Table.Briefing: China

Paranoide Jagd auf Agenten + TSMC als Schutzschild

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Präsidentschaftswahlen in Taiwan werden uns bis in die kommende Woche hinein stark beschäftigen. Frühestens am Sonntag wissen wir, welcher der Kandidaten das Rennen macht.

Was wir schon vor der Wahl wissen: Mit seiner weltweit führenden Chip-Industrie hält Taiwan einen exzellenten Trumpf in der Hand. Felix Lee gibt uns deshalb einen Einblick in die Bedeutung des Sektors als Schutzschild vor chinesischen Aggressionen. Ob die Qualität der in Taiwan produzierten Chips sogar ausreicht, um einen chinesischen Angriff zu verhindern, ist aber wohl eher Wunschdenken.

Ein möglicher Angriff Chinas auf seinen demokratischen Nachbarn käme nicht nur einer Zäsur der internationalen Beziehungen gleich. Ein solcher Angriff stellt praktisch die größtmögliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates dar. Dabei versucht Peking, jede Form der Einmischung Dritter in innere Angelegenheiten anderer Akteure international zu ächten.

Die Festnahme eines vermeintlichen Spions des britischen Geheimdienstes MI6 nutzt Peking aktuell dazu, sich als Opfer von Einmischung von außen darzustellen. Die Nachricht dient aber auch anderen Zwecken, wie Fabian Kretschmer schreibt. Die Regierung schüre mit der Angst vor Geheimnisverrat bewusst den Nationalismus.

Die Strategie trägt durchaus Früchte. Aber das Misstrauen, das dadurch entsteht, könnte sich eines Tages auch negativ auf die Konjunktur auswirken. Internationaler Handel und ein gutes Klima für Investitionen basieren nun einmal vornehmlich auf Vertrauen. Wenn das aufgebraucht ist, wäre der Schaden deutlich größer als jener, den ausländische Agenten tatsächlich verursachen.

Ihr
Marcel Grzanna
Bild von Marcel  Grzanna

Analyse

Willkür bei Jagd auf Spione versetzt Firmen in Angst

Ausgeklügelte Überwachungstechnologien benötigen verlässliche Hochleistungschips.

Was China dem britischen Geheimdienst vorwirft, ruft Erinnerungen an James-Bond-Filme wach: Der MI6 soll laut Peking einen Mann angeheuert haben, als Führungskraft einer Beratungsfirma während seiner Geschäftsreisen Staatsgeheimnisse der Volksrepublik in Erfahrung gebracht zu haben. Am Montag schließlich machte die Staatssicherheit den Fall publik, der mutmaßliche Spion sei mittlerweile festgenommen worden.

Tatsächlich wirft die Nachricht mehr Fragen als Antworten auf. Zum einen lassen sich die Behauptungen nicht unabhängig überprüfen, und auch die britische Botschaft in Peking hat sich noch nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Zudem sind selbst die offiziellen Schilderungen der chinesischen Behörden lückenhaft: Weder das Geschlecht noch die Nationalität des mutmaßlichen Spions haben sie bekannt gegeben – geschweige denn, welche Staatsgeheimnisse er konkret entwendet haben soll. Dennoch wirft der Fall ein Schlaglicht auf Chinas zunehmende Paranoia in Bezug auf die nationale Sicherheit, bei dem die Bevölkerung von 1,4 Milliarden Staatsbürgern immer stärker mit einbezogen wird.

Begriff von Spionage ist weit gefasst

Allein die Definition von Spionage ist im Reich der Mitte spätestens seit der jüngsten Verschärfung der Gesetzgebung vom letzten Sommer derart weit gefasst, dass praktisch jede herkömmliche Marktrecherche oder selbst touristische Smartphone-Schnappschüsse darunter fallen können.

Denn strafbar sind mittlerweile sämtlich Handlungen und Daten, die die “nationalen Interessen” Chinas berühren – ein überaus dehnbarer Begriff. Wer etwa ein Foto schießt von einem Zivilflughafen, der ebenfalls vom Militär verwendet wird, befindet sich qua Definition im Besitz eines Staatsgeheimnisses. Auch Klimadaten fallen darunter.

In den vergangenen Monaten sind wenig überraschend wiederholt ausländische Staatsbürger ins Visier der Behörden geraten. So wurde im März 2023 ein japanischer Geschäftsmann wegen Spionage festgenommen. Zudem haben die Behörden bei mehreren US-amerikanischen Beratungsfirmen Razzien durchgeführt und die Laptops beschlagnahmt.

“Damoklesschwert” für Unternehmen

Die europäische Handelskammer kritisierte die verschärfte Gesetzgebung unlängst in deutlichen Worten. Unternehmen könnten unmöglich wissen, wo genau die roten Linien der Legalität verlaufen, schließlich sind die Regeln vollkommen vage formuliert. Von einem “Damoklesschwert” über den Firmen spricht die Expertin Isabelle Feng vom Perelman Centre for the Philosophy of Law an der Université Libre de Bruxelles.

Und auch Privatpersonen droht die willkürliche Anwendung des Gesetzes. So rief die südkoreanische Botschaft in Peking unlängst ihre Staatsbürger dazu auf, keine Fotoaufnahmen von Protesten zu schießen oder sich an christlichen Missionierungen zu beteiligen. 

Unschärfe ist Absicht

Jene Unschärfe der juristischen Bestimmungen ist jedoch kein Versehen, sondern ganz bewusst so gewollt: Einerseits ermöglicht sie den Behörden einen weiten und auch willkürlichen Anwendungsspielraum der Anti-Spionage-Gesetze. Andererseits schafft sie ein Gefühl der Unsicherheit, das schlussendlich in vorauseilendem Gehorsam mündet.

Doch für China unerwünschte Konsequenzen, etwa die abschreckende Wirkung auf ausländische Investoren, liegen ebenfalls auf der Hand. Das allerdings scheint die Staatsführung in Kauf zu nehmen. In öffentlichen Kampagnen versetzt sie die eigene Bevölkerung ganz bewusst in erhöhte Alarmbereitschaft. Wer etwa durch die Korridore chinesischer Staatsbetriebe schreitet, findet an den Wänden unzählige Infoblätter und omnipräsente Propagandaslogans, die darüber aufklären, wie man am effizientesten Spione ausfindig macht und meldet.

Selbst Grundschüler erhalten Anti-Spionage-Schulungen, wie die Staatsmedien im Wochentakt stolz berichten. In einem besonders skurrilen Fall wurden gar Pädagogen in einem Kindergarten in der Ostküsten-Stadt Tianjin darin unterrichtet, wie man das Anti-Spionage-Gesetz “verstehen und anwenden” sollte. Zudem erhalten Bürgerinnen und Bürger umgerechnet bis zu 65.000 Euro, wenn sie erfolgreich Spione an die Behörden ausliefern.

Die Spione sind zum Teil sogar real

Die Gründe für die forcierte Paranoia wurzeln dabei durchaus in einer realen Gefahrenlage: China und die USA befinden sich im ideologischen und technologischen Hegemonialstreit, der auf allen Ebenen ausgetragen wird. Und erst im Sommer sagte CIA-Direktor William Burns, dass die Vereinigten Staaten ihr Spionagenetzwerk in China wieder aufbauen würden.

Doch gleichzeitig dürfte hinter Pekings Anti-Spionage-Kampf auch das taktische Kalkül stehen, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten mit einer gefährlichen Melange aus kollektiver Angst und überschwellendem Nationalismus gesellschaftlichen Zusammenhalt zu schaffen.

Angst vor Treffen mit Ausländern

Zudem offeriert das Narrativ auch einen bequemen Sündenbock: Hinter jeder Form der politischen Opposition – von der mittlerweile niedergeschlagenen Demokratie-Bewegung in Hongkong bis zu den “Null Covid”-Protesten vom letzten Winter – wettert Chinas Staatsführung stets “ausländische Unterwanderung”.

Die scheinbar leeren Worthülsen führen unlängst im Alltag zu konkreten Konsequenzen: So vermeiden viele chinesische Akademiker und Journalisten mittlerweile informelle Treffen mit Ausländern. Und immer wieder berichten Clubs und Kulturveranstalter, dass sie keine internationalen Künstler auftreten lassen dürfen. Fabian Kretschmer

  • Geheimdienste
  • Gesellschaft
  • Spionage

Taiwans Chip-Industrie: Unverzichtbar – und doch kein Schutz vor einer Invasion

Xi Jinping hat in seiner Neujahrsansprache noch mal deutlich gemacht: Die “Wiedervereinigung” von Taiwan und China halte er für “historisch unvermeidlich”. Falls Lai Ching-te von der regierenden DPP die Wahl am kommenden Sonntag gewinnt, steigt die Gefahr einer Blockade Taiwans durch China erneut an. Denn die Führung Peking bezeichnet Lai als “Separatisten”. Mit solcher Rhetorik beginnt die Rechtfertigung für einen Übergriff auf das Nachbarland.

Wäre da nicht Taiwans Halbleiterindustrie, wenden einige Experten ein. Schließlich ist die Insel der mit Abstand größte Lieferant für Halbleiter- und Computerchips der Welt. 65 Prozent aller Halbleiter und mehr als 90 Prozent der Hochleistungschips werden in Taiwan hergestellt. Bei einem Angriff auf Taiwan würde die Halbleiterproduktion zum Stillstand kommen – mit desaströsen Auswirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft. Und damit auch auf China.

Doch eine Mehrheit von Beobachtern auch vor Ort in Taiwan hält die Schutzwirkung durch das Faustpfand der Chipindustrie für eng begrenzt. Xi könnte seine Großmachtträume ohne Rücksicht auf Folgeschäden verfolgen, zudem ziehen Chinas eigene Chiphersteller mit eigener Spitzentechnik nach. Zugleich verschaffen die TSMC-Investitionen beispielsweise in Dresden dem Westen nur begrenzte Sicherheit: Wenn Taiwan fällt, fällt auch der Nachschub an absoluten Spitzen-Chips aus.

Die Chip-Abhängigkeit ist real

Ohne Halbleiter lässt sich heutzutage kein Produkt mehr herstellen. Egal ob Smartphones, Küchengeräte, Autos, Waffen, Industrieanlagen oder die Energieversorgung – sie alle werden von Mikrochips gesteuert. Und die besten Halbleiterhersteller heißen TSMC, UMC, PSMC oder Macronix. Sie stammen alle aus Taiwan.

TSMC ist besonders stark bei den schnellsten Prozessoren für Anwendungen wie KI, Grafikkarten oder selbstfahrende Autos. Das Unternehmen wendet derzeit die fortschrittlichste Technologie im 3-Nanometer-Bereich an und wird 2025 die 2-Nanometer-Grenze knacken. Gemeint ist damit die Strukturbreite, also der Durchmesser der Rechenknoten und Leiterbahnen. Je kleiner sie sind, desto schneller, intelligenter und stromsparender ist der Chip.

“Schutzschild aus Silizium”

Die Idee, dass eine solch unverzichtbare Schlüsselindustrie die Insel vor einem Überfall schützen könne, wird von mehreren Seiten vorgetragen. Von einem “Schutzschild aus Silizium, mit dem Taiwan sich selbst und andere schützen könnte für den Fall, dass aggressive autoritäre Regime eine Störung der globalen Lieferkette anstreben sollten”, sprach Taiwans demnächst scheidende Präsidentin Tsai Ing-wen noch im Oktober 2021.

Der Chip-Experte und Harvard-Historiker Chris Miller schreibt in seinem im Herbst auch in Deutsch erschienenem Werk “Der Chip Krieg”: “Wenn Taiwan einfach ausfiele, hätten wir vielleicht schon Mühe, an einen Geschirrspüler zu kommen.” Nach einer Katastrophe in Taiwan würden die Gesamtkosten in die Billionen gehen. Es würde mindestens ein halbes Jahrzehnt dauern, die verlorenen Kapazitäten zur Herstellung von Chips wieder aufzubauen.

Ökonomen registrieren erhebliche Abhängigkeiten

Doch nicht nur würde es im Rest der Welt für eine Zeit keine Haushaltsgeräte mehr geben. Massiv betroffen wäre China selbst. Denn auch die chinesische Industrie ist von Halbleitern aus Taiwan abhängig. Halbleiter und digitale Displays machen mehr als 60 Prozent von Taiwans Exporten nach China aus. Der Handel zwischen Taiwan und China sei quasi “ein Halbleiterhandel”, sagt der taiwanische Ökonom und derzeitige stellvertretender Außenminister Lee Roy Chun.

Auch er hält diese Abhängigkeit für einen entscheidenden Faktor. Die wirtschaftlichen Vorteile Chinas würden untergraben, wenn Taiwan die Fähigkeiten verlöre, weiterhin als globaler Marktführer der Halbleiterindustrie zu dienen, ist der Handelsexperte überzeugt.

Der Schutzschild ist löchrig

Ihm widerspricht seine Kollegin Kristy Hsu, die als Ökonomin an der Chung-Hua-Institut für Wirtschaftsforschung (CIER) in Taipeh. “Es sind andere Gründe, die China zum Einmarsch in Taiwan veranlassen würden, etwa wenn Taiwan seine Unabhängigkeit erklärt”, sagte sie im Interview mit China.Table. Halbleiter stehen bei dieser Entscheidung nicht im Vordergrund.

Auch Chip-Experte Miller hält es für eine “ausgesprochen optimistische Sicht der Dinge”, sich auf einen Silizium-Schild verlassen zu wollen. Er hält die Konzentration der Halbleiterproduktion in Taiwan aber auf jeden Fall für eine Gefahr für die Weltwirtschaft, auf die der Westen nicht ausreichend vorbereitet sei. Ökonomin Hsu erkennt auch schon ein Zurückrudern ihrer Regierung. Man habe auch in Taiwan erkannt, dass TSMC und die taiwanische Halbleiterindustrie sich mit ihren Produktionsstätten weltweit breiter aufstellen müssen.

Dresden als Teil einer Streuungs-Strategie

Genau das passiert bereits. Vor allem der Westen unternimmt momentan große Anstrengungen, Autonomie von Taiwans so sensibler Halbleiterindustrie zu erlangen. Japan, die USA und Deutschland haben es erfolgreich hinbekommen, dass TSMC Fabs (Abkürzung für Fabriken der Halbleiterindustrie) in Kumamoto, Phoenix und Dresden errichtet.

Die USA, Deutschland und Japan könnten damit aber den Silizium-Schutzschild zusätzlich schwächen. Das befürchten zumindest die Ökonomen Markus Taube von der Universität Duisburg Essen, Jörn-Carsten Gottwald, Professor an der Ruhr-Universität und Steffi Weil von der Universität Antwerpen. Sie schrieben in einem Gastbeitrag für China.Table: Gerade eine Halbleiterproduktion in Europa könnte Taiwan schwächen.

Branchen-Insider: Deutschland kauft sich nur geringe Sicherheit

Halbleiterproduzenten in Taiwan sehen diese Gefahr nicht ganz so dramatisch. “Die Fabs in Europa und Arizona sind nur für die nationale Sicherheit gut”, sagt Wu Miin, Gründer und Vorstandsvorsitzender von Macronix, einem der größten Speicherchips-Hersteller. Macronix ist in unmittelbarer Nachbar von TSMC und UMC im taiwanischen Hsinchu beheimatet.

Wu ist skeptisch, ob Europa sich mit dem Werk in Dresden wirklich mehr Sicherheit erkauft. Für zeitweilige Lieferkettenunterbrechungen aus Taiwan möge es ausreichen, aber nicht langfristig. Die wenigen Fabriken, die TSMC bereit sei, außerhalb Taiwans zu bauen, seien winzig im Verhältnis zum Output, den sie in Taiwan produzieren, sagt der Chip-Unternehmer. Das werde sich nicht wirklich auf die Verringerung der Abhängigkeit der Welt von Taiwan auswirken. 

  • Chips
  • Geopolitik
  • Halbleiter
  • Taiwan
  • Taiwan-Wahlen
  • Technologie

News

Chef der E-Auto-Tochter von Evergrande verhaftet

Der Chef der E-Auto-Sparte des Immobilienkonzerns Evergrande wurde verhaftet. Liu Yongzhuo steht im Verdacht, in seiner Rolle als Spitzenmanager der zahlungsunfähigen Evergrande Group nicht weiter definierte “Straftaten” begangen zu haben. Das teilte der Konzern am Montag mit. Liu war auch Präsident von Chinas früherem Fußball-Serienmeister Guangzhou Evergrande.

Der 42-Jährige ist nach Firmengründer und Präsident Hui Ka-yan der zweite Topmanager des Konzerns, der sich nun in Gewahrsam befindet. Der Aktienkurs der Evergrande-Tochter sackte daraufhin um 23 Prozent ein. Die Gruppe besaß laut Unternehmensbericht im Jahr 2022 einen Anteil an 58,5 Prozent an dem Unternehmen.

Evergrande bastelt zurzeit an einer Umschuldung. Das Unternehmen steht bei Anlegern mit mehr als 300 Milliarden Euro in der Kreide. Am 29 Januar entscheidet ein Hongkonger Gericht, ob Evergrande endgültig aufgelöst wird.

Liu Yongzhuo ist seit 2003 im Unternehmen und war in dieser Zeit unter anderem auch Chef der Wasser- sowie der Hight-Tech-Sparte. 2009 stieg er als Funktionär bei dem Fußballverein Guangzhou Evergrande ein. Während seiner Amstzeit gewann der Klub sieben Meistertitel und zweimal die asiatische Champions League. Im Jahr 2015 ging Evergrande mit dem deutschen Rekordmeister Bayern München eine strategische Partnerschaft ein. Doch die Evergrande-Gruppe beendete ihr Sponsoring. 2022 stieg Guangzhou in die zweite Liga ab. grz

  • Evergrande
  • Immobilienkrise
  • Korruption

Northvolt erhält EU-Förderung für Batteriewerk in Heide

Das schwedische Unternehmen Northvolt darf in Heide eine Batteriefabrik bauen. Die EU-Kommission genehmigte am Montag in Brüssel Fördermittel und Garantien von Bund und Land in Höhe von 902 Millionen Euro. Es ist das größte Industrieprojekt in Schleswig-Holstein seit Jahrzehnten. “Ich bin sehr, sehr froh, dass dies heute geschieht”, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei der Verkündung der Entscheidung in Brüssel der Nachrichtenagentur dpa.

Northvolt wird in der Fabrik im Kreis Dithmarschen ab 2026 Batteriezellen für E-Autos herstellen. Mit dem Werk will sich die deutsche Autoindustrie unabhängiger von bisher dominanten Zulieferern aus Asien und allen voran China machen. Hohe Marktanteile haben etwa die südkoreanischen Elektronikkonzerne Samsung und LG sowie der chinesische Konzern CATL, der seit rund einem Jahr auch in einem Werk in Thüringen produziert.

Durch die 4,5 Milliarden Euro teure Investition sollen zudem 3.000 Arbeitsplätze entstehen. Bund und Land fördern das Projekt mit rund 700 Millionen Euro. Hinzu kommen Garantien über weitere 202 Millionen Euro. Von den Fördermitteln entfallen etwa 564 Millionen Euro auf den Bund und bis zu 137 Millionen Euro auf das Land. Northvolt selbst habe in das Bauvorhaben bereits rund 100 Millionen Euro an eigenen Mitteln investiert, heißt es. fpe

  • Autoindustrie
  • Batterien
  • E-Autos
  • Technologie

Hersteller chinesischer E-Autos leiden unter Mangel an Frachtschiffen

Chinas E-Auto-Produzenten leiden unter einem akuten Mangel an marinen Autofrachtern. Die Branche könne nicht so viele Autos nach Europa exportieren, wie sie wolle, berichtet die Financial Times. Während die Zahl ausgeführter Fahrzeuge nach der Corona-Krise eine Rekordhöhe erreicht hat, bleibt die Anzahl verfügbarer Frachter hinter den Zeiten vor Corona zurück. Damit ergibt sich ein Flaschenhals, der den chinesischen Unternehmen die Dringlichkeit einer globalen Expansion vor Augen führen könnte.

Die Zahl der weltweit verschifften Autos ist 2023 schätzungsweise um 17 Prozent auf ein Rekordhoch von 23,4 Millionen Fahrzeugen gestiegen, zitiert die Zeitung die Reederei Clarksons. Europäische Importe verzeichneten mit 40 Prozent den größten Anstieg aller Regionen. Die Zahl der Schiffe dagegen liegt zehn Prozent unter der Zahl von 2019.

Logistik-Unternehmen hatten nach Ausbruch der Krise einerseits Kapazitäten abgebaut, anderseits alte Schiffe ausrangiert, um neue zu bestellen. Viele Neubestellungen würden jedoch erst in zwei oder drei Jahren ausgeliefert. Der Mangel an Schiffen hat auch die Preise für die Transporte nach oben korrigiert. Mit 115.000 US-Dollar pro Schiff pro Tag liegen die Kosten zehn Prozent höher als 2022 und siebenfach über dem Kurs von 2019. grz

  • Autoindustrie
  • Elektrofahrzeuge
  • Elektromobilität
  • Export
  • Handel
  • Logistik

Nvidia produziert KI-Chips für den chinesischen Markt

Der US-Chiphersteller Nvidia plant im zweiten Quartal 2024 den Beginn einer Massenproduktion von KI-Chips für den chinesischen Markt. Die Chips mit der Bezeichnung H20, L20 und L2 seien so gebaut, dass sie den verschärften US-Exportvorschriften für China entsprechen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters am Montag unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. Die anfänglichen Lieferungen sollen laut Reuters begrenzt sein und sich vorwiegend auf Bestellungen von Großkunden konzentrieren. US-Hochleistungsprozessoren unterliegen derzeit Sanktionen, die die Ausfuhr in die Volksrepublik verbieten.

Nvidia setzt auf die Chips, um seinen Marktanteil in China zu sichern und drastische Umsatzeinbußen zu verhindern. Reuters berichtete zuvor unter Berufung auf Quellen, dass chinesische Unternehmen jedoch zögern, die auf eine geringere Rechenleistung herabgestuften Halbleiter aus den USA zu kaufen. Stattdessen setze China verstärkt auf die Entwicklung inländischer Alternativen. Im vergangenen Jahr bestellte so etwa der Tech-Riese Baidu seine KI-Chips vorwiegend bei Huawei Technologies, um sich von Nvidia abzuwenden. rtr

  • Chips
  • Halbleiter
  • Handelspolitik
  • Technologie

Presseschau

China will mutmaßlichen MI6-Spion enttarnt haben TAGESSCHAU
What Xi Jinping”s Purge of Military Elites Means for China NEWSWEEK
Immobilienkrise in China: Topmanager der Elektroauto-Tochter von Evergrande verhaftet SPIEGEL
Biden Urged to Curb China’s Dominance of Older-Generation Chips WSJ
Nvidia expands its reach in China”s EV sector REUTERS
China cuts tariffs on 143 Argentine agricultural and industrial products amid tense bilateral ties SCMP
Größter Klimasünder: China kann schon 2024 seine Emissionen senken – obwohl es Kohlekraftwerke baut FR
How an underground industry is helping record numbers of migrants flee China for the US border CNN

Heads

Jaw Shaw-kong – Kandidat mit Charisma und zweifelhafter Vergangenheit

Jaw Shaw-kong kandidiert für die tendenziell pro-chinesische KMT für das Amt des Vizepräsidenten.

Als die taiwanische Oppositionspartei Kuomintang (KMT) Ende November Jaw Shaw-kong (andere Schreibweise: Chao Shao Kang) als Vizepräsidentschaftskandidaten für die Wahlen am 13. Januar aufstellte, konnten viele Beobachter mit der Nominierung zunächst wenig anfangen. Jaw, Jahrgang 1950, ist ein alter KMT-Parteikader und war die letzten 20 Jahre über kaum politisch aktiv.

Doch Jaw schafft es, die traditionelle Wählerbasis der KMT zu mobilisieren. Ob das für einen Wahlsieg reicht, ist jedoch fraglich. In den letzten Umfragen lag die KMT mit ihrem Spitzenkandidaten Hou Yu-ih bei knapp 30 Prozent, und nach einigen Umfragen fast zehn Prozentpunkte hinter der DPP mit dessen Kandidaten William Lai.

Jaws Bedeutung für die KMT liegt auch in seiner eigenen Familiengeschichte. Sein Vater war ein ehemaliger KMT-Offizier, als diese noch in China regierte. Er kämpfte im Bürgerkrieg gegen Maos Kommunisten, verlor jedoch und floh im Gefolge des damaligen KMT-Führers Chiang Kai-shek nach Taiwan. Ein Jahr später wurde Jaw in Keelung im Nordosten Taiwans geboren. Er gehört damit zu den rund 15 Prozent der taiwanischen Bevölkerung, deren Familien nach dem Bürgerkrieg nach Taiwan kamen. Bis heute bildet diese Gruppe den Kern der KMT-Anhängerschaft. Hou Yu-ih stammt dagegen aus einer Familie, die bereits über Jahrhunderte in Taiwan verwurzelt war. Jaw steht also für den Teil der KMT-Parteibasis, der sich China noch verbunden sieht.

Jaw wendete sich gegen KMT-Führung

Für ein Maschinenbaustudium ging Jaw an die renommierte Nationale Taiwan Universität in der Hauptstadt Taipeh. Danach begann er zunächst eine Karriere an der Universität und in der chemischen Industrie. 1987 wurde er Parlamentsabgeordneter für die KMT, in einer Zeit des Übergangs von der KMT-Einparteiendiktatur zur demokratischen Ära.

1993 wendete sich Jaw gegen die Führung des damaligen KMT-Parteivorsitzenden Lee Teng-hui. Hintergrund war Lees stärkere Betonung einer eigenen taiwanischen Identität und dessen Abkehr von der Doktrin, das chinesische Festland um jeden Preis wieder unter Führung der KMT zurückzuerobern. Jaw forderte damals nach eben dieser Vorstellung die “Wiedervereinigung” mit China. Dieses Ziel war schon zu der Zeit in weite Ferne gerückt, heute erscheint es nur noch wie eine Illusion – und bleibt dennoch weiter Teil der offiziellen Parteiideologie. Die KMT-Führung und Jaw selbst vertreten diese Position mittlerweile jedoch nicht mehr offen.

Breite Unterstützung für Jaw an der Parteibasis

Jaw verlor 1994 bei Wahlen zum Bürgermeister Taipehs gegen Chen Shui-bian von der DPP, der später Präsident wurde. Danach trat Jaw viele Jahre vor allem als Medienpersönlichkeit in Erscheinung – als Vorsitzender des Medienkonglomerats Broadcasting Corporation of China (BCC), sowie als Fernseh- und Radiomoderator und Kolumnist.

Bis heute wird ihm vorgeworfen, er habe die BCC nach dem Ende der Diktatur zu einem unangemessen niedrigen Preis von der KMT übernommen. Die KMT hatte damals einen Großteil des ehemaligen Staatsvermögens in Parteibesitz überführt. Bis heute ist dieser Vorgang Gegenstand öffentlicher Diskussionen und Gerichtsverfahren.

Dass Jaw nun wieder auf nationaler Ebene für die KMT antritt, ist Ausdruck der strategischen Neuausrichtung seiner Partei: Durch die Präsidentschaftskandidatur Ko Wen-jes von der Taiwanischen Volkspartei ist die Opposition im Wettstreit mit der regierenden DPP zersplittert. Die KMT will nun ihre Kernanhängerschaft hinter sich vereinen, was Jaw deutlich besser gelingt als Hou. Zudem gilt er als charismatischer und führungsstärker als Hou.

Für mehr Dialog mit China

Politisch setzt sich Jaw für mehr Dialog und wirtschaftlichen Austausch mit China ein. Noch vor wenigen Monaten forderte er auch die Rückabwicklung der Wehrreform von Präsidentin Tsai Ing-wen. Sie hatte Ende 2022 verkündet, die Pflichtwehrzeit von vier Monaten auf ein Jahr zu verlängern. Von dieser Forderung rückt Jaw im Wahlkampf nun ein Stück ab – Bedingung für eine Rückverkürzung der Wehrzeit sei, dass Chinas Militär aufhöre, in den taiwanischen Luftraum einzudringen.

Gegenüber der DPP schlägt Jaw jedoch weiterhin martialische Töne an, mit Behauptungen wie “Für die DPP zu stimmen, heißt, die Jugend Taiwans auf das Schlachtfeld zu schicken”. Die KMT schafft es mittlerweile in der öffentlichen Debatte zu großen Teilen, die Präsidentschaftswahl als Richtungsentscheidung zwischen Krieg und Frieden und sich selbst als vermeintlichen Friedensgaranten darzustellen.

Doch gleichzeitig schreckt diese Rhetorik die Teile der Bevölkerung ab, die überzeugt sind, Taiwan müsse gegenüber China selbstbewusster auftreten, oder für die andere Themen schlicht wichtiger sind. Die Strategie ist riskant: Wenn die KMT mit Jaw keinen Erfolg hat, wäre es für sie nicht nur eine verlorene Wahl. Sie würde auch den Eindruck zementieren, dass sie sich nicht von ihren historischen Wurzeln in der Diktaturzeit lösen kann. Leonardo Pape

  • Taiwan
  • Taiwan-Wahlen
  • Wahlen

Personalien

Andy Chiang wird Managing Director für DHL Express Hongkong und Macau sowie zum Mitglied des DHL Express Asia Pacific Management Board. Bislang war Chiang bei dem Expressdienstleister Head of Global Strategic Finance.

Hanns-Philip Wurster ist seit Januar Managing Director China bei KLS Martin. Für seinen neuen Posten beim baden-württembergischen Medizintechnik-Unternehmen wechselt Wurster von Tuttlingen nach Shanghai.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Während die Touristen in Chinas nördlichster Provinz Harbin dick eingepackt Eisskulpturen bewundern, herrscht in der südwestlichen Provinz Yunnan eine ganz andere Winterstimmung. Hier bespritzen sich Besucher der Stadt Jinghong bei 28 Grad Celcius eimerweise mit Wasser. Das jährliche Wasserwerfen ist ein traditionelles Fest der dort ansässigen Dai-Nationalität.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

Licenses:
    Liebe Leserin, lieber Leser,

    die Präsidentschaftswahlen in Taiwan werden uns bis in die kommende Woche hinein stark beschäftigen. Frühestens am Sonntag wissen wir, welcher der Kandidaten das Rennen macht.

    Was wir schon vor der Wahl wissen: Mit seiner weltweit führenden Chip-Industrie hält Taiwan einen exzellenten Trumpf in der Hand. Felix Lee gibt uns deshalb einen Einblick in die Bedeutung des Sektors als Schutzschild vor chinesischen Aggressionen. Ob die Qualität der in Taiwan produzierten Chips sogar ausreicht, um einen chinesischen Angriff zu verhindern, ist aber wohl eher Wunschdenken.

    Ein möglicher Angriff Chinas auf seinen demokratischen Nachbarn käme nicht nur einer Zäsur der internationalen Beziehungen gleich. Ein solcher Angriff stellt praktisch die größtmögliche Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines anderen Staates dar. Dabei versucht Peking, jede Form der Einmischung Dritter in innere Angelegenheiten anderer Akteure international zu ächten.

    Die Festnahme eines vermeintlichen Spions des britischen Geheimdienstes MI6 nutzt Peking aktuell dazu, sich als Opfer von Einmischung von außen darzustellen. Die Nachricht dient aber auch anderen Zwecken, wie Fabian Kretschmer schreibt. Die Regierung schüre mit der Angst vor Geheimnisverrat bewusst den Nationalismus.

    Die Strategie trägt durchaus Früchte. Aber das Misstrauen, das dadurch entsteht, könnte sich eines Tages auch negativ auf die Konjunktur auswirken. Internationaler Handel und ein gutes Klima für Investitionen basieren nun einmal vornehmlich auf Vertrauen. Wenn das aufgebraucht ist, wäre der Schaden deutlich größer als jener, den ausländische Agenten tatsächlich verursachen.

    Ihr
    Marcel Grzanna
    Bild von Marcel  Grzanna

    Analyse

    Willkür bei Jagd auf Spione versetzt Firmen in Angst

    Ausgeklügelte Überwachungstechnologien benötigen verlässliche Hochleistungschips.

    Was China dem britischen Geheimdienst vorwirft, ruft Erinnerungen an James-Bond-Filme wach: Der MI6 soll laut Peking einen Mann angeheuert haben, als Führungskraft einer Beratungsfirma während seiner Geschäftsreisen Staatsgeheimnisse der Volksrepublik in Erfahrung gebracht zu haben. Am Montag schließlich machte die Staatssicherheit den Fall publik, der mutmaßliche Spion sei mittlerweile festgenommen worden.

    Tatsächlich wirft die Nachricht mehr Fragen als Antworten auf. Zum einen lassen sich die Behauptungen nicht unabhängig überprüfen, und auch die britische Botschaft in Peking hat sich noch nicht zu den Vorwürfen geäußert.

    Zudem sind selbst die offiziellen Schilderungen der chinesischen Behörden lückenhaft: Weder das Geschlecht noch die Nationalität des mutmaßlichen Spions haben sie bekannt gegeben – geschweige denn, welche Staatsgeheimnisse er konkret entwendet haben soll. Dennoch wirft der Fall ein Schlaglicht auf Chinas zunehmende Paranoia in Bezug auf die nationale Sicherheit, bei dem die Bevölkerung von 1,4 Milliarden Staatsbürgern immer stärker mit einbezogen wird.

    Begriff von Spionage ist weit gefasst

    Allein die Definition von Spionage ist im Reich der Mitte spätestens seit der jüngsten Verschärfung der Gesetzgebung vom letzten Sommer derart weit gefasst, dass praktisch jede herkömmliche Marktrecherche oder selbst touristische Smartphone-Schnappschüsse darunter fallen können.

    Denn strafbar sind mittlerweile sämtlich Handlungen und Daten, die die “nationalen Interessen” Chinas berühren – ein überaus dehnbarer Begriff. Wer etwa ein Foto schießt von einem Zivilflughafen, der ebenfalls vom Militär verwendet wird, befindet sich qua Definition im Besitz eines Staatsgeheimnisses. Auch Klimadaten fallen darunter.

    In den vergangenen Monaten sind wenig überraschend wiederholt ausländische Staatsbürger ins Visier der Behörden geraten. So wurde im März 2023 ein japanischer Geschäftsmann wegen Spionage festgenommen. Zudem haben die Behörden bei mehreren US-amerikanischen Beratungsfirmen Razzien durchgeführt und die Laptops beschlagnahmt.

    “Damoklesschwert” für Unternehmen

    Die europäische Handelskammer kritisierte die verschärfte Gesetzgebung unlängst in deutlichen Worten. Unternehmen könnten unmöglich wissen, wo genau die roten Linien der Legalität verlaufen, schließlich sind die Regeln vollkommen vage formuliert. Von einem “Damoklesschwert” über den Firmen spricht die Expertin Isabelle Feng vom Perelman Centre for the Philosophy of Law an der Université Libre de Bruxelles.

    Und auch Privatpersonen droht die willkürliche Anwendung des Gesetzes. So rief die südkoreanische Botschaft in Peking unlängst ihre Staatsbürger dazu auf, keine Fotoaufnahmen von Protesten zu schießen oder sich an christlichen Missionierungen zu beteiligen. 

    Unschärfe ist Absicht

    Jene Unschärfe der juristischen Bestimmungen ist jedoch kein Versehen, sondern ganz bewusst so gewollt: Einerseits ermöglicht sie den Behörden einen weiten und auch willkürlichen Anwendungsspielraum der Anti-Spionage-Gesetze. Andererseits schafft sie ein Gefühl der Unsicherheit, das schlussendlich in vorauseilendem Gehorsam mündet.

    Doch für China unerwünschte Konsequenzen, etwa die abschreckende Wirkung auf ausländische Investoren, liegen ebenfalls auf der Hand. Das allerdings scheint die Staatsführung in Kauf zu nehmen. In öffentlichen Kampagnen versetzt sie die eigene Bevölkerung ganz bewusst in erhöhte Alarmbereitschaft. Wer etwa durch die Korridore chinesischer Staatsbetriebe schreitet, findet an den Wänden unzählige Infoblätter und omnipräsente Propagandaslogans, die darüber aufklären, wie man am effizientesten Spione ausfindig macht und meldet.

    Selbst Grundschüler erhalten Anti-Spionage-Schulungen, wie die Staatsmedien im Wochentakt stolz berichten. In einem besonders skurrilen Fall wurden gar Pädagogen in einem Kindergarten in der Ostküsten-Stadt Tianjin darin unterrichtet, wie man das Anti-Spionage-Gesetz “verstehen und anwenden” sollte. Zudem erhalten Bürgerinnen und Bürger umgerechnet bis zu 65.000 Euro, wenn sie erfolgreich Spione an die Behörden ausliefern.

    Die Spione sind zum Teil sogar real

    Die Gründe für die forcierte Paranoia wurzeln dabei durchaus in einer realen Gefahrenlage: China und die USA befinden sich im ideologischen und technologischen Hegemonialstreit, der auf allen Ebenen ausgetragen wird. Und erst im Sommer sagte CIA-Direktor William Burns, dass die Vereinigten Staaten ihr Spionagenetzwerk in China wieder aufbauen würden.

    Doch gleichzeitig dürfte hinter Pekings Anti-Spionage-Kampf auch das taktische Kalkül stehen, in wirtschaftlich schwierigen Zeiten mit einer gefährlichen Melange aus kollektiver Angst und überschwellendem Nationalismus gesellschaftlichen Zusammenhalt zu schaffen.

    Angst vor Treffen mit Ausländern

    Zudem offeriert das Narrativ auch einen bequemen Sündenbock: Hinter jeder Form der politischen Opposition – von der mittlerweile niedergeschlagenen Demokratie-Bewegung in Hongkong bis zu den “Null Covid”-Protesten vom letzten Winter – wettert Chinas Staatsführung stets “ausländische Unterwanderung”.

    Die scheinbar leeren Worthülsen führen unlängst im Alltag zu konkreten Konsequenzen: So vermeiden viele chinesische Akademiker und Journalisten mittlerweile informelle Treffen mit Ausländern. Und immer wieder berichten Clubs und Kulturveranstalter, dass sie keine internationalen Künstler auftreten lassen dürfen. Fabian Kretschmer

    • Geheimdienste
    • Gesellschaft
    • Spionage

    Taiwans Chip-Industrie: Unverzichtbar – und doch kein Schutz vor einer Invasion

    Xi Jinping hat in seiner Neujahrsansprache noch mal deutlich gemacht: Die “Wiedervereinigung” von Taiwan und China halte er für “historisch unvermeidlich”. Falls Lai Ching-te von der regierenden DPP die Wahl am kommenden Sonntag gewinnt, steigt die Gefahr einer Blockade Taiwans durch China erneut an. Denn die Führung Peking bezeichnet Lai als “Separatisten”. Mit solcher Rhetorik beginnt die Rechtfertigung für einen Übergriff auf das Nachbarland.

    Wäre da nicht Taiwans Halbleiterindustrie, wenden einige Experten ein. Schließlich ist die Insel der mit Abstand größte Lieferant für Halbleiter- und Computerchips der Welt. 65 Prozent aller Halbleiter und mehr als 90 Prozent der Hochleistungschips werden in Taiwan hergestellt. Bei einem Angriff auf Taiwan würde die Halbleiterproduktion zum Stillstand kommen – mit desaströsen Auswirkungen auf die gesamte Weltwirtschaft. Und damit auch auf China.

    Doch eine Mehrheit von Beobachtern auch vor Ort in Taiwan hält die Schutzwirkung durch das Faustpfand der Chipindustrie für eng begrenzt. Xi könnte seine Großmachtträume ohne Rücksicht auf Folgeschäden verfolgen, zudem ziehen Chinas eigene Chiphersteller mit eigener Spitzentechnik nach. Zugleich verschaffen die TSMC-Investitionen beispielsweise in Dresden dem Westen nur begrenzte Sicherheit: Wenn Taiwan fällt, fällt auch der Nachschub an absoluten Spitzen-Chips aus.

    Die Chip-Abhängigkeit ist real

    Ohne Halbleiter lässt sich heutzutage kein Produkt mehr herstellen. Egal ob Smartphones, Küchengeräte, Autos, Waffen, Industrieanlagen oder die Energieversorgung – sie alle werden von Mikrochips gesteuert. Und die besten Halbleiterhersteller heißen TSMC, UMC, PSMC oder Macronix. Sie stammen alle aus Taiwan.

    TSMC ist besonders stark bei den schnellsten Prozessoren für Anwendungen wie KI, Grafikkarten oder selbstfahrende Autos. Das Unternehmen wendet derzeit die fortschrittlichste Technologie im 3-Nanometer-Bereich an und wird 2025 die 2-Nanometer-Grenze knacken. Gemeint ist damit die Strukturbreite, also der Durchmesser der Rechenknoten und Leiterbahnen. Je kleiner sie sind, desto schneller, intelligenter und stromsparender ist der Chip.

    “Schutzschild aus Silizium”

    Die Idee, dass eine solch unverzichtbare Schlüsselindustrie die Insel vor einem Überfall schützen könne, wird von mehreren Seiten vorgetragen. Von einem “Schutzschild aus Silizium, mit dem Taiwan sich selbst und andere schützen könnte für den Fall, dass aggressive autoritäre Regime eine Störung der globalen Lieferkette anstreben sollten”, sprach Taiwans demnächst scheidende Präsidentin Tsai Ing-wen noch im Oktober 2021.

    Der Chip-Experte und Harvard-Historiker Chris Miller schreibt in seinem im Herbst auch in Deutsch erschienenem Werk “Der Chip Krieg”: “Wenn Taiwan einfach ausfiele, hätten wir vielleicht schon Mühe, an einen Geschirrspüler zu kommen.” Nach einer Katastrophe in Taiwan würden die Gesamtkosten in die Billionen gehen. Es würde mindestens ein halbes Jahrzehnt dauern, die verlorenen Kapazitäten zur Herstellung von Chips wieder aufzubauen.

    Ökonomen registrieren erhebliche Abhängigkeiten

    Doch nicht nur würde es im Rest der Welt für eine Zeit keine Haushaltsgeräte mehr geben. Massiv betroffen wäre China selbst. Denn auch die chinesische Industrie ist von Halbleitern aus Taiwan abhängig. Halbleiter und digitale Displays machen mehr als 60 Prozent von Taiwans Exporten nach China aus. Der Handel zwischen Taiwan und China sei quasi “ein Halbleiterhandel”, sagt der taiwanische Ökonom und derzeitige stellvertretender Außenminister Lee Roy Chun.

    Auch er hält diese Abhängigkeit für einen entscheidenden Faktor. Die wirtschaftlichen Vorteile Chinas würden untergraben, wenn Taiwan die Fähigkeiten verlöre, weiterhin als globaler Marktführer der Halbleiterindustrie zu dienen, ist der Handelsexperte überzeugt.

    Der Schutzschild ist löchrig

    Ihm widerspricht seine Kollegin Kristy Hsu, die als Ökonomin an der Chung-Hua-Institut für Wirtschaftsforschung (CIER) in Taipeh. “Es sind andere Gründe, die China zum Einmarsch in Taiwan veranlassen würden, etwa wenn Taiwan seine Unabhängigkeit erklärt”, sagte sie im Interview mit China.Table. Halbleiter stehen bei dieser Entscheidung nicht im Vordergrund.

    Auch Chip-Experte Miller hält es für eine “ausgesprochen optimistische Sicht der Dinge”, sich auf einen Silizium-Schild verlassen zu wollen. Er hält die Konzentration der Halbleiterproduktion in Taiwan aber auf jeden Fall für eine Gefahr für die Weltwirtschaft, auf die der Westen nicht ausreichend vorbereitet sei. Ökonomin Hsu erkennt auch schon ein Zurückrudern ihrer Regierung. Man habe auch in Taiwan erkannt, dass TSMC und die taiwanische Halbleiterindustrie sich mit ihren Produktionsstätten weltweit breiter aufstellen müssen.

    Dresden als Teil einer Streuungs-Strategie

    Genau das passiert bereits. Vor allem der Westen unternimmt momentan große Anstrengungen, Autonomie von Taiwans so sensibler Halbleiterindustrie zu erlangen. Japan, die USA und Deutschland haben es erfolgreich hinbekommen, dass TSMC Fabs (Abkürzung für Fabriken der Halbleiterindustrie) in Kumamoto, Phoenix und Dresden errichtet.

    Die USA, Deutschland und Japan könnten damit aber den Silizium-Schutzschild zusätzlich schwächen. Das befürchten zumindest die Ökonomen Markus Taube von der Universität Duisburg Essen, Jörn-Carsten Gottwald, Professor an der Ruhr-Universität und Steffi Weil von der Universität Antwerpen. Sie schrieben in einem Gastbeitrag für China.Table: Gerade eine Halbleiterproduktion in Europa könnte Taiwan schwächen.

    Branchen-Insider: Deutschland kauft sich nur geringe Sicherheit

    Halbleiterproduzenten in Taiwan sehen diese Gefahr nicht ganz so dramatisch. “Die Fabs in Europa und Arizona sind nur für die nationale Sicherheit gut”, sagt Wu Miin, Gründer und Vorstandsvorsitzender von Macronix, einem der größten Speicherchips-Hersteller. Macronix ist in unmittelbarer Nachbar von TSMC und UMC im taiwanischen Hsinchu beheimatet.

    Wu ist skeptisch, ob Europa sich mit dem Werk in Dresden wirklich mehr Sicherheit erkauft. Für zeitweilige Lieferkettenunterbrechungen aus Taiwan möge es ausreichen, aber nicht langfristig. Die wenigen Fabriken, die TSMC bereit sei, außerhalb Taiwans zu bauen, seien winzig im Verhältnis zum Output, den sie in Taiwan produzieren, sagt der Chip-Unternehmer. Das werde sich nicht wirklich auf die Verringerung der Abhängigkeit der Welt von Taiwan auswirken. 

    • Chips
    • Geopolitik
    • Halbleiter
    • Taiwan
    • Taiwan-Wahlen
    • Technologie

    News

    Chef der E-Auto-Tochter von Evergrande verhaftet

    Der Chef der E-Auto-Sparte des Immobilienkonzerns Evergrande wurde verhaftet. Liu Yongzhuo steht im Verdacht, in seiner Rolle als Spitzenmanager der zahlungsunfähigen Evergrande Group nicht weiter definierte “Straftaten” begangen zu haben. Das teilte der Konzern am Montag mit. Liu war auch Präsident von Chinas früherem Fußball-Serienmeister Guangzhou Evergrande.

    Der 42-Jährige ist nach Firmengründer und Präsident Hui Ka-yan der zweite Topmanager des Konzerns, der sich nun in Gewahrsam befindet. Der Aktienkurs der Evergrande-Tochter sackte daraufhin um 23 Prozent ein. Die Gruppe besaß laut Unternehmensbericht im Jahr 2022 einen Anteil an 58,5 Prozent an dem Unternehmen.

    Evergrande bastelt zurzeit an einer Umschuldung. Das Unternehmen steht bei Anlegern mit mehr als 300 Milliarden Euro in der Kreide. Am 29 Januar entscheidet ein Hongkonger Gericht, ob Evergrande endgültig aufgelöst wird.

    Liu Yongzhuo ist seit 2003 im Unternehmen und war in dieser Zeit unter anderem auch Chef der Wasser- sowie der Hight-Tech-Sparte. 2009 stieg er als Funktionär bei dem Fußballverein Guangzhou Evergrande ein. Während seiner Amstzeit gewann der Klub sieben Meistertitel und zweimal die asiatische Champions League. Im Jahr 2015 ging Evergrande mit dem deutschen Rekordmeister Bayern München eine strategische Partnerschaft ein. Doch die Evergrande-Gruppe beendete ihr Sponsoring. 2022 stieg Guangzhou in die zweite Liga ab. grz

    • Evergrande
    • Immobilienkrise
    • Korruption

    Northvolt erhält EU-Förderung für Batteriewerk in Heide

    Das schwedische Unternehmen Northvolt darf in Heide eine Batteriefabrik bauen. Die EU-Kommission genehmigte am Montag in Brüssel Fördermittel und Garantien von Bund und Land in Höhe von 902 Millionen Euro. Es ist das größte Industrieprojekt in Schleswig-Holstein seit Jahrzehnten. “Ich bin sehr, sehr froh, dass dies heute geschieht”, sagte Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei der Verkündung der Entscheidung in Brüssel der Nachrichtenagentur dpa.

    Northvolt wird in der Fabrik im Kreis Dithmarschen ab 2026 Batteriezellen für E-Autos herstellen. Mit dem Werk will sich die deutsche Autoindustrie unabhängiger von bisher dominanten Zulieferern aus Asien und allen voran China machen. Hohe Marktanteile haben etwa die südkoreanischen Elektronikkonzerne Samsung und LG sowie der chinesische Konzern CATL, der seit rund einem Jahr auch in einem Werk in Thüringen produziert.

    Durch die 4,5 Milliarden Euro teure Investition sollen zudem 3.000 Arbeitsplätze entstehen. Bund und Land fördern das Projekt mit rund 700 Millionen Euro. Hinzu kommen Garantien über weitere 202 Millionen Euro. Von den Fördermitteln entfallen etwa 564 Millionen Euro auf den Bund und bis zu 137 Millionen Euro auf das Land. Northvolt selbst habe in das Bauvorhaben bereits rund 100 Millionen Euro an eigenen Mitteln investiert, heißt es. fpe

    • Autoindustrie
    • Batterien
    • E-Autos
    • Technologie

    Hersteller chinesischer E-Autos leiden unter Mangel an Frachtschiffen

    Chinas E-Auto-Produzenten leiden unter einem akuten Mangel an marinen Autofrachtern. Die Branche könne nicht so viele Autos nach Europa exportieren, wie sie wolle, berichtet die Financial Times. Während die Zahl ausgeführter Fahrzeuge nach der Corona-Krise eine Rekordhöhe erreicht hat, bleibt die Anzahl verfügbarer Frachter hinter den Zeiten vor Corona zurück. Damit ergibt sich ein Flaschenhals, der den chinesischen Unternehmen die Dringlichkeit einer globalen Expansion vor Augen führen könnte.

    Die Zahl der weltweit verschifften Autos ist 2023 schätzungsweise um 17 Prozent auf ein Rekordhoch von 23,4 Millionen Fahrzeugen gestiegen, zitiert die Zeitung die Reederei Clarksons. Europäische Importe verzeichneten mit 40 Prozent den größten Anstieg aller Regionen. Die Zahl der Schiffe dagegen liegt zehn Prozent unter der Zahl von 2019.

    Logistik-Unternehmen hatten nach Ausbruch der Krise einerseits Kapazitäten abgebaut, anderseits alte Schiffe ausrangiert, um neue zu bestellen. Viele Neubestellungen würden jedoch erst in zwei oder drei Jahren ausgeliefert. Der Mangel an Schiffen hat auch die Preise für die Transporte nach oben korrigiert. Mit 115.000 US-Dollar pro Schiff pro Tag liegen die Kosten zehn Prozent höher als 2022 und siebenfach über dem Kurs von 2019. grz

    • Autoindustrie
    • Elektrofahrzeuge
    • Elektromobilität
    • Export
    • Handel
    • Logistik

    Nvidia produziert KI-Chips für den chinesischen Markt

    Der US-Chiphersteller Nvidia plant im zweiten Quartal 2024 den Beginn einer Massenproduktion von KI-Chips für den chinesischen Markt. Die Chips mit der Bezeichnung H20, L20 und L2 seien so gebaut, dass sie den verschärften US-Exportvorschriften für China entsprechen, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters am Montag unter Berufung auf mit der Angelegenheit vertraute Personen. Die anfänglichen Lieferungen sollen laut Reuters begrenzt sein und sich vorwiegend auf Bestellungen von Großkunden konzentrieren. US-Hochleistungsprozessoren unterliegen derzeit Sanktionen, die die Ausfuhr in die Volksrepublik verbieten.

    Nvidia setzt auf die Chips, um seinen Marktanteil in China zu sichern und drastische Umsatzeinbußen zu verhindern. Reuters berichtete zuvor unter Berufung auf Quellen, dass chinesische Unternehmen jedoch zögern, die auf eine geringere Rechenleistung herabgestuften Halbleiter aus den USA zu kaufen. Stattdessen setze China verstärkt auf die Entwicklung inländischer Alternativen. Im vergangenen Jahr bestellte so etwa der Tech-Riese Baidu seine KI-Chips vorwiegend bei Huawei Technologies, um sich von Nvidia abzuwenden. rtr

    • Chips
    • Halbleiter
    • Handelspolitik
    • Technologie

    Presseschau

    China will mutmaßlichen MI6-Spion enttarnt haben TAGESSCHAU
    What Xi Jinping”s Purge of Military Elites Means for China NEWSWEEK
    Immobilienkrise in China: Topmanager der Elektroauto-Tochter von Evergrande verhaftet SPIEGEL
    Biden Urged to Curb China’s Dominance of Older-Generation Chips WSJ
    Nvidia expands its reach in China”s EV sector REUTERS
    China cuts tariffs on 143 Argentine agricultural and industrial products amid tense bilateral ties SCMP
    Größter Klimasünder: China kann schon 2024 seine Emissionen senken – obwohl es Kohlekraftwerke baut FR
    How an underground industry is helping record numbers of migrants flee China for the US border CNN

    Heads

    Jaw Shaw-kong – Kandidat mit Charisma und zweifelhafter Vergangenheit

    Jaw Shaw-kong kandidiert für die tendenziell pro-chinesische KMT für das Amt des Vizepräsidenten.

    Als die taiwanische Oppositionspartei Kuomintang (KMT) Ende November Jaw Shaw-kong (andere Schreibweise: Chao Shao Kang) als Vizepräsidentschaftskandidaten für die Wahlen am 13. Januar aufstellte, konnten viele Beobachter mit der Nominierung zunächst wenig anfangen. Jaw, Jahrgang 1950, ist ein alter KMT-Parteikader und war die letzten 20 Jahre über kaum politisch aktiv.

    Doch Jaw schafft es, die traditionelle Wählerbasis der KMT zu mobilisieren. Ob das für einen Wahlsieg reicht, ist jedoch fraglich. In den letzten Umfragen lag die KMT mit ihrem Spitzenkandidaten Hou Yu-ih bei knapp 30 Prozent, und nach einigen Umfragen fast zehn Prozentpunkte hinter der DPP mit dessen Kandidaten William Lai.

    Jaws Bedeutung für die KMT liegt auch in seiner eigenen Familiengeschichte. Sein Vater war ein ehemaliger KMT-Offizier, als diese noch in China regierte. Er kämpfte im Bürgerkrieg gegen Maos Kommunisten, verlor jedoch und floh im Gefolge des damaligen KMT-Führers Chiang Kai-shek nach Taiwan. Ein Jahr später wurde Jaw in Keelung im Nordosten Taiwans geboren. Er gehört damit zu den rund 15 Prozent der taiwanischen Bevölkerung, deren Familien nach dem Bürgerkrieg nach Taiwan kamen. Bis heute bildet diese Gruppe den Kern der KMT-Anhängerschaft. Hou Yu-ih stammt dagegen aus einer Familie, die bereits über Jahrhunderte in Taiwan verwurzelt war. Jaw steht also für den Teil der KMT-Parteibasis, der sich China noch verbunden sieht.

    Jaw wendete sich gegen KMT-Führung

    Für ein Maschinenbaustudium ging Jaw an die renommierte Nationale Taiwan Universität in der Hauptstadt Taipeh. Danach begann er zunächst eine Karriere an der Universität und in der chemischen Industrie. 1987 wurde er Parlamentsabgeordneter für die KMT, in einer Zeit des Übergangs von der KMT-Einparteiendiktatur zur demokratischen Ära.

    1993 wendete sich Jaw gegen die Führung des damaligen KMT-Parteivorsitzenden Lee Teng-hui. Hintergrund war Lees stärkere Betonung einer eigenen taiwanischen Identität und dessen Abkehr von der Doktrin, das chinesische Festland um jeden Preis wieder unter Führung der KMT zurückzuerobern. Jaw forderte damals nach eben dieser Vorstellung die “Wiedervereinigung” mit China. Dieses Ziel war schon zu der Zeit in weite Ferne gerückt, heute erscheint es nur noch wie eine Illusion – und bleibt dennoch weiter Teil der offiziellen Parteiideologie. Die KMT-Führung und Jaw selbst vertreten diese Position mittlerweile jedoch nicht mehr offen.

    Breite Unterstützung für Jaw an der Parteibasis

    Jaw verlor 1994 bei Wahlen zum Bürgermeister Taipehs gegen Chen Shui-bian von der DPP, der später Präsident wurde. Danach trat Jaw viele Jahre vor allem als Medienpersönlichkeit in Erscheinung – als Vorsitzender des Medienkonglomerats Broadcasting Corporation of China (BCC), sowie als Fernseh- und Radiomoderator und Kolumnist.

    Bis heute wird ihm vorgeworfen, er habe die BCC nach dem Ende der Diktatur zu einem unangemessen niedrigen Preis von der KMT übernommen. Die KMT hatte damals einen Großteil des ehemaligen Staatsvermögens in Parteibesitz überführt. Bis heute ist dieser Vorgang Gegenstand öffentlicher Diskussionen und Gerichtsverfahren.

    Dass Jaw nun wieder auf nationaler Ebene für die KMT antritt, ist Ausdruck der strategischen Neuausrichtung seiner Partei: Durch die Präsidentschaftskandidatur Ko Wen-jes von der Taiwanischen Volkspartei ist die Opposition im Wettstreit mit der regierenden DPP zersplittert. Die KMT will nun ihre Kernanhängerschaft hinter sich vereinen, was Jaw deutlich besser gelingt als Hou. Zudem gilt er als charismatischer und führungsstärker als Hou.

    Für mehr Dialog mit China

    Politisch setzt sich Jaw für mehr Dialog und wirtschaftlichen Austausch mit China ein. Noch vor wenigen Monaten forderte er auch die Rückabwicklung der Wehrreform von Präsidentin Tsai Ing-wen. Sie hatte Ende 2022 verkündet, die Pflichtwehrzeit von vier Monaten auf ein Jahr zu verlängern. Von dieser Forderung rückt Jaw im Wahlkampf nun ein Stück ab – Bedingung für eine Rückverkürzung der Wehrzeit sei, dass Chinas Militär aufhöre, in den taiwanischen Luftraum einzudringen.

    Gegenüber der DPP schlägt Jaw jedoch weiterhin martialische Töne an, mit Behauptungen wie “Für die DPP zu stimmen, heißt, die Jugend Taiwans auf das Schlachtfeld zu schicken”. Die KMT schafft es mittlerweile in der öffentlichen Debatte zu großen Teilen, die Präsidentschaftswahl als Richtungsentscheidung zwischen Krieg und Frieden und sich selbst als vermeintlichen Friedensgaranten darzustellen.

    Doch gleichzeitig schreckt diese Rhetorik die Teile der Bevölkerung ab, die überzeugt sind, Taiwan müsse gegenüber China selbstbewusster auftreten, oder für die andere Themen schlicht wichtiger sind. Die Strategie ist riskant: Wenn die KMT mit Jaw keinen Erfolg hat, wäre es für sie nicht nur eine verlorene Wahl. Sie würde auch den Eindruck zementieren, dass sie sich nicht von ihren historischen Wurzeln in der Diktaturzeit lösen kann. Leonardo Pape

    • Taiwan
    • Taiwan-Wahlen
    • Wahlen

    Personalien

    Andy Chiang wird Managing Director für DHL Express Hongkong und Macau sowie zum Mitglied des DHL Express Asia Pacific Management Board. Bislang war Chiang bei dem Expressdienstleister Head of Global Strategic Finance.

    Hanns-Philip Wurster ist seit Januar Managing Director China bei KLS Martin. Für seinen neuen Posten beim baden-württembergischen Medizintechnik-Unternehmen wechselt Wurster von Tuttlingen nach Shanghai.

    Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

    Dessert

    Während die Touristen in Chinas nördlichster Provinz Harbin dick eingepackt Eisskulpturen bewundern, herrscht in der südwestlichen Provinz Yunnan eine ganz andere Winterstimmung. Hier bespritzen sich Besucher der Stadt Jinghong bei 28 Grad Celcius eimerweise mit Wasser. Das jährliche Wasserwerfen ist ein traditionelles Fest der dort ansässigen Dai-Nationalität.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

    Licenses:

      Jetzt kostenlos anmelden und sofort weiterlesen

      Keine Bankdaten. Keine automatische Verlängerung.

      Sie haben bereits das Table.Briefing Abonnement?

      Anmelden und weiterlesen