verlässliche Informationen aus und über China: Das ist unser Anspruch und zugleich unser Versprechen an Sie. Ab Montag informiert Sie unser Redaktionsteam von China.Table an jedem Werktag um sechs Uhr morgens über aktuelle Trends, ordnet politische Entwicklungen ein und analysiert wirtschaftliche und gesellschaftliche Hintergründe. Wir scannen außerdem täglich die Headlines der wichtigsten deutsch- und englischsprachigen Publikationen, informieren Sie über Termine und portraitieren Experten, die Sie kennenlernen sollten.
Mehr als 1000 China-Kenner und China-Interessierte haben sich in den letzten Tagen bereits registriert. Herzlich willkommen! Und weil wir Ihre Expertise nicht nur schätzen, sondern auch eine Plattform schaffen wollen für den Austausch von Standpunkten, möchte ich Sie einladen in der gleichnamigen Rubrik unseres China.Table Ihre Positionen und Erfahrungen zu diskutieren. Schreiben Sie mir gern und lassen Sie uns in einen breiten Dialog treten – an unserem Table.
Es ist soweit: China steigt am 1. Februar in den lange geplanten und immer wieder verschobenen Emissionshandel ein. Zwar startet im Sommer der Handel mit Zertifikaten an der Shanghai Environment and Energy Exchange. Doch das gesetzliche Rahmenwerk für das System tritt jetzt in Kraft. Die Meldebehörde für teilnehmende Unternehmen in Wuhan arbeitet bereits, und Chinas Umweltministerium hat nach eigenen Angaben erste Emissionsquoten vergeben. Damit sei zum ersten Mal in China die Verantwortung für die Reduktion von Treibhausgasemissionen durch Anordnung auf nationaler Ebene an die Unternehmen übertragen worden, sagte Li Gao, Direktor der Abteilung für Klimawandel im Umweltministerium. Bisher gab es für den Emissionshandel nur ein paar lokale Pilotprogramme.
Zunächst umfasst das System nur den Energiesektor – genauer gesagt 2.225 Betreiber von Kohle- und Gaskraftwerken. Es sind jene Unternehmen mit einem jährlichen Ausstoß von mehr als 26.000 Megatonnen Kohlenstoffdioxid (CO₂)-Äquivalent, beziehungsweise einem Energieverbrauch pro Jahr ab 10.000 Megatonnen Standard-Kohle-Äquivalent. Für sie ist die Teilnahme Pflicht. Diese Kraftwerke produzieren rund ein Drittel der chinesischen CO₂–Emissionen, sagt Nis Grünberg, Experte für nachhaltige Entwicklung Chinas beim Mercator Institute for China Studies (Merics) in Berlin.
Der Emissionshandel soll ein wichtiger Bestandteil der chinesischen Klimapolitik werden. China ist derzeit mit 11,5 Milliarden Tonnen pro Jahr der weltweit größte CO₂-Emittent. Doch Präsident Xi Jinping hat im September angekündigt, dass sein Land ab 2060 kohlenstoffneutral wirtschaften werde. Bis spätestens 2030 will China “Peak Carbon” erreichen, also das historische Maximum der absoluten Jahres-Emissionen. Die CO₂-Intensität der Wirtschaft, also der Ausstoß relativ zur Wirtschaftsleistung, sinkt bereits. Das Minus lag zwischen 2005 und 2019 nach offiziellen Daten bei 48,1Prozent.
Auch beim Emissionshandel basiert Chinas Modell auf der CO₂-Intensität. Die Zuteilung der Quoten wird gemäß der CO₂-Emissionen pro Einheit produzierter Energie jedes Unternehmens berechnet. Das chinesische Modell erlaubt es also, die vorerst noch weiter steigende Energienachfrage zu berücksichtigen. Im Gegensatz dazu gilt in Europa ein Cap-and-Trade Modell, das eine absolute Emissions-Obergrenze festlegt, die immer niedriger wird.
Als Benchmark für die Vergabe der Quoten legte das Umweltministerium in dem Regelentwurf zunächst 0.877 Megatonnen CO₂ pro generierter Megawattstunde für Normalkohle-Kraftwerke ab 300 MW Kapazität fest. Das entspricht laut Grünberg etwa der durchschnittlichen Effizienz chinesischer Kraftwerke. Nur die ältesten, ineffizientesten Kohlekraftwerke müssten aktuell Zertifikate zukaufen. Firmen bekommen dadurch laut einer Studie der Internationalen Energie-Agentur (IEA) einen Anreiz, größere Anteile ihrer Stromerzeugung an die effizientesten Kraftwerke zu übertragen – und nur in ihre modernsten Kraftwerke zu investieren. Kleine, schmutzige Kraftwerke würden dagegen allmählich aus dem Markt gedrängt – was ohnehin politisch erwünscht ist.
Wie bei vielen Reformprojekten sammelte China auch für den Emissionshandel zunächst Erfahrungen in lokalen Pilotprojekten. Seit 2013 entstanden so in acht Städten und Provinzen lokale Plattformen für Emissionshandel: In den größten Städten wie Peking und Schanghai, aber auch in der der boomenden Provinz Guangdong oder der etwas weniger entwickelten zentralchinesischen Provinz Hubei. “Es wurde versucht, mit den Piloten unterschiedlich strukturierte Energiesysteme abzudecken”, sagt Grünberg. Die Regeln waren daher überall unterschiedlich. “In Guangdong etwa mussten die Firmen erst 10 Prozent der Emissionszertifikate kaufen. Die restlichen 90 Prozent wurden dann gratis vergeben”, so Grünberg. “Und über die Preisvergabe konnten die einzelnen Projekte relativ autonom entscheiden.” Die Preise waren niedrig und variierten stark, zwischen 2 und 15 Euro pro Megatonne CO₂. Zum Vergleich: In der EU lag der Preis Anfang Januar bei rund 35 Euro.
Die Erfahrungen vor Ort sollen nun helfen, das Regelgerüst mit Details zu füllen. Noch ist vieles unklar. “Was das Kleingedruckte angeht, wird sich in den kommenden Monaten noch sehr viel tun”, sagt Grünberg. “Es geht etwa um Compliance und um die Frage, ob die Emissionszertifikate in Schanghai über Auktionen oder auch im bilateralen Handel gehandelt werden.”
Nis Grünberg geht jedenfalls davon aus, dass die zunächst recht locker gehaltenen Regeln und Standards schrittweise strenger werden. “Meine Prognose ist, dass der Emissionshandel im neuen Fünfjahresplan von 2021 bis 2025 zunächst als fester Bestandteil des Energiesystems etabliert wird.” Die Details dieses Plans werden auf dem Nationalen Volkskongress im März vorgestellt. Spätestens beim darauffolgenden Plan (2026-2030) könnten dann die Daumenschrauben angezogen werden. “Bis dahin weiß die Regierung, was noch konkret getan werden muss um das Peak-Carbon-Ziel für 2030 zu erreichen”, so Grünberg.
Lai Xiaoming, Chef der Shanghaier Börse, wo der Emissionshandel andocken wird, geht davon aus, dass bald auch die Industrie mitmachen muss – und zwar acht energieintensive Branchen wie Zement, Stahl, Metallurgie oder Petrochemie. Damit werde das System dann im Laufe des Fünfjahresplans 2021-2025 auf rund 10.000 Firmen mit Emissionsquoten über fünf Milliarden Tonnen CO₂-Äquivalent anschwellen, sagte Lai der lokalen Finanzzeitung Securities News. Der Emissionshandel könne dann 70-80 Prozent der chinesischen CO₂-Emissionen erfassen, schätzt die Kohlenstoffanalystin Yan Qin vom Finanzdatenanbieter Refinitiv in einem Beitrag auf Twitter. Der Emissionshandel in Europa mit rund 11.000 Unternehmen deckt rund 40 Prozent der Treibhausgasemissionen der EU ab.
Mittelfristig werden beide sich also im Ausmaß ähneln. Entscheidend aber wird in der Zukunft auch die Preisentwicklung sein. Um wirklich Investitionen von klimaschädlichen in emissionssenkende Sektoren umzuleiten, muss Chinas Preis für den CO₂-Ausstoß noch deutlich steigen.
29.01.2021, 11:00 Uhr
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02.02.2021, 16:00-18:00 Uhr (GMT)
Panel zur Studie, AHK China German Chamber’s Business Confidence Survey Report Launch Mehr
Noch vor einem Jahr rümpften viele Luzerner angesichts der vielen Touristen die Nase. Fast 80 Prozent der mehr als 1500 befragten Bewohner gaben in einer Umfrage der Hochschule Luzern an, in den Gassen der Stadt am Vierwaldstättersee tummelten sich zu viele Besucher. Vom “Overtourismus” war schon die Rede. Am unbeliebtesten schnitten Touristen aus Asien ab. Bei 47 Prozent der Befragten war die Akzeptanz für diese Gäste niedrig bis sehr niedrig. Vielen war noch die XXL-Reisegruppe von Mai 2019 in Erinnerung: Eine chinesische Kosmetikfirma war mit 12.000 Mitarbeitern für einen gemeinsamen Werksausflug in Luzern eingefallen.
Das war vor Corona. Nun sind die Gassen leer. Und angesichts der vielen geschlossenen Uhrengeschäfte, Souvenirläden und Hotels werden die Touristen aus Fernost plötzlich schmerzlich vermisst. An diesem Wochenende beginnen in China die Ferien. Doch in der Saison 2021 bleiben die chinesischen Touristen in Europa komplett aus.
So wie der Stadt Luzern und der Schweiz geht es derzeit vielen europäischen Tourismusstandorten. Je nach Rechenart bereisten 2019 mehr als fünf Millionen chinesische Touristen ein europäisches Land, nach Deutschland kamen rund drei Millionen. Die Schweiz, aber auch Städte wie Paris, Mailand und Berlin, sind für Reisende aus China besonders im Januar und Februar angesagt. Sie nutzten die Feiertage rund um das chinesische Neujahrsfest für einen ausgiebigen Städteurlaub in Europa – oder sie gehen hier Skilaufen. Mit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie im vergangenen Februar brach das Geschäft jedoch komplett weg.
Die Besucher aus China haben bei ihren Reisen besonders viel Geld ausgegeben – kein Wunder also, dass die Geschäftsleute und Hotels sie nun vermissen. Rund 360 Euro gaben die Touristen aus der Volksrepublik 2019 pro Person im Schnitt aus – am Tag. Zum Vergleich: Deutsche Touristen geben in Europa im Schnitt knapp 100 Euro pro Urlaubstag aus.
Obwohl die chinesische Regierung im Ursprungsland der Covid-19-Pandemie seit Monaten nur noch verhältnismäßig wenige Neuinfektionen zählt und der inländische Flugverkehr weitgehend normal läuft, gestattet sie ihren Bürgern seit einem Jahr so gut wie keine privaten Auslandsreisen mehr. Die meisten internationalen Verbindungen sind gestrichen. Die Quarantänebestimmungen bei der Rückkehr aus Risikogebieten im Ausland sind sehr streng. Für einen Großteil der Isolationszeit dürfen die Reiserückkehrer nicht nach Hause, sondern müssen sich in speziell zugewiesenen Hotels einquartieren.
Die Einbußen für die europäische Tourismusbranche waren in den vergangenen zwölf Monate immens. Bei gerade einmal 167.000 lag die Zahl der Hotelübernachtungen von Touristen aus China, Hongkong und Taiwan zwischen Januar und November 2020 in der Schweiz. Das Jahr zuvor waren es noch über 1,8 Millionen Übernachtungen. “Das sind eindrücklich über 90 Prozent weniger als noch im Vorjahr”, sagt André Aschwanden von Schweiz Tourismus, der Tourismus-Marketingorganisation der Eidgenossenschaft.
Einen ebenso schlimmen Einbruch erlebt auch Berlin. Im Jahr 2019 hatte es noch 330.000 Übernachtungen von chinesischen Gästen gegeben, sagt Christian Tänzler von VisitBerlin, der Berlin Tourismus- und Kongressgesellschaft. Die Zahlen hätten sich in den zehn Jahren zuvor mehr als verdreifacht. Der Rückgang zwischen Januar und November 2020 belief sich auf 98 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Auch der internationale Flughafen von Amsterdam, Schiphol, meldet einen immensen Einbruch. Um 88 Prozent brach der Flugverkehr von und nach China ein. Dabei wollte sich der Flughafen als “China-Hub Europas” positionieren. Die Duty Free-Geschäfte machten vor allem rund um die chinesischen Neujahrsfeiertage gezielt Werbung für die Reisenden aus Fernost. Im vergangenen Jahr begingen Chinesen das Jahr des Schweins, entsprechend waren sämtliche Werbetafeln mit Schweinen bestückt. 2021 ist der Büffel dran – doch dieses Mal fallen entsprechende Werbeaktionen aus. Zwar fliegt Chinas größte Fluggesellschaft China Southern den größten Flughafen der Niederlande unregelmäßig noch an. Aber die wenigen chinesischen Fluggäste haben andere Sorgen. Bilder in chinesischen Medien zeigen sie am Flugsteig wartend in weißen Ganzkörper-Schutzanzügen.
Die Verluste wagt keiner genau zu beziffern. Die Branche liegt praktisch brach. “Wir gehen momentan davon aus, dass wir erst 2023 wieder etwa 80 Prozent der üblichen Hotelübernachtungen erreichen”, sagt Aschwanden von Schweiz Tourismus. Tänzler von VisitBerlin gibt gar keine Prognose ab – das sei “unseriös”, sagt er. Was seine Organisation in den letzten Monaten aber schon festgestellt hat: Das Interesse in China an Berlin habe in den letzten Wochen auf den digitalen Kanälen wieder deutlich zugenommen. Reisewebseiten über Berlin werden vermehrt abgerufen. Für ihn sei das ein Zeichen: “Der chinesische Tourismus steht in den Startlöchern.”
Noch im Februar erwartet Hongkong den ersten ausländischen Corona-Impfstoff, hergestellt von Biontech. Zunächst werden eine Million Dosen geliefert. Für den Transport und die Lagerung ist der chinesische Partner von Biontech, der Pharmakonzern Fosun zuständig. Erst vergangenen Dienstag wurde der Impfstoff von den Hongkonger Behörden zugelassen. Die Zulassung auf dem Festland steht noch aus. Doch in den letzten Tagen wurde der deutsche Impfstoff in China von staatlichen Medien und dem Außenministerium kritisiert.
Es gibt zwar keine Belege für eine staatlich orchestrierte Kampagne gegen Biontech-Pfizer, was das Vertrauen in den Impfstoff in der eigenen Bevölkerung auch schwächen würde. Zahlreiche Artikel in den chinesischen Staatsmedien verbreiten jedoch Gerüchte. So heißt es in der Global Times der Biontech-Pfizer-Impfstoff sei für zig Todesfälle verantwortlich, habe eventuell nur eine Wirksamkeit von 19 Prozent, Geimpfte in Israel hätten sich nach der Impfung infiziert und eine Impfung mit diesem Wirkstoff gehe mit “unbekannten Risiken bis hin zum Tode” einher. Auch China Daily verbreitete ähnliche Gerüchte. Die Star-Moderatorin Liu Xin, die für den englischen Dienst des chinesischen Staatssenders China Global Television Network (CGTN) arbeitet, verbreitete auf Twitter Gerüchte über Todesfälle nach Impfungen mit dem Biontech-Pfizer Wirkstoff. Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Zhao Lijian schlug in die gleiche Kerbe – ebenfalls auf Twitter, das allerdings in China gesperrt ist. Er twitterte eine entsprechende Meldung der iranischen Nachrichtenagentur FNA.
Das Problem bei der Kritik der chinesischen Medien: Die Meldungen, die sie verbreiteten, erwiesen sich als falsch. Dass sie nicht haltbar sind, wurde von westlichen Medien sehr schnell und transparent aufgedeckt. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) teilte mit, dass der Tod dieser Menschen in keinem direkten Zusammenhang mit dem Impfstoff stand.
Kritik an der Intransparenz der chinesischen Testverfahren beschränkt sich auch nicht nur auf Medien und Wissenschaftler aus dem Westen. Selbst chinesische Forscher beklagen sich darüber. Anfang dieser Woche forderte Ding Sheng, der Dekan des Instituts für Pharmawissenschaften und Direktor des globalen Impfstoffentwicklungsinstituts (GHDDI) der Eliteuniversität Tsinghua, mehr Transparenz. Das GHDDI wird von der Bill und Melinda Gates Stiftung, der Tsinghua Universität und der Stadt Peking finanziert. “Die Originaldaten der klinischen Tests sollten veröffentlicht werden”, forderte Ding. So könnten Wissenschaftler die Risiken besser bewerten. Chinesische Impfstoffe werden bereits in Bolivien, Brasilien, Indonesien und der Türkei verwendet. Untersuchungen in den jeweiligen Ländern kommen zu sehr unterschiedlichen Quoten bei der Impfstoffwirksamkeit. Im Unterschied zu den chinesischen Impfstoffen sind die Testreihen zum Beispiel von Biontech längst in international renommierten Fachzeitschriften veröffentlicht.
In der Hitze des verbalen Gefechtes ist den staatlichen Biontech-Kritikern zudem offensichtlich entgangen, dass der deutsche Hersteller nicht nur mit dem amerikanischen Unternehmen Pfizer, sondern auch mit dem chinesischen Konzern Shanghai Fosun Pharmactical Group Ltd. eng kooperiert. Bereits im März 2020 haben Biontech und Fosun Pharma eine Zusammenarbeit vereinbart. Fosun kümmert sich um die Zulassung und die Vermarktung der Impfstoffe in China. Die Gewinne daraus teilen sich beide Unternehmen. Dafür erhielt Biontech 130 Millionen Euro an Vorauszahlungen. Fosun kaufte Biontech-Aktien im Wert von 44 Millionen Euro. Erst im April, einen Monat später, hat Biontech eine Kooperationsvereinbarung zur Entwicklung und Distribution eines Impfstoffs mit Pfizer beschlossen. Die Investitionen von Pfizer sind mit rund 600 Millionen Euro allerdings deutlich höher.
Am 24. November 2020 hatten Fosun und das Mainzer Unternehmen die Phase-2-Studie mit ihrem Impfstoffkandidaten BNT162b2 in der Jiangsu-Provinz in China begonnen. Die Studie verlief erfolgreich. Am 16. Dezember wurde die erste Liefervereinbarung mit China über 100 Millionen Dosen vereinbart. Laut einem Bericht des chinesischen Wirtschaftsmagazin Caixin werden Biontech und Fosun Pharma zudem ein Joint Venture zur Impfstoffproduktion gründen. In der ersten Phase soll die Fabrik in China eine Kapazität von 200 Millionen Dosen pro Jahr haben.
Gemessen an den erreichten Punkten bleibt die Volksrepublik aber weiterhin unter dem globalen Durchschnitt. Im von TI erstellten Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index, CPI) für 2020 erreichte das Land Platz 78 von 179. Im Jahr 2019 lag China auf Rang 80, 2018 auf Rang 87.
Seit Chinas Tiefpunkt im Ranking 2014 habe es zwar signifikante Verbesserungen gegeben, sagt Ilham Mohammed, Beraterin bei TI für Asien, dem China.Table. Doch weiterhin gelte: “Korruption im öffentlichen Sektor in China ist weit verbreitet und tief verwurzelt und hat schwerwiegende Auswirkungen auf das Leben der normalen Chinesen”, betont Mohammed.
Ein Grund für die Verbesserung – zumindest was die Wahrnehmung von Korruption in Behörden und Politik angeht – kann demnach die aggressive Antikorruptionskampagne der chinesischen Regierung sein. Es sei wahrscheinlich, dass die CPI-Quellen erkennen, dass diese zu einigen Erfolgen geführt habe, so die TI-Expertin. “Für einen langfristigen und nachhaltigen Erfolg muss die Korruptionsbekämpfung aber frei von politischen Eingriffen und Missbrauch sein.”
Der CPI gibt den Grad der in Politik und Verwaltung wahrgenommenen Korruption in den Ländern wieder. Die Bewertung beruht auf Daten von Experten, Umfragen unter beispielsweise Geschäftsleuten sowie weiteren Untersuchungen und umfasst im aktuellsten Ranking 180 Länder. Diese werden nach einer Punkte-Wertung auf einer Skala angeordnet – je mehr Punkte, desto höher finden sich die Staaten auf der Liste wieder. Führend sind Dänemark und Neuseeland mit jeweils 88 Punkten, sie teilen sich den ersten Platz. Deutschland erreicht mit 80 Punkten Platz 9. ari
Die Zahl der chinesischen Arbeiter in Afrika sinkt weiter. Laut Erhebungen der China Africa Research Initiative (CARI) waren Ende 2019 182.745 chinesische Arbeiter in circa 10.000 chinesisch geführten Unternehmen aktiv. 2015 lag die Zahl noch bei 263.700, seitdem ist sie kontinuierlich um 30 Prozent gesunken. Die Hälfte der Chinesen arbeiten in Algerien, Angola, Nigeria, Sambia und Kenia. In den letzten Jahren gab es in vielen afrikanischen Ländern Kritik daran, dass chinesisch finanzierte Infrastruktur-Projekte nur einen kleinen Teil inländischer Arbeitskräfte einstellen. Einige afrikanische Regierungen hätten in den letzten Jahren jedoch verstärkt darauf geachtet, Arbeitsplätze für Einheimische zu schaffen, sagt die Ökonomin Hannah Ryder von der Consulting-Firma Development Reimagined dem Portal Quartz Africa. Das trage maßgeblich zu den sinkenden Zahlen chinesischer Arbeitskräfte in Afrika bei. Informelle Arbeitskräfte wie Händler und Ladenbesitzer werden laut CARI nicht von der Statistik erfasst.
Seit 2015 nehmen auch die Einnahmen chinesischer Baufirmen in Afrika ab. Konnten 2015 noch fast 55 Milliarden US-Dollar generiert werden, fielen die Einnahmen 2019 um 16 Prozent auf 46 Milliarden US-Dollar. Auch eine Datenbank des American Enterprise Institute und der Heritage Foundation zeigt, dass die chinesischen Investitionen zumindest in Subsahara-Afrika zwischen 2015 und 2019 um 25 Prozent abgenommen haben – von 30 auf 22,7 Milliarden US-Dollar. Im Corona-Jahr 2020 sanken sie sogar auf nur noch 7,15 Milliarden US-Dollar. Dieses geringere Engagement in Afrika ist eine weitere Ursache für die sinkende Zahl chinesischer Arbeiter auf dem Kontinent. nib
Wenn Elefanten kämpfen, leidet das Gras, sagt ein afrikanisches Sprichwort. Seit einigen Jahren sehen Beobachter einen neuen kalten Krieg zwischen China und den USA heraufziehen, einen Systemkonflikt, und wir in Europa müssen fürchten, dabei als Gras von zwei kämpfenden Elefanten zertreten zu werden. In amerikanischen Zeitschriften und Büchern finden sich seit Jahren zahlreiche Artikel und Beiträge über den “Coming War with China”, während chinesische Denker den Untergang der USA prophezeien und gleichzeitig die Europäer zu einer “unabhängigen” Außenpolitik auffordern.
Solche Ratschläge sind allerdings nicht neutral, sondern interessengeleitet. China ist eine Diktatur, in der Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind. Der Konflikt zwischen den USA und China ist auch ein Systemkonflikt um die Art, wie wir leben wollen, ein Konflikt zwischen Freiheit und Unfreiheit. Schon die Bilder aus Hongkong und Xinjiang sprechen Bände, doch chinesische Zensurversuche beim SWR und das Einfordern unterwürfiger Demutsgesten von deutschen Top-Managern zeigen, dass die Volksrepublik uns schon näher ist, als viele glauben.
China arbeitet seit Jahren daran, die Europäische Union nach außen von den USA lösen und im inneren zu spalten. Das hat auch die Sowjetunion immer versucht und so liegt die Analogie zum Kalten Krieg des 20. Jahrhunderts nahe. Einen Denkfehler sollte man dabei tunlichst vermeiden: Nur weil der Westen den ersten Kalten Kriege gewonnen hat, heißt das noch lange nicht, dass wir automatisch auch weitere kalte Kriege für uns entscheiden werden. Im Gegenteil: Die chinesische Führung hat ihr Land zu einer wirtschaftlich starken und effizienten Macht entwickelt, während die amerikanische Demokratie sich zuletzt in ideologischen Grabenkämpfen aufrieb. Die Abwahl von Donald Trump erscheint in dieser Perspektive als ein Hoffnungsschimmer, keineswegs aber als Garantie dafür, dass die Führungsmacht des Westens wieder ganz zu sich selbst gefunden hat.
Deutschlands ganze Hoffnung scheint aber wieder einmal darauf zu ruhen, dass die USA die Dinge schon richten werden. Die Erwartungen an Biden sind hoch, nur wenige machen sich die Mühe, die Frage einmal umzudrehen: Was darf eine Biden-Administration eigentlich von uns erwarten? In seiner Zeit als EU-Kommissionspräsident hat Jean-Claude Juncker verlangt, Europa müsse “weltpolitikfähig werden”, Ursula von der Leyen will eine “geopolitische” Kommission führen. Beide haben recht und doch ist Europa von diesen Zielen weit entfernt, Deutschland sogar meilenweit. Wir leben in Freiheit, mit Demokratie, Rechtsstaat und Marktwirtschaft, legen als Europäer aber auch großen Wert auf sozialen Ausgleich, Umwelt- und Klimaschutz. Das ist unser European Way of Life. Deutschland ist politisch verankert in der EU, militärisch abgesichert in der Nato, unsere Produkte haben Zugang zu den Märkten der Welt. Dieses System nehmen wir als selbstverständlich gegeben hin, wären als Deutschland allein, aber niemals in der Lage, es herzustellen oder zu verteidigen. Alles, was uns lieb und teuer ist, hängt vom Erhalt der liberalen Weltordnung ab, aber wir beschäftigen uns am liebsten mit uns selbst, ganz besonders im politischen Berlin – das muss sich ändern.
Es muss sich auch deswegen ändern, weil sich ein weiterer kalter Krieg in unserer Hauptstadt abspielt, denn immer wieder greifen Hacker Bundestag und Bundesministerien an, die meisten kommen aus Russland. Desinformation und Cyberoperationen sind Elemente des kalten Krieges, der von Moskau gegen unsere freiheitliche Demokratie und den Zusammenhalt der EU geführt wird. Diesen kalten Krieg gegen die Demokratie führen auch Putins Helfer im Inneren der Europäischen Union, ob sie nun Trump oder Salvini, Gauland oder Le Pen heißen. Wir sind also dreifach gefordert und müssen beantworten, was wir tun wollen, um den European Way of Life für kommende Generationen zu erhalten. Welchen Beitrag müssen wir leisten, damit wir Freiheit und Wohlstand im 21. Jahrhundert erhalten können?
In einem Konflikt zwischen Freiheit und Unfreiheit muss sich wertegeleitete Außenpolitik immer für die Freiheit entscheiden. Die Wahl von Joe Biden ist eine Chance, die wir verpassen, wenn wir die transatlantischen Beziehungen nicht wiederbeleben. Aber mehr noch: Wenn der dominante Konflikt des 21. Jahrhunderts sich im pazifischen Raum abspielt, müssen wir unsere Partner dort viel stärker als bisher in den Blick nehmen. Vertiefte Zusammenarbeit mit Japan, Australien und Südkorea muss zur Schaffung eines globalen Westens als friedliches und freies Gegengewicht zu China führen. Dieser müsste sich auch wirtschaftlich nicht verstecken, denn EU, USA und die anderen westlichen Länder bilden mehr als die Hälfte der Weltwirtschaftsleistung ab.
Bei der Frage nach der Rolle Deutschlands gerät ein Land in den Blick, das von sich selber weiß, dass es zu klein ist, um die Welt zu verändern: Norwegen. Skandinavisch progressiv, aber nicht neutral, sondern aktives Nato-Mitglied, ist unser Nachbar im Norden vor allem diplomatisch hoch engagiert. Wer in New York durch die Gänge der UNO geht, staunt, wie viele Norweger dort Weltpolitik gestalten. Nach 70 Jahren Erziehung zum Pazifismus sind wir Deutschen nicht dazu bereit, Frankreich oder gar den USA militärisch nachzueifern. Konstant hoch ist dagegen die Zustimmung für zivile Krisenprävention und aktive Diplomatie – die aber genauso unterfinanziert ist wie die Bundeswehr. Wir müssen unsere militärischen Verpflichtungen in der Nato erfüllen, denn auch die Demokraten in den USA sehen nicht mehr ein, dass wir Sicherheit nur konsumieren, aber nicht produzieren. Vor allem aber muss Deutschland in den Vereinten Nationen finanziell, konzeptionell und personell stark vertreten sein, ganz gleich, ob es um Gesundheit, Klima, Ernährung, Entwicklung, Migration oder die große Diplomatie zur Friedenssicherung geht. Wenn wir einen Beitrag leisten wollen zum Erhalt der Ordnung, von der wir abhängen, dann sollte Deutschland eine Art “Super-Norwegen” werden, eine Zivilmacht mit Courage.
Alexander Graf Lambsdorff ist Mitglied des Bundestags und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP. Am 1. Februar erscheint sein Buch “Wenn Elefanten kämpfen” im Propyläen Verlag, in dem er Deutschland im Zangengriff zwischen China und den USA verortet.
Der Zoologe Peter Daszak, Präsident der EcoHealth Alliance und Mitglied der WHO-Mission, die den Ausbruch des Covid19-Virus in Wuhan untersuchen will, zeigt auf Twitter sein Hotelzimmer. In einem weiteren Tweet schreibt er, es sei “überraschend einfach” gewesen 14 Tage in Quarantäne zu verbringen. Viel Arbeit und ein schönes Hotel sorgten dafür, dass die “Zeit wie im Flug verging”.
verlässliche Informationen aus und über China: Das ist unser Anspruch und zugleich unser Versprechen an Sie. Ab Montag informiert Sie unser Redaktionsteam von China.Table an jedem Werktag um sechs Uhr morgens über aktuelle Trends, ordnet politische Entwicklungen ein und analysiert wirtschaftliche und gesellschaftliche Hintergründe. Wir scannen außerdem täglich die Headlines der wichtigsten deutsch- und englischsprachigen Publikationen, informieren Sie über Termine und portraitieren Experten, die Sie kennenlernen sollten.
Mehr als 1000 China-Kenner und China-Interessierte haben sich in den letzten Tagen bereits registriert. Herzlich willkommen! Und weil wir Ihre Expertise nicht nur schätzen, sondern auch eine Plattform schaffen wollen für den Austausch von Standpunkten, möchte ich Sie einladen in der gleichnamigen Rubrik unseres China.Table Ihre Positionen und Erfahrungen zu diskutieren. Schreiben Sie mir gern und lassen Sie uns in einen breiten Dialog treten – an unserem Table.
Es ist soweit: China steigt am 1. Februar in den lange geplanten und immer wieder verschobenen Emissionshandel ein. Zwar startet im Sommer der Handel mit Zertifikaten an der Shanghai Environment and Energy Exchange. Doch das gesetzliche Rahmenwerk für das System tritt jetzt in Kraft. Die Meldebehörde für teilnehmende Unternehmen in Wuhan arbeitet bereits, und Chinas Umweltministerium hat nach eigenen Angaben erste Emissionsquoten vergeben. Damit sei zum ersten Mal in China die Verantwortung für die Reduktion von Treibhausgasemissionen durch Anordnung auf nationaler Ebene an die Unternehmen übertragen worden, sagte Li Gao, Direktor der Abteilung für Klimawandel im Umweltministerium. Bisher gab es für den Emissionshandel nur ein paar lokale Pilotprogramme.
Zunächst umfasst das System nur den Energiesektor – genauer gesagt 2.225 Betreiber von Kohle- und Gaskraftwerken. Es sind jene Unternehmen mit einem jährlichen Ausstoß von mehr als 26.000 Megatonnen Kohlenstoffdioxid (CO₂)-Äquivalent, beziehungsweise einem Energieverbrauch pro Jahr ab 10.000 Megatonnen Standard-Kohle-Äquivalent. Für sie ist die Teilnahme Pflicht. Diese Kraftwerke produzieren rund ein Drittel der chinesischen CO₂–Emissionen, sagt Nis Grünberg, Experte für nachhaltige Entwicklung Chinas beim Mercator Institute for China Studies (Merics) in Berlin.
Der Emissionshandel soll ein wichtiger Bestandteil der chinesischen Klimapolitik werden. China ist derzeit mit 11,5 Milliarden Tonnen pro Jahr der weltweit größte CO₂-Emittent. Doch Präsident Xi Jinping hat im September angekündigt, dass sein Land ab 2060 kohlenstoffneutral wirtschaften werde. Bis spätestens 2030 will China “Peak Carbon” erreichen, also das historische Maximum der absoluten Jahres-Emissionen. Die CO₂-Intensität der Wirtschaft, also der Ausstoß relativ zur Wirtschaftsleistung, sinkt bereits. Das Minus lag zwischen 2005 und 2019 nach offiziellen Daten bei 48,1Prozent.
Auch beim Emissionshandel basiert Chinas Modell auf der CO₂-Intensität. Die Zuteilung der Quoten wird gemäß der CO₂-Emissionen pro Einheit produzierter Energie jedes Unternehmens berechnet. Das chinesische Modell erlaubt es also, die vorerst noch weiter steigende Energienachfrage zu berücksichtigen. Im Gegensatz dazu gilt in Europa ein Cap-and-Trade Modell, das eine absolute Emissions-Obergrenze festlegt, die immer niedriger wird.
Als Benchmark für die Vergabe der Quoten legte das Umweltministerium in dem Regelentwurf zunächst 0.877 Megatonnen CO₂ pro generierter Megawattstunde für Normalkohle-Kraftwerke ab 300 MW Kapazität fest. Das entspricht laut Grünberg etwa der durchschnittlichen Effizienz chinesischer Kraftwerke. Nur die ältesten, ineffizientesten Kohlekraftwerke müssten aktuell Zertifikate zukaufen. Firmen bekommen dadurch laut einer Studie der Internationalen Energie-Agentur (IEA) einen Anreiz, größere Anteile ihrer Stromerzeugung an die effizientesten Kraftwerke zu übertragen – und nur in ihre modernsten Kraftwerke zu investieren. Kleine, schmutzige Kraftwerke würden dagegen allmählich aus dem Markt gedrängt – was ohnehin politisch erwünscht ist.
Wie bei vielen Reformprojekten sammelte China auch für den Emissionshandel zunächst Erfahrungen in lokalen Pilotprojekten. Seit 2013 entstanden so in acht Städten und Provinzen lokale Plattformen für Emissionshandel: In den größten Städten wie Peking und Schanghai, aber auch in der der boomenden Provinz Guangdong oder der etwas weniger entwickelten zentralchinesischen Provinz Hubei. “Es wurde versucht, mit den Piloten unterschiedlich strukturierte Energiesysteme abzudecken”, sagt Grünberg. Die Regeln waren daher überall unterschiedlich. “In Guangdong etwa mussten die Firmen erst 10 Prozent der Emissionszertifikate kaufen. Die restlichen 90 Prozent wurden dann gratis vergeben”, so Grünberg. “Und über die Preisvergabe konnten die einzelnen Projekte relativ autonom entscheiden.” Die Preise waren niedrig und variierten stark, zwischen 2 und 15 Euro pro Megatonne CO₂. Zum Vergleich: In der EU lag der Preis Anfang Januar bei rund 35 Euro.
Die Erfahrungen vor Ort sollen nun helfen, das Regelgerüst mit Details zu füllen. Noch ist vieles unklar. “Was das Kleingedruckte angeht, wird sich in den kommenden Monaten noch sehr viel tun”, sagt Grünberg. “Es geht etwa um Compliance und um die Frage, ob die Emissionszertifikate in Schanghai über Auktionen oder auch im bilateralen Handel gehandelt werden.”
Nis Grünberg geht jedenfalls davon aus, dass die zunächst recht locker gehaltenen Regeln und Standards schrittweise strenger werden. “Meine Prognose ist, dass der Emissionshandel im neuen Fünfjahresplan von 2021 bis 2025 zunächst als fester Bestandteil des Energiesystems etabliert wird.” Die Details dieses Plans werden auf dem Nationalen Volkskongress im März vorgestellt. Spätestens beim darauffolgenden Plan (2026-2030) könnten dann die Daumenschrauben angezogen werden. “Bis dahin weiß die Regierung, was noch konkret getan werden muss um das Peak-Carbon-Ziel für 2030 zu erreichen”, so Grünberg.
Lai Xiaoming, Chef der Shanghaier Börse, wo der Emissionshandel andocken wird, geht davon aus, dass bald auch die Industrie mitmachen muss – und zwar acht energieintensive Branchen wie Zement, Stahl, Metallurgie oder Petrochemie. Damit werde das System dann im Laufe des Fünfjahresplans 2021-2025 auf rund 10.000 Firmen mit Emissionsquoten über fünf Milliarden Tonnen CO₂-Äquivalent anschwellen, sagte Lai der lokalen Finanzzeitung Securities News. Der Emissionshandel könne dann 70-80 Prozent der chinesischen CO₂-Emissionen erfassen, schätzt die Kohlenstoffanalystin Yan Qin vom Finanzdatenanbieter Refinitiv in einem Beitrag auf Twitter. Der Emissionshandel in Europa mit rund 11.000 Unternehmen deckt rund 40 Prozent der Treibhausgasemissionen der EU ab.
Mittelfristig werden beide sich also im Ausmaß ähneln. Entscheidend aber wird in der Zukunft auch die Preisentwicklung sein. Um wirklich Investitionen von klimaschädlichen in emissionssenkende Sektoren umzuleiten, muss Chinas Preis für den CO₂-Ausstoß noch deutlich steigen.
29.01.2021, 11:00 Uhr
Meet the Press, Forum.eu Forum Meets the Press. EU – China Deal: An Investment in European Autonomy? Mehr
02.02.2021, 17:00-18:00 Uhr
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Noch vor einem Jahr rümpften viele Luzerner angesichts der vielen Touristen die Nase. Fast 80 Prozent der mehr als 1500 befragten Bewohner gaben in einer Umfrage der Hochschule Luzern an, in den Gassen der Stadt am Vierwaldstättersee tummelten sich zu viele Besucher. Vom “Overtourismus” war schon die Rede. Am unbeliebtesten schnitten Touristen aus Asien ab. Bei 47 Prozent der Befragten war die Akzeptanz für diese Gäste niedrig bis sehr niedrig. Vielen war noch die XXL-Reisegruppe von Mai 2019 in Erinnerung: Eine chinesische Kosmetikfirma war mit 12.000 Mitarbeitern für einen gemeinsamen Werksausflug in Luzern eingefallen.
Das war vor Corona. Nun sind die Gassen leer. Und angesichts der vielen geschlossenen Uhrengeschäfte, Souvenirläden und Hotels werden die Touristen aus Fernost plötzlich schmerzlich vermisst. An diesem Wochenende beginnen in China die Ferien. Doch in der Saison 2021 bleiben die chinesischen Touristen in Europa komplett aus.
So wie der Stadt Luzern und der Schweiz geht es derzeit vielen europäischen Tourismusstandorten. Je nach Rechenart bereisten 2019 mehr als fünf Millionen chinesische Touristen ein europäisches Land, nach Deutschland kamen rund drei Millionen. Die Schweiz, aber auch Städte wie Paris, Mailand und Berlin, sind für Reisende aus China besonders im Januar und Februar angesagt. Sie nutzten die Feiertage rund um das chinesische Neujahrsfest für einen ausgiebigen Städteurlaub in Europa – oder sie gehen hier Skilaufen. Mit Ausbruch der Coronavirus-Pandemie im vergangenen Februar brach das Geschäft jedoch komplett weg.
Die Besucher aus China haben bei ihren Reisen besonders viel Geld ausgegeben – kein Wunder also, dass die Geschäftsleute und Hotels sie nun vermissen. Rund 360 Euro gaben die Touristen aus der Volksrepublik 2019 pro Person im Schnitt aus – am Tag. Zum Vergleich: Deutsche Touristen geben in Europa im Schnitt knapp 100 Euro pro Urlaubstag aus.
Obwohl die chinesische Regierung im Ursprungsland der Covid-19-Pandemie seit Monaten nur noch verhältnismäßig wenige Neuinfektionen zählt und der inländische Flugverkehr weitgehend normal läuft, gestattet sie ihren Bürgern seit einem Jahr so gut wie keine privaten Auslandsreisen mehr. Die meisten internationalen Verbindungen sind gestrichen. Die Quarantänebestimmungen bei der Rückkehr aus Risikogebieten im Ausland sind sehr streng. Für einen Großteil der Isolationszeit dürfen die Reiserückkehrer nicht nach Hause, sondern müssen sich in speziell zugewiesenen Hotels einquartieren.
Die Einbußen für die europäische Tourismusbranche waren in den vergangenen zwölf Monate immens. Bei gerade einmal 167.000 lag die Zahl der Hotelübernachtungen von Touristen aus China, Hongkong und Taiwan zwischen Januar und November 2020 in der Schweiz. Das Jahr zuvor waren es noch über 1,8 Millionen Übernachtungen. “Das sind eindrücklich über 90 Prozent weniger als noch im Vorjahr”, sagt André Aschwanden von Schweiz Tourismus, der Tourismus-Marketingorganisation der Eidgenossenschaft.
Einen ebenso schlimmen Einbruch erlebt auch Berlin. Im Jahr 2019 hatte es noch 330.000 Übernachtungen von chinesischen Gästen gegeben, sagt Christian Tänzler von VisitBerlin, der Berlin Tourismus- und Kongressgesellschaft. Die Zahlen hätten sich in den zehn Jahren zuvor mehr als verdreifacht. Der Rückgang zwischen Januar und November 2020 belief sich auf 98 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Auch der internationale Flughafen von Amsterdam, Schiphol, meldet einen immensen Einbruch. Um 88 Prozent brach der Flugverkehr von und nach China ein. Dabei wollte sich der Flughafen als “China-Hub Europas” positionieren. Die Duty Free-Geschäfte machten vor allem rund um die chinesischen Neujahrsfeiertage gezielt Werbung für die Reisenden aus Fernost. Im vergangenen Jahr begingen Chinesen das Jahr des Schweins, entsprechend waren sämtliche Werbetafeln mit Schweinen bestückt. 2021 ist der Büffel dran – doch dieses Mal fallen entsprechende Werbeaktionen aus. Zwar fliegt Chinas größte Fluggesellschaft China Southern den größten Flughafen der Niederlande unregelmäßig noch an. Aber die wenigen chinesischen Fluggäste haben andere Sorgen. Bilder in chinesischen Medien zeigen sie am Flugsteig wartend in weißen Ganzkörper-Schutzanzügen.
Die Verluste wagt keiner genau zu beziffern. Die Branche liegt praktisch brach. “Wir gehen momentan davon aus, dass wir erst 2023 wieder etwa 80 Prozent der üblichen Hotelübernachtungen erreichen”, sagt Aschwanden von Schweiz Tourismus. Tänzler von VisitBerlin gibt gar keine Prognose ab – das sei “unseriös”, sagt er. Was seine Organisation in den letzten Monaten aber schon festgestellt hat: Das Interesse in China an Berlin habe in den letzten Wochen auf den digitalen Kanälen wieder deutlich zugenommen. Reisewebseiten über Berlin werden vermehrt abgerufen. Für ihn sei das ein Zeichen: “Der chinesische Tourismus steht in den Startlöchern.”
Noch im Februar erwartet Hongkong den ersten ausländischen Corona-Impfstoff, hergestellt von Biontech. Zunächst werden eine Million Dosen geliefert. Für den Transport und die Lagerung ist der chinesische Partner von Biontech, der Pharmakonzern Fosun zuständig. Erst vergangenen Dienstag wurde der Impfstoff von den Hongkonger Behörden zugelassen. Die Zulassung auf dem Festland steht noch aus. Doch in den letzten Tagen wurde der deutsche Impfstoff in China von staatlichen Medien und dem Außenministerium kritisiert.
Es gibt zwar keine Belege für eine staatlich orchestrierte Kampagne gegen Biontech-Pfizer, was das Vertrauen in den Impfstoff in der eigenen Bevölkerung auch schwächen würde. Zahlreiche Artikel in den chinesischen Staatsmedien verbreiten jedoch Gerüchte. So heißt es in der Global Times der Biontech-Pfizer-Impfstoff sei für zig Todesfälle verantwortlich, habe eventuell nur eine Wirksamkeit von 19 Prozent, Geimpfte in Israel hätten sich nach der Impfung infiziert und eine Impfung mit diesem Wirkstoff gehe mit “unbekannten Risiken bis hin zum Tode” einher. Auch China Daily verbreitete ähnliche Gerüchte. Die Star-Moderatorin Liu Xin, die für den englischen Dienst des chinesischen Staatssenders China Global Television Network (CGTN) arbeitet, verbreitete auf Twitter Gerüchte über Todesfälle nach Impfungen mit dem Biontech-Pfizer Wirkstoff. Der Sprecher des chinesischen Außenministeriums Zhao Lijian schlug in die gleiche Kerbe – ebenfalls auf Twitter, das allerdings in China gesperrt ist. Er twitterte eine entsprechende Meldung der iranischen Nachrichtenagentur FNA.
Das Problem bei der Kritik der chinesischen Medien: Die Meldungen, die sie verbreiteten, erwiesen sich als falsch. Dass sie nicht haltbar sind, wurde von westlichen Medien sehr schnell und transparent aufgedeckt. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) teilte mit, dass der Tod dieser Menschen in keinem direkten Zusammenhang mit dem Impfstoff stand.
Kritik an der Intransparenz der chinesischen Testverfahren beschränkt sich auch nicht nur auf Medien und Wissenschaftler aus dem Westen. Selbst chinesische Forscher beklagen sich darüber. Anfang dieser Woche forderte Ding Sheng, der Dekan des Instituts für Pharmawissenschaften und Direktor des globalen Impfstoffentwicklungsinstituts (GHDDI) der Eliteuniversität Tsinghua, mehr Transparenz. Das GHDDI wird von der Bill und Melinda Gates Stiftung, der Tsinghua Universität und der Stadt Peking finanziert. “Die Originaldaten der klinischen Tests sollten veröffentlicht werden”, forderte Ding. So könnten Wissenschaftler die Risiken besser bewerten. Chinesische Impfstoffe werden bereits in Bolivien, Brasilien, Indonesien und der Türkei verwendet. Untersuchungen in den jeweiligen Ländern kommen zu sehr unterschiedlichen Quoten bei der Impfstoffwirksamkeit. Im Unterschied zu den chinesischen Impfstoffen sind die Testreihen zum Beispiel von Biontech längst in international renommierten Fachzeitschriften veröffentlicht.
In der Hitze des verbalen Gefechtes ist den staatlichen Biontech-Kritikern zudem offensichtlich entgangen, dass der deutsche Hersteller nicht nur mit dem amerikanischen Unternehmen Pfizer, sondern auch mit dem chinesischen Konzern Shanghai Fosun Pharmactical Group Ltd. eng kooperiert. Bereits im März 2020 haben Biontech und Fosun Pharma eine Zusammenarbeit vereinbart. Fosun kümmert sich um die Zulassung und die Vermarktung der Impfstoffe in China. Die Gewinne daraus teilen sich beide Unternehmen. Dafür erhielt Biontech 130 Millionen Euro an Vorauszahlungen. Fosun kaufte Biontech-Aktien im Wert von 44 Millionen Euro. Erst im April, einen Monat später, hat Biontech eine Kooperationsvereinbarung zur Entwicklung und Distribution eines Impfstoffs mit Pfizer beschlossen. Die Investitionen von Pfizer sind mit rund 600 Millionen Euro allerdings deutlich höher.
Am 24. November 2020 hatten Fosun und das Mainzer Unternehmen die Phase-2-Studie mit ihrem Impfstoffkandidaten BNT162b2 in der Jiangsu-Provinz in China begonnen. Die Studie verlief erfolgreich. Am 16. Dezember wurde die erste Liefervereinbarung mit China über 100 Millionen Dosen vereinbart. Laut einem Bericht des chinesischen Wirtschaftsmagazin Caixin werden Biontech und Fosun Pharma zudem ein Joint Venture zur Impfstoffproduktion gründen. In der ersten Phase soll die Fabrik in China eine Kapazität von 200 Millionen Dosen pro Jahr haben.
Gemessen an den erreichten Punkten bleibt die Volksrepublik aber weiterhin unter dem globalen Durchschnitt. Im von TI erstellten Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index, CPI) für 2020 erreichte das Land Platz 78 von 179. Im Jahr 2019 lag China auf Rang 80, 2018 auf Rang 87.
Seit Chinas Tiefpunkt im Ranking 2014 habe es zwar signifikante Verbesserungen gegeben, sagt Ilham Mohammed, Beraterin bei TI für Asien, dem China.Table. Doch weiterhin gelte: “Korruption im öffentlichen Sektor in China ist weit verbreitet und tief verwurzelt und hat schwerwiegende Auswirkungen auf das Leben der normalen Chinesen”, betont Mohammed.
Ein Grund für die Verbesserung – zumindest was die Wahrnehmung von Korruption in Behörden und Politik angeht – kann demnach die aggressive Antikorruptionskampagne der chinesischen Regierung sein. Es sei wahrscheinlich, dass die CPI-Quellen erkennen, dass diese zu einigen Erfolgen geführt habe, so die TI-Expertin. “Für einen langfristigen und nachhaltigen Erfolg muss die Korruptionsbekämpfung aber frei von politischen Eingriffen und Missbrauch sein.”
Der CPI gibt den Grad der in Politik und Verwaltung wahrgenommenen Korruption in den Ländern wieder. Die Bewertung beruht auf Daten von Experten, Umfragen unter beispielsweise Geschäftsleuten sowie weiteren Untersuchungen und umfasst im aktuellsten Ranking 180 Länder. Diese werden nach einer Punkte-Wertung auf einer Skala angeordnet – je mehr Punkte, desto höher finden sich die Staaten auf der Liste wieder. Führend sind Dänemark und Neuseeland mit jeweils 88 Punkten, sie teilen sich den ersten Platz. Deutschland erreicht mit 80 Punkten Platz 9. ari
Die Zahl der chinesischen Arbeiter in Afrika sinkt weiter. Laut Erhebungen der China Africa Research Initiative (CARI) waren Ende 2019 182.745 chinesische Arbeiter in circa 10.000 chinesisch geführten Unternehmen aktiv. 2015 lag die Zahl noch bei 263.700, seitdem ist sie kontinuierlich um 30 Prozent gesunken. Die Hälfte der Chinesen arbeiten in Algerien, Angola, Nigeria, Sambia und Kenia. In den letzten Jahren gab es in vielen afrikanischen Ländern Kritik daran, dass chinesisch finanzierte Infrastruktur-Projekte nur einen kleinen Teil inländischer Arbeitskräfte einstellen. Einige afrikanische Regierungen hätten in den letzten Jahren jedoch verstärkt darauf geachtet, Arbeitsplätze für Einheimische zu schaffen, sagt die Ökonomin Hannah Ryder von der Consulting-Firma Development Reimagined dem Portal Quartz Africa. Das trage maßgeblich zu den sinkenden Zahlen chinesischer Arbeitskräfte in Afrika bei. Informelle Arbeitskräfte wie Händler und Ladenbesitzer werden laut CARI nicht von der Statistik erfasst.
Seit 2015 nehmen auch die Einnahmen chinesischer Baufirmen in Afrika ab. Konnten 2015 noch fast 55 Milliarden US-Dollar generiert werden, fielen die Einnahmen 2019 um 16 Prozent auf 46 Milliarden US-Dollar. Auch eine Datenbank des American Enterprise Institute und der Heritage Foundation zeigt, dass die chinesischen Investitionen zumindest in Subsahara-Afrika zwischen 2015 und 2019 um 25 Prozent abgenommen haben – von 30 auf 22,7 Milliarden US-Dollar. Im Corona-Jahr 2020 sanken sie sogar auf nur noch 7,15 Milliarden US-Dollar. Dieses geringere Engagement in Afrika ist eine weitere Ursache für die sinkende Zahl chinesischer Arbeiter auf dem Kontinent. nib
Wenn Elefanten kämpfen, leidet das Gras, sagt ein afrikanisches Sprichwort. Seit einigen Jahren sehen Beobachter einen neuen kalten Krieg zwischen China und den USA heraufziehen, einen Systemkonflikt, und wir in Europa müssen fürchten, dabei als Gras von zwei kämpfenden Elefanten zertreten zu werden. In amerikanischen Zeitschriften und Büchern finden sich seit Jahren zahlreiche Artikel und Beiträge über den “Coming War with China”, während chinesische Denker den Untergang der USA prophezeien und gleichzeitig die Europäer zu einer “unabhängigen” Außenpolitik auffordern.
Solche Ratschläge sind allerdings nicht neutral, sondern interessengeleitet. China ist eine Diktatur, in der Menschenrechtsverletzungen an der Tagesordnung sind. Der Konflikt zwischen den USA und China ist auch ein Systemkonflikt um die Art, wie wir leben wollen, ein Konflikt zwischen Freiheit und Unfreiheit. Schon die Bilder aus Hongkong und Xinjiang sprechen Bände, doch chinesische Zensurversuche beim SWR und das Einfordern unterwürfiger Demutsgesten von deutschen Top-Managern zeigen, dass die Volksrepublik uns schon näher ist, als viele glauben.
China arbeitet seit Jahren daran, die Europäische Union nach außen von den USA lösen und im inneren zu spalten. Das hat auch die Sowjetunion immer versucht und so liegt die Analogie zum Kalten Krieg des 20. Jahrhunderts nahe. Einen Denkfehler sollte man dabei tunlichst vermeiden: Nur weil der Westen den ersten Kalten Kriege gewonnen hat, heißt das noch lange nicht, dass wir automatisch auch weitere kalte Kriege für uns entscheiden werden. Im Gegenteil: Die chinesische Führung hat ihr Land zu einer wirtschaftlich starken und effizienten Macht entwickelt, während die amerikanische Demokratie sich zuletzt in ideologischen Grabenkämpfen aufrieb. Die Abwahl von Donald Trump erscheint in dieser Perspektive als ein Hoffnungsschimmer, keineswegs aber als Garantie dafür, dass die Führungsmacht des Westens wieder ganz zu sich selbst gefunden hat.
Deutschlands ganze Hoffnung scheint aber wieder einmal darauf zu ruhen, dass die USA die Dinge schon richten werden. Die Erwartungen an Biden sind hoch, nur wenige machen sich die Mühe, die Frage einmal umzudrehen: Was darf eine Biden-Administration eigentlich von uns erwarten? In seiner Zeit als EU-Kommissionspräsident hat Jean-Claude Juncker verlangt, Europa müsse “weltpolitikfähig werden”, Ursula von der Leyen will eine “geopolitische” Kommission führen. Beide haben recht und doch ist Europa von diesen Zielen weit entfernt, Deutschland sogar meilenweit. Wir leben in Freiheit, mit Demokratie, Rechtsstaat und Marktwirtschaft, legen als Europäer aber auch großen Wert auf sozialen Ausgleich, Umwelt- und Klimaschutz. Das ist unser European Way of Life. Deutschland ist politisch verankert in der EU, militärisch abgesichert in der Nato, unsere Produkte haben Zugang zu den Märkten der Welt. Dieses System nehmen wir als selbstverständlich gegeben hin, wären als Deutschland allein, aber niemals in der Lage, es herzustellen oder zu verteidigen. Alles, was uns lieb und teuer ist, hängt vom Erhalt der liberalen Weltordnung ab, aber wir beschäftigen uns am liebsten mit uns selbst, ganz besonders im politischen Berlin – das muss sich ändern.
Es muss sich auch deswegen ändern, weil sich ein weiterer kalter Krieg in unserer Hauptstadt abspielt, denn immer wieder greifen Hacker Bundestag und Bundesministerien an, die meisten kommen aus Russland. Desinformation und Cyberoperationen sind Elemente des kalten Krieges, der von Moskau gegen unsere freiheitliche Demokratie und den Zusammenhalt der EU geführt wird. Diesen kalten Krieg gegen die Demokratie führen auch Putins Helfer im Inneren der Europäischen Union, ob sie nun Trump oder Salvini, Gauland oder Le Pen heißen. Wir sind also dreifach gefordert und müssen beantworten, was wir tun wollen, um den European Way of Life für kommende Generationen zu erhalten. Welchen Beitrag müssen wir leisten, damit wir Freiheit und Wohlstand im 21. Jahrhundert erhalten können?
In einem Konflikt zwischen Freiheit und Unfreiheit muss sich wertegeleitete Außenpolitik immer für die Freiheit entscheiden. Die Wahl von Joe Biden ist eine Chance, die wir verpassen, wenn wir die transatlantischen Beziehungen nicht wiederbeleben. Aber mehr noch: Wenn der dominante Konflikt des 21. Jahrhunderts sich im pazifischen Raum abspielt, müssen wir unsere Partner dort viel stärker als bisher in den Blick nehmen. Vertiefte Zusammenarbeit mit Japan, Australien und Südkorea muss zur Schaffung eines globalen Westens als friedliches und freies Gegengewicht zu China führen. Dieser müsste sich auch wirtschaftlich nicht verstecken, denn EU, USA und die anderen westlichen Länder bilden mehr als die Hälfte der Weltwirtschaftsleistung ab.
Bei der Frage nach der Rolle Deutschlands gerät ein Land in den Blick, das von sich selber weiß, dass es zu klein ist, um die Welt zu verändern: Norwegen. Skandinavisch progressiv, aber nicht neutral, sondern aktives Nato-Mitglied, ist unser Nachbar im Norden vor allem diplomatisch hoch engagiert. Wer in New York durch die Gänge der UNO geht, staunt, wie viele Norweger dort Weltpolitik gestalten. Nach 70 Jahren Erziehung zum Pazifismus sind wir Deutschen nicht dazu bereit, Frankreich oder gar den USA militärisch nachzueifern. Konstant hoch ist dagegen die Zustimmung für zivile Krisenprävention und aktive Diplomatie – die aber genauso unterfinanziert ist wie die Bundeswehr. Wir müssen unsere militärischen Verpflichtungen in der Nato erfüllen, denn auch die Demokraten in den USA sehen nicht mehr ein, dass wir Sicherheit nur konsumieren, aber nicht produzieren. Vor allem aber muss Deutschland in den Vereinten Nationen finanziell, konzeptionell und personell stark vertreten sein, ganz gleich, ob es um Gesundheit, Klima, Ernährung, Entwicklung, Migration oder die große Diplomatie zur Friedenssicherung geht. Wenn wir einen Beitrag leisten wollen zum Erhalt der Ordnung, von der wir abhängen, dann sollte Deutschland eine Art “Super-Norwegen” werden, eine Zivilmacht mit Courage.
Alexander Graf Lambsdorff ist Mitglied des Bundestags und stellvertretender Fraktionsvorsitzender der FDP. Am 1. Februar erscheint sein Buch “Wenn Elefanten kämpfen” im Propyläen Verlag, in dem er Deutschland im Zangengriff zwischen China und den USA verortet.
Der Zoologe Peter Daszak, Präsident der EcoHealth Alliance und Mitglied der WHO-Mission, die den Ausbruch des Covid19-Virus in Wuhan untersuchen will, zeigt auf Twitter sein Hotelzimmer. In einem weiteren Tweet schreibt er, es sei “überraschend einfach” gewesen 14 Tage in Quarantäne zu verbringen. Viel Arbeit und ein schönes Hotel sorgten dafür, dass die “Zeit wie im Flug verging”.