Sendeschluss für Chinas Staatssender CGTN auch in Deutschland: Die Landesmedienanstalten, schreibt Marcel Grzanna, haben eine Lizenz-Prüfung eingeleitet, Vodafone hat den Sender vorsorglich schon vom Draht genommen. Nach dem Aus in Großbritannien droht CGTN, schlimmstenfalls in der gesamten EU nicht mehr senden zu können.
Ganze zwei Stunden haben die beiden mächtigsten Männer der Welt telefoniert. Das ist lang! Christiane Kühl analysiert die Briefings, die Peking und Washington nach dem Call veröffentlichten. Biden lässt keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Gesprächs: “They’re going to, if we don’t get moving, they are going to eat our lunch”.
Neun-Neun-Sechs ist in China das Synonym für Ausbeutung – und zwar gnadenlose. Kein Geringerer als Alibaba-Gründer Jack Ma lobte das Arbeitszeitmodell einst als “Segen” im Kampf gegen “Faulenzer”. Von Neun Uhr morgens bis Neun Uhr abends an sechs Tagen in der Woche. Nun sind solch kapitalistische Auswüchse keineswegs Privilegien des kommunistischen China (Was allein ein Antagonismus ist). Auch im demokratischen Westen kennt man die Kultur der permanenten Überlastung, die nicht selten Hand in Hand mit einer Kultur der Selbstausbeutung geht. Jörn Petring und Gregor Koppenburg sind der gesellschaftlichen Debatte um Arbeitszeiten in einem Land auf der Spur, in dem das Gesetz den Acht-Stunden-Tag vorschreibt.
Wie schafft man es, zu den 25 mächtigsten Kommunisten unter Xi Jinping und zu dessen Propagandachef zu werden? Jonas Borchers zeichnet die Karriere von Huang Kunming nach. Newsletter-Kollege Gabor Steingart würde Ihnen Borchers Portrait mit dem “Prädikat: lesenswert!” empfehlen und ich schließe mich dem gern an. Gabors Crew, mit dem Pioneer-Redaktionsschiff aktuell im Berliner Eis festgefroren, wünscht das Table.Team: Baldiges Tauwetter und allseits eine Hand breit Wasser unter dem Kiel.
Der internationale chinesische Fernsehsender Chinese Global Television Network (CGTN) könnte nach seinem Lizenzentzug in Großbritannien auch von deutschen TV-Bildschirmen verschwinden. Die Landesmedienanstalten haben die deutschen Netzbetreiber nach Informationen von China.Table dazu aufgefordert, ihre vertraglichen Beziehungen zu CGTN zu überprüfen. Der Sender muss jetzt gegenüber seinen Vertragspartnern nachweisen, dass er nach der britischen Entscheidung weiterhin über eine gültige Sendelizenz für die Europäische Union (EU) verfügt, um in Deutschland empfangbar zu bleiben. Geschieht das nicht, droht dem englischsprachigen Programm hierzulande das Fernseh-Aus.
CGTN wird unter anderem über den Kabelnetzbetreiber Vodafone ins deutsche Netz eingespeist. Auch der Satelliten-Anbieter Eutelsat führt CGTN in seiner Senderliste. Vodafone hat das Programm aktuell allerdings ausgesetzt und verweist per Standbild auf “technische Störungen”. “Zurzeit befinden wir uns aufgrund des Lizenzentzugs im Austausch mit den Landesmedienanstalten und dem Sender, um die rechtliche Situation zu klären. Wir haben uns deshalb dazu entschlossen, die Ausstrahlung der Programminhalte vorerst zu pausieren und hoffen, dass wir die Übertragung bald wieder fortsetzen können“, teilt Vodafone mit.
Dem Vernehmen nach argumentiert CGTN, dass der Lizenzentzug durch die britische Medienaufsicht Ofcom lediglich für den britischen Markt gelte und die Sendeerlaubnis in den Ländern der EU davon nicht berührt sei. Grundsätzlich gilt, dass ein Sender aus Drittstaaten eine Lizenz nur aus einem einzigen EU-Land benötigt, die dann für alle Mitgliedsstaaten Geltung hat. Das internationale Fernsehabkommen stellt sicher, dass eine Lizenz in Großbritannien auch nach dem Brexit für den EU-Markt vorläufig Bestand hat.
In einer Stellungnahme aus der vergangenen Woche betonte CGTN, dass man sich an “Gesetze und Regulierungen jedes Landes” halten würde. Der Sender macht “extrem rechte Organisationen und anti-chinesische Kräfte” für die Einleitung einer Untersuchung durch die Ofcom verantwortlich, die schließlich zum Lizenzentzug geführt hatte. Wer diese Organisationen sein sollen, blieb offen. Eine Anfrage, ob sich CGTN anderswo in der EU um eine Lizenz bemüht, ließ der Sender unbeantwortet. Die Landesmedienanstalten bestätigen, dass CGTN zumindest in Deutschland bislang keine Lizenz beantragt hat. “Wenn der Netzwerkbetreiber das Programm von CGTN weiter verbreiten möchte, muss er aus einem anderen europäischen Land eine Lizenz nachweisen. Wenn keine Lizenz mehr vorliegt, dann entfällt auch der Grund einer Kabeleinspeisung”, sagte eine Sprecherin der Landesmedienanstalten.
Die Ofcom hatte ihre Entscheidung mit mangelnder Staatsferne von CGTN begründet. Der Sender, der früher CCTV9 hieß, ist Teil des staatlichen chinesischen Fernsehens, das von der regierenden Kommunistischen Partei kontrolliert und als Sprachrohr für ihre Propaganda bezeichnet wird. Er sendet in mehreren Sprachen in alle Welt. Seine Lizenz hatte CGTN allerdings nicht selbst gehalten, sondern an die Star China Media Limited (SCML) übertragen. Die SCML nahm aber keinen Einfluss auf die redaktionellen Inhalte des Senders, wie die Ofcom-Untersuchung ergab, sondern überließ die Programmgestaltung der CCTV-Zentrale. Das lieferte den Aufsehern ausreichend Grund für ihre Entscheidung. Auch in Deutschland gilt der Grundsatz der Staatsferne, der im Lizenzvergabe-Verfahren über die Beteiligungsverhältnisse geprüft wird. Wegen des harmonisierten europäische Rechts müssen die Sender nur ein entsprechendes Verfahren in der EU durchlaufen. Wer in Spanien oder Ungarn eine Lizenz erhält, darf damit auch in Deutschland senden.
Um den Entzug noch abzuwenden, hatte CGTN beantragt, die Lizenz von der SCML auf eine Gesellschaft namens China Global Television Network Corporation (CGTNC) zu übertragen. Die Ofcom lehnte den Antrag ab, weil “entscheidende Informationen” darin gefehlt hätten. Man hätte dem Sender ausreichend Zeit gegeben, die nötigen Informationen zu übermitteln. Darüber hinaus sei die Ofcom der Ansicht, dass auch die CGTNC nicht als Lizenzhalter infrage komme, weil diese “von einer Stelle kontrolliert wird, die letztendlich von der Kommunistischen Partei Chinas kontrolliert wird.” Der Sender widersprach der Darstellung der Ofcom. Stattdessen habe man proaktiv und kooperativ “detaillierte Erklärungen” zur Verfügung gestellt.
Am Donnerstagnachmittag verkündeten dann chinesische Staatsmedien, dass der britische Sender BBC World News ab sofort nicht mehr in China ausstrahlen darf. Als Grund wurde dessen Berichterstattung über vermeintlich systematische Vergewaltigungen in Umerziehungslagern für Uiguren in der autonomen chinesischen Region Xinjiang genannt. “Die BBC führt einen öffentlichen Meinungskreuzzug gegen China. Sie ist zu einem Propaganda-Instrument für sezessionistische und separatistische Kräfte geworden, die Chinas nationale Sicherheit mit falschen Berichten bedroht”, kommentiert die Global Times. Beobachter werten die Verbannung als Vergeltung für die Ofcom-Entscheidung.
Neben dem Verdacht der mangelnden Staatsferne geht die Ofcom auch wegen anderer Lizenzverletzungen gegen CGTN vor. “Wir gehen davon aus, dass wir in Kürze ein separates Sanktionsverfahren gegen CGTN wegen angemessener Unparteilichkeit, Fairness und Datenschutzverletzungen abschließen werden”, heißt es. Unter anderem hat die Behörde die Berichterstattung des Senders über die pro-demokratischen Proteste in Hongkong ins Visier genommen und dabei mangelnde Objektivität festgestellt. Außerdem hatte der britische Staatsbürger Peter Humphrey Beschwerde gegen den Sender eingelegt. Er war nach eigenen Aussagen in China zu einem öffentlichen Geständnis vor TV-Kameras gezwungen worden, um eine Haftstrafe gegen ihn wegen der Beschaffung “illegaler Daten von chinesischen Staatsbürgern” zu rechtfertigen. Die Bilder wurden über CGTN auch in Großbritannien übertragen und verletzten damit die Privatsphäre des Unternehmers. Humphrey wurde zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Inzwischen lebt er wieder in England. Beschwerden gegen CGTN aus Deutschland liegen bislang nicht vor, heißt es seitens der Landesmedienanstalten.
Sollte CGTN die nötigen Voraussetzungen für einen Sendebetrieb in Deutschland nicht erfüllen, wäre der Sender immer noch über seinen Livestream im Internet zu erreichen. Der neue Medienstaatsvertrag aus dem November vergangenen Jahres überträgt den Landesmedienanstalten darin neuerdings auch die Aufsicht über Streaming-Angebote aus dem Netz. Allerdings sind grenzüberschreitende Eingriffe wegen beispielsweise Verstößen gegen die journalistische Sorgfaltspflicht extrem schwierig. Die Landesmedienanstalten können nur gegen Anbieter vorgehen, die in Deutschland niedergelassen sind. Darüber hinaus gibt es Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit anderen Regulierungsbehörden, um grenzüberschreitend tätig zu werden.
15.02.2021, 18:00-19:30 Uhr
Vortrag, SOAS London To Rise or to Lead? The Challenge of Chinese Universities in the 21st Century Anmeldung
16.02.2021, 15:00-17.30 Uhr
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16.02.2021, 12:30-1:30 PM (EST)
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16.02.2021, 20:00-22:00 Uhr
Online-Seminar, CSIS Confronting Chinese State Capitalism Mehr
17.02.2021, 12:30-1:45 PM (EST)
Vortrag, Harvard Fairbank Center for Chinese Studies Critical issues confronting China Series featuring Sebastian Heilmann – Why systemic competition with China is good for western democracies Mehr
17.02.2021, 17:00-18:30 Uhr
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17.02.2021, 19:00-21:00 Uhr
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19.02.2021, 15:00 Uhr
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Nun haben sie also doch noch vor dem chinesischen Neujahrsfest telefoniert: Der neue US-Präsident Joe Biden und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping. Zwar kennen wir bei weitem nicht jedes Wort, das dabei gesprochen wurde. Aber beide Präsidenten haben jeweils ihre eigenen Aussagen bekannt gemacht. Demnach fällt vor allem eins auf: Der Ton ist wieder zivil.
Beide Länder präsentierten unterschiedliche Transkripte mit den Aussagen ihrer jeweiligen Präsidenten. Joe Biden rammte laut der kurzen Zusammenfassung auf der Website des Weißen Hauses vor allem wichtige Pflöcke der US-Politik ein. Biden habe seine Prioritäten bekräftigt, hieß es: “Die Sicherheit, den Wohlstand, die Gesundheit und die Lebensweise des amerikanischen Volkes zu schützen und einen freien und offenen Indo-Pazifik zu bewahren.” Zudem äußerte Biden Sorge über Pekings “unfaire wirtschaftliche Praktiken, das Vorgehen in Hongkong, Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang und zunehmend selbstbewusstes Verhalten in der Region, einschließlich gegenüber Taiwan.”
Die chinesischen Staatsmedien stellten dem die Aussagen Xi Jinpings gegenüber. “Zusammenarbeit sei die einzig richtige Wahl für China und die USA“, sagte Xi demnach. Eine Konfrontation zwischen ihnen würde beide Länder in die Katastrophe führen. Xi warb zudem dafür, “die verschiedenen Dialogformate wieder aufzunehmen, um die politischen Absichten des anderen genau zu verstehen, und Missverständnisse und Fehlkalkulationen zu vermeiden.” Die Außenministerien beider Länder sollten die “Kommunikation zu einem breiten Spektrum von Fragen in den bilateralen Beziehungen sowie zu wichtigen regionalen und internationalen Angelegenheiten vertiefen”. Weitere Kontakte könnten auch zwischen Wirtschafts-, Finanz- und Strafverfolgungsbehörden sowie den Militärs beider Länder hergestellt werden. Viele dieser Dialoge gab es bereits, aber während der Trump-Präsidentschaft wurden sie nicht gepflegt.
Es ist davon auszugehen, dass beide Seiten jene Aussagen hervorheben, die sie gern öffentlich machen möchten – vor heimischem und internationalem Publikum. Und so wirkt es, als wolle Biden sich entschlossen präsentieren, während Xi vor allem kooperativ klingen möchte. Die von manchen als drohend aufgefasste Warnung vor der “Katastrophe” würde laut der Xi-Mitschrift ja im Konfliktfall beide betreffen.
Biden hatte seinen Ton bereits vergangene Woche in seiner ersten außenpolitischen Grundsatzrede vor dem Außenministerium gesetzt. Dort bezeichnete er China als “ernsthaftesten Konkurrenten” der USA – aber nicht als Gegner oder Rivalen. Doch zugleich machte Biden klar, dass es mit ihm Zusammenarbeit nicht um jeden Preis gibt: “Wir sind bereit, mit Peking zusammenzuarbeiten – wenn dies in Amerikas Interesse ist.” Diesen Punkt bekräftigte Biden nach dem Telefonat erneut auf Twitter. Das US-Nachrichtenportal Politico bezeichnete dies als eine Art “America First 2.0”, minus dem Trumpschen Schreddern von Allianzen.
Doch auch der vermeintlich harmlose Klang aus Peking verdeckt, dass China natürlich ebenfalls Interessenpolitik betreibt und in der Sache hart bleibt. Beide Seiten halten feste Positionen, die bereits vor dem Telefonat klar waren: Die USA sehen China als Konkurrenten um Werte und die wirtschaftliche und politische Vormacht in der Welt. China wiederum ist mit zunehmendem Entwicklungsstand auch zunehmend selbstbewusst: Peking will mit dem Westen zusammenarbeiten – aber dabei möglichst viele Regeln selbst bestimmen. Einmischungen in das, was Peking stets “innere Angelegenheiten” nennt, bleiben – wenig überraschend – für China weiter tabu.
Diese Konfliktlinien wurden in den Transkripten aus dem Vorbereitungs-Telefonat zwischen den Außenministern Antony Blinken und Yang Jiechi sehr deutlich. Beide waren in der Vergangenheit ohnehin nicht mit konzilianten Äußerungen aufgefallen und schienen vor allem erstmal die Fronten klären zu wollen. Die USA müssten China “aus einer Position der Stärke” gegenübertreten, sagte Blinken kürzlich auf CNN. Es ist unwahrscheinlich, dass China nicht dasselbe für sich beansprucht.
Welche Felder für eine mögliche Kooperation taugen, liegt trotz allem im Prinzip auf der Hand. Das Weiße Haus zählte die Punkte im Transkript auf: Xi und Biden tauschten sich demnach über die Bekämpfung der Covid-19-Pandemie aus sowie über “gemeinsame Herausforderungen” wie die Sicherung der globalen Gesundheit, den Klimawandel und das Verhindern weltweiter Aufrüstung.
“Ich habe ihm immer schon gesagt: Wir müssen keinen Konflikt miteinander haben, aber es wird einen extremen Wettbewerb geben”, sagte Biden in einem Interview mit dem Fernsehsender CBS in Bezug auf Xi, den er aus der Zeit kennt, als beide Vizepräsidenten waren. “Ich werde es nicht auf die Weise machen wie Trump, und wir werden uns an die internationalen Verkehrsregeln halten.” Biden will sich unter anderem mit den Verbündeten in Europa über die künftige China-Politik abstimmen. Auch in der EU läuft eine Debatte über den richtigen China-Kurs. Die Formel “extremer Wettbewerb” könnte für das Verhältnis zwischen China und dem Westen durchaus prägend werden. Es bleibt spannend im Jahr des Büffels.
Der Online-Handel in China wurde lange Zeit von zwei Unternehmen dominiert. Branchenprimus Alibaba und Hauptkonkurrent JD.com zogen über Jahre mit Abstand die meisten Online-Shopper auf ihre Plattformen. Doch den Platz an der Sonne müssen sie sich nun mit einem neuen Angreifer im Markt teilen. Die 2015 in Shanghai gegründete E-Commerce-Plattform Pinduoduo legt bei seiner Aufholjagd ein erstaunliches Tempo an den Tag.
Laut dem letzten Quartalsbericht, den das Unternehmen im November des vergangenen Jahres veröffentlichte, verfügt Pinduoduo bereits über 664 Millionen aktive Nutzer und ist damit an JD.com vorbeigezogen, das bis Ende des Jahres auf etwa 442 Millionen aktive Einkäufer kam. Alibaba erreicht rund 900 Millionen Kunden.
Auch an der Börse wird deutlich, dass mit Pinduoduo ein neuer Gigant in Chinas E-Commerce-Sektor herangewachsen ist. Seit dem Börsengang 2018 in New York kletterten die Aktien des Unternehmens um knapp 900 Prozent. Die Marktkapitalisierung von 232 Milliarden Dollar liegt ebenfalls höher als die von JD.com, das zuletzt mit etwa 150 Milliarden Dollar bewertet wurde. Alibaba hat derzeit einen Marktwert von rund 720 Milliarden Dollar.
Das Geschäftsmodell von Pinduoduo scheint Kunden zu überzeugen: Im Mittelpunkt des Handels auf der Plattform steht das so genannte “team purchase”-Modell, bei dem sich Konsumenten zu Gruppen zusammenschließen, die gemeinsam eine große Menge eines Produktes beim Händler abnehmen und so mit hohen Rabatten rechnen können. Pinduoduo erhält eine Vermittlungsgebühr. Der mit Abstand wichtigste Umsatzbringer ist aber Werbung, mit denen Händler bei Pinduoduo auf ihre Angebote aufmerksam machen können.
Vor einigen Wochen erhielt der rasante Aufstieg von Pinduoduo jedoch einen kräftigen Dämpfer. Gleich zwei Todesfälle in der Firma lösten eine öffentliche Empörungswelle aus.
Zunächst berichteten chinesische Staatsmedien Ende Dezember über eine junge Mitarbeiterin von Pinduoduo, die an Überarbeitung gestorben sei. Den Berichten zufolge arbeitete die Angestellte bei einer Lebensmitteleinkaufsplattform für Pinduoduo in der nordwestchinesischen Region Xinjiang. Sie war auf dem Heimweg zusammengebrochen, nachdem sie bis Ein Uhr nachts gearbeitet hatte. Stunden später starb sie im Krankenhaus. Keine zwei Wochen später musste Pinduoduo den nächsten Todesfall eingestehen. Ein Mitarbeiter stürzte sich demnach von einem Hochhaus.
Inmitten dieser Schock-Nachrichten ging dann auch noch das Video eines Pinduoduo-Mitarbeiters viral, der das Unternehmen beschuldigte, ihn entlassen zu haben, weil er ein Foto eines Kollegen gepostet habe, der wegen Überarbeitung von einem Krankenwagen abgeholt wurde.
“Ich denke nicht, dass die Welt so funktionieren sollte”, sagte der Mann, der das Video auf Weibo unter seinem Spitznamen Wang Taixu veröffentlicht hatte. Pinduoduo zwinge die klügsten Köpfe des Landes zu langen Arbeitszeiten, während es an der Börse auf Rekordniveau gehandelt werde. Das Video wurde auf Weibo millionenfach geteilt.
Auch andere Mitarbeiter meldeten sich zu Wort. Sie gaben an, dass 12-Stunden-Arbeitstage bei Pinduoduo Normalität seien. Auch sei es üblich, 13 Tage am Stück zu arbeiten und danach nur einen freien Tag zu haben. In einigen Fällen sei gefordert worden, im Monat auf eine Arbeitszeit von 300 Stunden zu erreichen.
Der Fall Pinduoduo löste in China einmal mehr hitzige Diskussionen über die langen Arbeitszeiten in der rasant wachsenden Tech-Industrie des Landes aus. Für viele junge Chinesen ist es zwar ein Traum, einen Job bei einer der großen Tech-Firmen zu finden, weil überdurchschnittlich hohe Gehälter winken. Allerdings verlangen die Unternehmen ihren Angestellten auch enorme Leistungen ab.
Im Mittelpunkt der seit Jahren immer wieder aufkommenden Debatte steht die “996” genannte Arbeitszeitkultur: Von neun Uhr morgens bis neun Uhr abends sechs Tage die Woche arbeiten, meist ohne zusätzlich für Überstunden bezahlt zu werden. Der Gründer von Alibaba, Jack Ma, goss vor zwei Jahren noch Öl ins Feuer, als er “996” einen “großen Segen” nannte. “Wer bei Alibaba anfängt, sollte bereit sein, zwölf Stunden am Tag zu arbeiten”, forderte der Milliardär vollen Einsatz. “Wir brauchen diejenigen nicht, die bequem acht Stunden arbeiten”. Sein Kollege Richard Liu vom Online-Händler JD.com blies ins gleiche Horn und kritisierte die “Faulenzer”.
Dabei gilt in China eigentlich ein klares Arbeitsgesetz. Pro Tag sind demnach acht Stunden Arbeit vorgesehen. Überstunden dürfen nicht mehr als drei Stunden pro Tag überschreiten und müssen zusätzlich mit dem doppelten Gehalt kompensiert werden. Angestellte, die an einem gesetzlichen Feiertag arbeiten müssen, sollen theoretisch sogar das dreifache Gehalt erhalten. Auch Arbeit am Wochenende muss laut Gesetz höher vergütet werden. Doch oft schrecken Angestellte davor zurück, ihre Rechte durchzusetzen. Zu groß ist die Angst, sich Aufstiegschancen zu verbauen oder keine üppige Bonus-Zahlung zu erhalten.
Allerdings zeichnet sich schon länger ab, dass die Regierung dem Treiben in der Tech-Branche einhalten gebieten will. Kritische Video-Beiträge wie die des Pinduoduo-Mitarbeiters Wang werden nicht wie bei anderen Themen üblich einfach zensiert. Stattdessen haben auch Staatsmedien die Geschehnisse bei Pinduoduo detailliert aufgegriffen und kritisch kommentiert.
Die Tragödie habe die Aufmerksamkeit einmal mehr auf “eine abnormale Kultur der Überstunden” gelenkt, schrieb so die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua als Reaktion auf die zwei Todesfälle. Zwar sollten Tech-Arbeiter die Möglichkeit haben, ihren Träumen nachjagen können. Ihre Gesundheit dürfe dabei aber nicht aufs Spiel Gesetz werden. Auch leiteten die Behörden wegen der Todesfälle Ermittlungen gegen Pinduoduo ein. Gregor Koppenburg/Jörn Petring
Das chinesische Ministerium für Industrie und Informationstechnologie (MIIT) hat kürzlich bekanntgegeben, die heimische Industrie für Seltene Erden noch strenger zu regulieren. Die geplanten Regeln sehen eindeutigere Zuständigkeiten für die Genehmigung des Abbaus und der Aufbereitung von Seltenen Erden vor. Zudem sollen die Ein- und Ausfuhren noch stärker von den chinesischen Behörden überwacht und Regelverstöße strenger bestraft werden. Nach Angaben des US Geological Survey lieferte China 2019 fast 98 Prozent des EU- und 80 Prozent des US-Bedarfs an Seltenen Erden.
Die genauen Auswirkungen dieser neuen Politik auf Europa lassen sich noch nicht abschätzen. Sehr wahrscheinlich wird dadurch ein Trend verstärkt, den man schon einige Jahre beobachten kann: Chinas Exporte von Seltenen Erden sind allein im vergangenen Jahr um 25,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Das ist das niedrigste Exportvolumen seit 2015.
Chinesische Firmen dürfen nach der neuen Regelung ihre Seltenen Erden nicht mehr einfach zum höchsten Preis auf dem Weltmarkt verkaufen, wenn dies nationalen Interessen entgegensteht: “Es besteht keine Frage, dass China seine Exporte stärker regulieren wird”, sagt Pini Althaus, CEO von USA Rare Earth, “für die EU, USA, Japan und andere wird es sehr viel schwieriger sein, das zu kaufen, was sie brauchen.”
China ist heute nicht nur der größte Abnehmer von Seltenen Erden wie Neodym, Yttrium und Praseodym, sondern auch der größte Produzent. Die Volksrepublik kontrolliert nach amerikanischen Schätzungen inzwischen rund 70 Prozent der Produktion. Ob in der Rüstungsindustrie, bei Windkraftanlagen, in Smartphones, Glasfaserkabeln oder bei der E-Autoindustrie: Seltene Erden sind für viele Schlüsselindustrien des 21. Jahrhunderts essentiell. Weltweit wurden 2019 210.000 Tonnen gefördert. Vor zehn Jahren waren es nur 124.000 Tonnen. Allein die schnell wachsende Nachfrage nach Elektroautos dürfte den Bedarf laut Experten bis 2030 um 24 Prozent steigen lassen.
Schon seit Jahren stockt das chinesische State Reserves Bureau (SRB) in Zeiten niedriger Preise die Vorräte auf. Das war so während der Finanzkrise 2008/09 oder während der Metallpreiskrisen 2012-2013 und 2015-16. Auch während der Pandemie hat die Behörde nachgekauft.
Die deutsche Industrie ist sehr besorgt über diese Entwicklung. “Die Unsicherheit herrscht darüber, ob China Seltene Erden als Druckmittel gegenüber Unternehmen auch aus Europa einsetzen will”, sagt Matthias Wachter, Rohstoffexperte beim Industrieverband BDI kürzlich. “Europa muss seine Abhängigkeit von China durch Allianzen und Handelsabkommen und intelligente Recyclingstrategien entscheidend verringern“, fordert auch der ehemalige EU-Kommissar Günter Oettinger. Seine Warnung ist wichtig, kommt aber Brancheneinschätzungen zufolge 20 Jahre zu spät. Die EU, deren Kommission Oettinger von 2010 bis 2019 angehört hat, hat das Thema zu lange unterschätzt. Oettinger sieht in dem Vorgehen Chinas “Hegemoniestreben” in dem “Konkurrenten gnadenlos vom Markt verdrängt” werden. Hingegen hat das Center for European Policy Studies, einer der führenden Thinktanks weltweit, die Politik Chinas, mehr für die Vorkommen zu bezahlen als die westlichen Wettbewerber, schon vor über zehn Jahren als “strategische Weitsicht” bezeichnet. Eines sollte man dabei allerdings nicht vergessen: Die niedrigeren Umweltstandards der chinesischen Förderer von Seltenen Erden waren ein großer Vorteil bei vielen dieser Geschäfte.
Die Abhängigkeit des Westens von China in dieser Frage bedeutet nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Macht. Bereits vor zehn Jahren hat die chinesische Regierung den Export Seltener Erden als politisches Druckmittel gegenüber Japan eingesetzt. Damals unterbrach Peking fast einen Monat lang die Lieferketten nach Japan, woraufhin die Preise auf den Rohstoffmärkten explodierten. Im vergangenen Sommer drohte China damit, den US-Militär-Dienstleister Lockheed Martin von der Versorgung mit Seltenen Erden abzuschneiden, da Lockheed Taiwan mit Militärtechnik beliefert hatte. Es blieb bei einer Drohung.
Um sich aus der Abhängigkeit Seltener Erden zu befreien haben EU-Vizepräsident Maroš Šefčovič und der für den Binnenmarkt zuständige EU-Kommissar Thierry Breton im September vergangenen Jahres die Europäische Rohstoffallianz ins Leben gerufen. Die Frage ist nun, wie man eine “strategische Autonomie” (Breton) von China erreichen kann. Die Vorkommen in Serbien oder der Ukraine sind zu klein. Bliebe Australien, als viertgrößter Hersteller der Welt, nach China (132.000 metrische Tonnen Jahresproduktion 2019) den USA (26.000) und Myanmar (22.000). Sydney liegt im Streit mit Peking und will seine Abhängigkeit von China verringern. Allerdings ist die Menge an Jahresproduktion und der Vorkommen beschränkt. Australien produziert 21.000 Tonnen und verfügt über schätzungsweise 3,3 Millionen Tonnen Vorkommen, die noch abgebaut werden können. In China sind es hingegen noch über 44 Millionen Tonnen.
Bitter für Brüssel: Der Wettbewerb um die Seltenen Erden Australiens ist schon sehr hoch. Die Amerikaner haben bereits eine große Partnerschaft vereinbart. Die Südkoreaner und die Japaner ebenfalls. Derzeit sieht es also nicht so aus, als ob sich die Demokratien oder zumindest der Westen in dieser Frage zusammenschließen würden.
Wie labil der Markt ist, zeigte sich in den vergangenen Tagen. Der Militärcoup in Myanmar (Burma) hat die Aktienkurse der chinesischen Rare Earth Firmen nach oben schießen lassen. Die Preise von Shenghe Resources Holding, Minmetals und Northern Rare Earth stiegen zwischen fünf und zehn Prozent. Die Kalkulation der Investoren ist einfach: Wenn der Abbau von Seltenen Erden unterbrochen wird, werden die Rohstoffe knapp und die chinesischen Unternehmen können höhere Preise verlangen.
Das staatliche Energieunternehmen State Grid Corporation (SGCC) aus China hat bei der Europäischen Kommission eine Beschwerde eingereicht, nachdem es wegen Interessenkonflikten von einer Ausschreibung für eine Beteiligung an Griechenlands Energieversorger Public Power Corporation (PPC) ausgeschlossen wurde, wie eine Kommissionssprecherin China.Table bestätigte. SGCC war verboten worden, sich für den Kauf eines Anteils von 49 Prozent an dem Stromverteilungsunternehmen DEDDIE/HEDNO, das von PPC kontrolliert wird, zu bewerben. Grundlage für den Ausschluss war ein potenzieller Interessenkonflikt, da SGCC bereits 24 Prozent am griechischen Stromnetzbetreiber IPTO hält.
In dem Schreiben an die EU–Kommission erkläre SGCC, dass der Ausschluss von der Ausschreibung gegen EU-Recht verstoße, berichtet die griechische Branchen-Publikation Energypress. Laut dem Bericht sind jedoch gemäß der Verkaufsbedingungen von DEDDIE/HEDNO Unternehmen mit direkter oder indirekter Kontrolle bei IPTO aufgrund von Interessenkonflikten schon vorab von der Ausschreibung ausgeschlossen gewesen. Der Schritt SGCCs zeige das starke Interesse des chinesischen Energieunternehmens, eine Beteiligung am griechischen Stromversorger zu erwerben, schlussfolgert Energypress. Das Hauptinteresse SGCCs an der Beteiligung könnte dabei auf der Installation von landesweit rund 7,5 Millionen digitalen Stromzählern liegen, wie das Portal Branchenkenner zitiert. Die erste Runde der Ausschreibung ist demnach noch bis 19. Februar offen.
Brüssel-Beobachter merkten an, dass die Beschwerde auch im Kontext des EU-China-Investitionsabkommens CAI interessant werden könnte. Die Bereiche Stromerzeugung und Netzwerke sollen nach bisherigem öffentlichen Stand nicht zu den vollständig offenen EU-Sektoren gehören, wie François Godement, China-Experte des Institut Montaigne, auf Twitter erklärte. Stromverteilung und -einzelhandel könnten aber Teil des Abkommens werden. Die chinesische Beschwerde sei nun vielleicht ein Vorgeschmack auf einen “juristischen Feldzug”, den China in der EU auslösen könnte. Die Details des CAI sind bisher nicht öffentlich. Mit einer Veröffentlichung der Anhänge des Abkommens wird bis Ende Februar gerechnet. ari
Ich weiß nicht, ob US-Präsident Joe Biden, der chinesische Präsident Xi Jinping und ihre außenpolitischen Berater Robert Axelrods Klassiker über internationale Beziehungen, Die Evolution der Kooperation, gelesen haben. Aber sie sollten Axelrods wesentliche Erkenntnis darüber beherzigen, wie Länder von Kooperation profitieren und Betrügerei bestrafen können.
Durch zahllose Simulationen fand Axelrod – nunmehr emeritierter Professor der University of Michigan – heraus, dass die vorteilhafteste langfristige Strategie für einen Akteur wie einen Nationalstaat darin besteht, zunächst zu kooperieren und dann “Tit for Tat” zu spielen. Mit anderen Worten: Ein Land profitiert langfristig, wenn es eine Geste des guten Willens anbietet und dann auf die darauffolgenden Schritte des Gegners in jeweils gleicher Weise antwortet.
Diese Erkenntnis lässt sich besonders gut auf die gegenwärtige Pattsituation zwischen den USA und China anwenden. Sowohl Biden als auch Xi Jinping wissen zwar, dass zwischen ihren Ländern geopolitische Rivalität mit offenem Ausgang herrscht, wollen diese aber auch nicht entgleisen lassen, um potenzielle Katastrophen wie ein ausuferndes Wettrüsten oder einen direkten militärischen Konflikt zu verhindern.
Zugegeben, kurzfristig haben beide Regierungschefs weitaus dringendere Prioritäten als die Deeskalation bilateraler Spannungen. Joe Biden muss den Schaden reparieren, den die Präsidentschaft von Donald Trump in der amerikanischen Demokratie und Gesellschaft angerichtet hat, während Xi plant, die chinesische Wirtschaft neu auszurichten, um sie weniger anfällig für eine “Abkopplung” von den USA zu machen.
Doch Biden und Xi scheinen vor dem gleichen Dilemma zu stehen: Ob sie als erster ein Friedensangebot unterbreiten sollen, um die bilateralen Beziehungen kurzfristig zu stabilisieren und einen dauerhaften strategischen Vorteil in der bilateralen Rivalität zu erlangen.
In der Frage Trumps Maßnahmen gegenüber China rückgängig zu machen, wie etwa Zölle und Sanktionen gegen chinesische Technologiefirmen, sieht sich Biden in Washington mit starkem parteiübergreifenden Widerstand konfrontiert. Und obwohl Xi eher darauf erpicht sein mag, den freien Fall der chinesisch-amerikanischen Beziehungen zu beenden, hat er bisher gezögert, substanzielle Schritte zu unternehmen, um guten Willen zu demonstrieren. Stattdessen hat China in diesem Jahr sein hartes Durchgreifen in Hongkong verschärft, und das chinesische Militär setzt seine Kampagne der Einschüchterung und Schikanen gegen Taiwan fort.
Wenn weder Biden noch Xi politisches Kapital riskieren wollen, um den ersten Schritt zu machen, wird sich das Verhältnis zwischen den USA und China höchstwahrscheinlich weiter verschlechtern. Was die nationale Sicherheit betrifft, so bereiten sich die Militärs beider Länder auf eine Konfrontation vor, wodurch eine gefährliche Dynamik der wechselseitigen Abschreckung entsteht.
Auf diplomatischer Ebene wird Biden bald versuchen, Amerikas demokratische Verbündete zu vereinen, um China zu konfrontieren – ein Schritt, den Xi in seiner jüngsten Rede auf dem diesjährigen Weltwirtschaftsforum implizit anprangerte. Auch die wirtschaftlichen Spannungen könnten eskalieren, da es unwahrscheinlich ist, dass China das Ziel für zusätzliche Käufe von US-Produkten erfüllen kann, das in “Phase 1” des Handelsabkommens festgelegt wurde, das Xis Regierung vor einem Jahr mit der Regierung Trump abgeschlossen hat. In der Zwischenzeit werden die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in Hongkong und gegen die mehrheitlich muslimische Minderheit der Uiguren in Xinjiang die Forderungen in Washington nach zusätzlichen Sanktionen gegen Chinas politische Führung und Wirtschaftseinheiten verstärken.
Die einzige Möglichkeit, eine weitere Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und China zu verhindern, besteht darin, dass entweder Biden oder Xi den ersten konkreten Schritt unternehmen, der die Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert, und sich danach strikt an das Prinzip der Reziprozität halten. Die Kosten für den ersten Schritt sind wahrscheinlich bescheiden, aber der potenzielle langfristige Nutzen könnte unverhältnismäßig groß sein.
Obwohl beide Länder strategische Konkurrenten blieben, würde ihre Rivalität auf stabileren Erwartungen und beiderseitig akzeptierten Regeln beruhen. Eine Zusammenarbeit in Bereichen von gemeinsamem Interesse, insbesondere beim Klimawandel, wäre möglich. Am wichtigsten ist, dass die Deeskalation der Spannungen das Risiko eines katastrophalen militärischen Konflikts verringern würde.
Falls die US-amerikanische und die chinesische Führung Axelrods Erkenntnis überzeugend genug finden, um sie in konkrete Politik umzusetzen, besteht ihre nächste Herausforderung darin, herauszufinden, was ihre jeweiligen ersten Schritte sein sollten, angesichts der Unsicherheit über die Reaktion der anderen Seite.
Da der seit langem etablierte Xi mehr Handlungsspielraum zu haben scheint als Biden, ist er besser positioniert, um die Initiative zu ergreifen. Zudem steht ihm eine üppige Auswahl an Möglichkeiten zur Verfügung, um seinen guten Willen zu bekunden – und wahrscheinlich eine positive Reaktion der USA hervorzurufen – ohne zu viel politisches Kapital zu riskieren.
So sollte China etwa umgehend die Rückkehr der amerikanischen Journalisten erlauben, die es letztes Jahr als Reaktion auf die US-Restriktionen gegen Reporter, die für staatliche chinesische Medien in den USA arbeiten, ausgewiesen hat. Eine andere Möglichkeit wäre, die Anklagen gegen die 53 Anfang Januar verhafteten pro-demokratischen Aktivisten in Hongkong fallen zu lassen.
Die Freilassung einer nicht unbeträchtlichen Anzahl willkürlich in Lagern internierter Uiguren wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes – die offiziellen Angaben zufolge festgesetzt werden, um eine “Berufsausbildung” zu absolvieren – würde Xis Pragmatismus im Umgang mit dem wohl schwierigsten bilateralen Problem signalisieren. Ebenso würde die Aussetzung der provokativen Einsätze chinesischer Kampfflugzeuge in Taiwans Luftraumüberwachungszone beiden Seiten helfen, das Risiko eines unbeabsichtigten Konflikts zu verringern und die Spannungen mit den USA entschärfen.
Ob Biden auf eine dieser Gesten positiv reagieren würde, ist unbekannt. Aber Xi sollte es versuchen. China hat wenig zu verlieren und möglicherweise viel zu gewinnen.
Minxin Pei ist Professor of Government am Claremont McKenna College und Non-Resident Senior Fellow beim German Marshall Fund of the United States. Aus dem Englischen von Sandra Pontow. Copyright: Project Syndicate, 2021.
www.project-syndicate.org
Um es in der Kommunistischen Partei mit ihren über 80 Millionen Mitgliedern zu etwas zu bringen, braucht man nicht nur gute Kontakte, Machtgespür und Geduld – sondern auch ein wenig Glück. Huang Kunming war oft zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Er gehört zur sogenannten “Neue Zhijiang Armee” – einer Reihe prominenter chinesischer Politiker, die zwischen 2002 und 2007 Posten in der Provinz Zhejiang innehatten, als Xi Jinping dort während seiner Zeit als Parteisekretär Zhejiangs die Allianzen für seinen Aufstieg schmiedete. Vier von ihnen sitzen heute im Politbüro, der 25-köpfigen Machtzentrale der KP Chinas. Unter ihnen auch Huang Kunming, den Xi dazu noch zum Propagandachef machte, ein Posten mit wenig Öffentlichkeit, aber enormer Bedeutung und Macht.
Doch Huang Kunmingss Verbindungen mit dem heutigen Staatspräsidenten gehen sogar noch weiter zurück als Zhejiang. Beide verbrachten den Großteil ihrer politischen Ochsentour in den achtziger und neunziger Jahren in Fujian, Huangs Heimatprovinz und Xis zweiter Station auf seinem Weg an die Macht. Weggefährten aus Fujian spielen, genau wie die “Neue Zhijiang Armee”, eine zentrale Rolle in Xis Machtapparat.
Huang Kunming wurde 1953 nahe der Stadt Longyan geboren, unweit der weltbekannten runden Tulou-Häuser der Hakka-Chinesen. Ende der achtziger Jahre begann seine politische Laufbahn mit administrativen Posten in seiner Heimatstadt, 1993 wurde er dort Parteisekretär. Xis Karriere nahm in Fujian ebenfalls Fahrt auf: Er kam 1985 als stellvertretender Bürgermeister der Stadt Xiamen in die Region und schaffte es in den darauffolgenden siebzehn Jahren bis zum Provinzgouverneur. Huang Kunmings Karriere führte ihn 1999 in die nördliche Nachbarprovinz Zhejiang, wo Xi Jinping drei Jahre später zunächst Gouverneur und dann Parteisekretär wurde. Er beförderte Huang 2003 zum Parteisekretär der prosperierenden Stadt Jiaxing und 2007 schließlich zum Parteisekretär der Provinzhauptstadt Hangzhou. Ein Jahr nachdem Xi die Parteispitze übernommen hatte, holte er Huang 2013 als Vize-Direktor in die Propagandaabteilung nach Beijing. 2017 bekam er nicht nur einen Sitz im Politbüro, sondern wurde auch zur neuen Nummer Eins in der Propagandaabteilung.
Obwohl online gern als “Wahrheitsministerium” verspottet, ist die Propagandaabteilung kein Staatsministerium, sondern direkt in der Parteistruktur verortet. Huangs Behörde schreibt die Regeln der Zensur und setzt sie gemeinsam mit anderen Organisationen durch. Wie effizient das unter Huangs Führung funktioniert, zeigte sich zuletzt in der Coronakrise. Was anfangs auch in China als verpfuschte Reaktion wahrgenommen wurde, gilt nun als erfolgreicher nationaler Kraftakt. Das Internet, das lange als unkontrollierbar galt und Chinas Führung Kopfzerbrechen bereitete, ist nicht nur längst von der Zensur gebändigt, sondern mittlerweile auch deren wichtigstes Medium. Bestes Beispiel ist die staatliche App “Xuexi Qiangguo”, zu Deutsch “Lerne über die starke Nation”: damit studieren über 100 Millionen Chinesinnen und Chinesen spielerisch Xi Jinpings politische Theorie. Jonas Borchers
Sendeschluss für Chinas Staatssender CGTN auch in Deutschland: Die Landesmedienanstalten, schreibt Marcel Grzanna, haben eine Lizenz-Prüfung eingeleitet, Vodafone hat den Sender vorsorglich schon vom Draht genommen. Nach dem Aus in Großbritannien droht CGTN, schlimmstenfalls in der gesamten EU nicht mehr senden zu können.
Ganze zwei Stunden haben die beiden mächtigsten Männer der Welt telefoniert. Das ist lang! Christiane Kühl analysiert die Briefings, die Peking und Washington nach dem Call veröffentlichten. Biden lässt keinen Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Gesprächs: “They’re going to, if we don’t get moving, they are going to eat our lunch”.
Neun-Neun-Sechs ist in China das Synonym für Ausbeutung – und zwar gnadenlose. Kein Geringerer als Alibaba-Gründer Jack Ma lobte das Arbeitszeitmodell einst als “Segen” im Kampf gegen “Faulenzer”. Von Neun Uhr morgens bis Neun Uhr abends an sechs Tagen in der Woche. Nun sind solch kapitalistische Auswüchse keineswegs Privilegien des kommunistischen China (Was allein ein Antagonismus ist). Auch im demokratischen Westen kennt man die Kultur der permanenten Überlastung, die nicht selten Hand in Hand mit einer Kultur der Selbstausbeutung geht. Jörn Petring und Gregor Koppenburg sind der gesellschaftlichen Debatte um Arbeitszeiten in einem Land auf der Spur, in dem das Gesetz den Acht-Stunden-Tag vorschreibt.
Wie schafft man es, zu den 25 mächtigsten Kommunisten unter Xi Jinping und zu dessen Propagandachef zu werden? Jonas Borchers zeichnet die Karriere von Huang Kunming nach. Newsletter-Kollege Gabor Steingart würde Ihnen Borchers Portrait mit dem “Prädikat: lesenswert!” empfehlen und ich schließe mich dem gern an. Gabors Crew, mit dem Pioneer-Redaktionsschiff aktuell im Berliner Eis festgefroren, wünscht das Table.Team: Baldiges Tauwetter und allseits eine Hand breit Wasser unter dem Kiel.
Der internationale chinesische Fernsehsender Chinese Global Television Network (CGTN) könnte nach seinem Lizenzentzug in Großbritannien auch von deutschen TV-Bildschirmen verschwinden. Die Landesmedienanstalten haben die deutschen Netzbetreiber nach Informationen von China.Table dazu aufgefordert, ihre vertraglichen Beziehungen zu CGTN zu überprüfen. Der Sender muss jetzt gegenüber seinen Vertragspartnern nachweisen, dass er nach der britischen Entscheidung weiterhin über eine gültige Sendelizenz für die Europäische Union (EU) verfügt, um in Deutschland empfangbar zu bleiben. Geschieht das nicht, droht dem englischsprachigen Programm hierzulande das Fernseh-Aus.
CGTN wird unter anderem über den Kabelnetzbetreiber Vodafone ins deutsche Netz eingespeist. Auch der Satelliten-Anbieter Eutelsat führt CGTN in seiner Senderliste. Vodafone hat das Programm aktuell allerdings ausgesetzt und verweist per Standbild auf “technische Störungen”. “Zurzeit befinden wir uns aufgrund des Lizenzentzugs im Austausch mit den Landesmedienanstalten und dem Sender, um die rechtliche Situation zu klären. Wir haben uns deshalb dazu entschlossen, die Ausstrahlung der Programminhalte vorerst zu pausieren und hoffen, dass wir die Übertragung bald wieder fortsetzen können“, teilt Vodafone mit.
Dem Vernehmen nach argumentiert CGTN, dass der Lizenzentzug durch die britische Medienaufsicht Ofcom lediglich für den britischen Markt gelte und die Sendeerlaubnis in den Ländern der EU davon nicht berührt sei. Grundsätzlich gilt, dass ein Sender aus Drittstaaten eine Lizenz nur aus einem einzigen EU-Land benötigt, die dann für alle Mitgliedsstaaten Geltung hat. Das internationale Fernsehabkommen stellt sicher, dass eine Lizenz in Großbritannien auch nach dem Brexit für den EU-Markt vorläufig Bestand hat.
In einer Stellungnahme aus der vergangenen Woche betonte CGTN, dass man sich an “Gesetze und Regulierungen jedes Landes” halten würde. Der Sender macht “extrem rechte Organisationen und anti-chinesische Kräfte” für die Einleitung einer Untersuchung durch die Ofcom verantwortlich, die schließlich zum Lizenzentzug geführt hatte. Wer diese Organisationen sein sollen, blieb offen. Eine Anfrage, ob sich CGTN anderswo in der EU um eine Lizenz bemüht, ließ der Sender unbeantwortet. Die Landesmedienanstalten bestätigen, dass CGTN zumindest in Deutschland bislang keine Lizenz beantragt hat. “Wenn der Netzwerkbetreiber das Programm von CGTN weiter verbreiten möchte, muss er aus einem anderen europäischen Land eine Lizenz nachweisen. Wenn keine Lizenz mehr vorliegt, dann entfällt auch der Grund einer Kabeleinspeisung”, sagte eine Sprecherin der Landesmedienanstalten.
Die Ofcom hatte ihre Entscheidung mit mangelnder Staatsferne von CGTN begründet. Der Sender, der früher CCTV9 hieß, ist Teil des staatlichen chinesischen Fernsehens, das von der regierenden Kommunistischen Partei kontrolliert und als Sprachrohr für ihre Propaganda bezeichnet wird. Er sendet in mehreren Sprachen in alle Welt. Seine Lizenz hatte CGTN allerdings nicht selbst gehalten, sondern an die Star China Media Limited (SCML) übertragen. Die SCML nahm aber keinen Einfluss auf die redaktionellen Inhalte des Senders, wie die Ofcom-Untersuchung ergab, sondern überließ die Programmgestaltung der CCTV-Zentrale. Das lieferte den Aufsehern ausreichend Grund für ihre Entscheidung. Auch in Deutschland gilt der Grundsatz der Staatsferne, der im Lizenzvergabe-Verfahren über die Beteiligungsverhältnisse geprüft wird. Wegen des harmonisierten europäische Rechts müssen die Sender nur ein entsprechendes Verfahren in der EU durchlaufen. Wer in Spanien oder Ungarn eine Lizenz erhält, darf damit auch in Deutschland senden.
Um den Entzug noch abzuwenden, hatte CGTN beantragt, die Lizenz von der SCML auf eine Gesellschaft namens China Global Television Network Corporation (CGTNC) zu übertragen. Die Ofcom lehnte den Antrag ab, weil “entscheidende Informationen” darin gefehlt hätten. Man hätte dem Sender ausreichend Zeit gegeben, die nötigen Informationen zu übermitteln. Darüber hinaus sei die Ofcom der Ansicht, dass auch die CGTNC nicht als Lizenzhalter infrage komme, weil diese “von einer Stelle kontrolliert wird, die letztendlich von der Kommunistischen Partei Chinas kontrolliert wird.” Der Sender widersprach der Darstellung der Ofcom. Stattdessen habe man proaktiv und kooperativ “detaillierte Erklärungen” zur Verfügung gestellt.
Am Donnerstagnachmittag verkündeten dann chinesische Staatsmedien, dass der britische Sender BBC World News ab sofort nicht mehr in China ausstrahlen darf. Als Grund wurde dessen Berichterstattung über vermeintlich systematische Vergewaltigungen in Umerziehungslagern für Uiguren in der autonomen chinesischen Region Xinjiang genannt. “Die BBC führt einen öffentlichen Meinungskreuzzug gegen China. Sie ist zu einem Propaganda-Instrument für sezessionistische und separatistische Kräfte geworden, die Chinas nationale Sicherheit mit falschen Berichten bedroht”, kommentiert die Global Times. Beobachter werten die Verbannung als Vergeltung für die Ofcom-Entscheidung.
Neben dem Verdacht der mangelnden Staatsferne geht die Ofcom auch wegen anderer Lizenzverletzungen gegen CGTN vor. “Wir gehen davon aus, dass wir in Kürze ein separates Sanktionsverfahren gegen CGTN wegen angemessener Unparteilichkeit, Fairness und Datenschutzverletzungen abschließen werden”, heißt es. Unter anderem hat die Behörde die Berichterstattung des Senders über die pro-demokratischen Proteste in Hongkong ins Visier genommen und dabei mangelnde Objektivität festgestellt. Außerdem hatte der britische Staatsbürger Peter Humphrey Beschwerde gegen den Sender eingelegt. Er war nach eigenen Aussagen in China zu einem öffentlichen Geständnis vor TV-Kameras gezwungen worden, um eine Haftstrafe gegen ihn wegen der Beschaffung “illegaler Daten von chinesischen Staatsbürgern” zu rechtfertigen. Die Bilder wurden über CGTN auch in Großbritannien übertragen und verletzten damit die Privatsphäre des Unternehmers. Humphrey wurde zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Inzwischen lebt er wieder in England. Beschwerden gegen CGTN aus Deutschland liegen bislang nicht vor, heißt es seitens der Landesmedienanstalten.
Sollte CGTN die nötigen Voraussetzungen für einen Sendebetrieb in Deutschland nicht erfüllen, wäre der Sender immer noch über seinen Livestream im Internet zu erreichen. Der neue Medienstaatsvertrag aus dem November vergangenen Jahres überträgt den Landesmedienanstalten darin neuerdings auch die Aufsicht über Streaming-Angebote aus dem Netz. Allerdings sind grenzüberschreitende Eingriffe wegen beispielsweise Verstößen gegen die journalistische Sorgfaltspflicht extrem schwierig. Die Landesmedienanstalten können nur gegen Anbieter vorgehen, die in Deutschland niedergelassen sind. Darüber hinaus gibt es Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit anderen Regulierungsbehörden, um grenzüberschreitend tätig zu werden.
15.02.2021, 18:00-19:30 Uhr
Vortrag, SOAS London To Rise or to Lead? The Challenge of Chinese Universities in the 21st Century Anmeldung
16.02.2021, 15:00-17.30 Uhr
Live Diskussion, Institut Montaigne The CAI Effect: Upending the Notion of Systemic Rivalry with China? Mehr
16.02.2021, 12:30-1:30 PM (EST)
Vortrag, Harvard Fairbank Center for Chinese Studies AI-Tocracy: The political economy of AI Mehr
16.02.2021, 20:00-22:00 Uhr
Online-Seminar, CSIS Confronting Chinese State Capitalism Mehr
17.02.2021, 12:30-1:45 PM (EST)
Vortrag, Harvard Fairbank Center for Chinese Studies Critical issues confronting China Series featuring Sebastian Heilmann – Why systemic competition with China is good for western democracies Mehr
17.02.2021, 17:00-18:30 Uhr
Diskussion, Bavarian Research Institute for Digital Transformation Volle Kontrolle? Chinas Sozialkreditsystem & seine Auswirkungen auf Deutschland. Mehr
17.02.2021, 19:00-21:00 Uhr
Vortrag, Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft Düsseldorf “Gelbe Gefahr” gestern und heute. Anmeldung
18.02.2021, 10:00-11:00 Uhr
Vortrag, Deutsch Chinesische Wirtschaftsvereinigung RCEP und EU-China-Investitionsabkommen – Neue Impulse für deutsche Unternehmen? Mehr
19.02.2021, 15:00 Uhr
Vortrag, Chinaforum Lüneburg Ein Jahresrückblick von Markus Taube (Uni Duisburg-Essen) Anmeldung
Nun haben sie also doch noch vor dem chinesischen Neujahrsfest telefoniert: Der neue US-Präsident Joe Biden und sein chinesischer Amtskollege Xi Jinping. Zwar kennen wir bei weitem nicht jedes Wort, das dabei gesprochen wurde. Aber beide Präsidenten haben jeweils ihre eigenen Aussagen bekannt gemacht. Demnach fällt vor allem eins auf: Der Ton ist wieder zivil.
Beide Länder präsentierten unterschiedliche Transkripte mit den Aussagen ihrer jeweiligen Präsidenten. Joe Biden rammte laut der kurzen Zusammenfassung auf der Website des Weißen Hauses vor allem wichtige Pflöcke der US-Politik ein. Biden habe seine Prioritäten bekräftigt, hieß es: “Die Sicherheit, den Wohlstand, die Gesundheit und die Lebensweise des amerikanischen Volkes zu schützen und einen freien und offenen Indo-Pazifik zu bewahren.” Zudem äußerte Biden Sorge über Pekings “unfaire wirtschaftliche Praktiken, das Vorgehen in Hongkong, Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang und zunehmend selbstbewusstes Verhalten in der Region, einschließlich gegenüber Taiwan.”
Die chinesischen Staatsmedien stellten dem die Aussagen Xi Jinpings gegenüber. “Zusammenarbeit sei die einzig richtige Wahl für China und die USA“, sagte Xi demnach. Eine Konfrontation zwischen ihnen würde beide Länder in die Katastrophe führen. Xi warb zudem dafür, “die verschiedenen Dialogformate wieder aufzunehmen, um die politischen Absichten des anderen genau zu verstehen, und Missverständnisse und Fehlkalkulationen zu vermeiden.” Die Außenministerien beider Länder sollten die “Kommunikation zu einem breiten Spektrum von Fragen in den bilateralen Beziehungen sowie zu wichtigen regionalen und internationalen Angelegenheiten vertiefen”. Weitere Kontakte könnten auch zwischen Wirtschafts-, Finanz- und Strafverfolgungsbehörden sowie den Militärs beider Länder hergestellt werden. Viele dieser Dialoge gab es bereits, aber während der Trump-Präsidentschaft wurden sie nicht gepflegt.
Es ist davon auszugehen, dass beide Seiten jene Aussagen hervorheben, die sie gern öffentlich machen möchten – vor heimischem und internationalem Publikum. Und so wirkt es, als wolle Biden sich entschlossen präsentieren, während Xi vor allem kooperativ klingen möchte. Die von manchen als drohend aufgefasste Warnung vor der “Katastrophe” würde laut der Xi-Mitschrift ja im Konfliktfall beide betreffen.
Biden hatte seinen Ton bereits vergangene Woche in seiner ersten außenpolitischen Grundsatzrede vor dem Außenministerium gesetzt. Dort bezeichnete er China als “ernsthaftesten Konkurrenten” der USA – aber nicht als Gegner oder Rivalen. Doch zugleich machte Biden klar, dass es mit ihm Zusammenarbeit nicht um jeden Preis gibt: “Wir sind bereit, mit Peking zusammenzuarbeiten – wenn dies in Amerikas Interesse ist.” Diesen Punkt bekräftigte Biden nach dem Telefonat erneut auf Twitter. Das US-Nachrichtenportal Politico bezeichnete dies als eine Art “America First 2.0”, minus dem Trumpschen Schreddern von Allianzen.
Doch auch der vermeintlich harmlose Klang aus Peking verdeckt, dass China natürlich ebenfalls Interessenpolitik betreibt und in der Sache hart bleibt. Beide Seiten halten feste Positionen, die bereits vor dem Telefonat klar waren: Die USA sehen China als Konkurrenten um Werte und die wirtschaftliche und politische Vormacht in der Welt. China wiederum ist mit zunehmendem Entwicklungsstand auch zunehmend selbstbewusst: Peking will mit dem Westen zusammenarbeiten – aber dabei möglichst viele Regeln selbst bestimmen. Einmischungen in das, was Peking stets “innere Angelegenheiten” nennt, bleiben – wenig überraschend – für China weiter tabu.
Diese Konfliktlinien wurden in den Transkripten aus dem Vorbereitungs-Telefonat zwischen den Außenministern Antony Blinken und Yang Jiechi sehr deutlich. Beide waren in der Vergangenheit ohnehin nicht mit konzilianten Äußerungen aufgefallen und schienen vor allem erstmal die Fronten klären zu wollen. Die USA müssten China “aus einer Position der Stärke” gegenübertreten, sagte Blinken kürzlich auf CNN. Es ist unwahrscheinlich, dass China nicht dasselbe für sich beansprucht.
Welche Felder für eine mögliche Kooperation taugen, liegt trotz allem im Prinzip auf der Hand. Das Weiße Haus zählte die Punkte im Transkript auf: Xi und Biden tauschten sich demnach über die Bekämpfung der Covid-19-Pandemie aus sowie über “gemeinsame Herausforderungen” wie die Sicherung der globalen Gesundheit, den Klimawandel und das Verhindern weltweiter Aufrüstung.
“Ich habe ihm immer schon gesagt: Wir müssen keinen Konflikt miteinander haben, aber es wird einen extremen Wettbewerb geben”, sagte Biden in einem Interview mit dem Fernsehsender CBS in Bezug auf Xi, den er aus der Zeit kennt, als beide Vizepräsidenten waren. “Ich werde es nicht auf die Weise machen wie Trump, und wir werden uns an die internationalen Verkehrsregeln halten.” Biden will sich unter anderem mit den Verbündeten in Europa über die künftige China-Politik abstimmen. Auch in der EU läuft eine Debatte über den richtigen China-Kurs. Die Formel “extremer Wettbewerb” könnte für das Verhältnis zwischen China und dem Westen durchaus prägend werden. Es bleibt spannend im Jahr des Büffels.
Der Online-Handel in China wurde lange Zeit von zwei Unternehmen dominiert. Branchenprimus Alibaba und Hauptkonkurrent JD.com zogen über Jahre mit Abstand die meisten Online-Shopper auf ihre Plattformen. Doch den Platz an der Sonne müssen sie sich nun mit einem neuen Angreifer im Markt teilen. Die 2015 in Shanghai gegründete E-Commerce-Plattform Pinduoduo legt bei seiner Aufholjagd ein erstaunliches Tempo an den Tag.
Laut dem letzten Quartalsbericht, den das Unternehmen im November des vergangenen Jahres veröffentlichte, verfügt Pinduoduo bereits über 664 Millionen aktive Nutzer und ist damit an JD.com vorbeigezogen, das bis Ende des Jahres auf etwa 442 Millionen aktive Einkäufer kam. Alibaba erreicht rund 900 Millionen Kunden.
Auch an der Börse wird deutlich, dass mit Pinduoduo ein neuer Gigant in Chinas E-Commerce-Sektor herangewachsen ist. Seit dem Börsengang 2018 in New York kletterten die Aktien des Unternehmens um knapp 900 Prozent. Die Marktkapitalisierung von 232 Milliarden Dollar liegt ebenfalls höher als die von JD.com, das zuletzt mit etwa 150 Milliarden Dollar bewertet wurde. Alibaba hat derzeit einen Marktwert von rund 720 Milliarden Dollar.
Das Geschäftsmodell von Pinduoduo scheint Kunden zu überzeugen: Im Mittelpunkt des Handels auf der Plattform steht das so genannte “team purchase”-Modell, bei dem sich Konsumenten zu Gruppen zusammenschließen, die gemeinsam eine große Menge eines Produktes beim Händler abnehmen und so mit hohen Rabatten rechnen können. Pinduoduo erhält eine Vermittlungsgebühr. Der mit Abstand wichtigste Umsatzbringer ist aber Werbung, mit denen Händler bei Pinduoduo auf ihre Angebote aufmerksam machen können.
Vor einigen Wochen erhielt der rasante Aufstieg von Pinduoduo jedoch einen kräftigen Dämpfer. Gleich zwei Todesfälle in der Firma lösten eine öffentliche Empörungswelle aus.
Zunächst berichteten chinesische Staatsmedien Ende Dezember über eine junge Mitarbeiterin von Pinduoduo, die an Überarbeitung gestorben sei. Den Berichten zufolge arbeitete die Angestellte bei einer Lebensmitteleinkaufsplattform für Pinduoduo in der nordwestchinesischen Region Xinjiang. Sie war auf dem Heimweg zusammengebrochen, nachdem sie bis Ein Uhr nachts gearbeitet hatte. Stunden später starb sie im Krankenhaus. Keine zwei Wochen später musste Pinduoduo den nächsten Todesfall eingestehen. Ein Mitarbeiter stürzte sich demnach von einem Hochhaus.
Inmitten dieser Schock-Nachrichten ging dann auch noch das Video eines Pinduoduo-Mitarbeiters viral, der das Unternehmen beschuldigte, ihn entlassen zu haben, weil er ein Foto eines Kollegen gepostet habe, der wegen Überarbeitung von einem Krankenwagen abgeholt wurde.
“Ich denke nicht, dass die Welt so funktionieren sollte”, sagte der Mann, der das Video auf Weibo unter seinem Spitznamen Wang Taixu veröffentlicht hatte. Pinduoduo zwinge die klügsten Köpfe des Landes zu langen Arbeitszeiten, während es an der Börse auf Rekordniveau gehandelt werde. Das Video wurde auf Weibo millionenfach geteilt.
Auch andere Mitarbeiter meldeten sich zu Wort. Sie gaben an, dass 12-Stunden-Arbeitstage bei Pinduoduo Normalität seien. Auch sei es üblich, 13 Tage am Stück zu arbeiten und danach nur einen freien Tag zu haben. In einigen Fällen sei gefordert worden, im Monat auf eine Arbeitszeit von 300 Stunden zu erreichen.
Der Fall Pinduoduo löste in China einmal mehr hitzige Diskussionen über die langen Arbeitszeiten in der rasant wachsenden Tech-Industrie des Landes aus. Für viele junge Chinesen ist es zwar ein Traum, einen Job bei einer der großen Tech-Firmen zu finden, weil überdurchschnittlich hohe Gehälter winken. Allerdings verlangen die Unternehmen ihren Angestellten auch enorme Leistungen ab.
Im Mittelpunkt der seit Jahren immer wieder aufkommenden Debatte steht die “996” genannte Arbeitszeitkultur: Von neun Uhr morgens bis neun Uhr abends sechs Tage die Woche arbeiten, meist ohne zusätzlich für Überstunden bezahlt zu werden. Der Gründer von Alibaba, Jack Ma, goss vor zwei Jahren noch Öl ins Feuer, als er “996” einen “großen Segen” nannte. “Wer bei Alibaba anfängt, sollte bereit sein, zwölf Stunden am Tag zu arbeiten”, forderte der Milliardär vollen Einsatz. “Wir brauchen diejenigen nicht, die bequem acht Stunden arbeiten”. Sein Kollege Richard Liu vom Online-Händler JD.com blies ins gleiche Horn und kritisierte die “Faulenzer”.
Dabei gilt in China eigentlich ein klares Arbeitsgesetz. Pro Tag sind demnach acht Stunden Arbeit vorgesehen. Überstunden dürfen nicht mehr als drei Stunden pro Tag überschreiten und müssen zusätzlich mit dem doppelten Gehalt kompensiert werden. Angestellte, die an einem gesetzlichen Feiertag arbeiten müssen, sollen theoretisch sogar das dreifache Gehalt erhalten. Auch Arbeit am Wochenende muss laut Gesetz höher vergütet werden. Doch oft schrecken Angestellte davor zurück, ihre Rechte durchzusetzen. Zu groß ist die Angst, sich Aufstiegschancen zu verbauen oder keine üppige Bonus-Zahlung zu erhalten.
Allerdings zeichnet sich schon länger ab, dass die Regierung dem Treiben in der Tech-Branche einhalten gebieten will. Kritische Video-Beiträge wie die des Pinduoduo-Mitarbeiters Wang werden nicht wie bei anderen Themen üblich einfach zensiert. Stattdessen haben auch Staatsmedien die Geschehnisse bei Pinduoduo detailliert aufgegriffen und kritisch kommentiert.
Die Tragödie habe die Aufmerksamkeit einmal mehr auf “eine abnormale Kultur der Überstunden” gelenkt, schrieb so die staatliche Nachrichtenagentur Xinhua als Reaktion auf die zwei Todesfälle. Zwar sollten Tech-Arbeiter die Möglichkeit haben, ihren Träumen nachjagen können. Ihre Gesundheit dürfe dabei aber nicht aufs Spiel Gesetz werden. Auch leiteten die Behörden wegen der Todesfälle Ermittlungen gegen Pinduoduo ein. Gregor Koppenburg/Jörn Petring
Das chinesische Ministerium für Industrie und Informationstechnologie (MIIT) hat kürzlich bekanntgegeben, die heimische Industrie für Seltene Erden noch strenger zu regulieren. Die geplanten Regeln sehen eindeutigere Zuständigkeiten für die Genehmigung des Abbaus und der Aufbereitung von Seltenen Erden vor. Zudem sollen die Ein- und Ausfuhren noch stärker von den chinesischen Behörden überwacht und Regelverstöße strenger bestraft werden. Nach Angaben des US Geological Survey lieferte China 2019 fast 98 Prozent des EU- und 80 Prozent des US-Bedarfs an Seltenen Erden.
Die genauen Auswirkungen dieser neuen Politik auf Europa lassen sich noch nicht abschätzen. Sehr wahrscheinlich wird dadurch ein Trend verstärkt, den man schon einige Jahre beobachten kann: Chinas Exporte von Seltenen Erden sind allein im vergangenen Jahr um 25,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen. Das ist das niedrigste Exportvolumen seit 2015.
Chinesische Firmen dürfen nach der neuen Regelung ihre Seltenen Erden nicht mehr einfach zum höchsten Preis auf dem Weltmarkt verkaufen, wenn dies nationalen Interessen entgegensteht: “Es besteht keine Frage, dass China seine Exporte stärker regulieren wird”, sagt Pini Althaus, CEO von USA Rare Earth, “für die EU, USA, Japan und andere wird es sehr viel schwieriger sein, das zu kaufen, was sie brauchen.”
China ist heute nicht nur der größte Abnehmer von Seltenen Erden wie Neodym, Yttrium und Praseodym, sondern auch der größte Produzent. Die Volksrepublik kontrolliert nach amerikanischen Schätzungen inzwischen rund 70 Prozent der Produktion. Ob in der Rüstungsindustrie, bei Windkraftanlagen, in Smartphones, Glasfaserkabeln oder bei der E-Autoindustrie: Seltene Erden sind für viele Schlüsselindustrien des 21. Jahrhunderts essentiell. Weltweit wurden 2019 210.000 Tonnen gefördert. Vor zehn Jahren waren es nur 124.000 Tonnen. Allein die schnell wachsende Nachfrage nach Elektroautos dürfte den Bedarf laut Experten bis 2030 um 24 Prozent steigen lassen.
Schon seit Jahren stockt das chinesische State Reserves Bureau (SRB) in Zeiten niedriger Preise die Vorräte auf. Das war so während der Finanzkrise 2008/09 oder während der Metallpreiskrisen 2012-2013 und 2015-16. Auch während der Pandemie hat die Behörde nachgekauft.
Die deutsche Industrie ist sehr besorgt über diese Entwicklung. “Die Unsicherheit herrscht darüber, ob China Seltene Erden als Druckmittel gegenüber Unternehmen auch aus Europa einsetzen will”, sagt Matthias Wachter, Rohstoffexperte beim Industrieverband BDI kürzlich. “Europa muss seine Abhängigkeit von China durch Allianzen und Handelsabkommen und intelligente Recyclingstrategien entscheidend verringern“, fordert auch der ehemalige EU-Kommissar Günter Oettinger. Seine Warnung ist wichtig, kommt aber Brancheneinschätzungen zufolge 20 Jahre zu spät. Die EU, deren Kommission Oettinger von 2010 bis 2019 angehört hat, hat das Thema zu lange unterschätzt. Oettinger sieht in dem Vorgehen Chinas “Hegemoniestreben” in dem “Konkurrenten gnadenlos vom Markt verdrängt” werden. Hingegen hat das Center for European Policy Studies, einer der führenden Thinktanks weltweit, die Politik Chinas, mehr für die Vorkommen zu bezahlen als die westlichen Wettbewerber, schon vor über zehn Jahren als “strategische Weitsicht” bezeichnet. Eines sollte man dabei allerdings nicht vergessen: Die niedrigeren Umweltstandards der chinesischen Förderer von Seltenen Erden waren ein großer Vorteil bei vielen dieser Geschäfte.
Die Abhängigkeit des Westens von China in dieser Frage bedeutet nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politische Macht. Bereits vor zehn Jahren hat die chinesische Regierung den Export Seltener Erden als politisches Druckmittel gegenüber Japan eingesetzt. Damals unterbrach Peking fast einen Monat lang die Lieferketten nach Japan, woraufhin die Preise auf den Rohstoffmärkten explodierten. Im vergangenen Sommer drohte China damit, den US-Militär-Dienstleister Lockheed Martin von der Versorgung mit Seltenen Erden abzuschneiden, da Lockheed Taiwan mit Militärtechnik beliefert hatte. Es blieb bei einer Drohung.
Um sich aus der Abhängigkeit Seltener Erden zu befreien haben EU-Vizepräsident Maroš Šefčovič und der für den Binnenmarkt zuständige EU-Kommissar Thierry Breton im September vergangenen Jahres die Europäische Rohstoffallianz ins Leben gerufen. Die Frage ist nun, wie man eine “strategische Autonomie” (Breton) von China erreichen kann. Die Vorkommen in Serbien oder der Ukraine sind zu klein. Bliebe Australien, als viertgrößter Hersteller der Welt, nach China (132.000 metrische Tonnen Jahresproduktion 2019) den USA (26.000) und Myanmar (22.000). Sydney liegt im Streit mit Peking und will seine Abhängigkeit von China verringern. Allerdings ist die Menge an Jahresproduktion und der Vorkommen beschränkt. Australien produziert 21.000 Tonnen und verfügt über schätzungsweise 3,3 Millionen Tonnen Vorkommen, die noch abgebaut werden können. In China sind es hingegen noch über 44 Millionen Tonnen.
Bitter für Brüssel: Der Wettbewerb um die Seltenen Erden Australiens ist schon sehr hoch. Die Amerikaner haben bereits eine große Partnerschaft vereinbart. Die Südkoreaner und die Japaner ebenfalls. Derzeit sieht es also nicht so aus, als ob sich die Demokratien oder zumindest der Westen in dieser Frage zusammenschließen würden.
Wie labil der Markt ist, zeigte sich in den vergangenen Tagen. Der Militärcoup in Myanmar (Burma) hat die Aktienkurse der chinesischen Rare Earth Firmen nach oben schießen lassen. Die Preise von Shenghe Resources Holding, Minmetals und Northern Rare Earth stiegen zwischen fünf und zehn Prozent. Die Kalkulation der Investoren ist einfach: Wenn der Abbau von Seltenen Erden unterbrochen wird, werden die Rohstoffe knapp und die chinesischen Unternehmen können höhere Preise verlangen.
Das staatliche Energieunternehmen State Grid Corporation (SGCC) aus China hat bei der Europäischen Kommission eine Beschwerde eingereicht, nachdem es wegen Interessenkonflikten von einer Ausschreibung für eine Beteiligung an Griechenlands Energieversorger Public Power Corporation (PPC) ausgeschlossen wurde, wie eine Kommissionssprecherin China.Table bestätigte. SGCC war verboten worden, sich für den Kauf eines Anteils von 49 Prozent an dem Stromverteilungsunternehmen DEDDIE/HEDNO, das von PPC kontrolliert wird, zu bewerben. Grundlage für den Ausschluss war ein potenzieller Interessenkonflikt, da SGCC bereits 24 Prozent am griechischen Stromnetzbetreiber IPTO hält.
In dem Schreiben an die EU–Kommission erkläre SGCC, dass der Ausschluss von der Ausschreibung gegen EU-Recht verstoße, berichtet die griechische Branchen-Publikation Energypress. Laut dem Bericht sind jedoch gemäß der Verkaufsbedingungen von DEDDIE/HEDNO Unternehmen mit direkter oder indirekter Kontrolle bei IPTO aufgrund von Interessenkonflikten schon vorab von der Ausschreibung ausgeschlossen gewesen. Der Schritt SGCCs zeige das starke Interesse des chinesischen Energieunternehmens, eine Beteiligung am griechischen Stromversorger zu erwerben, schlussfolgert Energypress. Das Hauptinteresse SGCCs an der Beteiligung könnte dabei auf der Installation von landesweit rund 7,5 Millionen digitalen Stromzählern liegen, wie das Portal Branchenkenner zitiert. Die erste Runde der Ausschreibung ist demnach noch bis 19. Februar offen.
Brüssel-Beobachter merkten an, dass die Beschwerde auch im Kontext des EU-China-Investitionsabkommens CAI interessant werden könnte. Die Bereiche Stromerzeugung und Netzwerke sollen nach bisherigem öffentlichen Stand nicht zu den vollständig offenen EU-Sektoren gehören, wie François Godement, China-Experte des Institut Montaigne, auf Twitter erklärte. Stromverteilung und -einzelhandel könnten aber Teil des Abkommens werden. Die chinesische Beschwerde sei nun vielleicht ein Vorgeschmack auf einen “juristischen Feldzug”, den China in der EU auslösen könnte. Die Details des CAI sind bisher nicht öffentlich. Mit einer Veröffentlichung der Anhänge des Abkommens wird bis Ende Februar gerechnet. ari
Ich weiß nicht, ob US-Präsident Joe Biden, der chinesische Präsident Xi Jinping und ihre außenpolitischen Berater Robert Axelrods Klassiker über internationale Beziehungen, Die Evolution der Kooperation, gelesen haben. Aber sie sollten Axelrods wesentliche Erkenntnis darüber beherzigen, wie Länder von Kooperation profitieren und Betrügerei bestrafen können.
Durch zahllose Simulationen fand Axelrod – nunmehr emeritierter Professor der University of Michigan – heraus, dass die vorteilhafteste langfristige Strategie für einen Akteur wie einen Nationalstaat darin besteht, zunächst zu kooperieren und dann “Tit for Tat” zu spielen. Mit anderen Worten: Ein Land profitiert langfristig, wenn es eine Geste des guten Willens anbietet und dann auf die darauffolgenden Schritte des Gegners in jeweils gleicher Weise antwortet.
Diese Erkenntnis lässt sich besonders gut auf die gegenwärtige Pattsituation zwischen den USA und China anwenden. Sowohl Biden als auch Xi Jinping wissen zwar, dass zwischen ihren Ländern geopolitische Rivalität mit offenem Ausgang herrscht, wollen diese aber auch nicht entgleisen lassen, um potenzielle Katastrophen wie ein ausuferndes Wettrüsten oder einen direkten militärischen Konflikt zu verhindern.
Zugegeben, kurzfristig haben beide Regierungschefs weitaus dringendere Prioritäten als die Deeskalation bilateraler Spannungen. Joe Biden muss den Schaden reparieren, den die Präsidentschaft von Donald Trump in der amerikanischen Demokratie und Gesellschaft angerichtet hat, während Xi plant, die chinesische Wirtschaft neu auszurichten, um sie weniger anfällig für eine “Abkopplung” von den USA zu machen.
Doch Biden und Xi scheinen vor dem gleichen Dilemma zu stehen: Ob sie als erster ein Friedensangebot unterbreiten sollen, um die bilateralen Beziehungen kurzfristig zu stabilisieren und einen dauerhaften strategischen Vorteil in der bilateralen Rivalität zu erlangen.
In der Frage Trumps Maßnahmen gegenüber China rückgängig zu machen, wie etwa Zölle und Sanktionen gegen chinesische Technologiefirmen, sieht sich Biden in Washington mit starkem parteiübergreifenden Widerstand konfrontiert. Und obwohl Xi eher darauf erpicht sein mag, den freien Fall der chinesisch-amerikanischen Beziehungen zu beenden, hat er bisher gezögert, substanzielle Schritte zu unternehmen, um guten Willen zu demonstrieren. Stattdessen hat China in diesem Jahr sein hartes Durchgreifen in Hongkong verschärft, und das chinesische Militär setzt seine Kampagne der Einschüchterung und Schikanen gegen Taiwan fort.
Wenn weder Biden noch Xi politisches Kapital riskieren wollen, um den ersten Schritt zu machen, wird sich das Verhältnis zwischen den USA und China höchstwahrscheinlich weiter verschlechtern. Was die nationale Sicherheit betrifft, so bereiten sich die Militärs beider Länder auf eine Konfrontation vor, wodurch eine gefährliche Dynamik der wechselseitigen Abschreckung entsteht.
Auf diplomatischer Ebene wird Biden bald versuchen, Amerikas demokratische Verbündete zu vereinen, um China zu konfrontieren – ein Schritt, den Xi in seiner jüngsten Rede auf dem diesjährigen Weltwirtschaftsforum implizit anprangerte. Auch die wirtschaftlichen Spannungen könnten eskalieren, da es unwahrscheinlich ist, dass China das Ziel für zusätzliche Käufe von US-Produkten erfüllen kann, das in “Phase 1” des Handelsabkommens festgelegt wurde, das Xis Regierung vor einem Jahr mit der Regierung Trump abgeschlossen hat. In der Zwischenzeit werden die anhaltenden Menschenrechtsverletzungen in Hongkong und gegen die mehrheitlich muslimische Minderheit der Uiguren in Xinjiang die Forderungen in Washington nach zusätzlichen Sanktionen gegen Chinas politische Führung und Wirtschaftseinheiten verstärken.
Die einzige Möglichkeit, eine weitere Verschlechterung der Beziehungen zwischen den USA und China zu verhindern, besteht darin, dass entweder Biden oder Xi den ersten konkreten Schritt unternehmen, der die Bereitschaft zur Zusammenarbeit signalisiert, und sich danach strikt an das Prinzip der Reziprozität halten. Die Kosten für den ersten Schritt sind wahrscheinlich bescheiden, aber der potenzielle langfristige Nutzen könnte unverhältnismäßig groß sein.
Obwohl beide Länder strategische Konkurrenten blieben, würde ihre Rivalität auf stabileren Erwartungen und beiderseitig akzeptierten Regeln beruhen. Eine Zusammenarbeit in Bereichen von gemeinsamem Interesse, insbesondere beim Klimawandel, wäre möglich. Am wichtigsten ist, dass die Deeskalation der Spannungen das Risiko eines katastrophalen militärischen Konflikts verringern würde.
Falls die US-amerikanische und die chinesische Führung Axelrods Erkenntnis überzeugend genug finden, um sie in konkrete Politik umzusetzen, besteht ihre nächste Herausforderung darin, herauszufinden, was ihre jeweiligen ersten Schritte sein sollten, angesichts der Unsicherheit über die Reaktion der anderen Seite.
Da der seit langem etablierte Xi mehr Handlungsspielraum zu haben scheint als Biden, ist er besser positioniert, um die Initiative zu ergreifen. Zudem steht ihm eine üppige Auswahl an Möglichkeiten zur Verfügung, um seinen guten Willen zu bekunden – und wahrscheinlich eine positive Reaktion der USA hervorzurufen – ohne zu viel politisches Kapital zu riskieren.
So sollte China etwa umgehend die Rückkehr der amerikanischen Journalisten erlauben, die es letztes Jahr als Reaktion auf die US-Restriktionen gegen Reporter, die für staatliche chinesische Medien in den USA arbeiten, ausgewiesen hat. Eine andere Möglichkeit wäre, die Anklagen gegen die 53 Anfang Januar verhafteten pro-demokratischen Aktivisten in Hongkong fallen zu lassen.
Die Freilassung einer nicht unbeträchtlichen Anzahl willkürlich in Lagern internierter Uiguren wegen ihres schlechten Gesundheitszustandes – die offiziellen Angaben zufolge festgesetzt werden, um eine “Berufsausbildung” zu absolvieren – würde Xis Pragmatismus im Umgang mit dem wohl schwierigsten bilateralen Problem signalisieren. Ebenso würde die Aussetzung der provokativen Einsätze chinesischer Kampfflugzeuge in Taiwans Luftraumüberwachungszone beiden Seiten helfen, das Risiko eines unbeabsichtigten Konflikts zu verringern und die Spannungen mit den USA entschärfen.
Ob Biden auf eine dieser Gesten positiv reagieren würde, ist unbekannt. Aber Xi sollte es versuchen. China hat wenig zu verlieren und möglicherweise viel zu gewinnen.
Minxin Pei ist Professor of Government am Claremont McKenna College und Non-Resident Senior Fellow beim German Marshall Fund of the United States. Aus dem Englischen von Sandra Pontow. Copyright: Project Syndicate, 2021.
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Um es in der Kommunistischen Partei mit ihren über 80 Millionen Mitgliedern zu etwas zu bringen, braucht man nicht nur gute Kontakte, Machtgespür und Geduld – sondern auch ein wenig Glück. Huang Kunming war oft zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Er gehört zur sogenannten “Neue Zhijiang Armee” – einer Reihe prominenter chinesischer Politiker, die zwischen 2002 und 2007 Posten in der Provinz Zhejiang innehatten, als Xi Jinping dort während seiner Zeit als Parteisekretär Zhejiangs die Allianzen für seinen Aufstieg schmiedete. Vier von ihnen sitzen heute im Politbüro, der 25-köpfigen Machtzentrale der KP Chinas. Unter ihnen auch Huang Kunming, den Xi dazu noch zum Propagandachef machte, ein Posten mit wenig Öffentlichkeit, aber enormer Bedeutung und Macht.
Doch Huang Kunmingss Verbindungen mit dem heutigen Staatspräsidenten gehen sogar noch weiter zurück als Zhejiang. Beide verbrachten den Großteil ihrer politischen Ochsentour in den achtziger und neunziger Jahren in Fujian, Huangs Heimatprovinz und Xis zweiter Station auf seinem Weg an die Macht. Weggefährten aus Fujian spielen, genau wie die “Neue Zhijiang Armee”, eine zentrale Rolle in Xis Machtapparat.
Huang Kunming wurde 1953 nahe der Stadt Longyan geboren, unweit der weltbekannten runden Tulou-Häuser der Hakka-Chinesen. Ende der achtziger Jahre begann seine politische Laufbahn mit administrativen Posten in seiner Heimatstadt, 1993 wurde er dort Parteisekretär. Xis Karriere nahm in Fujian ebenfalls Fahrt auf: Er kam 1985 als stellvertretender Bürgermeister der Stadt Xiamen in die Region und schaffte es in den darauffolgenden siebzehn Jahren bis zum Provinzgouverneur. Huang Kunmings Karriere führte ihn 1999 in die nördliche Nachbarprovinz Zhejiang, wo Xi Jinping drei Jahre später zunächst Gouverneur und dann Parteisekretär wurde. Er beförderte Huang 2003 zum Parteisekretär der prosperierenden Stadt Jiaxing und 2007 schließlich zum Parteisekretär der Provinzhauptstadt Hangzhou. Ein Jahr nachdem Xi die Parteispitze übernommen hatte, holte er Huang 2013 als Vize-Direktor in die Propagandaabteilung nach Beijing. 2017 bekam er nicht nur einen Sitz im Politbüro, sondern wurde auch zur neuen Nummer Eins in der Propagandaabteilung.
Obwohl online gern als “Wahrheitsministerium” verspottet, ist die Propagandaabteilung kein Staatsministerium, sondern direkt in der Parteistruktur verortet. Huangs Behörde schreibt die Regeln der Zensur und setzt sie gemeinsam mit anderen Organisationen durch. Wie effizient das unter Huangs Führung funktioniert, zeigte sich zuletzt in der Coronakrise. Was anfangs auch in China als verpfuschte Reaktion wahrgenommen wurde, gilt nun als erfolgreicher nationaler Kraftakt. Das Internet, das lange als unkontrollierbar galt und Chinas Führung Kopfzerbrechen bereitete, ist nicht nur längst von der Zensur gebändigt, sondern mittlerweile auch deren wichtigstes Medium. Bestes Beispiel ist die staatliche App “Xuexi Qiangguo”, zu Deutsch “Lerne über die starke Nation”: damit studieren über 100 Millionen Chinesinnen und Chinesen spielerisch Xi Jinpings politische Theorie. Jonas Borchers