und ihre Rechnung geben. Bewahren Sie alles gut auf.

    5) Ihr Gesundheitscode wird wahrscheinlich nicht sofort grün werden, deshalb brauchen Sie auf jeden Fall Ihr Entlassungszertifikat und Ihr Testergebnis für Ihre Fahrt.

    Once again, thank you for sour support and understanding. All the best! Holiday Inn Express Epidemic Prevention Team.

    Sonntag, 21. November 2021, Tag 14

    14:30 Uhr. Rufe meine Frau an. Sie ist gerade aus dem Taxi gestiegen und steht vor dem Hotel. Versteht nicht, wo ich bin. Versuche es, ihr zu erklären. 

    14:31 Uhr. Yingxin biegt mit einem blauen Rollkoffer um die Ecke. Stürmt auf mich zu. Ist sie es wirklich? Bin ICH wirklich? Bin ich nicht in Zimmer 5038 gestorben? Letzte Woche oder so?

    14:33 Uhr. Wir liegen uns in den Armen. Doch, das ist wirklich, so etwas fühlt man nicht als Gespenst. Ich schlucke, Yingxin weint ein bisschen. Küssen können wir uns nicht, weil wir beide Masken tragen. Es ist genau 648 Tage her, dass wir uns nicht mehr berührt haben. 1 Jahr, 9 Monate, 1 Woche, 2 Tage.

    Das Umschlagbild von "Quarantäne Updates Shanghai"
    Das Umschlagbild von “Quarantäne Updates Shanghai”

    Christian Y. Schmidt ist Buchautor und Kolumnist. Er lebt in Peking. Zu seinen früheren China-Büchern gehören “Allein unter 1,3 Milliarden”, “Bliefe von dlüben”, “Im Jahr des Tigerochsen” und “Im Jahr des Hasendrachen”. Im Jahr 2018 erschien sein Roman “Der letzte Huelsenbeck” bei Rowohlt. Bis Mitte der 90er-Jahre war er Redakteur der Zeitschrift Titanic. “Quarantäne Updates Shanghai. Ein Feldforschungsbericht” erschien 2022 im Hybriden-Verlag und lässt sich auch dort bestellen.

    Im ersten Pandemie-Jahr 2020 scheiterte Christian Y. Schmidt an der Rückreise aus Deutschland und konnte 20 Monate lang nicht zu seiner Frau in Peking zurückkehren. Nachdem er im November 2021 endlich zurück nach China fliegen konnte, steckten ihn die Behörden erst einmal in die Hotelquarantäne. Das vorliegende Buch entstand in dieser Zeit.

    • Coronavirus
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    Personalien

    Alexander Näher ist für Audi nach China gewechselt. Näher koordiniert in Peking den Bereich Validation and Verification. Er war zuvor mehr als sechs Jahre als Ingenieur bei Audi in Ingolstadt.

    Li Qiang ist als Chef der Kommunistischen Partei Shanghais bestätigt worden. Ob der 62-Jährige beim großen Stühlerücken der Partei im Herbst befördert wird, ist noch offen. Der chaotische Lockdown in der Millionen-Metropole hatte für viel Kritik auch an den Partei-Funktionären geführt.

    • Audi

    Dessert

    Shrek? Nein, bei diesem “Pferd” handelt es sich nicht um den Helden eines Animationsfilms. Das Foto zeigt eine Touristin und einen Mitarbeiter eines Souvenir-Ladens des “Provinz-Museums von Gansu”. Die Pferde-Maske ist an eine grün-bronzene Pferde-Statue angelehnt, die 1960 ausgegraben wurde und im Museum in Gansu ausgestellt wird.

    China.Table Redaktion

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