Technologie macht das Leben einfacher. In den falschen Händen aber wird sie unter Garantie missbraucht. So spannend es klingen mag, dass chinesische Forscher einen Helm entwickelt haben, der – sehr vereinfacht gesagt – Gedanken lesen kann, so schauderhaft ist die Vorstellung, wozu ein solcher Apparat von einem autoritären Regime in der Zukunft verwendet wird.
Überwachung ist in China so allgegenwärtig und intensiv, dass es naiv wäre zu glauben, die Kommunistische Partei würde das Instrument zum Gedankenlesen dem Wohle der Wissenschaft überlassen. Im Gegenteil wird sie es zu ihrem Vorteil nutzen, sollte es technisch einmal so ausgereift sein, dass es Dissens mit der offiziellen politischen Linie entlarven kann. Alles, was einer Diktatur mehr Stabilität verspricht, kommt dort auch zum Einsatz.
Sicherlich klingt ein solches Szenario dystopisch. Doch wer hätte vor ein paar Jahrzehnten gedacht, dass unsere Autos bald schon keine Fahrer mehr benötigen und Mikrochips menschliche Sinnesorgane ersetzen können. Die Technologie entwickelt sich so rasant, dass nicht einmal mehr Zeit bleibt, darüber nachzudenken, ob wir so etwas wie digitale Gedankenleser wirklich wollen.
Der eigene Kopf ist der letzte Rückzugsort eines Menschen, an dem er tun und lassen kann, was er will. Wenn nicht einmal mehr die Gedanken frei sind, dann bekommt der Begriff Totalitarismus eine ganz neue Dimension.
Ein auf Künstliche Intelligenz spezialisiertes Forschungsteam von der Beijing Jiaotong Universität hat einen Helm hergestellt, der es ermöglicht “Gedanken zu überwachen” – zumindest wenn der Träger des Helms Pornografie konsumiert.
Der Helm überwacht anhand von Gehirnwellen-Ausschlägen die Reaktionen des Trägers, und zieht daraus Rückschlüsse, welche Inhalte dieser gerade konsumiert. Für eine erste Testreihe wurden fünfzehn männliche Studenten im Alter zwischen 20 und 25 Jahren vor einen Computerbildschirm gesetzt. Jedes Mal, wenn ein Foto mit entsprechenden Inhalten erschien, löste der Helm einen Alarm aus. Die Treffsicherheit lag bei 80 Prozent.
Das Team konnte selbst Reaktionen im Gehirn messen, wenn die Porno-Bilder nur für eine halbe Sekunde in einem Fluss anderer Bilder zu sehen waren. Die Forscher betonen, ihre Entwicklung sei deswegen so wichtig, weil das Auge und das Gehirn bestimmte Bilder noch besser erkennen können als die fortschrittlichste künstliche Intelligenz, besonders, wenn es Bilder vor komplexem Hintergrund sind.
Das Gerät ist so fortschrittlich, dass es sich an die Gehirnwellen der Probanden anpassen und andere Gehirnwellen, die durch Ängste oder andere Gefühle ausgelöst werden können, herausfiltern kann. Seine Versuche stellte das Team in dem chinesischen Fachmagazin Journal of Electronic Measurement and Instrumentation vor. Eine internationale Bewertung fehlt noch.
Die Technologie könnte dem chinesischen Staat zwar potenziell helfen, seine Zensur zu perfektionieren. Die Testreihe der chinesischen Forscher stand jedoch gerade wegen der Zensur vor großen Herausforderungen. So konnten aufgrund der gesetzlichen Lage in China nur bereits zensierte Inhalte verwendet werden. Zudem nahmen keine Frauen an der Studie teil, obwohl viele Online-Zensoren in China Frauen sind. Ob sie anders auf die Inhalte reagieren würden als die männlichen Teilnehmer, konnte somit bislang nicht geprüft werden.
Angeblich forscht die Volksbefreiungsarmee ebenfalls an einer Mensch-Maschine-Schnittstelle. Sie soll es Soldaten ermöglichen, ihre Waffen mit nie gekannter Geschwindigkeit zu steuern. Einige Fabriken in China sollen bereits seit 2014 Geräte zur Überwachung von Gehirnwellen einsetzen, um Arbeitsunfälle zu vermeiden, indem sie das Aufmerksamkeitslevel der Arbeiter kontrollieren.
Die sogenannten Hirn-Computer-Schnittstellen (BCI: Brain-Computer-Interfaces) sind ein wichtiger Zukunftsmarkt. Mit seinem Unternehmen Neuralink will etwa Tesla-Gründer Elon Musk elektronische Implantate ins Gehirn einsetzen. Neuronen im Gehirn werden dann mit winzigen elektrischen Impulsen stimuliert, die dann unterschiedliche Effekte erzielen sollen. Auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg forscht an einem Gedankenhelm. Doch das ist tatsächlich noch Zukunftsmusik.
In Deutschland arbeitet beispielsweise ein Team an der Berliner Uniklinik Charité an Auslesen und Interpretieren von Gehirnwellen. Dort gibt es einen eigenen Lehrstuhl für Klinische Neurotechnologie, der sich mit dem Thema beschäftigt. In Südkorea hat die Firma iMedisync bereits einen angeblich marktreifen Helm vorgestellt. Auch japanische Forscher sind an der Technik dran. Am Advanced Telecommunications Research Institute (ATR) in Kyoto gibt es eine Abteilung für die Entwicklung einer Hirn-Computer-Schnittstelle. Die erste Anwendung soll Hilfe für gelähmte Patienten sein. Auch die Privatfirmen Nissan und Honda arbeiten an solchen Technologien. All das sind nur Beispiele für die vielen Projekte, die weltweit laufen.
Im Falle Chinas öffnen solche Geräte natürlich Tür und Tor für dystopische Überwachungsszenarien. Verbrecher könnten mit Gehirnschnittstellen überführt werden, noch bevor sie die Tat begangen haben, allein schon dadurch, dass in ihrem Gehirn die Absicht herumschwirrt. Menschen könnten auf ihre Loyalität gegenüber der Partei geprüft werden.
Aber auch ohne den Teufel an die Wand zu malen werfen Hirn-Computer-Schnittstellen viele neue Rechtsfragen und ethische Diskussionsfelder auf: Wie und von wem werden diese höchst intimen personenbezogenen Informationen gespeichert und verarbeitet? Ist die Autonomie und freie Entfaltung der Persönlichkeit noch garantiert, wenn Maschinen und infolgedessen auch Firmen Einfluss auf das menschliche Gehirn ausüben können? Auch gesellschaftlich entstünden schnell große Unterschiede zwischen Menschen, die sich eine Gehirnoptimierung leisten können und solchen, die noch mit herkömmlicher Geisteskraft unterwegs sind.
Es ist ein Meilenstein: Shenzhen erlaubt künftig schwerkranken Patienten per Gesetz, sich gegen lebensrettende Behandlungen zu entscheiden, um ihr Recht auf einen würdevollen Tod zu wahren. Die Stadt hat ein neues Gesetz erlassen, das Anfang 2023 in Kraft treten soll. “Wenn sich Patienten im Endstadium einer unheilbaren Krankheit oder am Ende ihres Lebens befinden, sollten medizinische Stellen die Angaben in ihren Patientenverfügungen respektieren”, heißt es in der überarbeiteten medizinischen Verordnung, die Ende Juni veröffentlicht wurde.
Führende Staatsmedien wie Global Times berichteten auch in ihren englischen Ausgaben durchweg positiv über dieses Gesetzesvorhaben. Es wird als “zukunftsweisend” bezeichnet und würde “traditionelle Auffassungen” durchbrechen. Es sei “eine wichtige Chance für öffentliche Aufklärung über Leben und Tod”.
Die Reaktionen in den sozialen Medien auf das Gesetz waren hingegen sehr unterschiedlich. Befürworter wollen in den Plänen mehr Achtung der Menschenrechte erkennen. Während Gegner die Gefahr sehen, dass künftig todkranke Patienten von ihren Familien gezwungen werden könnten, aus Angst vor hohen medizinischen Kosten, auf eine Weiterbehandlung zu verzichten. Auf Weibo begrüßte ein Arzt die Ankündigung als “absolut notwendig”, um das Leid von Patienten zu verringern. Der Arzt bringt auch das Thema Sterbehilfe ins Spiel.
Eine öffentliche Debatte zur Sterbehilfe gibt es in China seit den 80er-Jahren. Damals wurde im Zentral- und Volksrundfunk eine Sendung zu dem Thema ausgestrahlt. Es entstand sogar der Begriff 安乐死 – AnLeSi (Frieden, Freude und Sterben) für Sterbehilfe. Eine zunächst in wissenschaftlichen Kreisen geführte Diskussion fand ihren Weg in die breite Öffentlichkeit, nachdem 1987 Deng Yingchao, die Frau des verstorbenen Ministerpräsidenten Zhou Enlai in einem öffentlichen Brief bekundete: “Ich sehe Sterbehilfe als ein materialistisches Problem”. Sie habe in einem Testament festgelegt, dass sie auf medizinische Eingriffe verzichte, wenn sie nur noch dadurch am Leben erhalten werden kann. Ihr Mann Zhou Enlai war 1976 an den Folgen von Blasenkrebs gestorben. Angeblich soll Mao Zedong Ärzten 1972 befohlen haben, die Krankheit Zhous dem Ehepaar gegenüber zunächst geheim zu halten. Zhou hatte wohl eine hohe Chance auf Heilung, wenn der Krebs sofort behandelt worden wäre.
Im Jahr 1998 wurde das Thema von chinesischen Experten aus Medizin, Recht und Ethik erneut heftig diskutiert. Man war sich einig, dass neben den rechtlichen und medizinischen Fragen auch die damit verbundenen soziologischen Probleme gelöst werden müssten. Unbeantwortet blieben dabei die Fragen: Ist Sterbehilfe ethisch vertretbar? Welcher gesellschaftlicher Wert kommt ihr zu? Sind gesetzliche Regelungen notwendig? Seitdem zeigen Meinungsumfragen, dass eine Vielzahl der Befragten dafür plädiert, Sterbehilfe per Gesetz anzuerkennen.
Die zuständigen Stellen in der Kommunistischen Partei stehen am Scheideweg. Das Thema birgt viele unbekannte Risiken. Die Entscheidung der Stadt Shenzhen respektiert das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen darüber, welche medizinische Behandlungen er oder sie am Ende des Lebens erhalten will. Damit reiht sich die Stadt in eine Praxis ein, wie sie in den meisten Industrieländern bereits vollzogen ist.
Das Gesetz in Shenzhen kann auch als Testlauf gesehen werden. Die Zentralregierung wird sich die Umsetzung genau anschauen. Welche Probleme zeigen sich dadurch im Gesundheitswesen? Wo liegen rechtliche Fallstricke?
Dass die Idee einer Patientenverfügung in das Bewusstsein der Bevölkerung vordringt, darin sehen viele Gesundheits-Experten allerdings wenig Chancen. Laut der Organisation “Beijing Living Will Promotion Association” haben seit 2011 nur etwa 50.000 Menschen eine Patientenverfügung unterschrieben. Die Organisation setzt sich dafür ein, dass Gesetze zu Patientenverfügungen erlassen werden. “Zusätzlich zu einem begrenzten Bewusstsein hindert die traditionelle Denkweise, das Leben zu schätzen und den Tod zu vernachlässigen, Menschen daran, eine ‘progressive’ Lebensentscheidung zu akzeptieren”, so der Verband.
Zudem ist unklar, inwieweit Ärzte und Angestellten in den Krankenhäusern den Patientenverfügungen folgen müssen. “Es ist nicht verpflichtend, den Verfügungen zu folgen”, sagt Chen Wenchang, Senior Partner der Anwaltskanzlei Jiachuan in Peking, gegenüber Sixth Tone. Aber die neue Shenzhener Regulierung könnte dazu beitragen, das “Konzept eines würdevollen Todes landesweit zu fördern”.
Die Regelung in Shenzhen könnte auch das medizinische Personal entlasten. “Ärzte stehen in der Regel unter enormem ethischen und emotionalen Druck, lebensrettende Maßnahmen durchzuführen, obwohl sie häufig wenig Erfolgsaussichten haben”, sagte er. Eine Patientenverfügung schützt Mediziner vor Rechtsstreitigkeiten mit der Familie des Patienten. Mitarbeit: Renxiu Zhao.
Das chinesische Internet-Einhorn Lianke Meixun ist ins Visier der Zensoren gerückt. Eine Handvoll Social-Media-Konten des Unternehmens, das unter anderem vom Internetriesen Tencent gestützt wird und bei einer Finanzierungsrunde mit einem Wert von über einer Milliarde US-Dollar bewertet wurde, sind seit Mittwoch wegen “Gesetzes- und Regelverstößen” nicht mehr erreichbar. Das Unternehmen betreibt das populäre Gesundheitsportal DXY, das unabhängige Informationen zu Gesundheits-Fragen und Medikamenten veröffentlicht. DXY hatte vor einigen Monaten die Empfehlung der Behörden kritisiert, Covid-Erkrankungen mit Traditoneller Chinesischer Medizin (TCM) vorzubeugen oder zu behandeln.
Explizit hatte die Regierung zurzeit des Lockdowns in Shanghai im Frühjahr das TCM-Mittel Lianhua Qingwen angepriesen und Bürger der Stadt zur Verfügung gestellt. Chinas Behörden unterstützen seit geraumer Zeit öffentlich die Nutzung Traditioneller Chinesischer Medizin. DXY hatte wegen Mangels wissenschaftlicher Erkenntnisse die Wirksamkeit des Mittels als Prävention und gegen Covid-Symptome infrage gestellt. Ebenso wurde kritisiert, dass die Verteilung des Mittels Priorität vor der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln gehabt habe.
Die Kritik an dem Mittel über Sozialmedien hatte den Aktienkurs der Herstellerfirma Yiling Pharmaceutical in die Tiefe gerissen. Binnen kurzer Zeit verlor das Unternehmen zwei Milliarden Dollar an Wert. Yiling Pharmaceutical gehört zu den bekanntesten TCM-Produzenten des Landes und hat globale Ambitionen. Laut Internetauftritt des Herstellers ist die Firma weltweit mit 30 Büros auf allen Kontinenten vertreten – in Europa unter anderem in den Niederlanden, Spanien und Rumänien´.
Während die DXY-Konten beim Kurznachrichtendienst Weibo mit dem Hinweis auf Gesetzes- und Regelverstöße versehen sind, blieben andere Kanäle wie beispielsweise bei WeChat ohne einen Hinweis. Seit Montag allerdings warten die Nutzer auf einen neuen Post. Die Internetseite DXY.cn war am Donnerstag derweil weiterhin erreichbar. Die betroffenen Weibo-Kanäle haben zusammen knapp neun Millionen Follower.
Bereits im April war der Sohn des Immobilien-Unternehmers Wang Jianlin vom Kurznachrichtendienst Weibo verbannt worden. Er hatte ein Video geteilt, das die Behauptungen von Yiling Pharmaceutical zur vermeintlichen Wirksamkeit des besagten TCM-Mittels infrage gestellt hatte. grz
Ein Berufungsgericht in Peking hat den Revisionsantrag der Klägerin in Chinas bekanntestem MeToo-Verfahren abgelehnt. Das Mittlere Volksgericht Nummer 1 verwies auf den Mangel an neuen Beweisen im Belästigungsfall der 29-Jährigen Zhou Xiaoxuan. Das Gericht bestätigte damit die Entscheidung des Volksgerichts Haidian, das die Klage im September 2021 abgelehnt hatte.
“Das Gericht hat entschieden, dass die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Beweise nicht ausreichen, sexuelle Belästigung nachweisen zu können, und dass die Berufung nicht begründet werden konnte”, teilte das Gericht über den chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo mit. Die Klägerin könne allerdings den weiteren Rechtsweg beschreiten.
Zhou hatte im Jahr 2018 Vorwürfe gegen den bekannten Fernsehmoderator Zhu Jun öffentlich gemacht. Sie wirft Zhu vor, er habe sie während eines Praktikums bei der staatlichen TV-Anstalt CCTV begrapscht und ohne ihr Einverständnis versucht zu küssen. Das Verfahren gilt als prominentester Fall der #MeToo-Bewegung in China. Losgetreten wurde die Bewegung im Land von einer Studentin, die einen Hochschul-Professor der sexuellen Belästigung beschuldigt hatte. grz
Hongkong wird die Zeit der obligatorischen Hotel-Quarantäne nach der Einreise von sieben auf drei Tage reduzieren. Ab kommenden Freitag gelten die neuen Bestimmungen, die einen Mittelweg bieten sollen zwischen wirtschaftlicher Produktivität und dem Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus.
Die neuen Regeln sehen vor, dass alle Fluggäste nach der Ankunft nur noch drei Tage lang strikt isoliert in einem Hotel verbringen müssen. Für den Fall eines negativen Tests ist es den Einreisenden nach 72 Stunden gestattet, in ihre eigenen vier Wände zurückzukehren oder in ein Hotel ihrer Wahl. Für weitere vier Tage danach dürfen die Betroffenen keine öffentlichen Einrichtungen oder Ämter betreten, sich allerdings frei in der Stadt bewegen. In der Hochphase der Pandemie mussten Einreisende bis zu 21 Tage in die Isolation.
Man wolle die Auswirkungen der Quarantäne auf die wirtschaftlichen Aktivitäten in der Stadt vermindern, begründete Regierungschef John Lee die Entscheidung. Dennoch kritisierte die britische Handelskammer die verbliebene Zwangs-Quarantäne als Bremsklotz für die Wirtschaft. “Es ist unwahrscheinlich, dass (die Reduzierung auf drei Tage) den breiteren Geschäfts- und Touristenreisen zugutekommt”, sagte Exekutivdirektor David Graham der Nachrichtenagentur Bloomberg. Man ermutige die Regierung, die Quarantäne bei negativen Testergebnissen gänzlich zu streichen. Dies sei für die Geschäftsaussichten Hongkongs von entscheidender Bedeutung. grz
Bei einem Unfall in einer Kohlemine in Shanxi sind fünf Bergleute ums Leben gekommen. Am Freitag war ein Dach eingestürzt und hatte die Kumpel in der Mine eingeschlossen. Die Bergungsarbeiten dauerten bis zum Montag an. Im Laufe des Tages wurde dann der Tod der fünf Bergleute gemeldet. Shanxi ist die größte Kohle-Provinz Chinas. Dort werden pro Jahr 1,2 Milliarden Tonnen des fossilen Brennstoffs gefördert.
In diesem Jahr planen die Minen in der Provinz eine Ausweitung der Produktion um elf Prozent, wie Bloomberg berichtet. In der Vergangenheit hatten die Behörden die Sicherheitsbestimmungen in den Minen erhöht. Als Folge davon gab es weniger Unglücke. Nach der Energiekrise im zweiten Halbjahr des vergangenen Jahres, hat Peking die Minen jedoch angewiesen, die Produktion wieder zu erhöhen, ob die Sicherheitsbestimmungen immer eingehalten werden, ist unklar.
In den ersten sieben Monaten des Jahres 2022 kam es zu 86 Unfällen in Kohleminen mit 129 Todesopfern. Laut Behördenangaben ist die Anzahl der Unfälle im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 24 Prozent gesunken. nib
Bevor Nancy Pelosi am Mittwochnachmittag von Taiwan nach Südkorea weiterflog, traf sie sich noch in Taipeh hinter verschlossenen Türen mit drei profilierten Menschenrechts- und Demokratieaktivisten: Lam Wing-kee, einem Hongkonger Buchhändler, der aufgrund seiner politischen Publikationen 2019 auf die Insel fliehen musste; Lee Ming-che, einem taiwanischen NGO-Mitarbeiter, der in China fünf Jahre im Gefängnis saß und erst dieses Jahr freikam (China.Table berichtete) und Wu’er Kaixi, einem ehemaligen chinesischen Studentenführer, der seit 1996 in Taiwan lebt und von dort noch immer gegen Peking aufbegehrt.
Das Treffen mit den drei Aktivisten soll ein Schlaglicht auf die “tiefe Freundschaft und die gemeinsamen Werte” werfen, die Pelosi gestern in ihrem Reise-Statement bereits angerissen hatte: Selbstbestimmung und Selbstverwaltung, Demokratie und Freiheit, Menschenwürde und Menschenrechte. “Wir kamen, um zuzuhören und zu lernen. Wir gingen inspiriert von ihrem Mut”, schrieb Pelosi nach dem Treffen im Human Rights Memorial and Cultural Park auf Twitter.
Dass Pelosi Wu’er Kaixi trifft, ist ein klares Signal an die kommunistische Führung in Peking, die den Aktivisten noch immer als Staatsfeind betrachtet. Aber es ist auch eine öffentlichkeitswirksame Geste an den Westen, wo Wu’er Kaixi als einer der bekanntesten Dissidenten Chinas in Erinnerung geblieben ist.
Der 1968 geborene Pekinger mit uigurischen Wurzeln war einer der Köpfe der Studentenbewegung auf dem Tiananmen-Platz 1989. Als ein Führer der neu gegründeten unabhängigen Students’ Autonomous Federation, die den Rücktritt des KP-Generalsekretärs Zhao Ziyangs sowie Presse- und Redefreiheit einforderte, bewies Kaixi sein Talent als Redner und viel Charisma. Zum Gesicht der Studentenbewegung wurde er jedoch erst, nachdem er im Staatsfernsehen zusammen mit anderen Studentenvertretern den damaligen Ministerpräsidenten Li Peng zu einer Diskussionsrunde getroffen hatte. Wu’er Kaixi kam direkt aus dem Zelt der Hungerstreikenden. Im Schlafanzug saß der damals 21-Jährige dem politischen Hardliner gegenüber und zögerte nicht, ihn zu unterbrechen: “Ich weiß, dass es unhöflich ist, Herr Premier, aber während wir hier sitzen und Nettigkeiten austauschen, sitzen auf dem Platz Leute und hungern.” Zwei Wochen nach dem Auftritt ließ Chinas Führung die Demokratiebewegung mit Gewalt niederschlagen.
Als Pelosi den Tiananmen-Platz 1991 besuchte, und dort ein Banner für die Verstorbenen des Massakers entrollte, war Wu’er Kaixi bereits ein politischer Flüchtling. Von Hongkong über Frankreich gelangte er in die USA, wo er in Harvard studierte. 1996 zog es ihn nach Taiwan. In Taipeh betätigte er sich seitdem als politischer Kommentator, Investmentbanker, Filmemacher und Dozent. 2015 kandidierte er als unabhängiger Abgeordneter für das taiwanische Parlament. Obwohl aus seiner Karriere als Parlamentarier nichts wurde – einerseits hatte er keine große Partei hinter sich, andererseits sahen ihn viele Wähler noch immer als Ausländer – ist Wu’er Kaixi auf der Insel noch immer ein bekannter Kommentator und Menschenrechtler. Als Generalsekretär der Taiwan Parliamentary Human Rights Commission, dem Menschenrechtskomitees im taiwanischen Legislativ-Yuan, setzte er sich zuletzt immer stärker für die Uiguren ein. Allein auf Twitter folgen ihm heute über 160.000 Menschen.
Pelosis Besuch begrüßte er dort ausdrücklich: Es sei die beste Maßnahme, die die USA ergreifen könne, um sicherzustellen, dass, “falls es zu Auseinandersetzungen kommt, diese unter ihren eigenen Bedingungen und nicht unter denen Chinas stattfinden”. In einem Beitrag auf der Online-Plattform Chinadiction schreibt der heute 54-Jährige, dass die von Henry Kissinger geprägte US-Politik der “strategischen Ambiguität” gegenüber Taiwan zu Ende gehen müsse.
“Es ist falsch, wenn die USA – oder jedes andere Land – glauben, dass klare rote Linien eine Provokation darstellen”, schreibt der Aktivist in seinem Beitrag. Das Gegenteil sei der Fall: Zweideutigkeit werde China eher ermutigen als abschrecken. “Ein klares Bekenntnis zur Verteidigung Taiwans wird, kurz gesagt, die Welt zu einem sichereren Ort machen. China wird wüten und schreien, aber es wird nicht alles riskieren und in den Krieg ziehen.”
Technologie macht das Leben einfacher. In den falschen Händen aber wird sie unter Garantie missbraucht. So spannend es klingen mag, dass chinesische Forscher einen Helm entwickelt haben, der – sehr vereinfacht gesagt – Gedanken lesen kann, so schauderhaft ist die Vorstellung, wozu ein solcher Apparat von einem autoritären Regime in der Zukunft verwendet wird.
Überwachung ist in China so allgegenwärtig und intensiv, dass es naiv wäre zu glauben, die Kommunistische Partei würde das Instrument zum Gedankenlesen dem Wohle der Wissenschaft überlassen. Im Gegenteil wird sie es zu ihrem Vorteil nutzen, sollte es technisch einmal so ausgereift sein, dass es Dissens mit der offiziellen politischen Linie entlarven kann. Alles, was einer Diktatur mehr Stabilität verspricht, kommt dort auch zum Einsatz.
Sicherlich klingt ein solches Szenario dystopisch. Doch wer hätte vor ein paar Jahrzehnten gedacht, dass unsere Autos bald schon keine Fahrer mehr benötigen und Mikrochips menschliche Sinnesorgane ersetzen können. Die Technologie entwickelt sich so rasant, dass nicht einmal mehr Zeit bleibt, darüber nachzudenken, ob wir so etwas wie digitale Gedankenleser wirklich wollen.
Der eigene Kopf ist der letzte Rückzugsort eines Menschen, an dem er tun und lassen kann, was er will. Wenn nicht einmal mehr die Gedanken frei sind, dann bekommt der Begriff Totalitarismus eine ganz neue Dimension.
Ein auf Künstliche Intelligenz spezialisiertes Forschungsteam von der Beijing Jiaotong Universität hat einen Helm hergestellt, der es ermöglicht “Gedanken zu überwachen” – zumindest wenn der Träger des Helms Pornografie konsumiert.
Der Helm überwacht anhand von Gehirnwellen-Ausschlägen die Reaktionen des Trägers, und zieht daraus Rückschlüsse, welche Inhalte dieser gerade konsumiert. Für eine erste Testreihe wurden fünfzehn männliche Studenten im Alter zwischen 20 und 25 Jahren vor einen Computerbildschirm gesetzt. Jedes Mal, wenn ein Foto mit entsprechenden Inhalten erschien, löste der Helm einen Alarm aus. Die Treffsicherheit lag bei 80 Prozent.
Das Team konnte selbst Reaktionen im Gehirn messen, wenn die Porno-Bilder nur für eine halbe Sekunde in einem Fluss anderer Bilder zu sehen waren. Die Forscher betonen, ihre Entwicklung sei deswegen so wichtig, weil das Auge und das Gehirn bestimmte Bilder noch besser erkennen können als die fortschrittlichste künstliche Intelligenz, besonders, wenn es Bilder vor komplexem Hintergrund sind.
Das Gerät ist so fortschrittlich, dass es sich an die Gehirnwellen der Probanden anpassen und andere Gehirnwellen, die durch Ängste oder andere Gefühle ausgelöst werden können, herausfiltern kann. Seine Versuche stellte das Team in dem chinesischen Fachmagazin Journal of Electronic Measurement and Instrumentation vor. Eine internationale Bewertung fehlt noch.
Die Technologie könnte dem chinesischen Staat zwar potenziell helfen, seine Zensur zu perfektionieren. Die Testreihe der chinesischen Forscher stand jedoch gerade wegen der Zensur vor großen Herausforderungen. So konnten aufgrund der gesetzlichen Lage in China nur bereits zensierte Inhalte verwendet werden. Zudem nahmen keine Frauen an der Studie teil, obwohl viele Online-Zensoren in China Frauen sind. Ob sie anders auf die Inhalte reagieren würden als die männlichen Teilnehmer, konnte somit bislang nicht geprüft werden.
Angeblich forscht die Volksbefreiungsarmee ebenfalls an einer Mensch-Maschine-Schnittstelle. Sie soll es Soldaten ermöglichen, ihre Waffen mit nie gekannter Geschwindigkeit zu steuern. Einige Fabriken in China sollen bereits seit 2014 Geräte zur Überwachung von Gehirnwellen einsetzen, um Arbeitsunfälle zu vermeiden, indem sie das Aufmerksamkeitslevel der Arbeiter kontrollieren.
Die sogenannten Hirn-Computer-Schnittstellen (BCI: Brain-Computer-Interfaces) sind ein wichtiger Zukunftsmarkt. Mit seinem Unternehmen Neuralink will etwa Tesla-Gründer Elon Musk elektronische Implantate ins Gehirn einsetzen. Neuronen im Gehirn werden dann mit winzigen elektrischen Impulsen stimuliert, die dann unterschiedliche Effekte erzielen sollen. Auch Facebook-Chef Mark Zuckerberg forscht an einem Gedankenhelm. Doch das ist tatsächlich noch Zukunftsmusik.
In Deutschland arbeitet beispielsweise ein Team an der Berliner Uniklinik Charité an Auslesen und Interpretieren von Gehirnwellen. Dort gibt es einen eigenen Lehrstuhl für Klinische Neurotechnologie, der sich mit dem Thema beschäftigt. In Südkorea hat die Firma iMedisync bereits einen angeblich marktreifen Helm vorgestellt. Auch japanische Forscher sind an der Technik dran. Am Advanced Telecommunications Research Institute (ATR) in Kyoto gibt es eine Abteilung für die Entwicklung einer Hirn-Computer-Schnittstelle. Die erste Anwendung soll Hilfe für gelähmte Patienten sein. Auch die Privatfirmen Nissan und Honda arbeiten an solchen Technologien. All das sind nur Beispiele für die vielen Projekte, die weltweit laufen.
Im Falle Chinas öffnen solche Geräte natürlich Tür und Tor für dystopische Überwachungsszenarien. Verbrecher könnten mit Gehirnschnittstellen überführt werden, noch bevor sie die Tat begangen haben, allein schon dadurch, dass in ihrem Gehirn die Absicht herumschwirrt. Menschen könnten auf ihre Loyalität gegenüber der Partei geprüft werden.
Aber auch ohne den Teufel an die Wand zu malen werfen Hirn-Computer-Schnittstellen viele neue Rechtsfragen und ethische Diskussionsfelder auf: Wie und von wem werden diese höchst intimen personenbezogenen Informationen gespeichert und verarbeitet? Ist die Autonomie und freie Entfaltung der Persönlichkeit noch garantiert, wenn Maschinen und infolgedessen auch Firmen Einfluss auf das menschliche Gehirn ausüben können? Auch gesellschaftlich entstünden schnell große Unterschiede zwischen Menschen, die sich eine Gehirnoptimierung leisten können und solchen, die noch mit herkömmlicher Geisteskraft unterwegs sind.
Es ist ein Meilenstein: Shenzhen erlaubt künftig schwerkranken Patienten per Gesetz, sich gegen lebensrettende Behandlungen zu entscheiden, um ihr Recht auf einen würdevollen Tod zu wahren. Die Stadt hat ein neues Gesetz erlassen, das Anfang 2023 in Kraft treten soll. “Wenn sich Patienten im Endstadium einer unheilbaren Krankheit oder am Ende ihres Lebens befinden, sollten medizinische Stellen die Angaben in ihren Patientenverfügungen respektieren”, heißt es in der überarbeiteten medizinischen Verordnung, die Ende Juni veröffentlicht wurde.
Führende Staatsmedien wie Global Times berichteten auch in ihren englischen Ausgaben durchweg positiv über dieses Gesetzesvorhaben. Es wird als “zukunftsweisend” bezeichnet und würde “traditionelle Auffassungen” durchbrechen. Es sei “eine wichtige Chance für öffentliche Aufklärung über Leben und Tod”.
Die Reaktionen in den sozialen Medien auf das Gesetz waren hingegen sehr unterschiedlich. Befürworter wollen in den Plänen mehr Achtung der Menschenrechte erkennen. Während Gegner die Gefahr sehen, dass künftig todkranke Patienten von ihren Familien gezwungen werden könnten, aus Angst vor hohen medizinischen Kosten, auf eine Weiterbehandlung zu verzichten. Auf Weibo begrüßte ein Arzt die Ankündigung als “absolut notwendig”, um das Leid von Patienten zu verringern. Der Arzt bringt auch das Thema Sterbehilfe ins Spiel.
Eine öffentliche Debatte zur Sterbehilfe gibt es in China seit den 80er-Jahren. Damals wurde im Zentral- und Volksrundfunk eine Sendung zu dem Thema ausgestrahlt. Es entstand sogar der Begriff 安乐死 – AnLeSi (Frieden, Freude und Sterben) für Sterbehilfe. Eine zunächst in wissenschaftlichen Kreisen geführte Diskussion fand ihren Weg in die breite Öffentlichkeit, nachdem 1987 Deng Yingchao, die Frau des verstorbenen Ministerpräsidenten Zhou Enlai in einem öffentlichen Brief bekundete: “Ich sehe Sterbehilfe als ein materialistisches Problem”. Sie habe in einem Testament festgelegt, dass sie auf medizinische Eingriffe verzichte, wenn sie nur noch dadurch am Leben erhalten werden kann. Ihr Mann Zhou Enlai war 1976 an den Folgen von Blasenkrebs gestorben. Angeblich soll Mao Zedong Ärzten 1972 befohlen haben, die Krankheit Zhous dem Ehepaar gegenüber zunächst geheim zu halten. Zhou hatte wohl eine hohe Chance auf Heilung, wenn der Krebs sofort behandelt worden wäre.
Im Jahr 1998 wurde das Thema von chinesischen Experten aus Medizin, Recht und Ethik erneut heftig diskutiert. Man war sich einig, dass neben den rechtlichen und medizinischen Fragen auch die damit verbundenen soziologischen Probleme gelöst werden müssten. Unbeantwortet blieben dabei die Fragen: Ist Sterbehilfe ethisch vertretbar? Welcher gesellschaftlicher Wert kommt ihr zu? Sind gesetzliche Regelungen notwendig? Seitdem zeigen Meinungsumfragen, dass eine Vielzahl der Befragten dafür plädiert, Sterbehilfe per Gesetz anzuerkennen.
Die zuständigen Stellen in der Kommunistischen Partei stehen am Scheideweg. Das Thema birgt viele unbekannte Risiken. Die Entscheidung der Stadt Shenzhen respektiert das Selbstbestimmungsrecht des Einzelnen darüber, welche medizinische Behandlungen er oder sie am Ende des Lebens erhalten will. Damit reiht sich die Stadt in eine Praxis ein, wie sie in den meisten Industrieländern bereits vollzogen ist.
Das Gesetz in Shenzhen kann auch als Testlauf gesehen werden. Die Zentralregierung wird sich die Umsetzung genau anschauen. Welche Probleme zeigen sich dadurch im Gesundheitswesen? Wo liegen rechtliche Fallstricke?
Dass die Idee einer Patientenverfügung in das Bewusstsein der Bevölkerung vordringt, darin sehen viele Gesundheits-Experten allerdings wenig Chancen. Laut der Organisation “Beijing Living Will Promotion Association” haben seit 2011 nur etwa 50.000 Menschen eine Patientenverfügung unterschrieben. Die Organisation setzt sich dafür ein, dass Gesetze zu Patientenverfügungen erlassen werden. “Zusätzlich zu einem begrenzten Bewusstsein hindert die traditionelle Denkweise, das Leben zu schätzen und den Tod zu vernachlässigen, Menschen daran, eine ‘progressive’ Lebensentscheidung zu akzeptieren”, so der Verband.
Zudem ist unklar, inwieweit Ärzte und Angestellten in den Krankenhäusern den Patientenverfügungen folgen müssen. “Es ist nicht verpflichtend, den Verfügungen zu folgen”, sagt Chen Wenchang, Senior Partner der Anwaltskanzlei Jiachuan in Peking, gegenüber Sixth Tone. Aber die neue Shenzhener Regulierung könnte dazu beitragen, das “Konzept eines würdevollen Todes landesweit zu fördern”.
Die Regelung in Shenzhen könnte auch das medizinische Personal entlasten. “Ärzte stehen in der Regel unter enormem ethischen und emotionalen Druck, lebensrettende Maßnahmen durchzuführen, obwohl sie häufig wenig Erfolgsaussichten haben”, sagte er. Eine Patientenverfügung schützt Mediziner vor Rechtsstreitigkeiten mit der Familie des Patienten. Mitarbeit: Renxiu Zhao.
Das chinesische Internet-Einhorn Lianke Meixun ist ins Visier der Zensoren gerückt. Eine Handvoll Social-Media-Konten des Unternehmens, das unter anderem vom Internetriesen Tencent gestützt wird und bei einer Finanzierungsrunde mit einem Wert von über einer Milliarde US-Dollar bewertet wurde, sind seit Mittwoch wegen “Gesetzes- und Regelverstößen” nicht mehr erreichbar. Das Unternehmen betreibt das populäre Gesundheitsportal DXY, das unabhängige Informationen zu Gesundheits-Fragen und Medikamenten veröffentlicht. DXY hatte vor einigen Monaten die Empfehlung der Behörden kritisiert, Covid-Erkrankungen mit Traditoneller Chinesischer Medizin (TCM) vorzubeugen oder zu behandeln.
Explizit hatte die Regierung zurzeit des Lockdowns in Shanghai im Frühjahr das TCM-Mittel Lianhua Qingwen angepriesen und Bürger der Stadt zur Verfügung gestellt. Chinas Behörden unterstützen seit geraumer Zeit öffentlich die Nutzung Traditioneller Chinesischer Medizin. DXY hatte wegen Mangels wissenschaftlicher Erkenntnisse die Wirksamkeit des Mittels als Prävention und gegen Covid-Symptome infrage gestellt. Ebenso wurde kritisiert, dass die Verteilung des Mittels Priorität vor der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln gehabt habe.
Die Kritik an dem Mittel über Sozialmedien hatte den Aktienkurs der Herstellerfirma Yiling Pharmaceutical in die Tiefe gerissen. Binnen kurzer Zeit verlor das Unternehmen zwei Milliarden Dollar an Wert. Yiling Pharmaceutical gehört zu den bekanntesten TCM-Produzenten des Landes und hat globale Ambitionen. Laut Internetauftritt des Herstellers ist die Firma weltweit mit 30 Büros auf allen Kontinenten vertreten – in Europa unter anderem in den Niederlanden, Spanien und Rumänien´.
Während die DXY-Konten beim Kurznachrichtendienst Weibo mit dem Hinweis auf Gesetzes- und Regelverstöße versehen sind, blieben andere Kanäle wie beispielsweise bei WeChat ohne einen Hinweis. Seit Montag allerdings warten die Nutzer auf einen neuen Post. Die Internetseite DXY.cn war am Donnerstag derweil weiterhin erreichbar. Die betroffenen Weibo-Kanäle haben zusammen knapp neun Millionen Follower.
Bereits im April war der Sohn des Immobilien-Unternehmers Wang Jianlin vom Kurznachrichtendienst Weibo verbannt worden. Er hatte ein Video geteilt, das die Behauptungen von Yiling Pharmaceutical zur vermeintlichen Wirksamkeit des besagten TCM-Mittels infrage gestellt hatte. grz
Ein Berufungsgericht in Peking hat den Revisionsantrag der Klägerin in Chinas bekanntestem MeToo-Verfahren abgelehnt. Das Mittlere Volksgericht Nummer 1 verwies auf den Mangel an neuen Beweisen im Belästigungsfall der 29-Jährigen Zhou Xiaoxuan. Das Gericht bestätigte damit die Entscheidung des Volksgerichts Haidian, das die Klage im September 2021 abgelehnt hatte.
“Das Gericht hat entschieden, dass die von der Beschwerdeführerin vorgelegten Beweise nicht ausreichen, sexuelle Belästigung nachweisen zu können, und dass die Berufung nicht begründet werden konnte”, teilte das Gericht über den chinesischen Kurznachrichtendienst Weibo mit. Die Klägerin könne allerdings den weiteren Rechtsweg beschreiten.
Zhou hatte im Jahr 2018 Vorwürfe gegen den bekannten Fernsehmoderator Zhu Jun öffentlich gemacht. Sie wirft Zhu vor, er habe sie während eines Praktikums bei der staatlichen TV-Anstalt CCTV begrapscht und ohne ihr Einverständnis versucht zu küssen. Das Verfahren gilt als prominentester Fall der #MeToo-Bewegung in China. Losgetreten wurde die Bewegung im Land von einer Studentin, die einen Hochschul-Professor der sexuellen Belästigung beschuldigt hatte. grz
Hongkong wird die Zeit der obligatorischen Hotel-Quarantäne nach der Einreise von sieben auf drei Tage reduzieren. Ab kommenden Freitag gelten die neuen Bestimmungen, die einen Mittelweg bieten sollen zwischen wirtschaftlicher Produktivität und dem Kampf gegen die Ausbreitung des Coronavirus.
Die neuen Regeln sehen vor, dass alle Fluggäste nach der Ankunft nur noch drei Tage lang strikt isoliert in einem Hotel verbringen müssen. Für den Fall eines negativen Tests ist es den Einreisenden nach 72 Stunden gestattet, in ihre eigenen vier Wände zurückzukehren oder in ein Hotel ihrer Wahl. Für weitere vier Tage danach dürfen die Betroffenen keine öffentlichen Einrichtungen oder Ämter betreten, sich allerdings frei in der Stadt bewegen. In der Hochphase der Pandemie mussten Einreisende bis zu 21 Tage in die Isolation.
Man wolle die Auswirkungen der Quarantäne auf die wirtschaftlichen Aktivitäten in der Stadt vermindern, begründete Regierungschef John Lee die Entscheidung. Dennoch kritisierte die britische Handelskammer die verbliebene Zwangs-Quarantäne als Bremsklotz für die Wirtschaft. “Es ist unwahrscheinlich, dass (die Reduzierung auf drei Tage) den breiteren Geschäfts- und Touristenreisen zugutekommt”, sagte Exekutivdirektor David Graham der Nachrichtenagentur Bloomberg. Man ermutige die Regierung, die Quarantäne bei negativen Testergebnissen gänzlich zu streichen. Dies sei für die Geschäftsaussichten Hongkongs von entscheidender Bedeutung. grz
Bei einem Unfall in einer Kohlemine in Shanxi sind fünf Bergleute ums Leben gekommen. Am Freitag war ein Dach eingestürzt und hatte die Kumpel in der Mine eingeschlossen. Die Bergungsarbeiten dauerten bis zum Montag an. Im Laufe des Tages wurde dann der Tod der fünf Bergleute gemeldet. Shanxi ist die größte Kohle-Provinz Chinas. Dort werden pro Jahr 1,2 Milliarden Tonnen des fossilen Brennstoffs gefördert.
In diesem Jahr planen die Minen in der Provinz eine Ausweitung der Produktion um elf Prozent, wie Bloomberg berichtet. In der Vergangenheit hatten die Behörden die Sicherheitsbestimmungen in den Minen erhöht. Als Folge davon gab es weniger Unglücke. Nach der Energiekrise im zweiten Halbjahr des vergangenen Jahres, hat Peking die Minen jedoch angewiesen, die Produktion wieder zu erhöhen, ob die Sicherheitsbestimmungen immer eingehalten werden, ist unklar.
In den ersten sieben Monaten des Jahres 2022 kam es zu 86 Unfällen in Kohleminen mit 129 Todesopfern. Laut Behördenangaben ist die Anzahl der Unfälle im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 24 Prozent gesunken. nib
Bevor Nancy Pelosi am Mittwochnachmittag von Taiwan nach Südkorea weiterflog, traf sie sich noch in Taipeh hinter verschlossenen Türen mit drei profilierten Menschenrechts- und Demokratieaktivisten: Lam Wing-kee, einem Hongkonger Buchhändler, der aufgrund seiner politischen Publikationen 2019 auf die Insel fliehen musste; Lee Ming-che, einem taiwanischen NGO-Mitarbeiter, der in China fünf Jahre im Gefängnis saß und erst dieses Jahr freikam (China.Table berichtete) und Wu’er Kaixi, einem ehemaligen chinesischen Studentenführer, der seit 1996 in Taiwan lebt und von dort noch immer gegen Peking aufbegehrt.
Das Treffen mit den drei Aktivisten soll ein Schlaglicht auf die “tiefe Freundschaft und die gemeinsamen Werte” werfen, die Pelosi gestern in ihrem Reise-Statement bereits angerissen hatte: Selbstbestimmung und Selbstverwaltung, Demokratie und Freiheit, Menschenwürde und Menschenrechte. “Wir kamen, um zuzuhören und zu lernen. Wir gingen inspiriert von ihrem Mut”, schrieb Pelosi nach dem Treffen im Human Rights Memorial and Cultural Park auf Twitter.
Dass Pelosi Wu’er Kaixi trifft, ist ein klares Signal an die kommunistische Führung in Peking, die den Aktivisten noch immer als Staatsfeind betrachtet. Aber es ist auch eine öffentlichkeitswirksame Geste an den Westen, wo Wu’er Kaixi als einer der bekanntesten Dissidenten Chinas in Erinnerung geblieben ist.
Der 1968 geborene Pekinger mit uigurischen Wurzeln war einer der Köpfe der Studentenbewegung auf dem Tiananmen-Platz 1989. Als ein Führer der neu gegründeten unabhängigen Students’ Autonomous Federation, die den Rücktritt des KP-Generalsekretärs Zhao Ziyangs sowie Presse- und Redefreiheit einforderte, bewies Kaixi sein Talent als Redner und viel Charisma. Zum Gesicht der Studentenbewegung wurde er jedoch erst, nachdem er im Staatsfernsehen zusammen mit anderen Studentenvertretern den damaligen Ministerpräsidenten Li Peng zu einer Diskussionsrunde getroffen hatte. Wu’er Kaixi kam direkt aus dem Zelt der Hungerstreikenden. Im Schlafanzug saß der damals 21-Jährige dem politischen Hardliner gegenüber und zögerte nicht, ihn zu unterbrechen: “Ich weiß, dass es unhöflich ist, Herr Premier, aber während wir hier sitzen und Nettigkeiten austauschen, sitzen auf dem Platz Leute und hungern.” Zwei Wochen nach dem Auftritt ließ Chinas Führung die Demokratiebewegung mit Gewalt niederschlagen.
Als Pelosi den Tiananmen-Platz 1991 besuchte, und dort ein Banner für die Verstorbenen des Massakers entrollte, war Wu’er Kaixi bereits ein politischer Flüchtling. Von Hongkong über Frankreich gelangte er in die USA, wo er in Harvard studierte. 1996 zog es ihn nach Taiwan. In Taipeh betätigte er sich seitdem als politischer Kommentator, Investmentbanker, Filmemacher und Dozent. 2015 kandidierte er als unabhängiger Abgeordneter für das taiwanische Parlament. Obwohl aus seiner Karriere als Parlamentarier nichts wurde – einerseits hatte er keine große Partei hinter sich, andererseits sahen ihn viele Wähler noch immer als Ausländer – ist Wu’er Kaixi auf der Insel noch immer ein bekannter Kommentator und Menschenrechtler. Als Generalsekretär der Taiwan Parliamentary Human Rights Commission, dem Menschenrechtskomitees im taiwanischen Legislativ-Yuan, setzte er sich zuletzt immer stärker für die Uiguren ein. Allein auf Twitter folgen ihm heute über 160.000 Menschen.
Pelosis Besuch begrüßte er dort ausdrücklich: Es sei die beste Maßnahme, die die USA ergreifen könne, um sicherzustellen, dass, “falls es zu Auseinandersetzungen kommt, diese unter ihren eigenen Bedingungen und nicht unter denen Chinas stattfinden”. In einem Beitrag auf der Online-Plattform Chinadiction schreibt der heute 54-Jährige, dass die von Henry Kissinger geprägte US-Politik der “strategischen Ambiguität” gegenüber Taiwan zu Ende gehen müsse.
“Es ist falsch, wenn die USA – oder jedes andere Land – glauben, dass klare rote Linien eine Provokation darstellen”, schreibt der Aktivist in seinem Beitrag. Das Gegenteil sei der Fall: Zweideutigkeit werde China eher ermutigen als abschrecken. “Ein klares Bekenntnis zur Verteidigung Taiwans wird, kurz gesagt, die Welt zu einem sichereren Ort machen. China wird wüten und schreien, aber es wird nicht alles riskieren und in den Krieg ziehen.”