verteidigen wir etwas, das vielleicht gar nicht mehr sein soll? Der Hamburger Unternehmer Jan Philippi glaubt, dass die Zeit der besonders günstigen Produktion in China vorbei ist. Dabei hat der 61-Jährige noch selbst mit Freude erlebt, wie China aus dem Mao-Schlaf erwacht ist. Er hat das Land seinerzeit zur Produktionsbasis des Design-Herstellers gemacht, der seinen Namen trägt.
Doch nun fürchtet Philippi, der Streit zwischen den großen Volkswirtschaften werde zu weiteren Schwierigkeiten für die Importwirtschaft führen. Die Lieferengpässe wegen Covid sind nur der Anfang eines längeren Trends zur Abkopplung, fürchtet Philippi im Gespräch mit Felix Lee. Die Folge: Statt sich mit Massen von Billigartikeln einzudecken, werden die Verbraucher teurere Produkte kaufen (müssen), die sie dann vielleicht mehr wertschätzen. Wie früher, als die Ware noch aus Europa kam.
Welche Energiequelle für Autos macht das Rennen? Diese Frage betrifft nicht nur das große Thema Wasserstoff gegen Batterie. Auch innerhalb der Welt der Akkus gibt es unterschiedliche Standards und Technologien. Zwischen Deutschland und China herrschte hier auch eine Meinungsverschiedenheit in der Einschätzung der Idee von Batteriewechselstationen. Die deutschen Hersteller haben den Vorgang als fehleranfällig und unnötig bezeichnet, schließlich gibt es auch Möglichkeiten zur schnellen Ladung.
Frank Sieren analysiert für uns, warum chinesische Anbieter wie Nio gute Erfahrungen mit dem Batteriewechsel machen. Das E-Auto lässt sich damit innerhalb von Sekunden “auftanken” – und das abnehmende Fassungsvermögen der Batterie ist nicht mehr die Sorge des Kunden.
Herr Philippi, es sind schöne Dinge, die Sie auf Ihrer Webseite anbieten. Wie viel davon kommt aus China?
Vor Beginn der Pandemie lag der Anteil aus China bei etwa 70 bis 75 Prozent. Wir liegen jetzt vielleicht noch bei 55 bis 60 Prozent, Tendenz fallend. Leider.
Der Grund für den Rückgang liegt in den Reisebeschränkungen infolge der Pandemie und den Lockdowns in chinesischen Städten?
Ja, die Erfahrungen, die wir in den letzten zwei Jahren machen mussten, waren nicht die besten.
Inwiefern?
Es kommen verschiedene Probleme zusammen. Wir sind ein Design-Unternehmen. Unsere Designer hier in Hamburg entwerfen die Produkte. Auch die Prototypen entstehen zum Teil hier. Dann geben wir die Entwürfe chinesischen Produzenten, die die Ware für uns dann herstellen. Das sind sehr unterschiedliche Hersteller. Ich bin in den vergangenen 30 Jahren regelmäßig nach China gereist, um sie auszuwählen und mit ihnen die Details zu besprechen. Durch die massiven Reisebeschränkungen der vergangenen zwei Jahre klappt dieses Prozedere nicht mehr. Uns fehlen die engen und persönlichen Absprachen mit unseren chinesischen Partnern.
Können die modernen Kommunikationswege den fehlenden persönlichen Kontakt nicht ausgleichen?
Wir sind für unsere chinesischen Geschäftspartner kein riesiger Kunde. Wir verkaufen Waren im hochklassigen Design. Produkte, die wir herstellen lassen, kaufen wir in China für 30 oder 35 Euro ein, die unsere Kunden nachher für 200 Euro oder mehr verkaufen. Die meisten chinesischen Hersteller, mit denen wir zusammenarbeiten, beliefern Großkunden, die Waren im Wert von drei Euro im Einkauf bestellen, dafür aber in riesigen Mengen. Für uns arbeiten unsere chinesischen Partner, weil sie Lust und Spaß mit unseren Designprodukten haben. Vor der Pandemie bin ich regelmäßig nach China gereist und habe unsere Projekte direkt mit den chinesischen Partnern besprochen. Oder wir haben uns auf der Canton-Messe getroffen. Dort habe ich ihnen auf meinem Pad dann unsere Entwürfe gezeigt und sie gefragt, zu welchen Projekten sie Lust haben.
Per Mail lässt sich keine Zusammenarbeit vereinbaren?
Wenn ich per Mail irgendjemanden in China meine Entwürfe schicke, besteht die Gefahr, dass mein geistiges Eigentum gleich weg ist. Zudem ist es wichtig, dass ich einen Eindruck von der Firma erhalte, mit der wir zusammenarbeiten. Wenn ich etwa erfahre, dass sie auch für Aldi und Lidl produziert, weiß ich gleich, dass ich mit dieser Fabrik nicht mehr viel anfangen kann. Sie produzieren 100.000 Stück von einer Sache und möglichst billig. Ich brauche aber nur 1.000 Stück von einer Ware – das aber in sehr guter Verarbeitung.
Schauen Sie sich nach Alternativen um?
Ja, das tun wir. Wir machen deutlich mehr in Indien. Wir sind jetzt auch eher versucht, mehr dekorative Gegenstände in Auftrag zu geben und nicht mehr so viel Nutzgegenstände etwa für den Haushalt, wie wir sie aus China lange Zeit bezogen haben.
Was sind denn die Vorteile Chinas, die andere Länder nicht haben?
Da ist zum einen die Infrastruktur. China hat extrem viel in den Ausbau gesteckt. Kaum ein anderes Land kann da mithalten. Zudem konnte ich mich stets auf meine chinesischen Partner verlassen. Das mag auch an meinen persönlichen Präferenzen liegen. Aber ich kann meine chinesischen Geschäftspartner besser einschätzen.
Dafür sind die Kosten in China aber deutlich gestiegen.
Ja, China ist für uns auch vor der Pandemie schon deutlich teurer geworden. Das ist der Lauf der Dinge. Mit den Reformen unter Deng Xiaoping hatte China für große Veränderungen in unserem Konsumverhalten gesorgt. Deutschland war ja einmal in der Porzellanindustrie führend. Wenn ich eine Tasse kaufte, kostete sie mich nach heutigen Maßstäben 20 Euro. Dann kam China und bei Ikea kostete eine Tasse plötzlich nur noch zwei Euro. Plötzlich haben sich die Leute ganz viele Tassen gekauft und nicht nur sechs. Mit China als Werkbank war alles deutlich billiger geworden, die Dinge wurden aber auch weniger wertgeschätzt. Jetzt fällt es unserer Gesellschaft natürlich schwer zu akzeptieren, dass die Preise wieder steigen.
Wegen der gestörten Lieferketten.
Ja, es fing mit den hohen Container-Preisen und den Transportkosten an, einhergehend mit höheren Rohmaterial-Preisen. Aluminium ist jetzt zweieinhalbmal so teuer wie noch vor zwei Jahren, der Preis für Edelstahl ist doppelt so hoch. Und auch die Papierpreise haben sich auch verdoppelt. Darauf können wir nur wenig verzichten. Denn gerade, weil unsere Produkte häufig als Geschenkartikel dienen, muss die Ware auch schön verpackt sein.
Wie sehr trifft Sie in dieser Lage speziell der Shanghai-Lockdown?
Wir stehen täglich per Wechat im Kontakt mit unseren chinesischen Partnern. Wenn wir jetzt eine neue Bestellung abgeben, müssen wir mit mindestens 10 bis 20 Prozent zusätzlichen Kosten rechnen. Die Fabriken haben zudem Probleme, an Rohmaterial heranzukommen, weil Lkws an Sperren festhängen. Das kann irgendwo im Land sein. Und wir hören, dass unsere Hersteller nicht genügend Arbeitskräfte haben, weil Mitarbeiter nicht in die Fabriken kommen können. Das verschärft die Lieferengpässe ebenfalls.
Was heißt das konkret für Ihre Firma?
Wenn wir früher mit zwei Monaten Produktions- und Lieferzeit kalkuliert haben, rechnen wir nun mit vier bis sechs Monaten. Vor der Pandemie funktionierte China wie ein Uhrwerk. Diese Präzision ist total raus. Alles ist aus dem Takt geraten. Mit Chinas strenger Zero-Covid-Strategie kann es jederzeit wieder zu Lockdowns mit Auswirkungen auf die Lieferketten kommen.
Was heißt das für Ihr Weihnachtsgeschäft?
Aus den schlechten Erfahrungen der vorangegangen zwei Jahre haben wir gelernt und dieses Mal schon im Januar bestellt. Wir haben versucht, unser Lager so vollzufüllen wie möglich. Theoretisch sollte die Ware längst eingetroffen sein, ist sie aber nicht. Wir hoffen, dass wir die Waren bis September fürs Weihnachtsgeschäft beisammen haben. Das heißt aber auch, dass wir überhaupt nicht flexibel reagieren können. Früher haben wir geschaut, welche Produkte sich besonders gut verkaufen und konnten im April/ Mai noch mal nachproduzieren lassen.
Werden Sie die höheren Kosten an Ihre Kunden weitergeben?
Beides. Leider. Je nach Größe der Artikel haben wir die Preise zwischen 10 und 25 Prozent erhöht. Bei ganz großen Teilen, wie etwa Windlichtern, haben wir die Produktion ganz eingestellt. Unsere Gewinnmarge ist auch deutlich kleiner geworden. Wir haben bei den Verkaufsempfehlungen zudem unsere Händler gebeten, solange die Frachtraten so hoch sind, auf einen kleinen Teil ihrer Marge zu verzichten.
Ist die Pandemie nur ein Vorgeschmack dessen, was mit Handelskrieg, Lieferkettengesetz und Forderungen auch hierzulande nach einer stärkeren Entkopplung von China noch bevorsteht?
Ich glaube schon. Natürlich schauen wir uns um, wie wir von China unabhängiger werden können. Wir gucken in Indien, natürlich auch in Europa. Solange die Zeiten unsicher sind, haben wir keine riesigen Expansionspläne und treiben auch kaum was voran, weil wir überhaupt nicht wissen, was uns noch bevorsteht.
Was heißt das für Sie persönlich?
Ich gehöre zu den Glücklichen, die miterleben durften, wie China aus dem Mao-Schlaf erwacht war und wirtschaftlich aufgestiegen ist. Diese Euphorie ist leider raus. Jetzt befinden wir uns in einer Situation, wo wir bloß noch versuchen, das zu verteidigen, was vielleicht gar nicht mehr sein soll. Das ist schon ein blödes Gefühl.
Jan Philippi, (61), ist Betreiber der Design-Schmiede Philippi, die er 1992 gegründet hat. Das Unternehmen importiert in Hamburg designte Artikel, von denen viel in China und anderswo hergestellt sind.
Der automatische Batteriewechsel bei Elektroautos funktioniert im chinesischen Alltag schon ganz gut. Beispiel Nio: Die Autos fahren selbsttätig in eine Art Garage. Dort wird das Batteriefach durch Roboter von unten her geöffnet, die entladene Einheit entnommen und eine volle Batterie eingeschoben. Der Vorgang dauert nur acht Minuten, also nicht länger als früher das Tanken an der Tankstelle. Die Passagiere können beim Batteriewechsel im Auto bleiben – das ist ein Fortschritt gegenüber den ersten Prototypen.
Anders als in Deutschland, wo die Industrie den Batterietausch als zu kompliziert abgetan hat, ist die Technologie fester Teil der chinesischen Strategie. Die Regierung hat sie 2020 zu einem zentralen Punkt in der Neuaufstellung des Fahrzeugsektors erklärt. Die Pläne sind ehrgeizig. Bis 2025 soll die Zahl der Wechselstationen 26.000 erreichen. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es 14.000 Tankstellen.
Es handelt sich hier wohlgemerkt nicht um das einzige Standbein der chinesischen Mobilitätspläne. Auch fest verbaute Akkus und Brennstoffzellen sind weiter im Rennen. China testet aus, was sich bewährt, statt sich zu früh festzulegen. Peking hat jedoch zwei gute Gründe, auch den Akku-Wechsel weiterzuverfolgen. Das Batteriewechsel-Modell macht die Autos einerseits deutlich billiger. Und andererseits braucht nicht jeder Abstellplatz eine Lademöglichkeit. Beides vereinfacht und beschleunigt die Elektrifizierung des Fahrens.
Die Autos mit Wechselbatterie können günstiger angeboten werden, weil die Kunden die Batterie nicht gleich mit dem Fahrzeug zusammen kaufen. Stattdessen mieten sie den Energiespeicher für eine monatliche Gebühr. Sie erhalten ja keine eigene Batterie, sondern bekommen alle paar hundert Kilometer eine andere. Der Preis der Batterie kann jedoch je nach Modell die Hälfte der Kosten ausmachen.
Außerdem macht die Technik das E-Auto dann auch für Menschen interessant, die in alten Wohnblöcken wohnen, die nicht über eine Tiefgarage verfügen. Deren Autos parken meist an der Straße. Dort ist es vergleichsweise teuer, Ladestationen aufzubauen, während dies in den Tiefgaragen der neuen Hochhäuser vergleichsweise einfach ist.
Die Technik ist allerdings vor allem dann sinnvoll, wenn die meisten Autotypen die gleiche Wechselstation nutzen können. Dazu müssten alle Batterien ähnlich sein und an einer ähnlichen Stelle in einer ähnlichen Konstruktion im Auto untergebracht werden. Noch gibt es keine Verordnung, die alle Anbieter zu einer kompatiblen Lösung zwingt. Die Regierung will die Ergebnisse der Testphase noch abwarten.
Doch sobald die Vereinheitlichung kommt, befinden sich auch die deutschen Anbieter unter Handlungsdruck. Der Umstellungsaufwand wäre enorm. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass Peking die Autohersteller zur Teilnahme zwingen wird, genau wie man die internationale Autoindustrie gegen deren Willen gezwungen hat, mehr E-Autos zu bauen.
Die Regierung wirkt derweil bereits auf die Schaffung eines chinesischen Standards hin. Das Finanzministerium hat bereits 2020 beschlossen, dass E-Autos, die den Batteriewechsel beherrschen, Staatszuschüsse bekommen. Und ein Jahr später hat die Regierung ein Pilotprojekt gestartet, bei dem in der ersten Phase 1.000 Stationen in elf Städten gebaut werden, die die Batterien von 100.000 Fahrzeugen austauschen können.
Die beiden Unternehmen Nio (938 Stationen) und Aulton New Energy (434 Stationen) sind bisher führend. Die Zahl der Stationen hat sich zuletzt jährlich verdoppelt. Peking, die Stadt in China mit den meisten Wechselplätzen, hat immerhin inzwischen 265. Landesweit will Nio allein in diesem Jahr noch auf 1.300 Stationen kommen. Danach sollen in den kommenden vier Jahren 600 neue Stationen hinzukommen.
Städte und Provinzen wie Chongqing und Henan buhlen bereits mit Subventionen um die Hersteller solcher Stationen. Auch das ist ein Zeichen, dass es ein großes Interesse an diesem Thema gibt. Allein Chongqing mit rund 30 Millionen Einwohnern will bis 2023 bis zu 200 neue Stationen bauen und 11.000 entsprechende E-Autos auf die Straße bringen.
Der Aufwand geht allerdings ins Geld. Bisher kostete es mehrere Hunderttausend Euro, eine Wechselstation zu errichten. Die konkurrierende Technik des normalen Aufladens kommt daher schneller voran. China verfügt inzwischen über mehr als 1,2 Millionen konventionelle Ladestationen.
Dennoch sollten auch deutsche Anbieter die Technik im Blick behalten. Ob es der deutschen Industrie gefällt oder nicht: China mit seinem großen Markt und seinen schnellen Fortschritten ist inzwischen der Taktgeber für solche Standards. Wenn sich der Batteriewechsel in China durchsetzt, müssten die deutschen Anbieter mitziehen. Schließlich werden auf kurz oder lang alle Autos elektrisch. Wenn Modelle, die sich in China verkaufen lassen, den Akku-Wechsel beherrschen, dann hätte es wenig Sinn, in Europa andere Autos anzubieten.
Zudem würden die Stationen auch durch die chinesische Massenproduktion dann deutlich billiger werden. Die Chinesen haben im vergangenen Jahr 3,3 Millionen Elektroautos gekauft, mehr als in Europa und den USA zusammen. Zudem wächst der Markt weiterhin schnell (China.Table berichtete): Zwischen Januar und April dieses Jahres wurden allein anderthalb Millionen E-Autos verkauft – trotz Lockdowns.
Die Befürchtung mancher Analysten, China werde sich mit der Wechseltechnik isolieren und die “Globalisierung der chinesischen E-Auto-Industrie zum Entgleisen bringen”, ist insofern nicht sehr realistisch. Im Gegenteil: Die Tests in China sind auch relevant für Deutschland. Es wäre riskant, die globale Durchsetzungskraft des chinesischen Marktes zu unterschätzen.
Chinas Batteriehersteller, die wegen ihrer Innovationskraft bei Peking hoch im Kurs stehen, setzen sich stark für den Batteriewechsel ein. Der Grund ist einfach: Wenn an jeder Station genügend aufgeladene Batterien zur Verfügung stehen müssen, braucht man bei diesem Verfahren im Gesamtmarkt besonders viele Akkus. CATL, der global führende Anbieter, mischt daher bereits im Markt mit. Im Januar dieses Jahres hat er ein eigenes Batterietausch-System namens Evogo vorgestellt.
Die Abhängigkeit des Westens von China könnte durch die Technik indessen steigen. Denn die Bodenschätze zur Batterie-Herstellung befinden sich unter chinesischer Kontrolle. China kontrolliert derzeit 60 Prozent der weltweiten Lithiumherstellung, 65 Prozent des Kobalts, 35 Prozent der Nickelproduktion und 85 Prozent der Seltenen Erden.
Stolze 600 Milliarden Dollar – auf diese Summe für ein umfassendes Investitionsprogramm für Entwicklungsländer haben sich die G7-Staaten geeinigt, um Chinas Seidenstraßen-Initiative und Pekings wachsendem weltweitem Einfluss entgegenzutreten. Der Betrag soll in den kommenden fünf Jahren “mobilisiert” werden, um Infrastrukturprojekte in ärmeren Ländern zu finanzieren, teilte US-Präsident Joe Biden auf dem G7-Gipfel in Schloss Elmau mit. Die Initiative mit dem Namen “Partnerschaft für Globale Infrastruktur” solle “hochwertige und nachhaltige Infrastruktur ermöglichen”, versprach er.
Alleine die USA wollten dafür in den kommenden fünf Jahren 200 Milliarden Dollar in Bewegung setzen. Zustande kommen solle der Betrag durch eine Kombination aus Krediten, staatlicher Finanzierung und privatem Kapital. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte an, dass das “Team Europe” 300 Milliarden Euro bereitstellen werde. “Wir müssen als Demokratien unsere gemeinsamen Kräfte bündeln”, sagte sie. Japan bot 65 Milliarden Dollar auf. Es handelt sich hier um die Konkretisierung eines Beschlusses vom vergangenen Jahr, als die G7 eine Gegeninitiative zu Chinas Aktivitäten angekündigt haben (China.Table berichtete).
Die westlichen Industriestaaten haben die vergangenen Jahre mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen auf Chinas Seidenstraßen-Initiative (Belt-and Road Initiative) geschaut. Rund eine Billion US-Dollar an Mitteln hat die chinesische Regierung in Richtung der Partnerländer gelenkt. Auch hier handelt es sich jedoch nicht nur um eigene Finanzierungen, sondern um einen Mix verschiedener Geldquellen. Im Ergebnis hat China innerhalb eines Jahrzehnts Straßen, Schienen, Häfen und Kraftwerke entstehen lassen. Die Empfängerländer liegen vor allem in Zentralasien, Afrika und Lateinamerika. Nun hat die G7 ein Gegenprogramm. flee
Staatspräsident Xi Jinping besucht zum 25. Jahrestag der Übergabe Hongkongs an China das chinesische Sonderverwaltungsgebiet. Bei dem Besuch am 1. Juli werde Xi zudem an der Feier zur Amtseinführung der neuen Hongkonger Regierung teilnehmen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua. Der Besuch ist Xis erste Reise außerhalb des chinesischen Festlands seit Beginn der Corona-Pandemie. Xi wird zudem an der Feier zur Amtseinführung des neuen Hongkonger Regierungschefs John Lee teilnehmen. Xi hatte 2017 auch dem Amtsschwur von Carrie Lam persönlich beigewohnt. ari/rtr
Wang Xiaohong wird neuer Minister für Öffentliche Sicherheit und damit eine der mächtigsten Personen im chinesischen Staat. Die Personalie wurde am Freitag durch den Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses bestätigt. Das berichtet die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua etwas beiläufig, inmitten einer Liste von Personalentscheidungen. Wang ist ein Vertrauter von Machthaber Xi Jinping. Er war zuvor Vizeminister im gleichen Haus. Über den Verbleib von Amtsinhaber Zhao Kezhi (69) wird nichts gesagt. Gleich zu Wangs Amtsantritt am 25. Juni kündigte das Ministerium eine “hunderttägige Sommer-Sonderaktion mit einem harten Schlag zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung” (夏季治安打击整治百日行动) an.
Das Ministerium für Öffentliche Sicherheit (公安部) ist die Spitze des Polizeiapparats der chinesischen Zentralregierung (Public Security Bureau, PSB). Das PSB ist dabei weniger für die üblichen Polizeiaufgaben zuständig – die erledigen die Beamten auf Provinz- und Kreisebene. Es soll in erster Linie für Ruhe im Land sorgen und dem Staat einen Informationsvorsprung sichern. Zuletzt war das Ministerium in der westlichen Öffentlichkeit aufgetaucht, weil sich seine Teilnahme am Betrieb von Umerziehungslagern in Xinjiang nachweisen ließ. fin
Ein Testwagen des E-Auto-Anbieters Nio ist aus dem dritten Stock eines Firmengebäudes gestürzt. Ein Digitalexperte des Unternehmens und ein Techniker eines Partnerunternehmens starben dabei, teilte das Unternehmen mit. Nio kooperiere mit der Polizei auf der Suche nach der Unfallursache. Der Sturz sei nicht durch das Auto verursacht worden. Es handelt sich um ein Exemplar des neuen selbstfahrenden Elektroautos von Nio. fin
Huawei beteiligt sich am Ausbau der Kommunikationsinfrastruktur in Kenia. Die Kommunikationsbehörde des ostafrikanischen Landes gab die Kooperation mit dem chinesischen Telekommunikationsriesen am Donnerstag bekannt, wie lokale Medien berichteten. Die Zusammenarbeit dort gilt ab sofort und soll alle fünf Jahre erneuert werden. Laut Ezra Chiloba, Generaldirektor der kenianischen Kommunikationsbehörde, umfasst die Vereinbarung die Einführung neuer fortschrittlicher Technologien im Land, Schulungen zu Künstlicher Intelligenz und Cybersicherheit sowie die Einführung und den Ausbau des 5G-Netzes. ari
Zhuo Dan Ting geht anderen Menschen unter die Haut. Sie ist Tätowiererin aus Leidenschaft und war eine der Ersten, die das Tätowieren in China populär machten. 2007 eröffnete sie ihr Studio in Shanghai – mittlerweile betreibt sie ein Studio gemeinsam mit ihrem Mann in der kalifornischen Stadt Folsom. Dort wartet man mehr als ein Jahr auf einen Termin.
Obwohl mittlerweile zum Mainstream avanciert, sind Tattoos dem chinesischen Staat ein Dorn im Auge. Die chinesische Sportbehörde etwa verlangt von Fußballnationalspielern inzwischen, ihre Tattoos entfernen zu lassen und fordert, dass sie sich keine neuen stechen lassen. Bereits zuvor waren die Spieler angehalten, ihre Tattoos abzudecken. Dies gilt auch für andere Personen der Öffentlichkeit. Tattoos passen nicht zu den chinesischen Traditionen und Werten, heißt es.
Ting selbst ist von Tattoos bedeckt – mehr als 20 Künstler haben sich auf ihrer Haut verewigt. Ursprünglich stammt sie aus Harbin, wo sie das Tätowieren begann. Ein befreundeter Tätowierer weckte das Interesse an der Kunst auf der Haut. Also stellte sie Nachforschungen an und brachte sich das Tätowieren selbst bei. Ihre ersten Versuche begannen auf Schweinehaut. Erstaunlich schnell stellten sich Freunde zur Verfügung, von Tings Farbnadel geschmückt zu werden. “Und wir sind immer noch Freunde”, sagt sie lachend.
In dieser Zeit begann das Tätowieren in Nordchina gerade erst. “Es gab kein professionelles Tattoo-Studio, es gab vielleicht einen Friseursalon, der Tattoos macht, vielleicht die Augenbrauen als Tattoos.” Der Trend startete um 2001 mit ersten Läden in den großen Städten Chinas. Wie etwa in Shanghai, wo auch Ting ihr erstes Studio eröffnete, nachdem sie mit der Nachfrage in ihrer eigenen Wohnung nicht mehr hinterhergekommen war.
Zeitgleich wurden die Bilder auf der Haut gesellschaftlich anerkannter. Dies sei nicht zuletzt David Beckham zu verdanken, der in China beliebt ist: “Er ist berühmt, er sieht gut aus und er hat eine Menge Tattoos. Er hat definitiv einen großen Teil des Marktes in Bewegung gebracht.”
Früher waren Tattoos eher verrufen: “Wenn du ein Mann warst, brachten sie dich mit einem Gangster oder dem kleinen Mann ohne Job auf der Straße in Verbindung. Bei Frauen fingen die Leute automatisch an, sich Sorgen um dich zu machen: Wie sollst du einen Mann finden? Wie kannst du später heiraten?”
Im Vergleich zu US-Amerikanern seien die Chinesen noch heute ein wenig zurückhaltender, wenn es um Tattoos gehe: “Wenn sich Menschen in China tätowieren lassen, denken sie immer noch darüber nach: Was ist, wenn mein Mann es nicht mag? Was ist, wenn meine Frau etwas sagt? Was ist, wenn meine Eltern etwas sagen, mein Chef?”
Tings Ehemann Joshua, ein Musiker, hat auch Erfahrungen mit der Zensur wegen seiner Tattoos: “Als sie auf einem Festival im Freien spielten, mussten sie die Tattoos abdecken und konnten sie nicht wirklich zeigen – ich finde das ziemlich doof.” Juliane Scholübbers
Paul Gao, bisher Hongkonger McKinsey-Manager, wird neuer Chief Strategy Officer bei Mercedes-Benz. Die Position wurde bei dem schwäbischen Autobauer neu geschaffen. Gao übernimmt sie am 1. Juli.
Anders Kristiansen wechselt von der Bestseller Fashion Group China in Tianjin als neuer Geschäftsführer zu der britischen Modekette New Look.
Der bekannte Pekinger Jurist Zhang Sizhi ist gestorben. Er wurde 94 Jahre alt. Zhang leitete einst das Team der Verteidigung in den historischen Prozessen gegen die “konterrevolutionäre” Viererbande 1980.
Hitzewelle, der Schweiß perlt aus allen Poren und mal wieder kein klimatisierter Raum in Reichweite? Warum zur Abkühlung nicht mal am Shanghaier Pearl Tower knabbern? Oder am Pekinger Himmelstempel? Oder vielleicht genüsslich die berühmten Mogao-Grotten in Dunhuang abschlecken? In China gibt es berühmte Sehenswürdigkeiten jetzt auch in Vanille, Erdbeere und Traube-Rum. Bereits im vergangenen Jahr ging stilvolles Eis am Stiel – auf Chinesisch als “Eisstock” 冰棍儿 bīnggùr oder auch “Schneekuchen” 雪糕 xuěgāo bezeichnet – in allen möglichen Varianten viral. Und auch in diesem Sommer schlemmen die Chinesen wieder Social-Media-tauglich Miniaturkulturgüter aus der Tiefkühltruhe. Kleiner Eiskunstlauf durch die berühmtesten Sehenswürdigkeiten am Stiel gefällig? Hier kommen einige Stars der Szene!
Die Hauptstadt Beijing zum Beispiel hat gleich mehrere Sightseeing-Spots in Eis gegossen. So gibt es etwa den berühmten Himmelstempel (天坛 tiāntán) zum Anbeißen in Pistazie, Mango, Beerenmix, Schoko oder Sahne. In der Verbotenen Stadt (故宫 gùgōng) kann man den grimmigen Wächterlöwen gefahrlos an der Matcha-Mähne mümmeln. Und im Alten Sommerpalast (圆明园 yuánmíngyuán) locken Eislotusblumen mit Rosen-, Erdbeer-, Traube-Rum und natürlich Lotusblütengeschmack. Im Hauptstadtmuseum (首都博物馆 shǒudū bówùguǎn) beißen Besucher derweil auf Bronzegefäße, die sich zum Glück als geschmeidige Grüntee-Eiscreme entpuppen.
Auch andere Metropolen lassen sich nicht lumpen. In Shanghai schleckt man am futuristischen Fernsehturm (东方明珠 dōngfāng míngzhū) in Vanille oder Schoko, in Guangzhou am Canton Tower (广州塔 guǎngzhōutǎ) – den gibt es für Traditionalisten in Erdbeere oder für Hipster in Käsekuchen-Meersalz. Am Hangzhouer Westsee (西湖 xīhú) wird das Eiserlebnis dann interaktiv. Hier können Reisende Partner-Eis zur einer Brückenform zusammensetzen – in Anspielung auf die berühmte klassische Liebesgeschichte, die sich rund um den Westsee abgespielt und bei der die Turteltauben an einer Brücke zusammengefunden haben sollen.
Ihnen ist das jetzt alles zu kitschig? Kein Problem. Die Kühltruhen im Reich der Mitte haben auch für Abenteuerhungrige und Draufgänger Kulinarisches auf Lager – nämlich Speiseeis mit Mutproben-Faktor. Kostprobe gefällig? Dann stimulieren Sie beim nächsten Chinabesuch ihre Geschmacksknospen doch einfach mal mit Eis am Stiel in den Varianten Reisschnaps (白酒 báijiǔ), Durianfrucht (榴莲 liúlián), Eigelb (蛋黄 dànhuáng), Frühlingszwiebel-Pfannkuchen (葱锋饼 cōngfēngbǐng) oder Wasabi (芥末 jièmò). Und wenn Sie auch das in hitzigen Sommertagen noch nicht vom klebrigen Bürohocker haut, hätten die Chinesen noch die Geschmacksrichtungen Tintenfisch (鱿鱼 yóuyú), Fleischwatte (肉松 ròusōng) und Stinketofu (臭豆腐 chòudòufu) in petto. Na bitte! Spätestens jetzt dürfte es doch dem einen oder anderen kalt den Rücken runterlaufen. Kühlmission also erfolgreich erfüllt.
Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.
verteidigen wir etwas, das vielleicht gar nicht mehr sein soll? Der Hamburger Unternehmer Jan Philippi glaubt, dass die Zeit der besonders günstigen Produktion in China vorbei ist. Dabei hat der 61-Jährige noch selbst mit Freude erlebt, wie China aus dem Mao-Schlaf erwacht ist. Er hat das Land seinerzeit zur Produktionsbasis des Design-Herstellers gemacht, der seinen Namen trägt.
Doch nun fürchtet Philippi, der Streit zwischen den großen Volkswirtschaften werde zu weiteren Schwierigkeiten für die Importwirtschaft führen. Die Lieferengpässe wegen Covid sind nur der Anfang eines längeren Trends zur Abkopplung, fürchtet Philippi im Gespräch mit Felix Lee. Die Folge: Statt sich mit Massen von Billigartikeln einzudecken, werden die Verbraucher teurere Produkte kaufen (müssen), die sie dann vielleicht mehr wertschätzen. Wie früher, als die Ware noch aus Europa kam.
Welche Energiequelle für Autos macht das Rennen? Diese Frage betrifft nicht nur das große Thema Wasserstoff gegen Batterie. Auch innerhalb der Welt der Akkus gibt es unterschiedliche Standards und Technologien. Zwischen Deutschland und China herrschte hier auch eine Meinungsverschiedenheit in der Einschätzung der Idee von Batteriewechselstationen. Die deutschen Hersteller haben den Vorgang als fehleranfällig und unnötig bezeichnet, schließlich gibt es auch Möglichkeiten zur schnellen Ladung.
Frank Sieren analysiert für uns, warum chinesische Anbieter wie Nio gute Erfahrungen mit dem Batteriewechsel machen. Das E-Auto lässt sich damit innerhalb von Sekunden “auftanken” – und das abnehmende Fassungsvermögen der Batterie ist nicht mehr die Sorge des Kunden.
Herr Philippi, es sind schöne Dinge, die Sie auf Ihrer Webseite anbieten. Wie viel davon kommt aus China?
Vor Beginn der Pandemie lag der Anteil aus China bei etwa 70 bis 75 Prozent. Wir liegen jetzt vielleicht noch bei 55 bis 60 Prozent, Tendenz fallend. Leider.
Der Grund für den Rückgang liegt in den Reisebeschränkungen infolge der Pandemie und den Lockdowns in chinesischen Städten?
Ja, die Erfahrungen, die wir in den letzten zwei Jahren machen mussten, waren nicht die besten.
Inwiefern?
Es kommen verschiedene Probleme zusammen. Wir sind ein Design-Unternehmen. Unsere Designer hier in Hamburg entwerfen die Produkte. Auch die Prototypen entstehen zum Teil hier. Dann geben wir die Entwürfe chinesischen Produzenten, die die Ware für uns dann herstellen. Das sind sehr unterschiedliche Hersteller. Ich bin in den vergangenen 30 Jahren regelmäßig nach China gereist, um sie auszuwählen und mit ihnen die Details zu besprechen. Durch die massiven Reisebeschränkungen der vergangenen zwei Jahre klappt dieses Prozedere nicht mehr. Uns fehlen die engen und persönlichen Absprachen mit unseren chinesischen Partnern.
Können die modernen Kommunikationswege den fehlenden persönlichen Kontakt nicht ausgleichen?
Wir sind für unsere chinesischen Geschäftspartner kein riesiger Kunde. Wir verkaufen Waren im hochklassigen Design. Produkte, die wir herstellen lassen, kaufen wir in China für 30 oder 35 Euro ein, die unsere Kunden nachher für 200 Euro oder mehr verkaufen. Die meisten chinesischen Hersteller, mit denen wir zusammenarbeiten, beliefern Großkunden, die Waren im Wert von drei Euro im Einkauf bestellen, dafür aber in riesigen Mengen. Für uns arbeiten unsere chinesischen Partner, weil sie Lust und Spaß mit unseren Designprodukten haben. Vor der Pandemie bin ich regelmäßig nach China gereist und habe unsere Projekte direkt mit den chinesischen Partnern besprochen. Oder wir haben uns auf der Canton-Messe getroffen. Dort habe ich ihnen auf meinem Pad dann unsere Entwürfe gezeigt und sie gefragt, zu welchen Projekten sie Lust haben.
Per Mail lässt sich keine Zusammenarbeit vereinbaren?
Wenn ich per Mail irgendjemanden in China meine Entwürfe schicke, besteht die Gefahr, dass mein geistiges Eigentum gleich weg ist. Zudem ist es wichtig, dass ich einen Eindruck von der Firma erhalte, mit der wir zusammenarbeiten. Wenn ich etwa erfahre, dass sie auch für Aldi und Lidl produziert, weiß ich gleich, dass ich mit dieser Fabrik nicht mehr viel anfangen kann. Sie produzieren 100.000 Stück von einer Sache und möglichst billig. Ich brauche aber nur 1.000 Stück von einer Ware – das aber in sehr guter Verarbeitung.
Schauen Sie sich nach Alternativen um?
Ja, das tun wir. Wir machen deutlich mehr in Indien. Wir sind jetzt auch eher versucht, mehr dekorative Gegenstände in Auftrag zu geben und nicht mehr so viel Nutzgegenstände etwa für den Haushalt, wie wir sie aus China lange Zeit bezogen haben.
Was sind denn die Vorteile Chinas, die andere Länder nicht haben?
Da ist zum einen die Infrastruktur. China hat extrem viel in den Ausbau gesteckt. Kaum ein anderes Land kann da mithalten. Zudem konnte ich mich stets auf meine chinesischen Partner verlassen. Das mag auch an meinen persönlichen Präferenzen liegen. Aber ich kann meine chinesischen Geschäftspartner besser einschätzen.
Dafür sind die Kosten in China aber deutlich gestiegen.
Ja, China ist für uns auch vor der Pandemie schon deutlich teurer geworden. Das ist der Lauf der Dinge. Mit den Reformen unter Deng Xiaoping hatte China für große Veränderungen in unserem Konsumverhalten gesorgt. Deutschland war ja einmal in der Porzellanindustrie führend. Wenn ich eine Tasse kaufte, kostete sie mich nach heutigen Maßstäben 20 Euro. Dann kam China und bei Ikea kostete eine Tasse plötzlich nur noch zwei Euro. Plötzlich haben sich die Leute ganz viele Tassen gekauft und nicht nur sechs. Mit China als Werkbank war alles deutlich billiger geworden, die Dinge wurden aber auch weniger wertgeschätzt. Jetzt fällt es unserer Gesellschaft natürlich schwer zu akzeptieren, dass die Preise wieder steigen.
Wegen der gestörten Lieferketten.
Ja, es fing mit den hohen Container-Preisen und den Transportkosten an, einhergehend mit höheren Rohmaterial-Preisen. Aluminium ist jetzt zweieinhalbmal so teuer wie noch vor zwei Jahren, der Preis für Edelstahl ist doppelt so hoch. Und auch die Papierpreise haben sich auch verdoppelt. Darauf können wir nur wenig verzichten. Denn gerade, weil unsere Produkte häufig als Geschenkartikel dienen, muss die Ware auch schön verpackt sein.
Wie sehr trifft Sie in dieser Lage speziell der Shanghai-Lockdown?
Wir stehen täglich per Wechat im Kontakt mit unseren chinesischen Partnern. Wenn wir jetzt eine neue Bestellung abgeben, müssen wir mit mindestens 10 bis 20 Prozent zusätzlichen Kosten rechnen. Die Fabriken haben zudem Probleme, an Rohmaterial heranzukommen, weil Lkws an Sperren festhängen. Das kann irgendwo im Land sein. Und wir hören, dass unsere Hersteller nicht genügend Arbeitskräfte haben, weil Mitarbeiter nicht in die Fabriken kommen können. Das verschärft die Lieferengpässe ebenfalls.
Was heißt das konkret für Ihre Firma?
Wenn wir früher mit zwei Monaten Produktions- und Lieferzeit kalkuliert haben, rechnen wir nun mit vier bis sechs Monaten. Vor der Pandemie funktionierte China wie ein Uhrwerk. Diese Präzision ist total raus. Alles ist aus dem Takt geraten. Mit Chinas strenger Zero-Covid-Strategie kann es jederzeit wieder zu Lockdowns mit Auswirkungen auf die Lieferketten kommen.
Was heißt das für Ihr Weihnachtsgeschäft?
Aus den schlechten Erfahrungen der vorangegangen zwei Jahre haben wir gelernt und dieses Mal schon im Januar bestellt. Wir haben versucht, unser Lager so vollzufüllen wie möglich. Theoretisch sollte die Ware längst eingetroffen sein, ist sie aber nicht. Wir hoffen, dass wir die Waren bis September fürs Weihnachtsgeschäft beisammen haben. Das heißt aber auch, dass wir überhaupt nicht flexibel reagieren können. Früher haben wir geschaut, welche Produkte sich besonders gut verkaufen und konnten im April/ Mai noch mal nachproduzieren lassen.
Werden Sie die höheren Kosten an Ihre Kunden weitergeben?
Beides. Leider. Je nach Größe der Artikel haben wir die Preise zwischen 10 und 25 Prozent erhöht. Bei ganz großen Teilen, wie etwa Windlichtern, haben wir die Produktion ganz eingestellt. Unsere Gewinnmarge ist auch deutlich kleiner geworden. Wir haben bei den Verkaufsempfehlungen zudem unsere Händler gebeten, solange die Frachtraten so hoch sind, auf einen kleinen Teil ihrer Marge zu verzichten.
Ist die Pandemie nur ein Vorgeschmack dessen, was mit Handelskrieg, Lieferkettengesetz und Forderungen auch hierzulande nach einer stärkeren Entkopplung von China noch bevorsteht?
Ich glaube schon. Natürlich schauen wir uns um, wie wir von China unabhängiger werden können. Wir gucken in Indien, natürlich auch in Europa. Solange die Zeiten unsicher sind, haben wir keine riesigen Expansionspläne und treiben auch kaum was voran, weil wir überhaupt nicht wissen, was uns noch bevorsteht.
Was heißt das für Sie persönlich?
Ich gehöre zu den Glücklichen, die miterleben durften, wie China aus dem Mao-Schlaf erwacht war und wirtschaftlich aufgestiegen ist. Diese Euphorie ist leider raus. Jetzt befinden wir uns in einer Situation, wo wir bloß noch versuchen, das zu verteidigen, was vielleicht gar nicht mehr sein soll. Das ist schon ein blödes Gefühl.
Jan Philippi, (61), ist Betreiber der Design-Schmiede Philippi, die er 1992 gegründet hat. Das Unternehmen importiert in Hamburg designte Artikel, von denen viel in China und anderswo hergestellt sind.
Der automatische Batteriewechsel bei Elektroautos funktioniert im chinesischen Alltag schon ganz gut. Beispiel Nio: Die Autos fahren selbsttätig in eine Art Garage. Dort wird das Batteriefach durch Roboter von unten her geöffnet, die entladene Einheit entnommen und eine volle Batterie eingeschoben. Der Vorgang dauert nur acht Minuten, also nicht länger als früher das Tanken an der Tankstelle. Die Passagiere können beim Batteriewechsel im Auto bleiben – das ist ein Fortschritt gegenüber den ersten Prototypen.
Anders als in Deutschland, wo die Industrie den Batterietausch als zu kompliziert abgetan hat, ist die Technologie fester Teil der chinesischen Strategie. Die Regierung hat sie 2020 zu einem zentralen Punkt in der Neuaufstellung des Fahrzeugsektors erklärt. Die Pläne sind ehrgeizig. Bis 2025 soll die Zahl der Wechselstationen 26.000 erreichen. Zum Vergleich: In Deutschland gibt es 14.000 Tankstellen.
Es handelt sich hier wohlgemerkt nicht um das einzige Standbein der chinesischen Mobilitätspläne. Auch fest verbaute Akkus und Brennstoffzellen sind weiter im Rennen. China testet aus, was sich bewährt, statt sich zu früh festzulegen. Peking hat jedoch zwei gute Gründe, auch den Akku-Wechsel weiterzuverfolgen. Das Batteriewechsel-Modell macht die Autos einerseits deutlich billiger. Und andererseits braucht nicht jeder Abstellplatz eine Lademöglichkeit. Beides vereinfacht und beschleunigt die Elektrifizierung des Fahrens.
Die Autos mit Wechselbatterie können günstiger angeboten werden, weil die Kunden die Batterie nicht gleich mit dem Fahrzeug zusammen kaufen. Stattdessen mieten sie den Energiespeicher für eine monatliche Gebühr. Sie erhalten ja keine eigene Batterie, sondern bekommen alle paar hundert Kilometer eine andere. Der Preis der Batterie kann jedoch je nach Modell die Hälfte der Kosten ausmachen.
Außerdem macht die Technik das E-Auto dann auch für Menschen interessant, die in alten Wohnblöcken wohnen, die nicht über eine Tiefgarage verfügen. Deren Autos parken meist an der Straße. Dort ist es vergleichsweise teuer, Ladestationen aufzubauen, während dies in den Tiefgaragen der neuen Hochhäuser vergleichsweise einfach ist.
Die Technik ist allerdings vor allem dann sinnvoll, wenn die meisten Autotypen die gleiche Wechselstation nutzen können. Dazu müssten alle Batterien ähnlich sein und an einer ähnlichen Stelle in einer ähnlichen Konstruktion im Auto untergebracht werden. Noch gibt es keine Verordnung, die alle Anbieter zu einer kompatiblen Lösung zwingt. Die Regierung will die Ergebnisse der Testphase noch abwarten.
Doch sobald die Vereinheitlichung kommt, befinden sich auch die deutschen Anbieter unter Handlungsdruck. Der Umstellungsaufwand wäre enorm. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass Peking die Autohersteller zur Teilnahme zwingen wird, genau wie man die internationale Autoindustrie gegen deren Willen gezwungen hat, mehr E-Autos zu bauen.
Die Regierung wirkt derweil bereits auf die Schaffung eines chinesischen Standards hin. Das Finanzministerium hat bereits 2020 beschlossen, dass E-Autos, die den Batteriewechsel beherrschen, Staatszuschüsse bekommen. Und ein Jahr später hat die Regierung ein Pilotprojekt gestartet, bei dem in der ersten Phase 1.000 Stationen in elf Städten gebaut werden, die die Batterien von 100.000 Fahrzeugen austauschen können.
Die beiden Unternehmen Nio (938 Stationen) und Aulton New Energy (434 Stationen) sind bisher führend. Die Zahl der Stationen hat sich zuletzt jährlich verdoppelt. Peking, die Stadt in China mit den meisten Wechselplätzen, hat immerhin inzwischen 265. Landesweit will Nio allein in diesem Jahr noch auf 1.300 Stationen kommen. Danach sollen in den kommenden vier Jahren 600 neue Stationen hinzukommen.
Städte und Provinzen wie Chongqing und Henan buhlen bereits mit Subventionen um die Hersteller solcher Stationen. Auch das ist ein Zeichen, dass es ein großes Interesse an diesem Thema gibt. Allein Chongqing mit rund 30 Millionen Einwohnern will bis 2023 bis zu 200 neue Stationen bauen und 11.000 entsprechende E-Autos auf die Straße bringen.
Der Aufwand geht allerdings ins Geld. Bisher kostete es mehrere Hunderttausend Euro, eine Wechselstation zu errichten. Die konkurrierende Technik des normalen Aufladens kommt daher schneller voran. China verfügt inzwischen über mehr als 1,2 Millionen konventionelle Ladestationen.
Dennoch sollten auch deutsche Anbieter die Technik im Blick behalten. Ob es der deutschen Industrie gefällt oder nicht: China mit seinem großen Markt und seinen schnellen Fortschritten ist inzwischen der Taktgeber für solche Standards. Wenn sich der Batteriewechsel in China durchsetzt, müssten die deutschen Anbieter mitziehen. Schließlich werden auf kurz oder lang alle Autos elektrisch. Wenn Modelle, die sich in China verkaufen lassen, den Akku-Wechsel beherrschen, dann hätte es wenig Sinn, in Europa andere Autos anzubieten.
Zudem würden die Stationen auch durch die chinesische Massenproduktion dann deutlich billiger werden. Die Chinesen haben im vergangenen Jahr 3,3 Millionen Elektroautos gekauft, mehr als in Europa und den USA zusammen. Zudem wächst der Markt weiterhin schnell (China.Table berichtete): Zwischen Januar und April dieses Jahres wurden allein anderthalb Millionen E-Autos verkauft – trotz Lockdowns.
Die Befürchtung mancher Analysten, China werde sich mit der Wechseltechnik isolieren und die “Globalisierung der chinesischen E-Auto-Industrie zum Entgleisen bringen”, ist insofern nicht sehr realistisch. Im Gegenteil: Die Tests in China sind auch relevant für Deutschland. Es wäre riskant, die globale Durchsetzungskraft des chinesischen Marktes zu unterschätzen.
Chinas Batteriehersteller, die wegen ihrer Innovationskraft bei Peking hoch im Kurs stehen, setzen sich stark für den Batteriewechsel ein. Der Grund ist einfach: Wenn an jeder Station genügend aufgeladene Batterien zur Verfügung stehen müssen, braucht man bei diesem Verfahren im Gesamtmarkt besonders viele Akkus. CATL, der global führende Anbieter, mischt daher bereits im Markt mit. Im Januar dieses Jahres hat er ein eigenes Batterietausch-System namens Evogo vorgestellt.
Die Abhängigkeit des Westens von China könnte durch die Technik indessen steigen. Denn die Bodenschätze zur Batterie-Herstellung befinden sich unter chinesischer Kontrolle. China kontrolliert derzeit 60 Prozent der weltweiten Lithiumherstellung, 65 Prozent des Kobalts, 35 Prozent der Nickelproduktion und 85 Prozent der Seltenen Erden.
Stolze 600 Milliarden Dollar – auf diese Summe für ein umfassendes Investitionsprogramm für Entwicklungsländer haben sich die G7-Staaten geeinigt, um Chinas Seidenstraßen-Initiative und Pekings wachsendem weltweitem Einfluss entgegenzutreten. Der Betrag soll in den kommenden fünf Jahren “mobilisiert” werden, um Infrastrukturprojekte in ärmeren Ländern zu finanzieren, teilte US-Präsident Joe Biden auf dem G7-Gipfel in Schloss Elmau mit. Die Initiative mit dem Namen “Partnerschaft für Globale Infrastruktur” solle “hochwertige und nachhaltige Infrastruktur ermöglichen”, versprach er.
Alleine die USA wollten dafür in den kommenden fünf Jahren 200 Milliarden Dollar in Bewegung setzen. Zustande kommen solle der Betrag durch eine Kombination aus Krediten, staatlicher Finanzierung und privatem Kapital. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen kündigte an, dass das “Team Europe” 300 Milliarden Euro bereitstellen werde. “Wir müssen als Demokratien unsere gemeinsamen Kräfte bündeln”, sagte sie. Japan bot 65 Milliarden Dollar auf. Es handelt sich hier um die Konkretisierung eines Beschlusses vom vergangenen Jahr, als die G7 eine Gegeninitiative zu Chinas Aktivitäten angekündigt haben (China.Table berichtete).
Die westlichen Industriestaaten haben die vergangenen Jahre mit einer Mischung aus Faszination und Entsetzen auf Chinas Seidenstraßen-Initiative (Belt-and Road Initiative) geschaut. Rund eine Billion US-Dollar an Mitteln hat die chinesische Regierung in Richtung der Partnerländer gelenkt. Auch hier handelt es sich jedoch nicht nur um eigene Finanzierungen, sondern um einen Mix verschiedener Geldquellen. Im Ergebnis hat China innerhalb eines Jahrzehnts Straßen, Schienen, Häfen und Kraftwerke entstehen lassen. Die Empfängerländer liegen vor allem in Zentralasien, Afrika und Lateinamerika. Nun hat die G7 ein Gegenprogramm. flee
Staatspräsident Xi Jinping besucht zum 25. Jahrestag der Übergabe Hongkongs an China das chinesische Sonderverwaltungsgebiet. Bei dem Besuch am 1. Juli werde Xi zudem an der Feier zur Amtseinführung der neuen Hongkonger Regierung teilnehmen, meldete die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua. Der Besuch ist Xis erste Reise außerhalb des chinesischen Festlands seit Beginn der Corona-Pandemie. Xi wird zudem an der Feier zur Amtseinführung des neuen Hongkonger Regierungschefs John Lee teilnehmen. Xi hatte 2017 auch dem Amtsschwur von Carrie Lam persönlich beigewohnt. ari/rtr
Wang Xiaohong wird neuer Minister für Öffentliche Sicherheit und damit eine der mächtigsten Personen im chinesischen Staat. Die Personalie wurde am Freitag durch den Ständigen Ausschuss des Nationalen Volkskongresses bestätigt. Das berichtet die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua etwas beiläufig, inmitten einer Liste von Personalentscheidungen. Wang ist ein Vertrauter von Machthaber Xi Jinping. Er war zuvor Vizeminister im gleichen Haus. Über den Verbleib von Amtsinhaber Zhao Kezhi (69) wird nichts gesagt. Gleich zu Wangs Amtsantritt am 25. Juni kündigte das Ministerium eine “hunderttägige Sommer-Sonderaktion mit einem harten Schlag zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung” (夏季治安打击整治百日行动) an.
Das Ministerium für Öffentliche Sicherheit (公安部) ist die Spitze des Polizeiapparats der chinesischen Zentralregierung (Public Security Bureau, PSB). Das PSB ist dabei weniger für die üblichen Polizeiaufgaben zuständig – die erledigen die Beamten auf Provinz- und Kreisebene. Es soll in erster Linie für Ruhe im Land sorgen und dem Staat einen Informationsvorsprung sichern. Zuletzt war das Ministerium in der westlichen Öffentlichkeit aufgetaucht, weil sich seine Teilnahme am Betrieb von Umerziehungslagern in Xinjiang nachweisen ließ. fin
Ein Testwagen des E-Auto-Anbieters Nio ist aus dem dritten Stock eines Firmengebäudes gestürzt. Ein Digitalexperte des Unternehmens und ein Techniker eines Partnerunternehmens starben dabei, teilte das Unternehmen mit. Nio kooperiere mit der Polizei auf der Suche nach der Unfallursache. Der Sturz sei nicht durch das Auto verursacht worden. Es handelt sich um ein Exemplar des neuen selbstfahrenden Elektroautos von Nio. fin
Huawei beteiligt sich am Ausbau der Kommunikationsinfrastruktur in Kenia. Die Kommunikationsbehörde des ostafrikanischen Landes gab die Kooperation mit dem chinesischen Telekommunikationsriesen am Donnerstag bekannt, wie lokale Medien berichteten. Die Zusammenarbeit dort gilt ab sofort und soll alle fünf Jahre erneuert werden. Laut Ezra Chiloba, Generaldirektor der kenianischen Kommunikationsbehörde, umfasst die Vereinbarung die Einführung neuer fortschrittlicher Technologien im Land, Schulungen zu Künstlicher Intelligenz und Cybersicherheit sowie die Einführung und den Ausbau des 5G-Netzes. ari
Zhuo Dan Ting geht anderen Menschen unter die Haut. Sie ist Tätowiererin aus Leidenschaft und war eine der Ersten, die das Tätowieren in China populär machten. 2007 eröffnete sie ihr Studio in Shanghai – mittlerweile betreibt sie ein Studio gemeinsam mit ihrem Mann in der kalifornischen Stadt Folsom. Dort wartet man mehr als ein Jahr auf einen Termin.
Obwohl mittlerweile zum Mainstream avanciert, sind Tattoos dem chinesischen Staat ein Dorn im Auge. Die chinesische Sportbehörde etwa verlangt von Fußballnationalspielern inzwischen, ihre Tattoos entfernen zu lassen und fordert, dass sie sich keine neuen stechen lassen. Bereits zuvor waren die Spieler angehalten, ihre Tattoos abzudecken. Dies gilt auch für andere Personen der Öffentlichkeit. Tattoos passen nicht zu den chinesischen Traditionen und Werten, heißt es.
Ting selbst ist von Tattoos bedeckt – mehr als 20 Künstler haben sich auf ihrer Haut verewigt. Ursprünglich stammt sie aus Harbin, wo sie das Tätowieren begann. Ein befreundeter Tätowierer weckte das Interesse an der Kunst auf der Haut. Also stellte sie Nachforschungen an und brachte sich das Tätowieren selbst bei. Ihre ersten Versuche begannen auf Schweinehaut. Erstaunlich schnell stellten sich Freunde zur Verfügung, von Tings Farbnadel geschmückt zu werden. “Und wir sind immer noch Freunde”, sagt sie lachend.
In dieser Zeit begann das Tätowieren in Nordchina gerade erst. “Es gab kein professionelles Tattoo-Studio, es gab vielleicht einen Friseursalon, der Tattoos macht, vielleicht die Augenbrauen als Tattoos.” Der Trend startete um 2001 mit ersten Läden in den großen Städten Chinas. Wie etwa in Shanghai, wo auch Ting ihr erstes Studio eröffnete, nachdem sie mit der Nachfrage in ihrer eigenen Wohnung nicht mehr hinterhergekommen war.
Zeitgleich wurden die Bilder auf der Haut gesellschaftlich anerkannter. Dies sei nicht zuletzt David Beckham zu verdanken, der in China beliebt ist: “Er ist berühmt, er sieht gut aus und er hat eine Menge Tattoos. Er hat definitiv einen großen Teil des Marktes in Bewegung gebracht.”
Früher waren Tattoos eher verrufen: “Wenn du ein Mann warst, brachten sie dich mit einem Gangster oder dem kleinen Mann ohne Job auf der Straße in Verbindung. Bei Frauen fingen die Leute automatisch an, sich Sorgen um dich zu machen: Wie sollst du einen Mann finden? Wie kannst du später heiraten?”
Im Vergleich zu US-Amerikanern seien die Chinesen noch heute ein wenig zurückhaltender, wenn es um Tattoos gehe: “Wenn sich Menschen in China tätowieren lassen, denken sie immer noch darüber nach: Was ist, wenn mein Mann es nicht mag? Was ist, wenn meine Frau etwas sagt? Was ist, wenn meine Eltern etwas sagen, mein Chef?”
Tings Ehemann Joshua, ein Musiker, hat auch Erfahrungen mit der Zensur wegen seiner Tattoos: “Als sie auf einem Festival im Freien spielten, mussten sie die Tattoos abdecken und konnten sie nicht wirklich zeigen – ich finde das ziemlich doof.” Juliane Scholübbers
Paul Gao, bisher Hongkonger McKinsey-Manager, wird neuer Chief Strategy Officer bei Mercedes-Benz. Die Position wurde bei dem schwäbischen Autobauer neu geschaffen. Gao übernimmt sie am 1. Juli.
Anders Kristiansen wechselt von der Bestseller Fashion Group China in Tianjin als neuer Geschäftsführer zu der britischen Modekette New Look.
Der bekannte Pekinger Jurist Zhang Sizhi ist gestorben. Er wurde 94 Jahre alt. Zhang leitete einst das Team der Verteidigung in den historischen Prozessen gegen die “konterrevolutionäre” Viererbande 1980.
Hitzewelle, der Schweiß perlt aus allen Poren und mal wieder kein klimatisierter Raum in Reichweite? Warum zur Abkühlung nicht mal am Shanghaier Pearl Tower knabbern? Oder am Pekinger Himmelstempel? Oder vielleicht genüsslich die berühmten Mogao-Grotten in Dunhuang abschlecken? In China gibt es berühmte Sehenswürdigkeiten jetzt auch in Vanille, Erdbeere und Traube-Rum. Bereits im vergangenen Jahr ging stilvolles Eis am Stiel – auf Chinesisch als “Eisstock” 冰棍儿 bīnggùr oder auch “Schneekuchen” 雪糕 xuěgāo bezeichnet – in allen möglichen Varianten viral. Und auch in diesem Sommer schlemmen die Chinesen wieder Social-Media-tauglich Miniaturkulturgüter aus der Tiefkühltruhe. Kleiner Eiskunstlauf durch die berühmtesten Sehenswürdigkeiten am Stiel gefällig? Hier kommen einige Stars der Szene!
Die Hauptstadt Beijing zum Beispiel hat gleich mehrere Sightseeing-Spots in Eis gegossen. So gibt es etwa den berühmten Himmelstempel (天坛 tiāntán) zum Anbeißen in Pistazie, Mango, Beerenmix, Schoko oder Sahne. In der Verbotenen Stadt (故宫 gùgōng) kann man den grimmigen Wächterlöwen gefahrlos an der Matcha-Mähne mümmeln. Und im Alten Sommerpalast (圆明园 yuánmíngyuán) locken Eislotusblumen mit Rosen-, Erdbeer-, Traube-Rum und natürlich Lotusblütengeschmack. Im Hauptstadtmuseum (首都博物馆 shǒudū bówùguǎn) beißen Besucher derweil auf Bronzegefäße, die sich zum Glück als geschmeidige Grüntee-Eiscreme entpuppen.
Auch andere Metropolen lassen sich nicht lumpen. In Shanghai schleckt man am futuristischen Fernsehturm (东方明珠 dōngfāng míngzhū) in Vanille oder Schoko, in Guangzhou am Canton Tower (广州塔 guǎngzhōutǎ) – den gibt es für Traditionalisten in Erdbeere oder für Hipster in Käsekuchen-Meersalz. Am Hangzhouer Westsee (西湖 xīhú) wird das Eiserlebnis dann interaktiv. Hier können Reisende Partner-Eis zur einer Brückenform zusammensetzen – in Anspielung auf die berühmte klassische Liebesgeschichte, die sich rund um den Westsee abgespielt und bei der die Turteltauben an einer Brücke zusammengefunden haben sollen.
Ihnen ist das jetzt alles zu kitschig? Kein Problem. Die Kühltruhen im Reich der Mitte haben auch für Abenteuerhungrige und Draufgänger Kulinarisches auf Lager – nämlich Speiseeis mit Mutproben-Faktor. Kostprobe gefällig? Dann stimulieren Sie beim nächsten Chinabesuch ihre Geschmacksknospen doch einfach mal mit Eis am Stiel in den Varianten Reisschnaps (白酒 báijiǔ), Durianfrucht (榴莲 liúlián), Eigelb (蛋黄 dànhuáng), Frühlingszwiebel-Pfannkuchen (葱锋饼 cōngfēngbǐng) oder Wasabi (芥末 jièmò). Und wenn Sie auch das in hitzigen Sommertagen noch nicht vom klebrigen Bürohocker haut, hätten die Chinesen noch die Geschmacksrichtungen Tintenfisch (鱿鱼 yóuyú), Fleischwatte (肉松 ròusōng) und Stinketofu (臭豆腐 chòudòufu) in petto. Na bitte! Spätestens jetzt dürfte es doch dem einen oder anderen kalt den Rücken runterlaufen. Kühlmission also erfolgreich erfüllt.
Verena Menzel betreibt in Peking die Online-Sprachschule New Chinese.