wie könnte die Debatte um eine drohende Entfremdung zwischen der Volksrepublik und dem Ausland besser symbolisiert werden als durch die Warnung von Chinas Chef-Epidemiologen vor Berührungen mit Ausländern? Irgendwie scheint es, als sei jahrzehntelanges Ringen um Chinas Freundschaft für die Katz’ gewesen, wenn man uns so kategorisch als Gefahr für die Gesundheit klassifiziert.
Nun ist Freundschaft ohnehin ein brüchiges Konstrukt, wenn sie vornehmlich durch Wirtschaftsinteressen motiviert ist. Umso wichtiger ist es, dass diese Interessen transparent zum Vorschein kommen, ehe man sich unendlich Treue schwört. Der Autor unseres heutigen Standpunktes, Professor Ralph Weber von der Universität Basel, beschäftigt sich intensiv mit der Einflussnahme des chinesischen Parteistaates auf unsere Gesellschaft und stellt fest, dass wir die Tiefe der Verknüpfung von wirtschaftlichem Austausch und politischer Motivation seitens chinesischer Partner oftmals völlig übersehen.
Auch in Hongkong spielt Ideologie inzwischen eine viel größere Rolle im Wirtschaftskontext, seit John Lee der neue Regierungschef der Stadt ist. Wo es früher vornehmlich um Wachstum und Chancen ging, wird heute die Botschaft von der Bedeutung politischer Stabilität im Sinne der KP verbreitet, schreibt Ning Wang nach ihren Gesprächen mit Menschen vor Ort.
Politische Stabilität ist im Übrigen auch das Mantra des türkischen Staatschefs Recep Erdoğan, der im nächsten Jahr wieder zum Präsidenten gewählt werden möchte. Er muss dringend wirtschaftliche Perspektiven schaffen und sieht in einer engeren Verbindung zu China als potenzielles Mitglied der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit wohl gute Chancen dazu. Das sind eher unschöne Nachrichten für die Nato, die mit ansehen muss, wie Peking den Weg ebnet, zu größerem Einfluss auf einen Nato-Mitgliedsstaat.
Immerhin kann das westliche Bündnis darauf hoffen, dass Beziehungen, die jemand vornehmlich aus wirtschaftlichen Interessen eingeht, kaum das Zeug haben, innige Freundschaften zu werden.
Hongkongs neuer Regierungschef John Lee ist seit drei Monaten im Amt, aber es ist erstaunlich ruhig um ihn. Das ist womöglich so gewollt. Wo es bei seiner Vorgängerin Carrie Lam klare Ankündigungen, Handlungen und damit auch öffentlich diskutierte Kontroversen gab, herrschen unter Lee Schweigen und Unvorhersehbarkeit. Das wirft Fragen auf: Wohin geht die Reise Hongkongs? Wo sind die roten Linien? Die Unklarheit legt sich wie ein schwerer Mantel über die Metropole und macht auch den Expats der Stadt zu schaffen.
“Die Menschen halten sich mit politischen Äußerungen immer mehr zurück”, sagt eine Deutsche, die seit über 15 Jahren in Hongkong lebt und sich gegenüber China.Table nur anonym äußern möchte. “Auch ich bin sehr vorsichtig geworden”, sagt sie. In den sozialen Medien hält sie sich mit Posts zurück, die vielleicht negativ ausgelegt werden könnten. Für eine anstehende Kunstausstellung, an deren Organisation sie beteiligt war, wählte sie für die Beteiligten nicht schwarz bedruckte T-Shirts, sondern grüne, um bloß eine Assoziation zu den Protestbewegungen 2019 zu vermeiden. Es verbreitet sich ein vorauseilender Gehorsam, der in Festlandchina schon länger bekannt ist.
Wachsende Sorge erfassen nun auch zunehmend multinationale Unternehmen, Verbände und andere Institutionen. Für sie stellt sich immer öfter die Frage, ob Hongkong als Standort noch Sinn ergibt. Diese Zweifel wurden kürzlich auch beim Belt and Road Summit Ende August deutlich. Eine Teilnehmerin, die ebenfalls anonym bleiben möchte, schätzt im Gespräch mit China.Table, dass sich die Zahl der westlichen Expats im Saal “an zwei Händen abzählen” ließ – unter mehr als 1.300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Die Entfremdung wurde auch anders spürbar. Die Veranstaltung, die eigentlich die globale Integration der Neuen Seidenstraße vorantreiben soll, wurde nur auf Hochchinesisch abgehalten – und nicht wie vorab angekündigt auch in englischer Sprache. Auch Kantonesisch, das in den Jahren zuvor üblich war, wurde als offizielle Sprache der Veranstaltung gestrichen.
So glich der Summit des Hong Kong Trade Development Council, einer halbstaatlichen Non-Profit-Organisation zur Förderung der internationalen Handels– und Wirtschaftsbeziehungen, eher einer inszenierten politischen Kampagne, resümierte die Teilnehmerin. Ihr schien es eher darum zu gehen, dass die Teilnehmer das Motto “From chaos to governance and from governance to prosperity” (“Vom Chaos zur Regierungsführung zum Wohlstand”) als Mantra von der Regierung vorgebetet bekommen sollten.
Die Zuversicht ausländischer Firmen in den Standort Hongkong fördern solche Veranstaltung nicht, sondern dürften eher deren wachsende Skepsis bestärken. Schon im Frühjahr hatte die Außenwirtschaftsförderung der Bundesrepublik, GTAI festgestellt, dass viele Unternehmen ihre Niederlassungen außerhalb Hongkongs ausbauen. Singapur sei eine beliebte Alternative.
Auch der Exodus ausländischer Arbeitnehmer internationaler Unternehmen hält an: Lars Kuepper, Inhaber und Geschäftsführer der Umzugsfirma Relosmart schildert, dass er im vergangenen Jahr für 250 Umzüge pro Monat aus der Stadt hinaus beauftragt worden sei – und im Gegensatz dazu nur für 17 Zuzüge. Viele Ausländer verlassen die Sonderverwaltungszone, seitdem klar ist, dass auch internationale Schulen künftig Staatsbürgerkunde nach Pekings Definition unterrichten sollen (China.Table berichtete).
Für Firmen, die in der Stadt Waren produzieren – und nicht nur ein Büro in Hongkong haben – werden Länder wie Vietnam immer interessanter. So verfolgen viele ausländische Unternehmen seit einiger Zeit eine sogenannte China-plus-1-Strategie: Sie suchen sich neben China in der Region noch andere Standorte. Einige asiatische Länder wie Thailand, Vietnam oder Malaysia locken mit gewerblichen und steuerlichen Vorteilen, um ausländische Investitionen anzuziehen, berichtet The Diplomat.
Für die gebürtige Hongkongerin Louisa Lim, deren Buch: Hongkong – “Indelible City: Dispossession and Defiance in Hong Kong” kürzlich erschien, sind die aktuellen Unklarheit Teil einer Taktik der chinesischen Regierung, um auch den letzten verbliebenen Widerstand der Hongkonger Zivilgesellschaft zu brechen: Die Ungewissheit lähmt, Sorgen diktieren den Alltag. “Im Moment gibt es ein weniger vorhersehbares Umfeld als in Festlandchina, insbesondere im Hinblick darauf, wo die politischen roten Linien verlaufen”, sagte Lim zur Situation in Hongkong dem Fachportal The Wire China.
Auch bleibt unklar, wie Hongkong mit dem derzeitigen Kurs an Attraktivität für multinationale Firmen gewinnen soll, statt sie zu verlieren. Der “Brain Drain”, also der Verlust von klugen Köpfe und Talenten, ist längst im Gange und mündet in einem Mangel an Fachkräften. Beispiel Versicherungen: So erklärte der Hongkonger Verband der Versicherer, dass rund jede dritte Versicherung dazu gezwungen sei, ihren Personalbestand vor Ort zu verkleinern.
Die Stadt setzt jedoch auf ihre Rolle als Finanzzentrum in der “Greater Bay Area” des Perlflussdelta, wonach Hongkong stärker mit wichtigen Städten der Küstenprovinz Guangdong vernetzt werden soll. Nach den Plänen gewinnt dieser Wirtschaftsraum bis 2035 durch die Integration international an Bedeutung. Sein Beitrag zum chinesischen Bruttoinlandsprodukt ist schon jetzt so groß wie die Wirtschaftsleistung Südkoreas.
Doch ungewiss ist, ob Hongkong dann nicht nur eine von vielen Städten ist, die sich einreihen soll, anstatt selbst im Zentrum zu stehen. Peking hatte zuletzt immer mehr Shenzhen und Shanghai als Finanzhandelsplätze im Fokus – und zum Beispiel vor zwei Jahren eigens die Technologiebörse Star-Market in Shanghai ins Leben gerufen.
Chinas Regierungsdaten zeigen, dass die Auslandsinvestitionen in die Wirtschaft in diesem Jahr um fast ein Fünftel gestiegen sind. Das sieht die Regierung laut Staatsmedien als Beweis dafür, dass globale Unternehmen den Aufrufen von US- und europäischen Politikern widerstehen, sich vom Land unabhängiger zu machen.
Doch ein genauer Blick auf die Investitionen zeichnet ein anderes Bild. Ein Großteil dieser Investitionen in Festlandchina kommt tatsächlich aus Hongkong. Laut Experten liegt es daran, dass dort ansässige Festlandunternehmen Gelder in einem als “Round-Tripping” bezeichneten Kreislaufsystem durch die Stadt leiten. Forscher der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften und der Nankai-Universität schätzen, dass fast 37 Prozent der nach China eingehenden ausländischen Direktinvestitionen in diesem System “hin und her” wandern, berichtete der Finanzdienstleister Bloomberg. Ist das die künftig wichtigste Rolle der einstigen britischen Kronkolonie?
Laut Raymong Yeung sind zudem vor allem chinesische Unternehmen mit Sitz in Offshore-Finanzierungszentren für den Anstieg der ausländischen Direktinvestitionen verantwortlich. “Das macht den Ausdruck ‘ausländische’ Investitionen zu einer etwas irreführenden Bezeichnung”, schrieb Yeung, Chefökonom der Greater China, Australia & New Zealand Banking Group, kürzlich in einer Mitteilung.
Wer sich für den Auf- und Abstieg von Großmächten interessiert, konnte am Wochenende auf dem Gipfeltreffen der Shanghai Cooperation Organization (SCO) in Usbekistan Erstaunliches beobachten – weniger in den offiziellen Reden oder den unterschriebenen Vereinbarungen, als vielmehr im Protokoll: Als Chinas Präsident Xi Jinping auf dem Flughafen von Samarkand landete, wartete auf der Landebahn herzlich winkend Präsident Schawkat Mirsijojew, flankiert von unzähligen Tanzgruppen. Selbst eine eigens auf der Landebahn errichtete Pagode wurde durchschritten. Ganz anders die Szenerie bei Wladimir Putin: Der russische Präsident musste sich mit dem usbekischen Ministerpräsidenten begnügen – ohne Folklore, ohne Musik und sogar ohne Handschlag.
Schon auf dem Rollfeld wurde deutlich: China hat mehr und mehr das Sagen in Zentralasien. Und als Vehikel dafür nutzt es zunehmend die Shanghai Cooperation Organization. “Die SCO gewinnt zunehmend an Größe und Gewicht. Sie dient China und Russland immer mehr als Alternative zu den bestehenden US-dominierten Institutionen der internationalen Politik”, erklärt Eva Seiwert, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Associate Research Fellow an der OSCE Academy in Bischkek, im Gespräch mit China.Table.
Nach anfänglicher Zurückhaltung ist Peking inzwischen bestrebt, die SCO zu einem wichtigen Akteur in der internationalen Politik auszubauen – und auf dem Gipfel in Samarkand wurden hierfür die nächsten Schritte unternommen: Es wurde beschlossen, dass Iran in Kürze als neues Mitglied in die Organisation aufgenommen wird (China.Table berichtete). Zudem verkündete der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, dass auch sein Land eine SCO-Mitgliedschaft anstrebe.
Der anstehende Beitritt Irans im kommenden April bedeute eine enorme Ausdehnung der SCO in Richtung Westen, urteilt Seiwert. Die SCO-Expertin merkt an, dass in diesem Zusammenhang auf dem Gipfel in Samarkand bereits weitere Schritte eingeleitet wurden, in dem Saudi-Arabien als neuer Dialogpartner in die SCO aufgenommen worden sei. “Dieser Schritt geht ganz klar auf das Betreiben Chinas zurück”, erklärt Seiwert. Mit Iran drohe die SCO sehr viel deutlicher, zu einer anti-westlichen Organisation zu werden.
Schon 2017 hatte der chinesische Wissenschaftler Pan Guang in einem Essay vorausgesagt, dass China versuchen werde, den Einfluss der SCO auszudehnen, unter anderem in den Nahen Osten. Der Direktor des SCO-Research-Centers der Shanghai Academy of Social Sciences nannte als Möglichkeiten chinesische Unternehmer und Bauarbeiter, aber auch chinesische Soldaten sowie den Marine-Stützpunkt in Dschibuti.
Klar ist: Hier geht es um Geopolitik. Die SCO – einst eine kleine, informelle Versammlung namens “Shanghai Five”, bestehend aus China, Russland, Kirgisistan, Tadschikistan und Kasachstan, wird zunehmend zu einem geostrategischen Faktor. Inzwischen sind Usbekistan, Indien und Pakistan hinzugekommen.
Heute repräsentieren die Mitglieder der Organisation vier Atommächte und 44 Prozent der Weltbevölkerung. Und es sollen noch mehr werden: Wohl im April 2023 folgt Iran. Ebenfalls im Rennen sind Belarus, Saudi-Arabien, Katar, Ägypten, die Malediven und Bahrain. Und eben die Türkei.
Auf dem SCO-Gipfeltreffen am Wochenende zeigte sich der türkische Präsident jedenfalls erpicht darauf, ebenfalls in den illustren Kreis aufgenommen zu werden. “Unsere Beziehungen zu diesen Ländern werden mit diesem Schritt eine ganz andere Position einnehmen”, sagte Erdogan in Samarkand. Es wäre ein gewaltiger Schritt, denn mit der Türkei würde erstmals ein Nato-Mitglied der von China geführten Gruppe beitreten. Die geopolitischen Konsequenzen wären enorm.
Entsprechend nervös regiert man in Deutschland. “Nato und Europäische Union müssen sich fragen lassen, wie lange sie sich von Erdoğan noch auf der Nase herumtanzen lassen”, sagte der außenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Jürgen Trittin, der Zeitung “Welt”. Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, weist vor allem auf die geopolitischen Konsequenzen hin: “Außenpolitisch wäre dies ein weiterer symbolischer Schritt weg vom Westen und seinen Werten – ein schwerer politischer Fehler für die Zukunft der Türkei.”
Derweil versuchte Cagri Erhan, Professor für internationale Beziehungen und Mitglied des Sicherheitsbeirats des türkischen Präsidenten, auf Twitter die Gemüter zu beruhigen: “Was Ankara tut, ist nicht, Alternativen zum Westen zu suchen, sondern ausgewogene Beziehungen mit der ganzen Welt aufzubauen.”
Auch für China brächte ein Beitritt der Türkei große Gewinne: Die geostrategische Lage der Türkei ist ein Schlüsselaspekt bei der Verwirklichung wichtiger Komponenten von Xi Jinpings geo-ökonomischen Großprojekt “Belt-and-Road”-Initiative. Und Seiwert weist noch auf einen anderen wichtigen Aspekt hin: Sollte die Türkei tatsächlich der SCO beitreten, verlöre sie ihr Recht, den Umgang der Chinesen mit den Uiguren in Xinjiang zu kritisieren. Denn: Innerhalb der SCO müssen die jeweiligen nationalen Terrorismus-Definitionen von allen Ländern übernommen werden. Das heißt: “So wie in Kasachstan schon jetzt die Proteste der Uiguren niedergeschlagen werden, weil China das so möchte, müsste die Türkei als SCO-Mitglied ebenfalls die Position Chinas übernehmen und die Uiguren als Gefahr einstufen.”
Doch all das liege noch in weiter Ferne, meint Seiwert. Eine SCO-Mitgliedschaft der Türkei werde noch fünf Jahre dauern. Mindestens. Und auch das Bestreben der Türkei, der SCO beizutreten, sei schon viel älter als die aktuellen Meldungen suggerieren: Erdogan habe diesen Wunsch schon 2013 geäußert. Deshalb müsse man den Auftritt des türkischen Präsidenten auf dem Gipfel in Samarkand vor allem als Botschaft an den Westen verstehen: “Damit will er zeigen, dass die Türkei mit der SCO inzwischen ernstzunehmende Alternativen zum Westen hat”, sagt Seiwert.
Doch, ob in den kommenden Monaten oder erst in fünf Jahren: Ein möglicher Beitritt der Türkei würde die Machtbalance gewaltig verschieben. Denn trotz aller Querelen mit Erdogan ist die Türkei für den Westen weiterhin von hohem strategischen Wert – vor allem im Hinblick auf die Bewältigung regionaler Sicherheitsherausforderungen: Für die EU-Mitgliedstaaten ist es von größter Bedeutung, dass das im März 2016 geschlossene Flüchtlingsabkommen mit der Türkei Bestand hat. Zudem beherbergt die Türkei eine Reihe wichtiger militärischer Nato-Einrichtungen, die von entscheidender strategischer Bedeutung für die Fähigkeit des Bündnisses sind.
Ob mit oder ohne Türkei – die SCO hat am Wochenende in Samarkand weiter an Bedeutung gewonnen und Xi Jinping die Rolle Chinas als entscheidender Akteur innerhalb der Organisation weiter ausgebaut. Zudem gelingt es Chinas Führung immer wieder, günstige Gelegenheiten zu erkennen und zum eigenen Vorteil zu nutzen: Die aktuelle strategische Orientierungslosigkeit der Türkei wäre so ein Fall.
US-Präsident Joe Biden hat die Unterstützung Taiwans durch US-Soldaten zugesagt. In einem Interview mit dem Fernsehsender CBS kündigte Biden die Entsendung amerikanischer Truppen auf den Inselstaat an, sollte es zu einem “nie dagewesenen Angriff” durch China kommen. Damit impliziert Biden erstmals die Bereitschaft der USA zu einer unmittelbaren Beteiligung seines Landes an möglichen Kampfhandlungen zwischen China und Taiwan.
Durch Bestätigungen für weitere Waffenlieferungen und verstärkte Präsenz im Indo-Pazifik sowie in der Straße von Taiwan hatte Washington in den vergangenen Monaten bereits eine zunehmende Entschlossenheit signalisiert, seinen Verbündeten verteidigen zu wollen (China.Table berichtete).
Das chinesische Außenministerium kritisierte Joe Bidens Ankündigung und warf dem US-Präsidenten vor, separatistischen Kräften auf der Insel Vorschub zu leisten. Für Peking zählt eine mögliche formelle Unabhängigkeitserklärung Taiwans zu den roten Linien. Die Volksrepublik droht seit Jahren damit, sich Taiwan im Notfall militärisch einverleiben zu wollen, sollte diese rote Linie überschritten werden.
In Taiwans Hauptstadt Taipeh dagegen reagierte das Außenministerium erfreut, dass Biden “die felsenfeste Zusage der US-Regierung zur Sicherheit Taiwans” bekräftigt habe. Das Land wolle seine Kapazitäten zur Selbstverteidigung weiter ausbauen und sei an einer Vertiefung der Partnerschaft mit den USA in Verteidigungsfragen interessiert. grz
Hamburgs erster Bürgermeister Peter Tschentscher hat am Montag eindringlich davor gewarnt, den Einstieg der chinesischen Reederei Cosco im Hamburger Hafen abzulehnen. Sollte Wirtschaftsminister Robert Habeck eine Beteiligung von Cosco am Container-Terminal “Tollerort” ablehnen, hätte das gravierende Wettbewerbsnachteile für Hamburg. “Eine Ablehnung der Cosco-Beteiligung durch die Bundesregierung ist im Hinblick auf die nationale Sicherheit und Unabhängigkeit nicht begründbar”, sagte Tschentscher der Nachrichtenagentur Reuters. “Sie wäre eine schwere Belastung für den Wirtschaftsstandort und eine einseitige, wettbewerbsverzerrende Benachteiligung Hamburgs gegenüber Rotterdam und Antwerpen, in denen Cosco bereits Terminal-Anteile besitzt.”
Tollerort ist einer von drei Containerterminals im Hamburger Hafen – und der chinesische Reeder Cosco will eine 35-prozentige Minderheitenbeteiligung erwerben. Während die Hamburger Politik sowie die Wirtschaft einen Einstieg begrüßen würden, scheint es im Wirtschaftsministerium Vorbehalte zu geben (China.Table berichtete). Derzeit läuft ein Investitionsprüfverfahren auf Grundlage des Außenwirtschaftsgesetzes. So mancher einer ist der Meinung, dass eine kritische Infrastruktur wie ein Hafenterminal nicht in chinesische Hände geraten dürfe, auch nicht in Teilen.
Tschentscher hingegen glaubt, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, müssten auch in Hamburg Terminalbeteiligungen von chinesischen Reedereien möglich sein. Hamburg wäre nicht der erste Hafen, in den die Chinesen investieren. Allein in Europa hat Cosco zusammen mit der Partnerfirma China Merchants in 14 Häfen investiert – dazu zählen Mehrheitsbeteiligungen in Valencia und Bilbao, sowie Anteile an den Nordrange-Häfen Rotterdam, Antwerpen und Zeebrügge. rad
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Der Chef-Epidemiologe des chinesischen Zentrums für Krankheitskontrolle und -prävention (CDC), Wu Zunyou, empfiehlt wegen der Ausbreitung der Affenpocken die Vermeidung von Körperkontakt mit Ausländern. Auch mit Chinesen, die nach einer internationalen Reise in die Volksrepublik zurückkehren, sowie grundsätzlich mit Fremden sollte drei Wochen lang jede Berührung umgangen werden, so Wu. Mit diesen Verhaltenstipps will der Mediziner die Infektionsverbreitung verhindern, nachdem am vergangenen Freitag der erste Fall der Krankheit in China in der westlichen Metropole Chongqing diagnostiziert worden war.
Die Gesundheitsbehörden vermuten, dass der Fall aus Deutschland eingeschleppt worden ist. Es seien deutliche Übereinstimmungen mit einem Virusstrang gefunden worden, der Ende Juni in Deutschland aufgetaucht war, heißt es in einer Mitteilung des CDC. Demnach habe sich der Patient zwischen dem 2. und 8. September in der Bundesrepublik aufgehalten und in dieser Zeit Sex gehabt, was die Behörden als Übertragungsgrund ansehen. grz
Der Unfalltod von 27 Menschen hat Kritik an der chinesischen Null-Covid-Politik ausgelöst. Die Opfer waren Insassen in einem Bus, der am Sonntagmorgen auf dem Weg in eine Quarantäne-Einrichtung in der Provinz Guizhou verunglückt war. Weitere 20 Menschen wurden verletzt. In Sozialmedien beklagten sich daraufhin Menschen über die Internierung von positiv Getesteten und deren Kontaktpersonen in den Isolationseinrichtungen – bis die kritischen Kommentare von der Zensur gelöscht wurden.
Die Nutzer stellten die Sinnhaftigkeit der Quarantänezentren infrage, obwohl Menschen sich auch wochenlang zu Hause isolieren könnten. Infizierte und solche mit vermeintlich erhöhtem Infektionsrisiko werden von den Behörden vieler chinesischer Städte oft wochenlang und auch nach mehrmaligen Negativtests in den Einrichtungen festgehalten (China.Table berichtete).
Das von Landwirtschaft geprägte Guizhou hatte am Wochenende einen deutlichen Anstieg der Infektionszahlen verzeichnet. 712 Ansteckungen waren am Samstag diagnostiziert worden. Zwei von drei Coronavirus-Fällen am Samstag stammten damit aus der südchinesischen Provinz. Der Bus mit 47 Insassen war in der Nacht zum Sonntag um 02:40 Uhr auf einer Autobahn verunglückt. Normalerweise ist es besetzten Passagierbussen zwischen 02:00 und 05:00 Uhr morgens nicht erlaubt, die Autobahnen zu befahren. grz
Noch vor wenigen Jahren stand Kooperation mit Partnern aus der Volksrepublik China ganz hoch auf den Agenden zahlreicher europäischer Akteure. Wer hier nicht mitmachte, der hatte schlicht die Zeichen der Zeit nicht verstanden.
Doch die Kooperation ist komplizierter geworden. Das Image der chinesischen Regierung hat wegen ihrer Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang oder militärischer Drohungen gegenüber Taiwan – um nur zwei Aspekte zu nennen – in den vergangenen Jahren stark gelitten. Enge Kooperationen mit dem Systemrivalen, der unseren Demokratien und Werten offen den Kampf angesagt hat, müssen heute sehr gut begründet werden, um nicht ins Kreuzfeuer der Kritik zu geraten.
Weil es im Westen für manche allerdings viel zu verlieren gibt, malt der eine oder die andere das Schreckgespenst einer vollständigen Entkoppelung an die Wand. Es soll die Gefahren skizzieren, die uns drohen, wenn wir uns von China zu sehr entfremden. Oft tut das Gespenst seinen Dienst.
Unbedingte Kooperation und vollständige Entkoppelung stellen zwei unattraktive Enden eines Spektrums dar, das je nach Geschäftsfeld gesondert betrachtet werden muss. Wer Geschäfte in Xinjiang macht, wo Menschen gegen ihren Willen interniert, umerzogen und teils unter Zwang arbeiten müssen, sieht sich größerer (und praktisch nicht mehr durchzuführender) Sorgfaltspflicht ausgesetzt als ein Unternehmen, das in Shanghai Schraubenzieher produziert.
Kooperationspartner in der Volksrepublik unterliegen den Geboten und Launen des Parteistaats. Manche sind sogar direkt am Parteistaat angedockt. Auch der Druck, den der Parteistaat auf private chinesische Unternehmer ausüben kann, ist immens. In einem solchen System ist jede Kooperation letztlich immer auch eine Kooptation. Die Frage ist dann: Wie geht man damit um? Und wenn man davon weiß, wie transparent verhält man sich?
Der frühere Verteidigungsminister Rudolf Scharping beklagt, dass “die Zwischentöne” verloren gingen, wenn man nicht direkten und persönlichen Austausch pflege. Anstelle eines “Decoupling” brauche es nüchterne Analyse. Er plädiert für die Kooperation. Er erwähnt Handel, Investitionen, Forschung und Entwicklung sowie notwendige Verhandlungen. Denn ohne China gebe es beispielsweise keine global tragfähige Antwort auf den Klimawandel.
Grob gesprochen liest sich das so: Da die vollständige Entkopplung (die offenbar sogar Verhandlungen ausschließt) schlecht und Bemühungen um Klimawandel gut sind, wird suggeriert, dass Kooperation an sich der richtige Weg ist. Das Problem dabei ist, dass man sich nicht aussuchen kann, mit wem man in China kooperiert, sondern automatisch im Schoße derer landet, die die erwähnten Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang oder die militärischen Drohungen gegenüber Taiwan verantworten.
Auch Scharping kann sich diesen Kräften nicht entziehen. Das zeigt die 9. Deutsch-Chinesische Wirtschaftskonferenz Anfang September in Frankfurt, die sein Beratungsunternehmen gemeinsam mit dem China Economic Cooperation Center (CECC, 中国经济联络中心) veranstaltet hat und die vom “China Council for International Investment Promotion” (CCIIP, 中国国际投资促进会) unterstützt wurde.
Das CECC ist der im Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas angesiedelten Internationalen Abteilung direkt unterstellt. Die Internationale Abteilung ist für die Beziehungen der KP mit anderen Parteien außerhalb des Landes zuständig, historisch gesehen vor allem mit anderen kommunistischen Parteien, seit der Reform- und Öffnungspolitik auch mit politischen Parteien jeglicher Couleur.
Seit den frühen 2000er-Jahren und besonders auch unter Staatspräsident Xi Jinping hat die Internationale Abteilung (wie auch die Propagandaabteilung und vor allem das Einheitsfrontarbeitsdepartement) an Bedeutung gewonnen. Dass es hierbei um Beeinflussung, Kooptation und die Durchsetzung außenpolitischer Interessen des chinesischen Parteistaats geht, wird kaum bestritten.
Neuere Forschung zur Internationalen Abteilung erwähnt zudem die besondere Stellung in Europa, die Deutschland in diesen Bemühungen zukommt. Auch auf der Homepage des CECC ist das Ziel der Beförderung der “nach außen gerichteten Arbeit” (对外工作) der KP China und der Umsetzung des “Xi-Jinping-Denkens über den Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter” explizit festgehalten.
Dass hinter dem CECC die Internationale Abteilung steckt, lässt sich auch an der publizierten Liste der Vortragenden an der Frankfurter Konferenz ablesen. Mit Shen Beili 沈蓓莉 und Liu Jingqin 刘敬钦waren ein derzeitiger und ein ehemaliger Spitzenfunktionär der Internationalen Abteilung vor Ort. Auch Jiang Feng 姜锋, der Parteisekretär der Shanghai International Studies University, hat in Frankfurt vorgetragen. Dieser hat in einem von der Volkszeitung im Januar 2022 publizierten Gespräch mit Scharping das politische System der VR China “als Mehrparteiensystem” bezeichnet, in dem es “viele demokratischen Parteien” gäbe – womit er die “Parteien” meint, die unter der Führung und Kontrolle der KP China stehen und in der Einheitsfront versammelt sind.
Die Kooperation mit der Internationalen Abteilung ist keineswegs neu. Letztes Jahr hat Scharping etwa am “Gipfeltreffen zwischen dem Vorsitzenden der KP Chinas und politischen Parteien weltweit” teilgenommen, welches von der Internationalen Abteilung ausgerichtet wird, und in seiner Rede die KP China mehrfach gelobt. Doch dass Kooperation mit Akteuren aus der Volksrepublik China immer zu Kooptation führt, ist letztlich einer Systemnotwendigkeit geschuldet, welche einer Ein-Parteien-Diktatur, die Chinas politisches System wie in Art. 1 der Staatsverfassung festgehalten und trotz gegensätzlicher Behauptungen seiner Kader darstellt, inhärent ist. Bei der alle Beziehungen zur Welt außerhalb der Partei gemanagt und möglichst der Parteiagenda unterstellt werden.
Wer sich für Kooperation entscheidet, wofür es gute Gründe geben mag, der muss einen Umgang mit der Kooptation finden. Zensiert man sich ein Stück weit selbst, weil man dem Gegenüber nicht zu viel zumuten möchte, aus Höflichkeit, klugem Taktieren oder weil man damit die Durchsetzung der eigenen Interessen erreichen würde? Oder wiederholt man sogar explizit Propagandapunkte der KP Chinas, welche dadurch normalisiert werden, und nimmt damit gar die erfolgreiche Ausübung von Diskursmacht in Kauf? Ab welchem Punkt führt Kooperation zu Komplizenschaft?
All diese Fragen dürfen und müssen unterschiedlich und für den jeweiligen Einzelfall beantwortet werden. Doch klar ist: Wenn man direkt mit Institutionen aus dem chinesischen Parteistaat kooperiert, muss man diese Tatsache transparent anzeigen. Nur so bleibt Dritten die Möglichkeit überlassen, wie weit sie selbst vereinnahmt werden möchten.
Ralph Weber ist Professor für European Global Studies an der Universität Basel in der Schweiz. Seine Forschungsgebiete umfassen die chinesische politische Philosophie, den modernen Konfuzianismus sowie die chinesische Politik. Er beschäftigt sich mit den europäisch-chinesischen Beziehungen und hat im Dezember 2020 eine viel beachtete Studie zur Einflussnahme des chinesischen Parteistaats in der Schweiz veröffentlicht.
Der Vizepräsident der Europäischen Handelskammer in Peking, Guido Giacconi, ist tot. Wie Kammerpräsident Jörg Wuttke mitteilte, verstarb der Italiener am Wochenende in seiner Heimat. Giacconi war seit Mai vergangenen Jahres für die Handelskammer aktiv.
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Party on: Nach drei Monaten Covid-Pause erlaubten die Pekinger Behörden am vergangenen Wochenende wieder Clubnächte an einem ausgewählten Standort. Im iWork Science and Innovation Park kamen Hunderte junge Leute zusammen, um zu feiern – Zigarettenpausen vor dem Eingang inklusive.
wie könnte die Debatte um eine drohende Entfremdung zwischen der Volksrepublik und dem Ausland besser symbolisiert werden als durch die Warnung von Chinas Chef-Epidemiologen vor Berührungen mit Ausländern? Irgendwie scheint es, als sei jahrzehntelanges Ringen um Chinas Freundschaft für die Katz’ gewesen, wenn man uns so kategorisch als Gefahr für die Gesundheit klassifiziert.
Nun ist Freundschaft ohnehin ein brüchiges Konstrukt, wenn sie vornehmlich durch Wirtschaftsinteressen motiviert ist. Umso wichtiger ist es, dass diese Interessen transparent zum Vorschein kommen, ehe man sich unendlich Treue schwört. Der Autor unseres heutigen Standpunktes, Professor Ralph Weber von der Universität Basel, beschäftigt sich intensiv mit der Einflussnahme des chinesischen Parteistaates auf unsere Gesellschaft und stellt fest, dass wir die Tiefe der Verknüpfung von wirtschaftlichem Austausch und politischer Motivation seitens chinesischer Partner oftmals völlig übersehen.
Auch in Hongkong spielt Ideologie inzwischen eine viel größere Rolle im Wirtschaftskontext, seit John Lee der neue Regierungschef der Stadt ist. Wo es früher vornehmlich um Wachstum und Chancen ging, wird heute die Botschaft von der Bedeutung politischer Stabilität im Sinne der KP verbreitet, schreibt Ning Wang nach ihren Gesprächen mit Menschen vor Ort.
Politische Stabilität ist im Übrigen auch das Mantra des türkischen Staatschefs Recep Erdoğan, der im nächsten Jahr wieder zum Präsidenten gewählt werden möchte. Er muss dringend wirtschaftliche Perspektiven schaffen und sieht in einer engeren Verbindung zu China als potenzielles Mitglied der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit wohl gute Chancen dazu. Das sind eher unschöne Nachrichten für die Nato, die mit ansehen muss, wie Peking den Weg ebnet, zu größerem Einfluss auf einen Nato-Mitgliedsstaat.
Immerhin kann das westliche Bündnis darauf hoffen, dass Beziehungen, die jemand vornehmlich aus wirtschaftlichen Interessen eingeht, kaum das Zeug haben, innige Freundschaften zu werden.
Hongkongs neuer Regierungschef John Lee ist seit drei Monaten im Amt, aber es ist erstaunlich ruhig um ihn. Das ist womöglich so gewollt. Wo es bei seiner Vorgängerin Carrie Lam klare Ankündigungen, Handlungen und damit auch öffentlich diskutierte Kontroversen gab, herrschen unter Lee Schweigen und Unvorhersehbarkeit. Das wirft Fragen auf: Wohin geht die Reise Hongkongs? Wo sind die roten Linien? Die Unklarheit legt sich wie ein schwerer Mantel über die Metropole und macht auch den Expats der Stadt zu schaffen.
“Die Menschen halten sich mit politischen Äußerungen immer mehr zurück”, sagt eine Deutsche, die seit über 15 Jahren in Hongkong lebt und sich gegenüber China.Table nur anonym äußern möchte. “Auch ich bin sehr vorsichtig geworden”, sagt sie. In den sozialen Medien hält sie sich mit Posts zurück, die vielleicht negativ ausgelegt werden könnten. Für eine anstehende Kunstausstellung, an deren Organisation sie beteiligt war, wählte sie für die Beteiligten nicht schwarz bedruckte T-Shirts, sondern grüne, um bloß eine Assoziation zu den Protestbewegungen 2019 zu vermeiden. Es verbreitet sich ein vorauseilender Gehorsam, der in Festlandchina schon länger bekannt ist.
Wachsende Sorge erfassen nun auch zunehmend multinationale Unternehmen, Verbände und andere Institutionen. Für sie stellt sich immer öfter die Frage, ob Hongkong als Standort noch Sinn ergibt. Diese Zweifel wurden kürzlich auch beim Belt and Road Summit Ende August deutlich. Eine Teilnehmerin, die ebenfalls anonym bleiben möchte, schätzt im Gespräch mit China.Table, dass sich die Zahl der westlichen Expats im Saal “an zwei Händen abzählen” ließ – unter mehr als 1.300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Die Entfremdung wurde auch anders spürbar. Die Veranstaltung, die eigentlich die globale Integration der Neuen Seidenstraße vorantreiben soll, wurde nur auf Hochchinesisch abgehalten – und nicht wie vorab angekündigt auch in englischer Sprache. Auch Kantonesisch, das in den Jahren zuvor üblich war, wurde als offizielle Sprache der Veranstaltung gestrichen.
So glich der Summit des Hong Kong Trade Development Council, einer halbstaatlichen Non-Profit-Organisation zur Förderung der internationalen Handels– und Wirtschaftsbeziehungen, eher einer inszenierten politischen Kampagne, resümierte die Teilnehmerin. Ihr schien es eher darum zu gehen, dass die Teilnehmer das Motto “From chaos to governance and from governance to prosperity” (“Vom Chaos zur Regierungsführung zum Wohlstand”) als Mantra von der Regierung vorgebetet bekommen sollten.
Die Zuversicht ausländischer Firmen in den Standort Hongkong fördern solche Veranstaltung nicht, sondern dürften eher deren wachsende Skepsis bestärken. Schon im Frühjahr hatte die Außenwirtschaftsförderung der Bundesrepublik, GTAI festgestellt, dass viele Unternehmen ihre Niederlassungen außerhalb Hongkongs ausbauen. Singapur sei eine beliebte Alternative.
Auch der Exodus ausländischer Arbeitnehmer internationaler Unternehmen hält an: Lars Kuepper, Inhaber und Geschäftsführer der Umzugsfirma Relosmart schildert, dass er im vergangenen Jahr für 250 Umzüge pro Monat aus der Stadt hinaus beauftragt worden sei – und im Gegensatz dazu nur für 17 Zuzüge. Viele Ausländer verlassen die Sonderverwaltungszone, seitdem klar ist, dass auch internationale Schulen künftig Staatsbürgerkunde nach Pekings Definition unterrichten sollen (China.Table berichtete).
Für Firmen, die in der Stadt Waren produzieren – und nicht nur ein Büro in Hongkong haben – werden Länder wie Vietnam immer interessanter. So verfolgen viele ausländische Unternehmen seit einiger Zeit eine sogenannte China-plus-1-Strategie: Sie suchen sich neben China in der Region noch andere Standorte. Einige asiatische Länder wie Thailand, Vietnam oder Malaysia locken mit gewerblichen und steuerlichen Vorteilen, um ausländische Investitionen anzuziehen, berichtet The Diplomat.
Für die gebürtige Hongkongerin Louisa Lim, deren Buch: Hongkong – “Indelible City: Dispossession and Defiance in Hong Kong” kürzlich erschien, sind die aktuellen Unklarheit Teil einer Taktik der chinesischen Regierung, um auch den letzten verbliebenen Widerstand der Hongkonger Zivilgesellschaft zu brechen: Die Ungewissheit lähmt, Sorgen diktieren den Alltag. “Im Moment gibt es ein weniger vorhersehbares Umfeld als in Festlandchina, insbesondere im Hinblick darauf, wo die politischen roten Linien verlaufen”, sagte Lim zur Situation in Hongkong dem Fachportal The Wire China.
Auch bleibt unklar, wie Hongkong mit dem derzeitigen Kurs an Attraktivität für multinationale Firmen gewinnen soll, statt sie zu verlieren. Der “Brain Drain”, also der Verlust von klugen Köpfe und Talenten, ist längst im Gange und mündet in einem Mangel an Fachkräften. Beispiel Versicherungen: So erklärte der Hongkonger Verband der Versicherer, dass rund jede dritte Versicherung dazu gezwungen sei, ihren Personalbestand vor Ort zu verkleinern.
Die Stadt setzt jedoch auf ihre Rolle als Finanzzentrum in der “Greater Bay Area” des Perlflussdelta, wonach Hongkong stärker mit wichtigen Städten der Küstenprovinz Guangdong vernetzt werden soll. Nach den Plänen gewinnt dieser Wirtschaftsraum bis 2035 durch die Integration international an Bedeutung. Sein Beitrag zum chinesischen Bruttoinlandsprodukt ist schon jetzt so groß wie die Wirtschaftsleistung Südkoreas.
Doch ungewiss ist, ob Hongkong dann nicht nur eine von vielen Städten ist, die sich einreihen soll, anstatt selbst im Zentrum zu stehen. Peking hatte zuletzt immer mehr Shenzhen und Shanghai als Finanzhandelsplätze im Fokus – und zum Beispiel vor zwei Jahren eigens die Technologiebörse Star-Market in Shanghai ins Leben gerufen.
Chinas Regierungsdaten zeigen, dass die Auslandsinvestitionen in die Wirtschaft in diesem Jahr um fast ein Fünftel gestiegen sind. Das sieht die Regierung laut Staatsmedien als Beweis dafür, dass globale Unternehmen den Aufrufen von US- und europäischen Politikern widerstehen, sich vom Land unabhängiger zu machen.
Doch ein genauer Blick auf die Investitionen zeichnet ein anderes Bild. Ein Großteil dieser Investitionen in Festlandchina kommt tatsächlich aus Hongkong. Laut Experten liegt es daran, dass dort ansässige Festlandunternehmen Gelder in einem als “Round-Tripping” bezeichneten Kreislaufsystem durch die Stadt leiten. Forscher der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften und der Nankai-Universität schätzen, dass fast 37 Prozent der nach China eingehenden ausländischen Direktinvestitionen in diesem System “hin und her” wandern, berichtete der Finanzdienstleister Bloomberg. Ist das die künftig wichtigste Rolle der einstigen britischen Kronkolonie?
Laut Raymong Yeung sind zudem vor allem chinesische Unternehmen mit Sitz in Offshore-Finanzierungszentren für den Anstieg der ausländischen Direktinvestitionen verantwortlich. “Das macht den Ausdruck ‘ausländische’ Investitionen zu einer etwas irreführenden Bezeichnung”, schrieb Yeung, Chefökonom der Greater China, Australia & New Zealand Banking Group, kürzlich in einer Mitteilung.
Wer sich für den Auf- und Abstieg von Großmächten interessiert, konnte am Wochenende auf dem Gipfeltreffen der Shanghai Cooperation Organization (SCO) in Usbekistan Erstaunliches beobachten – weniger in den offiziellen Reden oder den unterschriebenen Vereinbarungen, als vielmehr im Protokoll: Als Chinas Präsident Xi Jinping auf dem Flughafen von Samarkand landete, wartete auf der Landebahn herzlich winkend Präsident Schawkat Mirsijojew, flankiert von unzähligen Tanzgruppen. Selbst eine eigens auf der Landebahn errichtete Pagode wurde durchschritten. Ganz anders die Szenerie bei Wladimir Putin: Der russische Präsident musste sich mit dem usbekischen Ministerpräsidenten begnügen – ohne Folklore, ohne Musik und sogar ohne Handschlag.
Schon auf dem Rollfeld wurde deutlich: China hat mehr und mehr das Sagen in Zentralasien. Und als Vehikel dafür nutzt es zunehmend die Shanghai Cooperation Organization. “Die SCO gewinnt zunehmend an Größe und Gewicht. Sie dient China und Russland immer mehr als Alternative zu den bestehenden US-dominierten Institutionen der internationalen Politik”, erklärt Eva Seiwert, wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg und Associate Research Fellow an der OSCE Academy in Bischkek, im Gespräch mit China.Table.
Nach anfänglicher Zurückhaltung ist Peking inzwischen bestrebt, die SCO zu einem wichtigen Akteur in der internationalen Politik auszubauen – und auf dem Gipfel in Samarkand wurden hierfür die nächsten Schritte unternommen: Es wurde beschlossen, dass Iran in Kürze als neues Mitglied in die Organisation aufgenommen wird (China.Table berichtete). Zudem verkündete der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, dass auch sein Land eine SCO-Mitgliedschaft anstrebe.
Der anstehende Beitritt Irans im kommenden April bedeute eine enorme Ausdehnung der SCO in Richtung Westen, urteilt Seiwert. Die SCO-Expertin merkt an, dass in diesem Zusammenhang auf dem Gipfel in Samarkand bereits weitere Schritte eingeleitet wurden, in dem Saudi-Arabien als neuer Dialogpartner in die SCO aufgenommen worden sei. “Dieser Schritt geht ganz klar auf das Betreiben Chinas zurück”, erklärt Seiwert. Mit Iran drohe die SCO sehr viel deutlicher, zu einer anti-westlichen Organisation zu werden.
Schon 2017 hatte der chinesische Wissenschaftler Pan Guang in einem Essay vorausgesagt, dass China versuchen werde, den Einfluss der SCO auszudehnen, unter anderem in den Nahen Osten. Der Direktor des SCO-Research-Centers der Shanghai Academy of Social Sciences nannte als Möglichkeiten chinesische Unternehmer und Bauarbeiter, aber auch chinesische Soldaten sowie den Marine-Stützpunkt in Dschibuti.
Klar ist: Hier geht es um Geopolitik. Die SCO – einst eine kleine, informelle Versammlung namens “Shanghai Five”, bestehend aus China, Russland, Kirgisistan, Tadschikistan und Kasachstan, wird zunehmend zu einem geostrategischen Faktor. Inzwischen sind Usbekistan, Indien und Pakistan hinzugekommen.
Heute repräsentieren die Mitglieder der Organisation vier Atommächte und 44 Prozent der Weltbevölkerung. Und es sollen noch mehr werden: Wohl im April 2023 folgt Iran. Ebenfalls im Rennen sind Belarus, Saudi-Arabien, Katar, Ägypten, die Malediven und Bahrain. Und eben die Türkei.
Auf dem SCO-Gipfeltreffen am Wochenende zeigte sich der türkische Präsident jedenfalls erpicht darauf, ebenfalls in den illustren Kreis aufgenommen zu werden. “Unsere Beziehungen zu diesen Ländern werden mit diesem Schritt eine ganz andere Position einnehmen”, sagte Erdogan in Samarkand. Es wäre ein gewaltiger Schritt, denn mit der Türkei würde erstmals ein Nato-Mitglied der von China geführten Gruppe beitreten. Die geopolitischen Konsequenzen wären enorm.
Entsprechend nervös regiert man in Deutschland. “Nato und Europäische Union müssen sich fragen lassen, wie lange sie sich von Erdoğan noch auf der Nase herumtanzen lassen”, sagte der außenpolitische Sprecher der Grünen-Bundestagsfraktion, Jürgen Trittin, der Zeitung “Welt”. Nils Schmid, außenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, weist vor allem auf die geopolitischen Konsequenzen hin: “Außenpolitisch wäre dies ein weiterer symbolischer Schritt weg vom Westen und seinen Werten – ein schwerer politischer Fehler für die Zukunft der Türkei.”
Derweil versuchte Cagri Erhan, Professor für internationale Beziehungen und Mitglied des Sicherheitsbeirats des türkischen Präsidenten, auf Twitter die Gemüter zu beruhigen: “Was Ankara tut, ist nicht, Alternativen zum Westen zu suchen, sondern ausgewogene Beziehungen mit der ganzen Welt aufzubauen.”
Auch für China brächte ein Beitritt der Türkei große Gewinne: Die geostrategische Lage der Türkei ist ein Schlüsselaspekt bei der Verwirklichung wichtiger Komponenten von Xi Jinpings geo-ökonomischen Großprojekt “Belt-and-Road”-Initiative. Und Seiwert weist noch auf einen anderen wichtigen Aspekt hin: Sollte die Türkei tatsächlich der SCO beitreten, verlöre sie ihr Recht, den Umgang der Chinesen mit den Uiguren in Xinjiang zu kritisieren. Denn: Innerhalb der SCO müssen die jeweiligen nationalen Terrorismus-Definitionen von allen Ländern übernommen werden. Das heißt: “So wie in Kasachstan schon jetzt die Proteste der Uiguren niedergeschlagen werden, weil China das so möchte, müsste die Türkei als SCO-Mitglied ebenfalls die Position Chinas übernehmen und die Uiguren als Gefahr einstufen.”
Doch all das liege noch in weiter Ferne, meint Seiwert. Eine SCO-Mitgliedschaft der Türkei werde noch fünf Jahre dauern. Mindestens. Und auch das Bestreben der Türkei, der SCO beizutreten, sei schon viel älter als die aktuellen Meldungen suggerieren: Erdogan habe diesen Wunsch schon 2013 geäußert. Deshalb müsse man den Auftritt des türkischen Präsidenten auf dem Gipfel in Samarkand vor allem als Botschaft an den Westen verstehen: “Damit will er zeigen, dass die Türkei mit der SCO inzwischen ernstzunehmende Alternativen zum Westen hat”, sagt Seiwert.
Doch, ob in den kommenden Monaten oder erst in fünf Jahren: Ein möglicher Beitritt der Türkei würde die Machtbalance gewaltig verschieben. Denn trotz aller Querelen mit Erdogan ist die Türkei für den Westen weiterhin von hohem strategischen Wert – vor allem im Hinblick auf die Bewältigung regionaler Sicherheitsherausforderungen: Für die EU-Mitgliedstaaten ist es von größter Bedeutung, dass das im März 2016 geschlossene Flüchtlingsabkommen mit der Türkei Bestand hat. Zudem beherbergt die Türkei eine Reihe wichtiger militärischer Nato-Einrichtungen, die von entscheidender strategischer Bedeutung für die Fähigkeit des Bündnisses sind.
Ob mit oder ohne Türkei – die SCO hat am Wochenende in Samarkand weiter an Bedeutung gewonnen und Xi Jinping die Rolle Chinas als entscheidender Akteur innerhalb der Organisation weiter ausgebaut. Zudem gelingt es Chinas Führung immer wieder, günstige Gelegenheiten zu erkennen und zum eigenen Vorteil zu nutzen: Die aktuelle strategische Orientierungslosigkeit der Türkei wäre so ein Fall.
US-Präsident Joe Biden hat die Unterstützung Taiwans durch US-Soldaten zugesagt. In einem Interview mit dem Fernsehsender CBS kündigte Biden die Entsendung amerikanischer Truppen auf den Inselstaat an, sollte es zu einem “nie dagewesenen Angriff” durch China kommen. Damit impliziert Biden erstmals die Bereitschaft der USA zu einer unmittelbaren Beteiligung seines Landes an möglichen Kampfhandlungen zwischen China und Taiwan.
Durch Bestätigungen für weitere Waffenlieferungen und verstärkte Präsenz im Indo-Pazifik sowie in der Straße von Taiwan hatte Washington in den vergangenen Monaten bereits eine zunehmende Entschlossenheit signalisiert, seinen Verbündeten verteidigen zu wollen (China.Table berichtete).
Das chinesische Außenministerium kritisierte Joe Bidens Ankündigung und warf dem US-Präsidenten vor, separatistischen Kräften auf der Insel Vorschub zu leisten. Für Peking zählt eine mögliche formelle Unabhängigkeitserklärung Taiwans zu den roten Linien. Die Volksrepublik droht seit Jahren damit, sich Taiwan im Notfall militärisch einverleiben zu wollen, sollte diese rote Linie überschritten werden.
In Taiwans Hauptstadt Taipeh dagegen reagierte das Außenministerium erfreut, dass Biden “die felsenfeste Zusage der US-Regierung zur Sicherheit Taiwans” bekräftigt habe. Das Land wolle seine Kapazitäten zur Selbstverteidigung weiter ausbauen und sei an einer Vertiefung der Partnerschaft mit den USA in Verteidigungsfragen interessiert. grz
Hamburgs erster Bürgermeister Peter Tschentscher hat am Montag eindringlich davor gewarnt, den Einstieg der chinesischen Reederei Cosco im Hamburger Hafen abzulehnen. Sollte Wirtschaftsminister Robert Habeck eine Beteiligung von Cosco am Container-Terminal “Tollerort” ablehnen, hätte das gravierende Wettbewerbsnachteile für Hamburg. “Eine Ablehnung der Cosco-Beteiligung durch die Bundesregierung ist im Hinblick auf die nationale Sicherheit und Unabhängigkeit nicht begründbar”, sagte Tschentscher der Nachrichtenagentur Reuters. “Sie wäre eine schwere Belastung für den Wirtschaftsstandort und eine einseitige, wettbewerbsverzerrende Benachteiligung Hamburgs gegenüber Rotterdam und Antwerpen, in denen Cosco bereits Terminal-Anteile besitzt.”
Tollerort ist einer von drei Containerterminals im Hamburger Hafen – und der chinesische Reeder Cosco will eine 35-prozentige Minderheitenbeteiligung erwerben. Während die Hamburger Politik sowie die Wirtschaft einen Einstieg begrüßen würden, scheint es im Wirtschaftsministerium Vorbehalte zu geben (China.Table berichtete). Derzeit läuft ein Investitionsprüfverfahren auf Grundlage des Außenwirtschaftsgesetzes. So mancher einer ist der Meinung, dass eine kritische Infrastruktur wie ein Hafenterminal nicht in chinesische Hände geraten dürfe, auch nicht in Teilen.
Tschentscher hingegen glaubt, um im internationalen Wettbewerb bestehen zu können, müssten auch in Hamburg Terminalbeteiligungen von chinesischen Reedereien möglich sein. Hamburg wäre nicht der erste Hafen, in den die Chinesen investieren. Allein in Europa hat Cosco zusammen mit der Partnerfirma China Merchants in 14 Häfen investiert – dazu zählen Mehrheitsbeteiligungen in Valencia und Bilbao, sowie Anteile an den Nordrange-Häfen Rotterdam, Antwerpen und Zeebrügge. rad
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Der Chef-Epidemiologe des chinesischen Zentrums für Krankheitskontrolle und -prävention (CDC), Wu Zunyou, empfiehlt wegen der Ausbreitung der Affenpocken die Vermeidung von Körperkontakt mit Ausländern. Auch mit Chinesen, die nach einer internationalen Reise in die Volksrepublik zurückkehren, sowie grundsätzlich mit Fremden sollte drei Wochen lang jede Berührung umgangen werden, so Wu. Mit diesen Verhaltenstipps will der Mediziner die Infektionsverbreitung verhindern, nachdem am vergangenen Freitag der erste Fall der Krankheit in China in der westlichen Metropole Chongqing diagnostiziert worden war.
Die Gesundheitsbehörden vermuten, dass der Fall aus Deutschland eingeschleppt worden ist. Es seien deutliche Übereinstimmungen mit einem Virusstrang gefunden worden, der Ende Juni in Deutschland aufgetaucht war, heißt es in einer Mitteilung des CDC. Demnach habe sich der Patient zwischen dem 2. und 8. September in der Bundesrepublik aufgehalten und in dieser Zeit Sex gehabt, was die Behörden als Übertragungsgrund ansehen. grz
Der Unfalltod von 27 Menschen hat Kritik an der chinesischen Null-Covid-Politik ausgelöst. Die Opfer waren Insassen in einem Bus, der am Sonntagmorgen auf dem Weg in eine Quarantäne-Einrichtung in der Provinz Guizhou verunglückt war. Weitere 20 Menschen wurden verletzt. In Sozialmedien beklagten sich daraufhin Menschen über die Internierung von positiv Getesteten und deren Kontaktpersonen in den Isolationseinrichtungen – bis die kritischen Kommentare von der Zensur gelöscht wurden.
Die Nutzer stellten die Sinnhaftigkeit der Quarantänezentren infrage, obwohl Menschen sich auch wochenlang zu Hause isolieren könnten. Infizierte und solche mit vermeintlich erhöhtem Infektionsrisiko werden von den Behörden vieler chinesischer Städte oft wochenlang und auch nach mehrmaligen Negativtests in den Einrichtungen festgehalten (China.Table berichtete).
Das von Landwirtschaft geprägte Guizhou hatte am Wochenende einen deutlichen Anstieg der Infektionszahlen verzeichnet. 712 Ansteckungen waren am Samstag diagnostiziert worden. Zwei von drei Coronavirus-Fällen am Samstag stammten damit aus der südchinesischen Provinz. Der Bus mit 47 Insassen war in der Nacht zum Sonntag um 02:40 Uhr auf einer Autobahn verunglückt. Normalerweise ist es besetzten Passagierbussen zwischen 02:00 und 05:00 Uhr morgens nicht erlaubt, die Autobahnen zu befahren. grz
Noch vor wenigen Jahren stand Kooperation mit Partnern aus der Volksrepublik China ganz hoch auf den Agenden zahlreicher europäischer Akteure. Wer hier nicht mitmachte, der hatte schlicht die Zeichen der Zeit nicht verstanden.
Doch die Kooperation ist komplizierter geworden. Das Image der chinesischen Regierung hat wegen ihrer Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang oder militärischer Drohungen gegenüber Taiwan – um nur zwei Aspekte zu nennen – in den vergangenen Jahren stark gelitten. Enge Kooperationen mit dem Systemrivalen, der unseren Demokratien und Werten offen den Kampf angesagt hat, müssen heute sehr gut begründet werden, um nicht ins Kreuzfeuer der Kritik zu geraten.
Weil es im Westen für manche allerdings viel zu verlieren gibt, malt der eine oder die andere das Schreckgespenst einer vollständigen Entkoppelung an die Wand. Es soll die Gefahren skizzieren, die uns drohen, wenn wir uns von China zu sehr entfremden. Oft tut das Gespenst seinen Dienst.
Unbedingte Kooperation und vollständige Entkoppelung stellen zwei unattraktive Enden eines Spektrums dar, das je nach Geschäftsfeld gesondert betrachtet werden muss. Wer Geschäfte in Xinjiang macht, wo Menschen gegen ihren Willen interniert, umerzogen und teils unter Zwang arbeiten müssen, sieht sich größerer (und praktisch nicht mehr durchzuführender) Sorgfaltspflicht ausgesetzt als ein Unternehmen, das in Shanghai Schraubenzieher produziert.
Kooperationspartner in der Volksrepublik unterliegen den Geboten und Launen des Parteistaats. Manche sind sogar direkt am Parteistaat angedockt. Auch der Druck, den der Parteistaat auf private chinesische Unternehmer ausüben kann, ist immens. In einem solchen System ist jede Kooperation letztlich immer auch eine Kooptation. Die Frage ist dann: Wie geht man damit um? Und wenn man davon weiß, wie transparent verhält man sich?
Der frühere Verteidigungsminister Rudolf Scharping beklagt, dass “die Zwischentöne” verloren gingen, wenn man nicht direkten und persönlichen Austausch pflege. Anstelle eines “Decoupling” brauche es nüchterne Analyse. Er plädiert für die Kooperation. Er erwähnt Handel, Investitionen, Forschung und Entwicklung sowie notwendige Verhandlungen. Denn ohne China gebe es beispielsweise keine global tragfähige Antwort auf den Klimawandel.
Grob gesprochen liest sich das so: Da die vollständige Entkopplung (die offenbar sogar Verhandlungen ausschließt) schlecht und Bemühungen um Klimawandel gut sind, wird suggeriert, dass Kooperation an sich der richtige Weg ist. Das Problem dabei ist, dass man sich nicht aussuchen kann, mit wem man in China kooperiert, sondern automatisch im Schoße derer landet, die die erwähnten Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang oder die militärischen Drohungen gegenüber Taiwan verantworten.
Auch Scharping kann sich diesen Kräften nicht entziehen. Das zeigt die 9. Deutsch-Chinesische Wirtschaftskonferenz Anfang September in Frankfurt, die sein Beratungsunternehmen gemeinsam mit dem China Economic Cooperation Center (CECC, 中国经济联络中心) veranstaltet hat und die vom “China Council for International Investment Promotion” (CCIIP, 中国国际投资促进会) unterstützt wurde.
Das CECC ist der im Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Chinas angesiedelten Internationalen Abteilung direkt unterstellt. Die Internationale Abteilung ist für die Beziehungen der KP mit anderen Parteien außerhalb des Landes zuständig, historisch gesehen vor allem mit anderen kommunistischen Parteien, seit der Reform- und Öffnungspolitik auch mit politischen Parteien jeglicher Couleur.
Seit den frühen 2000er-Jahren und besonders auch unter Staatspräsident Xi Jinping hat die Internationale Abteilung (wie auch die Propagandaabteilung und vor allem das Einheitsfrontarbeitsdepartement) an Bedeutung gewonnen. Dass es hierbei um Beeinflussung, Kooptation und die Durchsetzung außenpolitischer Interessen des chinesischen Parteistaats geht, wird kaum bestritten.
Neuere Forschung zur Internationalen Abteilung erwähnt zudem die besondere Stellung in Europa, die Deutschland in diesen Bemühungen zukommt. Auch auf der Homepage des CECC ist das Ziel der Beförderung der “nach außen gerichteten Arbeit” (对外工作) der KP China und der Umsetzung des “Xi-Jinping-Denkens über den Sozialismus chinesischer Prägung im neuen Zeitalter” explizit festgehalten.
Dass hinter dem CECC die Internationale Abteilung steckt, lässt sich auch an der publizierten Liste der Vortragenden an der Frankfurter Konferenz ablesen. Mit Shen Beili 沈蓓莉 und Liu Jingqin 刘敬钦waren ein derzeitiger und ein ehemaliger Spitzenfunktionär der Internationalen Abteilung vor Ort. Auch Jiang Feng 姜锋, der Parteisekretär der Shanghai International Studies University, hat in Frankfurt vorgetragen. Dieser hat in einem von der Volkszeitung im Januar 2022 publizierten Gespräch mit Scharping das politische System der VR China “als Mehrparteiensystem” bezeichnet, in dem es “viele demokratischen Parteien” gäbe – womit er die “Parteien” meint, die unter der Führung und Kontrolle der KP China stehen und in der Einheitsfront versammelt sind.
Die Kooperation mit der Internationalen Abteilung ist keineswegs neu. Letztes Jahr hat Scharping etwa am “Gipfeltreffen zwischen dem Vorsitzenden der KP Chinas und politischen Parteien weltweit” teilgenommen, welches von der Internationalen Abteilung ausgerichtet wird, und in seiner Rede die KP China mehrfach gelobt. Doch dass Kooperation mit Akteuren aus der Volksrepublik China immer zu Kooptation führt, ist letztlich einer Systemnotwendigkeit geschuldet, welche einer Ein-Parteien-Diktatur, die Chinas politisches System wie in Art. 1 der Staatsverfassung festgehalten und trotz gegensätzlicher Behauptungen seiner Kader darstellt, inhärent ist. Bei der alle Beziehungen zur Welt außerhalb der Partei gemanagt und möglichst der Parteiagenda unterstellt werden.
Wer sich für Kooperation entscheidet, wofür es gute Gründe geben mag, der muss einen Umgang mit der Kooptation finden. Zensiert man sich ein Stück weit selbst, weil man dem Gegenüber nicht zu viel zumuten möchte, aus Höflichkeit, klugem Taktieren oder weil man damit die Durchsetzung der eigenen Interessen erreichen würde? Oder wiederholt man sogar explizit Propagandapunkte der KP Chinas, welche dadurch normalisiert werden, und nimmt damit gar die erfolgreiche Ausübung von Diskursmacht in Kauf? Ab welchem Punkt führt Kooperation zu Komplizenschaft?
All diese Fragen dürfen und müssen unterschiedlich und für den jeweiligen Einzelfall beantwortet werden. Doch klar ist: Wenn man direkt mit Institutionen aus dem chinesischen Parteistaat kooperiert, muss man diese Tatsache transparent anzeigen. Nur so bleibt Dritten die Möglichkeit überlassen, wie weit sie selbst vereinnahmt werden möchten.
Ralph Weber ist Professor für European Global Studies an der Universität Basel in der Schweiz. Seine Forschungsgebiete umfassen die chinesische politische Philosophie, den modernen Konfuzianismus sowie die chinesische Politik. Er beschäftigt sich mit den europäisch-chinesischen Beziehungen und hat im Dezember 2020 eine viel beachtete Studie zur Einflussnahme des chinesischen Parteistaats in der Schweiz veröffentlicht.
Der Vizepräsident der Europäischen Handelskammer in Peking, Guido Giacconi, ist tot. Wie Kammerpräsident Jörg Wuttke mitteilte, verstarb der Italiener am Wochenende in seiner Heimat. Giacconi war seit Mai vergangenen Jahres für die Handelskammer aktiv.
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Party on: Nach drei Monaten Covid-Pause erlaubten die Pekinger Behörden am vergangenen Wochenende wieder Clubnächte an einem ausgewählten Standort. Im iWork Science and Innovation Park kamen Hunderte junge Leute zusammen, um zu feiern – Zigarettenpausen vor dem Eingang inklusive.