Table.Briefing: China

Grotesker Arbeitsmarkt + Interview Wiegand (2)

Liebe Leserin, lieber Leser,

kennen Sie den Beruf der “Vollzeit-Kinder”? Nicht? Dann empfehle ich Ihnen heute unsere Analyse über die schwierige Situation junger Menschen auf dem chinesischen Arbeitsmarkt. Vertragsverlängerungen werden zum Kürzen der Gehälter missbraucht. Während die jüngsten Arbeitssuchenden Schwierigkeiten haben, überhaupt einen Job zu finden.

Gregor Koppenburg zeigt, zu welch grotesken Phänomenen das führt – etwa zu den bereits erwähnten “Vollzeit-Kindern”. Ein schwacher Trost für die Millionen Arbeitssuchenden: In deutschen Firmen gibt es dieses Jahr zumindest noch ein kleines Lohnplus.

Aus einem gänzlich anderen Blickwinkel schaut der EU-Spitzendiplomat Gunnar Wiegand auf China. Im zweiten Teil des Gesprächs mit Amelie Richter lobt er die deutsche China-Strategie als wichtige Umsetzung der EU-Ansätze. Der Leiter der Asien-Abteilung des Europäischen Auswärtigen Dienstes blickt auf den noch zaghaften Umgang mit Desinformationen aus China und die anstehende Europawahl.

Zudem lässt der langjährige Top-Beamte nochmals seine persönlichen Highlights, aber auch negative Höhepunkte im diplomatischen Umgang mit China Revue passieren.

Viele neue Erkenntnisse bei der Lektüre wünscht

Ihr
Michael Radunski
Bild von Michael  Radunski

Analyse

Die grotesken Folgen der Job-Krise

Pakete sortieren oder Fenster putzen: Millionen Uni-Absolventen verdingen sich in China als überqualifizierte Hilfskräfte.

Die Lage am chinesischen Arbeitsmarkt ist seit der Coronakrise angespannt. Die großen Probleme sind durchaus bekannt: die sich verlangsamende wirtschaftliche Erholung des Landes, das politische Vorgehen gegen den Techsektor und die Immobilienkrise. Dabei sehen die offiziellen Zahlen gar nicht so schlecht aus. 5,2 Prozent beträgt die Arbeitslosigkeit im Land und ist weitgehend stabil.

Viele der Veränderungen vollziehen sich allerdings unter der Oberfläche. Zum Beispiel werden Gehälter bei Vertragsverlängerungen häufig gekürzt. Das ändert nicht den Erwerbsstatus, führt aber zu deutlichen Einbußen für den Arbeitnehmer.

Die Hälfte des Gehalts fällt weg

Zhang Jie (Name geändert) ist genau davon betroffen. Er hatte früher ein ziemlich gutes Einkommen als Projektleiter. 6.000 Yuan (circa 800 Euro) im Monat als Grundgehalt. Zusätzlich bekam er für jedes Projekt eine Bonuszahlung. Für einen Job in seinem Metier in einer Großstadt zweiten Ranges (second tier) ist das ein Durchschnittsgehalt.

Dann lief Zhangs Vertrag aus, ein Neuer musste unterzeichnet werden – und es folgte das böse Erwachen. “Die Bonuszahlungen fallen ab sofort weg“, sagt er. “Damit verdiene ich ein Drittel weniger als vorher.”

So wie Zhang müssen viele Arbeitnehmer, die neue Verträge abschließen, deutliche Einbußen hinnehmen. Viele Arbeitsverhältnisse, besonders im projektorientierten Bereich, funktionieren nach diesem Modell. Bis zu 50 Prozent des Gehaltes kann der Verlust der Bonuszahlungen ausmachen. Dennoch gehört Zhang im Grunde zu den Gewinnern: Er hat mehrere Jahre Arbeitserfahrung und sitzt nicht wie viele andere auf der Straße.

Besonders betroffen sind Berufsanfänger

Vor allem die ganz jungen Erwerbssuchenden des Landes verfügen über keinerlei Berufserfahrung. Sie werden von der Arbeitslosigkeit deshalb unverhältnismäßig hart getroffen. Bei den 16-24-jährigen beträgt die Arbeitslosenquote mittlerweile 21,3 Prozent. Das beinhaltet einerseits ungelernte Jobanfänger, aber auch mehrere Millionen Universitätsabsolventen, die jedes Jahr den Arbeitsmarkt schwemmen. Ihre Aussichten wurden vor allem durch das harte Durchgreifen im Tech- und privaten Bildungssektor getrübt.

Ein Job bei einer deutschen Firma gilt bei vielen Chinesen noch immer als Glücksgriff. Mitarbeiter deutscher Unternehmen müssen vor dem Hintergrund der schwierigen Wirtschaftslage beim Gehalt zwar noch keine Einbußen hinnehmen. Ihr Einkommen wächst jedoch zunehmenden langsamer, wie aus einem am Montag veröffentlichten Arbeitsmarktbericht der Deutschen Handelskammer in Peking hervorgeht. Im Jahr 2023 stiegen die effektiven Löhne demnach um 4,76 Prozent. Es ist das erste Mal in drei Jahren, dass die effektiven Löhne unter den Erwartungen lagen.

Deutsche Firmen erwarten sinkenden Lohnzuwach

“Deutsche Unternehmen haben dieses Jahr niedrigere Gehaltserhöhungen angeboten als prognostiziert, was die vorsichtige Herangehensweise an den chinesischen Markt widerspiegelt”, sagt Ulf Reinhardt, Vorsitzender der Deutschen Handelskammer in China für Süd- und Südwestchina.

Auch für 2024 ist keine Besserung in Sicht: Dann erwarten die deutschen Unternehmen in China nur noch ein Lohnwachstum von 4,49 Prozent. Es wäre das vierte Jahr in Folge mit einem Lohnwachstum von weniger als fünf Prozent. “Die Aussicht auf noch geringere Gehaltserhöhungen im Jahr 2024 bereitet Anlass zur Sorge und deutet auf anhaltende Schwierigkeiten im Markt hin”, urteilt Reinhardt.

Das sind trübe – doch vergleichsweise noch gute Aussichten. Denn es geht weitaus schlimmer. Wer jetzt neu in den Arbeitsmarkt eintritt, sieht sich nicht selten mit extremen Forderungen konfrontiert. Jobs mit 70-Stunden-Woche für ca. 400 Euro Monatsgehalt sind keine Seltenheit an den Jobbörsen.

Phänomen “Vollzeit-Kinder”

Betty Chen (Name geändert) hat ein abgeschlossenes Englisch-Studium hinter sich und schon etwas Erfahrung im Sales-Bereich gesammelt. Für den Assistenzjob, für den sie sich beworben hat, musste sie in derselben Firma drei Job-Interviews am gleichen Tag führen. Und das – so signalisierte ihr die Pekinger Firma hinterher – war nur die erste Runde. Mindestens zwei weitere würden noch folgen.

Doch die Arbeitslosigkeit trägt noch weitaus groteskere Früchte. Manche Eltern stellen kurzerhand ihre Kinder als “Vollzeit-Kinder ein. Sie bekommen dann von ihren Eltern ein regelmäßiges Gehalt, das dem mittleren Lohnniveau entspricht. Dafür verrichten sie Hausarbeit, gehen einkaufen oder kümmern sich um die kranke Großmutter.

Laut einer Caixin Meinungs-Kolumne der Forscherin Zhang Dandan dürfte das Phänomen zu einer erheblichen Verzerrung der Statistiken führen. Denn laut Zhang werden “professionelle Kinder” nicht mehr als Arbeitssuchende geführt, was bedeutet, dass die wirkliche Quote der Arbeitssuchenden deutlich höher liegen dürfte, als offiziell angegeben. Sie schätzt, dass sich die eigentliche Arbeitslosenrate in dem Alterssegment auf bis zu 45 Prozent belaufen könnte.

Schuften wie einst die Parteiführer

Ein Teil der gut ausgebildeten Arbeitskräfte, die eigentlich für den Tech- oder Medienbereich qualifiziert sind, nimmt derweil in Kauf, was Parteichef Xi Jinping als “Bitterkeit schlucken” bezeichnet hatte, um überhaupt ein Einkommen zu erzielen. Sie verdingen sich in Bereichen, für die sie restlos überqualifiziert sind. Sie gehen in die Gebäudereinigung und verdienen mit Putzen ihr Geld. Auch hier sind die Löhne für die Absolventen natürlich gering.

Der Kommunistischen Partei bereitet das öffentlich keine Sorgen. Viele Funktionäre ziehen Vergleiche zur Zeit der Kulturrevolution, in der auch Xi Jinping als Landarbeiter in einer Höhle lebte.

Doch auch andere Stimmen werden laut. Denn sowohl die professionellen Kinder als auch die überqualifizierten Putzkräfte haben eines gemeinsam: Sie sammeln keinerlei Berufserfahrung in ihren Gebieten. Damit werden sie laut Experten langfristig nicht mehr vermittelbar sein. Die Ausbildung, für die ihre Eltern teils aufopfernd viel Geld gezahlt haben, wird damit schlicht effektiv verbrannt. Mitarbeit: Jörn Petring

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  • Arbeitsmarkt
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“Berlins China-Strategie stärkt die EU-Politik”

Als Leiter der Asien-Abteilung des Europäischen Auswärtigen Dienstes hat Gunnar Wiegand die China-Politik der EU entscheidend mitgelenkt.

Berlin hat erst vor ein paar Wochen seine China-Strategie veröffentlicht. Welche Impulse hat diese für Brüssel gegeben?

Die Kollegen in Deutschland haben eine sehr umfassende Strategie erarbeitet. Hier hat einer der wichtigsten europäischen Partner einen wichtigen Beitrag im Rahmen der europäischen Positionierung zu China geleistet. Die Strategie ist Teil der gemeinsamen EU-Position gegenüber China – und unterstützt und verstärkt diese, indem sie die EU-Strategie in die Notwendigkeiten und Möglichkeiten eines Mitgliedstaates übersetzt. Und zwar für die nationale, landes- und kommunale Ebene, für die offiziellen Institutionen, ebenso wie für Universitäten oder für Unternehmen. Für mich ist das ein wesentlicher Beitrag zur Stärkung der EU und deren Politik gegenüber Peking. Es ist keine Abweichung oder ein neuer Impuls, sondern es ist die Umsetzung dessen, was im europäischen Rahmen steht. Ich bin froh, dass jetzt auch Deutschland das so gemacht hat, wie andere Mitgliedstaaten schon zuvor.

Im kommenden Jahr steht die Europawahl an. Denken Sie, China wird dabei eine Rolle spielen? 

Traditionell sind ja außen- und sicherheitspolitische Themen ganz selten von wahlentscheidender Bedeutung. Ich denke, China spielt dabei eher mittelbar eine Rolle, und zwar insbesondere, wenn es um die wirtschaftlichen Verbindungen und Abhängigkeiten zwischen beiden Seiten geht.

Gibt es denn den Ansatz für die Europawahl, und auch generell, mehr gegen chinesische Desinformationen zu unternehmen? Gerade auf Plattformen wie X, besser bekannt als Twitter, sprießen diese ja ohne jegliche Einordnung. 

Im jüngsten EEAS-Report zu Desinformation gab es ein Kapitel zur chinesischen Unterstützung für russische Informationsmanipulation. Wir haben bewusst chinesische Publikationen und Aktionen in den Sozialmedien eingebunden, angesichts ihrer stetig wachsenden Bedeutung. Und das vor allem in Ländern, wo China oftmals ein effizienter Verstärker von russischer Desinformation ist. Es ist wichtig, das nicht nur diplomatisch anzusprechen, wann immer die Möglichkeit besteht, sondern das auch konkret zu widerlegen, unter anderem mit Reaktionen in den sozialen Medien. Wir müssen hier die Dinge aktiv klarstellen.  

Klarstellen kann man nur, wenn es Fakten gibt. Das ist zum Beispiel im Fall des verschwundenen Außenminister Qin Gang nicht möglich, da sein Verbleib immer noch unklar ist. Die Gerüchteküche brodelt. Hat man Ihnen dazu mehr Informationen gegeben? Der Besuch des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell musste ja deshalb verschoben werden. 

Da muss ich Sie enttäuschen. Wir sind relativ kurzfristig darüber informiert worden, dass der Besuch nicht mehr machbar war. Und anschließend wurde der Eindruck erweckt, dass es sich um ein gesundheitsbezogenes Problem handele. Was nach wie vor nicht ganz auszuschließen ist. Aber wir werden uns nicht zu dieser Frage äußern, denn das können nur die kompetenten chinesischen Stellen. 

Gibt es bereits einen Termin für den EU-China-Gipfel?

Es ist geplant, den Gipfel in diesem Jahr abzuhalten, der Termin ist aber noch nicht festgelegt.

Haben Sie ein persönliches Highlight Ihrer Zeit als Asiendirektor des EEAS? 

Da gibt es ziemlich viele. Eines war aber sicher, zu sehen, wie stark die Union jetzt bereit ist, sich breiter aufzustellen und proaktiv in eine so weit entfernte, aber immer enger mit uns verbundene Weltregion zu gehen. Dazu gehört als Highlight, dass wir 2021 mit allen Mitgliedsstaaten eine neue EU-Indo-Pazifik-Strategie erarbeitet haben, die wir 2022 trotz des beginnenden russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine auch voll begonnen haben, umzusetzen. Nirgendwo wurde das deutlicher als mit dem ersten Ministerforum für die Zusammenarbeit im indopazifischen Raum am 22. Februar in Paris, kurz vor dem Beginn der russischen Invasion. Europa konnte global handeln, trotz drohenden Krieges in seiner unmittelbaren Nachbarschaft. Das war für mich ein wichtiger Punkt.

Welche Entwicklungen halten Sie noch für wichtig?

Dass wir die Global-Gateway-Initiative nun langsam in die richtige Richtung bekommen haben und es eine ganze Reihe von konkreten Flaggschiff-Projekten gibt, die die grüne und digitale Transition voranbringen sowie zur Infrastrukturentwicklung und Konnektivität beitragen. Ich könnte Ihnen noch sehr viel mehr nennen, aber ich glaube, das sind ganz gute Highlights. Es gab in der Zeit aber auch eine Reihe von sehr negativen Erfahrungen, wie beispielsweise der Militärputsch in Myanmar oder die Entwicklungen in Afghanistan. Auch dass es immer mehr Interkontinentalraketen aus Nordkorea gibt, aber keinen Dialog mehr, ist besorgniserregend.  

Was geben Sie Ihrer Nachfolgerin oder Ihrem Nachfolger denn mit für die Position? 

Meiner Nachfolgerin oder meinem Nachfolger möchte ich vor allem raten, auch mittel- und langfristig zu denken und Dinge entsprechend vorzubereiten und nicht nur auf die aktuelle Lage zu blicken. Ich glaube, das ist ein wesentliches Manko unserer kollektiven Entscheidungsfindung, bei der man immer wieder versucht, sich zu einem Thema im Detail zu positionieren. Und in der Kompromissfindung zwischen allen Mitgliedsstaaten geht der Blick für das Ganze verloren. Das trifft nicht nur auf China zu. 

Steht die Nachfolge denn schon fest?

Ich kann Ihnen nur sagen, dass die oder der Beste ausgewählt wird und dass der Auswahlprozess in vollem Gange ist.

Den ersten Teil des Interviews finden Sie hier.

Gunnar Wiegand war von Januar 2016 bis August 2023 Leiter der Asienabteilung beim Europäischen Auswärtigen Dienst (EEAS). Zuvor war er stellvertretender Leiter für die Abteilung Europa und Zentralasien sowie Direktor der Abteilung für Russland, Östliche Partnerschaft, Zentralasien und OSZE beim EEAS. Vor seinem Eintritt beim EEAS war Wiegand seit 1990 in verschiedenen Funktionen im Zusammenhang mit Außenbeziehungen und Handelspolitik bei der Europäischen Kommission tätig.

Wiegand wird nach der Sommerpause Visiting Professor am College of Europe im belgischen Brügge. Er wird dort Teil des Departments für EU International Relations and Diplomacy Studies.

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News

Tesla verschärft Preiskampf

Tesla reagiert in China mit weiteren Preissenkungen auf seine erstmals seit sieben Monaten wieder sinkenden Absatzzahlen im Land. Man habe die Preise für die Langstrecken- und Performance-Versionen des Model Y zum 14. August um jeweils knapp 2.000 Dollar (14.000 Yuan) gesenkt, teilte das US-Unternehmen am Montag mit. Damit heizt Tesla den Preiskampf im Elektrosegment selbst wieder an, nachdem der Hersteller kürzlich noch eine Vereinbarung mit chinesischen Mitbewerbern zur Mäßigung unterschrieben hatte. Ein anderer Ausweg ist es, in Shanghai produzierte Wagen nach Kanada zu exportieren.

Die Verkäufe von Tesla-Fahrzeugen in China sind im Juli im Vergleich zum Juni um 31 Prozent gesunken, wie Daten der China Passenger Car Association (CPCA) Anfang des Monats zeigten – der erste Rückgang im Monatsvergleich seit Dezember. Tesla hat seine Preise in den USA, China und anderen Märkten seit Ende vergangenen Jahres mehrfach gesenkt, um sich gegen die Konkurrenz und die wirtschaftliche Unsicherheit zu schützen.

Der Einstiegspreis für das Model Y Long Range wird um 4,5 Prozent auf 299.900 Yuan gesenkt. Das Model Y Performance kostet 3,8 Prozent weniger – 349.900 Yuan. Zwischen dem 14. August und dem 30. September biete Tesla zudem einen Versicherungszuschuss in Höhe von 8.000 Yuan für die Einstiegsversion des Model 3 mit Heckantrieb an, heißt es aus dem Unternehmen. rtr/grz

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Jimmy Lai bleibt trotz Freispruch lange in Haft

Verleger Jimmy Lai bei einer Protestkundgebung im Juni 2019.

Das Berufungsgericht in Hongkong hat den Medienmagnaten Jimmy Lai und sechs weitere pro-demokratische Oppositionelle vom Vorwurf freigesprochen, im Jahr 2019 eine nicht genehmigte Versammlung organisiert zu haben. Das Urteil ist jedoch lediglich ein formeller Sieg für Lai und seine Mitstreiter, die ihre Strafen längst verbüßt haben. Denn vier von ihnen – darunter Lai – bleiben wegen weiterer Urteile im Rahmen einer politischen Säuberung ohnehin hinter Gittern.

Das Gericht entschied am Montag, dass der Verleger sowie die Anwälte Martin Lee und Margaret Ng, die früheren Parlamentarier Cyd Ho und Albert Ho und die Aktivisten Lee Cheuk-yan und Leung Kwok-hung zwar an einer Massenkundgebung im August 2019 gegen das Auslieferungsgesetz teilgenommen hatten und dafür bestraft werden müssten, sie für die Organisation jedoch nicht verantwortlich waren. Lai selbst plädiert auf nicht schuldig.

Es gebe keine Beweise, dass die Beschwerdeführer Verbindung zur inzwischen aufgelösten Civil Human Rights Front gehabt hätten, die sich für den Protest mit knapp zwei Millionen Menschen verantwortlich zeichnete. Lais Strafe für dieses Vergehen wurde von zwölf auf neun Monaten verkürzt.

Der Gründer der pro-demokratischen Boulevardzeitung Apple Daily, deren Erscheinen inzwischen eingestellt wurde, war zuvor bereits wegen Betrugs zu fünf Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt worden. Der Vorwurf lautete, er habe den Mietvertrag für die Verlagszentrale der Apple Daily verletzt. Mehr als hundert Journalisten fordern Lais Freilassung. Eine möglicherweise lebenslange Haft droht dem 75-Jährigen in weiteren Verfahren, in denen ihm vier Verstöße gegen das Nationale Sicherheitsgesetz vorgeworfen werden. Mit Lai sitzen 46 weitere Oppositionelle auf der Anklagebank.

Das Nationale Sicherheitsgesetz war Hongkong im Jahr 2020 von der Pekinger Zentralregierung auferlegt worden. Mit der Gesetzgebung hat die Stadtregierung ein wirkungsvolles Instrument an der Hand, um politischen Dissens in Hongkong auf breiter Fläche zu ersticken. grz

  • Hongkong
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  • Menschenrechte
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  • Rechtsstaatlichkeit

Rüstungskonzern baut Afrika-Netzwerk aus

Der staatliche chinesische Rüstungskonzern Norinco hat in der senegalesischen Hauptstadt Dakar eine Verkaufsniederlassung eingerichtet. China North Industries Corporation, kurz Norinco, gehört zu den führenden Akteuren in China, vor allem bei landgestützten Waffensystemen. Die neue Außenstelle ist Teil der Strategie des Konzerns, seine Aktivitäten in Westafrika auszuweiten. Norinco unterhält bereits Regionalbüros in Nigeria, Angola sowie Südafrika. Weitere Außenstellen in Westafrika sind geplant. 

Leiter des neuen Regionalbüros wird Zheng Yungang, ein Fachmann mit über zwei Jahrzehnten Erfahrung im Verteidigungssektor. Zheng soll die Norinco-Geschäfte nicht nur im Senegal, sondern auch in anderen westafrikanischen Ländern vorantreiben. Insgesamt entwickelt sich China damit zu einem ernstzunehmenden MItbewerber auf dem westafrikanischen Waffenmarkt. 

Die Expansion von Norinco in Westafrika wird von einigen Ländern der Region unterstützt, die ihre Beschaffungsquellen für Waffen diversifizieren wollen. Andere Länder sehen jedoch die Ausweitung der chinesischen Präsenz in der Region mit Sorge. 

Senegal hat von Norinco bereits gepanzerte Fahrzeuge für seine Polizeieinheiten gekauft. Auch die Ausstattung der senegalesischen Forstwacht mit leichten Waffen und Munition durch Norinco ist im Gespräch. Das Unternehmen ist bereits ein wichtiger Waffenlieferant für Länder wie Algerien, Nigeria und Angola. Zuletzt hatte der Rüstungskonzern auch Gabun, Tansania und Mali beliefert. ajs

  • Afrika
  • Geopolitik
  • Militär

Vize-Ministerpräsident Liu warnt vor Epidemien

Aufräumarbeiten nach den heftigen Überschwemmungen in Heilongjiang (Archivbild).

Chinas Vize-Ministerpräsident Liu Guozhong ist in die nordöstliche Provinz Heilongjiang gereist, um sich ein persönliches Bild von der Lage zu machen. In Heilongjiang war es in den vergangenen Tagen zu heftigen Überschwemmungen gekommen, tausende Hektar Ackerland stehen unter Wasser. Auf seiner Reise warnte Liu, China müsse handeln, um den Ausbruch von Epidemien in von Überschwemmungen betroffenen Gebieten in Heilongjiang zu verhindern. Das berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Montag.

Man müsse zügig beschädigtes Ackerland, den lokalen Wasserschutz und andere Infrastruktur reparieren, forderte Liu. So solle eine schnelle Erholung der Getreideproduktion gewährleistet werden.

China hat in den vergangenen Wochen eine ungewöhnlich nasse und regnerische Sommersaison erlebt. In den nördlichen und nordöstlichen Provinzen kam es zu massiven Überschwemmungen. Allein in Hebei wurden Anfang August mehr als 1,5 Millionen Menschen in Sicherheit gebracht. Es sei notwendig, Hilfsmaßnahmen zu ergreifen, damit die betroffenen Menschen nicht in Armut fallen, sagte Liu weiter. Einige Dörfer seien nach wie vor überschwemmt, die Wasserqualität schlecht und die Umwelt verschmutzt, wodurch die Gefahr von Infektionskrankheiten bestehe. rad

  • Gesellschaft
  • Gesundheit

Minister besucht Russland und Belarus

Chinas Verteidigungsminister Li Shangfu wird vom 14. bis 19. August Russland und Belarus besuchen, wie das Ministerium am Montag mitteilte. Während seines Aufenthalts in Russland werde Li an einem internationalen Sicherheitstreffen teilnehmen und dort eine Rede halten. Außerdem will er mit führenden Vertretern des russischen Verteidigungsministeriums zusammentreffen.

China und Russland haben ihre militärischen Beziehungen verstärkt und führen gemeinsame Patrouillen und Militärübungen durch. Im April war Li mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau zusammengetroffen und hatte eine verstärkte militärische Zusammenarbeit angekündigt. Im Juli traf Li in Peking mit dem Chef der russischen Marine zusammen. In Belarus wird Li mit Staatsoberhaupt Lukaschenko und Vertretern des Militärs zusammenkommen. rtr/grz

  • Geopolitik
  • Militär
  • Russland

Presseschau

Xi Jinping knöpft sich Gesundheitssystem vor – Chinas Kampf gegen korrupte Ärzte: Schießt die Kampagne übers Ziel hinaus? RND
Korruption in China: Vom Korruptionskampf zur Hetzjagd STUTTGARTER-NACHRICHTEN
Vizepräsident Lai in New York: Taiwan wird vor autoritären Drohungen nicht zurückweichen FAZ
Chinese defense minister to visit Russia and Belarus in show of support despite West’s objections ABCNEWS
Hongkong: Vorteile gegen Demokratieaktivisten aufgehoben DEUTSCHLANDFUNK
China: Wie Exil-Chinesen in Deutschland ausspioniert werden WELT
China verlangt keine Fingerabdrücke mehr fürs Visum BUSINESSTRAVELLER
India emphasises early disengagement in remaining friction points in military talks with China LIVEMINT
Wirtschaftsspionage: Ist es gefährlich, wenn der Dienstwagen aus China kommt? RIFFREPORTER
Politiker fordern mehr Spionage-Schutz für KI-Forschung HANDELSBLATT
Kompromiss im Streit um Huawei-Technik bahnt sich an HANDELSBLATT
Allzu bedenkenlose Kontakte? Wie das Geomar mit China zusammenarbeitet KN-ONLINE
Australia Sends Largest Warship to Military Drills with Philippines and US VOANEWS
Machtzentrum Indopazifik: “Wir waren alle ein bisschen naiv, wenn es um China ging” TAGESSPIEGEL
US industry is getting its way on China FT
Country Garden: Bedeutender chinesischer Immobilienkonzern in finanziellen Schwierigkeiten SPIEGEL
China in Deflation gerutscht: So könnte sich die Preis-Abwärtsspirale auf die deutsche Wirtschaft auswirken FINANZEN
Weitere China-Probleme drücken Asiens Börsen HANDELSBLATT
Chinas Wirtschaftswachstum basiert auf Pump: 90% Einbruch bei Krediten, Yuan fällt, Immobilienkrise FINANZMARKTWELT
China: “Die Zeiten von bis zu Neun Prozent Wachstum sind lange vorbei” WELT
Krise in China: China droht ein verlorenes Jahrzehnt FUW
China’s Shadow Banks Could Be Another Property Casualty WSJ
Bauruinen in China: Geld investiert, aber Wohnung nie erhalten SRF
China: Tesla senkt Preise für zwei Model-Y-Varianten ELECTRIVE
Festkörperbatterie: Chinesisches Unternehmen baut 10-GWh-Produktion BATTERY-NEWS
China will Laserwaffe entwickelt haben, die unendlich oft feuern kann WINFUTURE
China launches first geosynchronous orbit radar satellite SPACENEWS
“Pekings Masterplan” – Chinas Kampf um die Vorherrschaft im Weltall WELT
Günstiger als in Deutschland: Von Filderstadt nach Chengdu – Soner Kiraz verkauft Döner in China SWR
Tote nach Angriff auf Chinesen in pakistanischer Hafenstadt Gwadar SPIEGEL

Heads

Andreas Guder – Kompetenz durch Sprache 

Andreas Guder ist Professor für Didaktik des Chinesischen sowie Sprache und Literatur Chinas an der Freien Universität Berlin.

Andreas Guders Herzensthema sind Fremdsprachen. Der 56-Jährige ist seit 2019 Professor für Didaktik des Chinesischen an der Freien Universität Berlin. Er plädiert dafür, dass sich Europäer intensiver mit “distanten Fremdsprachen” wie Chinesisch beschäftigen. Denn die spielen im deutschen Bildungssystem bisher eine zu geringe Rolle. Es sei ein Armutszeugnis, wenn wir es in Europa nicht schaffen, Kindern und Studierenden außereuropäische Sprachen näherzubringen. “Umgekehrt gibt es nämlich viele Asiaten, die ebenfalls eine für sie fremde und schwierige europäische Sprache erfolgreich meistern”, sagt Guder.

China-Kompetenz ist für den Umgang mit der Volksrepublik China in vielen Bereichen notwendig. Gerade in unserer globalen Welt. “Nur durch die Sprache kann man Kultur und Menschen eines Landes verstehen und die so wichtige außereuropäische Perspektive einnehmen.” 

Schon seit seiner Jugend in München faszinieren Guder Sprachen: Als 13-Jähriger nahm er das Angebot seiner Schule an und lernte freiwillig Stenografie. Fasziniert von chinesischen Schriftzeichen ließ er sich zum Abitur sein erstes chinesisches Lehrbuch schenken. Im Zivildienst besuchte er dann erste Chinesisch-Sprachkurse. Später studierte er Deutsch als Fremdsprache mit Sinologie im Nebenfach an der Ludwig-Maximilian-Universität (LMU). Nach dem Studium ging Guder nach China.

In Peking unterrichtete er vier Jahre lang Deutsch als Fremdsprache am Beijing Institute of Technology. 2003 begann seine wissenschaftliche Karriere. Mittlerweile ist er Professor für Didaktik des Chinesischen sowie Sprache und Kultur Chinas an der FU Berlin. In dieser Position arbeitet Guder derzeit an einem fachdidaktischen Konzept für Chinesisch im Schulunterricht. Weltweit existiere dazu nur wenig Literatur, in Deutschland gebe es nur vereinzelt Schulen, die das Fach überhaupt im Unterricht anbieten. Neben Methoden sollten ebenso inhaltliche und kulturelle Ziele des Sprach-Unterrichts im Mittelpunkt stehen.  

An seinen eigenen Chinesisch-Unterricht an der Universität in den 1990er-Jahren hat Guder “katastrophale” Erinnerungen. “Es war weder kommunikativ noch gab es Hintergrundwissen zu Wortschatz oder Schriftzeichen; die grammatischen Strukturen standen im Fokus des Unterrichts.” Seitdem hat sich der Chinesisch-Unterricht an deutschen Schulen und Universitäten gewandelt.

Allerdings noch nicht genug, wenn es nach Guder geht. Gerade Schulen sollten mehr China-Kompetenz fördern. Oft sträuben sich aber sogar Schulbuchverlage gegen das Entwickeln von neuen Chinesisch-Lehrwerken. Der Markt sei für sie einfach zu klein, es würde sich nicht rechnen, sagt der Professor. “Hier bräuchten wir Mittel, um die deutschen Verlage zu unterstützen, damit wir unabhängig von der Volksrepublik China eigene Lehrwerke publizieren können.” 

Im Leben des Sinologen nimmt China eine große Rolle ein, auch abseits der Universität. Während der Pandemie fand Guder auf X (ehemals Twitter) ein neues Hobby. Er postet dort seit rund drei Jahren täglich ein neues Schriftzeichen mit diversen Hintergrundinfos, die das Lernen erleichtern sollen. Mittlerweile hat er über 1.200 Schriftzeichen auf dem Kurznachrichtendienst pointiert erklärt, jeden Tag werden es mehr. In seiner Freizeit liest der Vater von drei Kindern darüber hinaus viel chinesische Literatur und hat im vergangenen Jahr den Roman “Banus Erlösung” der uigurischen Autorin Gülnisa Erdal übersetzt. “Mein Beruf”, sagt Guder, “ist eben mein Hobby.” Dayan Djajadisastra 

  • China-Kompetenz
  • Sinologie

Personalie

Frank Bournois ist neuer Vize-Präsident und Dekan der China Europe International Business School (CEIBS) in Shanghai. Bournois hat einen Doktortitel in Unternehmensstrategie der Universität Lyon. Er ist spezialisiert auf die Untersuchung der Art und Weise, wie europäische Unternehmen ihre zukünftigen Führungskräfte identifizieren, verwalten und entwickeln.

Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

Dessert

Tod und Zerstörung: Ein Tornado wütete am Sonntag in der Stadt Yancheng in der ostchinesischen Provinz Jiangsu. Mindestens zwei Menschen kamen ums Leben, 15 weitere wurden verletzt. Hunderte Wohnhäuser und etliche Gewächshäuser wurden zerstört.

China.Table Redaktion

CHINA.TABLE REDAKTION

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    Gregor Koppenburg zeigt, zu welch grotesken Phänomenen das führt – etwa zu den bereits erwähnten “Vollzeit-Kindern”. Ein schwacher Trost für die Millionen Arbeitssuchenden: In deutschen Firmen gibt es dieses Jahr zumindest noch ein kleines Lohnplus.

    Aus einem gänzlich anderen Blickwinkel schaut der EU-Spitzendiplomat Gunnar Wiegand auf China. Im zweiten Teil des Gesprächs mit Amelie Richter lobt er die deutsche China-Strategie als wichtige Umsetzung der EU-Ansätze. Der Leiter der Asien-Abteilung des Europäischen Auswärtigen Dienstes blickt auf den noch zaghaften Umgang mit Desinformationen aus China und die anstehende Europawahl.

    Zudem lässt der langjährige Top-Beamte nochmals seine persönlichen Highlights, aber auch negative Höhepunkte im diplomatischen Umgang mit China Revue passieren.

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    Michael Radunski
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    Pakete sortieren oder Fenster putzen: Millionen Uni-Absolventen verdingen sich in China als überqualifizierte Hilfskräfte.

    Die Lage am chinesischen Arbeitsmarkt ist seit der Coronakrise angespannt. Die großen Probleme sind durchaus bekannt: die sich verlangsamende wirtschaftliche Erholung des Landes, das politische Vorgehen gegen den Techsektor und die Immobilienkrise. Dabei sehen die offiziellen Zahlen gar nicht so schlecht aus. 5,2 Prozent beträgt die Arbeitslosigkeit im Land und ist weitgehend stabil.

    Viele der Veränderungen vollziehen sich allerdings unter der Oberfläche. Zum Beispiel werden Gehälter bei Vertragsverlängerungen häufig gekürzt. Das ändert nicht den Erwerbsstatus, führt aber zu deutlichen Einbußen für den Arbeitnehmer.

    Die Hälfte des Gehalts fällt weg

    Zhang Jie (Name geändert) ist genau davon betroffen. Er hatte früher ein ziemlich gutes Einkommen als Projektleiter. 6.000 Yuan (circa 800 Euro) im Monat als Grundgehalt. Zusätzlich bekam er für jedes Projekt eine Bonuszahlung. Für einen Job in seinem Metier in einer Großstadt zweiten Ranges (second tier) ist das ein Durchschnittsgehalt.

    Dann lief Zhangs Vertrag aus, ein Neuer musste unterzeichnet werden – und es folgte das böse Erwachen. “Die Bonuszahlungen fallen ab sofort weg“, sagt er. “Damit verdiene ich ein Drittel weniger als vorher.”

    So wie Zhang müssen viele Arbeitnehmer, die neue Verträge abschließen, deutliche Einbußen hinnehmen. Viele Arbeitsverhältnisse, besonders im projektorientierten Bereich, funktionieren nach diesem Modell. Bis zu 50 Prozent des Gehaltes kann der Verlust der Bonuszahlungen ausmachen. Dennoch gehört Zhang im Grunde zu den Gewinnern: Er hat mehrere Jahre Arbeitserfahrung und sitzt nicht wie viele andere auf der Straße.

    Besonders betroffen sind Berufsanfänger

    Vor allem die ganz jungen Erwerbssuchenden des Landes verfügen über keinerlei Berufserfahrung. Sie werden von der Arbeitslosigkeit deshalb unverhältnismäßig hart getroffen. Bei den 16-24-jährigen beträgt die Arbeitslosenquote mittlerweile 21,3 Prozent. Das beinhaltet einerseits ungelernte Jobanfänger, aber auch mehrere Millionen Universitätsabsolventen, die jedes Jahr den Arbeitsmarkt schwemmen. Ihre Aussichten wurden vor allem durch das harte Durchgreifen im Tech- und privaten Bildungssektor getrübt.

    Ein Job bei einer deutschen Firma gilt bei vielen Chinesen noch immer als Glücksgriff. Mitarbeiter deutscher Unternehmen müssen vor dem Hintergrund der schwierigen Wirtschaftslage beim Gehalt zwar noch keine Einbußen hinnehmen. Ihr Einkommen wächst jedoch zunehmenden langsamer, wie aus einem am Montag veröffentlichten Arbeitsmarktbericht der Deutschen Handelskammer in Peking hervorgeht. Im Jahr 2023 stiegen die effektiven Löhne demnach um 4,76 Prozent. Es ist das erste Mal in drei Jahren, dass die effektiven Löhne unter den Erwartungen lagen.

    Deutsche Firmen erwarten sinkenden Lohnzuwach

    “Deutsche Unternehmen haben dieses Jahr niedrigere Gehaltserhöhungen angeboten als prognostiziert, was die vorsichtige Herangehensweise an den chinesischen Markt widerspiegelt”, sagt Ulf Reinhardt, Vorsitzender der Deutschen Handelskammer in China für Süd- und Südwestchina.

    Auch für 2024 ist keine Besserung in Sicht: Dann erwarten die deutschen Unternehmen in China nur noch ein Lohnwachstum von 4,49 Prozent. Es wäre das vierte Jahr in Folge mit einem Lohnwachstum von weniger als fünf Prozent. “Die Aussicht auf noch geringere Gehaltserhöhungen im Jahr 2024 bereitet Anlass zur Sorge und deutet auf anhaltende Schwierigkeiten im Markt hin”, urteilt Reinhardt.

    Das sind trübe – doch vergleichsweise noch gute Aussichten. Denn es geht weitaus schlimmer. Wer jetzt neu in den Arbeitsmarkt eintritt, sieht sich nicht selten mit extremen Forderungen konfrontiert. Jobs mit 70-Stunden-Woche für ca. 400 Euro Monatsgehalt sind keine Seltenheit an den Jobbörsen.

    Phänomen “Vollzeit-Kinder”

    Betty Chen (Name geändert) hat ein abgeschlossenes Englisch-Studium hinter sich und schon etwas Erfahrung im Sales-Bereich gesammelt. Für den Assistenzjob, für den sie sich beworben hat, musste sie in derselben Firma drei Job-Interviews am gleichen Tag führen. Und das – so signalisierte ihr die Pekinger Firma hinterher – war nur die erste Runde. Mindestens zwei weitere würden noch folgen.

    Doch die Arbeitslosigkeit trägt noch weitaus groteskere Früchte. Manche Eltern stellen kurzerhand ihre Kinder als “Vollzeit-Kinder ein. Sie bekommen dann von ihren Eltern ein regelmäßiges Gehalt, das dem mittleren Lohnniveau entspricht. Dafür verrichten sie Hausarbeit, gehen einkaufen oder kümmern sich um die kranke Großmutter.

    Laut einer Caixin Meinungs-Kolumne der Forscherin Zhang Dandan dürfte das Phänomen zu einer erheblichen Verzerrung der Statistiken führen. Denn laut Zhang werden “professionelle Kinder” nicht mehr als Arbeitssuchende geführt, was bedeutet, dass die wirkliche Quote der Arbeitssuchenden deutlich höher liegen dürfte, als offiziell angegeben. Sie schätzt, dass sich die eigentliche Arbeitslosenrate in dem Alterssegment auf bis zu 45 Prozent belaufen könnte.

    Schuften wie einst die Parteiführer

    Ein Teil der gut ausgebildeten Arbeitskräfte, die eigentlich für den Tech- oder Medienbereich qualifiziert sind, nimmt derweil in Kauf, was Parteichef Xi Jinping als “Bitterkeit schlucken” bezeichnet hatte, um überhaupt ein Einkommen zu erzielen. Sie verdingen sich in Bereichen, für die sie restlos überqualifiziert sind. Sie gehen in die Gebäudereinigung und verdienen mit Putzen ihr Geld. Auch hier sind die Löhne für die Absolventen natürlich gering.

    Der Kommunistischen Partei bereitet das öffentlich keine Sorgen. Viele Funktionäre ziehen Vergleiche zur Zeit der Kulturrevolution, in der auch Xi Jinping als Landarbeiter in einer Höhle lebte.

    Doch auch andere Stimmen werden laut. Denn sowohl die professionellen Kinder als auch die überqualifizierten Putzkräfte haben eines gemeinsam: Sie sammeln keinerlei Berufserfahrung in ihren Gebieten. Damit werden sie laut Experten langfristig nicht mehr vermittelbar sein. Die Ausbildung, für die ihre Eltern teils aufopfernd viel Geld gezahlt haben, wird damit schlicht effektiv verbrannt. Mitarbeit: Jörn Petring

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    “Berlins China-Strategie stärkt die EU-Politik”

    Als Leiter der Asien-Abteilung des Europäischen Auswärtigen Dienstes hat Gunnar Wiegand die China-Politik der EU entscheidend mitgelenkt.

    Berlin hat erst vor ein paar Wochen seine China-Strategie veröffentlicht. Welche Impulse hat diese für Brüssel gegeben?

    Die Kollegen in Deutschland haben eine sehr umfassende Strategie erarbeitet. Hier hat einer der wichtigsten europäischen Partner einen wichtigen Beitrag im Rahmen der europäischen Positionierung zu China geleistet. Die Strategie ist Teil der gemeinsamen EU-Position gegenüber China – und unterstützt und verstärkt diese, indem sie die EU-Strategie in die Notwendigkeiten und Möglichkeiten eines Mitgliedstaates übersetzt. Und zwar für die nationale, landes- und kommunale Ebene, für die offiziellen Institutionen, ebenso wie für Universitäten oder für Unternehmen. Für mich ist das ein wesentlicher Beitrag zur Stärkung der EU und deren Politik gegenüber Peking. Es ist keine Abweichung oder ein neuer Impuls, sondern es ist die Umsetzung dessen, was im europäischen Rahmen steht. Ich bin froh, dass jetzt auch Deutschland das so gemacht hat, wie andere Mitgliedstaaten schon zuvor.

    Im kommenden Jahr steht die Europawahl an. Denken Sie, China wird dabei eine Rolle spielen? 

    Traditionell sind ja außen- und sicherheitspolitische Themen ganz selten von wahlentscheidender Bedeutung. Ich denke, China spielt dabei eher mittelbar eine Rolle, und zwar insbesondere, wenn es um die wirtschaftlichen Verbindungen und Abhängigkeiten zwischen beiden Seiten geht.

    Gibt es denn den Ansatz für die Europawahl, und auch generell, mehr gegen chinesische Desinformationen zu unternehmen? Gerade auf Plattformen wie X, besser bekannt als Twitter, sprießen diese ja ohne jegliche Einordnung. 

    Im jüngsten EEAS-Report zu Desinformation gab es ein Kapitel zur chinesischen Unterstützung für russische Informationsmanipulation. Wir haben bewusst chinesische Publikationen und Aktionen in den Sozialmedien eingebunden, angesichts ihrer stetig wachsenden Bedeutung. Und das vor allem in Ländern, wo China oftmals ein effizienter Verstärker von russischer Desinformation ist. Es ist wichtig, das nicht nur diplomatisch anzusprechen, wann immer die Möglichkeit besteht, sondern das auch konkret zu widerlegen, unter anderem mit Reaktionen in den sozialen Medien. Wir müssen hier die Dinge aktiv klarstellen.  

    Klarstellen kann man nur, wenn es Fakten gibt. Das ist zum Beispiel im Fall des verschwundenen Außenminister Qin Gang nicht möglich, da sein Verbleib immer noch unklar ist. Die Gerüchteküche brodelt. Hat man Ihnen dazu mehr Informationen gegeben? Der Besuch des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell musste ja deshalb verschoben werden. 

    Da muss ich Sie enttäuschen. Wir sind relativ kurzfristig darüber informiert worden, dass der Besuch nicht mehr machbar war. Und anschließend wurde der Eindruck erweckt, dass es sich um ein gesundheitsbezogenes Problem handele. Was nach wie vor nicht ganz auszuschließen ist. Aber wir werden uns nicht zu dieser Frage äußern, denn das können nur die kompetenten chinesischen Stellen. 

    Gibt es bereits einen Termin für den EU-China-Gipfel?

    Es ist geplant, den Gipfel in diesem Jahr abzuhalten, der Termin ist aber noch nicht festgelegt.

    Haben Sie ein persönliches Highlight Ihrer Zeit als Asiendirektor des EEAS? 

    Da gibt es ziemlich viele. Eines war aber sicher, zu sehen, wie stark die Union jetzt bereit ist, sich breiter aufzustellen und proaktiv in eine so weit entfernte, aber immer enger mit uns verbundene Weltregion zu gehen. Dazu gehört als Highlight, dass wir 2021 mit allen Mitgliedsstaaten eine neue EU-Indo-Pazifik-Strategie erarbeitet haben, die wir 2022 trotz des beginnenden russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine auch voll begonnen haben, umzusetzen. Nirgendwo wurde das deutlicher als mit dem ersten Ministerforum für die Zusammenarbeit im indopazifischen Raum am 22. Februar in Paris, kurz vor dem Beginn der russischen Invasion. Europa konnte global handeln, trotz drohenden Krieges in seiner unmittelbaren Nachbarschaft. Das war für mich ein wichtiger Punkt.

    Welche Entwicklungen halten Sie noch für wichtig?

    Dass wir die Global-Gateway-Initiative nun langsam in die richtige Richtung bekommen haben und es eine ganze Reihe von konkreten Flaggschiff-Projekten gibt, die die grüne und digitale Transition voranbringen sowie zur Infrastrukturentwicklung und Konnektivität beitragen. Ich könnte Ihnen noch sehr viel mehr nennen, aber ich glaube, das sind ganz gute Highlights. Es gab in der Zeit aber auch eine Reihe von sehr negativen Erfahrungen, wie beispielsweise der Militärputsch in Myanmar oder die Entwicklungen in Afghanistan. Auch dass es immer mehr Interkontinentalraketen aus Nordkorea gibt, aber keinen Dialog mehr, ist besorgniserregend.  

    Was geben Sie Ihrer Nachfolgerin oder Ihrem Nachfolger denn mit für die Position? 

    Meiner Nachfolgerin oder meinem Nachfolger möchte ich vor allem raten, auch mittel- und langfristig zu denken und Dinge entsprechend vorzubereiten und nicht nur auf die aktuelle Lage zu blicken. Ich glaube, das ist ein wesentliches Manko unserer kollektiven Entscheidungsfindung, bei der man immer wieder versucht, sich zu einem Thema im Detail zu positionieren. Und in der Kompromissfindung zwischen allen Mitgliedsstaaten geht der Blick für das Ganze verloren. Das trifft nicht nur auf China zu. 

    Steht die Nachfolge denn schon fest?

    Ich kann Ihnen nur sagen, dass die oder der Beste ausgewählt wird und dass der Auswahlprozess in vollem Gange ist.

    Den ersten Teil des Interviews finden Sie hier.

    Gunnar Wiegand war von Januar 2016 bis August 2023 Leiter der Asienabteilung beim Europäischen Auswärtigen Dienst (EEAS). Zuvor war er stellvertretender Leiter für die Abteilung Europa und Zentralasien sowie Direktor der Abteilung für Russland, Östliche Partnerschaft, Zentralasien und OSZE beim EEAS. Vor seinem Eintritt beim EEAS war Wiegand seit 1990 in verschiedenen Funktionen im Zusammenhang mit Außenbeziehungen und Handelspolitik bei der Europäischen Kommission tätig.

    Wiegand wird nach der Sommerpause Visiting Professor am College of Europe im belgischen Brügge. Er wird dort Teil des Departments für EU International Relations and Diplomacy Studies.

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    Tesla verschärft Preiskampf

    Tesla reagiert in China mit weiteren Preissenkungen auf seine erstmals seit sieben Monaten wieder sinkenden Absatzzahlen im Land. Man habe die Preise für die Langstrecken- und Performance-Versionen des Model Y zum 14. August um jeweils knapp 2.000 Dollar (14.000 Yuan) gesenkt, teilte das US-Unternehmen am Montag mit. Damit heizt Tesla den Preiskampf im Elektrosegment selbst wieder an, nachdem der Hersteller kürzlich noch eine Vereinbarung mit chinesischen Mitbewerbern zur Mäßigung unterschrieben hatte. Ein anderer Ausweg ist es, in Shanghai produzierte Wagen nach Kanada zu exportieren.

    Die Verkäufe von Tesla-Fahrzeugen in China sind im Juli im Vergleich zum Juni um 31 Prozent gesunken, wie Daten der China Passenger Car Association (CPCA) Anfang des Monats zeigten – der erste Rückgang im Monatsvergleich seit Dezember. Tesla hat seine Preise in den USA, China und anderen Märkten seit Ende vergangenen Jahres mehrfach gesenkt, um sich gegen die Konkurrenz und die wirtschaftliche Unsicherheit zu schützen.

    Der Einstiegspreis für das Model Y Long Range wird um 4,5 Prozent auf 299.900 Yuan gesenkt. Das Model Y Performance kostet 3,8 Prozent weniger – 349.900 Yuan. Zwischen dem 14. August und dem 30. September biete Tesla zudem einen Versicherungszuschuss in Höhe von 8.000 Yuan für die Einstiegsversion des Model 3 mit Heckantrieb an, heißt es aus dem Unternehmen. rtr/grz

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    Jimmy Lai bleibt trotz Freispruch lange in Haft

    Verleger Jimmy Lai bei einer Protestkundgebung im Juni 2019.

    Das Berufungsgericht in Hongkong hat den Medienmagnaten Jimmy Lai und sechs weitere pro-demokratische Oppositionelle vom Vorwurf freigesprochen, im Jahr 2019 eine nicht genehmigte Versammlung organisiert zu haben. Das Urteil ist jedoch lediglich ein formeller Sieg für Lai und seine Mitstreiter, die ihre Strafen längst verbüßt haben. Denn vier von ihnen – darunter Lai – bleiben wegen weiterer Urteile im Rahmen einer politischen Säuberung ohnehin hinter Gittern.

    Das Gericht entschied am Montag, dass der Verleger sowie die Anwälte Martin Lee und Margaret Ng, die früheren Parlamentarier Cyd Ho und Albert Ho und die Aktivisten Lee Cheuk-yan und Leung Kwok-hung zwar an einer Massenkundgebung im August 2019 gegen das Auslieferungsgesetz teilgenommen hatten und dafür bestraft werden müssten, sie für die Organisation jedoch nicht verantwortlich waren. Lai selbst plädiert auf nicht schuldig.

    Es gebe keine Beweise, dass die Beschwerdeführer Verbindung zur inzwischen aufgelösten Civil Human Rights Front gehabt hätten, die sich für den Protest mit knapp zwei Millionen Menschen verantwortlich zeichnete. Lais Strafe für dieses Vergehen wurde von zwölf auf neun Monaten verkürzt.

    Der Gründer der pro-demokratischen Boulevardzeitung Apple Daily, deren Erscheinen inzwischen eingestellt wurde, war zuvor bereits wegen Betrugs zu fünf Jahren und neun Monaten Gefängnis verurteilt worden. Der Vorwurf lautete, er habe den Mietvertrag für die Verlagszentrale der Apple Daily verletzt. Mehr als hundert Journalisten fordern Lais Freilassung. Eine möglicherweise lebenslange Haft droht dem 75-Jährigen in weiteren Verfahren, in denen ihm vier Verstöße gegen das Nationale Sicherheitsgesetz vorgeworfen werden. Mit Lai sitzen 46 weitere Oppositionelle auf der Anklagebank.

    Das Nationale Sicherheitsgesetz war Hongkong im Jahr 2020 von der Pekinger Zentralregierung auferlegt worden. Mit der Gesetzgebung hat die Stadtregierung ein wirkungsvolles Instrument an der Hand, um politischen Dissens in Hongkong auf breiter Fläche zu ersticken. grz

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    • Rechtsstaatlichkeit

    Rüstungskonzern baut Afrika-Netzwerk aus

    Der staatliche chinesische Rüstungskonzern Norinco hat in der senegalesischen Hauptstadt Dakar eine Verkaufsniederlassung eingerichtet. China North Industries Corporation, kurz Norinco, gehört zu den führenden Akteuren in China, vor allem bei landgestützten Waffensystemen. Die neue Außenstelle ist Teil der Strategie des Konzerns, seine Aktivitäten in Westafrika auszuweiten. Norinco unterhält bereits Regionalbüros in Nigeria, Angola sowie Südafrika. Weitere Außenstellen in Westafrika sind geplant. 

    Leiter des neuen Regionalbüros wird Zheng Yungang, ein Fachmann mit über zwei Jahrzehnten Erfahrung im Verteidigungssektor. Zheng soll die Norinco-Geschäfte nicht nur im Senegal, sondern auch in anderen westafrikanischen Ländern vorantreiben. Insgesamt entwickelt sich China damit zu einem ernstzunehmenden MItbewerber auf dem westafrikanischen Waffenmarkt. 

    Die Expansion von Norinco in Westafrika wird von einigen Ländern der Region unterstützt, die ihre Beschaffungsquellen für Waffen diversifizieren wollen. Andere Länder sehen jedoch die Ausweitung der chinesischen Präsenz in der Region mit Sorge. 

    Senegal hat von Norinco bereits gepanzerte Fahrzeuge für seine Polizeieinheiten gekauft. Auch die Ausstattung der senegalesischen Forstwacht mit leichten Waffen und Munition durch Norinco ist im Gespräch. Das Unternehmen ist bereits ein wichtiger Waffenlieferant für Länder wie Algerien, Nigeria und Angola. Zuletzt hatte der Rüstungskonzern auch Gabun, Tansania und Mali beliefert. ajs

    • Afrika
    • Geopolitik
    • Militär

    Vize-Ministerpräsident Liu warnt vor Epidemien

    Aufräumarbeiten nach den heftigen Überschwemmungen in Heilongjiang (Archivbild).

    Chinas Vize-Ministerpräsident Liu Guozhong ist in die nordöstliche Provinz Heilongjiang gereist, um sich ein persönliches Bild von der Lage zu machen. In Heilongjiang war es in den vergangenen Tagen zu heftigen Überschwemmungen gekommen, tausende Hektar Ackerland stehen unter Wasser. Auf seiner Reise warnte Liu, China müsse handeln, um den Ausbruch von Epidemien in von Überschwemmungen betroffenen Gebieten in Heilongjiang zu verhindern. Das berichtet die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua am Montag.

    Man müsse zügig beschädigtes Ackerland, den lokalen Wasserschutz und andere Infrastruktur reparieren, forderte Liu. So solle eine schnelle Erholung der Getreideproduktion gewährleistet werden.

    China hat in den vergangenen Wochen eine ungewöhnlich nasse und regnerische Sommersaison erlebt. In den nördlichen und nordöstlichen Provinzen kam es zu massiven Überschwemmungen. Allein in Hebei wurden Anfang August mehr als 1,5 Millionen Menschen in Sicherheit gebracht. Es sei notwendig, Hilfsmaßnahmen zu ergreifen, damit die betroffenen Menschen nicht in Armut fallen, sagte Liu weiter. Einige Dörfer seien nach wie vor überschwemmt, die Wasserqualität schlecht und die Umwelt verschmutzt, wodurch die Gefahr von Infektionskrankheiten bestehe. rad

    • Gesellschaft
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    Minister besucht Russland und Belarus

    Chinas Verteidigungsminister Li Shangfu wird vom 14. bis 19. August Russland und Belarus besuchen, wie das Ministerium am Montag mitteilte. Während seines Aufenthalts in Russland werde Li an einem internationalen Sicherheitstreffen teilnehmen und dort eine Rede halten. Außerdem will er mit führenden Vertretern des russischen Verteidigungsministeriums zusammentreffen.

    China und Russland haben ihre militärischen Beziehungen verstärkt und führen gemeinsame Patrouillen und Militärübungen durch. Im April war Li mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin in Moskau zusammengetroffen und hatte eine verstärkte militärische Zusammenarbeit angekündigt. Im Juli traf Li in Peking mit dem Chef der russischen Marine zusammen. In Belarus wird Li mit Staatsoberhaupt Lukaschenko und Vertretern des Militärs zusammenkommen. rtr/grz

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    • Russland

    Presseschau

    Xi Jinping knöpft sich Gesundheitssystem vor – Chinas Kampf gegen korrupte Ärzte: Schießt die Kampagne übers Ziel hinaus? RND
    Korruption in China: Vom Korruptionskampf zur Hetzjagd STUTTGARTER-NACHRICHTEN
    Vizepräsident Lai in New York: Taiwan wird vor autoritären Drohungen nicht zurückweichen FAZ
    Chinese defense minister to visit Russia and Belarus in show of support despite West’s objections ABCNEWS
    Hongkong: Vorteile gegen Demokratieaktivisten aufgehoben DEUTSCHLANDFUNK
    China: Wie Exil-Chinesen in Deutschland ausspioniert werden WELT
    China verlangt keine Fingerabdrücke mehr fürs Visum BUSINESSTRAVELLER
    India emphasises early disengagement in remaining friction points in military talks with China LIVEMINT
    Wirtschaftsspionage: Ist es gefährlich, wenn der Dienstwagen aus China kommt? RIFFREPORTER
    Politiker fordern mehr Spionage-Schutz für KI-Forschung HANDELSBLATT
    Kompromiss im Streit um Huawei-Technik bahnt sich an HANDELSBLATT
    Allzu bedenkenlose Kontakte? Wie das Geomar mit China zusammenarbeitet KN-ONLINE
    Australia Sends Largest Warship to Military Drills with Philippines and US VOANEWS
    Machtzentrum Indopazifik: “Wir waren alle ein bisschen naiv, wenn es um China ging” TAGESSPIEGEL
    US industry is getting its way on China FT
    Country Garden: Bedeutender chinesischer Immobilienkonzern in finanziellen Schwierigkeiten SPIEGEL
    China in Deflation gerutscht: So könnte sich die Preis-Abwärtsspirale auf die deutsche Wirtschaft auswirken FINANZEN
    Weitere China-Probleme drücken Asiens Börsen HANDELSBLATT
    Chinas Wirtschaftswachstum basiert auf Pump: 90% Einbruch bei Krediten, Yuan fällt, Immobilienkrise FINANZMARKTWELT
    China: “Die Zeiten von bis zu Neun Prozent Wachstum sind lange vorbei” WELT
    Krise in China: China droht ein verlorenes Jahrzehnt FUW
    China’s Shadow Banks Could Be Another Property Casualty WSJ
    Bauruinen in China: Geld investiert, aber Wohnung nie erhalten SRF
    China: Tesla senkt Preise für zwei Model-Y-Varianten ELECTRIVE
    Festkörperbatterie: Chinesisches Unternehmen baut 10-GWh-Produktion BATTERY-NEWS
    China will Laserwaffe entwickelt haben, die unendlich oft feuern kann WINFUTURE
    China launches first geosynchronous orbit radar satellite SPACENEWS
    “Pekings Masterplan” – Chinas Kampf um die Vorherrschaft im Weltall WELT
    Günstiger als in Deutschland: Von Filderstadt nach Chengdu – Soner Kiraz verkauft Döner in China SWR
    Tote nach Angriff auf Chinesen in pakistanischer Hafenstadt Gwadar SPIEGEL

    Heads

    Andreas Guder – Kompetenz durch Sprache 

    Andreas Guder ist Professor für Didaktik des Chinesischen sowie Sprache und Literatur Chinas an der Freien Universität Berlin.

    Andreas Guders Herzensthema sind Fremdsprachen. Der 56-Jährige ist seit 2019 Professor für Didaktik des Chinesischen an der Freien Universität Berlin. Er plädiert dafür, dass sich Europäer intensiver mit “distanten Fremdsprachen” wie Chinesisch beschäftigen. Denn die spielen im deutschen Bildungssystem bisher eine zu geringe Rolle. Es sei ein Armutszeugnis, wenn wir es in Europa nicht schaffen, Kindern und Studierenden außereuropäische Sprachen näherzubringen. “Umgekehrt gibt es nämlich viele Asiaten, die ebenfalls eine für sie fremde und schwierige europäische Sprache erfolgreich meistern”, sagt Guder.

    China-Kompetenz ist für den Umgang mit der Volksrepublik China in vielen Bereichen notwendig. Gerade in unserer globalen Welt. “Nur durch die Sprache kann man Kultur und Menschen eines Landes verstehen und die so wichtige außereuropäische Perspektive einnehmen.” 

    Schon seit seiner Jugend in München faszinieren Guder Sprachen: Als 13-Jähriger nahm er das Angebot seiner Schule an und lernte freiwillig Stenografie. Fasziniert von chinesischen Schriftzeichen ließ er sich zum Abitur sein erstes chinesisches Lehrbuch schenken. Im Zivildienst besuchte er dann erste Chinesisch-Sprachkurse. Später studierte er Deutsch als Fremdsprache mit Sinologie im Nebenfach an der Ludwig-Maximilian-Universität (LMU). Nach dem Studium ging Guder nach China.

    In Peking unterrichtete er vier Jahre lang Deutsch als Fremdsprache am Beijing Institute of Technology. 2003 begann seine wissenschaftliche Karriere. Mittlerweile ist er Professor für Didaktik des Chinesischen sowie Sprache und Kultur Chinas an der FU Berlin. In dieser Position arbeitet Guder derzeit an einem fachdidaktischen Konzept für Chinesisch im Schulunterricht. Weltweit existiere dazu nur wenig Literatur, in Deutschland gebe es nur vereinzelt Schulen, die das Fach überhaupt im Unterricht anbieten. Neben Methoden sollten ebenso inhaltliche und kulturelle Ziele des Sprach-Unterrichts im Mittelpunkt stehen.  

    An seinen eigenen Chinesisch-Unterricht an der Universität in den 1990er-Jahren hat Guder “katastrophale” Erinnerungen. “Es war weder kommunikativ noch gab es Hintergrundwissen zu Wortschatz oder Schriftzeichen; die grammatischen Strukturen standen im Fokus des Unterrichts.” Seitdem hat sich der Chinesisch-Unterricht an deutschen Schulen und Universitäten gewandelt.

    Allerdings noch nicht genug, wenn es nach Guder geht. Gerade Schulen sollten mehr China-Kompetenz fördern. Oft sträuben sich aber sogar Schulbuchverlage gegen das Entwickeln von neuen Chinesisch-Lehrwerken. Der Markt sei für sie einfach zu klein, es würde sich nicht rechnen, sagt der Professor. “Hier bräuchten wir Mittel, um die deutschen Verlage zu unterstützen, damit wir unabhängig von der Volksrepublik China eigene Lehrwerke publizieren können.” 

    Im Leben des Sinologen nimmt China eine große Rolle ein, auch abseits der Universität. Während der Pandemie fand Guder auf X (ehemals Twitter) ein neues Hobby. Er postet dort seit rund drei Jahren täglich ein neues Schriftzeichen mit diversen Hintergrundinfos, die das Lernen erleichtern sollen. Mittlerweile hat er über 1.200 Schriftzeichen auf dem Kurznachrichtendienst pointiert erklärt, jeden Tag werden es mehr. In seiner Freizeit liest der Vater von drei Kindern darüber hinaus viel chinesische Literatur und hat im vergangenen Jahr den Roman “Banus Erlösung” der uigurischen Autorin Gülnisa Erdal übersetzt. “Mein Beruf”, sagt Guder, “ist eben mein Hobby.” Dayan Djajadisastra 

    • China-Kompetenz
    • Sinologie

    Personalie

    Frank Bournois ist neuer Vize-Präsident und Dekan der China Europe International Business School (CEIBS) in Shanghai. Bournois hat einen Doktortitel in Unternehmensstrategie der Universität Lyon. Er ist spezialisiert auf die Untersuchung der Art und Weise, wie europäische Unternehmen ihre zukünftigen Führungskräfte identifizieren, verwalten und entwickeln.

    Ändert sich etwas in Ihrer Organisation? Schicken Sie doch einen Hinweis für unsere Personal-Rubrik an heads@table.media!

    Dessert

    Tod und Zerstörung: Ein Tornado wütete am Sonntag in der Stadt Yancheng in der ostchinesischen Provinz Jiangsu. Mindestens zwei Menschen kamen ums Leben, 15 weitere wurden verletzt. Hunderte Wohnhäuser und etliche Gewächshäuser wurden zerstört.

    China.Table Redaktion

    CHINA.TABLE REDAKTION

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