Haare stehen nicht nur in religiösen Darstellungen in engem Bezug zu Macht, auch weltliche Herrscher wie Könige trugen durch die Geschichte Bärte und wallendes Haar, um ihre gesellschaftliche Stellung zu zeigen. Dass die Frisur eben nicht nur eine Ansammlung von Kopfhaar, sondern auch Statussymbol ist, zeigt sich auch in der Kommunistischen Partei Chinas: Führende Politiker färbten bisher ihre Haare schwarz. Erst nach dem Ausscheiden aus der Politik waren graue Haare okay. Der amtierende Präsident Xi Jinping war der erste aktive Politiker, der in der Öffentlichkeit graue Strähnchen wagte. Man kann also sagen: Er ist so mächtig, dass er sich sogar das traut.
Welche sechs Männer neben Xi zum mächtigsten Gremium Chinas, dem ständigen Ausschuss des Politbüros, gehören, stellt Ihnen China.Table heute in einer Reihe von Kurzporträts vor.
Außerdem werfen wir einen Blick nach Brüssel. Die Bundesregierung hatte sich nach langem Ringen jüngst auf ein Lieferkettengesetz geeinigt, diese Woche stimmt das EU-Parlament über einen EU-weiten Aufschlag ab. China.Table weist nicht nur auf die Unterschiede zum deutschen Entwurf hin, sondern untersucht zudem mögliche Probleme bei der Umsetzung in China.
Unter Tage geht es heute mit Frank Sieren. Schwere Grubenunglücke sind in China leider keine Seltenheit, häufig kommen dabei Dutzende Kumpel ums Leben. Mithilfe der Digitalisierung will die Volksrepublik ihre Minen sicherer machen – und zugleich die Produktivität steigern.
Weiter geht es außerdem mit dem Nationalen Volkskongress (NVK) in Peking. Finn Mayer-Kuckuck erklärt, welche Pläne für die Finanzarchitektur des Landes auf dem Tisch liegen.
An ihm führt kein Weg vorbei: Xi Jinping. Wie kein anderer seit Mao Zedong hat Xi die Macht im Staat auf sich konzentriert. Seit seinem Amtsantritt als KP-Generalsekretär 2012 hat er gezielt potenzielle Rivalen innerhalb der Partei kaltgestellt und sich mit getreuen Anhängern umgeben. Anders als sein Vorgänger Hu Jintao trägt Xi den Titel “Kern der Partei”; 2018 schaffte er zudem die bis dahin übliche Amtszeitbegrenzung für Präsidenten ab. Gleichzeitig wurden “Xi Jinpings Ideen des Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter” in der chinesischen Verfassung verankert. Xi ist ein sogenannter Prinzling – sein Vater Xi Zhongxun gehörte zur ersten Führungsgeneration der Partei. Das Jahr 2021 ist für Xi von besonderer Bedeutung: Der erste Fünfjahresplan unter seiner Ägide ist abgeschlossen – Anlass für eine Bilanz. Außerdem steht in diesem Jahr der 100. Gründungstag der KP Chinas an.
Li Keqiang ist die Nummer 2 im Staat. Als Premierminister ist Li offiziell chinesischer Regierungschef in zweiter Amtszeit. Bei seinem Amtsantritt galt er als Brücke in das Lager des ehemaligen KP-Generalsekretärs Hu Jintao und als kompetenter Wirtschaftsexperte mit dem Ziel, das Wirtschaftswachstum in gerechtere und nachhaltigere Bahnen zu lenken. Doch mit Xis wachsender Machtfülle schwand Lis Bedeutung. 2018 wurde die Rolle des Wirtschaftslenkers auf Vizepremier Liu He übertragen, auf entscheidenden Gipfeln war Li zuletzt nicht mehr anwesend. Seine Amtszeit ist, anders als bei Xi auf das Jahr 2022 begrenzt. Li stammt aus einfachen Verhältnissen: Seine Eltern waren Bauern in der Provinz Anhui.
Mit siebzig Jahren ist Li Zhanshu der Älteste im ständigen Ausschuss und hinter Generalsekretär Xi und Premier Li die Nummer 3. Er ist ein enger Vertrauter von Xi und seit 2012 dessen Stabschef und Direktor des Zentralkomitee-Generalbüros. Außerdem steht er dem ständigen Ausschuss des Volkskongresses vor, einer Art parlamentarischem Arbeitsgremium, und ist somit der wichtigste Parteivertreter in der chinesischen Schein-Legislative. Seine Karriere begann als Sohn von Parteiveteranen in seiner Heimatprovinz Hebei. Schon Anfang der 1980er Jahre begegnete er dort dem jungen Xi Jinping, beide waren lokale Parteisekretäre in benachbarten Landkreisen.
In China ruhen die Hoffnungen vieler Reformer auf Wang Yang, dem liberalsten Kopf in der derzeitigen Parteiführung. Als ehemaliger Parteisekretär der wirtschaftlich starken Provinz Guangdong und Chongqing, der aufstrebenden Südwestmetropole mit Provinzstatus, setzte er erfolgreich wirtschaftsliberale Reformen durch. Doch als Mitglied des ständigen Ausschusses gingen von Wang bislang wenig Impulse aus, die die Hoffnungen bestätigt hätten: Zuletzt fiel er eher mit Lippenbekenntnissen zum chinesischen Weg und Drohgebärden in Richtung Taiwan auf. Mit seinen ungefärbten grauen Haaren und seinem – für Parteiführungsverhältnisse – auffälligen Sinn für Humor, bleibt er dennoch ein Farbtupfer in Chinas höchstem Parteigremium.
Wang Huning spielt als Ideologie-Architekt eine zentrale Rolle in der ersten Parteiriege. Anders als seine sechs Kollegen hat er keine parteipolitische Ochsentour hinter sich. Bereits mit Dreißig wurde er Professor für Internationale Politik an der Shanghaier Fudan-Universität, knüpfte erste Kontakte in politische Führungskreise und fand mit seinen neo-autoritären Ideen seit Jiang Zemin bei jedem chinesischen Staatschef Gehör: Ob “wissenschaftliche Entwicklung”, “Chinesischer Traum” oder gar “Xi Jinpings Ideen des Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter” – seit Jahrzehnten hat Wang maßgeblichen Anteil an der ideologischen Kalibrierung des Parteiprogramms und der impliziten Abkehr von marxistischen Ideen hin zu mehr Nationalismus und Autoritarismus.
Der Kampf gegen Korruption ist für Xi Jinping sowohl eine politische Mission, als auch ein Werkzeug zum Ausschalten potenzieller Rivalen. Seit 2017 ist Zhao Leji als Leiter der Disziplinarkommission der Kommunistischen Partei mit diesem Kampf betraut. Zuvor stand er fünf Jahre lang der Organisationsabteilung vor, die über alle parteiinternen Personalentscheidungen verfügt und eine zentrale Rolle in der Parteistruktur einnimmt. Somit ist er nicht nur selbst gut vernetzt, sondern kennt die Netzwerke innerhalb der Partei und ihre wunden Punkte wie kein Zweiter. Zhao kommt aus der westlichen Provinz Qinghai, wo er auch einen Großteil seiner politischen Karriere verbrachte.
An Position Sieben steht der ehemalige Shanghaier Bürgermeister Han Zheng, nun Vize-Premier hinter Li Keqiang im chinesischen Staatsrat. Wie Wang Yang ist Han Ökonom und bekannt für seinen wirtschaftsliberalen Reformkurs. In seiner Amtszeit erlebte Shanghai nicht nur einen wahren Boom, sondern organisierte 2010 auch eine erfolgreiche Weltausstellung. Zudem arbeitete Han 2007 eng mit Xi Jinping zusammen, als dieser für ein Jahr als Parteisekretär nach Shanghai kam. Im parteiinternen Machtgefüge steht Han Zheng für die Verbindung zur sogenannten Shanghai Gang des ehemaligen Parteisekretärs Jiang Zemin, deren Einfluss jedoch in den vergangenen Jahren stark abgenommen hat. Jonas Borchers
An den Äußerungen der verantwortlichen Parteikader auf dem Nationalen Volkskongress (NVK) lässt sich langsam ablesen, welche Ideen sie für die Finanzarchitektur des Landes haben. Die Finanzen sollen in der kommenden Fünfjahresperiode stabiler aufgestellt werden. Überschießende Investitionen wollen die Verantwortlichen nach Möglichkeit vermeiden. Zudem gibt es abermals ein Bekenntnis zu transparenten Märkten.
Das Hauptaugenmerk liegt hier – wie schon seit Jahrzehnten – auf der Finanzierung von Städten, Gemeinden, Kreisen und Provinzen, also der Gebietskörperschaften. Während Chinas Zentralregierung kaum Schulden macht, haben die Parteisekretäre vor Ort sich laufend viel Geld geliehen, um ihre ehrgeizigen Projekte zu finanzieren und die regionale Wirtschaft voran zu bringen. Doch: Eigentlich dürfen sie das gar nicht, zumindest nicht an den Mechanismen zur Geldaufnahme vorbei, die ihnen die Zentrale in Peking vorgibt. Dennoch schieben die Regionen inwischen einen riesigen Schuldenberg vor sich her.
Im Haushaltsentwurf tauchen sie daher wieder prominent auf – diesmal mit einer noch ernsteren Formulierung als bisher. Die Kontrolle der regionalen Budgets werde zu einer “Frage der nationalen Sicherheit”, heißt es im Haushaltsentwurf des Finanzministeriums. Da klingt ein deutliches Durchgreifen des Kernteams um Xi Jinping auf die Provinzebene an.
Ob sich dadurch wirklich etwas verändert, ist allerdings fraglich. Die Gebietskörperschaften verfügen über ein erhebliches Maß an Autonomie, weil sich ein so großes Land sonst gar nicht flexibel regieren ließe. Schon seit den 90er-Jahren ist davon die Rede, wie notwendig – ja gar überfällig – der Schuldenabbau sei (Englisch: Deleveraging). Stets klingen die Mahner so, als käme nun wirklich der Zusammenbruch, wenn die Abhängigkeit vom geliehenen Geld nicht sinke. Ebenso zuverlässig ging das Leben dennoch weiter, auch ohne dass der Schuldenstand je wirklich gesunken wäre.
Chinas Wirtschaftswunder basiert eben auch zu einem guten Teil darauf, dass im richtigen Zeitpunkt genug Geld für Projekte und Ideen zur Verfügung steht. Was vor Ort sinnvoll ist, wissen die lokalen Parteisekretäre wiederum ganz gut. Dass dabei zuweilen auch zu viel gebaut, zu viel investiert und zu viel ausgegeben wird – das gilt als Nebeneffekt eines Wachstums, das alle mit nach oben zieht.
Doch Schulden sind Schulden – und die muss jemand am Ende zurückzahlen. Wenn das Geld nicht wiederkommt, ist ein Anleger im besten Fall enttäuscht, im schlimmsten Fall pleite. Deshalb macht die Zentrale kontinuierlich Druck, endlich solider zu wirtschaften. Schon seit einigen Jahren sollten Chinas Gemeinden sich daher nur über sauber und offiziell ausgegebene Anleihen finanzieren. Das hätte Transparenz geschaffen. Dass die inoffizielle Verschuldung jetzt ein Frage der nationalen Sicherheit wird, zeigt, dass der rein marktwirtschaftliche Ansatz wohl noch nicht so recht funktioniert hat. Ein Grund dafür ist, dass die Anleihemärkte gar nicht so marktwirtschaftlich funktionieren, wie die Planer in Peking das gerne hätten. Am Ende sind es doch meistens die staatlichen Großbanken, die die Gemeindeanleihen in ihre geduldigen Bilanzen aufnehmen.
Der aktuelle Haushaltsentwurf sieht nun vor, den Spielraum für die Ausgabe von Anleihen der Gebietskörperschaften auf 3,65 Billionen Yuan (470 Milliarden Euro) festzusetzen. Das ist zwar weniger als die 3,75 Billionen Yuan des Vorjahres, doch dieser Wert war als Reaktion auf die Corona-Krise bewusst hoch festgesetzt worden. Beobachter hatten eine Rückführung auf 3,5 Billionen Yuan erwartet. “Die Regierung will die Vordertür weit aufhalten, um die Hintertür besser blockieren zu können”, kommentiert das Bankhaus HSBC. Die Hoffnung ist also, dass die Gemeinden sich mehr Geld auf legalem Wege leihen.
Auch die Entwicklung von Zukunftsbranchen soll nicht mehr ganz so wild verlaufen wie bisher. Wenn ein Thema angesagt war, wurden die betreffenden Unternehmen in den vergangenen Jahrzehnten regelrecht mit Geld überschüttet – von der Zentralregierung, von Gebietskörperschaften, von Investoren. Das hat beispielsweise den Solar-Boom hervorgebracht, der nebenbei die (ohnehin wenig wettbewerbsfähige) deutsche Photovoltaik-Branche plattgemacht hat. Am Ende bleiben jedoch immer auch Überkapazitäten. Künftig wolle China den Marktgesetzen folgen, wenn es um die Entwicklung neuer Industrien gehe, sagte daher der Minister für Industrie und Informationstechnik, Xiao Yaqing, auf seiner Pressekonferenz im Rahmen des NVK. Er meinte das auch im Hinblick auf die Halbleiterindustrie, die China in großer Eile weiterentwickeln will, um bei Chips vom Ausland unabhängig zu werden. Auch hier ist jedoch davon auszugehen, dass die Marktkräfte eine deutliche Flankierung von staatlichen Fördermitteln erhalten.
Ein weiteres dickes Brett ist die Regulierung der Märkte. Dieses Vorhaben gilt als ein Grund dafür, dass der Aktienmarkt in Shanghai an den ersten beiden Tagen des NVK heftig geschwankt hat. Der Leitindex Shanghai Composite fiel am Montag um 2,3 Prozent. Aus den durchgesickerten Informationen und den bereits veröffentlichten Zahlen wurde den Anlegern klar, dass die Führung kein neues Konjunkturfeuerwerk plant, sondern im Gegenteil eher etwas vorsichtiger vorgehen will. Kurz vor Beginn des NVK hatte der Chef der Marktaufsicht, Guo Shuqing, vor Blasen gewarnt: “Aus Sicht des Finanzregulators ist eine Rückführung der Schuldenfinanzierung erforderlich.” Das gelte vor allem für den Immobilienmarkt in den Städten.
Der Immobilienmarkt ist neben den Gebietskörperschaften das zweite Dauer-Sorgenkind der Regulatoren. Einerseits ist er Wachstumstreiber: Der Hausbau schafft Wohnraum und Arbeitsplätze. Andererseits stecken die Chinesen einfach irrsinnig viel Geld in Immobilieninvestitionen, weil sie das für ebenso sicher wie aussichtsreich halten. “Immobilienspekulationen sind sehr gefährlich”, belehrte Guo nun die chinesische Öffentlichkeit. Auch hier werden das Budget für das aktuelle Fiskaljahr und der Fünfjahresplan wieder eine bewährtes Kunststück chinesischer Haushaltspolitik zeigen: Der Staat wird zugleich aufs Gas und auf die Bremse drücken – und am Ende bei einer erschreckend hohen, aber doch noch beherrschbaren Geschwindigkeit landen.
Das geplante EU-Lieferkettengesetz nimmt diese Woche eine wichtige Hürde: Das Europaparlament stimmt am Mittwoch über seine Position ab. Dabei geht der Ansatz des Europäischen Parlaments deutlich über das Lieferkettengesetz der Bundesrepublik hinaus. In den zuständigen Ausschüssen erhielt der entsprechende Bericht schon die nötigen Mehrheiten – das nun auch das EU-Parlament zustimmt, gilt als sicher.
“Die Sorgfaltspflicht kann Rechtssicherheit bringen und gleiche Ausgangsbedingungen, um das gegenseitige Unterbieten zu vermeiden”, sagte EU-Rechtskommissar Didier Reynders gestern im Europaparlament in Brüssel bei der Debatte um die Lieferketten-Vorlage. Die Kommission führe derzeit eine Kostenabschätzung durch. Für den Vorschlag der Brüssler Behörde kündigte Reynders “konkrete Verpflichtungen” und eine “ganze Palette an Lösungen” an, in der die Belastung der Unternehmen berücksichtigt werde. “Wir prüfen auch, wie zielgerichtete Unterstützung geleistet werden kann”, sagte Reynders.
Der Vorschlag der EU-Kommission, mit dem der eigentliche Gesetzgebungsprozess dann beginnt, wird für Juni erwartet. In ihm müssen noch offene Fragen geklärt und konkrete Ansätze für den Umgang mit schwierigen Regionen formuliert werden, wie beispielsweise mit Waren aus der chinesischen Provinz Xinjiang umgegangen werden soll. Die bisherigen Details sind jedenfalls noch nicht ganz ausgegoren.
Zwischen dem deutschen und dem europäischen Entwurf gibt es allerdings große Unterschiede: Die EU-Parlamentarier fordern beispielsweise, dass die Sorgfaltspflichten für Unternehmen die “gesamte Lieferkette umfassen und dabei einen risikobasierten Ansatz verfolgen” sollen. In sogenannten Risiko-Sektoren sollen also auch mittelbare Zulieferer und Subunternehmer von EU-Firmen deren Verantwortung unterliegen. Der Geltungsbereich des deutschen Gesetzesentwurfs ist hingegen deutlich eingeschränkter.
Anders als die Bundesregierung sprechen sich die EU-Abgeordneten zudem für strenge Haftungsregeln aus. Ein Unternehmen, das negative Auswirkungen auf Menschenrechte oder Umwelt verursacht oder dazu beigetragen hat, soll zu “finanzieller oder nicht finanzieller” Entschädigung verpflichtet werden. Die EU-Parlamentarier fordern, dass europäische Unternehmen auf Schadensersatz für Menschenrechts- und Umweltverstösse verklagt werden können. Auch der Fokus auf den Umweltschutz ist im europäischen Entwurf stärker als im deutschen Papier.
Neben großen Unternehmen soll die Sorgfaltspflicht dem Bericht des Europaparlaments zufolge auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gelten, die börsennotiert oder mit hohem Risiko behaftet sind. Außerdem sollen nicht nur Firmen verpflichtet werden, die in der EU sitzen, sondern alle, die im EU-Binnenmarkt tätig sind. Ob und wie sich die EU-Vorgaben an der Größe der Firmen orientieren wird, ist noch offen, sagte EU-Parlamentarier und Schattenberichterstatter für den Lieferketten-Bericht im Rechtsausschuss Axel Voss (CDU). Dazu gebe es noch Meinungsunterschiede im EU-Parlament, so Voss. Konservative und rechte Fraktionen drängen zum Beispiel auf weitreichendere Ausnahmen für KMU. “Auch ein kleines Unternehmen kann Schaden verursachen”, betonte Lara Wolters, die den Bericht für das EU-Parlament verantwortet, bei der Debatte im Plenum. Die Verpflichtungen sollten aber verhältnismäßig gestaltet sein, so Wolters.
Sollte der Vorschlag der Brüsseler Behörde den Vorstellungen des Europäischen Parlaments entsprechen, geht Voss von einer zügigen Gesetzgebung aus. Sei das der Fall, könnte das EU-weite Lieferkettengesetz eventuell Anfang 2024 in Kraft treten, schätzt der CDU-Politiker. Das deutsche Gesetz wird voraussichtlich schon vorher in Kraft treten. Die Bundesregierung müsste dann gegebenenfalls nationale Regeln an EU-Recht anpassen.
Das EU-Lieferkettengesetz ist ein guter Anfang – aber nicht genug, findet die Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini. Sie fordert eine zusätzliche Handhabe, um die Einfuhr von Produkten aus Zwangsarbeit zu verbieten und diese bereits an der Grenze abfangen zu können. Sklaverei rechtfertige es, mit einem “scharfen Schwert” an die Sache ranzugehen, sagt die Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz im EU-Parlament gegenüber China.Table.
Vorbild für ein solches Import-Verbot könnte Cavazzini zufolge die Gesetzgebung zur Zwangsarbeit des US Tariff Act sein. Er erlaubt es dem US-Zoll, Einfuhren auf Güter aus Zwangsarbeit zu überprüfen. Dabei soll gezielt vorgegangen werden, so Cavazzini: “Es sind nicht alle Produkte automatisch betroffen, sondern es geht um bestimmte Firmen und bestimmte Produkte”, erklärt die Grünen-Politikerin. Man wolle nicht eine bestimmte Region wie beispielsweise Xinjiang gänzlich ausschließen, sondern zielgerichtet prüfen.
Sollten Güter an der Grenze abgefangen werden, läge es dann an den jeweiligen Firmen nachzuweisen, dass bei der Herstellung keine erzwungene Arbeit im Spiel war. “Das Ziel ist eine Verhaltensänderung der Unternehmen”, sagt Cavazzini. Das Import-Verbot soll dabei vor allem abschreckend wirken. Etliche Details sind aber noch offen: Wie sollen Firmen Nachweise für Produkte aus schwer zugänglichen Regionen wie der westchinesischen Provinz erbringen? Und erhalten im Gegenzug sauber herstellte Waren, die jedoch aus einer verdächtigen Region kommen, eine Art Dauer-Importschein?
Die Kontrollen vor Ort sind schwer umsetzbar, erklärt EU-Handelskammerchef Jörg Wuttke China.Table. “Das geht momentan großteils nur noch mit internen Spezialisten, und da fehlt es natürlich an Glaubwürdigkeit für die Öffentlichkeit. Einige Firmen hatten es noch bis Anfang 2020 geschafft, externe Berater nach Xinjinang zu bekommen, das ist leider nun vorbei.” Der Lieferketten-Vorstoß aus Europa werde in China als “protektionistisches Element” wahrgenommen, so Wuttke. Dass China seinerseits Konsequenzen ziehen wird, wenn durch die neue Gesetzgebung Handelsnachteile entstehen, schließt Wuttke nicht aus: “China hat eine Reputation, zu reagieren.”
Dass Xinjiang eine besondere Herausforderung für die Lieferkettengesetzgebung werden könnte, ist auch den EU-Parlamentariern bewusst: “Wenn sich ein Land weigert, wird es natürlich schwierig”, sagt der Europaabgeordnete Voss China.Table. Es werde aber erwartet, dass die Unternehmen stärker ihre Lieferketten anschauen, so Voss. Ob es dann Zertifikate oder andere Nachweise für Problemregionen wie Xinjiang geben wird, sei noch offen.
Eine gewisse Transparenz müsse natürlich da sein, betont der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange, gegenüber China.Table. Dass sich Unternehmen aus der Region zurückziehen könnten, weil sich die Überprüfung der Lieferketten als zu schwer umsetzbar gestaltet – das sogenannte “Cut & Go” – sieht er nicht als Gefahr. Das Monitoring des EU-Lieferkettengesetzes müsse jedoch genau angesehen werden. Auch neue Technologien wie Blockchain könnten dabei eine Rolle spielen, so Lange.
Immer wieder wird China von Grubenunglücken heimgesucht. Erst im Januar waren in einer Goldmine bei Qixia in der ostchinesischen Provinz Shandong 22 Bergleute in rund 600 Meter Tiefe verschüttet worden. Über 600 Helfer waren im Einsatz, um die Kumpel zu bergen. Ein teurer Großeinsatz, bei dem am Ende der Bürgermeister wie auch der lokale Parteichef ihre Posten verloren.
Chinas Gruben gelten als die gefährlichsten der Welt, was nicht nur an den teils noch immer mangelhaften Sicherheitsstandards liegt, sondern auch an der schieren Größe der chinesischen Minen-Industrie. Im Jahr 2018 – dem letzten Jahr, aus dem Daten des World Mining Congresses verfügbar sind – hat China fast 4,1 Milliarden Tonnen fossile Brennstoffe, Eisen sowie andere Metalle aus der Erde extrahiert – mehr als jedes andere Land der Erde.
Hilfe für Chinas unsichere Minen kommt nun von überraschender Seite: Der Telekommunikationsgigant Huawei, der aufgrund von US-Sanktionen zuletzt Einbußen im Smartphone-Auslandsgeschäft hinnehmen musste, möchte seine 5G-Technologie verstärkt dafür einsetzen, die Minen des Landes sicherer und effizienter zu machen. Kürzlich hat Huawei in der Stadt Taiyuan in der Provinz Shanxi ein “Intelligent Mining Innovation Lab” eröffnet, in dem 53 Netzwerk-Techniker zusammen mit 150 Minenexperten an Forschung und Entwicklung des lokalen Bergbausektors arbeiten.
Allein Shanxi hat über 900 Kohleminen mit einer jährlichen Produktion von 900 Millionen Tonnen. Rund 300 000 Menschen arbeiten dort unter Tage. “Mit 5G werden neue Anwendungen, die auf Künstlicher Intelligenz, dem Internet Of Things und Cloud Computing basieren, noch effizienter und schneller”, erklärt ein Unternehmenssprecher. Es geht etwa um automatisierte Fahrzeuge, selbstreinigende Kameras, Gas-Warnsysteme und GPS-Sensoren für den Unter-Tage-Transport.
Dabei werden zunächst ausgewählte Minen in Shanxi mit 5G-Basisstationen ausgestattet, die gegen Feuchtigkeit, Staub und Explosionen beständig sind. Langfristig sollen sie helfen, die Zahl der Arbeiter, die je Schicht in die Gruben hinabsteigen müssen, um 10 bis 20 Prozent zu verringern. “Wenn es um 5G-Anwendungen geht, haben die meisten Telekommunikationsunternehmen den Bergbau nicht als Einsatzgebiet und Feld für Marktdurchbrüche erkannt”, erklärte Huawei-Gründer Ren Zhengfei bei der Eröffnungsfeier des Mining Innovation Labs in Taiyaun. “Dabei hat China über 5300 Kohleminen und 2700 Eisenerzminen. Wenn wir uns in den 8000 Minen bewiesen haben, können wir unser Angebot auch aufs Ausland ausweiten. Unbemannter Bergbau könnte für Minen in den arktischen Regionen Kanadas und Russlands von großer Bedeutung werden.” Aber auch in vielen Minen ist Zentralasien, Afrika und Mittel- und Südamerika könnte die Technologie die Standards erheblich anheben. An der von China initiierten One-Belt-One-Road Initiative sind inzwischen 60 Nationen beteiligt.
Auch in den anderen Provinzen wird das Projekt mit großer Aufmerksamkeit wahrgenommen. Li Xiyong, Präsident und Parteisekretär der CPC Shandong Energy Group betont, dass “intelligentes Mining die 4. Technologische Revolution der chinesischen Kohleindustrie bedeutet”. Die Firma hat bereits ein eigenes 5G Mining Netzwerk.
Die Provinz Shanxi, wo sich das Lab befindet, ist eine der größten Energieproduzenten Chinas. Hier befinden sich – neben der Inneren Mongolei – die größten Kohlevorkommen des Landes. Doch auch anderswo auf der Welt wird bereits in den datenbasierten Bergbau investiert. Im afrikanischen Mali befindet sich die erste voll automatisierte Untergrundmine der Welt. Die unbemannten Fahrzeuge, die in den Stollen unterwegs sind, werden von einem Computer aus einem Kontrollraum gesteuert. Geliefert hat die Technik unter anderem der schwedische Technologiekonzern Sandvik, der auch innovativen Minen-Lösungen mit 5G arbeitet. Sanvik benutzt hierfür allerdings Technik des finnischen Konzerns Nokia – und nicht von Huawei.
Auch die EU hat für ein Forschungsprojekt zum Thema Bergbau und 5G bereits 2017 über 12 Millionen Euro vergeben. “EU-finanzierte Forschung hat in der Bergbauindustrie eine industrielle Revolution in Gang gebracht, deren Triebkräfte die Automatisierung, vollelektronische Fahrzeuge und die 5G-Konnektivität sind”, heißt es in dem Abschlussbericht der europäischen Kommission. Koordiniert wurde das Projekt von der schwedischen EPIROC ROCK DRILLS AB.
Huawei möchte einen Schritt weiter gehen und testet derzeit zusammen mit dem führenden Pekinger Minenfahrzeughersteller TAGE Idriver automatisierte Radlader in der Bayan-Obo-Mine in der Inneren Mongolei, wo vor allem Seltene Erden abgebaut werden. Die dortigen Tests zeigen, dass unbemannte Fahrzeuge in einer unbemannten, mit Wegsensoren ausgestatteten Mine mit einer höheren Geschwindigkeit von 35 km/h fahren können, Hindernisse vermeiden und punktgenau parken, was die Produktionseffizienz erheblich verbessern würde. Huawei hat bereits auf der Mobilfunkmesse MWC in Shanghai im Jahr 2019 ein Minen-Kontrollzentrum vorgestellt, das Bohr-, Schaufel-, Lade- und Transportarbeiten in einer Mine im tausende Kilometer entfernten Luanchuan steuern konnte.
Die Vorteile einer Digitalisierung des Bergbaus liegen auf der Hand: Eine automatisierte Grube minimiert nicht nur das Unfallrisiko für menschliche Mitarbeiter, sondern könnte 24 Stunden am Tag betrieben werden. Das erhöht die Produktivität und macht den Abbau auch an Orten attraktiv, wo er sich aufgrund von strikten Umwelt- und Sicherheitsauflagen oder hohen Löhnen lange Zeit nicht lohnte.
China arbeitet an einem digitalen Gesundheitszertifikat, welches das Reisen in Pandemie-Zeiten erleichtern soll. Das sagte Außenminister Wang Yi am Rande des Nationalen Volkskongresses in Peking. Das digitale Gesundheitszertifikat soll es beispielsweise Staaten ermöglichen, Corona-Testresultate von Reisenden oder vorgenommene Impfungen zu verifizieren und so “gesunde, sichere und geordnete Reisen über Grenzen hinweg wieder ermöglichen”, sagte Wang. Die Privatsphäre der Reisenden sowie deren persönlichen Daten sollten im chinesischen Zertifikat geschützt bleiben, versprach Wang.
Dem Außenminister zufolge arbeite die chinesische Regierung bei der Entwicklung eng mit internationalen Partnern zusammen; konkrete Namen von Ländern oder Unternehmen nannte er allerdings nicht. Auch zum genauen Entwicklungsstand des Programms machte Wang keine weiteren Angaben.
China ist nicht das einzige Land, das Pläne für ein digitales Gesundheitszertifikat verfolgt. Zuletzt hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Einführung eines digitalen “Grünen Passes” vorgeschlagen. Er solle die Coronavirus-Testresultate der europäischen Besitzer auflisten. Auch in Südkorea, Singapur und Thailand werden ähnliche Pläne diskutiert.
Wangs Äußerungen schürten bei Reisenden und Geschäftsleuten die Hoffnung, dass China bald seine Grenzen wieder etwas mehr öffnen und so die Einreise von Ausländern erleichtern könnte. Zhu Zhengfu, Mitglied der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes (CPPCC), hatte sich unlängst für eine Lockerung der strikten Einreisevorschriften ausgesprochen. Zhus Vorschlag: Internationale Reisende könnten von der 14-tägigen Zwangsquarantäne befreit werden, wenn sie einen negativen Corona-Test und ein gültiges Impfzertifikat vorlegen könnten.
Derzeit müssen Reisende bei der Ankunft in China einen negativen Corona-Test vorlegen, der nicht älter als 72 Stunden ist. Anschließend sind eine 14-tägige Quarantäne sowie eine “gesundheitliches Überwachungsphase” Pflicht. Deren Dauer ist von Region zu Region unterschiedlich. rad
Am 25. September 2015 verabschiedeten die weltweiten Staats- und Regierungschefs einstimmig die Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung – einen umfassenden globalen Plan zum Aufbau einer nachhaltigeren Welt. Aber mehr als fünf Jahre später lässt der Fortschritt bei den 17 Zielen Nachhaltiger Entwicklung (ZNE) der Agenda viel zu wünschen übrig.
Am meisten sind die Länder, die sich um die Erfüllung der ZNE bemühen, durch mangelnde finanzielle Ressourcen eingeschränkt. Bereits vor der Pandemie zeigten viele ärmere Staaten Anzeichen von Schuldenproblemen. Und kämpft man gleichzeitig gegen Gesundheits- und Wirtschaftskrisen, ist die Mobilisierung finanzieller Ressourcen für nachhaltige Entwicklung noch schwieriger.
Natürlich gibt es Wege, Geld zu mobilisieren. Die betroffenen Länder können die Inlandsersparnisse erhöhen, sich um ausländische Investitionen bemühen sowie bei reichen Ländern, internationalen Organisationen und multilateralen Entwicklungsbanken um Entwicklungshilfe bitten. Aber dies ist niemals leicht – besonders nicht in einer Welt, in der illegale Finanzflüsse leichtes Spiel haben.
2015 schätzte Gabriel Zucman, dass sich mindestens 7,6 Billionen Dollar privater Mittel in Steueroasen befinden, was acht Prozent des weltweiten Haushaltsvermögens entspricht. Diese Summe war in den fünf Jahren davor bereits um 25 Prozent gestiegen, was darauf hinweist, dass sie heute noch erheblich höher liegen könnte. So berichtete das National Bureau of Economic Research im Jahr 2017, dass etwa zehn Prozent des weltweiten BIP in Offshore-Steueroasen gehalten wird.
Illegale Finanzabflüsse behindern nicht nur die finanziellen Ressourcen armer Länder, sondern untergraben auch die Bereitschaft der Geberländer, weitere Entwicklungshilfe zu leisten. Gegen solche Geldflüsse haben die Regierungen drei große Verteidigungsmöglichkeiten:
Die erste besteht darin, die Menge des illegalen Geldes zu verringern, indem sie die Korruption bekämpfen. Dabei müssen sich solche Bemühungen nicht nur gegen direktes kriminelles Verhalten – wie Steuervermeidung, Bestechung und Unterschlagung öffentlicher Güter – wenden, sondern auch gegen subtilere Manöver wie der Ausnutzung von Steuerschlupflöchern durch multinationale Konzerne. Dass solche Großunternehmen Steuern vermeiden, untergräbt die Fähigkeit der Länder zur Entwicklungsfinanzierung mindestens genauso stark wie direkte Korruption – wenn nicht sogar noch mehr.
Die zweite Verteidigungslinie besteht in der sorgfältigen Steuerung grenzüberschreitender Kapitalflüsse. Bleibt illegales Geld in seinem Ursprungsland, macht dies die Korruption weniger lukrativ – und damit auch weniger reizvoll. Aber auch hier sind Aktivitäten, die offensichtlich illegal sind, nur ein Teil des Problems. Auch wenn Kapitalflucht legal stattfindet, leert sie die Kassen der Regierungen und kann sogar Finanz- oder Währungskrisen auslösen.
Und schließlich müssen die Regierungen illegale Mittel, die an Kapitalkontrollen vorbeigeschleust wurden, aggressiv verfolgen, einziehen und wieder ins Land holen. Das Problem dabei ist aber, dass die erneute Eingliederung solcher Mittel aufgrund des Misstrauens zwischen den Ländern sehr kompliziert, kostspielig und manchmal umstritten ist. Also konnte bisher nur sehr wenig gestohlenes Geld an seine rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben werden. Und obwohl es in den letzten Jahren einige Initiativen, Programme, Abkommen, Konventionen und Verträge gegen illegale Finanzflüsse gab, haben sie sich als bei weitem nicht ausreichend erwiesen.
Aber es gibt Grund zur Hoffnung, dass sich dies bald ändern wird. Letztes Jahr haben Volkan Bozkir, der Präsident der UN-Generalversammlung, und Munir Akram, der Präsident des UN-Wirtschafts- und Sozialrats, einen hochrangigen Ausschuss zur Internationalen Finanziellen Verantwortlichkeit, Transparenz und Integrität zum Erreichen der Agenda für 2030 ausgerichtet (FACTI, International Financial Accountability, Transparency, and Integrity).
Dieses Gremium hat nun einen umfassenden Bericht veröffentlicht, der 14 evidenzbasierte Empfehlungen zur Stärkung der globalen Finanzarchitektur für die Unterstützung nachhaltiger Entwicklung enthält. Beispielsweise werden darin alle Länder aufgefordert, Gesetze zu schaffen, um so viele legale Mittel wie möglich verfügbar zu machen, mit denen die Täter grenzüberschreitender Finanzvergehen zur Verantwortung gezogen werden können. Zusätzlich sollten die Regierungen robuste und koordinierte Mechanismen einführen, um die finanzielle Integrität zu stärken.
Das FACTI-Gremium setzt sich außerdem für eine viel stärkere internationale Zusammenarbeit ein, die auch in der Einführung globaler Steuernormen und Transparenzstandards durch ein “offenes und inklusives” rechtliches Instrument bestehen könnte. Und weiterhin empfehlen die Experten, einen unparteiischen Mechanismus zu schaffen, um internationale Steuerstreitigkeiten beizulegen – ebenso wie einen inklusiven globalen Koordinierungsmechanismus beim UN-Wirtschafts- und Sozialrat, um auf systematischer Ebene die finanzielle Integrität zu fördern.
Die Umsetzung der FACTI-Empfehlungen wird nicht leicht sein. Aber die Bemühungen der UN, Lösungen zu finden, sind zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung. Bekommen wir nun die internationale Gemeinschaft mit an Bord, haben wir immer noch eine Chance, die nötigen Ressourcen zum Erreichen der ZNE zu sichern.
Yu Yongding, ehemaliger Vorsitzender der Chinesischen Gesellschaft für Weltwirtschaft und Direktor des Instituts für Weltwirtschaft und Politik bei der chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften, war von 2004 bis 2006 beim Ausschuss für Geldpolitik der Chinesischen Volksbank tätig. Aus dem Englischen von Harald Eckhoff
Copyright: Project Syndicate, 2021.
www.project-syndicate.org
Ende der Urlaubszeit für Millionen Chinesen. Vom 28. Januar bis zum 8. März dauerte in diesem Jahr die Urlaubs- und Reisesaison zum chinesischen Neujahrsfest. Rund 870 Millionen Reisen habe es in diesem Pandemie-Jahr gegeben, schätzen Offizielle. Das wären rund 41 Prozent der Reisen vom vergangenen Jahr und 70 Prozent weniger als vor der Pandemie. Auf dem Bild ist der letzte Reisetag am Bahnhof von Nanjing im Osten Chinas, zu sehen.
Haare stehen nicht nur in religiösen Darstellungen in engem Bezug zu Macht, auch weltliche Herrscher wie Könige trugen durch die Geschichte Bärte und wallendes Haar, um ihre gesellschaftliche Stellung zu zeigen. Dass die Frisur eben nicht nur eine Ansammlung von Kopfhaar, sondern auch Statussymbol ist, zeigt sich auch in der Kommunistischen Partei Chinas: Führende Politiker färbten bisher ihre Haare schwarz. Erst nach dem Ausscheiden aus der Politik waren graue Haare okay. Der amtierende Präsident Xi Jinping war der erste aktive Politiker, der in der Öffentlichkeit graue Strähnchen wagte. Man kann also sagen: Er ist so mächtig, dass er sich sogar das traut.
Welche sechs Männer neben Xi zum mächtigsten Gremium Chinas, dem ständigen Ausschuss des Politbüros, gehören, stellt Ihnen China.Table heute in einer Reihe von Kurzporträts vor.
Außerdem werfen wir einen Blick nach Brüssel. Die Bundesregierung hatte sich nach langem Ringen jüngst auf ein Lieferkettengesetz geeinigt, diese Woche stimmt das EU-Parlament über einen EU-weiten Aufschlag ab. China.Table weist nicht nur auf die Unterschiede zum deutschen Entwurf hin, sondern untersucht zudem mögliche Probleme bei der Umsetzung in China.
Unter Tage geht es heute mit Frank Sieren. Schwere Grubenunglücke sind in China leider keine Seltenheit, häufig kommen dabei Dutzende Kumpel ums Leben. Mithilfe der Digitalisierung will die Volksrepublik ihre Minen sicherer machen – und zugleich die Produktivität steigern.
Weiter geht es außerdem mit dem Nationalen Volkskongress (NVK) in Peking. Finn Mayer-Kuckuck erklärt, welche Pläne für die Finanzarchitektur des Landes auf dem Tisch liegen.
An ihm führt kein Weg vorbei: Xi Jinping. Wie kein anderer seit Mao Zedong hat Xi die Macht im Staat auf sich konzentriert. Seit seinem Amtsantritt als KP-Generalsekretär 2012 hat er gezielt potenzielle Rivalen innerhalb der Partei kaltgestellt und sich mit getreuen Anhängern umgeben. Anders als sein Vorgänger Hu Jintao trägt Xi den Titel “Kern der Partei”; 2018 schaffte er zudem die bis dahin übliche Amtszeitbegrenzung für Präsidenten ab. Gleichzeitig wurden “Xi Jinpings Ideen des Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter” in der chinesischen Verfassung verankert. Xi ist ein sogenannter Prinzling – sein Vater Xi Zhongxun gehörte zur ersten Führungsgeneration der Partei. Das Jahr 2021 ist für Xi von besonderer Bedeutung: Der erste Fünfjahresplan unter seiner Ägide ist abgeschlossen – Anlass für eine Bilanz. Außerdem steht in diesem Jahr der 100. Gründungstag der KP Chinas an.
Li Keqiang ist die Nummer 2 im Staat. Als Premierminister ist Li offiziell chinesischer Regierungschef in zweiter Amtszeit. Bei seinem Amtsantritt galt er als Brücke in das Lager des ehemaligen KP-Generalsekretärs Hu Jintao und als kompetenter Wirtschaftsexperte mit dem Ziel, das Wirtschaftswachstum in gerechtere und nachhaltigere Bahnen zu lenken. Doch mit Xis wachsender Machtfülle schwand Lis Bedeutung. 2018 wurde die Rolle des Wirtschaftslenkers auf Vizepremier Liu He übertragen, auf entscheidenden Gipfeln war Li zuletzt nicht mehr anwesend. Seine Amtszeit ist, anders als bei Xi auf das Jahr 2022 begrenzt. Li stammt aus einfachen Verhältnissen: Seine Eltern waren Bauern in der Provinz Anhui.
Mit siebzig Jahren ist Li Zhanshu der Älteste im ständigen Ausschuss und hinter Generalsekretär Xi und Premier Li die Nummer 3. Er ist ein enger Vertrauter von Xi und seit 2012 dessen Stabschef und Direktor des Zentralkomitee-Generalbüros. Außerdem steht er dem ständigen Ausschuss des Volkskongresses vor, einer Art parlamentarischem Arbeitsgremium, und ist somit der wichtigste Parteivertreter in der chinesischen Schein-Legislative. Seine Karriere begann als Sohn von Parteiveteranen in seiner Heimatprovinz Hebei. Schon Anfang der 1980er Jahre begegnete er dort dem jungen Xi Jinping, beide waren lokale Parteisekretäre in benachbarten Landkreisen.
In China ruhen die Hoffnungen vieler Reformer auf Wang Yang, dem liberalsten Kopf in der derzeitigen Parteiführung. Als ehemaliger Parteisekretär der wirtschaftlich starken Provinz Guangdong und Chongqing, der aufstrebenden Südwestmetropole mit Provinzstatus, setzte er erfolgreich wirtschaftsliberale Reformen durch. Doch als Mitglied des ständigen Ausschusses gingen von Wang bislang wenig Impulse aus, die die Hoffnungen bestätigt hätten: Zuletzt fiel er eher mit Lippenbekenntnissen zum chinesischen Weg und Drohgebärden in Richtung Taiwan auf. Mit seinen ungefärbten grauen Haaren und seinem – für Parteiführungsverhältnisse – auffälligen Sinn für Humor, bleibt er dennoch ein Farbtupfer in Chinas höchstem Parteigremium.
Wang Huning spielt als Ideologie-Architekt eine zentrale Rolle in der ersten Parteiriege. Anders als seine sechs Kollegen hat er keine parteipolitische Ochsentour hinter sich. Bereits mit Dreißig wurde er Professor für Internationale Politik an der Shanghaier Fudan-Universität, knüpfte erste Kontakte in politische Führungskreise und fand mit seinen neo-autoritären Ideen seit Jiang Zemin bei jedem chinesischen Staatschef Gehör: Ob “wissenschaftliche Entwicklung”, “Chinesischer Traum” oder gar “Xi Jinpings Ideen des Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter” – seit Jahrzehnten hat Wang maßgeblichen Anteil an der ideologischen Kalibrierung des Parteiprogramms und der impliziten Abkehr von marxistischen Ideen hin zu mehr Nationalismus und Autoritarismus.
Der Kampf gegen Korruption ist für Xi Jinping sowohl eine politische Mission, als auch ein Werkzeug zum Ausschalten potenzieller Rivalen. Seit 2017 ist Zhao Leji als Leiter der Disziplinarkommission der Kommunistischen Partei mit diesem Kampf betraut. Zuvor stand er fünf Jahre lang der Organisationsabteilung vor, die über alle parteiinternen Personalentscheidungen verfügt und eine zentrale Rolle in der Parteistruktur einnimmt. Somit ist er nicht nur selbst gut vernetzt, sondern kennt die Netzwerke innerhalb der Partei und ihre wunden Punkte wie kein Zweiter. Zhao kommt aus der westlichen Provinz Qinghai, wo er auch einen Großteil seiner politischen Karriere verbrachte.
An Position Sieben steht der ehemalige Shanghaier Bürgermeister Han Zheng, nun Vize-Premier hinter Li Keqiang im chinesischen Staatsrat. Wie Wang Yang ist Han Ökonom und bekannt für seinen wirtschaftsliberalen Reformkurs. In seiner Amtszeit erlebte Shanghai nicht nur einen wahren Boom, sondern organisierte 2010 auch eine erfolgreiche Weltausstellung. Zudem arbeitete Han 2007 eng mit Xi Jinping zusammen, als dieser für ein Jahr als Parteisekretär nach Shanghai kam. Im parteiinternen Machtgefüge steht Han Zheng für die Verbindung zur sogenannten Shanghai Gang des ehemaligen Parteisekretärs Jiang Zemin, deren Einfluss jedoch in den vergangenen Jahren stark abgenommen hat. Jonas Borchers
An den Äußerungen der verantwortlichen Parteikader auf dem Nationalen Volkskongress (NVK) lässt sich langsam ablesen, welche Ideen sie für die Finanzarchitektur des Landes haben. Die Finanzen sollen in der kommenden Fünfjahresperiode stabiler aufgestellt werden. Überschießende Investitionen wollen die Verantwortlichen nach Möglichkeit vermeiden. Zudem gibt es abermals ein Bekenntnis zu transparenten Märkten.
Das Hauptaugenmerk liegt hier – wie schon seit Jahrzehnten – auf der Finanzierung von Städten, Gemeinden, Kreisen und Provinzen, also der Gebietskörperschaften. Während Chinas Zentralregierung kaum Schulden macht, haben die Parteisekretäre vor Ort sich laufend viel Geld geliehen, um ihre ehrgeizigen Projekte zu finanzieren und die regionale Wirtschaft voran zu bringen. Doch: Eigentlich dürfen sie das gar nicht, zumindest nicht an den Mechanismen zur Geldaufnahme vorbei, die ihnen die Zentrale in Peking vorgibt. Dennoch schieben die Regionen inwischen einen riesigen Schuldenberg vor sich her.
Im Haushaltsentwurf tauchen sie daher wieder prominent auf – diesmal mit einer noch ernsteren Formulierung als bisher. Die Kontrolle der regionalen Budgets werde zu einer “Frage der nationalen Sicherheit”, heißt es im Haushaltsentwurf des Finanzministeriums. Da klingt ein deutliches Durchgreifen des Kernteams um Xi Jinping auf die Provinzebene an.
Ob sich dadurch wirklich etwas verändert, ist allerdings fraglich. Die Gebietskörperschaften verfügen über ein erhebliches Maß an Autonomie, weil sich ein so großes Land sonst gar nicht flexibel regieren ließe. Schon seit den 90er-Jahren ist davon die Rede, wie notwendig – ja gar überfällig – der Schuldenabbau sei (Englisch: Deleveraging). Stets klingen die Mahner so, als käme nun wirklich der Zusammenbruch, wenn die Abhängigkeit vom geliehenen Geld nicht sinke. Ebenso zuverlässig ging das Leben dennoch weiter, auch ohne dass der Schuldenstand je wirklich gesunken wäre.
Chinas Wirtschaftswunder basiert eben auch zu einem guten Teil darauf, dass im richtigen Zeitpunkt genug Geld für Projekte und Ideen zur Verfügung steht. Was vor Ort sinnvoll ist, wissen die lokalen Parteisekretäre wiederum ganz gut. Dass dabei zuweilen auch zu viel gebaut, zu viel investiert und zu viel ausgegeben wird – das gilt als Nebeneffekt eines Wachstums, das alle mit nach oben zieht.
Doch Schulden sind Schulden – und die muss jemand am Ende zurückzahlen. Wenn das Geld nicht wiederkommt, ist ein Anleger im besten Fall enttäuscht, im schlimmsten Fall pleite. Deshalb macht die Zentrale kontinuierlich Druck, endlich solider zu wirtschaften. Schon seit einigen Jahren sollten Chinas Gemeinden sich daher nur über sauber und offiziell ausgegebene Anleihen finanzieren. Das hätte Transparenz geschaffen. Dass die inoffizielle Verschuldung jetzt ein Frage der nationalen Sicherheit wird, zeigt, dass der rein marktwirtschaftliche Ansatz wohl noch nicht so recht funktioniert hat. Ein Grund dafür ist, dass die Anleihemärkte gar nicht so marktwirtschaftlich funktionieren, wie die Planer in Peking das gerne hätten. Am Ende sind es doch meistens die staatlichen Großbanken, die die Gemeindeanleihen in ihre geduldigen Bilanzen aufnehmen.
Der aktuelle Haushaltsentwurf sieht nun vor, den Spielraum für die Ausgabe von Anleihen der Gebietskörperschaften auf 3,65 Billionen Yuan (470 Milliarden Euro) festzusetzen. Das ist zwar weniger als die 3,75 Billionen Yuan des Vorjahres, doch dieser Wert war als Reaktion auf die Corona-Krise bewusst hoch festgesetzt worden. Beobachter hatten eine Rückführung auf 3,5 Billionen Yuan erwartet. “Die Regierung will die Vordertür weit aufhalten, um die Hintertür besser blockieren zu können”, kommentiert das Bankhaus HSBC. Die Hoffnung ist also, dass die Gemeinden sich mehr Geld auf legalem Wege leihen.
Auch die Entwicklung von Zukunftsbranchen soll nicht mehr ganz so wild verlaufen wie bisher. Wenn ein Thema angesagt war, wurden die betreffenden Unternehmen in den vergangenen Jahrzehnten regelrecht mit Geld überschüttet – von der Zentralregierung, von Gebietskörperschaften, von Investoren. Das hat beispielsweise den Solar-Boom hervorgebracht, der nebenbei die (ohnehin wenig wettbewerbsfähige) deutsche Photovoltaik-Branche plattgemacht hat. Am Ende bleiben jedoch immer auch Überkapazitäten. Künftig wolle China den Marktgesetzen folgen, wenn es um die Entwicklung neuer Industrien gehe, sagte daher der Minister für Industrie und Informationstechnik, Xiao Yaqing, auf seiner Pressekonferenz im Rahmen des NVK. Er meinte das auch im Hinblick auf die Halbleiterindustrie, die China in großer Eile weiterentwickeln will, um bei Chips vom Ausland unabhängig zu werden. Auch hier ist jedoch davon auszugehen, dass die Marktkräfte eine deutliche Flankierung von staatlichen Fördermitteln erhalten.
Ein weiteres dickes Brett ist die Regulierung der Märkte. Dieses Vorhaben gilt als ein Grund dafür, dass der Aktienmarkt in Shanghai an den ersten beiden Tagen des NVK heftig geschwankt hat. Der Leitindex Shanghai Composite fiel am Montag um 2,3 Prozent. Aus den durchgesickerten Informationen und den bereits veröffentlichten Zahlen wurde den Anlegern klar, dass die Führung kein neues Konjunkturfeuerwerk plant, sondern im Gegenteil eher etwas vorsichtiger vorgehen will. Kurz vor Beginn des NVK hatte der Chef der Marktaufsicht, Guo Shuqing, vor Blasen gewarnt: “Aus Sicht des Finanzregulators ist eine Rückführung der Schuldenfinanzierung erforderlich.” Das gelte vor allem für den Immobilienmarkt in den Städten.
Der Immobilienmarkt ist neben den Gebietskörperschaften das zweite Dauer-Sorgenkind der Regulatoren. Einerseits ist er Wachstumstreiber: Der Hausbau schafft Wohnraum und Arbeitsplätze. Andererseits stecken die Chinesen einfach irrsinnig viel Geld in Immobilieninvestitionen, weil sie das für ebenso sicher wie aussichtsreich halten. “Immobilienspekulationen sind sehr gefährlich”, belehrte Guo nun die chinesische Öffentlichkeit. Auch hier werden das Budget für das aktuelle Fiskaljahr und der Fünfjahresplan wieder eine bewährtes Kunststück chinesischer Haushaltspolitik zeigen: Der Staat wird zugleich aufs Gas und auf die Bremse drücken – und am Ende bei einer erschreckend hohen, aber doch noch beherrschbaren Geschwindigkeit landen.
Das geplante EU-Lieferkettengesetz nimmt diese Woche eine wichtige Hürde: Das Europaparlament stimmt am Mittwoch über seine Position ab. Dabei geht der Ansatz des Europäischen Parlaments deutlich über das Lieferkettengesetz der Bundesrepublik hinaus. In den zuständigen Ausschüssen erhielt der entsprechende Bericht schon die nötigen Mehrheiten – das nun auch das EU-Parlament zustimmt, gilt als sicher.
“Die Sorgfaltspflicht kann Rechtssicherheit bringen und gleiche Ausgangsbedingungen, um das gegenseitige Unterbieten zu vermeiden”, sagte EU-Rechtskommissar Didier Reynders gestern im Europaparlament in Brüssel bei der Debatte um die Lieferketten-Vorlage. Die Kommission führe derzeit eine Kostenabschätzung durch. Für den Vorschlag der Brüssler Behörde kündigte Reynders “konkrete Verpflichtungen” und eine “ganze Palette an Lösungen” an, in der die Belastung der Unternehmen berücksichtigt werde. “Wir prüfen auch, wie zielgerichtete Unterstützung geleistet werden kann”, sagte Reynders.
Der Vorschlag der EU-Kommission, mit dem der eigentliche Gesetzgebungsprozess dann beginnt, wird für Juni erwartet. In ihm müssen noch offene Fragen geklärt und konkrete Ansätze für den Umgang mit schwierigen Regionen formuliert werden, wie beispielsweise mit Waren aus der chinesischen Provinz Xinjiang umgegangen werden soll. Die bisherigen Details sind jedenfalls noch nicht ganz ausgegoren.
Zwischen dem deutschen und dem europäischen Entwurf gibt es allerdings große Unterschiede: Die EU-Parlamentarier fordern beispielsweise, dass die Sorgfaltspflichten für Unternehmen die “gesamte Lieferkette umfassen und dabei einen risikobasierten Ansatz verfolgen” sollen. In sogenannten Risiko-Sektoren sollen also auch mittelbare Zulieferer und Subunternehmer von EU-Firmen deren Verantwortung unterliegen. Der Geltungsbereich des deutschen Gesetzesentwurfs ist hingegen deutlich eingeschränkter.
Anders als die Bundesregierung sprechen sich die EU-Abgeordneten zudem für strenge Haftungsregeln aus. Ein Unternehmen, das negative Auswirkungen auf Menschenrechte oder Umwelt verursacht oder dazu beigetragen hat, soll zu “finanzieller oder nicht finanzieller” Entschädigung verpflichtet werden. Die EU-Parlamentarier fordern, dass europäische Unternehmen auf Schadensersatz für Menschenrechts- und Umweltverstösse verklagt werden können. Auch der Fokus auf den Umweltschutz ist im europäischen Entwurf stärker als im deutschen Papier.
Neben großen Unternehmen soll die Sorgfaltspflicht dem Bericht des Europaparlaments zufolge auch für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) gelten, die börsennotiert oder mit hohem Risiko behaftet sind. Außerdem sollen nicht nur Firmen verpflichtet werden, die in der EU sitzen, sondern alle, die im EU-Binnenmarkt tätig sind. Ob und wie sich die EU-Vorgaben an der Größe der Firmen orientieren wird, ist noch offen, sagte EU-Parlamentarier und Schattenberichterstatter für den Lieferketten-Bericht im Rechtsausschuss Axel Voss (CDU). Dazu gebe es noch Meinungsunterschiede im EU-Parlament, so Voss. Konservative und rechte Fraktionen drängen zum Beispiel auf weitreichendere Ausnahmen für KMU. “Auch ein kleines Unternehmen kann Schaden verursachen”, betonte Lara Wolters, die den Bericht für das EU-Parlament verantwortet, bei der Debatte im Plenum. Die Verpflichtungen sollten aber verhältnismäßig gestaltet sein, so Wolters.
Sollte der Vorschlag der Brüsseler Behörde den Vorstellungen des Europäischen Parlaments entsprechen, geht Voss von einer zügigen Gesetzgebung aus. Sei das der Fall, könnte das EU-weite Lieferkettengesetz eventuell Anfang 2024 in Kraft treten, schätzt der CDU-Politiker. Das deutsche Gesetz wird voraussichtlich schon vorher in Kraft treten. Die Bundesregierung müsste dann gegebenenfalls nationale Regeln an EU-Recht anpassen.
Das EU-Lieferkettengesetz ist ein guter Anfang – aber nicht genug, findet die Grünen-Europaabgeordnete Anna Cavazzini. Sie fordert eine zusätzliche Handhabe, um die Einfuhr von Produkten aus Zwangsarbeit zu verbieten und diese bereits an der Grenze abfangen zu können. Sklaverei rechtfertige es, mit einem “scharfen Schwert” an die Sache ranzugehen, sagt die Vorsitzende des Ausschusses für Binnenmarkt und Verbraucherschutz im EU-Parlament gegenüber China.Table.
Vorbild für ein solches Import-Verbot könnte Cavazzini zufolge die Gesetzgebung zur Zwangsarbeit des US Tariff Act sein. Er erlaubt es dem US-Zoll, Einfuhren auf Güter aus Zwangsarbeit zu überprüfen. Dabei soll gezielt vorgegangen werden, so Cavazzini: “Es sind nicht alle Produkte automatisch betroffen, sondern es geht um bestimmte Firmen und bestimmte Produkte”, erklärt die Grünen-Politikerin. Man wolle nicht eine bestimmte Region wie beispielsweise Xinjiang gänzlich ausschließen, sondern zielgerichtet prüfen.
Sollten Güter an der Grenze abgefangen werden, läge es dann an den jeweiligen Firmen nachzuweisen, dass bei der Herstellung keine erzwungene Arbeit im Spiel war. “Das Ziel ist eine Verhaltensänderung der Unternehmen”, sagt Cavazzini. Das Import-Verbot soll dabei vor allem abschreckend wirken. Etliche Details sind aber noch offen: Wie sollen Firmen Nachweise für Produkte aus schwer zugänglichen Regionen wie der westchinesischen Provinz erbringen? Und erhalten im Gegenzug sauber herstellte Waren, die jedoch aus einer verdächtigen Region kommen, eine Art Dauer-Importschein?
Die Kontrollen vor Ort sind schwer umsetzbar, erklärt EU-Handelskammerchef Jörg Wuttke China.Table. “Das geht momentan großteils nur noch mit internen Spezialisten, und da fehlt es natürlich an Glaubwürdigkeit für die Öffentlichkeit. Einige Firmen hatten es noch bis Anfang 2020 geschafft, externe Berater nach Xinjinang zu bekommen, das ist leider nun vorbei.” Der Lieferketten-Vorstoß aus Europa werde in China als “protektionistisches Element” wahrgenommen, so Wuttke. Dass China seinerseits Konsequenzen ziehen wird, wenn durch die neue Gesetzgebung Handelsnachteile entstehen, schließt Wuttke nicht aus: “China hat eine Reputation, zu reagieren.”
Dass Xinjiang eine besondere Herausforderung für die Lieferkettengesetzgebung werden könnte, ist auch den EU-Parlamentariern bewusst: “Wenn sich ein Land weigert, wird es natürlich schwierig”, sagt der Europaabgeordnete Voss China.Table. Es werde aber erwartet, dass die Unternehmen stärker ihre Lieferketten anschauen, so Voss. Ob es dann Zertifikate oder andere Nachweise für Problemregionen wie Xinjiang geben wird, sei noch offen.
Eine gewisse Transparenz müsse natürlich da sein, betont der Vorsitzende des Handelsausschusses im Europaparlament, Bernd Lange, gegenüber China.Table. Dass sich Unternehmen aus der Region zurückziehen könnten, weil sich die Überprüfung der Lieferketten als zu schwer umsetzbar gestaltet – das sogenannte “Cut & Go” – sieht er nicht als Gefahr. Das Monitoring des EU-Lieferkettengesetzes müsse jedoch genau angesehen werden. Auch neue Technologien wie Blockchain könnten dabei eine Rolle spielen, so Lange.
Immer wieder wird China von Grubenunglücken heimgesucht. Erst im Januar waren in einer Goldmine bei Qixia in der ostchinesischen Provinz Shandong 22 Bergleute in rund 600 Meter Tiefe verschüttet worden. Über 600 Helfer waren im Einsatz, um die Kumpel zu bergen. Ein teurer Großeinsatz, bei dem am Ende der Bürgermeister wie auch der lokale Parteichef ihre Posten verloren.
Chinas Gruben gelten als die gefährlichsten der Welt, was nicht nur an den teils noch immer mangelhaften Sicherheitsstandards liegt, sondern auch an der schieren Größe der chinesischen Minen-Industrie. Im Jahr 2018 – dem letzten Jahr, aus dem Daten des World Mining Congresses verfügbar sind – hat China fast 4,1 Milliarden Tonnen fossile Brennstoffe, Eisen sowie andere Metalle aus der Erde extrahiert – mehr als jedes andere Land der Erde.
Hilfe für Chinas unsichere Minen kommt nun von überraschender Seite: Der Telekommunikationsgigant Huawei, der aufgrund von US-Sanktionen zuletzt Einbußen im Smartphone-Auslandsgeschäft hinnehmen musste, möchte seine 5G-Technologie verstärkt dafür einsetzen, die Minen des Landes sicherer und effizienter zu machen. Kürzlich hat Huawei in der Stadt Taiyuan in der Provinz Shanxi ein “Intelligent Mining Innovation Lab” eröffnet, in dem 53 Netzwerk-Techniker zusammen mit 150 Minenexperten an Forschung und Entwicklung des lokalen Bergbausektors arbeiten.
Allein Shanxi hat über 900 Kohleminen mit einer jährlichen Produktion von 900 Millionen Tonnen. Rund 300 000 Menschen arbeiten dort unter Tage. “Mit 5G werden neue Anwendungen, die auf Künstlicher Intelligenz, dem Internet Of Things und Cloud Computing basieren, noch effizienter und schneller”, erklärt ein Unternehmenssprecher. Es geht etwa um automatisierte Fahrzeuge, selbstreinigende Kameras, Gas-Warnsysteme und GPS-Sensoren für den Unter-Tage-Transport.
Dabei werden zunächst ausgewählte Minen in Shanxi mit 5G-Basisstationen ausgestattet, die gegen Feuchtigkeit, Staub und Explosionen beständig sind. Langfristig sollen sie helfen, die Zahl der Arbeiter, die je Schicht in die Gruben hinabsteigen müssen, um 10 bis 20 Prozent zu verringern. “Wenn es um 5G-Anwendungen geht, haben die meisten Telekommunikationsunternehmen den Bergbau nicht als Einsatzgebiet und Feld für Marktdurchbrüche erkannt”, erklärte Huawei-Gründer Ren Zhengfei bei der Eröffnungsfeier des Mining Innovation Labs in Taiyaun. “Dabei hat China über 5300 Kohleminen und 2700 Eisenerzminen. Wenn wir uns in den 8000 Minen bewiesen haben, können wir unser Angebot auch aufs Ausland ausweiten. Unbemannter Bergbau könnte für Minen in den arktischen Regionen Kanadas und Russlands von großer Bedeutung werden.” Aber auch in vielen Minen ist Zentralasien, Afrika und Mittel- und Südamerika könnte die Technologie die Standards erheblich anheben. An der von China initiierten One-Belt-One-Road Initiative sind inzwischen 60 Nationen beteiligt.
Auch in den anderen Provinzen wird das Projekt mit großer Aufmerksamkeit wahrgenommen. Li Xiyong, Präsident und Parteisekretär der CPC Shandong Energy Group betont, dass “intelligentes Mining die 4. Technologische Revolution der chinesischen Kohleindustrie bedeutet”. Die Firma hat bereits ein eigenes 5G Mining Netzwerk.
Die Provinz Shanxi, wo sich das Lab befindet, ist eine der größten Energieproduzenten Chinas. Hier befinden sich – neben der Inneren Mongolei – die größten Kohlevorkommen des Landes. Doch auch anderswo auf der Welt wird bereits in den datenbasierten Bergbau investiert. Im afrikanischen Mali befindet sich die erste voll automatisierte Untergrundmine der Welt. Die unbemannten Fahrzeuge, die in den Stollen unterwegs sind, werden von einem Computer aus einem Kontrollraum gesteuert. Geliefert hat die Technik unter anderem der schwedische Technologiekonzern Sandvik, der auch innovativen Minen-Lösungen mit 5G arbeitet. Sanvik benutzt hierfür allerdings Technik des finnischen Konzerns Nokia – und nicht von Huawei.
Auch die EU hat für ein Forschungsprojekt zum Thema Bergbau und 5G bereits 2017 über 12 Millionen Euro vergeben. “EU-finanzierte Forschung hat in der Bergbauindustrie eine industrielle Revolution in Gang gebracht, deren Triebkräfte die Automatisierung, vollelektronische Fahrzeuge und die 5G-Konnektivität sind”, heißt es in dem Abschlussbericht der europäischen Kommission. Koordiniert wurde das Projekt von der schwedischen EPIROC ROCK DRILLS AB.
Huawei möchte einen Schritt weiter gehen und testet derzeit zusammen mit dem führenden Pekinger Minenfahrzeughersteller TAGE Idriver automatisierte Radlader in der Bayan-Obo-Mine in der Inneren Mongolei, wo vor allem Seltene Erden abgebaut werden. Die dortigen Tests zeigen, dass unbemannte Fahrzeuge in einer unbemannten, mit Wegsensoren ausgestatteten Mine mit einer höheren Geschwindigkeit von 35 km/h fahren können, Hindernisse vermeiden und punktgenau parken, was die Produktionseffizienz erheblich verbessern würde. Huawei hat bereits auf der Mobilfunkmesse MWC in Shanghai im Jahr 2019 ein Minen-Kontrollzentrum vorgestellt, das Bohr-, Schaufel-, Lade- und Transportarbeiten in einer Mine im tausende Kilometer entfernten Luanchuan steuern konnte.
Die Vorteile einer Digitalisierung des Bergbaus liegen auf der Hand: Eine automatisierte Grube minimiert nicht nur das Unfallrisiko für menschliche Mitarbeiter, sondern könnte 24 Stunden am Tag betrieben werden. Das erhöht die Produktivität und macht den Abbau auch an Orten attraktiv, wo er sich aufgrund von strikten Umwelt- und Sicherheitsauflagen oder hohen Löhnen lange Zeit nicht lohnte.
China arbeitet an einem digitalen Gesundheitszertifikat, welches das Reisen in Pandemie-Zeiten erleichtern soll. Das sagte Außenminister Wang Yi am Rande des Nationalen Volkskongresses in Peking. Das digitale Gesundheitszertifikat soll es beispielsweise Staaten ermöglichen, Corona-Testresultate von Reisenden oder vorgenommene Impfungen zu verifizieren und so “gesunde, sichere und geordnete Reisen über Grenzen hinweg wieder ermöglichen”, sagte Wang. Die Privatsphäre der Reisenden sowie deren persönlichen Daten sollten im chinesischen Zertifikat geschützt bleiben, versprach Wang.
Dem Außenminister zufolge arbeite die chinesische Regierung bei der Entwicklung eng mit internationalen Partnern zusammen; konkrete Namen von Ländern oder Unternehmen nannte er allerdings nicht. Auch zum genauen Entwicklungsstand des Programms machte Wang keine weiteren Angaben.
China ist nicht das einzige Land, das Pläne für ein digitales Gesundheitszertifikat verfolgt. Zuletzt hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die Einführung eines digitalen “Grünen Passes” vorgeschlagen. Er solle die Coronavirus-Testresultate der europäischen Besitzer auflisten. Auch in Südkorea, Singapur und Thailand werden ähnliche Pläne diskutiert.
Wangs Äußerungen schürten bei Reisenden und Geschäftsleuten die Hoffnung, dass China bald seine Grenzen wieder etwas mehr öffnen und so die Einreise von Ausländern erleichtern könnte. Zhu Zhengfu, Mitglied der Politischen Konsultativkonferenz des chinesischen Volkes (CPPCC), hatte sich unlängst für eine Lockerung der strikten Einreisevorschriften ausgesprochen. Zhus Vorschlag: Internationale Reisende könnten von der 14-tägigen Zwangsquarantäne befreit werden, wenn sie einen negativen Corona-Test und ein gültiges Impfzertifikat vorlegen könnten.
Derzeit müssen Reisende bei der Ankunft in China einen negativen Corona-Test vorlegen, der nicht älter als 72 Stunden ist. Anschließend sind eine 14-tägige Quarantäne sowie eine “gesundheitliches Überwachungsphase” Pflicht. Deren Dauer ist von Region zu Region unterschiedlich. rad
Am 25. September 2015 verabschiedeten die weltweiten Staats- und Regierungschefs einstimmig die Agenda 2030 für Nachhaltige Entwicklung – einen umfassenden globalen Plan zum Aufbau einer nachhaltigeren Welt. Aber mehr als fünf Jahre später lässt der Fortschritt bei den 17 Zielen Nachhaltiger Entwicklung (ZNE) der Agenda viel zu wünschen übrig.
Am meisten sind die Länder, die sich um die Erfüllung der ZNE bemühen, durch mangelnde finanzielle Ressourcen eingeschränkt. Bereits vor der Pandemie zeigten viele ärmere Staaten Anzeichen von Schuldenproblemen. Und kämpft man gleichzeitig gegen Gesundheits- und Wirtschaftskrisen, ist die Mobilisierung finanzieller Ressourcen für nachhaltige Entwicklung noch schwieriger.
Natürlich gibt es Wege, Geld zu mobilisieren. Die betroffenen Länder können die Inlandsersparnisse erhöhen, sich um ausländische Investitionen bemühen sowie bei reichen Ländern, internationalen Organisationen und multilateralen Entwicklungsbanken um Entwicklungshilfe bitten. Aber dies ist niemals leicht – besonders nicht in einer Welt, in der illegale Finanzflüsse leichtes Spiel haben.
2015 schätzte Gabriel Zucman, dass sich mindestens 7,6 Billionen Dollar privater Mittel in Steueroasen befinden, was acht Prozent des weltweiten Haushaltsvermögens entspricht. Diese Summe war in den fünf Jahren davor bereits um 25 Prozent gestiegen, was darauf hinweist, dass sie heute noch erheblich höher liegen könnte. So berichtete das National Bureau of Economic Research im Jahr 2017, dass etwa zehn Prozent des weltweiten BIP in Offshore-Steueroasen gehalten wird.
Illegale Finanzabflüsse behindern nicht nur die finanziellen Ressourcen armer Länder, sondern untergraben auch die Bereitschaft der Geberländer, weitere Entwicklungshilfe zu leisten. Gegen solche Geldflüsse haben die Regierungen drei große Verteidigungsmöglichkeiten:
Die erste besteht darin, die Menge des illegalen Geldes zu verringern, indem sie die Korruption bekämpfen. Dabei müssen sich solche Bemühungen nicht nur gegen direktes kriminelles Verhalten – wie Steuervermeidung, Bestechung und Unterschlagung öffentlicher Güter – wenden, sondern auch gegen subtilere Manöver wie der Ausnutzung von Steuerschlupflöchern durch multinationale Konzerne. Dass solche Großunternehmen Steuern vermeiden, untergräbt die Fähigkeit der Länder zur Entwicklungsfinanzierung mindestens genauso stark wie direkte Korruption – wenn nicht sogar noch mehr.
Die zweite Verteidigungslinie besteht in der sorgfältigen Steuerung grenzüberschreitender Kapitalflüsse. Bleibt illegales Geld in seinem Ursprungsland, macht dies die Korruption weniger lukrativ – und damit auch weniger reizvoll. Aber auch hier sind Aktivitäten, die offensichtlich illegal sind, nur ein Teil des Problems. Auch wenn Kapitalflucht legal stattfindet, leert sie die Kassen der Regierungen und kann sogar Finanz- oder Währungskrisen auslösen.
Und schließlich müssen die Regierungen illegale Mittel, die an Kapitalkontrollen vorbeigeschleust wurden, aggressiv verfolgen, einziehen und wieder ins Land holen. Das Problem dabei ist aber, dass die erneute Eingliederung solcher Mittel aufgrund des Misstrauens zwischen den Ländern sehr kompliziert, kostspielig und manchmal umstritten ist. Also konnte bisher nur sehr wenig gestohlenes Geld an seine rechtmäßigen Eigentümer zurückgegeben werden. Und obwohl es in den letzten Jahren einige Initiativen, Programme, Abkommen, Konventionen und Verträge gegen illegale Finanzflüsse gab, haben sie sich als bei weitem nicht ausreichend erwiesen.
Aber es gibt Grund zur Hoffnung, dass sich dies bald ändern wird. Letztes Jahr haben Volkan Bozkir, der Präsident der UN-Generalversammlung, und Munir Akram, der Präsident des UN-Wirtschafts- und Sozialrats, einen hochrangigen Ausschuss zur Internationalen Finanziellen Verantwortlichkeit, Transparenz und Integrität zum Erreichen der Agenda für 2030 ausgerichtet (FACTI, International Financial Accountability, Transparency, and Integrity).
Dieses Gremium hat nun einen umfassenden Bericht veröffentlicht, der 14 evidenzbasierte Empfehlungen zur Stärkung der globalen Finanzarchitektur für die Unterstützung nachhaltiger Entwicklung enthält. Beispielsweise werden darin alle Länder aufgefordert, Gesetze zu schaffen, um so viele legale Mittel wie möglich verfügbar zu machen, mit denen die Täter grenzüberschreitender Finanzvergehen zur Verantwortung gezogen werden können. Zusätzlich sollten die Regierungen robuste und koordinierte Mechanismen einführen, um die finanzielle Integrität zu stärken.
Das FACTI-Gremium setzt sich außerdem für eine viel stärkere internationale Zusammenarbeit ein, die auch in der Einführung globaler Steuernormen und Transparenzstandards durch ein “offenes und inklusives” rechtliches Instrument bestehen könnte. Und weiterhin empfehlen die Experten, einen unparteiischen Mechanismus zu schaffen, um internationale Steuerstreitigkeiten beizulegen – ebenso wie einen inklusiven globalen Koordinierungsmechanismus beim UN-Wirtschafts- und Sozialrat, um auf systematischer Ebene die finanzielle Integrität zu fördern.
Die Umsetzung der FACTI-Empfehlungen wird nicht leicht sein. Aber die Bemühungen der UN, Lösungen zu finden, sind zweifellos ein Schritt in die richtige Richtung. Bekommen wir nun die internationale Gemeinschaft mit an Bord, haben wir immer noch eine Chance, die nötigen Ressourcen zum Erreichen der ZNE zu sichern.
Yu Yongding, ehemaliger Vorsitzender der Chinesischen Gesellschaft für Weltwirtschaft und Direktor des Instituts für Weltwirtschaft und Politik bei der chinesischen Akademie für Sozialwissenschaften, war von 2004 bis 2006 beim Ausschuss für Geldpolitik der Chinesischen Volksbank tätig. Aus dem Englischen von Harald Eckhoff
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Ende der Urlaubszeit für Millionen Chinesen. Vom 28. Januar bis zum 8. März dauerte in diesem Jahr die Urlaubs- und Reisesaison zum chinesischen Neujahrsfest. Rund 870 Millionen Reisen habe es in diesem Pandemie-Jahr gegeben, schätzen Offizielle. Das wären rund 41 Prozent der Reisen vom vergangenen Jahr und 70 Prozent weniger als vor der Pandemie. Auf dem Bild ist der letzte Reisetag am Bahnhof von Nanjing im Osten Chinas, zu sehen.